Auswahl: Übersetzer

953 Wolpert, Franz Alphons (1917-1978) ADB

Fünfzehn Shakespeare-Sonette (deutsch und englisch). Übertragen und vertont von F[ranz] A[lphons] Wolpert (Bonn, 1978), 32 S.

15 Sonette: 1, 66, 71, 73, 87, 107, 116, 128, 132, 134, 138, 144, 146, 149, 153.

Vor 1969 entstanden. Mit einleitenden Ausführungen "zum Verständnis" (S. 1 und 2).

Zum Zweck der Vertonung gruppierte der Autor die Sonette in einem "erdachten dramatischen Aufbau" zu einem Seelendrama, das er als "persönliche Tragödie Shakespeares" auch im Sinne eines Selbstzeugnisses versteht.

1. Folge: Sonette 1, 73, 107.

2. Folge: 128, 132, 138, 144, 153.

3. Folge: 149, 116, 71, 134, 87, 66, 146.

Zum Verständnis (S. 1-2):

Wenn es überhaupt ein vorhandenes und gültiges Selbstzeugnis aus Shakespeares Leben gibt, - denn keine schriftliche Äußerung von seiner Hand außer zwei fast unleserlichen Unterschriften ist auf uns gekommen -, dann sind es seine Sonette.
Ein Vergleich mit seinen übrigen Dichtungen – außer den Theaterstücken – zeigt uns bei den Sonetten etwas viel Unmittelbareres, Ergreifenderes, ohne eigenes Erleben kaum Denkbares. Darin stimmen auch im großen und ganzen die Gelehrten überein: Shakespeare stellt in den Sonetten sich selbst, seine Neigung zu einem gesellschaftliche höherstehenden Freund und zur treulosen, ebenfalls namenlosen Geliebten dar. Für diese Ansicht spricht vor allem die ebenso getreue wie selbsterniedrigende Eigendarstellung seiner Hörigkeit gegenüber der "Black Lady" – auch "Dark Lady" genannt -, der er auch dann noch verfallen ist, als diese sich längst dem Freund verbunden hat.
Die Reihenfolge der ersten Originalausgaben galt schon immer als zufällig und ungeordnet. Es bildeten sich deshalb erste Zusammengehörigkeitsideen (Sonett I bis CXXVII an den Freund, bis CLIV an die Black Lady) heraus, diese wurden allmählich durch andere Zusammenstellungen, sogen. Sequenzen, abgelöst und bis in unsere Tage durch immer neue, teilweise sogar mit namentlich genannten, "vermutlichen" Adressaten ausgestattete Nummernfolgen ersetzt. Daß diese Sequenzen Spekulationen bleiben müssen, liegt auf der Hand.
Die vorliegende Auswahl für die Vertonung ging von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus: Nachdem der Dichter den jungen Freund, sich selbst als alternden Dichter, und schließlich die Geliebte als personifizierte Liebe vorgestellt hat (Nr .1-3), zeigt die zweite Folge (Nr. 4-8) das Auf und Ab der heftigen Zuneigung, des Verdachts auf Untreue, des Selbstbetrugs, und schließlich die dritte Folge (Nr. 9-15)ein noch größeres Schwanken auch in der Gewißheit der Treulosigkeit bis zum trostlosen, vereinsamten Todesgedanken. Die Auswahl aus den 154 Sonetten erfolgte also in einem besonders erdachten dramatischen Aufbau, wobei Kontraste und Tiefe des Gefühls für das geschilderte Verhältnis der drei Akteure dieser persönlichen Tragödie Shakespeares am stärksten ausschlaggebend waren. Die Auswahl folgte deshalb keiner der bisherigen Sequenzen, das widersinnige Festhalten der totalen Hörigkeit gegenüber der Geliebten bis zum unausweichlichen bitteren Ende webte den roten Faden.
F.A.W.

Nachdruck:

Ulrich Erckenbrecht, Shakespeare Sechsundsechzig. Variationen über ein Sonett (Shakespeares Sonett Nr. 66 in 88 deutschen Translationen). Gesammelt, ediert und kommentiert von Ulrich Erckenbrecht (Göttingen: Muri Verlag, 1996), S. 199. (=1110)

Sonett 66

Siehe auch:

K370