Auswahl: Übersetzer

380 Mauntz, Alfred [Johannes Felix] von (1839-1911)

Gedichte von William Shakespeare in's Deutsche übertragen durch Alfred von Mauntz (Berlin: Emil Felber, 1894); gleiche Ausgabe bei M. T. Bruer, o. J. [1894], XVI, 362 S.

Vollständige Ausgabe: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154.

In eigener Zählung, mit "Vorwort" (S. III-VII), "Textberichtigungen" (S.XVI) und "Anmerkungen" (258-356) sowie einer "Einleitung mit kurzer Beurteilung der Sonettfragen" (S. 145-158) und einer Konvertierungstabelle (S. 357-362).

Sonette 16-22 werden unter separater Überschrift "Sonette zu verschiedenen Melodien" aufgeführt (S. 250-257).

In der Abteilung "Lyrische Gedichte" (S. 159-257) werden zwischen den Sonetten auch Strophen in deutscher Übersetzung aus The Passionate Pilgrim und The Phoenix and the Turtle aufgenommen.

Der Band enthält auch: Venus und Adonis, Lucretia und Einer Liebenden Klage.

Vorwort:

Die Gedichte Shakespeare's bieten neben einigen Absonderlichkeiten, die auf Rechnung des dichterischen Geschmackes seiner Zeit zu setzen sind, viele Schönheiten, obgleich die meisten aus seiner frühesten uns bekannt gewordenen Dichterperiode stammen – was glückliche Freiheit und Wucht der Sprache, so wie Bekundung ernster Lebensanschauung betrifft – hinter seinen gewaltigen Dramen zurückstehen.
Hierin dürfte wol der Grund zu suchen sein, dass die wissenschaftliche Forschung sich diesen Dichtungen erst zuwendete, als man den Versuch machte, aus deren Inhalt die spärlichen Nachrichten zu vervollständigen, welche von dem Leben Shakespeare's als Mensch vorhanden waren. Seit Ende des vorigen Jahrhunderts beschäftigen sich diesseits und jenseits des Kanals die Fachgelehrten mit denselben, aber in den weiteren Kreisen der deutschen Gebildeten haben sie, trotz vieler zum Teil sehr gelungener Übersetzungen, noch immer nicht solche Beachtung gefunden, wie sie es verdienen.
Für jeden, der sich mit dem Leben des grossen Britten und dessen Werken beschäftigen will, bieten sie hohes Interesse, belauschen wir doch den Dichter, wie er lernt und sich fortbildet, indem er den Sinn ganzer Stellen aus römischen Klassikern in frei gewähltem Versmasse englisch wiedergiebt – wie er einzelne Stylformen und Gedanken nicht nur lateinischer, sondern auch früherer englischer Schriftsteller (besonders Ovid's, Virgil's und Sir Philip Sidney's) bald wörtlich, bald verändert für die ihm eigenthümliche Ausdrucksweise zuzupassen versteht – wie er auch versucht, dem modernen, verschnörkelten Geschmacke seiner Zeit (Euphuismus) gerecht zu werden – wie aber dabei immer, oft blitzartig, sein eigenes natürliches Talent durchbricht – wie er in "Einer Liebenden Klage" bereits aus höchst dürftigem Stoffe, ohne Beigabe einer Handlung, ein hochachtbares Gedicht zu schreiben im Stande ist – und wie er schon in einigen Sonetten auf der dichterischen Höhe erscheint, auf welcher er seine reiferen Dramen geschrieben hat. Wir erkennen ihn aus den Sonetten als rührend dankbaren Verehrer eines hochstehenden jugendlichen Gönners, der ihm auf dem dornigen Pfade vom verachteten Schauspieler zum geachteten Schriftsteller hilfreiche Hand geleistet zu haben scheint, als meisterhaften Darsteller menschlicher Gefühle und Leidenschaften und als ernsten (wahrscheinlich kranken) sich mit Todesgedanken abgebenden Mann.
Mit staunenswertem Fleisse sind die alten Handschriften und Drucke der Elisabethanischen Zeit durchforscht worden, um durch Vergleiche derselben mit den Gedichten Näheres über Shakespeare's Leben zu erfahren, aber bisher hat man sich mit mehr oder weniger scharfsinnigen Mitmassungen begnügen müssen – vollgüthige beweiskräftige Anhaltspunkte sind wenig erbracht worden.
Indessen schon das oben Angeführte sichert den in Rede stehenden Gedichten das Interesse jedes Gebildeten. Dasselbe nach besten Kräften zu fördern, sei der Zweck vorliegender Arbeit, bei welcher neuer englische und deutsche Shakespeare-Auslegungen berücksichtigt worden sind.
Dennoch möchte ich den Namen 'Übersetzung' nicht ohne Weiteres auf mein Werk anwenden. Von einer solchen muss man die Wiedergabe aller Worte und Gedanken des Originals fordern. Dies liesse sich bei Shakespeare's Gedichten nur ermöglichen, wenn man Prosa, oder ein längeres Versmass anwendete, denn die englische Sprache ist bekanntlich reicher an einsilbigen Worten, kurzen Ausdrucksweisen und Reimen, als die deutsche. Aber selbst wenn man auch diese Auskunftsmittel wählte, so müsste man doch immer noch dem Leser viele Wortspiele und Alliterationen nach Wort und Sinn schuldig bleiben und – der Charakter der Gedichte ginge in beiden Fällen mehr oder weniger verloren.
Man bewahrt denselben m.E. am Besten, wenn man das Versmass und die Reimfolge des englischen Dichters beibehält. –
Abgesehen von den hiedurch bedingten Auslassungen, bezw. Hinzufügungen weniger wichtiger Ausdrücke und Gedanken und der Annahme einzelner Bilder, die denen des Originals nicht gleich, sondern nur ähnlich sind, um Versmass und Reimfolge festhalten zu können, bin ich ferner an solchen Stellen, deren wörtliche Wiedergabe für den heutigen Geschmack zu schwülstig, oder zu derbe klingen würde, von dem englischen Texte abgewichen und habe, unter Festhaltung des ungefähren Sinnes, Ausdrücke gewählt, welche die erwähnten Übelstände zu vermeiden scheinen.
Beim "Schmieden" der Verse habe ich mich nicht so gebunden, wie F. Krauss, der die Sonette alle nach einem bestimmten Muster übersetzt hat (die ungeraden Zeilen 11silbig mit weiblichen, die graden 10 silbig mit männlichen Reimen), aber andrerseits nicht zu der dichterischen Freiheit F. Bodenstedt's erhoben, welcher nicht nur innerhalb eines Sonetts die männlichen und weiblichen Reime, sondern auch deren Folge wechseln lässt. Letzteres – die Änderung der Reimfolge innerhalb eines und desselben Gedichts – habe ich vermieden. Dagegen habe ich männliche und weibliche Reime frei nach Bedarf gewechselt und die unbeendeten Reihen, (unstopp'd lines), d. h. solche Zeilen, in denen der begonnene Gedanke nicht bis zu Ende, oder bis zu einer Pause geführt ist, häufiger angewendet, als dieses im englischen Texte geschehen ist.
Ich bitte den freundlichen Leser, keine zu hohen dichterischen Ansprüche an meine deutschen Verse zu legen. Da ich mich früher leider nicht mit solchen Arbeiten beschäftigt habe und mich vor allen Dingen durch möglichst genaue Wiedergabe der englischen Gedanken gebunden hielt, so erscheinen Mängel, welche eine geübtere Hand wahrscheinlich hätte vermeiden können. Ungewöhnliche Wortstellungen, Apostrophierungen, ungenaue (d. h. halbe) Reime u. dgl. m. habe ich überall da dulden zu müssen geglaubt, wo eine Verbesserung des deutschen Textes den Sinn des englischen noch mehr verändert hätte, als dieses schon ohnehin unvermeidbar erschien.
Shakespeare selbst hat nur zwei seiner Gedichte – "Venus und Adonis" und "Lucretia" – als Einzelwerke drucken lassen, die übrigen sind unter Umständen erschienen, welche die Annahme rechtfertigen, dass er sich um die Veröffentlichung nicht bekümmert hat. Am wahrscheinlichsten ist es, dass der Dichter dieser Erzeugnisse seiner Muse handschriftlich teils einzeln, teils in Gruppen niedergeschrieben und an Personen weggegeben hat, die heute nicht mehr ermittelt werden können, und dass dann später, als er ein berühmter dramatischer Dichter geworden war, Buchhändler in den Besitz dieser Papiere gekommen sind und dieselben zu ihren Geschäften verwerteten. Solche Vorgänge waren in jener Zeit nicht ungewöhnlich und Shakespeare mag sogar seine Einwilligung zur Veröffentlichung der längst verwerteten Handschriften gegeben haben, da keine Nennung eines Namens, noch eine erkennbare Personalbeschreibung in den Gedichten enthalten ist, welche ihm schaden konnte.
So wird wenigsten die wirre Reihenfolge erklärbar, in welche diese Werke auf uns überkommen sind, die für ihre Herausgabe unvorteilhaft ist.
Ihrem Inhalte nach lassen sich die Gedichte einteilen in "Erzählende" und "lyrische". Zu den beiden schon erwähnten (episch) erzählenden reihe ich noch das (idyllisch) erzählende Gedicht "Einer Liebenden Klage" welches bisher als Anhängsel zu den Sonetten einen ganz verlorenen Platz hatte. Meine Reihenfolge und Anordnung der "lyrischen Gedichte" ist in der Einleitung zu denselben begründet worden.
Unter "Anmerkungen" habe ich viele Punkte erläutert, die mir als Laien beim Übersetzen auffällig wurden und Gedanken-Ähnlichkeiten mit den Werken Sidney's, Ovid's und Virgil's angeführt, die mir in die Augen sprangen. Wenn auch einzeln betrachtet viele dieser Ähnlichkeiten zufällig entstanden sein könnten, so beweist doch die grosse Anzahl derselben, dass Shakespeare die vorgenannten Schriftsteller genau gekannt haben muss, als er seine Gedichte schrieb und dass er auch Gedanken Anderer, deren er sich bediente, in die Formen seines eigenen Talentes zu bilden verstand. Auf Vollzähligkeit haben diese Anführungen schon aus dem Grunde einen Anspruch, weil ich als alter Militair, dem solche Studien fernlagen, kein Latein mehr lesen kann und mich mit deutschen Übersetzungen Ovid'd und Virgil's behelfen musste.
Um den Text nicht durch zu vielen Nebendruck zu belasten, habe ich die Anmerkungen numeriert und am Ende des Bandes zusammengestellt und die entsprechenden Nummern neben die Zeilen gestellt, auf welche sich die betreffenden Anmerkungen beziehen. Die Verse der längeren Gedichte sind numeriert, dagegen auch die einzelnen Zeilen am Fusse jeder Seite gezählt, um das Auffinden in den älteren Ausgaben zu erleichtern. Die von mir benutzten Quellen sind in Anmerkung 1) aufgeführt.
Berlin, im Juni 1894.
Alfred von Mauntz

Aus den Anmerkungen (S. 258):

"1) Werke, die beachtet und zum Teil als Quellen benutzt sind:
G. Gervinus, Shakespeare
H. Ulrici, Shakespeares dramatische Kunst
G. Massey, Shakespeare's sonnets never before interpreted.
F. Krauss, Shakespeare's Southampton-Sonette.
Derselbe, Shakespeare's Selbstbekenntnisse.
Die Aufsätze über die Sonette im deutschen Shakespeare-Jahrbuch
H. Isaac, "Zu den Sonetten" in Herrigs Archiv Bd. 59, 60, 61, 62.
Edward Dowden, Arthur Symons, F. J. Furnivall, Th. Tyler, deren Vorreden zu den betreffenden Bänden von Griggs Facsimile-Ausgaben der Werke Shakespeare's.
Edmond Malone, The life of William Shakespeare.
J. O. Halliwell-Philipps, Outlines of the life of Shakespeare.
Th. Tyler, Shakespeare's sonnets.
T. J. Baynes, What Shakespeare learnt at school (Frazers Magazine Vol. 21, 22).
Thomas Nash Pierce Penniless's Supplication to the Devil.
Suchier, Klussmann, Berg, Übersetung von Ovid's Werken.
W. Binder, Übersetzung von Virgil's Werken.
Sir Philipp Sidney, The Countess of Pembroke's Arcadia.
Derselbe, Astrophel and Stella.
Alexander Schmidt, Shakespeare-Lexicon.
Die aus englischen Schriftstellern angeführten Stellen sind von mir verdeutscht." (S. 258)

Nachdrucke:

Albert Ritter, "Die Sonette", in: Der unbekannte Shakespeare. Eine Auswahl aus Shakespeares Werken. Mit 16 Vollbildern in Kupferdruck (Berlin: Gustav Grosser, 1922), S. 262-278. (=530)

Sonett 60 (S. 270/271)

Ulrich Erckenbrecht, Shakespeare Sechsundsechzig. Variationen über ein Sonett (Shakespeares Sonett Nr. 66 in 88 deutschen Translationen). Gesammelt, ediert und kommentiert von Ulrich Erckenbrecht (Göttingen: Muri Verlag, 1996), S. 170. (=1110)

Sonett 66

Jürgen Gutsch, 'lesen, wie krass schön du bist konkret'. William Shakespeare. Sonett 18 vermittelt durch deutsche Übersetzer. Hg und eingeleitet von Jürgen Gutsch mit einem Geleitwort des Bibliographen Eymar Fertig (Dozwil: Edition SIGNAThUR, 2003), S. 58. (=2085)

Sonett 18