Text

Die Gefangenen

|| [0143.01]

I. Die Gefangnen, ein Lustspiel.

Aus dem Lateinischen des M. Accius Plautus übersetzt.

|| [0144.01]

Personen des Lustspiels.

Hegio
.
Ein Alter
.
Ergasilus
,
ein Schmarutzer
.
Philokrates
, }
die Gefangnen
.
Tyndarus
,
Aristophontes
.
Ein Scherge
.
Ein Knecht des Hegio
.
Philopolemus
,
des Hegio Sohn
.
Stalagmus
.

|| [0145.01]

Der Vorredner

an die Zuschauer.

Diese zwey Gefangnen, die ihr hier ste hen sehet, sitzen nicht, sondern (*) - - stehen. Es kann mir es jeder von euch bezeugen, daß ich die Wahrheit rede. Der Alte, welcher hier wohnet, heißt Hegio, und ist dieses Gefangnen Vater. Wie es aber komme, daß er bey seinem eignen Vater diene, 1
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will ich euch, wenn ihr mir zuhören wollt, erzählen. Hegio hatte zwey Söhne. Einen davon, als ein Kind von vier Jahren, entführte ihm ein Knecht, welcher sich damit fortmachte, und ihn in Elis an den Vater dieses andern Gefangnen verkaufte. Ihr be greift es doch? - - Nun gut. Wie aber? Du, dort unten im Winkel, du sprichst, nein? Tritt näher her. Wenn du keinen Platz zum sitzen finden kannst, hier ist Platz zum stehen. Soll sich denn der Schau spieler zum Bettler schreyen? Nimm mir es nicht übel, deinetwegen werde ich mich nicht zerreißen. Ihr aber, die ihr einen bequemen Ort inne habt, dankt es euerm Reichthum, und hört vollends das Restchen, denn ich bleibe die Restchen nicht gerne schuldig. Der flüchtige Knecht, wie ich schon gesagt habe, verkaufte seinen jungen Herrn, den er von Hause mitgenommen hatte, an dieses Vater. Dieser schenkte ihn alsobald seinem Sohne zu seinem besondern Knechte, weil sie beynahe von einem Alter waren. Nunmehro aber dient er in seinem väterlichen Hause seinem eignen Va ter, ohne, daß es der Vater weis. In der That, die Götter spielen auch mit den Menschen, wie mit Fangebällen. Nunmehro wißt ihr, wie er den einen Sohn verlohren hat. Der andre aber ist im Kriege, den die Aetolier und Elienser mit einander geführt ha ben, zum Gefangnen gemacht worden, (denn das
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geschieht, so viel ich weis, im Kriege dann und wann) und der Arzt Menarchus in Elis hat ihn an sich ge kauft. Hegio gegentheils kauft eliensische Gefangne auf, in Hoffnung, daß er einen darunter finden wird, mit dem er seinen gefangnen Sohn austauschen könne; weis aber nicht, daß einer davon sein eigner Sohn sey. Weil er nun gestern gehört, daß ein sehr vornehmer eliensischer Ritter sey gefangen worden, so hat er, zu seines Sohnes Besten, keine Unkosten angesehen, son dern hat diesen Ritter, nebst seinem Knechte, bey den Quästors von der Beute erkauft, damit er durch ihn seinen Sohn desto leichter wieder erhalten könne. Diese aber haben sich folgende List ausgesonnen, wodurch der Knecht seinen Herrn nach Hause verhelfen könne: sie haben nämlich Kleider und Namen unter einander verwechselt, daher heißt nun dieser Philokrates und jener Tyndarus, und Tyndarus spielt heute des Philokrates, und Philokrates des Tyndarus Rolle. Dieser wird seine List vortrefflich ausführen, und nicht allein seinen Herrn in die Freyheit versetzen, sondern zugleich seinen eignen Bruder erhalten, und ihn als einen Freyen in sein Vaterland zu seinem Vater zurück helfen. Alles das aber wird er von un gefähr thun, wie es denn meistentheils geschieht, daß die Menschen mehr Gutes von ungefähr (*), als mit 2
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Willen, thun. Denn von ungefähr haben sie, ohne jemands Einrathen, ihre List also eingerichtet, daß dieser bey seinem eignen Vater in der Knechtschaft blei ben muß. Er dienet nun also seinem eignen Vater, ohne, daß er es weis. Was für eine elende Creatur ist der Mensch, wenn ichs bedenke! Dieses nun, ihr Zuschauer, ist es, was ihr als eine wahre Geschichte, wir aber als eine Fabel (*) anzu- 3
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sehen haben. Eines habe ich noch mit wenigem zu erinnern. Es verlohnt sich, in der That, der Mühe, daß ihr diesem Spiele zuhört. Denn es ist nicht so oben hin nach der gemeinen Weise gemacht; es sind keine unzüchtigen Verse darinne, mit welchen man das Gedächtniß zu beladen sich schämen muß. Es kömmt kein meyneidiger Hurenwirth, keine treulose Buhlerinn, kein großsprecherischer Soldat vor. Uebrigens dürft ihr euch des Kriegs wegen nicht bange seyn lassen, den, wie ich gesagt habe, die Ae tolier und Elienser mit einander führen. Es kömmt nichts auf dem Schauplatze davon vor. Denn es wäre sehr unbillig, wenn wir, da die Zuschauer ein Lustspiel erwarten, plötzlich in ein Trauerspiel fallen wollten (*). Will aber jemand von euch Krieg haben, der fange nur Händel an. Wenn es ihm glückt, daß er an einen kömmt, der stärker ist als er, so wird es ge- 4
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wiß ein so artiges Treffen setzen, daß er sich gerne in Zukunft für alle Treffen bedanken wird. Lebet wohl, ihr gerechtesten Richter im Frieden, und tapfersten Helden im Kriege! Ich gehe ab.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Ergasilus.

Ergasilus

Die Jugend hat mir den Zunamen Hure gegeben, weil ich beständig ungerufen bey ihren Gaste reyen bin. Ich weis wohl, die Herren Witzlinge sa gen, daß der Zuname sehr albern sey; allein ich - - ich sage, daß er schon recht ist. Denn wenn ein Buhler bey der Schmauserey würfeln will, so ruft er seine Hure dabey an. Nicht wahr, sie ist also an gerufen? Freylich. Ist es denn nun viel anders mit uns Schmarutzern, die wir niemals zu einem Schmause gerufen werden? Wir sind also allezeit un gerufen? Angerufen und ungerufen aber ist ja nicht so weit von einander (*). Wir ernähren uns bestän- 5
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dig, wie die Mäuse, von fremder Kost. Wenn sich die Leute Feyertage machen, und aufs Land begeben, so haben auch unsere Zähne Feyertage. So wie die Schnecke bey der Hitze, wenn kein Thau fällt, sich ganz verborgen hält, und von ihrem eignen Safte zehret; so bleiben auch die Schmarutzer, wenn die, die sie sonst beschmausen, auf dem Lande sind, ganz versteckt, und leben von ihrem eignen Safte. Alsdann gleichen sie den Windhunden, nach und nach aber, wenn die Leute in die Stadt zurück kommen, werden sie wieder zu dicken unbequemen und verdrüßlichen Bollenbeißern. Es ist zwar hier auch ganz aus mit ihnen; wer nicht Ohrfeigen leiden, und sich die Töpfe auf dem Kopfe zerschmeißen lassen kann, der mag nur den Sack neh men und vors Thor betteln gehen. Und wer weis, ob mirs besser gehen wird, da mein Patron im Krie ge, den die Aetolier und Elienser mit einander füh ren, zum Gefangnen ist gemacht worden. Itzo ist er nun in Elis, der arme Philopolemus; denn ich bin hier in Aetolien, und zwar bey seines Vaters des Hegio Hause. Der gute alte Mann! Sein Haus ist mir itzo ein recht Jammerhaus geworden, ich kann es ohne Thränen niemals ansehen. Er hat, seinem Sohne zum Besten, einen recht schimpflichen Handel, und der seinem Naturell gar nicht gemäß ist, angefan gen. Er kauft nämlich Gefangne auf, in Hoffnung, daß er einen darunter finden wird, mit welchem er sei-
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nen Sohn vertauschen kann. Ich muß ihn doch be suchen. Doch die Thüre geht alleweile auf, woraus ich so oft dicke und berauscht gegangen bin.

Zweyter Auftritt.

Hegio. Ein Scherge. Ergasilus.

Hegio

Höre, was ich sage. Mache die zwey Gefangnen, die ich gestern bey den Quästors von der Beute gekauft habe, von ihren großen Ketten, womit sie gefesselt sind, los, und lege jedem eine besondre an. Laß sie, drinnen und draußen, frey herum gehen, nur daß sie mit der größten Sorgfalt bewacht werden. Mit einem Gefangnen, dem man zu viel Freyheit läßt, ist es nicht anders, als mit einem Vo gel. Wenn er einmal Gelegenheit davon zu fliegen findet; so ist es geschehen. Er läßt sich nimmermehr wieder fangen.

Der Scherge

Ja freylich sind wir allesammt lieber frey, als in der Knechtschaft.

Hegio

Doch scheinst du eben nicht von den allen zu seyn.

Der Scherge

Willst du denn also, da ich dir nichts geben kann, daß ich mich auf die Flucht bege ben soll?

Hegio

Begieb dich nur, begieb; du sollst schon sehen, was sich alsdann mit dir begeben soll.

Der Scherge

Je nu, ich will es machen, wie du sprichst, daß es die Vögel machen.

Hegio

Gut, und eben deswegen werde ich dich ins Käficht sperren. Doch, genug gespaßt. Thue was ich dir befohlen habe und pack dich fort.

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Ergasilus

Wie gerne wollte ich, daß der ehrli che Mann seinen Zweck erhielte. Denn wenn er sei nen Sohn nicht wieder erhält, so ist es mit meiner Erhaltung geschehen. Von der übrigen Jugend ist gar nichts zu hoffen. Sie lieben sich alle selbst zu sehr. Das war noch der einzige Jüngling von altem Schrot und Korne. Ich habe ihn niemals umsonst vergnügt gemacht. Sein Vater ist auch noch von der guten Art.

Hegio

Ich will zu meinem Bruder, bey dem ich meine übrigen Gefangnen habe, gehen. Ich muß sehen, ob sie die Nacht keine Unordnung angefangen haben. Von dar will ich alsbald wieder nach Hause kommen.

Ergasilus

Es thut mir leid, daß der arme alte Mann, zum Besten seines Sohnes, so eine kerker mäßige Handthierung treiben muß. Wenn er ihn zwar auf keine andere Art wieder erhalten kann, so mag er gar einen Schinder abgeben. Ich kann es wohl leiden.

Hegio

Wer redt hier?

Ergasilus

Ich, den deine Betrübniß ganz ab mergelt. Ich veralte, verschmachte und verschwinde darüber. Ich bin vor lauter Magerkeit nichts als Haut und Knochen. Es bekömmt mir kein Bissen, den ich zu Hause esse; kaum daß mir das, was ich bey guten Freunden koste, noch gedeyet.

Hegio

Willkommen Ergasilus.

Ergasilus

Die Götter stehen dir bey, Hegio!

Hegio

Nu, nu, weine nur nicht.

Ergasilus

Ich soll nicht weinen? Ich soll so einen rechtschaffnen Jüngling nicht beweinen?

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Hegio

Ich habe wohl gesehen, daß mein Sohn und du gute Freunde waret - -

Ergasilus

So gehts. Wir Menschen erkennen unser Glück nicht eher, als bis wir es wiederum ver lieren. Seit dem dein Sohn ist gefangen worden, seit dem hab ich erst eingesehen, wie hoch ich ihn zu schätzen habe. Ach wie sehne ich mich nach ihm!

Hegio

Da einem Fremden sein Unglück so nahe geht, wie soll es mich nicht schmerzen, da er mein ein ziger Sohn ist?

Ergasilus

Ich ein Fremder? Dein Sohn mir ein Fremder? O Hegio, sage dieses nicht; glaub es nicht. Er ist dein einziger Sohn, aber mir - - mir ist er noch viel einziger.

Hegio

Ich lobe dich, daß dich deines Freundes Ungemach wie das deine schmerzt. Doch sey nur gu tes Muths.

Ergasilus

Ach!

Hegio

Der gute Schelm ist ganz betrübt, weil die Schmausereyen nunmehr abgedankt sind. Hast du denn aber niemanden gefunden, der unterdessen diese abgedankten Schmausereyen in seinen Sold neh men und commandiren will?

Ergasilus

Du glaubst es wohl; aber nein. Nachdem dein Sohn Philopolemus ist gefangen worden, bedankt sich jedermann für dergleichen Com mando.

Hegio

Es wundert mich auch eben nicht, daß sie sich dafür bedanken. Man hat gar zu viel und gar zu vielerley Soldaten dazu nöthig. Da sind erstlich Beckersoldaten. Und von diesen Beckersoldaten giebts wieder unterschiedne Arten. Man braucht Brodsoldaten;
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man braucht Kuchensoldaten. Hernach kommen die Zie mersoldaten, die Schnepfensoldaten. Und was hat man nicht endlich für eine Menge Fischsoldaten nöthig?

Ergasilus

Wie doch manchmal die größten Köpfe im Verborgnen bleiben! Was solltest du nicht für ein General seyn, und mußt doch als eine Privat person leben?

Hegio

Sey nur gutes Muths. Ich hoffe, daß ich meinen Sohn in wenig Tagen wieder zu Hause haben will. Denn ich habe gestern einen jungen eliensischen Gefangnen, der von sehr vornehmen und reichen Geschlechte ist, bekommen, und mit die sem hoffe ich ihn zu vertauschen.

Ergasilus

Die Götter geben es!

Hegio

Aber sage mir doch, bist du heute auf den Abend zu Gaste gebeten?

Ergasilus

So viel ich weis, nicht. Aber war um fragst du das?

Hegio

Es ist heute mein Geburtstag, ich will dich also auf den Abend einladen.

Ergasilus

Das war sinnreich gesprochen!

Hegio

Aber du mußt mit wenigem können zufrie den seyn.

Ergasilus

Wenn es nur nicht allzuwenig ist.

Hegio

Wie ich ordentlich zu speisen pflege.

Ergasilus

Nu, nu, biethe mich nur.

Hegio

Wenn mich nur niemand überbiethet (*).

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Ergasilus

Ey! was für ein Geboth sollte mir und meines gleichen wohl lieber seyn? Mit solchen Bedingungen will ich mich dir mit Grund und Boden zuschlagen lassen.

Hegio

O sage vielmehr ohne Grund und Bo den (*) - - Doch, wenn du kommen willst, so mußt du bey Zeiten kommen.

Ergasilus

Ich kann itzo gleich kommen.

Hegio

Nein, nein, gehe nur, und sieh, ob du sonst wo etwa einen Hasen auftreiben kannst, die Lerche bleibt dir doch gewiß (**); denn meine Mahlzeit ist al lerdings auch für dich ein wenig zu harte und zu rauh.

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Ergasilus

O! o! Denke nicht, Hegio, daß du mich dadurch abschrecken wirst. Ich kann meinen Zähnen Schuhe anziehn.

Hegio

Nu, nu, meine Kost wird stachlicht genug seyn.

Ergasilus

Du wirst doch nicht gar Dörner speisen?

Hegio

Lauter Feldgerichte - -

Ergasilus

Das Schwein ist auch ein Feldthier.

Hegio

Vor allen Dingen viel Kraut - -

Ergasilus

Das kannst du den Kranken zu Hause vorsetzen. Hast du mir sonst noch was zu befehlen?

Hegio

Nichts, als daß du bey Zeiten kommen sollst.

Ergasilus

Das hätte ich so nicht vergessen.

Hegio

Ich will herein gehen, und doch überschla gen, wie viel ich Geld bey dem Wechsler stehn habe. Den Gang zu meinem Bruder kann ich versparen bis hernach.

Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.

Die Schergen. Philokrates und Tyndarus, die Gefangnen.

Ein Scherge

Da die unsterblichen Götter euch zu diesem Unglück ausersehen haben, so habt ihr es
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mit Geduld zu ertragen. Durch diese könnt ihr euch eure Last erleichtern. Ich will es glauben, daß ihr in eurem Vaterlande frey gewesen seyd. Da ihr aber itzo in die Knechtschaft gerathen seyd, so wird es gut seyn, wenn ihr euch darein schickt, und sie euch, durch den Gehorsam gegen euren Herrn, so erträglich macht, als es nur möglich ist. Alles was der Herr thut, muß euch recht seyn, wenn es gleich nicht recht ist.

Die Gefangnen

Ach!

Ein Scherge

Der Seufzer war unnöthig, und euer Weinen ist euch zu nichts gut, als die Augen zu verderben. In Trübsalen ist nichts besser, als ein gu ter Muth.

Die Gefangnen

Allein, wir schämen uns, daß wir gefesselt seyn.

Ein Scherge

So darf es euren Herrn hernach nicht gereuen, daß er euch, die ihr ihm so viel Geld kostet, frey, ohne Ketten, hat gehn lassen, wenn ihr etwa - -

Die Gefangnen

Was befürchtet er sich denn von uns? Wir wissen schon, was unsere Schuldigkeit ist, wenn er uns gleich ungebunden gehen ließe.

Ein Scherge

Ha! ha! Ich sehe schon, worauf ihr umgeht. Ihr sucht zu entfliehn.

Die Gefangnen

Wir entfliehen? Und wohin?

Ein Scherge

Nach Hause.

Die Gefangnen

Geh! Es würde sich schlecht für [ihn]schicken, zu entfliehn.

Ein Scherge

Nu, nu, wenn sich die Gelegen- heit etwa eräugneneräugen sollte, so will ich es euch nicht ab rathen.

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Die Gefangnen

Eine kleine Bitte haben wir an euch zu thun.

Ein Scherge

Worinne besteht die?

Die Gefangnen

Wir wollten gerne mit einander sprechen, ohne, daß uns weder du, noch jemand von diesen, zuhörte.

Ein Scherge

Gut, das soll euch erlaubt seyn. Weg von hier! Laßt uns unterdessen hier zurück treten. Allein macht es kurz.

Philokrates

Dieses wünschte ich eben. Komm hier her Tyndarus.

Ein Scherge

Fort hier! Packt euch zurück!

Tyndarus

Wir sind euch beyde sehr verbunden, daß ihr uns diese Gefälligkeit erzeigt.

Philokrates

Komm also näher hieher, damit sie nichts von unsern Reden auffangen können. Sie müssen von unserer List nicht das geringste merken. Denn eine List ist keine List, wenn sie nicht heimlich gehalten wird; sie ist vielmehr das größte Unglück, so bald sie auskömmt. Wenn du dich also für meinen Herrn ausgeben willst, und ich mich als deinen Die ner anstellen soll, so müssen wir uns wohl vorsehn, daß wir alles behutsam und ohne Behorcher verrichten. Wir müssen allen unsern Fleiß, allen unsern Witz da bey anwenden. Die Sache ist zu wichtig, als daß sie sich schläfrich treiben ließe.

Tyndarus

Ich will alles thun, wie du es be fiehlst.

Philokrates

Das hoff ich.

Tyndarus

Du siehst wohl, daß ich itzo für deinein mir so werthes Leben, mein eigen Leben in die Schanze schlage.

|| [0160.01]

Philokrates

Es ist wahr.

Tyndarus

Aber gedenke auch daran, wenn du deinen Zweck wirst erlangt haben. Denn ich weis wohl, wie die meisten Menschen sind. So lange als sie nach etwas streben, so lange sind sie gut; so bald sie es aber erlangt haben, so bald werden sie aus den Besten, die Schlimmsten und Ungetreuesten. Doch ich will hoffen, daß du so seyn werdest, wie ich es wünsche. Ich könnte es mit meinem Vater nicht bes ser meynen, als ich es mit dir meyne.

Philokrates

In der That, ich habe dich mit Recht meinen Vater zu nennen. Denn nach meinem wirklichen Vater hast du dich am väterlichsten gegen mich bewiesen.

Tyndarus

Ja! Ja!

Philokrates

Ich ermahne dich also, gedenke ja fleißig daran, daß ich nun nicht mehr dein Herr, son dern dein Knecht, bin. Nur das einzige bitte ich dich, da uns die Götter itzo ihren Willen kund ge than, und mich, deinen vorigen Herrn, zu deinem Mitknechte gemacht haben: dieß einzige bitte ich dich, ich, der ich dir sonst mit Recht zu befehlen hatte, ich bitte es dich um unsers ungewissen Glücks, um der Gütigkeit, die dir mein Vater erzeigt hat, um unse rer gemeinschaftlichen Knechtschaft willen; ehre mich nicht anders, als ich dich geehrt habe, da du mir dien test, und erinnere dich fleißig, was du gewesen seyst, und was du nun bist.

Tyndarus

Ich weis schon. Ich bin nunmehro du, und du bist ich.

|| [0161.01]

Philokrates

Gut. Wenn du das wohl mer ken kannst, so können wir hoffen, daß unsre List gelin gen werde.

Zweyter Auftritt.

Hegio. Philokrates. Tyndarus.

Hegio

Ich werde gleich wieder herein kommen. Ich will nur diese erst etwas fragen. Wo sind sie, die ich vor die Thüre zu führen befohlen habe?

Philokrates

O, du hast schon dafür gesorgt, daß wir nicht weit seyn können. Wir sind ja mit Ketten und Wachen ganz umschanzt.

Hegio

Wenn man sich auch noch so sehr vorsieht, man kann sich doch nimmermehr zu viel vorsehn. Wenn man manchmal glaubt, sich am besten vorge sehn zu haben, so ist man mit aller seiner Vorsicht be trogen. Oder thue ich etwa unrecht, daß ich euch so scharf bewache, da ich euch für so viel baares Geld gekauft habe?

Philokrates

Es würde uns nicht geziemen, wenn wir dir deine Vorsicht übel nehmen wollten. Doch würde es sich auch für dich nicht schicken, es uns zu verdenken, wenn wir uns bey Gelegenheit davon machen sollten.

Hegio

Wie ich euch hier bewachen lasse, eben so wird mein Sohn bey euch bewacht.

Philokrates

Ist er auch gefangen worden?

Hegio

Leider!

Philokrates

So sind wir doch nicht die einzigen Bärenhäuter gewesen.

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Hegio

Komm hier her. Ich möchte dich gerne alleine um etwas fragen, worinne du mich aber nicht belügen mußt.

Philokrates

Was ich weis, will ich dir wahr haft gestehen. Wenn ich aber etwas nicht weis, so mußt du mir es auch nicht verdenken, daß ich es nicht weis.

Tyndarus

Nun ist der Alte in der Barbierstube. Das Messer ist schon angesetzt. Gleichwohl giebt er ihm nicht einmal das Tuch um, daß er sich das Kleid nicht garstig mache. Ob er ihn aber glatt, oder über den Kamm scheren wird, weis ich noch nicht. Wenn er aber gescheid ist, so wird er ihn rechtschaffen zer kratzen.

Hegio

Höre! Willst du lieber frey, oder ein Knecht seyn? Sprich!

PhilokPhilokrates

Ich will nichts, als was dem Guten am nächsten kömmt, und von dem Uebel am weite sten entfernt ist. Vielen zwar ist die Knechtschaft eben nicht sehr beschwerlich gewesen. Darunter gehöre auch ich. Mein Herr hat mich nicht anders, als sein eigen Kind gehalten.

TyndTyndarus

Gut! In der That, nicht einmal für ein Talent wollte ich den Thales aus Milet kaufen. Denn gegen den seiner Weisheit ist die seinige Kinder possen. Mit was für einer Art hat er nicht die Rede auf die Knechtschaft zu bringen gewußt!

Hegio

Aus was für einem Geschlechte ist dieser Philokrates?

PhilokPhilokrates

Aus dem polyplusischen, welches daselbst das mächtigste und geehrteste Geschlecht ist.

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Hegio

Aber er selbst, in was für einem Ansehen stehet er in seiner Vaterstadt?

PhilokPhilokrates

In großem. Die vornehmsten Leute schä tzen ihn.

Hegio

Da er nun, wie du sagst, in solcher Hoch achtung bey den Eliensern stehet, wie steht es denn um seinen Beutel? Ist er fett?

PhilokPhilokrates

Er könnte Unschlitt daraus kochen. Der Alte - - (*)

Hegio

Was? der Alte? Lebt sein Vater auch noch?

PhilokPhilokrates

Als wir von Hause abreiseten, hat er noch gelebt. Ob er aber itzo noch lebt, das muß der Tod am besten wissen.

TyndTyndarus

Das geht vortrefflich. Er lügt nicht nur, er fängt auch gar an zu philosophiren.

Hegio

Wie heißt sein Vater?

PhilokPhilokrates

Thesaurocrypsonicochrysides.

Hegio

Den Namen hat man ihm gewiß wegen seines großen Reichthums gegeben.

PhilokPhilokrates

Nicht allein. Auch wegen seines Gei zes, und seiner Kühnheit. Denn sein eigentlicher Na me ist Theodoromedes.

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Hegio

Was sagst du? So ist sein Vater geizig?

PhilokPhilokrates

Nur gar zu geizig. Zum Exempel, daß du doch siehst, was er für ein Mann ist; wann er seinem Genius opfert, so braucht er lauter irdene Ge fäße zu dem heiligen Werke, aus Furcht sein Genius möchte sie ihm sonst entwenden. Daraus kannst du sehen, wie viel er andern trauen mag.

Hegio

Gut! Komm, tritt unterdessen hier her. Ich will mich auch bey diesem erkundigen. Philo krates (*), dieser hat als ein rechtschaffner Mensch, wie es auch seine Schuldigkeit war, gehandelt. Ich weis von ihm, aus was für einem Geschlechte du bist. Er hat mirs gestanden. Wenn du mir es auch ge stehen willst, es wird dein Schade nicht seyn. Unter dessen will ich dir doch sagen, daß ich alles schon von ihm weis.

Tyndarus

Er hat seine Schuldigkeit gethan, da er dir die Wahrheit gestanden hat; ob ich gleich mit aller Sorgfalt meinen Adel, mein Geschlecht und meine Reichthümer habe verbergen wollen. Da ich aber Vaterland und Freyheit verlohren habe, so kann ich es ihm freylich nicht verdenken, daß er mich weni ger als dich fürchtet. Die feindliche Gewalt hat mei nen Stand dem seinigen gleich gemacht. Vorher durfte er mich nicht mit einem Worte beleidigen; itzo 10
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kann er es mit der That thun. Aber, wie du siehst, das Glück verfährt mit uns Menschen nach seinem Kopfe. Ich war frey, nun bin ich ein Knecht. Vom höchsten macht es mich zum letzten. Sonst war ich gewohnt zu befehlen, nun muß ich mir befehlen las sen. Wenn ich zwar einen Herrn bekommen habe, wie ich selbst gegen meine Leute gewesen bin, so darf ich mich nicht befürchten, daß er mir was ungerech tes oder allzu beschwerliches gebiethen werde. Dieses einzige, Hegio, will ich dir nur sagen, - - wenn du es nicht übel nehmen willst - -

Hegio

Rede frey.

TyndarTyndarus

Ich bin eben sowohl frey gewesen, als dein Sohn. Wir haben, sowohl er als ich, durch die feindliche Gewalt unsre Freyheit verlohren. Er dienet bey uns nicht anders, als ich bey euch diene. Es ist ganz gewiß ein Gott, welcher, was wir thun, hört und sieht. Wie du mich hier halten wirst, so wird er machen, daß man deinen Sohn auch bey uns hält. Führst du dich gütig gegen mich auf, so wird es ihm zu statten kommen, bist du hart gegen mich, so wird man es auch gegen ihn seyn. So sehr du nach deinem Sohne verlangst, so sehr verlangt auch mein Vater nach mir.

Hegio

Ich glaube alles das. Doch wirst du mir es gestehen, was er mir gestanden hat?

TyndTyndarus

Ich gestehe dir, daß mein Vater großen Reichthum besitzet, und daß ich aus vornehmen Ge schlechte bin. Allein ich bitte dich, Hegio, laß dich meine Reichthümer nicht geiziger machen; und brin ge meinen Vater nicht dahin, daß er es für anständi ger halten muß, mich, ob ich gleich sein einziger Sohn
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bin, lieber bey dir in der Knechtschaft zu lassen, wo du mich auf deine Unkosten satt machen und kleiden mußt, als mich da, wo es mir am wenigsten anstän dig seyn würde, betteln zu sehen.

Hegio

Ich bin durch den Segen der Götter, und den Fleiß meiner Vorfahren reich genug. Zwar glaube ich nicht, daß man den Gewinnst allezeit verachten muß, ich weis vielmehr, daß viele Leute dadurch groß geworden sind. Allein ich weis auch, daß zu weilen Schaden besser ist, als Gewinnst. Ich hasse das Geld, es ist vielen ein schlechter Rathgeber gewe sen. Höre also, und vernimm meine ganze Sinnes meynung. Mein Sohn dienet bey euch in Elis, als ein Gefangner. Wenn du mir ihn zurück schaffst, so sollst du keinen Häller mehr geben. Ich will dich und deinen Knecht gehen lassen. Anders aber laß ich euch nicht frey.

TyndTyndarus

Dein Verlangen ist gut und billig. Du bist der rechtschaffenste Mann. Allein ist dein Sohn ein privat oder ein öffentlicher Gefangner?

Hegio

Ein privat Gefangner, bey dem Arzt Me narchus.

PhilPhilokrates

Vortrefflich. Menarchus ist dieses sein Client. Die Sache wird gehn, als ob sie geschmiert wäre (*).

Hegio

Mache also, daß er ranzionirt wird.

TyndTyndarus

Es soll geschehn. Aber das bitte ich dich Hegio - -

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Hegio

Nur bitte nichts, was diesem Vornehmen zuwider läuft; sonst alles - -

TyndTyndarus

Höre mich nur. Ich verlange nicht, daß du mich eher frey lassen sollst, als du deinen Sohn wieder bekommen hast. Allein das bitte ich dich. Schlag mir diesen um ein Gewisses an. Ich will ihn zu meinem Vater schicken, damit er deinen Sohn ranzioniren kann.

Hegio

Ich dächte, wir schickten lieber einen andern, so bald als Waffenstillestand seyn wird. Ein andrer kann sich mit deinem Vater eben so wohl besprechen, und deine Befehle nach deinem Willen ausrichten.

TyndTyndarus

Nein, einen Unbekannten an ihn zu schi cken, taugt nichts. Es wäre alles umsonst. Schicke diesen. Der wird alles ausrichten können, wenn er hin kömmt. Du kannst keinen Getreuern, keinen, dem er mehr zutraute, schicken. Es ist ein Knecht, der völ lig nach seinem Sinne ist. Wem sollte er also wohl seinen Sohn sichrer vertrauen können? Besorge nichts, ich will auf meine Gefahr seine Treue probi ren. Ich verlasse mich auf seine Ehrlichkeit, weil er weis, daß ich gütig gegen ihn gesinnt bin.

Hegio

Gut, wenn du es so haben willst, so mag er auf deine Gefahr gehen. Ich will dir ihn an schlagen.

TyndTyndarus

Ich sähe aber gerne, daß du ihn je eher je lieber abfertigtest.

Hegio

Willst du mir aber, wenn er nicht wieder kömmt, zwanzig Pfund für ihn geben?

TyndTyndarus

Ja, die will ich dir geben.

Hegio

Ihr da! Nehmt diesem die Ketten, oder nehmt sie vielmehr allen beyden ab.

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TyndTyndarus

Die Götter beglücken dich mit allem was du wünschest, da du mich so vieler Ehre würdigest, und mir die Ketten abnimmst. In der That, es ist mir eben nicht beschwerlich, daß ich das Halsband ablegen soll.

Hegio

Rechtschaffnen Leuten ist der Dank für die Wohlthat, die sie rechtschaffnen Leuten erzeigt haben, zuwider. Wenn du ihn also nach Hause senden willst, so sage, unterrichte, befiehl, was er deinem Vater melden soll. Soll ich ihn herrufen?

TyndTyndarus

Ja ruf ihn (*).

Dritter Auftritt.

Hegio. Philokrates. Tyndarus.

Hegio

Wollten die Götter, daß dieses Vorhaben für mich, meinen Sohn und euch glücklich ausschla ge! Du, dein neuer Herr befiehlt dir deinem alten Herrn, in allem was er verlangt, treulich zu gehor chen. Ich habe dich ihm für 20 Pfund angeschlagen. Er spricht, er wolle dich zu seinem Vater schicken, da mit dieser meinen Sohn ranzionire, und wir also unsre Söhne mit einander austauschen können.

PhilokPhilokrates

Ich halte meine Dienste auf allen Sei ten bereit. Ihr könnt mich wie eine Töpferscheibe gebrauchen. Ich lasse mich zu dir und zu ihm drehen, wie ihr es verlangt.

Hegio

Diese deine Dienstfertigkeit wird dir das meiste nutzen, da du dich bey deiner Knechtschaft so 12
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verhältst, wie es dir geziemet. Folge mir! Hier ist er.

TyndTyndarus

Ich danke dir, daß du mir Macht und Ge walt giebst, diesen als einen Bothen zu meinem Va ter zu schicken, der ihm alles umständlich berichte, wie es mit mir hier stehe, und wie ich es wolle gehalten haben. Hegio und ich, Tyndarus, sind mit einan der eins geworden, daß ich dich nach Hause schicken soll. Er hat dich mir um ein Gewisses angeschlagen. Ich soll ihm nämlich, wenn du nicht wieder zurück kömmst, zwanzig Pfund für dich bezahlen.

PhilokPhilokrates

Das habt ihr sehr wohl ausgemacht. Denn dein Vater wartet gewiß, daß du mich oder ei nen Bothen an ihn schicken wirst.

TyndTyndarus

Vernimm also wohl, was du meinem Va ter zu Hause berichten sollst.

PhilokPhilokrates

Wie ich mich, Philokrates, bis anhero gegen dich erzeiget habe, will ich mich noch stets er zeigen. Alles, was deinen Umständen am zuträglich sten ist, will ich mich mit Leibs- und Seelenkräften auszurichten bestreben.

TyndTyndarus

Du thust dadurch, was dir geziemt. Doch höre mir nunmehro zu. Vor allen Dingen grüße meinen Vater und meine Mutter und unsere Ver wandten, und alle, die uns sonst wohlwollen. Sage ihnen, daß ich mich wohl befinde, daß ich bey diesem rechtschaffnen Manne diene, und daß er mir alle Eh re erzeige.

PhilokPhilokrates

Das brauchst du mir nicht zu befehlen. Ich würde es so thun.

TyndTyndarus

Ich wäre bey ihm wie frey, nur daß ich einen Wächter um mich hätte. Und endlich sage meinem
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Vater, auf was für Art ich mit ihm, wegen seines Sohns, einig geworden wäre.

PhilokPhilokrates

Du hältst dich nur auf, da du mir etwas befiehlst, was ich ohnedem thun würde.

TyndTyndarus

Nämlich, daß er seinen Sohn ranzioniren, und ihn an unser beyder Statt zurück schicken solle.

PhilokPhilokrates

Das will ich nicht vergessen.

Hegio

Er soll es aber, so bald als möglich, thun, weil beyden Theilen daran gelegen ist.

PhilokPhilokrates

O die Begierde, seinen Sohn wieder zu sehn, wird bey ihm nicht geringer als bey dir seyn.

Hegio

Ja, ich liebe meinen Sohn, und ein jeder liebt den seinigen.

PhilokPhilokrates

Hast du sonst noch was an den Vater zu bestellen?

TyndTyndarus

Daß ich mich hier wohl befinde. Außer dem kannst du ihn, Tyndarus, auch kühnlich versichern, daß wir sehr wohl mit einander ausgekommen wären; daß du keinen Fehler begangen habest, und daß ich dir nicht zuwider gewesen sey. Du habest deinem Herrn in diesen Trübsalen treulich beygestanden; du habest mich niemals verlassen, und seyst mir in zweifelhaften und unglücklichen Fällen mit Rath und That an die Hand gegangen. Und wenn mein Vater hören wird, wie du, Tyndarus, gegen seinen Sohn seyst gesinnt gewesen, so wird er nimmermehr so geizig seyn, daß er dir deine Freyheit nicht ohne Entgeld ertheilte. Ich selbst will, wenn ich nach Hause komme, alles mögli che beytragen, daß er es desto eher thue. Denn dir, deiner Leutseligkeit, Tugend und Weisheit habe ich es zu danken, daß ich wieder zu meinen Aeltern werde zu rück kehren können. Nach deiner Weisheit entdecktest
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du dem Hegio mein Geschlecht und Vermögen, und nur dadurch befreytest du deinen Herrn aus den Ketten.

PhilokPhilokrates

Ich habe alles gethan, was du sagst, und es ist mir lieb, daß du dich dessen erinnerst. Ich habe nach meiner Pflicht mit dir gehandelt. Denn wenn ich, Philokrates, itzo auch erzählen wollte, wie viel Wohlthaten du mir erzeigt hast, so würde sich der Tag eher als meine Erzählung endigen. Denn wenn du auch selbst mein Knecht wärest, so hättest du nicht er gebner gegen mich seyn können.

Hegio

O ihr Götter, was sind das für großmü thige Seelen! Sie pressen mir Thränen aus. Wie herzlich sie sich lieben. Mit was für Lobsprüchen be legt nicht der Knecht seinen Herrn.

PhilokPhilokrates

O, er verdient hundertmal mehr gelobt zu werden, als er mich gelobt hat.

Hegio

Wann du also so treulich an ihm gehan delt hast, siehe, hier hast du eine Gelegenheit, deine Verdienste gegen ihn vollkommen zu machen. Sey auch hierinne treu.

PhilokPhilokrates

Man soll nicht treuer seyn können, so treu will ich mich zu seyn bestreben. Und daß du mir, He gio, desto eher glaubest, so rufe ich den höchsten Ju piter zum Zeugen an, daß ich dem Philokrates nim mermehr untreu seyn werde.

Hegio

Du bist ein wackrer Mensch!

PhilokPhilokrates

Ich will an ihm handeln, wie ich an mir selbst handeln würde.

TyndTyndarus

Gut! Bekräftige nur diese deine Reden auch mit der That. Weil ich dir aber noch nicht alles, was ich wollte, gesagt habe, so höre, doch hüte dich, daß du dich durch meine Worte nicht zum Zorne rei-
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zen lassest. Ich bitte dich, bedenke, daß du auf mein Wort nach Hause geschickt wirst, daß du mir ange schlagen bist, und daß ich mein Leben hier für dich zum Pfande setze. Vergiß mich nicht etwan, so bald du mich aus den Augen gelassen hast. Da du mich für dich hier in der Gefangenschaft lässest, so glaube nicht, daß du selbst frey seyst, und könnest dein Pfand in Sti che lassen; und brauchtest dich nicht zu bemühen, daß sein Sohn zu Hause für mich ranzioniret werde. Be denke es ja, du bist mir um 20 Pfund angeschlagen. Mache mein Vertrauen auf dich nicht zu Schanden. Laß dein Wort nicht in Wind gesprochen seyn. Ich weis, der Vater wird alles thun, was ihm zu thun zu kömmt. Mache, daß du mich zu deinem beständigen Freunde behältst, und an dem Hegio einen neuen Freund gefunden habest. Sieh, ich bitte dich um des Hand schlags, den meine Rechte der deinen giebt, sey mir nicht ungetreuer, als ich dir bin. Bedenke, du bist itzo mein Herr, mein Patron, mein Vater. Auf dich grün det sich itzo meine Hoffnung und mein Glück.

PhilokPhilokrates

Du hast mir genug befohlen. Bist du zufrieden, wenn ich das, was du mir befohlen hast, aus richte?

Tyndarus

Ja.

PhilokPhilokrates

Ich hoffe mit Ehren nach deinem, u. deinem Wunsche wieder zurück zu kommen. Ist sonst noch was?

TyndTyndarus

Komm, so bald es möglich ist, wieder.

PhilokPhilokrates

Das versteht sich.

Hegio

Folge mir, ich will dir von meinem Wechs ler Reisegeld auszahlen lassen, und will dir zugleich von dem Prätor einen Paß verschaffen.

TyndTyndarus

Was für einen Paß?

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Hegio

Den er mit sich nehmen muß, daß ihn unsre Truppen in sein Vaterland reisen lassen. Gehe du unterdessen herein.

TyndTyndarus

Reise also glücklich Tyndarus.

PhilokPhilokrates

Lebe wohl.

Hegio

Ich danke es den Göttern, daß ich diese zwey von den Quästors gekauft habe. Ich habe meine Sache durch sie auf einen rechten guten Fuß gesetzt. Mein Sohn ist also, wenn es die Götter wollen, so gut als frey. Und ich konnte noch bey mir anstehen, ob ich sie kaufen, oder ob ich sie nicht kaufen sollte? Ihr Knechte, bewacht ihn drinnen wohl. Laßt ihn keinen Schritt, ohne ihn zu beobachten, thun. Ich werde gleich wieder zu Hause seyn. Ich will nur erst sehn, was bey meinem Bruder die übrigen Gefang nen machen. Ich muß mich doch zugleich erkundigen, ob einer von ihnen diesen Jüngling kennt. Du folge mir, daß ich dich reisen kann lassen, denn dieses geht allen andern vor.

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Ergasilus.

Ergasilus

Das ist ein elender Mensch, der seine Nahrung sucht, und sie mit Mühe findet; der ist aber noch viel elender, der sie mit Mühe sucht, und sie gar nicht fin det (*). Ja, ja, das ist der allerelendeste, der gerne 13
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essen will, und nichts zu essen hat. Ich möchte diesem Tage gleich die Augen auskratzen, wenn es angienge; so unbarmherzig sind alle Sterbliche heut gegen mich. Ich habe keinen verhungertern, keinen fasttäglichern Tag gesehen. Es geht mir nichts an demselben von Statten, ich mag anfangen, was ich will. Magen und Kehle feyern also heute bey mir Fastnachten. Nun kannst du dich, du ganze Schmarutzkunst, nur an Galgen packen; denn die Jugend entfernt sich von uns armen Possenreißern ganz und gar. Was beküm mern sie sich itzo mehr um die lakonischen Schlägefau len, um die Prügelgeduldigen, welche wohl Einfälle, aber weder Brodt, noch Geld, haben. Sie bitten nur itzo die zu Gaste, die sie, wenn es ihnen geschmeckt hat, wieder bitten können. Sie kaufen gar itzo selber zur Mahlzeit ein, welches doch sonst die Schmarutzer thun mußten. Sie verhüllen sich eben so wenig den Kopf, wenn sie vom Markte zum Hurenwirth gehen, als wenn sie in ihrer Zunft zu eines Verdammung ih re Stimmen geben. Sie achten die Lustigmacher nicht einen Pfiff mehr. Sie lieben sich alle nur alleine. Als ich von hier weg gieng, machte ich mich auf dem Markte unter die Jünglinge. Seyd gegrüßt, sprach ich. Wo wollen wir heute zu Mittage speisen? Kei ner antwortet. Nu, wer wird uns denn einladen? Aber alle sind stumm. Keiner will über mich lachen. Wo wollen wir zu Abend speisen? fragte ich wieder.
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Und alle schütteln den Kopf. Ich bringe darauf ein schnackisches Wort, eine von meinen besten Schnacken vor, eine, die mir wohl sonst einen ganzen Monat lang den Tisch verdienen mußte. Allein, niemand lacht. Ich merkte bald, daß es eine abgeredte Sache war. Keiner von ihnen wollte es nicht einmal wie die geneckten Hunde machen, daß er wenigstens die Zähne gefletscht hätte, da er nicht lachen wollte. Weil ich sehe, daß man mich so zum Narren hat, so gehe ich fort. Ich komme zu andern, wieder zu andern, und wieder zu andern: alle sind einerley. Sie sind alle von einem Schlage, wie die Oelmäckler auf dem Ve labrum (*). Ich komme eben von da her, weil ich mich nicht länger wollte verspotten lassen. O es sind noch mehr Schmarutzer, die alle vergebens auf dem Markte auf und nieder spazieren. Ich habe es aber nunmehro beschlossen, mein Recht nach den römischen Gesetzen auszuführen. Ich will denen einen Termin setzen; ich will sie rechtschaffen strafen, die darauf umgehn, daß sie mir zu essen und zu leben verwehren wollen. Sie 14
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sollen mir zehn Mahlzeiten geben müssen, so wie ich sie verlange, und noch dazu bey der theuersten Zeit. Ja, das will ich thun. Voritzo aber will ich nach dem Hafen gehen. Ich habe da noch eine kleine Schmausehoffnung; wird aber auch dieser der Hals gebrochen, so muß ich mich schon mit der rauhen Mahl zeit bey dem alten Hegio begnügen.

Zweyter Auftritt.

Hegio.

Hegio

Was ist angenehmer, als wenn man, mit allge meinem Beyfall (*), eine Sache wohl ausgeführt hat, wie ich gestern gethan habe, da ich die zwey Gefang nen kaufte? Wer mich sieht, kömmt mir entgegen, und wünscht mir deswegen Glück. Sie haben mich durch ihr Stillestehnlassen und durch ihr Zurückhalten ganz ermüdet. Mit Mühe und Noth konnte ich mich durch die vielen Glückwünsche durchdringen. Endlich kam ich doch bis zum Prätor, wo ich ein wenig aus ruhte, und um einen Paß bath. Ich bekam ihn. Ich habe ihn auch schon dem Tyndarus gegeben, welcher sich alsobald mit auf den Weg machte. Von dar komme ich nun itzo nach Hause. Auf dem Rück wege aber bin ich bey meinem Bruder eingesprochen, wo ich meine übrigen Gefangnen habe. Ich fragte sie, ob einer von ihnen den Philokrates aus Elis kenne? Endlich schreyt dieser, es wäre sein guter 15
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Freund. Ich sagte ihm, er wäre bey mir; worauf er mich inständigst bath, daß er ihn sehen dürfe. Ich ließ ihn auch alsobald los schließen. Du, folge mir numehro, daß ich deine Bitte erfüllen kann. Du sollst ihn sprechen.

Dritter Auftritt.

Tyndarus.

Tyndarus

Ach! Itzo wollte ich auch lieber gelebt haben, als le ben. Hoffnung, Rath und Hülfe fliehen und verlas sen mich. Dieses ist der Tag, an welchem ich keine Rettung meines Lebens mehr zu hoffen habe. Es ist keine Zuflucht mehr für mich; keine Hoffnung, die mir diese Furcht benehmen könnte. Ich weis auf keine Art meine betrügrische Lügen zu bemänteln, auf keine Art meine sykophantischen Teuschereyen zu beschönigen. Ich kann eben so wenig meine Untreue abbitten, als entfliehen. Die Hartnäckigkeit wird mir eben so wenig, als neue List, helfen. Allein, unsre Geheimnisse sind entdeckt. Unsre List ist verra then. Alles ist offenbar. Es ist ausgemacht, ich bin verlohren, für mich und meinen Herrn. Aristo phontes, der eben itzo kam, ist mein Unglück. Er kennt mich. Er ist des Philokrates Verwandter und guter Freund. Wenn mich auch die Errettung selbst erretten wollte, sie kann es nicht; es ist unmöglich. - - Wo ich mich nicht noch auf eine List besinne - - Aber, zum Henker, auf was für eine? Was soll ich erden ken? Ich will - - Ach, es ist alles nichts; es sind Possen. Da steck ich!

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Vierter Auftritt.

Hegio. Tyndarus. Aristophontes.

Hegio

Nu, wo ist der aus dem Hause hinge rennt?

Tyndarus

Numehr bin ich verlohren. Die Feinde kommen auf dich los, Tyndarus; was wirst du sagen? Was wirst du vorbringen? Was wirst du leugnen? Was wirst du gestehn? Ach, ich bin in allen ungewiß. Worauf soll ich mich verlassen? Daß du doch eher umgekommen wärest, Aristophon tes, als du aus deinem Vaterlande kamest. Du ver wirrest alle unsre Anschläge. Alles ist zu nichte, wenn ich nicht eine recht erschreckliche List ersinne - - -

Hegio

Folge mir. Hier ist er. Gehe zu ihm, rede mit ihm.

Tyndarus

Wer kann unglücklicher seyn, als ich?

Aristophontes

Was ist das? Warum wendest du denn die Augen von mir weg, Tyndarus? War um verachtest du mich denn, als einen Fremden, als wenn du mich niemals gekannt hättest? Ich bin itzo so gut ein Knecht, als du; ob ich gleich zu Hause bin frey gewesen, und du von deiner Kindheit an in Elis gedient hast.

Hegio

O, ich wundre mich gar nicht, daß er dich nicht ansehn will. Er zürnt auf dich, daß du ihn, anstatt Philokrates, Tyndarus nennest.

Tyndarus. Hegio

, dieser Mensch ist in Elis für rasend gehalten worden. Höre ja nicht auf seine Reden. Er hat Vater und Mutter mit dem Wurf spieße verfolgt. Daher bekömmt er auch noch zuwei-
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len die schwere Noth. Mache dich also ja nicht allzu nahe an ihn.

Hegio

Fort mit dem von mir! Fort!

Aristophontes

Was sagst du Galgenstrick? Ich rasend? Ich hätte meinen Vater und meine Mutter mit dem Wurfspieße verfolgt? Und ich hätte eine Krankheit, daß man mich anspeyen müßte (*)?

Hegio

Gieb dich zufrieden. Es sind mehr Leute mit diesem Unglücke behaftet, denen das Anspeyen ganz heilsam gewesen ist.

Tyndarus

O, es hat auch vielen in Elis ge holfen.

Aristophontes

So? Und du glaubst ihm das?

Hegio

Was soll ich ihm glauben?

Aristophontes

Daß ich rasend sey.

Tyndarus

Siehst du, mit was für einem gräß lichen Gesichte er uns ansieht? Es ist am besten, man giebt ihm nach. Hegio, wie ich dir es gesagt habe, seine Raserey nimmt zu, nimm dich in Acht.

Hegio

Ich merkte es gleich, daß es nicht richtig mit ihm stehn mußte, weil er dich Tyndarus nannte.

Tyndarus

Je, er weis ja manchmal seinen eig nen Namen nicht, und kennt sich selber nicht.

Hegio

Aber er sagte auch, du wärst sein guter Freund.

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Tyndarus

Das könnt ich eben nicht sagen. Alk mäo, Orestes und Lykurgus könnten sich mit eben so vielem Rechte meinen guten Freund nennen, als er.

Aristophontes

Und du nichtswürdiger Kerl un terstehst dich, so viel Uebles von mir zu sprechen? Kenne ich dich etwa nicht?

Hegio

Das ist ganz offenbar, daß du ihn nicht kennest. Sonst würdest du ihn nicht Tyndarus, anstatt Philokrates, genannt haben. Den, den du siehst, kennst du nicht, und nennst den, den du nicht siehst.

Aristophontes

Nein, nein, sondern er giebt sich für einen aus, der er nicht ist, und wer er ist, verleugnet er.

Tyndarus

So? Du willst der seyn, der den Philokrates Lügen straft?

AristophAristophontes

Aber du, wie ich wohl sehe, willst der seyn, der die Wahrheit durch seine Lügen unterdrückt? Sieh mich doch recht an, ich bitte dich.

TyndarTyndarus

Nu.

AristophAristophontes

Ey! Und du sprichst, du wärst nicht Tyndarus?

TyndarTyndarus

Eben das sprech ich.

AristophAristophontes

Du sprichst, du wärst Philokrates?

TyndarTyndarus

Das sprech ich, ja.

AristophAristophontes

Und du glaubst ihm?

Hegio

Mehr als dir und mir. Der, für den du ihn ausgiebst, ist heute von uns nach Elis zu dieses Va ter gesandt worden.

AristophAristophontes

Seinen Vater? Der Knecht?

TyndarTyndarus

Bist du doch itzo auch ein Knecht, ob du gleich sonst frey warest. Und ich, ich hoffe es auch zu seyn,
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so bald sein Sohn durch mich die Freyheit wird erhal ten haben.

AristophAristophontes

Was sprichst du, Galgenstrick? Du nennst dich frey gebohren.

TyndarTyndarus

Nicht doch, ich heiße nicht Freygeboh ren, sondern Philokrates.

AristophAristophontes

Was? Höre einmal, Hegio, was er noch für Narrenspossen treibt. Glaube mir, es ist der Knecht selbst, und er hat niemals einen Knecht außer sich selbst gehabt.

TyndarTyndarus

Da du selbst in deinem Vaterlande Man gel leidest und nichts zu leben hast, so wundert mich es gar nicht, daß du dir alle gleich zu seyn wünschest. Die Unglücklichen sind meistentheils so, sie sind misgönstig, und beneiden die Glücklichen.

AristophAristophontes

Ich bitte dich nochmals, Hegio, höre auf ihm so ohne Grund zu trauen. So viel ich vermuthe, hat er dir ohne Zweifel schon einen Streich gespielt. Was er von der Auslösung deines Sohnes spricht, das will mir gar nicht gefallen.

TyndarTyndarus

Ich glaub es wohl, daß du es nicht gerne sehen würdest. Gleichwohl will ich es thun, wenn mir die Götter beystehen. Ich will ihm seinen Sohn wie der zustellen, und er wird ein gleiches mit mir meinem Vater thun. Und in dieser Absicht habe ich den Tyn darus nach Hause geschickt.

AristophAristophontes

Bist denn dus aber nicht selber? Es ist ja sonst in ganz Elis kein Knecht dieses Namens.

TyndarTyndarus

So fährst du doch fort, mir meine Knecht schaft vorzuwerfen, in die mich die feindliche Gewalt gezwungen hat?

AristophAristophontes

Nein, länger kann ich mich nicht halten.

|| [0182.01]

TyndarTyndarus

Hörst du, was er sagt? Mache dich ja fort! Bald wird er uns mit Steinen verfolgen, wenn du ihn nicht gleich zu binden befiehlst.

AristophAristophontes

Welche Marter!

TyndTyndarus

Die Augen brennen ihm. Nun ist der Strick nöthig, Hegio. Siehst du nicht, wie er im Ge sichte ganz schwarzgelbe wird? Das schwarze Geblüte macht ihn unsinnig.

AristophAristophontes

Aber dein böses Geblüte sollte dir der Schinder schon abzapfen, wenn Hegio klug wäre.

TyndTyndarus

Er redt schon ganz verkehrt. Die Furien schrecken den armen Mann.

Hegio

Wie, Philokrates, wenn ich ihn binden ließe?

TyndTyndarus

Du könntest nicht klüger thun.

AristophAristophontes

Ich ärgre mich, daß ich keinen Stein bey der Hand habe; damit ich dem verdammten Kerl, der mich durch seine Reden unsinnig machen will, den Hirnschädel zerschmeißen könnte.

TyndTyndarus

Hörst du? Er sucht einen Stein.

AristophAristophontes

Ich will dich alleine sprechen, Hegio.

Hegio

Bleib nur dort, wenn du mir was sagen willst, ich will es schon von weitem hören.

TyndTyndarus

Zum Henker, wenn du dir ihn auch ließest näher kommen, so wärs um deine Nase gewiß gesche hen. Er würde dir sie mit Wurzel und Stiel weg beißen.

AristophAristophontes

Glaube nicht, Hegio, daß ich unsinnig bin, oder daß ich es jemals gewesen sey. Ich habe die Krankheit nicht, deren er mich beschuldiget. Wenn du dich aber vor mir fürchtest, gut, so laß mich binden, nur laß diesen auch mit binden.

|| [0183.01]

TyndTyndarus

Ja, ja, Hegio, laß ihn nur binden, wie er es selbst begehrt.

AristophAristophontes

Schweig nur. Ich will dich schon, fal scher Philokrates, noch heute überführen, daß du der wahre Tyndarus bist. Nu, was winkst du mir mit dem Kopfe?

TyndTyndarus

Ich winkte dir (*)?

AristophAristophontes

Was würde er nicht thun, wenn du weiter davon stündest.

Hegio

Was meynst du, ob ich wohl mit dem Un sinnigen rede?

TyndTyndarus

Er wird dir Possen vormachen, er wird dir Zeug schwatzen, das weder Kopf noch Schwanz hat. Es ist der vollkommne Ajax, nur daß ihm sein Anputz fehlt.

Hegio

Es schadet nichts; ich will doch mit ihm reden.

TyndTyndarus

Nun bin ich verlohren. Itzo stehe ich auf der gefährlichsten Stufe. Was soll ich anfangen.

Hegio

Aristophontes, ich will dir doch zuhören, wenn du mir was zu sagen hast.

AristophAristophontes

Du wirst also hören, daß das die Wahr heit sey, was du für eine Lügen gehalten hast. Vor allen Dingen aber mußt du überzeugt seyn, daß ich kein Unsinniger bin, und daß ich keine Krankheit ha- 17
|| [0184.01]
be, außer meiner Knechtschaft. Wenn ich und du aber nicht eben so wohl Philokrates sind, als dieser, so strafe mich der König aller Götter und Menschen, und lasse mich mein Vaterland niemals wieder sehen.

Hegio

Nu so sage mir doch, wer ist er denn sonst?

AristophAristophontes

Kein andrer, als für den ich ihn gleich anfangs ausgegeben habe. Und wenn du es anders befindest, als ich es sage, so will ich meiner Freyheit und meiner Aeltern bey dir verlustig werden.

Hegio

Was sagst du dazu?

TyndTyndarus

Daß ich dein Knecht bin, und du mein Herr bist.

Hegio

Darnach frage ich nicht. Bist du frey gewesen.

TyndTyndarus

Ja.

AristophAristophontes

Nein, er ist es niemals gewesen. Er hintergeht.

TyndTyndarus

Wie kannst du denn das wissen? Bist du denn etwa bey meiner Mutter Hebamme gewesen, daß du es so kühnlich behaupten kannst?

AristophAristophontes

Ich habe dich, da wir beyde noch Kin der waren, gekannt.

TyndTyndarus

Und ich kenne dich itzo, da wir beyde er wachsen sind.

AristophAristophontes

Siehst du, wie er wieder Possen treibt (*)!

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|| [0185.01]

TyndTyndarus

Wenn du klug wärest, so solltest du dich um mich gar nicht bekümmern; denn bekümmre ich mich denn um dich?

Hegio

Hat sein Vater nicht Thesaurocrypso nicochrysides geheißen?

AristophAristophontes

Nichts weniger. Ich habe Zeit mei nes Lebens den Namen nicht gehört. Des Philokra tes Vater heißt Theodoromedes.

TyndTyndarus

Nun ist es aus mit mir. O so ruhe doch, mein Herz, oder geh an Galgen. Du hüpfest, und ich armer Teufel kann vor Furcht kaum stehen.

Hegio

So kann ich es gewiß glauben, daß dieser in Elis gedienet hat, und daß er Philokrates nicht ist?

AristophAristophontes

Ja, und du wirst es niemals anders befinden. Aber wo ist denn der rechte Philo krates?

Hegio

Da, wo er sich am liebsten, und ich ihn am wenigsten zu seyn wünsche. Und so bin ich doch durch dieses Ruchlosen Betrügerey so jämmerlich an geführt worden; so hat man mich doch, nach eignem Belieben, bey der Nase herumgezogen? Aber hüte dich - -

AristophAristophontes

Ich sage dir nichts, als was ich ganz gewiß weis.

Hegio

Ganz gewiß also?

AristophAristophontes

Du wirst niemals was gewissers fin den. Philokrates und ich sind von den ersten Jah ren der Kindheit an gute Freunde gewesen - -

Hegio

Aber sage mir doch, wie sieht denn dein guter Freund Philokrates aus?

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AristophAristophontes

Ich will dir es sagen. Er hat ein hagres Gesicht, eine spitzige Nase, bleiche Farbe, schwarze Augen, etwas röthlich krauses Haar, das er in Locken legt - -

Hegio

Alles trifft überein.

TyndTyndarus

O, zu was für einer übeln Stunde bin ich heute aufgestanden! Wehe den armen Ruthen, die heute auf meinem Rücken sterben werden!

Hegio

Ich sehe wohl, ich bin betrogen.

TyndTyndarus

Was zaudert ihr noch ihr Fesseln, kommt, leget euch um meine Schenkel, ich will euch redlich bewachen.

Hegio

So bin ich denn rechtschaffen von diesen unglücklichen Gefangnen hintergangen worden. Der Freygebohrne gab sich für den Knecht, und der Knecht für den Freygebohrnen aus. Den Kern habe ich verlohren, und die Schale hat man mir zum Pfande gelassen. Und durch dieses Blendwerk hab ich mich aus Unvorsichtigkeit schimpflich hintergehen lassen. Doch - - wenigstens soll mich dieser nicht auslachen. He! Colaphus! Cordalio! Corax! kommt heraus, und bringt die Stricke mit.

Fünfter Auftritt.

Die Schergen. Hegio. Tyndarus. Aristophontes.

Die Schergen

Wir werden gewiß wieder Holz tragen sollen.

Hegio

Gleich fesselt dem Galgenschwengel die Hände.

|| [0187.01]

TyndTyndarus

Was soll das heißen? Was hab ich ge than?

Hegio

Du fragst noch, du unglücklicher Säemann und Schnitter der größten Uebelthaten.

TyndTyndarus

Warum nennst du mich denn nicht zuerst den Egger? Denn die Bauern eggen allezeit eher, als sie säen.

Hegio

Noch so unverschämt kannst du mir vor den Augen stehn?

TyndTyndarus

Ein unschuldiger Knecht muß unerschro cken seyn, besonders gegen seinen Herrn.

Hegio

Bindet ihm die Hände recht scharf.

TyndTyndarus

Ich und also auch meine Hände gehören dir; du kannst mir sie gar abzuhauen befehlen. Aber was ist denn das? Warum bist du denn auf mich zornig?

Hegio

Weil du mein ganzes Vornehmen, das sich auf euch allein gründete, durch deine verdamm ten betrügrischen Lügen, zu nichte gemacht hast. Durch alle meine Rechnungen hast du mir einen Strich ge macht. Durch deine List hast du mir den Philokra tes aus den Händen gespielt. Ich habe ihn für den Knecht und dich für den Freygebohrnen gehalten. So nanntet ihr euch selbst, und so hattet ihr eure Namen verwechselt.

TyndTyndarus

So will ich es denn nur gestehen. Ja, es ist alles wahr, was du sagst. Durch meine Mü he und Arglistigkeit ist Philokrates dir entgangen. Aber, ich bitte dich, wie kannst du darüber ungehalten auf mich seyn?

Hegio

Nu, nu, es soll dir nicht unbelohnt bleiben.

|| [0188.01]

TyndTyndarus

Wenn ich nur wegen keiner Uebelthaten umkomme, so werde ich es wenig achten. Muß ich hier sterben, und Philokrates kömmt, wie du befürch test, nicht wieder, so wird mir meine That noch nach meinem Tode Ruhm bringen, daß ich meinen gefang nen Herrn aus der Knechtschaft und aus den Hän den der Feinde frey in sein Vaterland zu seinem Va ter wieder geschafft, und lieber mein, als sein Leben, der Gefahr ausgesetzt habe.

Hegio

Fort! Macht also, daß dieser wackre Mann diesen Ruhm am Galgen haben kann.

TyndTyndarus

Wer um der Tugend willen umkömmt, kömmt nicht um.

Hegio

Wenn ich dich werde rechtschaffen haben martern lassen, wenn du deiner Betrügereyen wegen wirst zu Tode seyn gepeiniget worden, so mögen sie meinetwegen sagen, du seyst umgekommen oder nicht; wann du nur umkömmst, so gilt mir es gleich viel, wenn sie auch sagten, du lebtest.

TyndTyndarus

Wenn du das thust, so wirst du es gewiß nicht umsonst gethan haben, wenn Philokrates wie derkömmt, wie ich gewiß hoffe.

AristophAristophontes

O ihr unsterblichen Götter, nun be komm ich in der Sache Licht. So ist mein Freund Philokratesfrey? So ist er in seinem Vaterlande bey seinem Vater? Wohl. Wem sollte ich dieses Glück lieber gönnen, als ihm? Aber, wie schmerzt es mich, daß ich diesem einen so schlechten Dienst ge than habe. Meinetwegen, meiner Entdeckung willen ist er gebunden.

Hegio

Habe ich dich nicht nachdrücklich gewarnt, mich nicht zu belügen?

|| [0189.01]

TyndTyndarus

Ja.

Hegio

Warum hast du es also gewagt?

TyndTyndarus

Weil dem, für dessen Wohl ich besorgt war, die Wahrheit geschadet hätte. Itzo nutzt ihm die Lügen.

Hegio

Und dir wird sie schaden.

TyndTyndarus

Wohl gut! Habe ich doch meinen Herrn er halten, über dessen Erhaltung ich mich freue; denn der alte Herr hatte mich ihm zum Beschützer gegeben. Aber sprich, ist es eine Lasterthat, was ich begangen habe?

Hegio

Eine erschreckliche.

TyndTyndarus

Ich aber bin andrer Meynung, und be haupte, es sey eine gute That. Denn bedenke, wenn dein Knecht gegen deinen Sohn sich so verhalten hät te, wie würdest du ihm danken? Würdest du ihn frey lassen oder nicht? Würde er dir nicht der angenehm ste Knecht seyn? Antworte.

Hegio

Ja wohl.

TyndTyndarus

Warum zürnst du denn also auf mich?

Hegio

Weil du ihm getreuer gewesen bist, als mir.

TyndTyndarus

So? Du hast also gemeynt, einen neuen Gefangnen in Nacht- und Tages- Frist zu überreden, daß er dir mehr wohlwolle, als dem, mit dem ich von Kindheit an aufgewachsen bin?

Hegio

Du magst also auch nur von ihm den Dank erwarten. Führt ihn nur fort, damit ihr ihn schwere und starke Fußeisen anlegen könnt. Von dar bringt ihn nur gleich in die Steingruben. Anstatt, daß andre daselbst des Tages nur acht Stück brechen dür fen, so soll er alle Tage anderthalb Tagewerk verrichten müssen, oder alle Tage 600 Stockschläge gewärtig seyn.

AristophAristophontes

Hegio, ich bitte dich um der Götter und Menschen willen, laß diesen Menschen nicht umkommen.

|| [0190.01]

Hegio

O dafür soll schon gesorgt werden. Des Nachts über will ich ihn gebunden bewachen lassen, und des Tags über soll er Steine aus den Gruben bringen müssen. Ich will ihn lange genug martern. Sorge nicht, daß er es mit einem Tage soll überstan den haben.

AristophAristophontes

Und das willst du gewiß thun?

Hegio

So gewiß als ich einmal sterben werde. Fort! Führt ihn alsobald zu dem Schmidt Hippo lyt. Laßt ihm fein starke Beineisen anlegen, und als dann führt ihn sogleich vor das Thor zu meinem Frey gelaßnen Cordalus, damit er in die Steinbrüche ge bracht wird. Sagt, daß es mein ausdrücklicher Wille wäre, er solle es nicht schlimmer haben, als die, die es am allerschlimmsten haben.

TyndTyndarus

Je nu, ich will mich nicht wider deinen Willen erhalten wissen. Setze mich immer in Lebens gefahr, es geschieht auf deine Gefahr. Ich habe, nach dem Tode, im Tode nichts Uebles zu befürchten. Und wenn ich auch das größte Alter erreichte, so muß ich doch nach kurzem das, womit du mir drohest, ein mal ausstehen. Lebe wohl, ob du es gleich nicht um mich verdienest. Dir Aristophontes möge es so gehen, wie du es an mir erholt hast. Nur du bist die Ursache meines Unglücks.

Hegio

Führt ihn fort.

TyndTyndarus

Das einzige bitte ich euch; wenn Philo krates wieder zurück kömmt, macht, daß ich mit ihm sprechen kann.

Hegio

Ihr seyd unglücklich, wo ihr ihn mir nicht gleich aus dem Gesichte führet.

|| [0191.01]

TyndTyndarus

Nu, das heißt doch noch Gewalt brauchen, ein ziehen und stoßen zugleich (*).

Hegio

Er wird an seinen verdienten Ort gebracht. Ich muß wegen der andern Gefangnen nothwendig ein Exempel statuiren, damit andre nicht auch so ein Bubenstück wagen. Wenn ich es nicht thäte, da man mir doch diesen Streich so öffentlich gespielt hat, so würde jeder sagen, er wolle mir meinen Sohn frey schaffen, und mich also betrügen. Ich habe mirs nun feste vorgenommen, keinem mehr zu glauben. Es ist genug, daß ich einmal bin betrogen worden. Ich armer Mann hoffte meinen Sohn dadurch aus der Gefangenschaft zu befreyen. Meine Hoffnung ist zu Schanden worden. Einen Sohn habe ich schon verlohren, den mir ein Knecht als ein Kind von vier Jahren entwendet hat. Ich habe weder des Knechts, noch des Sohnes, wieder habhaft werden können. Der andre nun ist auch in der Gewalt der Feinde. Was für ein Schicksal! Habe ich denn nur Kinder gezeugt, sie zu verlieren? - - Du folge mir, ich will dich wieder hinführen, wo du hergekommen bist. Ich will mich auch gewiß keines mehr erbarmen, weil sich niemand meiner erbarmet.

19
|| [0192.01]

AristophAristophontes

Ich bin kaum einen Augenblick aus den Ketten gewesen, und nun, seh ich, muß ich schon wieder herein.

Vierter Aufzug.

Erster Auftritt.

Ergasilus.

Ergasilus

Höchster Jupiter! so willst du mich doch erhalten, und meine Umstände verbessern! O mit was für Ueberfluß, mit was für köstlichen Leckerbißchen, mit was für Lob, Gewinnst, Spiel und Scherz, mit was für Feyer - und Freudentagen, mit was für Pracht, mit was für Vorrath, mit was für Zechen, mit was für Sättigkeit, mit was für Wollust beglü ckest du mich! Nun darf ich gewiß keinem Menschen mehr gute Worte geben. Nun kann ich allen meinen Freunden helfen, und allen meinen Feinden schaden. O angenehmer Tag, mit was für angenehmen An nehmlichkeiten überschüttest du mich! Was für eine austrägliche Erbschaft ist auf mich gefallen! Ich muß gleich meinen Lauf zu dem alten Hegio richten, dem ich so viel gute Nachricht bringe, als er sich nur sel ber wünscht, und noch weit mehr. Ich will eilend, wie die komischen Knechte zu thun pflegen, meinen Mantel auf die Schulter werfen, damit er die Both schaft von mir zuerst höre. Ich weis gewiß, ich werde dafür eine ewige Mahlzeit bey ihm haben.

Zweyter Auftritt.

Hegio. Ergasilus.

Hegio

Je mehr ich diesen Zufall bey mir über lege, je größer wird mein Verdruß. Auf so eine Art
|| [0193.01]
bin ich heute hintergangen worden? Und ich konnte den Betrug nicht einsehn. Die ganze Stadt, wenn sie es erfährt, wird mich auslachen. Wenn ich werde auf den Markt kommen, so wird einer zum andern sagen: das ist der Alte, den sie so betrogen haben. - - Aber, seh ich nicht den Ergasilus dort von ferne? Und zwar mit auf die Schulter geworfnem Mantel. Was muß er vorhaben?

ErgasErgasilus

Fort, zaudre nicht, Ergasilus; thue was zu thun ist. Ich will es niemanden rathen, daß er mir in Weg kömmt, wenn er nicht am längsten will gelebt haben. Wer mir entgegen kömmt, den will ich zur Erde schmeißen - -

Hegio

Ich glaube gar, er will Balgereyen an fangen?

ErgasErgasilus

Ja, ja. Es soll ganz gewiß geschehn. Es mögen nur alle ihre Gänge aufschieben; es mag sich nur niemand auf dieser Straße was zu thun machen. Meine Faust soll mir statt der Balista, mein Ellebo gen statt der Katapulta seyn; Schulter und Knie sind meine Mauerböcke, damit will ich meine Feinde zu Boden werfen. Wer mir in Weg kömmt, soll seine Zähne müssen auf der Gasse suchen.

Hegio

Was sind das für Drohungen? Ich kann mich nicht wundern genug.

ErgasErgasilus

Ich will gewiß machen, daß er dieses Tags, dieses Orts, und meiner nimmermehr vergißt. Wer meinen Lauf hemmet, soll sein Leben schnell ge hemmet haben.

Hegio

Was muß das Wichtige seyn, das er mit solchen Drohungen anfängt?

|| [0194.01]

ErgasErgasilus

Ich sage es fein zuerst, damit niemand durch sein Versehn unglücklich werde. Haltet euch in den Häusern, und hütet euch vor meiner Gewalt.

Hegio

Das muß was ganz besonders seyn, wenn ihn nicht etwa der volle Bauch so übermüthig macht. Wehe dem armen Mann, durch dessen Kost er so ge biethrisch geworden ist!

Ergasilus

Besonders ihr Becker, die ihr so viel Säue mit Kleyen mästet, daß man wegen des Ge stanks bey euren Läden nicht vorbey gehen kann. Wenn ich welche von euren Schweinen auf der Gasse an treffe, so will ich ihnen gewiß mit meinen Fäusten die Kleyen aus den Ranzen prügeln, ich meyne ihren Be sitzern.

Hegio

Nu, die Warnungen sind königlich und herrscherisch genug. Er muß ganz gewiß satt seyn. Er trotzt auf seinen vollen Bauch.

Ergasilus

Auch euch, ihr Fischer, die ihr dem Volke stinkende Fische feil biethet, welche ihr mit einer hinkenden Schindmehre in die Stadt bringt, und die durch Gestank alle Pflastertreter von der Basilica auf den Markt verjagen, euch will ich die Fischkörbe wacker unter die Nasen reiben, damit ihr doch auch fühlet, was sie andern Nasen für Verdruß machen. Was euch aber anbelangt, ihr Fleischer, die ihr die Scha fe der Kinder beraubt, die ihr Lämmer zum abschlach ten einkauft, mit dem Lammfleische das Volk be trügt (*), und einen verschnittnen Hammel einen Schaf- 20
|| [0195.01]
bock nennt, wenn ich so einen Schafbock auf öffentli cher Straße sehe, so will ich den Schafbock und seinen Herrn, zu den unglücklichsten Thieren von der Welt machen.

Hegio

Nu, das sind doch noch ädilische Verord nungen. Es sollte mich sehr wundern, wenn ihn nicht die Aetolier zu ihrem Marktmeister machen sollten.

Ergasilus

Itzo bin ich kein Schmarutzer, sondern ein königlicher König der Könige, da so vieler Pro viant für meinen Magen im Hafen angelangt ist. Doch zaudre ich noch den Hegio mit dieser Freude zu überschütten? Kann wohl jemand glücklicher seyn, als dieser Alte ist?

Hegio

Nu, was ist denn das für eine Freude, die er mir so voller Freuden schenkt?

Ergasilus

Nu? Holla? Wo steckt ihr? Wird keiner die Thüre aufmachen?

Hegio

Ha! Ha! Er findet sich zur Abendmahl zeit bey mir ein.

Ergasilus

Macht die Thüren alle beyde auf, ehe ich sie in Grund und Boden stoße.

Hegio

Ich muß ihn doch anreden. Ergasilus.

Ergasilus

Wer ruft den Ergasilus?

Hegio

Sieh mich doch an!

Ergasilus

Das thut das Glück an dir nicht, und soll es auch nimmermehr thun.

|| [0196.01]

Hegio

Wünschest du mir das (*)?

Ergasilus

Aber was giebt es denn?

Hegio

Sieh dich doch um, ich bin Hegio.

Ergasilus

O! bist dus, du allerbester der aller besten Männer? Du kömmst zu rechter Zeit.

Hegio

Ich weis nicht, wen du in dem Hafen mußt angetroffen haben, bey dem du auf den Abend schmausen wirst, weil du so hochmüthig geworden bist.

Ergasilus

Gieb mir die Hand.

Hegio

Die Hand?

Ergasilus

Gieb mir deine Hand, sage ich; gleich!

Hegio

Nu, da!

Ergasilus

Freue dich!

Hegio

Weswegen soll ich mich freuen?

Ergasilus

Weil ich dirs heiße. Fort! freue dich nur.

Hegio

Die Betrübniß ist bey mir größer als die Freude.

Ergasilus

Sey nicht böse auf mich. Ich will dir bald alle Betrübniß benehmen. Freue dich nur! Auf mein Wort!

Hegio

Gut. Ich freue mich, ob ich gleich nicht sehe warum?

Ergasilus

So recht! Nun befiehl auch - -

Hegio

Was soll ich befehlen?

21
|| [0197.01]

Ergasilus

Daß man ein entsetzliches Feuer an mache.

Hegio

Ein entsetzliches Feuer?

Ergasilus

Ja, ja, was ich sage; und es muß recht sehr groß seyn.

Hegio

Was willst du denn verbrennen? Glaubst du, daß ich deinetwegen mein Haus anstecken werde.

Ergasilus

Werde nicht böse. Befiehl auch zugleich, daß die Töpfe angesetzt, und die Schüsseln aufgewaschen werden. Laß nur den gespickten Bra ten ans Feuer bringen, und unterdessen schicke einen andern nach Fischen.

Hegio

Ich glaube er träumt wachende.

Ergasilus

Einen andern schicke nach Schweine fleisch, nach Lammfleisch und nach jungen Hühnern.

Hegio

Nu, du weißt doch was gut schmeckt, aber woher nehmen?

Ergasilus

Laß Schinken, Kuhlparse, Makrel len, Stockfische und Wallfische, und weichen Käse holen (*).

Hegio

Nu, nu, nennen kannst du es wohl, ob du es aber wirst bey mir zu essen bekommen, mein gu ter Ergasilus - -

Ergasilus

Glaubst du denn, daß ich es meinet wegen anzurichten befehle?

22
|| [0198.01]

Hegio

Betrüge dich nicht. Ich will dir zwar nicht nichts, aber doch nicht viel mehr als nichts vorsetzen. Bringe also von deinen Bäuchen nur den für die Alltagskost mit.

Ergasilus

Wie aber, wenn du diesen Auf wand, auch ohne mein Geheiß, machen wirst?

Hegio

Ich?

Ergasilus

Eben du.

Hegio

Alsdann will ich dich für meinen Herrn erkennen.

Ergasilus

O! ich werde ein ganz gütiger Herr seyn. Soll ich dich glücklich machen?

Hegio

Wenigstens lieber als unglücklich.

Ergasilus

Gieb mir die Hand.

Hegio

Da ist sie.

Ergasilus

Die Götter erbarmen sich deiner.

Hegio

Ich weis nichts davon.

Ergasilus

Aber bald wirst du es wissen. Un terdessen gebiethe nur, daß man dir die Gefäße zu dem heiligen Werke fertig halte; und laß ein eignes und fettes Lamm holen.

Hegio

Warum das?

Ergasilus

Weil du opfern mußt.

Hegio

Und welchem Gotte denn?

Ergasilus

Mir. Ich bin itzo dein höchster Jupiter, ich bin deine Errettung, dein Glück, dein Licht, deine Freude, dein Vergnügen; wenn du nur diesen deinen Gott wacker satt machest, damit er dir gnädig sey.

Hegio

Du bist mir also hungrig, wie es scheint?

Ergasilus

Ich bin mir hungrig und nicht dir.

|| [0199.01]

Hegio

Ey, hol dich der - -

Ergasilus

Du solltest dich lieber bey mir be danken für die Nachricht, die ich dir aus dem Hafen bringe? O was für eine vortreffliche Nachricht! Wirst du mir so wieder gut?

Hegio

Geh, Narre, du kömmst zu spät.

Ergasilus

Das hättest du können sagen, wenn ich bey einer andern Gelegenheit gekommen wäre. Doch vernimm nur endlich die Freude, die ich dir brin ge. Ich habe itzo gleich deinen Sohn Philopole mus lebend, gesund und frisch in dem Hafen gese hen. Er kam mit dem öffentlichen Jagtschiffe. Es war noch ein andrer Jüngling bey ihm, und deinen Knecht Stalagmus, der dir mit deinem Sohne, als einem Kinde von vier Jahren, davon gegangen ist, bringt er auch mit.

Hegio

Du willst mich zum besten haben. Geh! pack dich!

Ergasilus

Ich schwöre dir es bey der heiligen Sättigkeit! Ihr Name soll nie zu meinem Namen können gefügt werden; wenn ich nicht alles das ge sehen habe.

Hegio

Meinen Sohn hast du gesehen?

Ergasilus

Deinen Sohn, und meinen Schutz engel.

Hegio

Und den elidensischen Gefangnen?

Ergasilus

μα τον ἀπολλω (*)!

23
|| [0200.01]

Hegio

Und meinen Knecht Stalagmus, der mir meinen Sohn entwendet hat?

Ergasilus

νη ταν σοραν!

Hegio

Schon lange?

Ergasilus

νη ταν πραινεϛην!

Hegio

Kömmt er?

Ergasilus

νη ταν σιγνιαν!

Hegio

Ganz gewiß?

Ergasilus

νη ταν φρουσινωνα!

Hegio

Aber du - -

Ergasilus

νη τον ἀλατριον!

Hegio

Bey was für barbarischen rauhen Städ ten schwörest du?

Ergasilus

Sie sind eben so rauh, als deine Spei sen, wie du sagtest, seyn sollten.

Hegio

Verdammtes Maul!

Ergasilus

Du willst mir aber ja nichts glau ben, was ich dir doch so umständlich berichte (*)

24
|| [0201.01]

Hegio

Nein, sage mir aufrichtig, kann ich dir Glauben zustellen?

Ergasilus

Sehr vielen.

Hegio

O ihr unsterblichen Götter, ich bin von neuem gebohren, wenn es wahr ist was er sagt.

Ergasilus

Und ich glaube, wenn ich die hei ligsten Schwüre thäte, würdest du doch noch zwei feln. Doch kurz, Hegio, wenn du meinen Betheu rungen so wenig trauest, so gehe selber zum Hafen.

Hegio

Das soll auch geschehn. Mache unter dessen drinnen die nöthigen Anstalten. Verlange, nimm, fodre was du willst. Ich mache dich zu meinem Ausgeber.

Ergasilus

Wenn ich das Amt nicht reichlich verwalte (*), so sollst du das Recht haben mich wa cker zu prügeln.

Hegio

Du sollst ewig einen aufgedeckten Tisch bey mir finden, wenn du die Wahrheit gesagt hast.

Ergasilus

Wie so?

Hegio

Bey mir, und meinem Sohne.

25
|| [0202.01]

Ergasilus

Versprichst du mir das?

Hegio

Ich versprech es.

Ergasilus

Und ich verspreche dir nochmals, daß du deinen Sohn gewiß im Hafen finden wirst.

Hegio

Besorge alles aufs beste.

Ergasilus

Glück auf den Hinweg und Her weg!

Dritter Auftritt.

Ergasilus.

Ergasilus

Er geht, und hat mir sein gemeines Küchenwesen übergeben. O ihr unsterblichen Götter, wie viel Rümpfe sollen die Hälse verlieren! Was für eine Pest soll unter die Schinken, was für ein Sterben unter den Speck gerathen! Was für eine Abnahme soll über den Schmeer, was für eine Niederlage über die Schweinslenden kommen! Wie will ich die Schlächter, wie will ich die Schweinshändler abmat ten! Doch, wenn ich alles erzählen wollte, was zur Sättigung des Bauchs gehört, so würde ich mich zu sehr aufhalten. Ich will lieber mein Amt antreten, und dem Specke sein Urtheil sprechen; und will die armen aufgehangnen Schinken los schnei den lassen.

Vierter Auftritt.

Ein Knecht des Hegio.

Ein Knecht des Hegio

Daß du, Ergasilus, mit deinem Bauche, mit allen Schmarutzern, und mit allen, die die Schma rutzer füttern, verunglücktest! Was für Unfälle, was
|| [0203.01]
für Unmäßigkeiten, sind in unser Haus gerathen! Er ist wie ein hungriger Wolf, ich mußte fürchten, er würde auch mich anfallen. Ich hatte es in der That Ursache zu fürchten, so knirschte er mit den Zähnen. Was für Unordnung hat er in dem Fleischbehältnisse mit dem Fleische angefangen. Er ergriff das Beil und hackte gleich drey geschlachteten Schweinen die Köpfe ab. Alle Gefäße, alle Töpfe, die nicht zum wenigsten acht Kannen hielten, brach er entzwey. Er hätte lieber gar von dem Koche verlangt, daß er die ganzen Fleischtonnen ans Feuer setze. Alle Keller, alle Vorrathsschränke hat er mit Gewalt aufgebrochen. Haltet ihn ja feste, ihr Knechte, ich muß mit dem Alten deswegen reden. Ich muß ihm sagen, daß er sich nur neuen Vorrath anschaffen soll. Denn wie der es anfängt, so muß er itzo schon alle seyn, oder wird es bald werden.

Fünfter Aufzug.

Erster Auftritt.

Hegio. Philopolemus. Philokrates. Stalagmus.

Hegio

Ich danke dem Jupiter und allen Göttern herzlich, daß sie dich deinem Vater wiedergeschenkt haben, daß sie mich aus so vieler Kümmerniß geris sen, die mich in deiner Abwesenheit beunruhigte, daß sie diesen Bösewicht wieder in unsre Hände geliefert haben, und daß Philokrates sein Wort so redlich ge halten hat. Mein Herz hat sich genug betrübet; Sor gen und Thränen haben mich genug abgemattet. Was
|| [0204.01]
du ausgestanden hast, habe ich von dir weitläuftig in dem Hafen gehört. Es ist vorbey - -

Philokrates

Wie nun, Hegio, da ich dir mein Wort gehalten, und deinen Sohn in die Freyheit ver setzt habe?

Hegio

Du hast so, an mir und meinem Sohne ge handelt, daß ich dir es nimmermehr verdanken kann.

Philopolemus

Du kannst es einigermaßen, mein Vater, und mir werden vielleicht die Götter Gelegenheit geben, daß ich mich auch unserm Wohl thäter erkenntlich erzeigen kann. Was du aber itzo thun kannst, das hat er um uns verdienet.

Hegio

Ohne so viel Worte! Er verlange nur, ich werde ihm nimmermehr was abschlagen können (*).

Philokrates

Ich verlange also, daß du mir meinen Knecht, den ich hier zum Pfande gelassen habe, wiedergebest. Mein Wohl ist ihm lieber gewesen, als das seinige. Ich muß ihn für seine redlichen Dienste belohnen.

Hegio

Ich will dir zeigen, daß ich dankbar bin. Sowohl das, als was du sonst noch verlangen wirst, will ich thun. Nur nimm mir es nicht übel, daß ich mit deinem Knechte im Zorne hart verfahren habe.

Philokrates

Was hast du mit ihm gemacht?

Hegio

Ich habe ihn gefesselt in die Steingruben geschickt, so bald ich erfuhr, daß man mich hintergan gen hatte.

26
|| [0205.01]

Philokrates

O ich Unglückseliger! Der beste Mensch soll meinetwegen so viel leiden?

Hegio

Dieserwegen sollst du auch keinen Häller für ihn bezahlen. Ich will ihn umsonst frey geben.

Philokrates

Du handelst in der That gütig, Hegio. Allein befiehl nur, daß er herausgebracht werde.

Hegio

Ja. Holla! Geht, und bringet gleich den Tyndarus her! Gehet unterdessen herein. Ich will sehen, ob ich aus dieser schlägefaulen Bildsäule erfahren kann, was er mit meinem jüngsten Sohne gemacht hat. Mittlerweile waschet euch.

Philopolemus

Folge mir hier herein Philokrates.

Philokrates

Ich folge.

Zweyter Auftritt.

Hegio. Stalagmus.

Hegio

Nun, du wackrer Mann, komm doch näher her. Du bist ein sehr feiner Knecht.

Stalagmus

(*). Was muß ich denn noch thun, damit sich, so ein Mann wie du, nicht in seinem Ur theile von mir irret? Ich bin niemals fein, wacker noch gut gewesen. Ich habe niemals was getaugt, 27
|| [0206.01]
und werde auch Zeitlebens nichts taugen. Hoffe nur nicht, daß ich mich bessern werde.

Hegio

Du kannst leicht einsehen, wie deine Sa chen stehn. Es wird dir nicht schaden, wenn du die Wahrheit redest. Deine schlimme Sache wird weni ger schlimm dadurch werden. Rede aufrichtig - - Doch du hast niemals aufrichtig gehandelt - -

Stalagmus

Ich glaube gar du meynst, ich wer de mich schämen dir es zu gestehn?

Hegio

Die Scham soll schon bey dir aufstei gen. Ich will dich über und über roth machen lassen.

Stalagmus

Das glaube ich wohl. Allein drohst du denn deine Schläge einem unversuchten (*)? Weg mit den Possen. Sage was dein Anbringen ist, wenn du was von mir wegbringen willst.

Hegio

Ey! wie beredt du bist. Doch, erspare die vielen Worte - -

Stalagmus

Wohl, es geschehe dann!

Hegio

In deiner Jugend warst du bescheiden, aber freylich schickt es sich itzo nicht mehr für dich. Doch zur Sache. Höre zu, und gestehe mir, was ich dich frage. Es wird deine Umstände nicht verschlimmern, wenn du mir die Wahrheit gestehst.

Stalagmus

Ach, das sind Worte! Glaubst du denn nicht, daß ich weis, was ich verdient habe?

Hegio

Du kannst aber wenigstens deine Strafe lindern, wenn du ihr auch nicht entfliehst.

Stalagmus

O eine solche Strafe, als ich verdient habe, ist zu groß, als daß sie durch das Lindern kleiner 28
|| [0207.01]
werden könnte. Ich bin dir nicht allein entflohen, sondern ich habe auch deinen Sohn mitgenommen, und ihn verkauft.

Hegio

An wen?

Stalagmus

An den polyplusischen Theodoro medes in Elis, für sechs Pfund.

Hegio

Unsterbliche Götter! Das ist Philokrates Vater.

Stalagmus

O! ich kenne ihn besser als dich, und hab ihn öftrer gesehen.

Hegio

Höchster Jupiter! Erhalte mir, und er halte mir meinen Sohn. Um des Himmels willen, Philokrates, komm heraus! Ich muß dich sprechen.

Dritter Auftritt.

Philokrates. Hegio. Stalagmus.

PhilokPhilokrates

Hier bin ich, Hegio. Was verlangst du? Befiehl!

Hegio

Dieser spricht, er habe meinen Sohn in Elis an deinen Vater für sechs Pfund verkauft.

PhilokPhilokrates

Wie lange ist das?

StalagmStalagmus

Es geht numehro ins zwanzigste Jahr.

PhilokPhilokrates

Du lügst.

StalagmStalagmus

Entweder ich oder du. Dein Vater hat ihn dir als ein Kind von vier Jahren zu deinem eignen Knechte geschenkt.

PhilokPhilokrates

Wie hieß er? sage mir das einmal, wenn du die Wahrheit redest.

StalagmStalagmus

Er hieß Pägnium, ihr aber gabt ihm den Namen Tyndarus.

PhilokPhilokrates

Warum kenn ich dich aber nicht?

StalagmStalagmus

Weil es die Mode ist diejenigen zu vergessen, deren Bekanntschaft uns nichts hilft.

|| [0208.01]

PhilokPhilokrates

So ist der, den du meinem Vater ver kauft hast, und den er mir zum eignen Knechte ge schenkt hat, dieses sein Sohn?

Hegio

Sage, lebt er noch?

StalagmStalagmus

Ich habe mein Geld bekommen; was bekümmere ich mich um das übrige?

Hegio

Aber was sagst du?

PhilokPhilokrates

Aus seinen Reden kann ich nicht anders schließen, als daß mein Tyndarus dein Sohn ist. Er ist mit mir aufgewachsen, und hat eine gute, und einem Freygebohrnen anständige Erziehung genossen.

Hegio

Ich bin glücklich und unglücklich, wenn ihr die Wahrheit redet. Unglücklich, weil ich mei nem eignen Sohne so hart mitgefahren habe. Ach! warum habe ich mehr und weniger thun müssen, als die Billigkeit erfoderte? Wie bekümmert mich mein Ver fahren! O könnte was geschehen ist, nicht geschehen seyn. Doch hier kömmt er in seinem Schmucke. Was für ein unerschrocknes Ansehen giebt ihm seine Tugend!

Vierter Auftritt.

Tyndarus. Hegio. Philokrates. Stalagmus.

Tyndarus

Ich habe doch oft viel höllische Stra fen abgemalt gesehen, aber was kann die Hölle gegen die Steingruben seyn, woraus ich komme? Das ist doch noch ein Ort, der einem nicht einen Tropfen Schweiß im Leibe läßt. So bald man herein kömmt, bringen sie einem Schubkarn, Hacke und Schaufel, von einer klein wenig dauerhaftern Art, als die sind, welche man den Kindern zum Spielen giebt (*). Ich bekam 29
|| [0209.01]
auch eine ganz zierliche Spitzhacke, mir die Zeit zu ver treiben. - - -. Doch, da steht Hegio vor der Thü re - - und, wie ich sehe, so ist auch mein Herr aus Elis wieder zurück gekommen.

Hegio

Umarme mich, mein liebster Sohn.

TyndTyndarus

Was? Ich dein Sohn? Ha! Ha! Ich merke bald warum du dich meinen Vater, und mich deinen Sohn nennest. Vielleicht, weil du mich, wie es die Aeltern thun, ans Licht bringest?

PhilokPhilokrates

Sey gegrüßet, Tyndarus.

TyndTyndarus

Du auch, für den ich so viel ausstehen muß.

PhilokPhilokrates

Dafür wirst du numehr in Freyheit und Reichthum versetzt. Siehe, das ist dein Vater! Das ist der Knecht, der dich ihm als ein Kind von vier Jah ren entwendet, und an meinen Vater für 6 Pfund ver kauft hat. Er schenkte dich mir, weil wir in einem Alter waren, zum eigenthümlichen Knechte. Wir ha ben diesen Dieb aus Elis wieder zurück gebracht, und er hat alles gestanden.

TyndTyndarus

Aber wie ists mit seinem Sohne geworden?

PhilokPhilokrates

Gehe herein, so wirst du deinen leiblichen Bruder finden.

TyndTyndarus

Was? So hast du ihn mitgebracht?

PhilokPhilokrates

Ja, ja, drinnen ist er.

TyndTyndarus

O wie wohl hast du gethan!

|| [0210.01]

PhilokPhilokrates

Dieser ist numehr dein Vater, und dieser dein Dieb, der dich ihm als ein Kind gestohlen hat.

TyndTyndarus

Dafür will ich ihn nun erwachsen züchtigen lassen.

PhilokPhilokrates

Er hat es verdient.

TyndTyndarus

Er soll seinen verdienten Lohn schon bekom men. Aber Hegio, so bist du mein Vater?

Hegio

Ja, ich bin es, mein Sohn.

TyndTyndarus

Nun besinne ich mich auch, wenn ich nach denke. Es ist mir, als ob ich wie im Traume ein mal gehört hätte, daß mein Vater Hegio heiße.

Hegio

Und ich eben bin es.

PhilokPhilokrates

Nun so mache doch Hegio, daß ihm die Fessel abgenommen, und diesem angelegt werden.

Hegio

Ja, das soll auch das erste seyn. Kommt, laßt uns herein gehen. Der Schmid soll den Augen blick da seyn, dich von den Banden zu befreyen, die dein Räuber bekommen soll.

StalagmStalagmus

Du thust sehr wohl; ich habe so nichts eigenthümliches.

Der Schlußredner.

Dieses Lustspiel, ihr Zuschauer, ist für züchtige Sitten gemacht. Es kommen keine Liebsstreiche, keine Unterschiebung von Kindern, keine Geldschnei dereyen darinnen vor. Kein verliebter Jüngling be freyet darinnen eine Hure wider Wissen seines Va ters. Dergleichen Spiele, worinne die Guten besser wer den können, erfinden wenige Dichter. Hat es euch gefal len, und sind wir euch nicht zur Last gewesen, so gebet das gewöhnliche Zeichen; und ein jeder, der von euch gute Sitten liebet, klatsche!


1 * Ich mag diesen Einfall eben nicht vertheidigen. Plau tus hat es ohne Zweifel selbst eingesehen, daß er nicht der vortrefflichste ist. Es ist ihm genug gewesen, wenn er nur seine Absicht, die Römer zum Lachen zu bewegen, damit erlangt hat. So ein Anfang verspricht eine reiche Erndte lächerlicher Sachen. Man sehe übrigens, mit was für Lebhaftigkeit er das, was die Zuschauer wissen sollen, erzählet, und mit was für Kunst er das versteckt, was sie itzo nicht wissen, sondern was sie selbst bald sehen sollen. Und man sage mir, ob in vielen neuen Komödien die ersten Auftritte, ob sie gleich das Dialogische voraus haben, so angenehm sind, als die ser Prolog?
2
* - - itidem vt saepe iam in multis locis
Plus insciens quis fecit, quam sciens, boni. Dieses sind des Plautus Worte. Wir wollen hierbey die Stelle aus dem Terentius anmerken, wo er eben dieses den Parmeno zum Schlusse der Hecyra sagen läßt:
equidem plus hodie boni
Feci imprudens, quam sciens ante hunc diem vnquam. Aus dieser Stelle darf es nicht allein bewiesen werden, daß Terentius den Plautusnachgeahmet habe.
3 * Haec res agetur nobis, vobis fabula: so heißt eigent lich die Stelle. Wenn ich sie aber nach der Einsicht beurtheile, welche Plautus nothwendig von der Ein richtung der Schauspiele muß gehabt haben; so komme ich auf die Vermuthung, daß die beyden Pronomina versetzt worden sind, und daß es heißen solle: Haec res agetur vobis, nobis fabula. Denn dieses eben macht die Vollkommenheit der Schauspiele aus, wenn die Zu schauer eine wahrhafte Geschichte, und keine Vorstel lung einer erdichteten Begebenheit, zu sehen glauben. Die Schauspieler aber müssen es niemals aus den Ge danken lassen, daß sie nur vorstellende Personen sind, und ihre Vorstellungen so wahrscheinlich ma chen müssen, daß sie den Zuschauer zu hintergehen im Stande seyn können. Doch kann es auch seyn, daß die erste Leseart die rechte ist, und daß Plautus ganz was anders dabey gedacht hat. Vielleicht will er den Vorredner dadurch sagen lassen: ihr könnt zwar das, was wir vorstellen werden, für eine Fabel ansehen, für uns aber ist es schon eine etwas wichtigere Sache, weil unsere Belohnungen, wenn wir es gut machen, darauf beruhen.
4
* Hoc paene iniquum est Comico choragio,
Conari de subito nos agere Tragoediam. Die neuern Comici würden sehr wohl thun, wenn sie diese kleine Erinnerung merken wollten. Es ist, als wenn sich unsere Zeiten verschworen hätten, das We sen der Schauspiele umzukehren. Man macht Trauer spiele zum Lachen, und Lustspiele zum Weinen. Den Franzosen könnte man es noch eher erlauben, daß sie sich diese kleine Abwechselung machten. Sie haben schon Trauerspiele genug, die zum Weinen, und Lust spiele, die zum Lachen bewegen. Warum die Deutschen aber, die ihnen hierinne noch weichen müssen, da mit Ruhm anzufangen glauben, wo diese mit Schanden auf gehöret haben, das begreifen wir nicht.
5 * Ich habe dieses Wortspiel einigermaßen beyzubehalten gesucht. In dem Lateinischen ist es ungleich artiger, weil inuocatus zugleich angerufen und ungerufen heißen kann. Ehe ich es aber gar übergehen wollte, so habe ich es lieber so gut übersetzen wollen, als es die deutsche Sprache verstattet. Uebrigens wird man so billig seyn, und dieses Spielwerk nach dem beurtheilen, in dessen Munde es ist. Die Scherze nach den unter schiednen Charakteren einzurichten, ist ein Kunststück, welches wenig in einer solchen Stärke besitzen, wie Plau tus. Bey den meisten scherzet der Knecht eben so fein, wie sein Herr, oder der Herr eben so grob, wie sein Knecht.
6 * Die Anspielung, die im Lateinischen auf den Kauf über haupt ist, habe ich nur auf eine Art des Kaufs, auf die Versteigerung, einschränken müssen, damit ich den Scherz beybehalten konnte.
7 * Wegen seiner Gefräßigkeit.
8 ** Ich glaube, daß dieses der natürlichste Verstand sey, weil er mit der ersten Rede des Hegio, emtum, nisi qui meliorem affert, am besten übereinkömmt. Ich biethe dich zwar zu Gaste, will Hegio sagen, aber du brauchst deswegen keine beßre Mahlzeit zu versäumen. Findest du einen, der dir was bessers vorsetzen kann, laß dich nicht abhalten. Ich könnte hier dem ältern Scaliger eine gelehrte Untersuchung, was Ciris sey, ab borgen, wenn ich glaubte, daß meinen Lesern was dar an gelegen seyn würde. Ich habe es nach der gemei nen Art schlechtweg, durch Lerche übersetzt; ich will mir aber diejenigen nicht dadurch zu Feinden machen, welche gebratene Lerchen einem gebratenen Hasen vor ziehen. Eine kleine Anmerkung will ich hier noch über den Charakter der Schmarutzer machen. Man wird wenig Stücke bey dem Plautus finden, worinne nicht ein Parasitus vorkommen sollte. Ich kann mich aber in der That auf kein einziges von neuern Lustspielen be sinnen, wo so eine Person wäre lächerlich gemacht worden. Doch es ist kein Wunder. Man würde viel leicht ein Hirngespinste lächerlich gemacht haben. Der Charakter eines Schmarutzers hat das Unglück gehabt, mit der Gastfreyheit auszusterben.
9 * Vnde excoquat seuum senex heißt es in den meisten Ausgaben, Douza aber unterscheidet die Personen also: Phil. Vnde excoquat seuum. Heg. Senex quid pa ter? viuitne? Allein das Senex kann ganz wohl noch bey der Rede des Philokrates bleiben, nur so, daß es ei nen neuen Perioden anfängt, worinne er von seinem Vater etwas gedenken will, wo ihm Hegio aber als bald ins Wort fällt: quid pater? etc. Daß man also vielleicht lesen muß:

Phil

Vnde excoquat seuum. Senex - - -

Heg

Quid Pater? viuitne?

10 * In den Ausgaben, die ich habe nachsehen können, ste het: Philocrates hic fecit, hominem frugi vt facere oportuit. Dieses ist offenbar falsch. Bey Philokra tes ist das Comma unentbehrlich, welches hier die An rede seyn muß; denn Hegio wußte es ja nicht, daß es Philokrates, mit dem er geredt hätte.
11 * Man halte mir den Ausdruck zu gute. Ich habe etwas setzen wollen, welches dem Lateinischen, welches ein Sprüchwort zu seyn scheinet, ein wenig ähnlich sey.
12 * Ich weis in der That nicht, warum hier ein neuer Auf tritt angehen soll. Tyndarus war ja nicht abgegangen, sondern Hegio hatte ihn nur bey Seite geführt, und er war bloß einige Zeit ohne Handlung geblieben.
13 * In dem Lateinischen scheinet eine dreyfache Gradation zu seyn; die andre und dritte aber ist, wenn man sie recht be trachtet, einerley; daß also der Superlativus nichts als eine Bestätigung des Comparativi hier seyn kann, wie ich es in der Uebersetzung deutlicher zu machen mich bemüht habe.
14 * Velabrum hieß ein Platz in Rom an dem aventinischen Berge, wo die Oelverkäufer ihre Buden hatten. Plautus hat zwar in diesem Stücke den Schauplatz nach Aetolien verlegt, gleichwohl macht er sich kein Bedenken, Oerter, welche in Rom waren, darinne so anzuführen, als ob sie an dem Orte selbst wären, wo diese Vorstellung geschieht. Die römischen Zuschauer mußten zu seiner Zeit noch nicht sehr ekel seyn, weil er dergleichen Verwirrungen, ohne geta delt zu werden, brauchen konnte. In dem ersten Auftritt des ersten Aufzugs haben wir schon ein Exempel davon ge habt, wo er von der porta trigemina redet, welche in Rom war, und an der die Bettelleute am häufigsten sassen.
15 * Ich glaube nicht, daß bono publico etwas anders hier heißen kann. Denn des Lambinus Erklärung ist sehr weit hergeholt.
16 * Man weis nicht, ob die Alten, wenn sie einen solchen Kran ken sahen, ihn deswegen angespien haben, weil sie glaub ten, daß es ihm gesund sey, oder ob sie es aus Abscheu ge than haben: so viel ist aus einigen Stellen des Plinius klar, daß Morbus qui insputatur nichts anders als die Epilepsie sey.
17 * Diese und die folgende Rede ist in allen Ausgaben nur eine. Allein ich sehe nicht, was Tyndarus mit dem andern sa gen wollte; wenn man es aber dem Aristophontes in den Mund legt, wie ich es hier gethan habe, so hat es einen ganz natürlichen Verstand. Er winkt mir, will er sagen, da du so nahe dabey stehst, wenn du weiter davon stündest, so würde er mich gar schweigen heißen.
18 * Das Hem rursum tibi! habe ich lieber dem Aristophon tes in Mund legen wollen. Tyndarus hatte sich schon oben einmal durch eine solche Wendung aus dem Handel ziehen wollen; und itzo versucht er es wieder, welches freylich Aristophontes nicht unangemerkt lassen konnte.
19 * Ich weis nicht, wie einige Erklärer des Plautus diese Ironie nicht haben einsehen können, daß sie ihre Erläute rungen so weit hergesucht haben. Wenn die Alten bey erlittener Gewalt schrien: Haec vis est, so wollten sie zu gleich um Hülfe rufen, welches aber dem Tyndarus hier ganz unnöthig gewesen wäre. Man wird es durchgängig finden, je gelehrter die Commentatores sind, je weni ger Witz lassen sie dem Schriftsteller, den sie erklären wollen.
20 * Die Gelehrten machen zu dieser Stelle die Anmerkung, die Alten hätten das Lammfleisch nicht gerne gegessen. Wie können sie aber dieses mit einer kurz darauf fol genden Stelle vergleichen, wo der Schmarutzer unter andern Leckerbissen, die Hegio soll zurechte machen las sen, auch ausdrücklich agninam mit nennet?
21 * Es hat mir natürlicher geschienen, wenn ich das hoc me iubes als eine Frage dem Hegio in Mund legte, ob ich gleich nicht leugne, daß es einen guten Verstand hat, wenn es auch Ergasilus sagt.
22 * Ich habe diese Namen so gut übersetzt, als es möglich ist, einige habe ich gar weggelassen, weil sie unsern heutigen Köchen allzu besonders vorkommen möchten. Cetus heißt zwar jede Art von großen Fischen, ich glaube aber doch, daß ihn der Schmarutzer eher zum Scherze als im Ernste dazu gesetzt hat.
23 * Ich habe diese griechischen Schwüre beybehalten, weil sie unmöglich zu übersetzen waren. Ich kann auch den Leser versichern, daß er nicht viel darunter verliert. Der erste Schwur ist bey dem Apollo, der andere bey der Proserpina, und die übrigen bey unterschiednen ita liänischen Städten, die er auf eine lächerliche Art als Gottheiten ansieht, bey welchen er schwören kann.
24 * Hier habe ich drey Zeilen ausgelassen, weil ich sie nicht so genau zu übersetzen weis, daß meine Leser den Sinn des Plautus daraus begreifen könnten: Hier sind sie:
Sed Stalagmus cuius erat tunc nationis, cum hinc abiit?
Heg. Siculus. Er. At nunc Siculus non est, Boius est, Boiam terit.
Liberorum quaerundorum causa ei, credo, vxor data est. Dieses zu verstehen, darf man nur wissen, daß Boiae oder Boia eine Art von Ketten waren, Boii aber gewis se gallische Völker. Der Scherz in der dritten Zeile aber beruht darauf, daß Boia auch ein Weibsbild aus diesem Volke heißen kann. Man mag es selbst versu chen, ob es sich auf eine Art übersetzen läßt, daß diese Anspielungen nicht ganz verlohren gehen.
25 * Die Lesart mantissinatus scheint mir die bequemste [Übersetzung] zu seyn, so daß man es von mantissa ableite. Mantissa, spricht Festus, est additamentum lingua Tusca, quod ponderi additur. Er will also sagen: ich will zu dem Fleische, das ich zum Schmause werde abwiegen lassen, nicht wenig zugeben, damit die Gerichte desto größer werden. Ich hab es etwas allgemeiner ausgedrückt.
26 * Der Ausdruck ist hier im Lateinischen sehr artig, ich habe ihn aber nicht zu erreichen gewußt: lingua nulla est, spricht er, qua negem, quicquid roges.
27 * Alle die Verbesserungen, die man mit dieser Stelle hat machen wollen, scheinen mir ganz vergebens zu seyn. Ich glaube den rechten Sinn ohne eine Verän derung zu machen, getroffen zu haben. Stalagmus nämlich nimmt das, was ihm Hegio sagt, für Ernst auf, und antwortet ihm: ich habe dir deinen Sohn entwandt, und du kannst mich noch für einen wackern Mann halten? Was soll ich denn noch für ein Schelm stück begehen, daß du richtiger von mir urtheilen lernest?
28 * Ich glaube dieses nicht unbillig in eine Frage verwan delt zu haben. Denkst du, will er sagen, daß mich deine Drohungen so schrecken, als ob ich nicht wüßte was Prügel wären?
29 * Es lautet in dem Originale ein wenig anders, ich muß te aber nothwendig davon abgehen, weil wir im Deut schen kein Wort haben, das zugleich einen Wiedehopf und eine Spitzhacke bedeute, wie das lateinische Vpupa ist. Ich habe dergleichen Abweichungen noch hin und wieder gemacht, ohne sie angemerkt zu haben; denn es ist meine Absicht nicht, daß man alle Worte des Plautus aus meiner Uebersetzung soll verstehen lernen; ich habe sie bloß gemacht, damit die komischenSchönheiten dessel ben unter uns ein wenig bekannter würden.

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