Auswahl: Übersetzer

2014 Boerner, Eric (1965- )

Manuskript:

6 Sonette: 1, 2, 3, 55, 135, 138 (in freien Rhythmen, gereimt).

Entstehung der Sonette 1 und 2 im August 1996, Sonett 3 im März 1997, die anderen Mitte 2002. Computer-Ausdruck, im Privatbesitz.

William Shakespeare. Die Sonette / The Sonnets . Zweisprachige Ausgabe. Vollständig übertragen von Eric Boerner (Berlin: Create Space Independent Publishing Platform, 2012). 166 S.

Vollständige Ausgabe: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154.

Erklärungen des Übersetzers:

Ein paar Worte zu meinen Übertragungen möchte ich mir trotzdem noch erlauben. Sonett 145 habe ich, wie bereits erwähnt, vom vier- zum fünfhebigen Jambus erweitert, weil sich das Englische mit seinen vielen einsilbigen Worten erheblich knapper ausdrücken kann. An die vielen deutschen silbenfresserischen Hilfsverbkonstruktionen wollen wir gar nicht erst denken. Der fünfhebige Jambus dagegen ist, allerdings erst unter Einsatz aller Mittel sprachlicher Verkürzung im Deutschen, durchaus übersetzbar. Die eine oder andere inhaltliche Weglassung oder Vereinfachung wird der Leser leider verschmerzen müssen, es sei denn, er gibt sich mit den ästhetisch wenig ansprechenden Prosaübersetzungen zufrieden, die der Buchmarkt ebenfalls bereit hält. Für mich als Nachdichter sind die ästhetischen Verluste bei Prosaübersetzungen aber kaum erträglich, weil ohne die lyrische Form der gehobene Ausdrucksstil von Gedichten übertrieben manieriert und letztendlich geschmacklos klingt. Aber das ist Sache des Gusto oder wie der Kerl heißt. Während es nur ein Original gibt, sind beliebig viele Übertragungen und Übersetzungen denkbar, die alle ihre Vor- und Nachteile besitzen. Der Leser hat die Wahl, der arme.
Ein anderer Punkt ist die Frage der Stilistik bei Übertragungen. Grundsätzlich übersetzt jeder in seine eigene Sprache. Wer Prosaübersetzungen kennt, weiß, dass selbst diese stilistisch gefärbt sind. Ein trockener Wissenschaftler erzeugt zwangsläufig trockene Prosa, ein Anhänger Thomas Mannscher Barockprosa wird dagegen mehr ins Blumige tendieren. Letztendlich ergibt sich immer eine Stilmischung zwischen dem Original, das natürlich aus seiner Zielsprache heraus weiterwirkt, und dem Stil des Übersetzers. Hierbei ist der Sprung von Shakespeare, der ein typischer Vertreter des Manierismus ist, der abschließenden Epoche der Renaissance, die bereits in den Frühbarock überleitete, zu unserem heutigen mehr oder weniger gepflegten Postmodernismus natürlich immens. Eine vollständige Transformation elisabethanischer Ästhetik in die Postmoderne würde letztlich zu albernen Parodien der Originale führen. Es gibt hier sehr beachtliche Beispiele von Ulrike Draesner und Feridan Saimoglu, deren Wirkung aber eher belustigend ist. Hieraus folgt, so man ernsthafte Resultate erzielen will, eine verstärkte Annäherung an die Stilistik der Shakespearezeit, wie wir es etwa aus der historischen Praxis der klassischen Musik kennen, die versucht, die Spielart und auch die Instrumente früherer Zeiten wieder aufleben zu lassen, und sie in die heutige Zeit zu integrieren. Das Ergebnis ist dabei immer eine Bereicherung. Völlige Stilreinheit wirkt dagegen klinisch, unlebendig und in letzter Konsequenz langweilig.
Bei mir persönlich hat sich eher organisch, durch eine lange Praxis lyrischer Übertragung, eine gewisse, mir eigentümliche Art der Nachdichtung entwickelt, die ich in ihren Details nur schwer zu benennen wüsste. Ich persönlich habe zum Beispiel eine starke Abneigung gegen reine Reime in moderner Dichtung, da sie meist zu äußerst vorhersagbaren Aussagen und lyrischen Konstruktionen führen, die für mich allesamt nach Münchner Schule klingen, und Münchner Schule klingt für mich nach ästhetisierender Kotzbeutelei. Daher die Vorherrschaft der unreinen Reime bis hin zu reinen Assonanzen. Die noch sehr freien Rhythmisierungen meiner ersten Übertragungen, die den Bereich jambischer Versfüße deutlich hinter sich ließen, habe ich im Laufe der Zeit zu einer rhythmisch zwar noch sehr frei klingenden, aber für mich persönlich recht erstaunlichen Treue zu geregelten Ikten zurück- oder weiterentwickelt. Dass dem Freund reiner Reime und historisch überlieferter symmetrisch schöner Rhythmik meine Erneuerungen zu weit gehen, versteht sich genauso von selbst, wie dass dem Rapper zuwenig gerappt wird. Auch er ist ja ein Lyriker, folglich schwul, obwohl er das nicht unbedingt so sehen möchte. Letztendlich muss jeder selbst wissen, wo er bleibt. Allzu Modernistisches klingt reichlich schnell allzu altbacken und zeitgebunden, und das Archaistische klingt auch noch nach Jahren genauso überaltert wie schon zur Zeit seiner Entstehung. Das Schöne wird sich bewähren. (Online verfügbar.)

Erstdruck:

Jürgen Gutsch, 'lesen, wie krass schön du bist konkret'. William Shakespeare. Sonett 18 vermittelt durch deutsche Übersetzer. Hg und eingeleitet von Jürgen Gutsch mit einem Geleitwort des Bibliographen Eymar Fertig (Dozwil: Edition SIGNAThUR, 2003), S. 141. (=2085)

Sonett 18

Wiederabruck:

Ulrich Erckenbrecht, "X Digestif: Shakespeares Sonett 66 in 44 weiteren deutschen Versionen". Beilage zu Shakespeare Sechsundsechzig, 3. erneut erweiterte Auflage, ed. Ulrich Erckenbrecht (Kassel: Muri Verlag, 2015), S. 338.

Sonett 66