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Römische Historie von Erbauung Der Stadt Rom, Bis auf die Schlacht bey Actium, oder das Ende der Republick;

aus dem Französischen des Herrn Rollins, ins Deutsche übersetzt.

Sechster Theil.

Mit Rön. Poln. und Churfl. Sächs. allergn.Privil.

------------------------------------------------------------ Leipzig und Danzig, bey Johann Heinrich Rüdiger,

1752.

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Fortsetzung der Römischen Geschichte.

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Achtzehendes Buch.

DiesesBuchenthält die Geschichte der drey Jahre 542. 543. 544; und insbesondere unterschiedene Treffen des Marcellus mit dem Hannibal, die Einnahme Tarents durch den Fa bius, die erlangten Vortheile des Sci pio in Spanien, den Tod des Marcel lus, den Zug des Asdrubals nach Jtali en, und die gänzliche Niederlage dieses Generals durch die zwey Consuls, Livius und Nero.

§. I

Marcellus nimt einige Städte in dem Samniti schen Gebiete ein. Fulvius bleibt in einem Tref=
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fen, welches er gegen den Hannibal bey Herdon nea verliert. Treffen zwischen dem Marcellus und Hannibal, doch ohne entscheidende Vorthei le. Entdeckte VerschwöruugVerschwörung der Campanier. Die Citadelle von Tarent wird aufs neue mit Lebensmitteln versehen. Gesandten des Syphax nach Rom, und der Römer an den Syphax. Gesandschafft an den König von Egypten. Die Römische Flotte verwüstet Africa. Streit we gen des Dictators. Neuer Streit zwischen dem Dictator und den Tribunen. Lälius kömmt in Rom an. Austheilung der Provinzen. Vale rius Flaccus wird zum Priester des Jupiters ernennet, ändert seine Sitten, und stellet ein mit seinem Amte verbundenes Privilegium wieder her. Klage der Römischen Colonien. Zwölfe darvon weigern sich ihr Antheil abzutragen. Die Consuls geben ihnen hefftige Verweise. Die 18 andern Colonien thun ihre Schuldigkeit mit Freuden. Man greifft bey dringender Noth den heimlichen Schatz an. Man ernennt Censors. Sie üben ihr Amt mit gerechter Strenge aus.

Marcus Claudius Marcellus, zum vierdtenmale. Marcus Valerius Levinus, zum zweytenmale.

(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G. Marcellus nimt einige Städte in dem Samni tischen Ge biete ein. Livius. XXVII. 1.) Die Spanischen Angelegenheiten haben gemacht, daß wir die Jtalienischen auf einige Zeit aus dem Gesichte verlohren haben. Nachdem, wie wir erzählt haben, der Consul Marcellus sich durch ein Verständniß Meister von Salapia ge
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macht hatte, so nahm er Males und Maro(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) nea in dem Samnitischen Gebiete mit Ge walt ein. Er überfiel 3000 Mann, welche Hannibal daselbst zur Besatzung gelassen hat te, und überließ seinen Soldaten die Beute, welche gantz ansehnlich war. Er fand auch daselbst 240 tausend Scheffel Weitzen, und 110 tausend Scheffel Gerste. Diese Vortheile machten ihm nicht so viel( Fulvius bleibt in ei nem Treffen, welches er ge gen den Hannibal bey Herdon nea verlieret. Livius ebendaselbst.) Freude, als er Verdruß wegen des Ver lusts empfand, welchen die Republick einige Tage nachher bey Herdonnea erlitt; einem recht unglücklichen Orte für die Römer, die zwey Jahre vorher eben daselbst von dem Hannibal waren geschlagen worden. Der Proconsul Cn. Fulvius, der einerley Vornah men und Zunahmen mit dem Prätor führte, welcher in dem jetzt gedachten Treffen war ü berwunden worden, hatte sein Lager nahe bey Herdonnea aufgeschlagen, in der Hofnung, die se Stadt, welche nach der Schlacht bey Cannä von den Römern abgefallen war, wieder zu gewinnen. Hannibal bekam Nach richt, daß der Proconsul wenig auf seiner Hut sey, er zog also mit solcher Geschwindig keit auf Herdonnea zu, daß ihn die Römer ankommen sahen, ehe sie noch das geringste von seinem Zuge erfuhren. Er bot ihnen das Treffen an, welches Fulvius voller Kühnheit und Vertrauen auf sich selbst, ohne sich lan ge zu bedenken, annahm. Der Streit ward hitzig, und der Sieg blieb lange Zeit unent schieden. Da der Kampf am feurigsten war,
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(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) trennte Hannibal seine Reuterey darvon, wo von der eine Theil auf das Lager der Feinde, und der andre denen, welche mit denen Car thaginensern im Handgemenge waren, in Rü cken fallen mußte. Nun sahen sich die Rö mer zwischen zwey Feinden, und wurden leicht in Unordnung gebracht. Einige nahmen of fenbar die Flucht, und die andern wurden, nach vergebner Mühe sich zu vertheidigen, nie dergemacht. Cn. Fulvius selbst blieb, nebst eilf Tribunen, auf dem Platze. Es kamen in dieser Schlacht nach einigen 7000, nach an dern 13000 um. Der Sieger bemächtigte sich des Lagers und aller Beute. (Marcellus und Hanni bal greiffen einander an. Livius XXVII. 2.) Marcellus schrieb, ohne über diesen Ver lust sehr erschrocken zu seyn, an den Rath, ihm das Unglück des Proconsuls und der Ar mee, welche bey Herdonnea geblieben, zu be richten. Er that ihm zu wissen, „daß er gegen den Hannibal anrückte, und daß er, da er nach der Schlacht bey Cannä seinen Stolz über einen so vollkommnen Sieg nie derzuschlagen gewußt hätte, ihm auch schon seine Freude über diesen Vortheil verderben wolle.“ Er suchte auch in der That den Hannibal auf, und bot ihm das Treffen an. Der Kampf war hitzig und anhaltend, und der Vortheil auf beyden Seiten bey nahe gleich. Unterdessen zog sich doch Hannibal die Nacht zurück, der Consul aber rückte ihm nach, und hohlte ihn in Apulien nahe bey Ve nusia ein. Hier vergiengen unterschiedene Tage mit kleinen Anfällen, worinne meisten
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theils die Römer siegten, die aber nichts we(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) niger als ordentliche Schlachten waren. Hannibal zog sich allezeit die Nacht zurück, und suchte seinen Feind in die Falle zu locken: allein Marcellus verfolgte ihn nur den Tag über, nachdem er die Gegend sorgfältig hat te auskundschafften lassen. Unterdessen entdeckte Q. Fulvius Flaccus,(Entdeckte Verschwö rung der Campanier. Livius XXVII. 3.) welcher noch immer in Capua unter dem Tit tel eines Proconsuls commandirte, eine neue von den Campaniern angesponnene Ver schwörung. Aus Furcht, der allzuannehmliche Aufenthalt in dieser Stadt möchte seine Sol daten, wie des Hannibals seine, weichlich machen, hatte er seine Trupen aus der Stadt gezogen, und hatte sie genöthiget, sich selbst ausserhalb den Mauern Kasernen zu bauen. Diese Kasernen waren gröstentheils aus in einander geflochtenen Aesten, aus Bretern, oder aus Rohrschilf aufgeführt, und mit Stroh bedeckt; alles sehr verbrennliche Sa chen. Hundert und siebzig Campanier hat ten sich auf Anhalten zweyer Brüder, aus der Familie der Blosier, welche eine von den ansehnlichsten in der Stadt war, verschworen, alles in einer einzigen Nacht zu verbrennen. Da aber die Zusammenverschwörung selbst durch die Sklaven der Blosier entdeckt ward, so ließ der Proconsul sogleich die Thore der Stadt sperren, seine Soldaten zu den Waf fen greiffen, und alle Mitschuldigen einziehen. Sie wurden mit vieler Strenge verhört, und zum Tode verdammet, welches Urtheil auch
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(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) alsobald vollzogen wurde. Den Angebern gab man die Freyheit, und jeden von ihnen zehn tausend Sestertien. Mitten unter den glücklichen und unglück (Man ver forgtver sorgt die Ci tadelle von Tarent aufs neue mit Lebensmit teln.) lichen Begebenheiten, welche die Aufmerksam keit der Römer auf sich zogen, vergaß man gleichwohl nicht die Citadelle zu Tarent. Man schickte den M. Ogulnius und P. Aqui lius nach Aetolien Getreide aufzukaufen, und es zur See nach Tarent bringen zu lassen. Mit diesem Proviante gingen zugleich tausend Mann, halb Römer, und halb Bundsgenos sen, welche man von der Stadtarmee ge nommen hatte, und die Besatzung der Cita delle zu Tarent verstärken sollten. (Valerius wird aus Si eilien nach Rom geruf fen, in den Versam̄lun gen den Vor sitz zu haben. Livius XXVII. 4.) Der Feldzug ging nunmehr zu Ende, und die Zeit den Magistrat zu erwählen, nahete sich. Weil aber Marcellus an den Rath schrieb, daß er gegenwärtig beschäfftiget wäre, den Hannibal, welcher vor ihm flöhe und das Treffen ausschlüge, zu verfolgen, und daß es höchst nothwendig wäre, ihn nicht aus dem Gesichte zu verlieren; so wußte der Rath nicht, was er thun solle. Denn auf der ei nen Seite hielten sie es nicht für rathsam, die kriegrischen Unternehmungen des Consuls zu unterbrechen, wenn sie ihn zu einer Zeit nach Rom kommen liessen, da er am nöthigsten bey der Armee wäre; auf der andern Seite mußten sie befürchten, die Republick möchte künfftiges Jahr gar ohne Bürgemeister seyn. Das beste, glaubten sie, würde seyn, wann sie den Consul Valerius, ob er gleich in Si
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cilien war, und also über das Meer setzen(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) mußte, nach Rom rufften. Der Prätor L. Manlius schrieb ihm also auf Befehl des Senats, und schickte ihm die Briefe des Mar cellus, damit er daraus ersähe, warum er vielmehr ihn, als seinen Collegen zurückbe ruffte. Fast um eben diese Zeit kamen zu Rom Ge(Gesandte des Syphax nach Rom.) sandten von dem Könige Syphax an, die Vortheile zu berichten, welche dieser Prinz in dem Kriege wider die Carthaginenser dar von getragen hatte. „Sie versicherten, daß die Carthaginenser keinen grössern Feind, und die Römer keinen bessern Freund als den Syphax hätten. Daß er schon Gesandte nach Spanien an die zwey Scipionen ge schickt habe. Daß er sich nunmehr an die Quelle selbst, an die Hauptstadt des Reichs wende, die Römer um ihre Freundschafft zu ersuchen.“ Dem Rath(Gesandte an den Syphax.) war es nicht genug, dem Syphax eine sehr verbindliche Antwort zu geben; sondern er er nennte auch den L. Genucius, P. Petelius und P. Popilius zu Abgeordneten, welche, bey der Rückreise der Gesandten des Sy phax, mir ihnen nebst Geschenken solten abge schickt werden. Diese Geschenke bestanden in einer Römischen Toge, in einem Purpur rocke, einem Stuhl von Helfenbein, und ei ner güldenen Schaale von drey Pfund. (7 Mark {6{1-2}} Unze) Die Gesandten hatten Befehl bey dieser Gelegenheit auch die an dern kleinen Könige in Africa zu besuchen,
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(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. n. C. G.) und ihnen mit Purpur bekrönte Röcke und güldene dreypfündige Schaalen (von 4 Mark {5{1-2}} Unze) als Geschenke des Raths zu überreichen. (Gesandt schafft an den König in Egypten.) Man sonderte gleichfalls den M. Attilius und Manius Acilius nach Alexandrien an den Ptolomäus(Philopator) und die Kleo patra, welche damals regierten, ab. Sie sollten das Bündniß und die Freundschafft erneuern, in welchen die Republick mit den Königen von Egypten gestanden, und ihnen Geschenke überbringen; dem Könige eine To ge, einen Unterrock von Purpur, nebst einem helfenbeinern Stuhle; der Königin ein ge sticktes Kleid und einen Schleier von Pur pur. (Valerius köm̄t nach Rom zurück, und legt von den Umstän den in Sici lien Rechen schafft ab. Livius XXVII. 5.) M. Valerius reisete, den Briefen seines Collegen und den Befehlen des Senats ge mäß mit zehn Galeren von Sicilien nach Rom ab, und überließ die Regierung der Provinz und der Armee dem Prätor Cinci us, den M. Valerius Messala aber schickte er mit den übrigen Schiffen als General der Flotte nach Africa, so wohl das feindliche Land zu verwüsten, als auch die Bewegun gen und das Vorhaben der Carthaginen ser auszuspähen. Er selbst, so bald als er in Rom ankam, versammelte den Senat, und gab ihm von dem, was er in Sicilien ge than, Rechenschafft. Er sagte, „daß er, nach einem beynahe so jährigen Kriege, in wel chem man offt zu Wasser und zu Lande ansehnlichen Verlust erlitten hatte, diese Jn
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sul endlich völlig unter die Römische Ge(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) walt gebracht habe: Daß kein einziger Car thaginenser daselbst mehr übrig wäre, daß alle Sicilianer, welche aus Furcht ihr Vater land verlassen hatten, in ihre Städte und Dörfer zurückgekommen wären, und nun mehr das Land bauten. Daß sich diese Jn sul, welche so lange Zeit durch den Krieg wäre verwüstet worden, wieder glücklich bevöl kert sähe, und sich durch die Wiederher stellung des Landbaus im Stande befände, nicht allein seine Einwohner zu ernähren, sondern auch so wohl in Friedens als Krie ges Zeiten, dem Römischen Volke in Ueber fluß Lebensmittel zukommen zu lassen.“ Man ließ hierauf den Mutines, und die andern, die sich, wie er, um den Rath verdient gemacht hatten, in den Senat; und gestand ihnen alle Ehrenbezeugungen und ihren Ver diensten gemässe Belohnungen, wie es der Consul versprochen hatte, zu. Man machte so gar den Mutines, Krafft eines Gesetzes, welches ein Tribun des Volcks vorschlug, und durch einen Rathschluß bestätiget wur de, zum Römischen Bürger. Unterdessen, als dieses in Rom vorging,(Die Römi sche Flotte verwüstet A frica. Livius XXVII. 5.) wagte M. Valerius Messala, welcher vor Tage mit 50 Schiffen sich Africa genähert hatte, eine Landung auf das Uticensische Ge biete, wo die Einwohner sich nichts weni ger als dergleichen Feindseeligkeiten versahen. Nachdem er das Land umher verwüstet hat te, kehrte er, mit einer grossen Anzahl von
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(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) Gefangenen, und mit reicher Beute, in seine Schiffe zurück, und schiffte so gleich wieder nach Sicilien, wo er in dem Hafen von Lily bäum einlief, nachdem er nicht mehr als 13 Tage mit dieser Unternehmung zugebracht hatte. Er erkundigte sich nunmehro bey sei nen Gefangenen, wie die Sachen in Africa stünden, damit er dem Consul davon Bericht geben könne. Er erfuhr, „daß 5000 Nu midier zu Carthago wären, welche von dem Masinisse, dem Sohne des Gala, einem Prinzen von ungemeiner Tapferkeit, ange führet würden, daß man aus gantz Africa noch mehr Trupen in Sold nähme, welche zu dem Asdrubal nach Spanien sollten ge schickt werden; und daß dieser Befehl erhal ten habe, auf das ehste nach Jtalien mit so viel Mannschafft, als es möglich wäre, zu rucken, und sich daselbst mit seinem Bruder dem Hannibal zu verbinden. Daß die Carthaginenser alle ihre Hofnung auf diese Verbindung setzten; und daß sie ausserdem eine grosse Flotte ausrüsteten, Sicilien wie der einzunehmen, welche auch, wie man glaubte, unverzüglich abgehen würde.“ (Streitigkeit wegen des Dictators.) Als der Consul M. Valerius den Brief des Messala, welcher von allen diesen Umstän den Nachricht gab, abgelesen hatte, wurden die Rathsglieder wegen dieser Zurüstungen des Feindes so erschrocken, daß sie glaubten, der Consul könne nicht bis zur Wahlzeit war ten, sondern er müsse einen Dictator erwäh len, welcher den Vorsitz haben solle, selbst
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aber so gleich wieder in seine Provinz zurück(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) kehren. Eine Schwierigkeit hielt sie auf. Der Consul erklärte sich, daß er, so bald er wieder in Sicilien wäre, den M. Valerius Messala, welcher vorjetzo die Flotte com mandirte, zum Dictator ernennen wolle. Allein die Rathsglieder behaupteten, daß der Dictator nothwendig auf Römischen Boden müsse ernennet werden, und daß dieser sich nicht ausser den Grenzen von Jtalien erstreck te. Nach unterschiedenen Streitigkeiten be fahl das Volk, nach Abrede mit dem Senat, daß man den Q. Fulvius Flaccus, welcher in Capua war, zum Dictator erwählen solle. Der Consul kam dieser Versammlung des Volks zuvor, und ging die Nacht vorher heimlich nach Sicilien wieder zurück. Die Rathsglieder wurden über seine Flucht be stürzt, und schrieben an den Consul Marcel lus, daß er der von seinem Collegen verlasse nen Republick zu Hülfe kommen, und den, welchen das Volk verlangen würde, zum Dictator ernennen wolle. Marcellus ernenn te also den Q. Fulvius, und dieser ernennte den Oberpriester P. Licinius Crassus zum General der Reuterey. Als man zur Wahl der Consuls schreiten(Neuer Streit zwi schen dem Dictator u. Tribunen. Livius XXVII. 6.) wollte, so äusserte sich eine neue Schwierig keit. Die Centuria Juniorum, Galeria, wel cher die erste Wahlstimme durch das Looß zugefallen war, ernannte den Q. Fulvius, welcher ietzo Dictator war, und den Q. Fa bius, zu Consuls, womit auch die übrigen Cen
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(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) turien übereinzustimmen schienen. Allein die Tribunen des Volks setzten sich darwieder, und behaupteten, daß man den, welcher jetzo Dictator wäre, nicht zum Consul ernennen könne, weil er nicht ohne Zwischenzeit aus ei ner Bedienung in die andre treten dürfe, und weil es wider allen Wohlstand wäre, den, welcher bey der Consulwahl den Vorsitz ha be, selbst zum Consul zu machen. Nach ei nem langen Streite wurden endlich der Di ctator und die Tribunen einig, es auf den Senat ankommen zu lassen. Weil man schon Beyspiele von einer solchen Wahl auf weisen konnte, und es übrigens höchst nöthig war, daß man die geschicktesten und erfah rensten Generals an die Spitze der Armeen stellte; so hielt der Rath dafür, daß man der Wahlfreyheit keine Hindernisse im Weg legen müsse. Als die Tribune diesen Grün den nachgaben, so folgte die Versammlung ihrem Entwurfe. Q. Fabius Maximus wurde zum fünfftenmale, und Q. Fulvius Flaccus zum viertenmale zu Consuls ernennt. Hierauf erwählte man den L. Veturius Phi lo, den T. Quintius Crispinus, den C. Ho stilius Tubulus, und den C. Arunculejus zu Prätors. Gegen das Ende dieses Feldzugs gieng ei ne Carthaginensische Flotte, welche aus 40 Schiffen bestand und von dem Amilcar ge führet wurde, nach Sardinien, und that ei ne Landung auf das Gebiete der Olibienser. Weil sich aber der Prätor P. Manlius Vol
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so den Feinden zeigte, so gingen sie wieder zu(d. 542. J. n. R. E. d. 210. J. v. C. G.) Schiffe, umfuhren die Jnsul, und verwüste ten auf der andern Seiten das Karalitani sche Gebiete, worauf sie wieder, mit ansehn licher Beute, nach Africa zurück segelten. Fast zu eben der Zeit kam C. Lälius in(Lälius köm̄t in Rom an.) Rom an, 34 Tage nachher, als er von Tar ragona abgereiset war. Er zog mit seinen Ge fangenen in die Stadt, um welche ein gros ser Zulauf des Volks ward. Es waren ihrer zwar nur 15 oder 16, allein Leute von Stande. Als er den Tag darauf in den Se nat geführet wurde, erzehlte er des Scipio Verrichtungen in Spanien, „daß er in einem Tage die Hauptstadt der ganzen Provinz Karthagena eingenommen habe; daß er un terschiedene abgefallene Oerter wieder un terwürfig gemacht, und andre auf die Sei te der Römer gezogen habe.“ Die Nach richten der Gefangenen stimmten mit dem, was M. Valerius Messala geschrieben hatte, überein. Das, was die Rathsglieder am meisten in Bestürzung setzte, war der Uber gang des Asdrubals in Jtalien, zu einer Zeit, da sie Mühe genug hatten, dem Hannibal allei ne zu widerstehen. Lälius ward hierauf auch dem Volke vorgestellt, welchem er gleich Be richt abstattete. Man verordnete ein Dank fest auf einige Tage, wegen des glücklichen Fortgangs, welchen Scipio gehabt hatte; Lälius aber ward eiligst mit eben den Schif fen, mit welchen er gekommen war, nach Spanien zurück gesendet.
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.)

Q. Fabius Maximus, zum fünftenmale. Q. Fulvius Flaccus, zum vierdtenmale.

(Austheilung der Provin zen. Liv.XXVII. 7.) Diese zwey Consuls traten, wie gewöhn lich, ihr Amt Idibus Martiis, oder den 15 die ses Monats an. Beyden wurde Jtalien, als ihre Provinz anvertrauet. Fabius bekam die Seite von Tarent, und Flaccus Lucani en und Brutium. Dem Marcellus wurde das Commando auf ein Jahr verlängert. Crispinus wurde nach Capua, C. Auruncu lejus nach Sardinien, L. Veturius nach A riminium gesandt. M. Valerius und L. Cin cius aber blieben in Sicilien. Mit den Spa nischen Armeen und mit den Generals mach te man keine Veränderungen, ausser, daß man dem Scipio und Silanus das Com mando nicht auf ein Jahr, sondern auf eine so lange Zeit, als es der Rath für gut befin den würde, verlängerte. C. Mamilius Vitu lus, der vornehmste aus dem Volke, wurde der oberste Curio. (*) (Valerius Flaccus wird Priester des Jupiters, än dert seine Sit ten, und stel let ein mit seinem Amte verbundenes Privilegium wieder her. Livius XXVII. 8.) Zu eben dieser Zeit brachte der oberste Priester P. Licinius den C. Valerius Flaccus dahin, daß er sich, wider seinen Willen, zum Priester des Jupiters muste einweihen lassen. Die Begebenheit ist sehr sonderbar. Dieser 1
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Flaccus hatte sich in seiner Jugend durch sein(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) unordentliches und wollüstiges Leben berüch tigt gemacht. Durch seine Laster war er sei nem Bruder dem L. Flaccus und allen seinen übrigen Anverwandten verhaßt geworden. Gleichwohl gab Licinius, welcher ohne Zwei fel ein Freund seiner Familie war, nicht alle Hofnung auf, ihn wieder auf gute Wege zu bringen. Er stellte ihm vor, was es für ein Unglück für ihn sey, daß er seine ganze Fa milie so betrübte und beschimpfte. Er gab ihm zu verstehen, daß das einzige sichre Mit tel, seinen guten Namen wiederherzustellen, dieses sey, wenn er das Amt eines Priesters des Jupiters annehme, und demselben so vorstünde, daß seine kluge Aufführung alle Fehler seines vergangenen Lebens bedeckte, und aus dem Gedächtnisse brächte. Der junge Mensch glaubte es, und bequemte sich nach seinem Rathe. Er fing also an, sich einzig mit der Wissenschafft der geistlichen Gebräuche, mit der Besorgung der Opfer, und des Gottesdiensts zu beschäfftigen, und sagte seinen übeln Sitten so ab, daß keiner von den Römischen Jünglingen von den Vornehmsten des Senats mehr hochgeschä tzet und von seiner Familie mehr geliebet wurde. Es ist wahr, es ist ein grosser Verdruß für Eltern, und das empfindlichste Unglück, welches ihnen zustossen kan, wenn sie sehen müssen, daß sich ihre Kinder von den Wegen ihrer Pflicht entfernen, und in ein unordent=
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) liches Leben verfallen. Die erzehlte Bege benheit aber kan ihnen einen sehr wichtigen Unterricht ertheilen, daß sie nemlich einen Unterschied machen müssen (*) unter Fehlern, welche von der Lebhafftigkeit des Alters her kommen, und zu bessern stehen, und solchen, welche aus einem in übeln Neigungen ver härtetem Gemüthe entspringen, und also unverbesserlich sind; daß sie an der Bekehrung ihrer Kinder nicht verzweifeln müssen; daß sie sie durch gütige Vorstellungen darzu vor bereiten, keine übertriebene Drohungen aber, nach dem Weg der Strenge, welcher zu nichts dient, als sie zu erbittern, und ihre Leiden schafften zu reitzen, anwenden sollen; und daß sie endlich, welches Mittel nirgends als in dem Christenthume anzutreffen ist, durch ihre eigne Aufführung den, welcher die ober ste Gewalt über die Herzen hat, dahin zu bringen haben, daß er das Herz ihrer Kin der ändere. Dieser junge Mensch, von dem wir reden, erwarb sich mit der Zeit ein so grosses Anse hen wegen seiner Frömmigkeit und Klugheit, daß er sich für geschickt hielt, sich wieder in den Besitz einer Freyheit zu setzen, welches ehedem mit seinem Amte verbunden war, und dessen sich seine Vorgänger durch ihre Unwürdigkeit verlustig gemacht hatten. Die 2
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se Freyheit bestand darinne, daß er das(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Recht hatte, in den Rath zu gehen. Er stellte sich auch würcklich, dieses Recht zu er neuern, daselbst ein. Der Prätor L. Licinius befahl ihm heraus zu gehen, allein er ruffte die Tribunen zu Hülfe. Er behauptete, es sey eine Freyheit, welche man, von langen Zeiten her, den Priestern des Jupiters, nebst dem mit Purpur verbrämten Toga, und dem curulischen Stuhle, zugleich zugestanden habe. Der Prätor gegentheils behauptete, daß man ein gleiches Recht, nicht auf ver jährte Beyspiele, die man aus den Finster nissen eines unbekannten Alterthums hervor suche, sondern auf einen beständigen und un terbrochenen Gebrauch gründen müsse; und versicherte, es habe niemals ein Priester des Jupiters, weder zu ihrer Väter noch zu ih rer Großväter Zeiten, seit undenklichen Jah ren her, dieses Vorrecht genossen. Die Tribunen aber antworteten, daß die üble Aufführung der vorigen Priester wohl ihrer Person, aber nicht ihrem Amte hätte nach theilig seyn können. Der Prätor setzte sich also nicht weiter darwider, und Flaccus ward mit allgemeiner Bewilligung des Se nats und des Volks in dem Rathe gelassen: obgleich jederman urtheilte, daß er diesen Vorzug mehr der Reinigkeit seiner Sitten, als dem Rechte seines Standes zu verdanken habe. Ein unvermutheter Aufstand verursachte(Klagen und Murren der Römischen) in eben dem Jahre eine nicht geringe Bewe
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) gung in Rom, welcher in der That üble Fol gen hätte haben können. Die Lateiner und Bundesgenossen beklagten sich öffentlich in ihren Versammlungen: „Daß man durch (Colonien. Livius XXVII. 9.) die Werbungen und Gelderpressungen, mit welchen sie nun seit zehn Jahren be schweret würden, ihre Familien und ihr Vermögen erschöpft habe. Daß kein Feldzug vorbey gegangen sey, der nicht durch eine grosse Niederlage sey merkwür dig geworden. Daß die Schlachten und Krankheiten sie aller Einwohner beraub ten. Daß die, welche von den Römern angeworben würden, für verlohrner zu schä tzen wären, als die, welche der Feind ge fangen nehme: Denn Hannibal schicke sie ohne Auslösung wieder in ihr Land, die Rö mer aber verschickten sie weit von Jtalien, in Länder, wo sie als Vertriebene, und nicht als Soldaten, leben müßten. Daß die Cannensischen Soldaten in Sicilien einen Schimpf erdulden müßten, der sich nur mit ihrem Leben enden würde, weil die Cartha ginenser, deren Vertreibung sie einzig be freyen könne, jetzo stärker und fürchterli cher als jemals wären. Daß, wenn man ihnen ihre alten Soldaten nicht wieder zu rück schicke, und gleichwohl fortführe neue von ihnen zu erpressen, sie bald keinen Mann mehr behalten würden. Daß sie also, ehe sie sich alles Vermögens und aller Mann schafft begeben wollten, entschlossen wären, dem Römischen Volke ihre Hülfe zu versa
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gen, da sie ohnedem im kurzen die Noth(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) ausser Stand setzen würde, ihm beyzuste hen. Daß, wenn die Römer sehen sollten, daß alle Bundsgenossen dieser Meynung wären, sie ohnfehlbar auf den Frieden mit den Carthaginensern denken würden. Daß Jtalien sonst nimmermehr ruhig seyn wür de, so lange als Hannibal lebte.“ Dieses ging in den Versammlungen der Bunds genossen vor. Dreyßig Römische Colonien hatten ihre Abgeordneten in Rom. Und von diesen dreyßig, sagten zwölfe den Consuls frey her aus, daß sie ihnen weder Geld noch Mann schafft lieffern könnten. Die Consuls wur den durch eine so nachtheilige als unerhörte Erklärung bestürzt. Sie glaubten aber doch, daß sie, einen solchen gefährlichen Vorsatz zu hintertreiben, eher Verweise, als Gelindig keit, welche sie nur trotziger machen wür de, anwenden müßten. Sie antworteten ihnen also: „Sie wären verwegen genug, daß sie den Consuls einen Vorschlag thä ten, welchen sich die Consuls selbst im Rathe zu wiederhohlen nicht unterstehen würden. Daß ihre Rede, nicht als eine blosse Wei gerung, das ihre zur Unterhaltung des Kriegs beyzutragen, sondern als ein würk licher Aufstand gegen das Römische Volk anzusehen wäre. Sie möchten also nur schleinigst in ihre Colonien zurückkehren, und mit ihren Mitbürgern aufs neue zu Rathe gehen, damit man glauben könne,
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) daß ein so straffbarer Vorsatz mehr in ih rem Munde, als in ihrem Herzen gewesen wäre. Sie sollten ihnen vorstellen, daß sie weder Campaner, noch Tarentiner, sondern Römer wären. Daß ihre Väter in Rom gebohren, und daß man sie nur verschickt habe, der Feinde abgenommene Länder zu bewohnen, damit der Römische Nahme auf diese Art ausgebreitet würde. Daß sie das Rom schuldig wären, was Kindern Eltern schuldig sind, und daß sie selbst nicht anders denken könnten, sie müßten denn alle Empfindung einer gerechten Dankbar keit in sich erstickt haben. Wie schon ge sagt, sie sollten die Sache noch einmal ü berlegen, und bedenken, daß die Rede, die ihnen eben jetzo entfahren, auf nichts gerin gers abzielte, als das Römische Reich zu zerstören, und dem Hannibal den Sieg in die Hände zu spielen.“ Die Consuls thaten Wechselsweise noch andre Vorstellungen, die Abgeordneten auf den rechten Weg zu bringen. Allein sie wa ren gegen alles unempfindlich, und antwor teten: „Daß sie von Seiten der Römer, von welchen sie abgeschickt wären, keine Ge genvorstellungen zu thun hätten: und daß es gar nicht nöthig wäre, über eine entschie dene Sache noch einmal zu Rathe zu gehen, weil sie weder Mannschafft noch Geld lie fern könnten.“ Da die Consuls sahen, daß sie unbeweglich waren, so statteten sie dem Senat davon Bericht ab. Diese Nach
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richt setzte alle in eine so grosse Bestürzung,(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) daß viele schrien: „es ist um die Republic geschehen! Die andern Colonien würden diesem verderblichen Beyspiele folgen, und ohne Zweiffel hätten alle Bundsgenossen sich verschworen, die Stadt Rom dem Hannibal zu überlieffern.“ Die Consuls ermahnten die Rathsglieder, Muth zu fassen, und trösteten sie mit der Hofnung, daß sich die übrigen Colonien wür den treuer finden lassen. Sie fügten hinzu, „daß selbst die, die jetzo ihre Pflicht aus den Augen gesetzt hätten, wieder darzu könten gebracht werden; und daß, wenn der Se nat Abgesandte an sie schickte, welche keine Bitten, sondern ihr Ansehen Gebrauchen sollten, sie aufs neue schon Furcht und Ehr erbietung für das Römische Reich bekom men würden.“ Der Senat verließ sich auf ihre Klugheit,(Die 18. an dern Colo nien thun ih re Schuldig keit mit Ver gnügen. Livius XXVII. 10.) und gab ihnen Gewalt alles zu thun, was sie der Republick für zuträglich hielten. Nach dem sie also die Gesinnungen der übrigen Co lonien ausgeforscht, so fragten sie ihre Abge ordneten, ob sie der Republick ihren Antheil abzutragen Willens wären? Hierauf ant wortete M. Sextilius, der Abgeordnete der Fregellaner, im Nahmen aller: „daß die Sol daten, welche sie zu liefern schuldig wären, bereit stünden: daß sie so gar, wenn es seyn müßte, eine grössere Anzahl stellen wollten; und daß sie über dieses alles mit Vergnü
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) gen und Eyfer verrichten wollten, was ih nen das Römische Volck zu befehlen für nöthig finden würde. Die Mittel darzu fehlten ihnen nicht, und noch weniger der Wille.“ Die Consuls lobten ihren Eyfer und ihre Treue sehr, und fügten hinzu, „ein solch groß müthiges Anerbieten, verdiene den Dank des ganzen Senats.“ Sie führten sie also hinein. Dem Senat war es nicht genug, ihnen durch ein in sehr rühmlichen Ausdrü ckungen verfaßtes Decret zu antworten, er trug überdas den Consuls auf, sie in der Versammlung des Volks vorzustellen, und alle Dienste, welche sie bey unterschiedenen Gelegenheiten dem Staat geleistet, besonders diesen letzten, als den vorzüglichsten, zu prei sen. Jch sollte nicht glauben, daß man die se Erzehlung, obgleich so viele Jahrhunderte hernach, lesen könne, ohne von der Treue und Großmuth dieser Völker empfindlichge rühret zu werden. Es ist also nicht zu ver wundern, daß Livius, welcher so eyfrig für die Römische Ehre war, seine Freude, seine Bewunderung, und Erkennlichkeit in Anse hung dieser Colonien bezeugt. Er glaubte ihnen (*) die schuldige Gerechtigkeit und Eh re zu entziehen, wann er eine so ausnehmen 3
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de Handlung mit Stillschweigen übergehen(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) sollte, und meinte als ein Römer und Ge schichtsschreiber gedoppelt verbunden zu seyn, es auf die Nachwelt zu bringen, und auf ge wisse Art die Nahmen dieser 18 Colonien zu heiligen, von welchen man behaupten kan, daß ihr Eyfer das Römische Reich erhielt. Er hat sie auch alle am angeführten Orte aufbehalten. Jn Ansehung der andern 12 Colonien be fahl der Rath den Consuls, sie in völliger Vergessenheit zu lassen, weder ihren Abge ordneten den Abschied zu ertheilen, noch sie in Rom zu behalten, noch im geringsten mit ihnen zu sprechen. (*) Dieses SillschweigenStillschweigen, womit man ihre abschlägliche Antwort zu bestrafen schien, war dem Ansehn des Römi schen Volks weit anständiger, als alles Ver fahren, dessen sie sonst gegen sie wären be rechtiget gewesen. Unter andern Mitteln, welche die Consuls anwendeten, den Krieg fortzusetzen, war auch dieses, daß sie den verborgnen Schatz, wel cher mit vieler Sorgfalt bewahret wurde, und die letzte Zuflucht in der äusersten Noth war, angriffen. Man nahm ungefehr 4000 Pfund Gold (**) daraus; (oder 6250 4 5
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Mark) wovon die zwey Consuls, die Pro consuls, der M. Marcellus und P. Sulpici us, und der Prätor L. Veturius, dem Gal lien durchs Loos zugefallen war, jeder 500 Pfund (oder 581. Mark 2 Unzen) bekamen. Der Consul Fabius aber empfing 100 Pfund (oder 156 Mark 2 Unzen) mehr, welche in die Citadelle von Tarent sollten gebracht wer den. Das übrige wurde zur baaren Bezah lung der Kleidung angewandt, die man für die Armee in Spanien, welche sich nebst ih rem General so viel Ruhm erwarb, machen ließ. (Man er wählt Cen sors. Livius XXVII. 11.) Hierauf hielt Fulvius die Versammlun gen zur Erwählung der Censors. Man er nannte zu diesem Amte den M. Cornelius Cethegus, und den P. Sempronius Tudi tanus, welche beyde noch nicht Consuls ge wesen waren. Das Volk gab, mit Bestä tigung des Senats, ein Gesetz, welches den Censors auftrug die Kampanischen Lände reyen, zum Nutzen der Republick, zu ver pachten. (Streitigkeit wegen des Fürsten des Raths.) Unter den beyden Censors äusserte sich ei ne Uneinigkeit, wem sie zum Fürsten des Raths ernennen sollten? Also ward derjenige genannt, der auf der Rolle der Rathsglieder oben an stand, und welches eine sehr grosse Ehre in Rom war. Die Ablesung dieser
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Rolle war dem Sempronius durch das Loos(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) zugefallen; es kam also auch auf ihn an, den Fürsten des Raths zu ernennen. Er hatte sein Auge auf den Q. Fabius Maximus ge richtet. Allein sein Gehülfe Cornelius wi dersetzte sich dieser Wahl. Er behauptete, daß man hierinne bey der alten Gewohnheit bleiben müsse, nach welcher diese Ehre alle zeit dem ältesten Censor zugefallen wäre; und dieses war damals T. Manlius Torquatus. Sempronius antwortete, daß die Götter, von welchen er die Wahl durch das Loos em pfangen habe, ihm zugleich die völlige Frey heit ertheilet hätten: er wolle also den Fabius ernennen, welcher ohne Streit der erste und berühmteste Römische Bürger, selbst nach dem Urtheile des Hannibals, wäre. Cor nelius widersprach noch einige Zeit, endlich willigte er darein. Sempronius ernannte also zum Obersten und Fürsten des Raths den Q. Fabius Maximus, damaligen Con sul. Hierauf ward die Rolle der Rathsglie(Die gerech te Strenge der Censors.) der abgelesen. Man überging achte darvon, welche also heruntergesetzt wurden. Unter diesen war L. Cecilius Metellus, welcher nach der Schlacht bey Cannä den übrigen Offi ciers den niederträchtigen Rath gegeben hat te Jtalien zu verlassen. Auf gleiche Weise machte man es mit den Rittern, die eben die ses Verbrechens schuldig waren, doch waren ihrer sehr wenige. Allen aber, welche in der Schlacht bey Cannä unter der Legion mit
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) gewesen waren, und jetzo in Sicilien dienten, nahm man die Pferde, das ist, man stieß sie aus dem Ritterstande; und dieser Anzahl war stark. Zu dieser Strenge fügte man noch eine andere hinzu, indem man erklärte, daß man die Jahre, welche sie bis jetzo ge dienet, nicht mit rechnen würde, und daß sie noch zehn Feldzüge auf eigne Unkosten thun sollten. Man suchte auch diejenigen auf, welche zu Anfange des Kriegs 17 Jahr ge wesen waren, und also Dienste hätten neh men sollen, keine aber genommen hatten. Sie wurden bis auf die niedrigste Staffel der Bürger heruntergesetzt, und behielten von allen mit dieser Würde verbundenen Rech ten keines, als daß sie in die Rolle derjenigen gesetzt wurden, welche die Onera des Staats tragen mußten. Endlich wurden auch die Censors mit denjenigen einig, welche die Auf bauung der durch das Feuer eingeäscherten Gebäude auf sich nehmen wollten.

§. II.

Fabius rüstet sich, Tarent zu belagern. Marcellus stellet sich bey Canusium dem Hannibal entgegen. Erstes Treffen, mit gleichem Vortheile auf einer wie der andern Seite. Zweytes Treffen, worinne Hannibal die Oberhand behält. Scharfer Ver weiß, den Marcellus seiner Armee giebt. Drittes Treffen, worinne Hannibal überwunden, und in die Flucht geschlagen wird. Verschiedene Städte in Calabrien, und den umliegenden Ge genden, ergeben sich an die Römer. Fabius be lagert Tarent, und bekömmt es durch ein Ver ständniß ein. Er nimmt nicht mehr als eine ein
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zige BildseileBildseule mit weg. Hannibal legt dem Fa(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) bius Netze. Seine List wird entdeckt. Scipio bringt die Spanischen Völker wieder auf Römi sche Seite. Asdrubal und Scipio bemühen sich an einander zu kommen. Jndibilis und Man donius verlassen die Carthaginenser und verbin den sich mit dem Scipio. Schöne Anmerkung des Polybius, wie man sich des Siegs bedienen müsse. Treffen zwischen dem Scipio und Asdru bal. Dieser wird überwunden und in die Flucht geschlagen. Scipio schlägt den Tittel eines Kö nigs, welchen ihn die Spanier antragen, aus. Maßira, ein junger Numidischer Prinz, wird von dem Scipio seinen Eltern ohne Auslösung mit Geschenken zurückgeschickt. Verbindung der 3 Carthaginensischen Generale. Jhr Entschluß.
Nachdem die Consuls alle Angelegenheiten,(Fabius rü stet sich, Ta rent zu bela gern. Livius XXVII. 12.) die sie zu Rom aufhielten, geendiget, so gingen sie zu ihren Armeen ab. Fulvius begab sich zuerst nach Capua. Fabius folg te ihm wenig Tage darauf, nachdem er sei nen Collegen mündlich und den Marcellus in Briefen beschworen hatte, dem Hannibal auf das äusserste zuzusetzen, damit er alle sei ne Kräffte gegen sie wenden müsse, mittler weile er Tarent mit gleicher Hitze angreiffen wolle. Er stellte ihnen die Wichtigkeit dieser Belagerung vor, indem er ihnen zeigte, daß Hannibal, so bald sie ihm diesen Platz ge nommen, keine Freunde noch Bundsgenos sen mehr hätte, von welchen er sich Hülfe versprechen könne, und also unfehlbar würde gezwungen seyn, Jtalien zu verlassen. Er fertigte zu gleicher Zeit einen Curier an den Befehlshaber der Besatzung in Rhegy
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. n. C. G.) um, mit dem Befehle ab, daß er mit seinen Trupen das Gebiete der Brutier verheeren, und alsdann die Stadt (*) Caulonda an greifen solle. Der Befehlshaber kam diesen Vorschrifften mit Fleiß und Eyfer nach. (Marcellus stellt sich bey Kanusium dem Hanni bal. Liv. ebend. Plut. in Marcell. p. 313.) Marcellus, der dem Vorhaben der Con suls sich gemäß bezeigen wollte, und von sich selbst überzeugt war, daß kein Römischer Ge neral fähiger als er wäre, dem Hannibal die Spitze zu bieten, begab sich ins Feld, sobald als das Land genugsame Lebensmittel herge ben konnte, und zeigte sich ihm nahe bey Ka nusium. Hannibal bemühte sich die Einwoh ner dieser Stadt zu einem Aufstande zu be wegen; so bald sich ihm aber Marcellus nä herte, zog er sich zurück. Das Land war überall offen, und also zur Hinterlist wenig geschickt. Er ward also genöthiget, eine an dere waldigte, mit engen Wegen und Anhö hen erfüllte Gegend aufzusuchen. Marcel lus folgte ihm auf dem Fusse, lagerte sich al lezeit ihm ins Gesicht, und stellte sich, so bald er mit dem Lager zu Stande war, in Schlachtordnung. (Erstes Tref fen mit alei chem Vor theile auf ei ner und der andern Sei te.) Hannibal begnügte sich einige kleine Ge schwadre von der Reuterey und der Schleu derer gegen ihn scharmutziren zu lassen, und hielt es nicht für dienlich, ein völliges Treffen zu wagen. Er ward aber doch endlich dar zu genöthiget, so viel Vorsicht er auch dar 6
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gegen brauchte. Denn als er sich in der(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Nacht zurück gezogen hatte, so hohlte ihn Marcellus, der ihn nie aus dem Gesichte verlohr, in einer offenen und ebenen Gegend wieder ein, und weil er seine Arbeiter auf al len Seiten angriff, so verhinderte er ihn sich zu verschanzen. Sie kamen also zum Hand gemenge, und stritten aus allen ihren Kräff ten, bis die anbrechende Nacht sie von ein ander sonderte, ohne daß der Sieg wäre entschieden worden. Sie verschanzten sich hierauf in völliger Geschwindigkeit, ehe es gänzlich dunkel ward, und brachten die Nacht sehr nahe bey einander zu. Den Morgen darauf stellte Marcellus, mit Anbruch des Tages, seine Armee in Schlachtordnung. Hannibal nahm die Aus forderung an, und ehe es zum Angriffe kam, ermahnte er seine Soldaten sich wohl zu hal ten. „Sie sollten an Thrasimen und Can nä gedenken, und den Stolz eines so unbe quemen Feindes, der ihnen nicht einen Au genblick Ruhe liesse, der sie ohn Unterlaß auf ihren Märschen und in ihren Lagern an fiele, und der sie nicht einmahl zu Athem kommen liesse, niederzuschlagen suchen. Sie müßten alle Tage zu gleicher Zeit der Son nen Aufgang und die Schlachtordnung der Römer erblicken. Damit sie aber den Krieg weniger hitzig fortsetzten, so müsse man ihnen aufs neue die Tapferkeit der Carthaginenser empfinden lassen.“ Diese Vorstellungen feuerten sie noch mehr an, da
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) sie ohnedem schon durch den Verdruß über einen Feind, der ihnen ohne Aufhören zusetz te, erhitzt waren; sie fingen also den Streit mit ausserordentlicher Heftigkeit an. Es hat te schon eine Stunde gedauert, als auf Sei ten der Römer der rechte Flügel der Bunds genossen zu weichen anfing. Marcellus ward es gewahr, und ließ alsobald die zwölfte Le gion in das vordre Treffen rucken. Jndem aber jene furchtsam zurück flohen, und diese ihren Platz zu langsam einnahmen, so wurde die ganze Schlacht-Ordnung in Verwirrung gebracht. Die Furcht besiegte die Scham, und alle begaben sich offenbar auf die Flucht. Es blieben in diesem Treffen auf 2200 Mann, theils Bürger, theils Bundsgenossen, worun ter sich auch vier Römische Centuriones und zwey Tribunen der Armee befanden. Der erste Flügel der Bundsgenossen, welcher zuerst gewichen war, verlohr vier, und die Legion, welche an seine Stelle hätte rücken sollen, zwey Fahnen. (Scharfer Verweiß, den Marcellus seiner Armee giebt. Livius XXVII. 13. Plut. im Marcello 313.) Als die Armee wieder in das Lager gerückt war, so gab ihr Marcellus solche lebhaffte und strenge Verweise, daß sie ihr weit em pfindlicher waren, als aller Verdruß, den ganzen Tag mit Nachtheil gestritten zu haben. „Jch danke, sprach er, den unsterblichen Göt tern, so sehr als man ihnen nach einem so schlimmen Erfolge danken kan, daß der sie gende Feind nicht in dem Augenblicke unser Lager angefallen hat, als ihr euch mit so vielen Schrecken zurück zoget. Denn mit
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eben der Furcht, womit ihr das Feld ver(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) liesset, würdet ihr auch das Lager verlassen haben. Woher kommt denn diese Bestür zung? Wie habt ihr in so kurzer Zeit ver gessen können, wer ihr seyd, und wer eure Feinde sind? Sind es nicht eben die, die ihr in dem ganzen vorigen Feldzuge so vielmal überwunden und verfolgt habt? denen ihr noch kürzlich Tag und Nacht zugesetzt habt? und die durch eure beständige Angriffe so sehr sind ermüdet worden? doch ich thue Unrecht, von euch zu begehren, daß ihr eu ren erlangten Ruhm ferner behaupten solt. Jch will euch nur jetzo vorstellen, daß gestern euer Feind gleichen Vortheil mit euch erstrit ten hat. Diese Gleichheit ist keine geringe Schande für euch. Wer hätte aber glauben sollen, daß ihr noch tieffer verfallen könntet, und daß ihr euch einen noch ärgern Schimpf zuziehen würdet? Was für eine Verände rung ist in Tag und Nacht vorgefallen Sind eure Trupen verringert worden? Haben sich die Trupen des Feindes vermehrt? Jch glaube gar nicht mit meinen Soldaten, oder mit Römern zu reden. Jch sehe zwar eben die Leute, eben die Waffen, aber eben die Herzhafftigkeit seh ich nicht. Wenn ihr nicht von euch selbst abgeartet wäret, wür den euch die Carthaginenser haben fliehen sehen? Würden sie einer einzigen Compa gnie, oder einem einzigen Geschwader die Fahnen genommen haben? Bisher konn ten sie sich zwar rühmen, Römische Legio
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) nen niedergehauen zu haben: Heute aber habt ihr ihnen die Ehre verschafft, daß sie Römer vor sich haben fliehen sehen.“ Auf diese Rede erhob die Armee ein allge meines Geschrey. Sie baten den Marcel lus zu vergessen, was diesen Tag vorgegan gen sey, und in Zukunft ihren Muth auf alle ihm gefällige Proben zu setzen. „Gut, sprach er, Morgen gleich will ich euch auf die Pro be setzen. Jch will euch ins Treffen führen; damit ihr eure Verzeihung nicht als Uber wundene bitten dürft, sondern als Sieger fordern könnt.“ Unterdessen befahl er, den Geschwadern, welche ihre Fahnen verlohren hatten, Gerstenbrodt zu geben; die Centurio nes aber, deren Compagnien dieser Schimpf wiederfahren war, mußten eine gewisse Zeit über auf dem grossen Platze im Lager, ohne Gehenke, mit dem blossen Degen in der Hand, stehen. Dieses war eine gewisse militarische Straffe bey den Römern. Ubrigens befahl er, daß, den Morgen drauf, alle, die Reu terey so wohl als das Fußvolk, in Waffen seyn sollten. Nach diesen schmerzlichen Ver weisen ließ er sie von sich, sie mußten aber selbst gestehen, daß er Ursache darzu gehabt habe, und daß diesen Tag über in der gan zen Armee keiner sich als einen Mann und Römer erzeigt habe, als ihr General; und daß sie, wenn er ihren Fehler vergessen sollte, entweder sterben oder siegen müßten. (Drittes Tref fen, worinne Hannibal ü berwunden) Den Tag darauf waren sie alle, nach dem Befehle ihres Generals, in Waffen. Mar
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cellus lobte die Ordnung und Zurüstung,(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) worinne er sie fand, und erklärte, daß er die, welche gestern zuerst geflohen wären, nebst den Geschwadern, die ihre Fahnen verlohren hätten, in das erste Treffen stellen wolle.(und geschla gen wird. Livius XXVII. 14. Plut. in Marc. 313.) Dieses hatten sie auch alle als eine Gnade von ihm gebeten. Er ermahnte sie zu strei ten und zu siegen, damit die Nachricht von ihrem Siege zugleich mit der Nachricht von ihrer Flucht, in Rom anlangen möge. Hier auf ließ er sie Speise zu sich nehmen, damit sie Kräffte genug hätten, wenn das Treffen lange dauren sollte. Und endlich, als er al les gesagt und gethan hatte, was seinen Sol daten Muth machen konnte, führte er sie an den Feind. Als Hannibal sahe, daß sie ihn aufzusu chen kämen, sprach er: (*) „Marcellus ist doch ein besonderer Mann! Er weiß we der das gute noch das üble Glück zu ertra gen. Jst er Sieger, so setzt er den Besieg ten zu hefftig zu. Jst er überwunden, so bindet er aufs neue an.“ Hierauf ließ er zum Aufbruch blasen, und zog den Römern entgegen. Der Streit ward viel hefftiger als den Tag vorher. Die Carthaginenser bemühten sich äusserst, ihren gestern erlangten 7
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Vortheil zu erhalten, und die Römer nicht weniger, ihre Scharte auszuwetzen. Marcellus hatte die Trupen, welche den Tag vorher ihre Schuldigkeit weniger beob achtet hatten, in die ersten Glieder der bey den Flügel gestellet. Sie wurden durch den P. Cornelius Lentulus, und den C. Claudi us Nero angeführt. Er selbst hatte sich das mittlere Treffen vorbehalten, damit er von allem, was vorging, Zeuge seyn, und seine Trupen aufmuntern könne. Hannibal hat te in die ersten Linien die Spanier gestellet, welche der Kern seiner Armee waren. Als er aber sahe, daß das Treffen allzulange un entschieden blieb, so ließ er die Elephanten vor die Schlachtordnung führen, in Hoff nung, daß sie den Feind in Unordnung brin gen würden. Bey den ersten Gliedern ge schah es auch in der That. Sie traten al le, die ihnen in Weg kamen, nieder, oder jag ten sie in die Flucht, und die Verwirrung würde sich gewiß noch weiter ausgebreitet haben, wenn nicht der Tribun C. Decimus Flavus die Fahne der ersten Compagnie der Hastatorum ergriffen und den Soldaten derselben ihm zu folgen befohlen hätte. Er führte sie an den Ort, wo diese schrecklichen Thiere auf einem Truppe beysammen, die meiste Unordnung verursachten, und befahl ihnen, die Spiesse nach ihnen zu werffen; kein einziger ging fehl, weil sie ganz nahe auf solche ungeheure und so nahe beysammen ste hende Thiere geschleudert wurden. Sie
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wurden zwar nicht alle verwundet, da aber(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) die, welche die in sich geschoßnen Spiesse fühlten, die Flucht nahmen, worinnen sie ihren eignen Leuten so fürchterlich als den Feinden wurden, so rissen zugleich auch die unverwundeten mit aus. Hierauf lief ihnen jeder Soldate, der sie erreichen konnte, nach, und verfolgte sie mit seinem Spiesse, bis sie ihm ausser dem Wurffe waren. Diese Thiere gingen also in der grösten Wuth auf die Carthaginenser loß, und verursach ten eine weit grössre Verwirrung unter ihnen, als unter den Römern, je wehrmehr die Furcht sie stärcker, als aller Zuruf und alle Regie rung ihrer Führer anreizte. Alsbald gieng die Römische Jnfanterie auf die Carthaginenser, deren Glieder durch die Elephanten waren getrennet worden, zu. Sie brauchte wenig Mühe Leute in die Flucht zu jagen, welche ihre Fahnen aus dem Ge sichte verlohren hatten, und sich nicht wieder zusammen finden konnten. Hierauf schickte Marcellus ihnen die Reuterey nach, welche sie bis an die Thore ihres Lagers verfolgte, wo sie mit Mühe voller Bestürzung sich hin einziehen konnten. Zu ihrem Unglück waren zwey Elephanten mitten in dem Thore todt niedergefallen; weil sie also den Eingang verlegten, so wurden die Soldaten genöthi get, sich in den Graben zu werffen, und ü ber die Palissaden, um sich zu retten, zu sprin gen. Hier gieng also das größte Nieder metzeln an. Es wurden auf 8000 Solda=
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) ten und 5. Eplephanten getödtet. Doch kam auch den Römern der Sieg theuer zu stehen. Die zwey Legionen verlohren bey nahe siebzehnhundert Mann, und die Bunds genossen mehr denn dreyzehnhundert, ohne die grosse Anzahl der Verwundeten zu rechnen, so wohl unter den Bürgern als Bundsge nossen. Gleichwohl ward durch diesen glück lichen Erfolg, wobey die Truppen des Han nibals den Römern das erstemal unterla gen, der Muth der letztern sehr vermehrt, indem sie sahen, daß sie mit einem Feinde zu thun hätten, der weder unverwundlich, oder unüberwindlich wäre, dem man widerstehen, und den man schlagen könne. Hannibal brach die folgende Nacht auf. Marcellus wäre ihm gerne gefolgt, allein die Menge seiner Verwundeten wollte es nicht verstatten. Die, die man seinen Zug zu be obachten ausgeschickt hatte, kamen des an dern Tags wieder und berichteten, daß sich Hannibal in das Gebiete der Brutier ge zogen habe. (Verschiedene Städte in Kalabrien er geben sich an die Römer. Livius XXVII. 15.) Zu eben dieser Zeit ergaben sich die Hir piner, und Lucaner und Volscenten an den Consul Q. Fulvius, und lieferten ihm die Carthaginensischen Besatzungen, die sie in ihren Städten hatten, aus. Fulvius nahm sie mit vieler Güte auf, lobte ihre ietzi ge Verfassung, und verwieß ihnen ihren vo rigen Fehler nur obenhin. Die Brutier hat ten gleichfalls mit den Römern einige Un terhandlungen, welche aber nicht viel ausrich=
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teten, weil sie ohne Zweiffel die Gegenwart(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) des Hannibals scheuen mußten. Fabius, seiner Seits, nahm die Stadt Manduria, in dem Gebiete der Salentiner, mit Gewalt ein; wobey er 4000 Gefangene und ansehn liche Beute machte. Von da zog Fabius nach Tarent, und la=(Fabius be lagert Ta rent u. nimt es durch ein Verständniß ein. Livius XXVII. 15. 16. Plut. in Fab. 187.) gerte sich bey der Einfahrt des Hafens. Ca to diente in diesem Feldzuge, in sehr jungen Jahren, unter ihm. Es ward alles zur Be lagerung fertig gemacht. Das Meer war den Römern frey; denn die Carthaginensische Flotte war nach Corcyra geschickt worden, dem Könige Philippus in seinem Vorhaben, die Aetolier anzugreiffen, beyzustehen. Ein Zufall machte, daß Fabius dieses wichtige Unternehmen weit leichter und geschwinder zu Stande brachte. Hannibal hatte eine Mann schafft Brutier in die Stadt gelegt, sie mit vertheidigen zu helfen. Der Anführer der selben hatte sich in eine gewisse Frau verliebt, deren Bruder unter dem Fabius diente. Nach einem Briefe, den diese Frau an ihren Bru der schrieb, flohe dieser, nachdem er es mit seinem General vorher abgeredet hatte, nach Tarent, und gab sich vor einem Ueberläuf fer aus: Die verstellten Liebkosungen seiner Schwester brachten es dahin, daß ihn der Officier gar bald seines Vertrauens würdig te; den er endlich überredete, den Theil der Stadt, welchen man seiner Vertheidigung anvertrauet hatte, den Römern zu überlie fern. Nachdem sie die Mittel darzu abgere
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) det hatte, so begab sich der Soldat heimlich in der Nacht wieder aus der Stadt, und gab dem Fabius von den Maaßregeln, die er mit dem Brutier genommen hatte, Nachricht. Der Römische General verlohr keine Zeit. Nachdem er mit Anbruche der Nacht das, mit der Besatzung der Citadelle, und mit de nen, welche den Hafen inne hatten, abgere dete Zeichen hatte geben lassen, und er sich selbst einem gewissen Orte in der Stadt ge genüber, der ihm von dem Soldaten war ge zeigt worden, gestellet hatte; so liessen sich auf einmal die Trompeten von der Citadelle, aus dem Hafen, und von den Schiffen, welche von der Höhe des Meers gegen die Stadt ankommen, hören; und man bemühte sich an allen den Orten, wo die Stadt nichts zu befürchten hatte, ein grosses Geschrey und ein ausserordentliches Lermen zu machen. Un terdessen hielt Fabius seine Truppen an dem Orte, den er inne hatte, verborgen, und ließ sie ein ungemeines Stilleschweigen beobach ten. Der Befehlshaber in demjenigen Be zirk der Stadt, gegen dem über sich Fabius verborgen hielt, sahe, daß auf dieser Seite al les stille war, da man doch an allen andern Gegenden ein grosses Lermen vernahm, er befürchtete also, Fabius möchte auf einer an dern Seite, mittlerweile er hier die Hände in Schos legte, den Sturm anfangen. Er ging also mit seinen Leuten auf die Citadelle zu, wo er hörte, daß die größte Bewegung und das meiste Lermen wäre. Fabius ward
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es gar bald gewahr. Er ließ also an dem(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. n. C. G.) Theile der Mauern, wo sich, nach der Aus sage des Soldaten, die Brutier befanden, die Sturmleitern anlegen. Man gewann die Mauern, und kam mit Beystand der Bruti er, welche den Römern heran halfen, in die Stadt. Man erbrach hierauf sogleich das nächste Thor, wodurch die Soldaten des Fa bius in grösserer Anzahl hereindrungen. Ge gen Aufgang der Sonne erhoben sie ein gros ses Geschrey; sie gelangten bis auf den Markt, ohne den geringsten Widerstand zu finden, und zogen alle, die auf der Seite der Citadel le und des Hafens stritten, nach sich. Der SreitStreit fing sich auf dem Markte hitzig genug an, allein die Tarentiner waren nicht im Stande ihn so fortzusetzen, da ihnen die Römer an Muth, an Waffen, an Erfah rung und an Stärke weit überlegen waren. Sobald also nur die Römer ihre Wurfpfeile gegen sie schleuderten, fingen sie an zu flie hen, ehe es noch zum Handgemenge kam, und retteten sich durch Umwege in ihre oder in ihrer Freunde Häuser. Die Römer mach ten ohne Unterscheid alles nieder, was ihnen entgegen kam, Bürger und Soldaten, Car thaginenser und Tarentiner. Sie schonten auch die Brutier nicht sehr, vielleicht, weil sie sie nicht kannten, vielleicht weil sie ihrem al ten Hasse nachhingen, vielleicht auch, weil sie glaubten, Tarent sey durch die Gewalt der Waffen, und nicht durch Verrätherey ero bert worden. Wann es, wie Plutarchus
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) berichtet, auf Befehl des Fabius selbst ge schehen ist, daß man den Brutiern so begeg nete, welchen sie doch die Einnahme der Stadt zu danken hatten, so wäre es eine sehr kindi sche Eitelkeit und entsetzliche Untreue: allein ich glaube, daß dergleichen Verdacht mit Unrecht auf einen so grossen Mann gefal len ist. Nachdem die Soldaten eine Menge Blut vergossen hatten, so zerstreueten sie sich durch die Stadt, sie zu plündern. Man sagt, man habe hiebey 30000 Gefangene gemacht. Man fand sehr viel Silber, sowohl an ge münzten Stücken, als an Gefässen, und sie ben und achzig tausend Pfund Goldes, (135937 Mark) welches drey und vierzig Millionen und fünfhundert tausend Livres, ohne das Silber zu rechnen, beträgt. Diese Summe scheint ganz ausserordentlich. Plu tarchus redet nur von drey tausend Talenten, welche vorausgesetzt, daß er Silber Talente verstehet, nicht mehr als neun Millionen ma chen. Der Unterscheid ist erstaunend. (Fabius nim̄t nur eine Bildseule mit sich.) Man fand auch in Tarent beynahe eine eben so grosse Anzahl Bildseulen und Bilder, als man in Syracus gefunden hatte. Die Bildseulen stellten die Götter von Tarent in ihrer natürlichen Grösse vor, jeden mit sei nen ihm gehörigen Waffen, in der Stellung als ob sie stritten. Der Quästor fragte den Fabius, was man mit den Göttern der Ta rentiner anfangen solle:Wir wollen, sag te er, ihnen ihre erzürnten Götter lassen.
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Nur die einzige Bildseule des Herkules, wel(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) che von einer ausserordentlichen Grösse war, und den Plutarchus deßwegen den Colossus von einem Hercules nennt, nahm er mit sich. Strabo meldet uns, sie sey von Erzt und von der Hand des Lysippus, eines der berühmte sten Künstler des Alterthums, gewesen. Fa bius stellte sie ins Kapitol, und sein eignes Bild nicht weit darvon. Als dieses in Tarent vorging, zwang Han nibal diejenigen, welche Caulonia belagerten, sich ihm zu ergeben: und sobald er hörte, daß auch Tarent belagert wäre, hielt er es für seine Schuldigkeit zu Hülfe zu kommen, und ließ seine Trupen Tag und Nacht ohne Rast marschiren. Als er aber auf dem Wege er fuhr, daß die Stadt schon eingenommen wä re, sprach er:Die Römer haben auch ih ren Hannibal. Durch List hatten wir Tarent weggenommen, durch List neh men sie es uns wieder. Bey dieser Gelegen heit gestand er das erstemal seinen Freunden ins besondere, „er habe schon lange gesehen, daß es sehr schwer halten würde, wenn er sich mit der Macht, die er hätte, Meister von Jtalien machen wollte, nunmehr aber wäre es ganz unmöglich.“ Hannibal, damit es nicht scheinen sollte,(Hannibal legt dem Fa bius Netze. Seine List wird ent deckt. Livius XXVII. Plut. im Fab. 185.) als ob er flöhe, kehrte nicht sogleich wieder zu rück, sondern schlug sein Lager an eben dem Orte auf, wo er die Nachricht erhalten hat te, ohngefehr fünf Meilen von der Stadt. Nachdem er einige Tage daselbst verweilt,
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) zog er sich nach Metapont, und schickte von da zwey Einwohner an den Fabius, welcher sich noch zu Tarent aufhielt, mit unterge schobenen Briefen von den vornehmsten der Stadt, welche dem Consul versprachen, Me tapont nebst der Carthaginensischen Besa tzung an ihn zu überliefern, mit der Bedin gung, wenn er alles vergangene vergessen und vergeben wollte. Fabius brauchte diesesmal seine gewöhnliche Klugheit nicht. Er stellte diesem Vorgeben zu leicht Glauben bey, und bestimmte den Abgeschickten den Tag, an welchem er sich Metapont nähern wolle, und sendete sie mit Briefen an die vornehmsten der Stadt wieder zurück, welche alsobald an den Hannibal abgegeben wurden. Dieser war erfreut, daß seine List so wohl ausgeschla gen wäre, daß er den Fabius selbst betrogen habe, und legte nicht weit von Metapont einen Hinterhalt. Dem Consul aber waren der Vogelflug und das Eingeweide der Opfer zuwider, daß er also nicht aus Tarent zog. Als die Metapontiner sahen, daß er den be stimmten Tag nicht ankam, so schickten sie die vorigen Männer wieder zu ihm. Fabi us ließ sie in Verhafft nehmen, und aus Furcht, daß man ihnen schärfer zusetzen möchte, gestunden sie alles. (Die Jugend des Cato.) Jch habe schon gesagt, daß Cato unter dem Consul Fabius Maximus, bey der Be lagerung von Tarent, diente. Weil dieser Römer bald eine ansehnliche Person in der Republic vorstellen wird, so wird es ganz
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dienlich seyn, wenn wir hier melden, wie er(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) seine Jugend zugebracht habe. Cato war von (*) Tusculum. Ehe er in den Krieg gieng, brachte er seine ersten Jahre auf(Plut. in Ca to p. 336.) den Landgütern zu, welche ihm sein Vater, na he an dem Sabinischen Gebiete, hinterlassen hatte. Eine beständige Arbeit, ein mäßi ges und ordentliches Leben, hatte ihm eine starke und dauerhaffte Natur, welche die größte Beschwernisse aushalten konnte, zu wege gebracht. Nahe an seinem Landhause lag die kleine Meierey, welche dem Manius Curius zuge höret hatte. Er gieng offt daselbst spatzi ren, und indem er betrachtete wie klein das Feld, und wie armselig das Haus sey, so konn te er diesen grossen Mann nicht genug be wundern, der, nachdem er der berühmteste Römer geworden war, nachdem er die streitbarsten Nationen überwunden, und den Pyrrhus aus Jtalien verjagt hatte, dieses kleine Feld selbst bebaute, und nach so vielen Triumphen in einem so elenden Hause wohnte. Er fand in dieser Einfalt eine wahre Grösse der Seelen. Er bewun derte ihn nicht bloß, sondern erwählte ihn zu seinem Muster, und machte sich eine Schuldigkeit und Ehre daraus, ihm nach zuahmen. 8
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Es war damals in Rom einer von den edelsten und mächtigsten, welcher durch sei nen erhabnenGeist und grossen Verstand eine aufwachsende Tugend zu entdecken und zu entwickeln, und durch seine Güte und Großmuth sie zu unterstützen und an Tag zu bringen besonders geschickt war. Dieses war (*)Valerius Flaccus. Er hatte Land güter, welche mit der kleinen Meierey des Cato grenzten. Hier hörte er offtmals sei ne Sclaven von der Lebensart dieses jungen Nachbars reden. Man erzehlte ihm, daß er gleich des Morgens in die umliegenden kleinen Städte ginge, die Sachen derjenigen vor Gericht zu vertheidigen, welche sich an ihn wendeten; von da käme er auf sein Land guth wieder zurück, legte ein schlechtes Kleid an, und arbeite mit seinen Knechten; nach der Arbeit setze er sich mit ihnen zu Tische, ässe einerley Brodt und tränke einerley Wein mit ihnen. Man erzehlte ihm auch noch an dre Beweise einer weisen und mäßigen Ge müthsart, und was er sonst für verständige und gesetzte Reden hielt. Flaccus ward neu gierig ihn zu sehen und zu hören, er lud ihn also zum Abendessen ein. Von diesem Ta ge richtete er eine besondre Freundschafft mit 9
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ihm auf, und erkennte in diesem jungen Men(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) schen einen so vortrefflichen Geist, und so un gemeine Gaben für Rom, daß er wohl sahe, er sey eine vorzügliche Pflanze, welche verdie ne, daß man sie warte und in einen bessern Boden versetze. Er überredete ihn also nach Rom zu gehen, und sich in den Stand zu se tzen öffentlichen Geschäfften vorzustehen. Er blieb nicht lange in Rom ohne Freun de und Bewunderer, welche er sich vornehm lich durch die Stärke seiner gerichtlichen Be redsamkeit erwarb. Denn da er die Gabe der Rede nicht bloß als ein nützliches, sondern als ein durchaus nöthiges Werkzeug aller der jenigen ansahe, welche nicht im Dunkeln le ben, sondern sich der Republic nützlich ma chen wollten, so übte er sie mit vieler Sorg falt aus. Gleich Anfangs erwählte er sich unter den(Plut. in Ca to 337.) ältesten Rathsgliedern den Q. Fabius Ma ximus, an welchen er sich beständig hielt. Cicero läßt den Cato bey dieser Gelegenheit also reden, (*)Schon in meiner Jugend liebte ich diesen ehrwürdigen Greiß, als ob er von meinem Alter gewesen wäre. Er besaß eine mit Güte und Höflichkeit vermengte Ernsthafftigkeit, und sein ho hes Alter hatte der Annehmlichkeit sei= 10
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) ner liebenswürdigen Gemüthsart nichts entzogen. Junge Leute, (*) welche auf diese Art, es sey in einem Amte, in welchem es sey, die Bekanndtschafft und Freund schafft derjenigen suchen, welche sich durch ihre Verdienste und ihre Tugend hervor thun, machen keine geringe Hofnung von sich. Denn man hat Ursache zu glauben, daß sie denen, an deren Umgange sie Ver gnügen finden, von deren Aufführung sie Zeugen sind, und die sie sich gleichsam zu ih ren Mustern erwählen, in Zukunft nach schlagen werden. Cato war aus einer sehr alten Familie, aber aus einer von dem Volke, die niemals einer von seinen Vorfahren durch obrigkeit liche Bedienungen berühmt gemacht hatte, worinne der Adel zu Rom bestand. Dieje nigen, welche sich aus solchen Familien empor schwungen, wurdenneue Leute (homines noui genannt. (**) Da also Cato den Vor 11 12
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theil der Geburt nicht hatte, so suchte er ihn(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) auf eine andere Art, nehmlich durch Tugend und Verdienste, zu ersetzen, und die Quelle von dem Adel seiner Familie zu werden. Es war damals zu Rom gewöhnlich, daß dieje nigen Jünglinge, welche sich hervorthun und zu Aemtern gelangen wollten, einen oder den andern berühmten Bürger, welcher etwa auf eine grobe Art seine Pflicht übertreten hatte, anklagen mußten, um ihren Eintritt in die öffentlichen Geschäffte, durch ein so in die Augen fallendes Verfahren merkwürdig, sich selbst aber bey dem Volke beliebt zu machen. Ein junger Mensch, der dergleichen Auffüh rung beobachtete, verdiente in der That von allen rechtschaffnen Leuten gelobt zu werden; weil er, indem er sich bemühte, die Republick von einem schädlichen Bürger zu befreyen, zugleich ein feyerliches Versprechen tugend hafft zu seyn ablegte, und zu der gemeinen und alle verbindenden Pflicht noch eine beson dere und persönliche Verbindlichkeit hinzu
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) fügte, ein vernünfftiges und untadelhafftes Leben zu führen. Denn sollte man wohl ei nem Menschen, der sich unterstanden, einen Sittenrichter und Ankläger der Fehler ande rer Leute abzugeben, nachsehen, wenn er sich selbst im geringsten von der graden Bahn der Tugend und Gerechtigkeit entfernte? Dieses war der Weg, den Cato erwählte, zur Ehre zu gelangen, ohne daß er befürch tete, er möchte sich die Feindschafft der vor nehmsten und mächtigsten Bürger zuziehen. Es kan seyn, daß sein Eyfer nicht allezeit nach hinlänglichen Einsichten handelte, aber an sich selbst war er doch sehr löblich. Cato that seinen ersten Feldzug unter dem Fabius, der damals das viertemal Consul (De Sene- ctut. 10.) war. Fünf Jahr darauf, als er zum fünf tenmale das Consulat bekleidete, folgte er ihm in die Belagerung von Tarent. Er mochte zu dieser Zeit ohngefehr 24 Jahr alt seyn. Das Jahr darauf diente er in Sicilien als (Plut. in Cat. 336.) Tribun. Bey der Armee trank er nichts als Wasser, und nur zuweilen, wenn er einen brennenden Durst hatte, ließ er sich etwas Weineßig geben, und wenn er von Arbeit und Müdigkeit allzusehr entkräfftet war, et was Wein. So brachte ein Mann seine jungen Jahre zu, der bald einer der grösten in der Republic seyn wird. ( Scipio bringt die Spanischen Völker wie) P. Scipio hatte sich den ganzen vorigen Winter bemüht, die Spanischen Völker wie der auf die Seite der Römer zu bringen, in
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dem er sie bald durch Geschenke, bald durch(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) die Freylassung ihrer Geissel und Gefangenen zu gewinnen suchte. Zu Anfange des Früh linges kam einer der vornehmsten Spanier,(der auf die Seite der Rö mer. Livius XXVII. 17. Polyb.X. 604.) Edeskon, zu ihn. Seine Gemahlin und seine Kinder waren in den Händen der Römer. Doch war er auch ausserdem durch die durch gängige Uebereinstimmung der Gemüther mit hingerissen, lieber die Parthey der Römer als Carthaginenser zu ergreiffen. Eben diese Ur sache bewegte auch den Mandonius und Jn dibilis, welche ohne Widerrede die ansehn lichsten Fürsten Spaniens waren, sich mit allen ihren Vasallen auf die Hügel, welche das Carthaginensische Lager übersahen, zu begeben, von wannen sie, wann sie sich be ständig auf der Höhe hielten, die Römische Armee erreichen konnten, ohne das geringste von Seiten des Hannibals, den sie verliessen, zu befürchten. Weil dieser General sahe, daß die Römer( Asdrubal und Scipio denken auf ein Treffen. Polyb. X. 607. Livius XXVII. 17.) überall die Oberhand bekamen, und daß die Sache der Carthaginenser von Tag zu Tag übler wurde, und daß der Lauf, den die Sa chen genommen, nicht anders als durch eine recht in die Augen fallende That, und durch einen ganz besonderen Vortheil zu hemmen sey, so beschloß er unverzüglich die Feinde an zugreiffen. Scipio wünschte eben so eyfrig als Asdrubal, daß er zum Treffen kommen möchte, nicht allein, weil sein Muth durch das Glück gewachsen war, sondern auch, weil er lieber nur mit einem Feinde streiten, als
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) alle zugleich auf dem Halse haben wollte, wel ches ganz gewiß geschehen würde, wann er ihnen Zeit liesse sich zu verbinden. Und über haupt, gesetzt, daß er sich auch mit mehr als einem Feinde hätte schlagen müssen, so hatte er schon durch seine weise Vorsicht Mittel ge funden, seine Armee so zu verstärken, daß er nichts zu besorgen hatte. Denn als er sahe, daß er seine Flotte nicht mehr nöthig habe, seitdem die Carthaginensische Flotte die gan ze Küste von Spanien verlassen hatte, so zog er seine Schiffe in den Tarragenischen Hafen, und verband seine Trupen mit denjenigen, welche zur See zu dienen bestimmt waren. Er war im Stande alle zu bewaffnen, weil er bey der Eroberung von Carthagena eine sehr grosse Anzahl Waffen erbeutet hatte, und noch immer eine erstaunende Menge von den Arbeitern, die er in den Zeughäusern der Stadt eingeschlossen hatte, verfertigen ließ. (Mandonius und Jndibi lis verlassen die Carthagi nenser, und verbinden sich mit dem Scipio. Liv. ebend.) Mit dieser Macht ging Scipio beym An fange des Frühlings aus Tarragona, und suchte nebst dem Lälius, der von Rom zurück gekommen war, und ohne dem er nichts wich tiges unternehmen wollte, den Feind auf. Auf dem Wege fand er nichts als Freunde und Bundsgenossen, welche von allen Sei ten her, jeder an seinen Grenzen, ihm ent gegen kamen, begleiteten und seine Armee verstärkten. Auf diesem Zuge war es, als Mandonius und Jndibilis mit ihren Trupen zu ihm stiessen. Jndibilis führte das Wort, und seine Rede hatte nichts von der Grobheit
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eines Barbaren an sich. Er redete mit vie(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) ler Anständigkeit und Vorsichtigkeit, und wollte seine Veränderung mehr durch die Nothwendigkeit entschuldigen, als sich der selben als eines Entschlusses rühmen, den er leichtsinniger Weise genommen, und bey der ersten Gelegenheit ausgeführet habe. Er sagte „er wisse wohl, der Nahme eines Ue berläuffers wäre den neuen Bundsgenossen eben so verdächtig, als er den alten verab scheuungswürdig sey. Er wolle diese allge meine Gesinnung nicht tadeln, nur müsse man nicht blos den Nahmen eines Ueber läuffers, sondern vornehmlich die Bewe gungsgründe, dieihn dazu gemacht, in Be trachtung ziehen. Er erzählte hierauf, was für wichtige Dienste sein Bruder den Car thaginensichen Generalen geleistet habe, den er den unersättlichen Geitz und den Hoch muth der Carthaginenser, womit man sie belohnet, und alle das üble Verfahren, wel ches sie und ihre Unterthanen von ihnen hat ten erdulden müssen, entgegen stellte. Daß also schon seit langer Zeit, er und sein Bru der nur dem Leibe nach, und äusserlich mit den Carthaginensern sey vereinigt gewesen, ihr Herz und ihre Neigung aber, habe auf derer Seite gehangen, von denen Recht und Billigkeit, wie sie wüßten, heilig beob achtet würden. Daß man sein Gebet zu den Göttern richte, um ihren Schutz wi der die Ungerechtigkeit und Gewaltthätig keit zu erhalten. Alles aber, was sie von
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) dem Scipio bäten, bestünde darinnen, daß er ihnen weder ein Verdienst noch ein Ver brechen aus ihrer Veränderung machen, sondern von ihnen nach der Aufführung, die sie ins künfftige beobachten würden, urthei len möchte.“ Scipio antwortete ihnen, „daß er sich eben in dieser Verfassung befände, und daß er diejenigen Fürsten, weder als Untreue noch als Ueberläuffer tadeln würde, welche nicht verbunden zu seyn glaubten, das Bündniß mit einem Volke zu beobachten, welches göttliche und menschliche Gesetze auf gleiche Weise verachte.“ Hierauf stell te man ihnen ihre Weiber und Kinder wie der zu, welche sie mit Freudenthränen em pfingen; von dem Scipio aber wurden sie diesen Tag als seine Freunde und Gäste be wirthet. Den Tag darauf vollzog er das Bündniß mit ihnen, und schickte sie in ihre Länder zurück, damit sie ihm die versproche ne Hülfe liefern könnten. (Schöne Be trachtung des Polybi us, wie man den Sieg recht nutzen müsse. Polyb.X. 606.) Bey Gelegenheit des jetzt erzählten macht Polybius eine sehr gründliche Betrachtung, welche in Staatssachen von sehr grosser Wichtigkeit ist. Es ist gut, sagt er, einen Krieg so zu führen, daß man die Oberhand über die Feinde erlangt: aber weit mehr Ge schicklichkeit und Klugheit wird erfodert, sich den Sieg recht zu Nutze zu machen. Die Carthaginenser wusten nur zu überwinden. Nachdem sie die Römischen Armeen geschla gen, und die zwey Generale Publius und
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Cnejus Scipio getödtet hatten, so glaubten(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) sie, Spanien könne ihnen nicht länger strei tig gemacht werden; sie schonten also die Völker dieses Landes nicht im geringsten. Das Verfahren mit dem Jndibilis, wel(Excerpt. Polyb. a- pud Valeſ. pag. 29.) ches Polybius an einem andern Orte erzählt, ist ein klarer Beweiß darvon. Er war ei ner der mächtigsten Fürsten Spaniens, und welcher am vortheilhaftesten für die Cartha ginenser gesinnt war. Seine Treue wurde auf eine sehr harte Probe gesetzt; denn er verlohr sein Königreich darbey, in welches er zwar zur Belohnung seines Eyfers für den Nutzen der Carthaginenser bald hernach wieder eingesetzt wurde. Asdrubal, der Sohn des Gisgon, wurde nach dem Vor theile, welchen er über die Römer erfochten hatte, ganz übermüthig. Er mißbrauchte sein Ansehen, und verlangte, seinen Geitz zu sättigen, von dem Jndibilis eine sehr ansehn liche Summe. Weil es sich dieser Prinz aber eben nicht allzusehr angelegen seyn liesse, einem so ungerechten Befehle nachzukom men, so muste er ihm auf eine ungerechte Anklage, und unter einem falschen Vorwan de, seine Tochter zur Geisel geben. Was war aber die Folge von dem übeln(Polyb.X. 606.) Verfahren der Carthaginenser gegen die Spanier? Aus Freunden und Bundsge nossen wurden sie ihre Feinde. Unmöglich konnten sie diesem Unglücke entgehen, da sie glaubten, und es durch die That zeigten, man müsse den Bundsgenossen, wann man
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) sie in ihrer Schuldigkeit erhalten wollte, hart und hochmüthig begegnen. Sie wuß ten gar nicht, daß man Reiche anders nicht erhalten könne, als wenn man den Maaß regeln beständig folge, welche sie zu über winden gedient haben. Nun ist es augen scheinlich, daß das wahre Mittel, sich die Unterthänigkeit eines Volkes zu erwerben, darinne besteht, daß man ihm in der That gutes erzeigt, und ihm in Zukunft noch auf mehres Hoffnung macht. Begegnet man ihm aber, nachdem man es überwunden hat, hart, und regiert allzu unumschrenkt, so darf man sich nicht wundern, wann die Veränderung die Maaßregeln bey den Sie gern, die Veränderung der Aufführung bey den Besiegten nach sich zieht. Furcht(*) und Schrecken sind schwache Bande, ein Volk im Gehorsam zu erhalten. Sie bin den nur die Hand, und sehen keine Gewalt über die Herzen. Der Beweiß davon ist, daß, so bald sie wegfallen, Haß und Auf ruhr ausbrechen. Die Römer verfuhren so nicht. Vom Anfange (**) ihrer Republick, da sie noch 13 14
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sehr schwach waren, war es ihr vornehmster(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Staatsgrif, den Ueberwundenen glimpflich zu begegnen, und ihnen ihr Ansehen durch Wohlthaten, nicht durch Gewalt empfinden zu lassen. Sie suchten mehr Freunde als Sklaven aus ihnen zu machen. Sie glaub ten nicht, daß eine Herrschafft bestehen kön ne, wann die Unterthanen nur gezwungen und nicht gutwillig folgten. Und dieses war es, wodurch sie so mächtig wurden. Die Flucht des Jndibilis brachte den(Treffen zwi schen Scipio und Asdru bal. Dieser wird über wunden und in die Flucht geschlagen. Polyb.X. 608=610.) Asdrubal vollends zum Entschlusse ein Tref fen zu liefern. Er hoffte, daß ihn der Sieg, wann er ihn davon trüge, in den Stand se tzen würde, alle Spanischen Völker wieder zu ihrer Pflicht zu bringen. Jm Fall aber, daß er überwunden würde, könne er sich in das Gallische ziehen, und mit den Trupen, die er zusammen bringen würde, nach Jta lien, seinem Bruder beyzustehen, gehen. Die Armee des Asdrubals war damals(Livius XXVII. 18. 19.) in der Gegend von (*) Castulo, nicht weit von der Stadt Betula, oder Becula. Als er die Annäherung der Römer erfuhr, setzte er sich auf eine Anhöhe, auf welcher eine ziemlich weite Ebne war. Jm Rücken war er durch einen starken Fluß bedeckt; vor sich 15
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) aber und auf den Seiten beschützten ihn ziemlich schwer zu ersteigende Abhänge. Et was unter dieser Ebne, war noch eine an dre, auf welche man gemächlich herab stei gen konnte, und die ein wenig abschüßig ging, gleichwohl aber eben so schwer als die erste zu ersteigen war, indem sie sich gleich sam, wie mit einem Ufer endete. Als Asdru bal den Tag darauf sahe, daß sich die Rö mer vor ihren Verschanzungen in Schlacht ordnung gestellet hatten, so ließ er die Numi dische Reuterey und die leichten Trupen von Balearen und Africanern auf diese zweyte Ebne herabsteigen. Scipio durchsprengte die Glieder seiner Armee, und stellte ihnen vor, „daß sich der Feind nicht getraue, ih nen auf freyem Felde zu widerstehen, daß er sich auf seine eigne Tapferkeit wenig Rechnung mache, und in der Lage des Orts seine Sicherheit zu finden hoffte. Allein die Römischen Soldaten hätten die Mau ern von Carthagena erstiegen, und diese wären weit höher gewesen, als die Posten des Asdrubals.“ Mehr sagte er nicht, son dern ging so gleich mit einem Haufen von leichtbewaffneten und von den tapfersten sei ner Armee, auf die Numidier und Schleu derer los, welche Asdrubal auf die andre Ebne gestellet hatte. Ausser der Beschwer lichkeit des rauhen und steilen Weges, muß ten sie noch einen Hagel von allerley Art Pfeilen aushalten, welche man auf sie reg nen ließ. Sobald sie aber nur etwas sichern
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Fuß gefaßt hatten, und zum Handgemenge(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) kommen konnten, so wurden auch gleich bey dem ersten Anfalle die Feinde übern Hauf fen geworffen. Die Römer richteten ein grosses Blutbad an, und zwangen die übri gen zu dem grössern Theile der Armee auf der höhern Ebne zu flüchten. Nachdem Scipio hierauf den Siegern be fohlen hatte den Weg zu nehmen, der sie grade zu auf den Feind führte, theilte er die übrigen Trupen mit dem Lälius, und befahl ihm auf der rechten Hand um den Hügel herum, einen Weg zu suchen, auf welchem leichter herauf zu steigen wäre. Er selbst wendete sich zur Linken, und fiel nach einem kleinen Umschweife den Feind von der Sei ten an. So gleich entstand eine grosse Un ordnung unter den Carthaginensern, die sich dem Feinde, welcher sie von unterschiedenen Seiten mit grossem Geschrey anfiel, entge gensetzen wollten. Während dieser Unord nung kam Lälius herzu. Sie zogen sich so gleich zurück, damit er ihnen nicht in Rücken fallen möchte. Jndem aber die erste Linie sich gleichfals hinterwärts zog, so gewonnen die Römer, die sich auf dem mittelsten We ge befanden, die Höhe; welches nimmermehr hätte geschehen können, wann die Carthagi nenser auf ihrer Stelle geblieben wären, und die Elephanten die Spitze ihrer Schlachtord nung bedeckt hätten. Die Unordnung ward allgemein, und das Niedermetzeln sehr groß. Man tödtete auf achttausend Mann.
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Asdrubal hatte vor der Schlacht die Vor sichtigkeit gebraucht, den Schatz in Sicher heit zu bringen. Er ließ die Elephanten zu erst abführen, brachte so viel flüchtige, als er konnte, zusammen, und zog sich gegen den Tagus, um von da die Pyrenäischen Gebür ge zu gewinnen, und nach Gallien überzu gehen. Scipio hielt nicht für rathsam ihn zu ver folgen, wie ich bald sagen werde. Er ließ das feindliche Lager plündern, und überließ den Soldaten alle Beute, die freyen Leute ausgenommen, deren Anzahl sich auf zehn tausend zu Fuß und zwey tausend zu Pferde belief. Die Africaner ließ er verkauffen, die Spanier aber schickte er ohne Auslösung zurück. ( Scipio schlägt den königlichen Tittel, wel cher ihm von den Spani ern angetra gen wird, aus.) Sie wurden durch diese Großmuth so ge rührt, daß sich sowohl die, welche er den Tag vorher gefangen bekommen, als auch die, welche sich schon vorher ergeben hatten, um ihn versammelten, und ihn unter einem allgemeinen Geschrey mit dem Königstittel begrüßten. Scipio aber antwortete ihnen, nachdem er sie durch einen Herold zum Still schweigen hatte bringen lassen: „(*) Daß @@3@ 16
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er keinen rühmlichern Tittel, als den Tittel(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Jmperator, den ihn seine Soldaten beyge legt, kenne. Daß der Nahme eines Kö nigs, so geehrt er anderwärts sey, in Rom unerträglich wäre. Wann sie in ihm kö nigliche Eigenschafften zu finden glaubten, und diese für das größte an einem Men schen hielten, so könnten sie von ihm den ken, was sie wollten, nur bäte er sie, ihm diesen Nahmen nicht beyzulegen.“ So un gesittet diese Völker auch waren, so empfan den sie doch, was für eine Grösse der See len darzu gehöre, von der Höhe seiner Tu gend auf einen Nahmen, welcher der Ge genstand der Bewunderung und der Wün sche der übrigen Sterblichen sey verächtlich herab zu sehen. Er theilte hierauf unter die vornehmsten Spanier Geschenke aus, und aus der grossen Menge Pferde, die man er beutet hatte, bat er den Jndibilis, sich drey hundert auszulesen. Als der Quästor beschäfftiget war, die(Maßira, ein junger Nu midischer Prinz, wird von dem Sci pio ohne Löse geld und mit Geschenken zurückge= schickt. Liv. ebend.) gefangenen Africaner zu verkauffen, so ward ihm ein Kind von vorzüglicher Schönheit und Gesichtsbildung gebracht. Als er hörte, daß es von königlichem Geschlechte wäre, so schick te er es dem Scipio. Der General fragte es „aus welchem Lande es sey, und wie es schon so jung ins Treffen gekommen wäre? Das Kind antwortete, er sey ein Numi dier, und nenne sich Maßira. Er habe das Unglück gehabt, seinen Vater zu verliehren, und sey in dem Pallaste des Gala, Königs
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) von Numidien, seines Großvaters mütter licher Seite, auferzogen worden. Er sey mit dem Masinissa, seinem Vetter, vor kur zen nach Spanien gekommen, weil dieser mit seiner Reuterey den Carthaginensern wäre zu Hülfe geschickt worden. Masinis sa habe ihm wegen seiner Jugend bisher nicht erlauben wollen, sich ins Treffen zu wagen; den Tag aber, als die Schlacht zwischen den Römern und Carthaginensern vorgefallen, habe er heimlicher Weise Pferd und Waffen genommen, und sich wider Wissen seines Vetters unter die Feinde ge macht; weil aber das Pferd unter ihm ge stürzt, wäre er zu Boden gefallen, und von den Römern gefangen genommen worden.“ Scipio trug einem die Sorge für diesen jungen Prinzen auf; und nachdem er die Geschäffte, die ihm auf dem Richterstuhle zu bleiben nöthigten, zu Ende gebracht, be gab er sich nach seinem Zelte. Als er ihn hier hatte vor sich kommen lassen, fragte er ihn, ob er es gerne sehen würde, wann er zu dem Masinissa wieder zurück kehren könne? Das Kind weinte für Freuden, und antwor tete ihm, daß dieses sein einziger Wunsch wä re. Hierauf schenkte ihm Scipio einen gold nen Ring, einen Ueberrock, den die Römer Latus clavus nennten, einen Spanischen Reitrock, wie sie ihn im Kriege trugen, eine goldne Spange, und ein sehr prächtig auf gezäumtes Pferd. Er beurlaubte ihn, und
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gab ihm eine Bedeckung von Reutern mit,(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) welche Befehl hatten, ihn so weit zu beglei ten, als er es verlangte. Scipio ruffte den Kriegsrath zusammen,(Livius XXVII. 20.) um zu berathschlagen, wie man sich nun wei ter gegen die Feinde verhalten solle. Einige meinten, man müsse ohne Zeitverlust den Asdrubal verfolgen. Allein er hielt es nicht für rathsam, weil er befürchtete, Magon und der andere Asdrubal möchten allzuge schwinde herzukommen, und ihre Trupen mit den geschlagenen verbinden. Er schickte also blos einige Völker nach, die Wege über das Pyrenäische Gebürge zu besetzen. Die ü brige Zeit des Feldzugs brachte er mit der Aufnahme der Spanischen Völker, welche wieder auf die Seite der Römer traten, zu. Die Furcht des Scipio war gegründet.(Verbindung der drey Car thaginensi schen Gene rale.) Denn wenig Tage nach dem Treffen bey Betula, als er kaum im Rückzuge nach Tar ragona aus den engen Pässen bey Castulo gekommen war, erfuhr er, daß{??} Magon und Asdrubal, der Sohn des Gisgon, aus dem hintern Theile Spaniens gekommen, und zu dem Asdrubal, dem Sohn des Amilcars, ge stossen wären; zwar zu spät, ihn von einer Niederlage, die er schon erlitten, zu befrey en, aber früh genug, ihm guten Rath auf das künfftige zu ertheilen. Der Ausgang lehrt, wie klug Scipio gehandelt, daß er das Treffen beschleunigte. Einige Tage Auf schub hätten alle seine Maaßregeln vergeb
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) lich gemacht, und ihn einer grossen Gefahr ausgesetzt. Fabius wird ihm in der Folge vorwerffen, (Liv.XXVII. 42.) er habe einen grossen Fehler begangen, daß er nach dem Siege den Asdrubal nicht ver folgt, sondern ihn ruhig nach Jtalien habe gehen lassen, welches den Fall Roms hätte nach sich ziehen können, wenn er sich mit seinem Bruder Hannibal vereiniget hätte. Es wäre auch in der That ein grosser Feh ler gewesen, wann er ihm den Durchgang hätte verwehren können. Allein die schwa che Art, womit ihm Fabius, welcher damals ungemein wider den Scipio aufgebracht war, ihm dieses vorwarf, zeigt, wie mir es scheint, daß er selbst seinen Vorwurf für un gegründet gehalten hat. Denn er wirft ihm blos die That vor, ohne eine Ursache anzubringen, woraus man seine Unvorsich tigkeit hätte schliessen können. (Jhre Ent schliessung.) Die drey Generale waren nunmehr ver eint, und berathschlagten, was sie in dem nächsten Feldzuge vorzunehmen hätten. Man untersuchte die Gesinnungen verschie dener Spanischen Völker, und der einzige Asdrubal, der Sohn des Gisgon, schmeichel te sich, daß diejenigen, welche in den äusser sten Theilen der Provinz an dem Ocean, um Cadix herum, wohnten, die Römer noch all zu wenig kennten, und noch auf der Seite der Carthaginenser seyn würden, daß man sich auf ihre Treue verlassen könne. Allein der andere Asdrubal und Magon legten von
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dem Reste Spaniens ein ganz verschiedenes(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) Zeugniß ab. Sie gestunden, „daß Scipio durch seine Wohlthaten alle Gemüther so wohl überhaupt, als ins besondere, gewon nen habe, und daß das Ueberlauffen bey den Carthaginensischen Trupen eher kein Ende bekommen würde, als bis man alle Spanische Soldaten entweder in den äus sersten Theil der Provinz, oder in das Gal lische gebracht hätte. Daß Asdrubal schon aus diesen Ursachen, wenn es der Cartha ginensische Rath auch nicht befohlen hätte, nach Jtalien, als dem Hauptschauplatze des Kriegs, wo sich der Streit dieser zwey Reiche entscheiden müsse, zu gehen genö thiget gewesen wären. Gesetzt, daß es auch nur geschehe, die Spanier aus einem Lande zu bringen, wo der Nahme des Sci pio so sehr verehret werde. Er müsse al so den Verlust, den seine Armee sowohl durch die verlohrne Schlacht, als durch die Ueberläuffer erlitten habe, durch Spa nische Soldaten ersetzen. Ueberdieses wä re es rathsam, wenn Magondas Com mando dem Asdrubal, dem Sohne des Gisgon, überliesse, und mit einer guten Summe Geldes in die Balearischen Jn suln überschiffte, Soldaten daselbst anzu werben; Asdrubal aber müsse sich in das äusserste Lusitanien (Portugal) wenden, und das Treffen mit den Römern vermei den. Man wolle endlich aus der ganzen Reuterey 3000 der besten aussuchen, mit
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) welchen Masinissa das disseitige Spanien durchstreiffen, den Bundsgenossen der Car thaginenser beystehen, und das feindliche Gebiete verwüsten solle.“ Nachdem sie diesen Entwurff gemacht, so wendeten sie sich zu der Ausführung. Und das ist alles, was sich dieses Jahr in Spanien zutrug.

§. III.

Marcellus wird von seinen Feinden verklagt, und vertheidiget sich glücklich. Die neuen Consuls treten ihr Amt an. Die Apollinarischen Spiele werden zu jährlichen Spielen gemacht. Die Ein wohner von Aretium werden genöthiget Geissel zu geben. Man überlegt die Tarentinischen An gelegenheiten im Rath. Die Sache des Livi us. Ein Römischer Trup fällt in die Fallstricke des Hannibals. Neue Fallstricke des Hanni bals. Marcellus wird getödtet. Gegeneinan derhaltung des Fabius und Marcellus. Han nibal fällt in sein eignes Netz bey Salapia. Er entsetzt Locri. Der Consul Crispinus schreibt an den Rath, und berichtet ihm den Tod des Mar cellus, worauf er verschiedne Befehle erhält. Die Römische Flotte schlägt die Carthaginensi sche bey Clupea. Griechische Angelegenheiten. Tod des Consuls Crispinus. Claudius Ne ro und M. Livius werden zu Consuls er nennt. Sie vertragen sich wieder. Abreise der beyden Consuls. Zählung des Volks. Der Ort der Versammlungen wird bedeckt. Die Consuls werben mit neuer Strenge. Asdrubal geht über die Alpen. Er belagert Placenz. Har te, aber unwahrscheinliche Antwort, welche Livi us dem Fabius soll gegeben haben. Hauptarmee des Nero. Er trägt einen Sieg über den Han nibal davon, und bald darauf einen zweyten. Die Briefe des Asdrubals an den Hannibal wer den aufgefangen. Verwegner Vorsatz des Nero.
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Er geht ab, sich mit seinem Collegen dem Livius zu verbinden. Bestürzung zu Rom über die Nachricht von dem Abzuge des Nero. Er ent deckt sein Vorhaben seinen Trupen. Nero langt in dem Lager des Livius an. Treffen mit dem Asdrubal. Gänzliche Niederlage seiner Armee; und sein eigner Tod. Nero kehrt zu seiner Ar mee zurück. Der Kopf des Asdrubals wird in das Lager des Hannibals geworffen. Er zieht sich in das Gebiete von Brutium. Triumph des Livius und Nero. Betrachtungen über das Un ternehmen des Nero, und die Aufführung des Livius.
So bald Scipio sich auf dem Schaupla(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) tze zeigte, so schien es, als ob der Ruhm aller übrigen Römischen Generale verschwände. Nur Fabius erhielt sich noch, und die Einnahme von Tarent, ob sie gleich mehr der List als der Tapferkeit zuzuschrei ben war, brachte ihm nicht wenig Ehre. Hingegen fiel des Fulvius Ansehen gänzlich, und selbst Marcellus war in übeln Ruffe, seit dem er von den Carthaginensern war geschlagen worden. Uebrigens war man auch sehr übel zufrieden, daß er seine Tru pen nach Venusia in Sicherheit gebracht hatte, ohne das Ende des Feldzuges zu er warten, da Hannibal gleichwohl in einem grossen Theile Jtaliens den Meister spielte. C. Publicius Bibulus, Tribun des Volks, war sein geschworner Feind. Jndem er in allen Versammlungen, seit dem ihm Han nibal so übel mitgefahren war, wider ihn ey ferte, so hatte er ihn bey dem Volke in schlechte Gunst gesetzt, und die Entsetzung
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(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) seiner Würde war das wenigste, was man ihm drohete. Unterdessen erhielten seine Freunde, daß er einem von seinen Legaten das Commando in Venusia überlassen und nach Rom kommen konnte, sich gegen die Klagen, welche man in seiner Abwesenheit wider ihn führte, zu vertheidigen. Von ungefehr langten Marcellus und Fulvius an einem Tage zu Rom an, der ei ne, den Schimpf von sich abzulehnen, mit welchem man ihm drohete, der andre, bey den Versammlungen, welche man die Con suls zu erwählen halten würde, den Vorsitz zu haben. (Marcellus vertheidiget sich gegen die Anklagen sei ner Feinde glücklich.) Die Sache des Marcellus ward in dem Flaminischen Kampfplatze, in Gegenwart ei ner grossen Menge Volks, und aller Stän de der Republick, vorgenommen. Der Tri bun des Volks griff nicht nur den Marcel lus, sondern den ganzen Adel an. Er warf ihnen vor, „ihre List und ihr Zaudern wä re Schuld, daß Hannibal nun schon seit zehn Jahren in Jtalien wäre, und gleich sam Besitz davon genommen hätte, indem er sich in Carthago selbst niemals so lan ge aufgehalten habe. Das Römische Volk hätte dem Marcellus das Commando ver längert, es sey aber sehr schlecht dafür be lohnet worden. Seine Armee wäre zwey mal von dem Feinde geschlagen, und mache sich den gantzen Sommer über hinter den Mauern von Venusia gute Tage.“ Mar cellus antwortete kurz und edel. Er begnüg
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te sich seine vornehmsten Thaten bescheiden(d. 543. J. n. R. E. d. 209. J. v. C. G.) zu erzehlen, und diese blosse Erzehlung war, ohne andre Betrachtungen und Beweise, ei ne völlige Schutzrede für ihn. Allein die er sten und angesehensten Bürger nahmen öf fentlich seine Vertheidigung über sich, und redeten mit vieler Stärcke und Freyheit zu seinem Vortheile. Sie ermahnten das Volk, es möchte nicht schlimmer als sein Feind, von dem Marcellus urtheilen, indem es den der Feigheit beschuldigte, welchem Hannibal un ter allen Generalen am meisten auswiche, und mit dem er das Treffen gleich eyfrig ausschlüge, als er es mit allen andern ge sucht habe. Das Urtheil fiel nicht zweiffelhafft aus. Der Vorschlag, welchen der Tribun that, dem Mar cellus das Commando zu nehmen, ward nicht allein verworffen, sondern den Morgen drauf erwählten ihn so gar alle Centurien einmüthig zum Consul. Man muß nothwendig einen heimlichen Widerwillen gegen die ungezäumte Freyheit der Tribunen empfinden, welche ei nen so grossen Mann, als Marcellus war, vor dem Volke als ein Beklagter zu erschei nen, und von seinen Thaten Rechenschafft ab zulegen nöthiget. Allein eben diese Frechheit, so lasterhafft und strafbar sie war, ist es, wel che die Freyheit Roms so lange erhalten hat, und welche man die Seele der Repu blic nennen konnte, indem sie die Feldherren und obrigkeitlichen Personen durch eine ge rechte Unterwerfung und gänzliche Abhan
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gung von dem Ansehen des Volks und der Macht der Gesetze, in ihrer Pflicht erhielt. Zum Collegen bekam Marcellus den T. Quintus Crispinus, welcher damals Prä tor war. Den Tag darauf wurden P. Li cinius Crassus Dives, damaliger Oberprie ster, P. Licinius Varus, Sextus Julius Cäsar, und Q. Claudius Flamen zu Prä tors ernennt. Eben zu der Zeit, als man die Versamm lung hielt, wurden die Bürgen wegen Hetru rien in Sorgen gesetzt. Man befürchtete, daß sie einen Aufstand erregen würden, und der Proprätor, welcher sich daselbst befand, hatte gemeldet, daß die Arretiner die Urhe ber davon wären. Marcellus ward sogleich dahin abgeschickt, und seine Gegenwart hem̄ te auf einmal die Bewegungen, welche schon auszubrechen anfingen.
(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.)

(Die neuen Consuls tre ten ihr Amt an. Livius XXVII. 22.) Diese beyden Consuls traten ihr Amt in dem eilften Jahre des Krieges mit dem Han nibal an. Man gab beyden Jtalien zu ih rer Provinz, nebst den Armeen, welche vori ges Jahr unter den Consuls gedienet hatten. Man theilte auch unter die übrigen obrigkeit lichen Personen und Feldherren die Aemter und Provinzen aus. Die ganze Stärke der Republick bestand dieses Jahr in 21 Legio
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nen, das ist, in hundert und fünf tausend(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) Mann zu Fuß, und sechstausend dreyhun dert zu Pferde. Die Pest, welche damals die Stadt mit=(Die Apolli narischen Spiele wer den zu jährli chen Spielen gemacht. Livius XXVII. 23.) nahm, gab dem Volke Gelegenheit, die A pollinarischen Spiele auf alle Jahre, und zwar auf den 5 Julius, fest zu setzen. Die Besorgniß wegen der Arretiner ver mehrte sich von Tag zu Tag, der Senat schrieb also an den Proprätor Tubulus, daß(Die Arreti ner werden gezwungen Geissel zu ge ben. Livius XXVII. 24.) er ihnen alsobald Geissel abfodern solle. Es ward zugleich C. Terentius Varro mit ge schickt, welcher Befehl hatte, sie in Empfang zu nehmen, und nach Rom zu führen. So bald als dieser mit seinen Trupen angelangt war, so legte er in alle Theile der Stadt Besatzungen, ließ die Rathsglieder auf den öffentlichen Markt zusammen ruffen, und be fahl ihnen Geissel zu geben. Als sie sich aber zwey Tage Zeit zum berathschlagen ausba ten, erklärte er ihnen, wann sie nicht den Augenblick gehorchten, so würde man mor gen des Tages allen Rathsgliedern ihre Kin der wegnehmen. Er befahl hierauf den Of ficiers, an den Thoren wohl Acht zu haben, damit niemand aus der Stadt entkommen könne. Die Nachläßigkeit aber, mit wel cher man diesem Befehle nachkam, machte, daß sieben der vornehmsten Rathsglieder noch vor der Nacht mit ihren Kindern ent wichen. Den Tag darauf wurden ihre Gü ter eingezogen und verkaufft. Von den übri gen Rathsherren nahm man 26 Geissel, wel
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) che nach Rom gebracht wurden. Uebrigens wurden noch andre sichre Maaßregeln ge nommen, sich der Stadt zu versichern. (Man über legt die Ta rentinischen Angelegen heiten im Rath. Livius XXVII. 25.) Hierauf wurden die Tarentinischen An gelegenheiten in Gegenwart des Fabius mit vieler Heftigkeit im Rathe getrieben. Wie dieser General alle seine Kräffte angewendet hatte, die Tarentiner wieder zum Gehor sam zu bringen, so wandte er nunmehr alle sein Ansehen an, sie zu vertheidigen. Alle die übrigen waren wider sie, und behaupte ten, daß sie gleiche Schuld mit den Campa nern hätten, und also eben so strenge müß ten gestrafft werden. Nach vielen Streiten fiel endlich der Rath der Meinung des Ma nius Acilius bey, und beschloß, daß man ei ne starke Besatzung in die Stadt legen wol le, die Bürgen sollten in ihren Mauren ein geschlossen bleiben, und wann in Zukunfft die Ruhe in Jtalien würde hergestellet seyn, so könne man die Sache aufs neue untersu chen. (Die Sache des Livius.) Nicht weniger uneinig war man, wie man mit dem M. Livius, dem Befehlshaber der Tarentinischen Citadelle verfahren solle. Ei nige wollten, man solle ihn bestraffen, weil er aus Nachläßigkeit die Stadt den Feinden überliefert habe. Andre meinten, man müs se ihn belohnen, weil er die Citadelle ganzer fünf Jahr vertheidiget habe, und weil man es ihm verdanken müsse, daß Tarent wieder sey erobert worden.Es ist wahr, sagte Fabius lächelnd:denn wann Livius die
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Stadt nicht verlohren hätte, so hätte(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) ich sie nicht können einnehmen. Die Sache hatte keine weitere Folgen. Die beyden Consuls hatten sich in Apu lien zusammen gezogen, und ihre verschiede nen Läger zwischen Venusia und Bantia aufgeschlagen, ungefehr eine Meile von ein ander. Hannibal verließ das Gebiete der Lokrer, und nahte sich ihren Armeen. Die Consuls waren beyde von lebhaffter und hi tziger Gemüthsart, und stellten also fast alle Tage ihre Trupen in Schlachtordnung, in dem sie den Krieg gewiß glücklich zu enden hofften, wenn Hannibal so verwegen seyn sollte, mit zwey consularischen Armeen das Treffen zu wagen. Allein davon war der Carthaginensische General weit entfernt. Er begnügte sich einzig mit Fallstricken, welche ihm gemeiniglich wohl ausschlugen, und dachte auf nichts, als wie er die Feinde in dieselben ziehen wollte. Weil zwischen den beyden Armeen nur(Ein Trup von den Rö mern verfällt in des Hanni bals Fallstri cke.) kleine Scharmützel vorfielen, worinne beyde Theile wechselsweise die Oberhand behielten, so glaubten die Consuls, man könne unter dessen die Belagerung von Lokri vornehmen. Sie gaben also einem Theile der Trupen, welche in Tarent zur Besatzung lagen, Be fehl, die Stadt auf der Lantseite zu umse tzen, mittlerweile sie L. Lincius, der Prätor in Sicilien, zu Wasser belagern solle. Han nibal bekam hiervon Nachricht, und schickte 3000 Mann zu Fusse, und 2000 zu Pfer
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) de, welchen er befahl, sich auf dem Wege von Tarent nach Lokri in Hinterhalt zu le gen. Die Römer, welche den Weg auszu kundschafften niemanden vorweg geschickt hatten, fielen also in dieses Netz. Die Fein de machten auf der Stelle bey nahe zwey tausend Mann nieder, und auf zwey hundert Gefangene. Die übrigen nahmen die Flucht, zerstreuten sich auf dem Felde und in den Wäldern, und flohen endlich nach Tarent wieder zurück. (Neue Fallstri cke des Han nibals. Mar cellus wird getödtet.) Zwischen den Lagern der Carthaginenser und Römer war ein Hügel, der voller Höh len und stark mit Hecken bedeckt war. Die Römer wunderten sich, daß Hannibal, da er doch zuerst an diesen Ort gekommen, ei nen so bequemen Platz nicht eingenommen hatte: allein eben dieses hätte ihnen verdäch tig seyn sollen. Er hatte des Nachts eini ge Numidische Geschwadern abgeschickt, mit dem Befehl, sich mitten in dem Gesträuche des Tags über, ohne die geringste Bewe gung, verborgen zu halten, damit sie von den Römern nicht gemerkt, oder von dem Glanze ihrer Waffen verrathen würden. Jn dem Lager des Marcellus gedachte und redte man jetzo von nichts anders, als wie man sich den Absichten des Feindes am be sten gemäß erzeigen wolle. Man sagte, man müsse sich dieses Hügels bemächtigen, und sich darauf verschanzen; denn wenn Hannibal ihnen zuvor käme, so hätten sie ihn alsdann über den Köpfen. Der Consul
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Marcellus ward durch diese Reden gerührt,(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) und sagte zu seinem Collegen,warum gehen wir nicht selbst mit einer kleinen Anzahl von Reutern an diesen Ort? Wann wir diesen Posten mit unsern eignen Au gen untersuchen, so werden wir in un serm Unternehmen desto sicherer seyn können. Kömmt dieses aber einem Feld herrn und Consul zu? Crispinus war es zufrieden. Sie giengen also sogleich mit zweyhundert und zwanzig Reutern, mei stens Hetruskern, vierzig ausgenommen, wel ches Fregellaner waren, ab. M. Marcel lus, des Consuls Sohn, und andere Offi ciers, begleiteten sie. Die Feinde hatten ei nen Soldaten ausgestellet, welcher, ohne von den Römern gesehen zu werden, alle Bewe gungen, welche sie in ihrer Armee machten, entdecken konnte. Dieser gab sein Zeichen, und die in dem Hinterhalt liessen den Mar cellus bis an den Fuß des Hügels kommen. Sie brauchten so gar die Vorsicht, ihren Platz nicht eher zu verlassen, bis einige von ihnen, zur rechten und zur linken Hand, ei nen kleinen Umschweiff gemacht, und also dem Feinde in den Rücken gekommen wa ren. Nunmehr erhoben sie sich, und stürz ten sich alle zugleich, mit einem entsetzlichen Geschrey, auf den Römischen Trup. Die Consuls sahen, daß es eben so unmöglich sey, die Höhe zu gewinnen, welche die Fein de besetzt hatten, als sich zurück zu ziehen, indem sie von allen Seiten umringet waren;
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) dahero entschlossen sie sich zur äussersten Ge genwehr. Sie würden ihnen auch den Sieg lange zweifelhaft gemacht haben, wann nicht die Flucht der Hetrusker das Schrecken über die andern gebracht hätte. Unterdessen hörten die Fregellaner, welche sich von ihren Gefährten verlassen sahen, doch nicht auf sich zu vertheidigen, so lange sie die Consuls an ihrer Spitze sahen, welche sie durch ihr Ex empel und durch ihr Zureden auffrischten. Als sie aber sahen, daß beyde verwundet waren, und Marcellus sogar, mit einer Lan ze durchstochen, todt vom Pferde stürzte; so nahm der wenige Ueberrest mit dem Crispi nus, der mit zwey Wurfspiessen durchschos sen war, und dem jungen Marcellus, wel cher auch nicht unverwundet geblieben, die Flucht. Der Tribun Aulus Manlius, und M. Aulius, einer von den Anführern der Bundsgenossen, blieben, der andre aber, L. Arennius, ward zum Gefangenen gemacht. Fünfe von den Lictors der Consuls fielen le bendig in die Hände der Feinde, die übrigen wurden getödtet, oder entflohen mit dem Crispinus. Drey und vierzig Reuter wur den theils im Streite, theils in der Flucht niedergemacht, und achtzehn darvon nahm man gefangen. Man machte eben in dem Lager einige Bewegung, den Consuls zu Hülffe zu eilen, als man den Crispinus und den Sohn seines Collegen, beyde verwun det, nebst dem traurigen Reste dieser un glücklichen Begebenheit, zurück kommen sahe.
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Man kan dem Marcellus den Ruhm nicht(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) streitig machen, daß er einer von den grösse sten Römischen Generalen gewesen sey. Fa bius und er halfen beyde, ob gleich auf ver(Gegeneinan derhaltung des Fabius und Marcel lus. Plut. in Fab. 185. Ebend in Marc.) schiedene Art, die Republic retten; und man hat mit Grund den einen RomsSchild, den andern Romsdegen genennet. Fabius war von gesetzter und standhaffter Gemüths art. Er gieng niemals von dem Plane, den er sich zuerst gemacht, ab, welches, wenig stens im Anfange, durchaus nöthig war, da mit die Umstände wieder ein ander Ansehen ge winnen, und die niedergeschlagnen Truppen neuen Muth fassen könnten. Er war ei nem Flusse gleich, welcher ohne Geräusche rinnet, und doch immer seinen Weg zurück legt. Seine einzige Absicht war, den Feind, welchen die erfochtenen Siege übermüthig gemacht hatten, unvermerkt zu schwächen; und es gelang ihm. Marcellus gegentheils war von einer hitzigen und aufwallenden Tapferkeit. Auf das Schreken, welches die Römer befallen hatte, ließ er sogleich eine un gedultige Begierde zu streiten folgen. Er erhöhete ihren Muth so sehr, daß sie dem Feinde den Sieg nicht nur schwer, sondern so gar streitig machten. Er stand dem Han nibal alle Augenblicke im Wege, wie ein un gestümer Strom, welcher alle seine Absich ten niederriß und seine Unternehmungen zer störte. Durch jenes Standhafftigkeit also, die sich beständig nur vertheidigend verhielt,
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) und durch kühne Lebhafftigkeit, welche alles wagte, ward Rom erhalten. (Der Tod des Marcellus ist nicht zu ent schuldigen. Livius XXVII. 27.) Man muß aber gestehen, wenn auch ihr Leben beynahe gleich rühmlich war, von so verschiedner Art, als ihre Verdienste seyn mochten; daß das Ende des Marcellus der weisen Langsamkeit des Fabius den Vorzug zu geben scheinet. Dieser Tod(*), so be weinenswerth er war, so sehr war er auch zu tadeln. Er hatte nicht allein seine eigne Person, sondern auch seinen Collegen, und zu gleicher Zeit die ganze Republick durch seine Lebhafftigkeit, welche weder seinem Al ter (denn er war schon über 60 Jahr alt,) noch der Klugheit eines alten Feldherrn an ständig war, in die äusserste Gefahr gesetzt. Wann die Gegenwart eines Generals noth wendig ist, oder den Ausschlag einer wich tigen Handlung geben muß, alsdann muß er seine Person wagen. Wann aber der aus dem Siege zu hoffende Vortheil nur mäßig ist, oder wann er durch seine Gefahr alles in Gefahr setzt, so ist es alsdann keine Tapferkeit, sondern Tollkühnheit. Er muß allezeit überlegen, daß ein unendlicher Unter scheid zwischen einem Soldaten und einem General sey. Er muß sich wagen, wie es 17
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einem Generale anständig ist; als das(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) Haupt, nicht als die Hand; als der, der die Befehle geben, nicht als der, der sie aus führen muß. Euripides sagt in einem seiner Stücke,wenn ein General sterben muß,(Plut in der Vergl. des Pelop und Marc.) so muß er sein Leben in den Händen der Tugend lassen. Er will damit sagen, daß keine Tapferkeit ohne Klugheit seyn könne, und daß die Tugend allein, nicht eine eitle Begierde nach Ehre, Recht über das Leben eines Feldherrn habe: denn die erste Pflicht der Tapferkeit ist, denjenigen zu retten, wel cher die andern retten kan. Appianus merkt(Appian. in bell. An- nib. 342.) auch an, daß ihn Hannibal als einen Sol daten gelobt, als einen General aber geta delt habe. Hannibal wollte sich das Schrecken, wel=( Hannibal fällt in seine eignen Schlingen.) ches der Tod des Marcellus, und die Ver wundung des Crispinus unter seinen Feinden verursachen mußte, zu Nutze machen, er la gerte sich also auf dem Hügel, an dessen Fus se der Streit vorgefallen war. Er fand den Cörper des Marcellus daselbst, und ließ ihn begraben. Crispinus war über den Tod sei nes Collegen und seiner eignen Wunden so bestürzt, daß er sich die folgende Nacht, auf das näheste und höchste Gebürge, welches er antraf, zurückzog, und sein Lager daselbst so verschanzte, daß er von keiner Seite konnte angegriffen werden. Bey dieser Gelegenheit zeigten beyde Ge nerale viel Geschicklichkeit und Klugheit, der eine seinen Feinden Schlingen zu legen, der
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) andre sie zu vermeiden. Der Ring des Marcellus war mit seinem Cörper in die Hän de des Hannibals gekommen. Crispinus be fürchtete, er möchte sich desselben, die Bunds genossen zu betriegen, bedienen, er schrieb al so an alle herumliegende Städte, daß sein College getödtet worden, und sein Siegel in die Hände des Hannibals gefallen wäre, daß sie folglich den Briefen, welche etwa un ter des Marcellus Nahmen und Siegel an sie kommen möchten, keinen Glauben zustel len sollten. Diese Vorsicht war nicht ver gebens. Kaum war der Bote des Crispi nus in Salapia angelangt, als man einen Brief von dem Hannibal erhielt, welcher im Nahmen des Marcellus geschrieben war, und worinne er meldete, daß er die nächste Nacht nach Salapia kommen würde, und daß die Besatzung sich fertig halten solle, seinen Befehlen, im Fall daß er sie brauch te, nachzukommen. Die in Salapia merk ten so gleich den Betrug, und weil sie versichert seyn konnten, daß Hannibal, durch ihre Verrätherey aufgebracht, keine Gelegenheit sich zu rächen vorbey lassen wür de, so schickten sie den Boten des Hannibals, welcher ein Römischer Ueberläuffer war, wie der zurück, damit sie ohne Zeugen, die gehö rigen Maaßregeln wider die List ihres Fein des nehmen könnten. Die Officiers stellten die Bürgen auf die Mauren der Stadt, und an alle Orte, wel che bewacht zu werden nöthig waren. Sie
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befahlen den Wachen diese Nacht mit be(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) sonderer Sorgfalt Acht zu haben, und stell ten die Tapfersten von der Besatzung an das Thor, an welchem Hannibal, wie sie ver mutheten, ankommen würde. Er kam auch in der That gegen das Ende der Nacht. Die Römischen Ueberläuffer giengen voran, sie waren Römisch gekleidet, sie sprachen al le Lateinisch, und rufften den Wachen zu, die Thore dem Consul, der ihnen nachfolge, auf zu machen. Die Wachen thäten auch, als ob sie sich auf ihren Zuruff in Bewegung setzten, und die Thore aufzumachen bemüht wären. Das Schutzgatter war niederge lassen, sie arbeiteten also, es mit Hebeisen und Stricken in die Höhe zu bringen. Kaum sahen die Ueberläuffer, daß es hoch genug aufgezogen war, so krochen sie in grosser Menge darunter weg. Als aber beynahe auf 600 hineingelassen waren, so machte die Wache den Strick, welcher das Gatter in der Höhe hielt, plötzlich loß, daß es mit grossem Geprassel hernieder fiel. So gleich warffen sich die Einwohner auf die hineinge drungenen Ueberläuffer, welche ihre Waffen ganz nachläßig auf den Rücken gehangen hat ten, als Leute, welche unter Freunden und Bundsgenossen nichts befürchten dürfften. Diejenigen aber von dem Feinde, welche vor dem Thore geblieben waren, wurden mit Stei nen, Balken und Pfeilen, die man häuffig auf sie warf, abgewiesen. Hannibal fiel al so in seine eigne Schlingen, und zog sich vol
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) ler Verwirrung zurück. Er gieng auf Lokri zu, um die Stadt zu entsetzen, die von dem Lincius mit allerley Arten von Maschinen, die er mit aus Sicilien gebracht hatte, hefftig bestürmet wurde. Magon, der diesen Ort vertheidigte, hatte nicht viel Hoffnung sich lange zu erhalten, als ihm die Nachricht von des Marcellus Tode neuen Muth machte. Weit mehr aber wurde er durch die Ankunft des Hannibals vermehrt, welcher die Numidische Reuterey voran schickte, und mit dem Fußvolke in möglichster Geschwindigkeit nachfolgte. So bald er also aus dem Zeichen, welches man ihm von einer Höhe gab, merkte, daß die Numidier in der Nähe wären, ließ er die Thore öffnen und stürzte mit einer solchen Verwegenheit und Wuth auf die Feinde, daß sich die Belagerer entsetzten. Dieses Entsetzen vielmehr, als die Gleichheit der Kräffte, machte, daß der Streit Anfangs zweifelhafft war. So bald aber die Numidier ankamen, so flohen die Römer voll Bestür zung in ihre Schiffe zurück, und liessen alle Maschinen, welche sie zur Bestürmung der Stadt gebraucht hatten, in der Gewalt der Carthaginenser. Diese Belagerung ward also durch die blosse Ankunft des Hannibals aufgehoben. (Der Consul Crispinus schreibt an den Senat, und berichtet ihm den Tod) Als Crispinus erfuhr, daß sich Hannibal in das Gebiete der Brutier gezogen, so be fahl er dem Tribun Marcus Marcellus, wel cher wahrscheinlicher Weise nur sehr leichte
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mochte seyn verwundet worden, das Heer,(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) welches sein College commandiret, nach Ve nusia zu führen. Er selbst gieng mit seinen Legionen nach Capua, wohin er sich in einer(des Marcel lus, worauf er verschiede ne Befehle erhält. Liv.XXVII. 29.) Sänfte mußte tragen lassen, und auch die ses konnte er, wegen seiner gefährlichen Wun den, kaum aushalten. Bey seinem Abzuge schrieb er an den Senat, und berichtete ihm den Tod des Marcellus, und die Gefahr, worinne er sich selbst befunden. Er schrieb, „daß er nicht nach Rom kommen könne, der Magistratswahl vorzustehen, weil er, aus ser seinen übeln Umständen, worein ihn sei ne Wunden gesetzet, befürchten müsse, Han nibal möchte, da er sich jetzo in dem Gebie te der Brutier befände, gegen die Stadt Tarent etwas unternehmen. Er bäte al so, ihm einige verständige und erfahrne Rathsglieder zuzuschicken, mit welchen er sich berathschlagen könne.“ Dieser Brief verursachte zu gleicher Zeit viel Schmerz über den Tod eines Consuls, und viel Besorgniß für das Leben des andern. Sie schickten den Q.Fabius, den Sohn, zur Armee nach Venusia, an den Consul aber drey Abgeordnete, den Sextus Julius Cäsar, den L. Licinius Pollio, und L. Curius Alimentus, welche seit einigen Tagen aus Sicilien zurück gekommen waren. Sie hat ten Befehl ihm zu sagen, daß wenn er nicht selbst nach Rom kommen könne, so solle er einen Dictator ernennen, welcher in den
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) Versammlungen, statt seiner, den Vorsitz habe. Jn eben diesen Feldzuge schiffte M. Va (Die Römi sche Flotte schlägt die Carthaginen sische bey Clupea. Liv. ebend.) lèrius, mit einer Flotte von zweyhundert Schif fen, von Sicilien nach Africa über. Er that bey Clupea eine Landung, und verwüstete die umliegende Gegend, ohne den geringsten Widerstand zu finden. Allein er wurde ge nöthigt schleinig wieder zu Schiffe zu gehen, weil er erfuhr, daß die Carthaginensische Flot te, welche aus 83 Schiffen bestand, in der Nähe sey. Er griff sie nicht weit von Clu pea an, und schlug sie. Achtzehn Schiffe nahm er weg, und nachdem er die übrigen zerstreuet, kam er mit grosser Beute nach Li lybäum zurück. (Griechische Angelegen heiten. Livius XXVII. 30 32.) Griechenland war damals in grossen Un ruhen, welche die Römer theils anstifteten, theils unterhielten, damit sie dem Philippus etwas zu thun machten. Diejenigen, wel che die vornehmsten Rollen spielten, waren auf einer Seite die Aetolier, welche von den Römern unterstützt wurden, auf der andern (im VIII. Theile.) Philippus und die Acheer. Jch habe in der alten Historie von diesen Begebenheiten gere det, wohin sie eigentlich gehörten. Woran aber die Römer den meisten Antheil nehmen, das werde ich in der Folge erzählen. (Tod des Consuls Cri spinus.) Zu Ende dieses Jahrs starb der Consul T. Quintius Crispinus, nachdem er einen Dictator, die Versammlungen zu halten, er nennet hatte. Dieser war T. Manlius Tor
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quatus, welcher den Cn. Servilius zum Ge(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) neral der Reuterey ernennte. Da sich nun die zwey consularische Ar meen ohne Generale dem Feinde so nahe be fanden, so war, mit Hintansetzung aller an dern Sachen, des Senats erste Sorge auf das ehste Consuls zu erwählen, deren Klug heit und Tapferkeit sie für die Arglist des Hannibals in Sicherheit setzen könne. Sie überlegten, „daß aller Verlust, welchen sie in diesem Kriege erlitten, allein der unge stümen und aufwallenden Gemüthsart ih rer Generale zuzuschreiben sey: daß sich be sonders in diesem letzten Jahre die Con suls, aus allzugrosser Begierde mit dem Hannibal zu streiten, selbst ins Unglück ge stürtzt hätten: daß aber die Götter, nach ihrer Gnade und Barmherzigkeit, die Arme en, welche an diesen Fehlern keinen Theil gehabt, verschonet, und nur die Consuls we gen ihrer Verwegenheit bestraft hätten.“ Die Rathsglieder untersuchten, auf wen sie bey der Wahl zum Consulate zu sehen hätten, und urtheilten, daß C. Claudius Ne ro diese Ehre für allen andern verdiene. Sei ne vortreflichen Eigenschaften waren be kannt, weil er aber gleichwohl, für gegenwär tige Umstände, von einer allzuhitzigen und verwegenen Gemüthsart zu seyn schien, so hielt man dafür, man müsse ihm einen Col legen geben, dessen gesetzte Klugheit sein Feu er zu mäßigen geschickt wäre. M. Livius war unterschiedne Jahre vor
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) her bey Niederlegung seines Consulats durch ein Urtheil des Volks verdammt worden. Dieser Schimpf war ihm so empfindlich ge wesen, daß er sich auf das Land begeben hat te. Es waren acht Jahr verflossen, ohne, daß er einen Fuß nach Rom gesetzt, weil er durchaus mit so ungerechten und undankba ren Bürgern nichts wollte zu thun haben. Jetzo, zu Ende dieser Zeit, überredeten ihn die Consuls M. Marcellus und M. Valerius wieder in die Stadt zu kommen. Er blieb aber beständig in seinem Hause eingeschlos sen, nahm keinen Antheil an den öffentlichen Geschäften, behielt beständig ein trauriges und finsteres Gesicht, und ließ seinen Bart und seine Haare wachsen. Endlich nöthig ten ihn die Censors L. Veturius und P. Li cinius, diese Zeichen eines so anhaltenden Verdrusses abzulegen, und wieder in den Rath zu gehen. Er gab ihrem Ansehen nach: man mochte aber vornehmen was man wollte, so öffnete er niemals den Mund, und wenn es hoch kam, foso gab er seine Mey nung mit einem Worte. Endlich aber brach er sein Stillschweigen, einen seiner An verwandten in einer Ehrensache zu vertheidi gen, welches M. Livius, der Befehlshaber zu Tarent, ohne Zweifel seyn mochte, von dem wir im Anfange dieses Jahrs geredet haben. Diese unerwartete That kehrte die Augen und die Aufmerksamkeit des Raths auf ihn. Jeder machte seine Betrachtungen. Man sagte, „das Volk habe ihn ungerechter Wei
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se verdammt; es wäre kein geringer Scha(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) de für die Republik, daß sie in einem so wichtigen Kriege die Hülfe und den Rath eines Mannes, der ihr so nützlich seyn kön̄te, hätte entbehren müssen; und das einzige Mit tel, diesen Fehler gut zu machen, wäre, wenn man ihn dem Nero zum Collegen gäbe.“ Das Volk fiel diesem Vorschlage willig bey. Nur Livius allein setzte sich der allge meinen Einwilligung der Stadt entgegen. Er warf ihnen ihre Unbeständigkeit vor.Jhr habt euch, sagte er,durch meine trauri ge Bitten, durch mein leidtragendes, und einem Beklagten anständiges äusser liches Bezeigen nicht rühren lassen; und jetzo tragt ihr mir den Purpur wider meinen Willen an. Jhr überhäufft einer ley Person mit Schimpf und Ehre. Wann ihr glaubt, daß ich ein redlicher Mann bin, warum habt ihr mich verdammt? Wann ihr glaubt, daß ich strafbar bin, warum tragt ihr mir das Consulat zum andernmale an, da ihr das erstemal so schlecht mit mir zufrieden gewesen? Die Rathsglieder bemühten sich ihn zu rechte zu bringen, „indem sie ihm das Exempel des Camillus vorstellten, welcher aus seinem Elende, wohin er ungerechter Weise verwie sen worden, zurückgekommen wäre, Rom aus den Händen der Gallier zu erretten. Sie stellten ihm vor, (*) daß man den ü 18
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) beln Begegnungen des Vaterlandes, so wie dem harten Verfahren eines Vaters oder einer Mutter, nichts als Gedult und Sanftmuth entgegen setzen müsse.“ Und endlich überwanden sie auch seine Hartnä ckigkeit, und nöthigten ihn das Consulat nebst dem Nero anzunehmen. (Livius XXVII. 35.) Drey Tage nachher schritte man zur Wahl der Prätors, und alsdann zur Aus theilung der Provinzen. T. Manlius erhielt Befehl mit dem Titel eines Abgesandten zu Schiffe zu gehen, die griechischen Angelegen heiten zu untersuchen: und weil diesen Som mer gleich die Olympischen Spiele (*) ge feyret wurden, bey welchen gemeiniglich alle griechischen Völker in grosser Menge zuge gen waren, so war ihm zugleich aufgetragen, diesen Versammlungen, wann er sicher durch des Feindes Land kommen könne, selbst bey zuwohnen, und daselbst den Sicilianern, welche der Krieg aus ihrem Lande vertrieben hatte, und den Bürgern von Tarent, wel che von dem Hannibal waren verwiesen worden, zu erklären, daß ihnen das Römi sche Volk erlaube wieder in ihr Vaterland zu kehren, und die Güter, welche sie vor dem Kriege besessen, wieder in Besitz zu neh men. Da das Jahr, in welches man nunmehr trat, der Republik sehr grosse Gefahren 19
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drohete, und die Consulate gleichwohl ledig(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) standen, so waren aller Augen auf die gerich tet, welche man darzu bestim̄t hatte; und man wünschte eyfrig, daß sie je eher je lieber loo sen möchten, damit jeder von ihnen bey Zeiten wisse, welche Provinz ihm zugehöre, und den Feind kenne, mit welchem er zu thun habe. Fabius brachte zugleich in Vorschlag, daß(Nero und Livius ver tragen sich wieder. Liv. ebend. Val. Max. IV. 2.) sie sich, ehe sie zu ihren Armeen abgiengen, mit einander vertragen sollten. Die Ursa che ihrer Uneinigkeit war, weil Nero wider den Livius bey seiner Verdammung gezeuget hatte. Livius war beständig der unversöhn lichste gewesen, weil er glaubte, er sey in der Zeit seines Unglücks von ihm veracht wor den, und die Verachtung bey solchen Um ständen ist allezeit am schmerzlichsten. Er widerstand also allen Vorstellungen, welche man ihm that, und gab so gar vor, daß ih re Uneinigkeit dem Staate nützlich seyn werde, weil jeder von ihnen seine Pflicht mit desto mehr Eyfer beobachten, und sich desto sorgfältiger in Acht nehmen würde, damit sein Feind niemals einigen Vortheil über ihn erhielte. Endlich aber gab er doch dem Ansehen des Senats nach, und die Versöh nung ging auf beyden Seiten, wie man in der Folge sehen wird, voller Aufrichtigkeit vor sich. Ein grosses Lob für beyde Con suls, und besonders für den Livius! Nie mals ist die Ursache einer Feindschaft lebhaf ter und empfindlicher gewesen, und gleich wohl erstickten sie, in Ansehung des gemei
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(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) nen Besten, und aus Achtung für so viel ehr würdige Rathsglieder, nicht nur ihren Haß, sondern errichteten auch unter einander ei ne Einigkeit, welche die Frucht einer alten und beständigen Freundschaft, die niemals einige Veränderung erlitten, zu seyn schien. Man gab den Consuls nicht, wie man das vorige Jahr gethan hatte, an einander liegende Provinzen, wo sie aus vereinigten Kräften und Rathschlägen hätten handeln können, sondern man schickte sie in die zwey äussersten Theile Jtaliens, so daß der eine das Gebiete der Brutier und Lucanien, wo er dem Hannibal die Spitze bieten sollte, zu seinem Antheile bekam, da unterdessen der andre in das cisalpinische Gallien dem Asdru bal entgegen gehen solle: denn man hatte er fahren, daß er im Begriff sey über die Al pen zu gehen, und diese Nachricht hatte den Römern nicht wenig Bekümmerniß verur sacht. (Zählung des Volks. Livius XXVII. 36.) Jn diesem Jahre brachten die Censors P. Sempronius Tuditanus, und M. Cornelius Cethegus die Zählung des Volks zu Stande, und dieses zwar zum erstenmale, seit dem Hannibal in Jtalien war. Man fand bey dieser Zählung hundert und sieben und dreys sig tausend, ein hundert und acht Bürger, das ist ungefehr die Hälfte (*) weniger, als 20
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vor dem Kriege. Denn das Jahr vorher,(d. 544. J. n. R. E. d. 208. J. v. C. G.) ehe Hannibal nach Jtalien kam, belief sich die Anzahl der Bürger auf zwey hundert und siebzig tausend zweyhundert und dreyßig. Jn diesem Jahr bedeckte man auch den(Der Ort der Versam̄lun gen wird be deckt.) Theil des Markts, welcher Comitium ge nennet wurde, wo man die Reden vor dem Gerichte hielt, nicht weit von dem Orte, an welchem sich der Rath zu versammlen pfleg te: Curia.

____C. Claudius Nero.(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) ____M. Livius, zum zweytenmale.

Nachdem man den verschiedenen Pflich(Die Consuls werben mit neuer Stren ge. Livius XXVII. 38.) ten der Religion ein Genüge gethan, so dach ten die Consuls vornehmlich auf die Wer bung der Soldaten, welche mit weit mehr Strenge als in den vorigen Jahren ange stellet wurde. Die Ankunft eines neuen Feindes in Jtalien hatte die Furcht und Un ruhe der Generale vermehret, und da die An zahl der jungen Leute sich merklich verringert hatte, so waren die neuen Soldaten desto schwerer aufzubringen. Jedermann war der Meynung, die Con suls sollten auf das schleinigste zu ihren Arme en abgehen. Denn man hielt für nöthig, daß sich der eine dem Asdrubal, sobald er von
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) den Alpen kommen würde, entgegen stelle, da mit er nicht die Einwohner in dem cisalpini schen Gallien und die Hetrurier zum Aufstan de brächte, welche ohnedem auf nichts als auf die Gelegenheit, sich wider die Römer zu er klären, warteten: Der andere aber müsse dem Hannibal in dem Gebiete der Brutier etwas zu thun machen, damit er seinem Bru der nicht entgegen gehen könne. Damit ihre Abreise beschleinigt und alle Schwierigkeiten gehoben würden, so gab ihnen der Senat freye Gewalt, aus allen Armeen diejenigen, welche sie am liebsten haben wollten, aus zu lesen, beliebige Verwechselungen zu machen, und die Officiers aus einer Provinz in die andre zu versetzen, wie sie es der Republik zuträglich zu seyn erachten würden. Die Consuls bedienten sich dieser Freyheit, welche man ihnen einmüthig ertheilet hatte. Einige Schriftsteller merken an, daß Sci pio dem Livius sehr ansehnliche Hülfe aus Spanien zugeschickt habe: nehmlich acht tau send theils Spanier, theils Gallier, zwey tau send Römer, welche er von einer Legion ab gesondert hatte, und ohngefehr achtzehn hun dert halb Spanische halb Numidische Reu ter; und diese hätte M. Lucretius zu Wasser nach Jtalien bringen müssen. Deßgleichen habe ihm C. Mamilius aus Sicilien ohnge fähr auf vier tausend Schleuderer und Bo genschützen gesendet. (Asdrubal geht über die Alpen.) Die Briefe, welche man in Rom von dem Prätor Porcius, welcher damals in dem cis
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alpinischen Gallien war, erhielt, vermehrte(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) die Unruhe, in der man wegen des Ueber ganges des Asdrubal war. Sie meldeten, daß er aus seinen Winterquartieren gerückt,(Livius XXVII. 39. App. 343.) und im Begriff wäre über die Alpen zu ge hen. Es hätten sich auf acht tausend Li gurer versammelt, welche nicht ermangeln würden zu ihm zu stossen, sobald er in Jtali en seyn würde, wenn man ihnen nicht zuvor käme und Truppen gegen sie in ihr eigen Land schickte. Was ihn anbelange, so wol le er anrücken, so weit er es, ohne eine so schwache Armee, wie die seinige wäre, in Ge fahr zu setzen, thun könne. Die Briefe nö thigten die Consuls ihre Werbungen zu be schleinigen, und sich eher als sie es vorher Willens waren in ihre Provinzen zu bege ben, damit jeder den Feind in seiner Provinz zurück halten und die Vereinigung dieser zwey Brüder verhindern könne. Was am meisten zum glücklichen Fort gange dieses Vorsatzes beytrug, war die ei gne Meynung des Hannibals. Denn ob er gleich hoffte, daß sein Bruder noch diesen Sommer nach Jtalien kommen werde, so glaubte er doch schwerlich, daß er diesen be schwerlichen Weg, wo er selbst so viel Hin dernisse, ganzer fünf Monate über, gefun den, so leichte als er zurück legen würde, und blieb daher weit länger als sonst in seinen Winterquartieren. Allein Asdrubal fand bey seinem Uebergan ge über dieses Gebürge weit weniger Schwie
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) rigkeit, als man überhaupt geglaubt und er selbst befürchtet hatte. Denn nicht allein die Arverner, sondern auch andre Gallische und Alpinische Völker nahmen ihn auf und folgten ihm so gar mit in den Krieg. Und ausserdem, daß sein Bruder den Weg, welcher vorher ganz ungangbar gewesen war, gebrochen hatte, so waren auch die Einwohner des Landes selbst, da sie seit zwölf Jahren so vie le Menschen hatten durchgehen sehen, weit geselliger und weniger wild geworden. Denn vorher hatten sie niemals Fremde auf ihren Bergen gesehen, und waren auch selbst nie mals aus ihren Gegenden gekommen ande re Völcker zu besuchen, sie standen also mit dem übrigen Reste der Menschen nicht in der geringsten Verbindung. Anfangs konnten sie auch die Absicht des Hannibals nicht ein sehen, und stellten sich vor, er hätte sein Ab sehen auf ihre Hütten und Festungen, er kä me ihnen ihre Heerden wegzunehmen, und sie selbst als Gefangene fortzuschleppen. Jn den zwölf Jahren aber, seit dem Jtalien der Schauplatz des Krieges geworden war, hatten sie Zeit einsehen zu lernen, daß die Alpen nichts als ein Uebergang wären, und daß zwey mächtige Nationen, welche eine unermeßne Weite von Wasser und Land von einander entfernt wären, um Herrschaft und Ehre stritten. Dieses war es also, was dem Asdrubal den Uebergang über die Al (App.) pen erleichterte. Er führte 48000. Mann zu
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Fuß, und acht tausend zu Pferde nebst funf(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) zehn Elephanten mit sich. Allein die Belagerung, welche er gegen die Stadt Placenz vornahm, machte, daß er(Asdrubal be lagert Pla cenz.) allen Vortheil, den er sich von seiner Ge schwindigkeit hätte versprechen können, ver lohr. Er glaubte, daß er sich leicht Meister von dieser Stadt, welche mitten auf einer Ebne lag, machen, und durch die Zerstö rung einer so berühmten Pflanzstadt das Schrecken über die andern alle bringen wür de. Und nicht alleine ihm, sondern auch dem Hannibal war dieses vergebne Unter nehmen nachtheilig. Denn als dieser sahe, daß sich Asdrubal, nachdem er eher in Jta lien gekommen, als er vermuthet hatte, um Placenz herum beschäftigte, so hielt er nicht für nöthig, so zeitig aus seinen Winterquar tieren zu rücken, indem er sich erinnerte, was für wenigen Fortgang seine eignen Anschlä ge, die er nach dem Siege bey Trebia auf Placenz gemacht, gehabt hätten. Als die Römer sahen, daß ihre Consuls bey ihrer Abreise jeder einen besondern Weg nahm, so wurde ihre Unruhe zwischen beyden so vertheilt, als wenn sie zu gleicher Zeit zwey besondre Kriege zu führen hätten. „Sie ge dachten an das Unglück, das Hannibal al lein in Jtalien angerichtet hatte. Konnten sie wohl hoffen, daß ihnen die Götter so sehr gnädig seyn würden, ihnen den Sieg wider zwey Feinde zugleich zu schenken? Sie überlegten, daß sie sich bisanhero
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) durch nichts als durch eine beständige, und meistentheils auf beyden Seiten gleich wich tige Abwechselung von Verlust und Vor theil erhalten hätten. Daß die Republik, nachdem sie durch die Niederlagen bey Thrasymen und Cannä ganz niedergeschla gen worden, durch den glücklichen Fortgang in Spanien von ihrem Falle einigermassen wieder aufgestanden sey. Daß auf den Verlust der zwey Scipionen, welche hinter einander in Spanien mit ihren Armeen ge schlagen und getödtet worden, bald unter schiedne Vortheile gefolgt wären, welche Rom in Sicilien und Jtalien wider den Feind erhalten habe. Uebrigens habe die Entfernung Jtaliens und Spaniens, wo sie dieses Unglück betroffen, den Römern immer Zeit sich zu erhohlen gegeben. Nun aber hätten sie zwey Kriege auf einmal in der Mitte Jtaliens auszuhalten; zwey schreck liche Armeen, welche von den zwey tapfer sten Generalen der Carthaginenser gefüh ret würden, lägen ihnen auf den Nacken; und die vorher getheilte Gefahr käme nun vereint auf einmal an einem Orte über sie. Welcher von beyden Brüdern am ersten siegen würde, der würde sich alsobald mit dem andern verbinden.“ Der kürzlich er folgte Tod beyder Consuls vermehrte ihre Bestürzung noch mehr, und stellte ihnen im Geiste nichts als traurige Vorbedeutun gen vor. Dergleichen Betrachtungen mach ten die Römer voller Unruhe und Besorg
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niß, als sie die beyden Consuls bey ihrer Ab(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) reise, wie gewöhnlich, begleiteten. Livius erzählt, daß Fabius, welcher bestän dig wachsam für das gemeine Beste war,(Harte aber unwahr scheinliche Antwort, welche Livius dem Fabius soll gegeben haben. Livius XXVII. 40.) und niemals den Plan aus dem Gesichte verlohr, dem er bisher so glücklich in Bestrei tung des Hannibals gefolgt war, den Con sul Livius bey seiner Abreise ermahnet habe, nichts zu wagen, er habe denn die Stärke und Gemüthsart dessen, mit welchem er strei ten wolle, genau erforscht.Jch will schla gen, antwortete Livius,so bald ich den Feind sehen werde. Und als ihn Fabius fragte, was ihn zu so einer Uebereilung nö thigen könne, antwortete ihm der Consul: Entweder ich erlange den Ruhm den Feind zu überwinden, oder ich geniesse das süsse obgleich ungerechte Vergnü gen mich an meinen Mitbürgern zu rä chen. Wann Livius würklich dergleichen Gesinnungen gehabt hätte, so hätten die Rö mer alles seinetwegen zu befürchten gehabt, und sich einen sehr schlechten Begriff von ihm machen müssen. Allein seine Aufführung wird mit seinen Reden so wenig überein kommen, daß man wird zweifeln müssen, ob er sie jemals geführt hat. Und in der That wäre die Warnung des Fabius bey dem Nero weit besser angebracht gewesen, denn dieser war von einer so hitzigen und auf wallenden Gemüthsart, daß man ihm den Livius ausdrücklich deßwegen zum Collegen
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) gegeben hatte, damit er seine Lebhaftigkeit einigermassen mäßigen möchte. Ehe noch Nero in seiner Provinz anlang te, hatte der Prätor C. Hostilius den Han nibal angegriffen, auf vier tausend von sei nen Leuten getödtet, und neun Fahnen er obert. (Hauptarmee des Nero.) Hostilius zog sich gegen Capua zu, und traf den Consul Nero bey Venusia an. Hier nun machte der General einen Aus schuß von beyden Armeen, welcher aus 40000 Mann zu Fuß und 2500 zu Pferde bestand, und dessen er sich gegen den Hannibal be dienen wollte. (Nero trägt einen Sieg über den Hannibal darvon. Livius XXVII. 41. 42.) Dieser hatte nun endlich alle seine Trup pen aus den Winterquartieren, und aus den Städten der Brutier, wo sie zur Be satzung lagen, gezogen, und war nach Gru mentum ins Lucanische gegangen, weil er die Städte daselbst, welche aus Furcht zu den Römern zurückgetreten waren, wieder weg zunehmen hoffte. Der Consul gieng gleich falls von Venusia dahin, lies die Oerter, wodurch er ziehen mußte, auskundschaften, und lagerte sich funfzehn hundert Schritte von dem Feinde. Zwischen dem Lager der Römer und Carthaginenser war eine Ebne, welche von einem freyen Hügel bestrichen wurde, der den Römern zur Rechten, und dem Feinde zur Linken lag. Diese Höhe konnte keinem Theile verdächtig seyn, weil sie weder Wald noch Höhlen hatte, und also zur Hinterlist gar nicht geschickt war.
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Mitten auf der Ebne fielen dann und wann(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) auf beyden Seiten kleine Scharmützel vor. Nero schien keine andre Absicht zu haben, als den Hannibal zurück zu halten, und zu verhindern, daß er ihm nicht entwische: Han nibal gegentheils wollte sich einen freyen Weg bahnen, und bemühte sich möglichst den Nero zum Treffen zu verleiten. Hier nun gebrauchte Nero eine List gegen den Han nibal, welche Hannibal selbst so oft gegen die Römer gebraucht hatte; er sonderte nehmlich einen Trup, fünf (*) Cohorten und zehn Compagnien stark, von seiner Ar mee ab, und befahl ihm des Nachts über den Hügel zu gehen, sich in dem Thale, wel ches darhinter lag, niederzulassen, und da selbst verborgen zu bleiben. Er glaubte, die se Kriegslist werde um desto glücklicher aus schlagen, je weniger ein so unbedeckter und freyer Hügel verdächtig seyn könne. Er war mit den zwey Officiers, die er diesem Trupe vorstellte, zugleich wegen der Zeit einig, wenn sie aus ihrem Hinterhalt hervorbre chen, und die Feinde anfallen sollten. Er selbst stellte mit Aufgang des Tages seine Trupen, Fußvolk und Reuterey, in Schlachtordnung. Jn eben dem Augenbli 21
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) cke gab auch Hannibal den Seinigen das Zeichen zum Treffen. Alsobald griffen sie zun Waffen, gingen plötzlich aus ihren Verschanzungen, und ruckten über die Ebne an den Feind. Nero sahe, daß sie mit mehr Eyfer als Ordnung ankamen, und befahl dem C. Aurunculejus mit der Reuterey von der dritten Legion, welche er als Tribun führte, so stürmisch als möglich in die Car thaginenser einzubrechen, und versicherte ihn, daß es, da sie auf der Ebne so vermengt un ter einander stünden, sehr leichte seyn wür de, sie über den Haufen zu werfen, ehe sie sich noch in Schlachtordnung stellten. Hannibal war noch nicht aus dem Lager gekommen, als er schon das Geschrey der Streitenden hörte. Sogleich führte er alle seine Trupen wider den Feind. Die Reu terey, welcher Nero gleich anfangs den An griff hatte thun lassen, hatte schon das Schre cken über die ersten Glieder der Carthaginen ser ausgebreitet. Die erste Legion und der rechte Flügel fing nunmehr das Treffen auch an. Die Carthaginenser kamen voller Unordnung bald mit der Reuterey, bald mit der Jnfanterie, zu streiten. Die Trupen, welche man denen, die am weitesten ange rückt waren, zu Hülfe schickte, vermehrten nach und nach die Verwirrung. Gleich wohl würde Hannibal, als ein alter und versuchter General, seine Leute gewiß noch in Schlachtordnung gebracht haben, wenn ihm nicht das Geschrey der Römischen Co
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horten und Compagnien, welche sich von(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) dem Hügel auf ihn stürzten, und ihn im Rü cken angriffen, hätte fürchten lassen, man möchte ihm den Weg zu seinem Lager ab schneiden. Und dieses war es, was die Car thaginenser vollends in Verwirrung brachte, und sie die offenbare Flucht zu ergreiffen nö thigte. Das Niedermetzeln war so groß nicht, weil sie sich gar bald in das nahe Lager für die Römische Reuterey retten konnten. Die se verfolgte sie scharf, und war ihnen bestän dig auf dem Fusse, da unterdessen die Co horten, welche von den Hügeln durch einen verdeckten Weg herabkamen, auf den Sei ten einbrachen. Unterdessen tödtete man doch mehr als acht tausend Mann: mehr als sieben hundert nahm man gefangen, und ero berte neun Fahnen; und obgleich die Elephan ten in einem so verworrenen Treffen nicht zu gebrauchen waren, so wurden doch viere davon getödtet, und zwey gefangen genom men. Die Sieger verlohren nicht mehr als fünf hundert Mann, theils Bürger, theils Bundsgenossen. Den Tag darauf hielt Hannibal in seinem Lager Rasttag. Nero stellte seine Leute in Schlachtordnung, da er aber sahe, daß nie mand zum Vorschein kam, so befahl er ih nen den Raub zusammen zu suchen, und die Cörper ihrer Cameraden auf einen Hauffen zu bringen, damit sie könnten verbrannt wer den. Unterschiedne Tage hinter einander
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) zeigte sich der Consul den Carthaginensern vor ihren Thoren mit solcher Verwegenheit, daß es schien, als ob er sie bestürmen wolle: bis endlich Hannibal, nachdem er viel Wach feuer hatte anmachen, und eine Menge Zel ter in demjenigen Theile des Lagers, welcher gegen den Feind zu stand, aufschlagen lassen, mitten in der Nacht fortzog, und nur eine kleine Anzahl Numidier zurück ließ, welche sich vor den Thoren und in den Verschan zungen zeigen mußten; mittlerweile er mit dem Reste der Armee in das Apulische rückte. Den Morgen darauf stellte sich die Rö mische Armee, wie gewöhnlich, in Schlacht ordnung. Die Numidier liessen sich, wie man ihnen befohlen hatte, eine Zeitlang auf den Verschanzungen sehen, die Römer auf zuhalten; bald aber sprengten sie mit verhan genen Ziegel fort, die Hauptarmee wieder einzuhohlen. Als der Consul sahe, daß so eine grosse Stille in dem Lager der Cartha ginenser herrsche, und daß selbst diejenigen, die man des Morgens vor den Thoren gese hen hatte, verschwunden wären, so schickte er zwey Reuter hinein, welche alle Oerter sorgfältig untersuchten, und endlich berichte ten, daß Hannibal das Lager gänzlich ver lassen habe. (Der zweyte Vortheil des Nero über den Hannibal. Livius XXVII. 42.) Gleich den Morgen drauf begab er sich auf den Marsch. Er verfolgte die feindliche Armee mit so grossen Tagereisen, daß er sie nahe bey Venusia einhohlte, wo er abermals das Treffen wagte, und zwey tausend Car
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thaginenser tödtete. Hannibal zog auch von(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) da wieder fort, marschierte die ganze Nacht durch, beständig über Berge, damit er ja nicht wieder mit dem Feinde handgemeng werden dürfte, und kam endlich in Metapont an. Hier schickte er alsobald den Hanno, welcher in dieser Gegend commandierte, mit einem kleinen Trup ab, neue Mannschaft in dem Gebiete der Brutier zu werben; und nachdem er die übrigen Trupen des Hanno mit den seinigen verbunden, kehrte er wieder nach Venusia, und rückte von da bis nach Canusium. Nero hatte nicht aufgehört ihn zu verfolgen; und als er auf Metapont zu gegangen war, hatte er den Q. Fulvius in das Lucanische kommen lassen, damit das Land nicht ohne Bedeckung bliebe. Hannibal spielt jetzo eine sehr traurige und ganz verschiedne Person, als er die ersten Jahre des Kriegs vorgestellet hatte. Die einzige Hülfe, die ihm übrig war, bestand in der Ankunft seines Bruders, von dem er mit Ungedult Nachricht erwartete. Nachdem Asdrubal war genöthiget wor den die Belagerung von Placenz aufzuhe ben, so hatte er vier Gallische und zwey Nu midische Reuter mit Briefen an den Hanni bal abgeschickt. Diese Reuter waren bestän dig, so lang als Jtalien war, glücklich durch die Feinde gekommen; als sie nun aber bald an Ort und Stelle waren, und zu dem Han nibal zu kommen suchten, welcher sich nach Metapont gewandt hatte, so verirrten sie
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) sich auf unbekannten Wegen bis nach Ta rent. Hier wurden sie von Römern, wel che auf Proviant ausgeritten waren, ertappt, und zu dem Prätor Q. Claudius geführt. Sie bemühten sich zwar anfangs seinen Fra gen durch allgemeine Antworten zu entgehen, die Furcht für die Folter aber bewegte sie bald zu gestehen, daß sie Briefe von dem Asdrubal an seinen Bruder Hannibal zu bestellen hätten. Claudius ließ sie alsbald unter guter Bedeckung zu dem Consul Nero führen, und ihm die Briefe versiegelt, so wie sie waren, übergeben. Er ersah daraus, daß sich Asdrubal mit seinem Bruder in Um brien verbinden wolle, und bekam von den Gefangnen auf seine Fragen noch gründliche re Nachricht von diesem Vorhaben. Er glaubte, bey gegenwärtigen Umständen dürf ten sich die Consuls nicht begnügen lassen, den Krieg auf die gewöhnliche Weise zu führen, und sich blos in den Grenzen ihrer Provin zen, wo sie dem Feinde die Spitze bieten soll ten, eingeschlossen zu halten. Man müsse etwas grosses, verwegnes, neues, und un vermuthetes wagen, welches anfangs die Römer nicht weniger als die Carthaginen ser erschrecke, bald aber die Besorgniß der ersten in eine so grosse als unverhoffte Freude verwandle. Dieses Unternehmen bestand nun darinne, daß er den Hannibal betriegen wolle, indem er sein Lager nahe bey ihm in einerley Stande liesse, so daß er glauben kön ne, der Consul sey gegenwärtig, da er indes
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sen von einem Ende Jtaliens bis zu dem an(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) dern marschieren, sich mit seinem Collegen verbinden, und den Asdrubal anfallen, plötzlich aber in sein Lager zurückkommen wolle, ehe noch Hannibal seine Abwesenheit merke. Nero schickte die Briefe des Asdrubals an(Er geht ab, sich mit sei nem Collegen dem Livius zu verbinden. Liv.XXVII. 44.) den Senat, und berichtete ihm, was er zu thun entschlossen sey. Er sendete zu gleicher Zeit in alle Länder, wodurch er marschieren mußte, Reuter vorweg, damit auf seinen Be fehl die Einwohner auf den Wegen gleich Lebensmittel in Bereitschaft hielten, und zu gleich eine Anzahl Pferde und andere Thiere(App. 343.) herzubrächten, worauf man die abgematte ten fortbringen könne. Er selbst machte aus seiner ganzen Armee einen Ausschuß von 12000 der tapfersten zu Fuß, und tausend zu Pferde. Er überredte sie, er wolle eine Stadt im Lucanischen, nicht weit von seinem Lager, angreiffen, und die Carthaginensische Besatzung darinne überrumpeln; sie sollten sich also auf den ersten Befehl marschfertig halten. Er brach die Nacht auf, und nahm seinen Weg durch das Picenische, nachdem er dem Q. Curtius einem von seinen Legaten in seiner Abwesenheit das Commando auf getragen hatte. Die Nachricht von dem Vorhaben des(Bestürzung zu Rom über die Nachricht von dem Ab zuge des Ne ro.) Consuls und seiner Abreise setzte Rom in ei ne nicht geringere Bestürzung, als worinne es vor zwey Jahren gewesen war, da Han nibal vor den Thoren der Stadt sein Lager
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) aufschlug. Man wußte nicht, ob man so einen verwegnen Entschluß loben oder ta deln solle. Es schien, als wolle man nur den Ausgang davon urtheilen lassen, welches Verfahren eben so ungerecht ist, als es ge wöhnlich zu seyn pflegt. „Man übertrieb die gefährlichen Folgerungen eines Unter nehmens, welches dem Hannibal ein La ger ohne Haupt und Vertheidigung in die Hände zu werfen schien; eines Unterneh mens, welches keinen Fortgang haben kön ne, wenn es nicht einen General zu hinter gehen glückte, der einer von den allerauf merksamsten und verschlagensten sey. Was würde geschehen, wenn Hannibal die Ab reise des Consuls merkte, und sich vorsetzte ihm entweder mit seiner ganzen Armee zu folgen, oder das verlaßne Lager zu über fallen. Sie erinnerten sich an alle die schrecklichen Niederlagen, welche das Rö mische Reich seinem Falle so nahe gebracht hatten; und zwar zu einer Zeit, da sie nur einen feindlichen General, nur eine feind liche Armee gegen sich gehabt, anstatt daß sie jetzo zwey Punische Kriege zu bestreiten, zwey grosse Armeen und beynahe zwey Han nibals wider sich hätten. Denn sie stellten den Asdrubals seinem Bruder gleich, und bemühten sich so gar Ursachen zu finden, warum er ihm vorzuziehen sey. Und wie die Furcht(*) allezeit scharfsinnig ist, und 22
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die Gegenstände nur auf der übeln Seite(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) betrachtet, so vergrösserte sich alles in ih ren Augen, was dem Feinde vortheilhaft seyn konnte, und das gegentheils, was ih nen einige Hoffnung zu machen fähig war, verringerte sich.“ Unterdessen war Nero schon auf dem We ge. Er hatte seinen Soldaten anfangs nicht gesagt, wohin er wolle. Als er aber weit genug entfernt war, daß er sich ihnen sicher vertrauen konnte, so erklärte er ihnen sein Vorhaben, und fügte hinzu, „daß nie mals ein Unternehmen dem Scheine nach gefährlicher, in der That aber sichrer ge wesen sey, als dieses. Daß er sie zu einem gewissen Siege führe, weil die Armee sei nes Collegen, welche für sich schon fürch terlich sey, wann sie nur ein wenig unter stützt würde, nothwendig den Ausschlag auf ihre Seite bekommen müsse. Daß allein das Schrecken über die Nachricht, welche die Feinde in dem Augenblicke des Treffens von der Ankunft des zweyten Consuls bekommen würden, hinlänglich ge nug wäre, sie des Sieges zu versichern. Daß in dem Kriege (*) alles von dem Ruhme abhange, und daß oft ganz schlech te Bewegungsgründe das Vertrauen oder 23
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) die Furcht des Soldaten entschieden. Daß übrigens die ganze Ehre eines glücklichen Ausganges auf sie fallen würde, weil man diesen, nach der gewöhnlichen Art zu ur theilen, ganz gewiß denjenigen zuschreiben würde, welche zur letzt zu Hülfe gekommen wären. Daß sie ja selbst sähe, mit was für einem Eyfer ihnen das Volk entgegen komme; daß sie Lobsprüche ihrer Tapfer keit und die Wünsche für ihr Glück mit anhörten.“ Jn der That waren auch alle Wege, wo durch sie zogen, mit einer Menge Männer und Weiber besetzt, welche aus den herumliegen den Orten herzu kamen, und ihre Lobeserhe bungen mit ihren Wünschen verbanden, und, indem sie ihr Unternehmen rühmten, ihnen glücklichen Fortgang von den Göttern erba ten. Die Großmuth des Volks stritt mit der Großmuth der Soldaten. Jene wollten (Nero langt bey dem Livi us an.) diesen alles in Menge geben, und diese wollten nichts als nur das nöthigste annehmen. Der Muth der Trupen des Nero wuchs also al le Tage, und man langte endlich, nach ei nem anhaltenden Marsche, in sechs oder sie ben Tagen bey dem Lager des Livius an. Ne ro hatte Boten vorweggeschickt, welche ihm die Ankunft des Livius hinterbringen und ihn fragen mußten, ob er wolle, daß ihre Ver bindung bey der Nacht oder am Tage ge schähe, und ob sie ihre Lager zusammen oder besonders aufschlagen wollten. Sein Col lege fand für besser, daß er des Nachts an
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langte; und damit man den Feind desto leich(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) ter betriegen möge, so ward beschlossen, das Lager Livius nicht grösser zu machen, als es vorher war, und daß die Trupen des Ne ro, jeder bey seines gleichen, sollten eingelegt werden. Die Trupen des Nero bezogen bey dunk ler und stiller Nachtzeit das Lager. Die Freude war bey beyden Armeen groß. Den Tag darauf hielt man Kriegsrath, bey wel chem der Prätor L. Porcius zugegen war. Er hatte sein Lager nicht weit von den Con suls, und ehe sie noch angelangt waren, hatte er seine Armee über hohe Berge ge führet, und sich dem Feinde bald in engen Wegen, ihm den Durchzug streitig zu ma chen, entgegen gestellt; bald war er ihm in die Seiten oder in Rücken eingebrochen, und hatte alle kriegerische Kunstgriffe ausgeübt, wodurch der schwächste einen weit stärkern Feind ermüden kann. Jn dem Kriegsrathe waren die meisten der Meynung „daß man das Treffen einige Ta ge aufschieben müsse, damit Nero und sei ne Soldaten ausruhen und sich erhohlen könnten. Nero aber rieth und bat instän dig, man möchte ihm nicht durch den Auf schub eines Unternehmens, welches die Ge schwindigkeit allein untrüglich machen müs se, den Vorwurf einer Verwegenheit zu ziehn. Er stellte ihnen vor, daß Hannibal durch eine Art von Bezauberung, welche nicht lange dauern könne, zurück gehalten
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) würde, indem er ihn weder verfolgt, noch sein Lager angegriffen habe. Wenn man also eile, so könne man hoffen, daß Asdrubal überwunden, und er schon wieder an Ort und Stelle seyn würde, ehe noch Hannibal die geringste Bewegung mache. Dem Feinde Zeit lassen, hiesse dem Hanni bal das Lager, welches er ihm entgegen gestellt, in die Hände liefern, und ihm den Weg, sich mit seinem Bruder zu verbin den, öffnen. Man müsse folglich alsobald zum Treffen schreiten, und sich den Jrr thum des gegenwärtigen und abwesenden Feindes zu Nutze machen; da beyde die An zahl und Stärke seines Gegenparts nicht wüßten, und dieser ihn für schwächer, jener aber für stärker hielt, als er in der That wäre.“ Diese Meynung behielt den Vorzug, und man rückte alsobald in Schlachtordnung aus dem Lager. Asdrubal machte sich gleich falls zum Treffen fertig. Als aber dieser ge schickte General, welcher auf alles aufmerk sam war, alte Schilde, die er noch niemals gesehen hatte, und Pferde, welche weit abge matteter als die andern schienen, wahrnahm, und so gar aus dem Augenschein urtheilte, daß der Feind stärker, als sonst, sey, so ließ er zum Rückzuge blasen, und kehrte in sein La ger zurück. Er gab sich alle Mühe seinen Argwohn aufzuklären, und als er von denen, welche er auf Kundschaft ausgeschickt hatte, hörte, daß weder das Lager des Consuls noch
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des Prätor Porcius grösser, als vorher, sey,(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) so ward er noch viel ungewisser. Jndem er aber vernahm, daß man in dem Lager des Por cius das Zeichen nur einmal, in dem Lager des Consuls aber zweymal gegeben hatte, so zweifelte er, als ein geschickter General, wel cher der Römischen Kriegsart kundig war, länger nicht, daß beyde Consuls sich vereini get hätten. Die Ungewißheit, was seinem Bruder müsse wiederfahren seyn, machte ihn schreck lich unruhig. Er konnte sich nicht einbilden, so wahr es auch war, daß sich ein Feldherr wie Hannibal so sehr könne hintergehen las sen, daß er nicht einmal wissen solle, wo der General und die Armee sey, mit der er zu thun hat. Er urtheilte, sein Bruder müsse durchaus einen beträchtlichen Schaden erlitten haben, und besorgte, er möchte ihm zu spät zu Hülfe gekommen seyn. Mit diesen traurigen Gedanken beschäfti get ließ er die Wachfeuer auslöschen, und be fahl seinen Trupen aufzubrechen. Bey der Unordnung eines nächtlichen und so eiligen Zu ges entwischten seine Wegweiser, so daß die Armee, welche das Land nicht kannte, an fangs auf gut Glück in dem Felde herum irrte, bis sich der meiste Theil von den Sol daten, von Schlaf und Mattigkeit über wunden, von seinen Fahnen verlohr, und sich auf beyden Seiten des ganzen langen We ges niederlegte. Asdrubal befahl seinen Leu ten ihren Weg, so lange bis es Tag würde,
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) an dem Ufer des Metaurus herab fortzuse tzen. Jndem er aber allen Krümmen und Wendungen dieses Flusses, durch welchen er, so bald als es sich thun liesse, setzen wollte, nachging, so konnte er nicht allzuweit kom men; und da er vollends keine Furt finden konnte, so bekam der Feind Zeit, ihn mit sei nen drey Armeen einzuhohlen. Nachdem sich alle Trupen vereiniget hat ten, stellten sie sich in Schlachtordnung. Nero commandirte den rechten, Livius den linken Flügel, und der Prätor das mittlere Treffen. Asdrubal hatte angefangen sich einer Höhe, welche nicht weit von dem Flusse war, zu bemächtigen, in Willens sich auf derselben zu verschanzen; weil er aber sahe, daß es unmöglich sey dem Treffen auszuwei chen, so that er alles, was man von der Tapferkeit und Gegenwart des Geistes eines grossen Feldherren erwarten kan. Er nahm alsobald einen vortheilhaften Platz ein, stell te seine Trupen auf einen engen Boden, und mehr hinter einander als aus einander. Er stellte die Elephanten in das vordre Treffen, die Gallier aber, welche den schwächsten Theil seiner Armee ausmachten, auf den linken Flü gel, wo sie von gedachtem Hügel bedeckt wur den. Auf dem rechten Flügel waren die Spa nier, seine ältesten Trupen, auf die er das grös seste Vertrauen setzte, und die er selbst anführ te, und in dem mittlern Treffen, gleich hin ter den Elephanten, befanden sich die Li gurer.
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Asdrubal fing das Treffen an, und ging(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) auf den linken Flügel der Römer, welchen Livius anführte, loß; in dem gewissen Vor satze zu siegen oder zu sterben. Hier nun ging es hitzig. Auf beyden Theilen waren alte und muthige Trupen, die durch die Gegen wart ihrer Generale angefeuert wurden, und mit einer unüberwindlichen Hartnäckigkeit stritten, so, daß der Sieg lange Zeit unent schieden blieb. Die Elephanten hatten anfangs die er sten Glieder der Römer in Verwirrung ge bracht, bald aber wurden sie durch das hef tige Geschrey, welches man auf beyden Sei ten, als das Treffen immer hitziger ward, er hob, so erschreckt, daß es unmöglich war sie zu regieren, und daß sie wider beyde Theile zu wüten anfingen. Nachdem sich Nero umsonst bemüht hat te den Hügel, welcher vor ihm lag, zu ersteigen, und sahe, daß es nicht möglich sey auf diesem Wege an den Feind zu kommen, so wende te er sich voller Verdruß, daß er so müßig stehen mußte, zu seinen Trupen:Was, schrie er,sind wir deßwegen so weit, und in sol cher Eil, hieher gekommen, daß wir die Hände in die Schoos legen, und blosse Zuschauer abgeben wollen? Und als bald ging er mit dem größten Theil des rech ten Flügels ab, zog sich hinter der Schlacht ordnung weg, und stürzte sich auf den rech ten Flügel der Carthaginenser, und dehnte sich hernach mit solcher Geschwindigkeit aus,
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) daß er dem Feinde so gar in Rücken kam. Bishieher war das Treffen zweifelhaft ge wesen. Als sich aber die Spanier und bald auch die Ligurer zu gleicher Zeit von vorne, im Rücken und an den Seiten angefallen sa hen, so kamen sie in völlige Verwirrung und wurden alle niedergemacht. Das Metzeln kam auch gar bald bis zu den Galliern, wo man noch weniger Widerstand antraf. Der Schlaf hatte sich ihrer bemeistert, und die vielen Beschwerlichkeiten, welchen, wie die Alten einmüthig angemerkt haben, dieses Volk sehr leicht unterliegt, hatten sie so schwach gemacht, daß sie kaum ihren Cör per und ihre Waffen halten konnten: und da es ohnedem Mittagszeit war, so wurden sie zu gleicher Zeit von der Hitze und von dem Durste so heftig geplagt, daß sie sich tödten und gefangen nehmen liessen, ohne ihr Leben und ihre Freyheit im geringsten zu verthei digen. Es wurden mehr Elephanten von ihren eignen Führern, als von den Feinden, getöd tet. Diese Führer waren mit einer Art von Messern und einem Hammer bewaffnet, und wann sie sahen, daß die Thiere in Wuth waren, und sich nicht mehr regieren liessen, so trieben sie ihnen dieses Messer mit dem Hammer zwischen den Ohren in denjenigen Ort hinein, wo sich der Kopf mit dem Hal se verbindet. Das war das sicherste Mit tel sie zu tödten, wann sie sich nicht mehr
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lenken liessen, und dessen Erfindung man dem(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Hannibal zu verdanken hatte. Dieser General machte an diesem Tage seinen Ruhm, den er sich durch eine grosse Anzahl vortreflicher Thaten erworben hat te, vollkommen. Er hatte seine erschrock nen Soldaten gegen einen Feind ins Tref fen geführt, welcher ihm an Anzahl und Zu versicht weit überlegen war. Er munterte sie durch sein Zureden und Beyspiel auf, er wandte Bitten und Drohungen an, die Flüchtigen zurück zu bringen. Als er aber sahe, daß sich der Sieg für die Römer er klärte, so wollte er so viel tausend Menschen, welche sein Vaterland, ihm zu folgen, verlas sen hatten, nicht überleben, und stürzte sich in einen Römischen Trup, wo er als ein wür diger Sohn des Hamilcars, und als ein wür diger Bruder des Hannibals, umkam. Dieses Treffen war das blutigste im gan zen Kriege, theils weil der General selbst blieb, theils weil die Carthaginensische Tru pen ohne Barmherzigkeit niedergemacht wur den, und sich die Römer für die Schlacht bey Cannä an ihnen rächten. Appius be merkt, die Götter hätten den Römern deß wegen einen so ausnehmenden Vortheil ge gönnet, damit sie sie wegen jenes traurigen Verlusts einigermassen schadlos halten möchten. Es wurden in dieser Schlacht auf 56 tausend Feinde getödtet, und auf fünf tausend vierhundert gefangen genom men. Man riß den Carthaginensern mehr als
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) fünf tausend Römische Bürger, die ihre Ge fangnen waren, aus den Händen, die zur Ersetzung derjenigen dienten, welche in dem Treffen geblieben waren. Denn dieser Sieg war den Römern auch nicht leichte gewor den, weil sie ihn durch den Verlust von acht tausend Mann, die auf dem Platze blieben, er kaufen mußten. Die Sieger waren des Töd tens und des Blutvergissens so satt, daß Livius, als man den Morgen zu ihm kam, und ihm berichtete, daß man eine Menge der flüchti gen Feinde noch niedermachen können, sagte: Nein, nein; es ist gut, daß einige davon übrig bleiben, damit sie den Jhrigen die Nachricht von ihrer Niederlage, und von unserm Siege, bringen können. (Nero kehrt zu seiner Ar mee zurück.) Noch in der Nacht, welche auf das Tref fen folgte, kehrte Nero zu seiner Armee zu rück. Er marschierte bey seinem Rückzuge noch geschwinder als vorher, und kam in sechs Tagen in seinem Lager, das er so nahe bey dem Hannibal gelassen hatte, wieder an. Er traf nicht so viel Leute auf dem Wege an, weil er kei ne Boten vorweggeschickt hatte; die er aber antraf, waren für Freuden ganz ausser sich. Das aber, was am schwersten zu beschrei ben ist, waren die verschiednen Gesinnungen, von welchen die Römer herum getrieben wurden, so wohl als sie noch in der Ungewiß heit des Ausganges schwebten, als auch da sie die Nachricht von dem Siege erhielten. Seitdem man die Abreise des Nero erfahren hatte, war der Senat alle Morgen versam
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melt gewesen, und das Volk hatte die öf(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) fentlichen Plätze erfüllet; und niemand kehr te vor Nachtzeit in sein Hauß zurück, so sehr waren sie mit den öffentlichen Angelegenhei ten beschäftiget. Die Weiber bemühten sich für das gemeine Beste auf eine andre Art, indem sie sich in grosser Menge in die Tem pel begaben, und den Göttern Gebet und Wünsche zuschickten. Diese Heiden mö gen uns lehren, was für Antheil wir an der gemeinen Wohlfahrt nehmen müssen. Jndessen da die ganze Stadt zwischen(Die Nach richt von dem Siege verursacht ei ne unglaud liche Freude.) Hoffnung und Furcht getheilt war, breitete sich ein sehr dunkler und ungewisser Ruf in Rom aus, als wann zwey Reuter, die sich bey der Schlacht befunden, in dem Lager, welches man bey dem Eingange von Um brien aufgeschlagen hatte, angelangt wären, und die Niederlage der Feinde mitgebracht hätten. Diese Nachricht schien zu wichtig zu seyn, als daß man sie so gleich glauben kön ne. Bald aber drauf erhielt man von dem L. Manlius Acidinus aus dem Umbrischen Lager Briefe, welche die Ankunft dieser Reu ter und ihre Nachricht bekräftigten. Die se Briefe wurden über den öffentlichen Platz zum Tribunale des Prätors getragen, und jedermann lief mit solcher Hitze vor die Thü ren des Saales, wo sich der Rath versam melt hielt, daß der Bote nicht durchkom men konnte, indem ihn alle mit Fragen auf hielten, und mit grossem Geschrey verlangten, der Brief solle von den Rostris abgelesen wer
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) den, ehe er dem Senat übergeben würde. Die Rathsglieder hatten Mühe die Menge aus einander zu treiben, und die Anständig keit und Ordnung, welche man beobachten mußte, gegen die ungestüme Begierde des Volks zu behaupten. Der Brief ward also erst im Senat, und hernach in der Versamm lung des Volks gelesen, wo er nach den ver schiedenen Gemüthsarten der Bürger ver schiedne Eindrücke verursachte. Denn eini ge überliessen sich, ohne weitre Nachricht zu erwarten, der übermäßigsten Freude, andre aber wollten so lange noch zweifeln, bis sie die Abgeordneten der Consuls gesehen, oder die Ablesung ihrer Briefe gehört hätten. Endlich kamen auch diese Abgeordneten an. Alle Bürger, jung und alt, liefen ihnen mit gleichem Eyfer entgegen, und jeder brannte für Begierde, eine so angenehme Nachricht (*) zuerst zu erfahren, und sich derselben mit ih ren Augen und Ohren zu versichern. Die Wege waren bis nach Milvius (**) erfüllt; und als die Abgeordneten auf dem Markte anlangten, war eine unzählige Menge um sie herum, die sich an sie oder an ihre Leute wendete, um zu erfahren, was sich zugetra gen habe; und als sie endlich hörten, daß der General der Feinde getödtet, und seine Armee 24 25
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niedergemacht worden, daß ihre Consuls noch(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) lebten, und ihre Legionen keinen besondern Verlust erlitten hätten, so gingen sie und theil ten andern die Freude, mit der sie erfüllt wa ren, mit. Die Abgeordneten konnten mit Mühe in den Senat gelangen; und man hatte noch mehr Mühe zu verhindern, daß das Volk nicht mit herein drang, und sich un ter die Rathsherren mengte. Als die Brie fe hier waren abgelesen worden, so brachte man sie in die Versammlung des Volks, wo sie gleichfalls vorgelesen wurden. Der eine von den Abgeordneten, L. Veturius, erzählte hierauf alles noch umständlicher, und auf sei ne Erzählung folgte ein allgemeines Freuden geschrey des Volks, welches unmöglich zu beschreiben ist. Nunmehr begaben sich die Bürger von dem Markte, wovon ein Theil in die Tem pel ging, den Göttern zu danken, und der andre Theil sich nach Hause begab, ihren Weibern und Kindern ein so grosses und unver muthetes Glück zu hinterbringen. Der Rath ordnete dieses Sieges wegen ein dreytägiges öffentliches Dankfest, und der Prätor C. Hostilius kündigte es in der Versammlung des Volks an, da sich dann Männer und Weiber in sehr grosser Anzahl dabey ein fanden. Dieser Sieg verursachte in der Republik eine sehr heilsame Veränderung. Denn von dem Tage an fingen die Bürger alle Arten des Handels und Wandels, wie man es im
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G. Plinius XXXIII. 3.) stillsten Frieden zu thun gewohnt ist, wieder an zu treiben. Und in eben diesem Jahre war es, da man, wie uns Plinius meldet, die ersten goldnen Münzen zu Rom schlug. (Der Kopf des Asdru bals wird in seines Bru ders Lager geworfen.) Mittlerweile war der Consul Nero wieder in seinem Lager angelangt. Das Haupt des Asdrubals, welches man in das Lager der Carthaginenser werfen ließ, belehrte den General das traurige Schicksal seines Bru ders. Zwey Gefangne, welche der Consul in sein Lager schickte, hinterbrachten ihm ei ne umständliche Erzählung von allem, was sich in der Schlacht bey Metaurus zugetra gen hatte. Hannibal ward über diese trau rige Nachricht, welche seinem Vaterlande und seinem Hause gleich schrecklich war, so bestürzt, daß er ausrufte:an diesem grau samen Schlage erkenne er das Glück Carthagos.Horaz legt ihm Worte in Mund, welche seine Empfindungen sehr wohl ausdrücken. (*)Es ist geschehen: ich werde Carthago keine stolzen Boten mehr schicken können. Alle Hoffnung, alles Glück ist mit dem Asdrubal verloh ren. Er brach den Augenblick auf, und zog sich in das äusserste Jtalien, in das Ge biete der Brutier, wo er alles, was er noch von Trupen übrig hatte, zusammenraffte, 26
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weil er sie zerstreut nicht länger zu erhalten(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) im Stande war. Er befahl zugleich allen Metapontinern, ihre Stadt zu verlassen, deß gleichen allen Lucanern, die es mit ihm hiel ten, und sich mit ihm in dem Gebiete der Brutier zu verbinden. Obgleich zwischen dem Siege und dem(Triumph des Livius u. Nero. Livius XXVIII. 9.) Triumphe der Consuls noch einige Zeit dar zwischen ist, so will ich es doch hier hinter einander erzählen, damit ich den Faden ei ner so merkwürdigen Begebenheit nicht zer reisse, die Tit. Livius, wie man wohl merkt, mit einer besondern Sorgfalt, und, daß ich mich so ausdrücke, mit einer Art von Höf lichkeit ausgearbeitet hat. Zu Ende des Feldzuges erhielten beyde Consuls die Erlaubniß nach Rom zu kom men, nur mit dem Unterscheide, daß Livius seine Trupen, welche man in Gallien nun nicht mehr nöthig hatte, mit zurück bringen sollte, an statt daß des Nero Trupen in ih rer Provinz blieben, sich den Absichten des Hannibals zu widersetzen. Die beyden Con suls wurden durch Briefe einig, daß sie, da mit sie die einige Gesinnung, welche unter ihnen gewesen, bis ans Ende beobachten könnten, ihre Reise so einrichten wollten, daß sie aus so entfernten Provinzen zu glei cher Zeit in Rom ankämen, und daß derje nige, welcher zuerst anlangte, seinen Colle gen in (*) Pränest erwarten solle. Von 27
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) ungefehr kamen sie an einem Tage an, und schickten von da alsobald einen Boten nach Rom, mit Befehl an den Senat, sich drey Tage darauf in dem Tempel der Bellona zu ver sammlen, und sie in Empfang zu nehmen. Sie reiseten den bestimmten Tag ab, und fanden, als sie sich der Stadt näherten, ei ne grosse Menge Volks, welches ihnen ent gegen gezogen war. Sie zogen in den Tem pel der Bellona, von einer unendlichen Men ge umringt, die sie nicht allein grüßte, son dern sich auch mit Gewalt herzu drang, ih re siegenden Hände zu küssen. Einige wünsch ten ihnen wegen des Sieges Glück, andere dankten ihnen, wegen des grossen Dienstes, den sie dem Staat geleistet, indem sie ihn von einer so ausserordentlichen Gefahr be freyet. Nachdem sie nun dem Senat, wie es alle Generale zu thun gewohnt waren, von ihren Thaten Rechenschaft abgelegt hat ten, so verlangten sie erstlich, „daß man den Göttern öffentlich Dank abstatte, die ihnen so viel Muth in diesem Kriege ge schenkt, und sie mit einem erwünschten Aus gange beglückt hätten; hernach, daß man ihnen erlaube, im Triumph in die Stadt einzuziehen. Alle Rathsglieder antworte ten einmüthig, daß sie ihnen mit ausser ordentlicher Freude ihre Bitten gewährten, indem sie mit der lebhaftesten Dankbar keit wegen eines so wichtigen Sieges er füllt wären, den sie vornehmlich dem Schu tze der Götter, und nach diesem dem
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Muthe und der Tapferkeit ihrer Consuls(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) zuschreiben müßten.“ Man sieht an diesen zwey Generalen ein seltnes Beyspiel der Einigkeit. Wie sie mit vereinigten Kräften gefochten und gesiegt hatten, so wollten sie eben diese Eintracht auch in ihrem Triumphe zeigen. Weil aber diese Begebenheit in der Provinz des Livius vorgefallen war, und er an dem Tage der Schlacht das Commando gehabt hatte, und zugleich mit seiner Armee nach Rom zurück kam, anstatt daß Nero die seinige in der Pro vinz gelassen hatte: so wurden sie einig, daß der erstre in einem mit vier Pferden bespann ten Wagen, und in Begleitung seiner Ar mee in die Stadt fahren, der andre aber nur zu Pferde, ohne Begleitung, einziehen solle. Diese Einrichtung des Triumphs ver mehrte den Ruhm der beyden Bürgemeister noch mehr, besonders aber desjenigen, wel cher die größten Verdienste darbey hatte, gleichwohl aber seinem Collegen alle Ehre ü berließ. Es fiel auch alles Lob auf den Ne ro. Man sagte, „daß dieser, der auf dem Pferde ohne Pracht und Begleitung sitze, in 6. Tagen die ganze Länge von Jtalien durchflohen wäre, und zu einer Zeit in Gal lien wider den Asdrubal gestritten habe, da Hannibal geglaubt, er stehe in dem Apu lischen nicht weit von ihm. (*) Der ein 28
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) zige Consul habe also an einem Tage, in den zwey äussersten Theilen von Jtalien, den zwey fürchterlichsten Feinden der Re publik die Spitze geboten, indem er dem einen seine Klugheit, und dem andern seine Person, entgegen gestellt. Auf der einen Seite wäre der Nahme des Nero genug gewesen, den Hannibal zurück zu halten, und auf der andern Seite könne man auch nicht zweifeln, daß der Sieg über den As drubal bloß dem Beystande des Nero zu zuschreiben sey, indem er durch seine schleini ge Ankunft den Carthaginensischen Ge neral in Verwirrung gesetzt habe. Möge sich doch immer der andre Consul auf ei nem prächtigen mit vielen Pferden bespann ten Wagen herumfahren lassen; dieses ein zige Pferd trüge den wahren Triumpha tor; und wenn Nero auch zu Fusse wäre, so würde er doch theils wegen der im Krie ge erlangten, theils wegen der bey dem Triumphe verschmähten Ehre, die merkwür digste Person seyn.“ Dergleichen Reden
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hielt das Volk auf dem ganzen Zuge zum(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Capitole, und hatte seine Augen nur einzig auf den Nero gerichtet. Das Geld, welches man dem Feinde ab genommen hatte, und zur Schau herumtrug, belief sich, nach dem Polybius, auf mehr als 300 Talent, und ward in den öffentli chen Schatz gelegt. Livius schenkte jedem sei ner Soldaten vierzehn Sestertien, und Ne ro versprach den seinigen eben so viel, wann er zur Armee wieder würde zurück kommen. Man bemerkte, daß an dem Tage des Triumphs die Soldaten des Livius in ihren Liedern den Nero weit mehr als ihren eige nen General erhoben: und daß die Reute rey dem L. Veturius und Q. Cäcilius, den Legaten der Consuls, tausend Lobsprüche er theilte, und das Volk ermahnte, sie auf das künftige Jahr zu Consuls zu ernennen. Die Consuls selbst bekräftigten das vortheilhafte Zeugniß der Reuterey, und rühmten die Verdienste dieser beyden Officiers in der Versammlung des Volks, daß sie durch ihre Tapferkeit und ihren Eyfer nicht we nig zu Erhaltung des Sieges beygetragen hätten. Bey dieser jetzt erzählten wichtigen Bege benheit, nehmlich bey der Niederlage des As drubals, welche so grosse Folgen nach sich zog, und, die Wahrheit zu sagen, das Schick sal des zweyten Punischen Krieges entschied, haben beyde Consuls eine sehr vortreffliche Rolle gespielt; und es scheint mir, daß man,
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) wenn man unter ihnen wählen solle, sehr un gewiß seyn müsse, wem man den Vorzug zu ertheilen habe. Das kühne und besondre Unternehmen des Nero, von dem glücklich sten Fortgange begleitet, hat einen so blen denden Glanz, daß er in Erstaunen setzt, und uns unsern Beyfall entreisset. Wir se hen auch, daß sich bey dem Triumphe die Armee und das Volk, obgleich Livius die vornehmste Person dabey vorstellte, dennoch für den Nero erklärte, daß aller Augen auf seine Person gerichtet waren, und daß man vornehmlich um seinetwegen Lob und Bey fall verschwendete. Allein ist denn dieses verwegne Unterneh men, das so viel Bewunderung erweckte, in der That für sich lobenswerth, wenn man es von dem blendenden Glanze, welches der glückliche Ausschlag darauf streuet, trennet? War die Besorgniß der Römer, als Nero auf dem Zuge war, sich mit seinem Collegen zu verbinden, ungegründet, und hatten sie Unrecht, einen General verwegen zu nennen, welcher sein Lager und seine Armee, die er ohne Haupt ließ, und von der besten Mann schaft entkräftete, dem Feinde zum Raube vorwarf? und war es wahrscheinlich, daß ein so wachsamer Krieger, als Hannibal war, länger als zwölf Tage wie im Schlafe ver graben bleiben würde, daß er die Abwesen heit des Consuls, und den Marsch der Tru pen auf keine Weise merken sollte?
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Und man muß gestehen, wann das eine(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Verwegenheit war, so ist der Ausgang, er mochte so glücklich seyn als er wollte, nicht hinlänglich den Fehler des Generals zu ent schuldigen. Doch man kan auch in der That von dem Unternehmen des Nero dieses Ur theil nicht fällen. Es ist so was erstaunen des nicht, daß Hannibal den Abmarsch der Trupen entweder nicht gewußt, oder nicht groß geachtet hat. Ein General pflegt alle Tage bald kleine bald grosse Trupe von sei ner Armee wegzuschicken, und das ohne Fol gen. Dieser Trup war übrigens so ansehn lich nicht. Sieben tausend von vierzig tau send weggenommen, schwächen die Armee eben noch nicht so sehr, daß sie ausser Stand sich zu vertheidigen gesetzt würde. Er ließ Officiers zurück, deren Geschicklichkeit und Tapferkeit ihm bekannt war, und von wel chen er wußte, daß sie geschickt waren das oberste Commando zu führen. Uebrigens waren drey bis vier Armeen, welche dem Hannibal alle sehr nahe lagen, zulänglich ihn zu verhindern, etwas besonders aus zurichten, wann er die Abwesenheit des Con suls auch wahrgenommen hätte. Hiezu kömmt noch, daß dieser General, durch un terschiedne Verluste, die er nach einander er litten hatte, weniger lebhaft und verwegen zum Angriffe geworden zu seyn schien. Da her kam es also, daß das Unternehmen des Nero, welches so viel zum Siege beygetra gen hatte, so durchgängig bewundert ward.
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Jch würde aber sehr unrecht thun, wenn ich auf gleiche Art andre Begebenheiten sei nes Lebens entschuldigen wollte. Auf der andern Seite war die Aufführung des Livius nicht weniger zu bewundern. Man weiß, wie eyfersichtig auch die weisesten Römischen Generale auf die Ehre, einen von ihnen angefangnen Krieg alleine zu endigen, waren, und wie sehr sie sich bemühten, daß kein anderer daran Theil nähme. Livius ließ die grossen Männern sonst so gewöhnliche Schwachheit, oder vielmehr Zärtlichkeit der Ehre, nicht im geringsten an sich spüren. Er war im Stande, oder konnte sich wenigstens schmeicheln, im Stande zu seyn, den Asdru bal alleine aufzuhalten und zu überwinden. Gleichwohl sahe er ohne Eyfersucht, daß sein College, der vor kurzen noch sein offenbarer Feind gewesen war, Ruhm und Sieg mit ihm theilte. Seine Versöhnung mußte also sehr aufrichtig, und sein Eyfer für das ge meine Beste sehr lebhaft gewesen seyn, daß er die allen Menschen und besonders einem Soldaten so natürliche Empfindlichkeit in seinem Herzen gänzlich ersticken konnte. Man sieht also auch daraus, wie wenig Wahr scheinlichkeit die harte Antwort habe, die man ihm gegen den Fabius in Mund legt.
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Das neunzehende Buch.

DiesesBuchfaßt die Geschichte der vier Jahre 545, 546, 547, 548, in sich. Es enthält insonderheit die Verrich tungen des Scipio in Spanien, den ersten Krieg der Römer wider den Macedonischen König Philippus, die Ernennung eben dieses Scipio zum Consul, und sein Vorhaben, den Krieg nach Africa hinüber zu spielen.

§. I.

Zustand der Sachen in Spanien. Silanus wirft zwey feindliche Heere gleich hinter einander über den Hauffen, und macht den Anführer des ei nen, Hanno, zum Gefangnen. L. Scipio nimmt Oringis, eine Stadt im Bätischen Spanien, ein. P. Scipio zieht sich nach Tarraco zurück. Die Römische Flotte schlägt, nachdem sie in Africa grossen Schaden gethan, der Carthaginenser Flotte. Die Römer schliessen mit einigen andern Völkern ein Bündniß wider den Philippus. Philippus erhält einige Vortheile über die Aeto lier. Sulpicius nimmt vor diesem Fürsten die Flucht; und dieser fliehet seiner Seits wieder vor den Sulpicius. Die Römer und Philippus ge hen zu Felde. Attalus und Sulpicius belagern und erobern Ornus. Sulpicius muß die Bela gerung von Chalcis aufheben. Beschreibung des Euripus, oder der Meerenge zwischen Böotien und Negropont. Attalus wird von dem Pilip pus beynahe überrumpelt. Dieser Fürst kehrt nach Macedonien zurück. Die Aetolier machen ihren Frieden mit dem Philippus. Die Römer
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lassen sich auch in einen Frieden mit diesem Für sten ein, in welchen die beyderseitigen Bundes genos sen mit eingeschlossen werden. Anweisung der neuen Consuls. Verlöschung des Feuers in dem Tempel der Vesta. Die Bestellung der Aecker in Jtalien wird wieder in Gang gebracht. Lob des Han nibals. Lob des Scipio. Anmerkung des Ti tus Livius über den Verlauf der Sachen in Spanien. Scipio erhält einen grossen Sieg über die von Hasdrubal und Mago commandirten Carthaginenser. Scipio kehrt nach Tarraco zu rück. Masinissa verbindet sich mit den Römern. Scipio suchet die Freundschaft des Syphax, be suchet ihn in Africa und trift bey demselben den Hasdrubal an. Scipio belagert und erobert Jlliturgis, und zerstört es von Grund aus. Ca stulo ergicbt sich, und wird gelinder tractirt. Scipio stellt Schau-und andere Fechterspiele sei nem Vater und Oheim zu Ehren an. Schreck licher Entschluß der Einwohner der Stadt Asta pa. Sie werden alle ermordet. Anschlag auf Cadix. Krankheit des Scipio verursacht einen Aufruhr. Rebellion der bey Sucro im Felde stehenden Römer. Scipio wendet eine unglaub liche Mühe und Geschicklichkeit an, den Aufruhr zu stillen und zu bestrafen.
(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.)

C. Claudius Nero. M. LiviusII.

(Zustand der Sachen in Spanien. Livius XXVIII. 4.) Was der Tod Hasdrubals vor Wir kungen in Jtalien gehabt, haben wir im vorhergehenden gesehen. Mit den Sachen so wohl der Rö mer, als Carthaginenser, in Spanien stund es also. Hasdrubal, ein Sohn Gisgo, hat te sich in das Bätische zurückgezogen. Die Küsten des Mittelländischen Meeres und der
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ganze Oestliche Theil der Provinz war von(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) den Trupen des Scipio besetzt, und unter der Herrschaft der Römer. Hanno, der mit ei ner neuen Armee aus Africa gekommen war, das Generalat des Hasdrubals, eines Sohns des Hamilcars, zu übernehmen, stieß zu dem Mago, und rückte in Celtiberien, das mitten im Lande liegt, ein, wo er sich in kurzem an der Spitze einer mächtigen Armee befand. Scipio stellte ihm den M. Silanus mit(Silanus wirft zwey feindliche Heere hinter einander ü ber den Hauf fen, und macht den Hanno, ei nen ihrer An führer, zum Gefangnen. Livius XXVIII. 1. 2.) zehen tausend Mann zu Fuß und fünf hun dert zu Pferde entgegen. Der brauchte, ohnerachtet der schlimmen Wege, so grosse Geschwindigkeit, daß er dem Feind schon ziem lich nahe auf dem Halse stund, ehe er noch einige Nachricht von seinem Aufbruche erhal ten hatte. Er war nur noch zehen tausend Schritt entfernt, als er von Celtiberischen Ue berläufern, die ihm zu Wegweisern gedient hatten, erfuhr, daß nicht weit von dem We ge zwo feindliche Armeen vorbey marschieren würden: eine auf der linken Seite unter An führung des Mago, die aus neun tausend neu angeworbenen Celtiberiern bestehe und keine Kriegsdisciplin beobachtete: die andere auf der rechten, welche Hanno commandiere, und lauter streitbare und wohl discipli nirte Carthaginenser wären. Silanus be dachte sich nicht lange. Er ließ seine Tru pen, so viel als möglich war, linker Hand marschieren, nahm sich darbey aber wohl in acht, daß ihn die ausstehenden Posten der Feinde nicht gewahr wurden. Sie waren
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) schon bis auf tausend Schritt an sie ange rückt, als die Celtiberier sie endlich erblickten, und nicht ohne grosse Bestürzung und Unord nung sich zurück zu ziehen anfingen. Sila nus hatte seine Armee Speise zu sich nehmen lassen, und hielt sie in Schlachtordnung gestel let. Mago eilte gleich auf das erste Lärmen, das er hörte, herbey, und stellte seine Tru pen, so gut er konnte, auch in Ordnung. Das Treffen nahm sogleich seinen Anfang. Die Celtiberier thaten keinen langen Widerstand, und wurden fast alle in Stücken zerhauen. Die Carthaginenser, welche auf die Nach richt eines Treffens aus dem andern La ger herbey gekommen waren, und sehr ge eilet hatten den Jhrigen beystehn zu können, hatten ein gleiches Schicksal. Hanno, ihr General, wurde nebst den Carthaginensern, die zuletzt angekommen waren, und die Jhri gen über den Hauffen geworfen angetroffen hatten, gefangen. Fast die ganze Reuterey, und was von alten Trupen unter dem Fuß volk war, folgte dem Mago auf seiner Flucht, der sich nach einem zehntägigen Marsche mit dem Hasdrubal in der Provinz Cadix verei nigte. Die nur erst kürzlich angeworbenen Celtiberier aber zerstreuten sich in den näch sten Wäldern, und erreichten von daraus ihre Häuser wieder. Durch diesen eben zu rechter Zeit erhal tenen Sieg erstickte SilanusBewegungen, die zwar in ihrer Geburt nicht viel zu bedeuten hatten, welche aber die Quelle eines sehr ge=
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fährlichen Krieges hätten werden können,(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) wenn die Carthaginenser nach Aufwiegelung der Celtiberier Zeit genug gehabt hätten, auch die andern benachbarten Nationen in die Waffen zu bringen; deswegen ertheilte ihm der Scipio alle Lobeserhebungen, welche seine Ge schwindigkeit und sein Muth verdienten, und damit er sich nicht selbst um die Hoffnung brächte, die ihm dieser glückliche Vorfall machte, den Krieg bald zu endigen, brach er sogleich auf, den Hannibal, den einzigen Feind, der noch zu besiegen übrig war, an den äussersten Enden Spaniens aufzusuchen. Dieser Carthaginensische General stund damahls im Bätischen gelagert, um die Völ ker dieser Gegend, die der Carthaginenser Bundsgenossen waren, auf seiner Seite zu erhalten. Als er aber hinter die Absicht des Scipio kam, brach er mit einer solchen Ge schwindigkeit auf, welche eher einer Flucht, als einem Rückmarsche, ähnlich kam, und flüch tete an das Ufer des Meers auf der Seite von Cadix. Und weil er versichert war, daß, so lange er seine Trupen beysammen behielte, er den Angriffen der Feinde ausgestellet wäre, vertheilte er seine Soldaten in unterschiedene Städte, deren Mauern ihre Leiber beschützen, so wie ihre Waffen derselben Mauern ver theidigen sollten. Scipio sahe gar wohl, daß ihm die Ero(L. Scipio nimmt O ringis, eine Stadt im Bätischen Spanien ein. Livius XXVIII. 3. 4.) berung der Städte, in denen sich die Feinde eingeschlossen hatten, zwar wenig Mühe, aber viel Zeit kosten würde; deswegen entschloß er
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) sich wieder in das disseitige Spanien, nem lich disseits des Flusses Ebro zurück zu gehen. Jndessen schickte er doch, um dieses Land nicht ganz und gar dem freyen Willen der Cartha ginenser zu überlassen, seinen Bruder L. Sci pio mit zehen tausend Mann zu Fuß und tau send Pferden ab, Oringis, die reichste Stadt dieser Gegend, zu belagern. Sie that kei nen langen Widerstand, die Einwohner öff neten den Römern die Thore aus Furcht, sie möchten, wenn sie die Stadt im Sturm eroberten, alle diejenigen, die ihnen in die Hände geriethen, ohne Unterscheid, so wohl Spanier als Carthaginenser niederhauen. Alle Carthaginenser, wie auch drey hundert Einwohner der Stadt, die alle Mühe ange wendet hatten, das Vorhaben ihrer Mit bürger zu hintertreiben, wurden mit Ketten belegt. Den übrigen stellte man ihre Stadt, ihre Güter und ihre Freyheit wieder zu. Es kamen ohngefähr zwey tausend Feinde bey der Einnahme der Stadt um; die Römer hatten dabey mehr nicht, als neunzig Mann, einge büßt. Diese Eroberung verursachte dem Scipio und seinen Trupen eine grosse Freude, und es machte ihnen viel Ehre, daß, als sie sich mit ihrem General und seiner Armee wieder vereinigten, sie einen Hauffen Gefangener, die sie bey dieser Gelegenheit gemacht hat ten, vor sich her führen lassen konnten. P. Scipio ertheilte seinem Bruder alle die Lo beserhebungen, die er verdiente, und redete
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in den rühmlichsten Ausdrückungen von der(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Eroberung der Stadt Oringis. Er schätz te den dabey erlangten Ruhm demjenigen gleich, den er selbst bey der Bemächtigung der Stadt Carthagena ihm erworben hätte. Weil aber der Winter vor der Thür war, und er nicht genug Zeit übrig hatte, einen Versuch auf Cadix zu thun, oder die ver schiedenen Theile der Armee des Hasdru bals, die in der Provinz zerstreut herumla gen, anzugreiffen, ging er mit allen seinen Trupen in das disseitige Spanien zurück. Er selbst erhob sich, nachdem er seine Legio(P. Scipio begibt sich nach Tarra co.) nen in die Winterquartiere verleget, nach Tarraco, und fertigte seinen Bruder mit dem Hanno und den andern vornehmsten Car thaginensischen Gefangenen nach Rom ab. Jn eben diesem Jahre segelte die Römische(Die Römi sche Flotte schlägt, nach dem sie in A frica grossen Schaden ge than hatte, der Cartha ginenser ihre. Livius XXVIII. 4.) Flotte unter dem Commando des Procon suls M. Valerius Levinus von Sicilien nach Africa hinüber, und that auf den Gränzen des Carthaginensischen Gebiets, und selbst rings um Utica herum grossen Schaden. Da sie nach Sicilien wieder zurückkehrte, stieß sie auf der Carthaginenser aus siebenzig Kriegsschiffen bestehende Flotte. Sie griff selbige an, machte sich von siebzehn Galeren Meister, und bohrte vier andere in Grund. Der Ueberrest wurde zerstreuet. Nachdem der Römische General solchergestalt die Fein de zu Wasser und zu Lande geklopfet, lief er mit einer ansehnlichen Beute von aller hand Art in Lilybäum ein. Und da weiter
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) kein feindliches Schiff auf diesem ganzen Meere zum Vorschein kam, ließ man eine sehr ansehnliche Menge Getreyde aus Sici lien nach Rom überführen. (Die Römer schliessen ein Bündnis mit verschie denen Völ kern wider den Philip pus. Polyb.IX. 561=571.) Jn dem vorhergehenden Theil (Seite 494) ist von dem zwischen den Römern und Aetoliern wider den Macedonischen König Philippus geschlossenen Bündnis gedacht worden. Man hatte verschiedene andere Völker und Könige daran Theil zu nehmen eingeladen. Es scheint, daß Attalus, Kö nig von Pergamus, ingleichen Pleurates und Scerdiletus, beydes Könige, der erstere in Thracien, der andere in Jllyrien, sich diese Einladung zu Nutze gemachet. Die Aeto lier ermahnten die von Sparta ein gleiches zu thun. Jhr Abgeordneter stellte denen La cedämoniern alle das Uebel nachdrücklich vor, womit sie die Könige von Macedonien überhäufft hätten, insonderheit die Absicht, die sie jederzeit gehabt und noch hätten, die FreyheitGriechenlands zu unterdrücken. Er schloß damit, daß er die Lacedämonier er suchte, sie möchten in dem Bündnisse, wel ches sie von alten Zeiten her mit den Aetoli ern gehabt, verharren, und dem mit den Rö mern geschlossenen Tractat entweder beytre ten, oder wenigstens neutral bleiben. Lyciscus, Abgeordneter der Acarnanier, re dete nach ihm, und erklärte sich offenbar vor die Macedonier. Er strich die Dienste her aus, „welche Philippus, der Vater des Ale xanders, und Alexander selbst Griechen
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land geleistet, indem er die Perser, als die(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) ältesten und grausamsten Feinde desselben, angegriffen und über den Hauffen gewor fen habe. Er stellte insonderheit die Schan de und die Gefahr vor, in die man gera then würde, wenn man Barbaren, denn also nennte er die Römer, einen Eingang in Griechenland verstattete. Er sagte, es wäre nicht möglich, daß die Spartaner nach ihrer Weisheit nicht das Ungewitter von weiten voraussehen sollten, welches sich gegen Abend erheben, und das ohne Zwei fel bald, erst über Macedonien, darnach über ganz Griechenland, ausbrechen, und dessen Untergang verursachen würde.“ Das überbliebene Stück des Polybius, in welchem diese Berathschlagung erzählet wird, meldet nicht, was sie vor einen Aus gang gehabt habe. Die Folge der Geschich te aber giebt zu erkennen, daß Sparta sich zu den Aetoliern schlug, und in das gemein schaftliche Bündnis mit trat. Diese Stadt war damahls in zwo Partheyen getheilet, deren verworrene Händel und Streitigkei ten, die bis zu den aussersten Gewaltthätig keiten getrieben wurden, grosse Unruhen in derselben erregten. Die eine nahm sich mit vieler Hitze des Philippus an; die andere erklärte sich offenbar wider ihn. Diese be hielt die Oberhand. Machanidas scheint das Oberhaupt derselben gewesen zu seyn, als der sich die Unruhen, wodurch die Republik erschüttert wurde, zu Nutze zu machen such=
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) te, endlich auch sich derselben bemeisterte, und als Tyrann über sie nachher herrschte. Hier auf waren die Bundesgenossen darauf be dacht, sich der Ueberlegenheit ihrer Macht, die ihnen der neue Tractat durch die Verei nigung verschiedener Völker gab, je eher je lieber zu gebrauchen. (Abstammung des Attalus, Königs in Pergamus.) Attalus der erste, König von Pergamus, leistete dem Römischen Volke in dem Krie ge gegen den Philippus grosse Dienste. Die ser kleine monarchische Staat war etwas über vierzig Jahr vor der Zeit, wovon wir hier reden, durch einen Officier, Namens Philäterus, der wegen seiner Tapferkeit und Klugheit sehr hochgehalten wurde, gegrün det worden. Lysimachus, einer von den Nachfolgern des Alexanders, vertraute ihm seine Schätze an, die in dem Schlosse zu Per gamus verwahret wurden. Nach dem To de des Lysimachus blieb er Herr so wohl von den Schätzen als von der Stadt. Er hin terließ sie bey seinem Tode dem Eumenes dem ersten, seinem Neffen, der sein Fürstenthum mit einigen Städten, die er den Syrischen Königen abnahm, erweiterte. Sein Vetter Attalus der erste, von dem hier die Rede ist, folgte ihm. Er nahm, nachdem er die Ga later überwunden hatte, den Titel eines Kö nigs an, und brachte denselben auf seine Nach kommenschaft, die denselben bis in das dritte Geschlecht geführet. Wir wollen die Geschichte dieses Krieges der Römer und ihrer Bundsgenossen wider
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den Philippus gleich nach einander abhandeln,(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) und zwar von dem Consulat des Marcellus und Crispinus, wo wir sie gelassen haben, an, bis auf den Frieden, der unter den Con suls, Scipio und Crassus, geschlossen wurde. Auf diese Art werden wir sodann nicht nöthig haben, die Beschreibung des Krieges wider den Hannibal, der unser Hauptaugenmerk hier ist, mit wenig wichtigern Begebenheiten zu unterbrechen. Machanidas war einer der ersten, der sich(Philippus er hält einige Vortheile ü ber die Aeto lier. Liv. XXVII. 30. Polyb.X. 612.) ins Feld stellte. Er rückte mit seinen Tru pen in das Gebiet der Achäer, von denen er der nächste Nachbar war, ein. Die Achäer und ihre Bundsgenossen schickten deswegen sogleich einige Abgeordnete an den Philip pus ab, und nöthigten ihn, nach Griechenland zu kommen, sie zu vertheidigen und zu unter stützen. Die Aetolier gingen ihm unter dem Commando des Pyrrhias, der dieses Jahr zugleich mit dem Attalus zum General war ernennt worden, bis nach Lamia entgegen. Pyrrhias hatte die Trupen, die Attalus und Sulpicius ihm zugeschickt hatten, bey sich. Philippus schlug ihn zweymahl, und die Ae tolier wurden gezwungen, sich in die Mauern der Stadt Lamia zu verschliessen. Philip pus zog sich nach (*) Phalara mit seiner Ar mee zurück. Von dar begab er sich nach Argos, wo(Sulpicius nimmt die Flucht vor den Philip pus. Liv.XXVII. 30. 31.) man eben zu Feyerung der Nemeäischen 29
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Spiele Anstalt machte. Es war ihnen sehr lieb, die Pracht derselben durch seine Gegen wart zu erhöhen. Während daß er mit diesen Lustbarkeiten sich beschäftigte, war Sulpicius(*) von Naupactus abgegangen, hatte zwischen Sycion und Corinth angelän det, und verwüstete das ganze platte Land. Auf diese erhaltene Zeitung verließ er die Spiele, ging eiligst auf die Feinde loß, jag te sie, indem er sie mit Beute beladen antraf, in die Flucht, und verfolgte sie bis an ihre Schiffe. Bey der Rückkunft bey den Spie len wurde er mit einem allgemeinen Frolocken aufgenommen; um soviel mehr, da er seinen Königlichen Hauptschmuck und seinen Pur pur abgelegt hatte, und sich den schlechten Bürgern gleich stellte. Ein sehr angenehmer und schmeichelnder Anblick für freye Städte! Allein so sehr ihn sein gemeines und dem Vol ke gefälliges Betragen beliebt gemacht hat te, eben so sehr machte ihn kurz darauf sein auf den höchsten Grad geführtes unordent liches Leben verhaßt. (Philippus fliehet hin wiederum vor dem Sulpicius. Livius XXVII. 32.) Einige Tage nach der Feyer dieser Spie le rückte Philippus bis nahe an die Stadt (**) Elis, die eine Aetolische Besatzung eingenom men hatte. Den ersten Tag verwüstete er die angränzenden Gegenden; sodann näher 30 31
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te er sich der Stadt in Schlachtordnung,(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) und ließ einige Schwadronen Reuterey bis an die Thore anrücken, um die Aetolier zu einem Ausfall zu bewegen. Denselben tha ten sie wirklich. Aber wie sehr erstaunte Phi lippus nicht, als er unter ihnen Römische Trupen gewahr wurde? Sulpicius war mit funfzehn Galeren von Naupactus abgegan gen, und des Nachts mit vier tausend Mann, die er ans Land gesetzt, in die Stadt Elis eingerückt. Das Gefechte wurde sehr hitzig.(Plut. im Philop. 360.) Als Demophantes, General der Eleeischen Reuterey, den Philopömen, der der Achäer ihre commandirte, gewahr wurde, rieß er sich aus seinen Gliedern heraus, und ging wie eine Furie auf ihn loß. Dieser erwarte te ihn festen Fusses, und stürzte ihn mit ei nem Pikenstoß vom Pferde herunter. Nach dem Fall des Demophantes nahm seine Reu terey die Flucht. Auf der andern Seite hin gegen fochte das Eleeische Fußvolk mit Vor theil, und als der König sahe, daß die Sei nigen zu weichen anfingen, sprengte er mit seinem Pferde mitten unter das Römische Fußvolk hinein. Sein Pferd, das mit ei nem Wurfspieß war verwundet worden, warf ihn ab. Hierauf wurde der Streit noch viel hitziger, indem sie sich auf beyden Seiten auf serordentlich angriffen; die Römer, des Phi lippus sich zu bemächtigen, und die Macedo nier, ihn zu retten. Der König ließ bey die ser Gelegenheit alle seine Tapferkeit sehen, indem er mitten unter der Reuterey lange
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Zeit zu Fuß streiten muste. Es wurde über aus viel Blut in diesem Streit vergossen. Endlich machten ihn die Seinigen frey, und nachdem sie ihn auf ein ander Pferd gebracht, zog er sich mit seinem Heer zurück. Er blieb fünf tausend Schritt von dar stehen, und griff den folgenden Tag ein Schloß an, in welches eine grosse Menge Bauern mit allen ihrem Vieh geflüchtet waren, bey welcher Gelegen heit er vier tausend Gefangene machte, und mehr als zwanzig tausend Stück so wohl gros ses als kleines Vieh überkam: ein geringer Vortheil, der ihn im geringsten nicht wegen des Schimpfs, der ihm vor Elis erst wieder fahren war, trösten konnte. Eben zu der Zeit erhielt er die Nachricht, daß die Barbaren einen Einfall in Macedo nien gethan hätten. Er hinterließ den Bun desgenossen zwey tausend fünf hundert Mann von seiner Armee, und brach sogleich mit dem Ueberrest auf, sein Land zu beschützen. Sul picius begab sich mit seiner Flotte nach (*) Aegina, allwo er sich mit dem König Attalus vereinigte, und den Winter hinbrachte. (Die Römer und Philip pus stellen sich ins Feld. Livius XXVII. 5.) Sobald der Frühling kam, liefen der Proconsul Sulpicius und der König Atta lus mit ihren Flotten, die zusammen sechzig Galeren ausmachten, von Aegina aus, und begaben sich nach (**) Lemnus. Philippus 32 33
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rückte, um dem Feinde so wohl zu Wasser(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) als zu Lande die Spitze zu bieten, seiner Seits bis nach (*) Demetrias vor. Die Gesandten seiner Bundsgenossen kamen von allen Seiten dahin, ihn in der dringenden Gefahr, worinnen sie sich befanden, um sei nen Beystand anzuflehen. Er gab ihnen ein geneigtes Gehör, und versprach, ihnen ins gesamt Hülfe zuzuschicken, nachdem es die Zeit und Umstände erfordern würden. Er that es auch wirklich, und schickte unter schiedliche Corps seiner Trupen an unter schiedene Oerter, um selbige gegen den An griff der Feinde sicher zu stellen: worauf er nach Demetrias zurückkehrte. Und um de nen Bundsgenossen, die angegriffen werden würden, zu rechter Zeit zu Hülfe eilen zu können, ordnete er in der Landschaft Phocis, in Euböa, und der kleinen Jnsel (**) Pe parethus gewisse Zeichen an, stellte auch sei ner Seits Leute auf den Cisseus, einen sehr hohen Berg Thessaliens, die Feinde zu be obachten, und auf das schleunigste so wohl von ihrem Marsche, als auch von den Oer tern, die sie anzugreiffen gedächten, benach richtiget zu werden. Was Polybius von den durchs Feuer gegebenen Zeichen geschrieben, haben wir 34 35
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) anderwärts gemeldet. Die Materie ist vol ler anmerkungswürdiger Dinge. Der Proconsul und der König Attalus marschierten gegen Euböa zu, und unternah (Jm 8ten Theil der al ten Historie. Attalus und Sulpicius belagern und erobern Ore us. Livius XXVIII. 5. 6.) men die Belagerung einer der wichtigsten Städte dasiger Gegend Oreus. Sie hatte zwey sehr wohl befestigte Schlösser, und konnte einen langen Widerstand thun: allein Plator, den Philippus zum Commendant darinnen bestellt hatte, überlieferte sie verrä therischer Weise denen Belagerern. Er hat te die Signale mit Fleiß zu späte gegeben, damit der Beystand nicht zu rechter Zeit an (Sulpicius muß die Belagerung von Chalcis aufheben.) kommen möchte. Mit Chalcis, welches Sulpicius gleich nach der Einnahme von Oreus belagerte, ging es anders. Die Signale wurden daselbst zu rechter Zeit ge geben, und der Commendant, taub gegen die Versprechungen des Proconsuls, machte Anstalten sich brav zu wehren. Sulpicius sahe wohl, daß er einen unüberlegten Ver such gethan hatte, und er war so klug, den (Beschreib. des Euri pus.) selben alsobald fahren zu lassen. Die Stadt war an und vor sich sehr wohl befestigt, ausserdem lag sie an dem Euripus, der be rühmten Meerenge, in der die Ebbe und Fluth nicht zu gewissen und bestimmten Zeiten des Tages siebenmahl, wie die gemeine Rede ist, sich ereignet; sondern wo diese abwechselnde Bewegung viel häufiger ist, und die Wel len mit solcher Heftigkeit bald von dieser, bald von jener Seite getrieben werden, daß man sagen sollte, es wären reissende Ströme,
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die sich von den Spitzen der Felsen ohne(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) Ordnung und Maas herabstürzten. Sol chergestalt können die Schiffe niemahls weder Ruhe, noch Sicherheit daselbst fin den. Attalus belagerte Opus, eine Stadt der(Attalus wird bey nahe von dem Philipp. überrumpelt. Liv.XXVIII. 7.) Locrier, nicht weit vom Meere gelegen. Phi lippus wendete ausserordentlichen Fleiß an, ihr beyzustehen, und legte in einem Tage ü ber sechzig tausend Schritt, das ist, über zehn deutsche Meilen zurück. Eben war die Stadt erobert worden, als er sich derselben näherte, und er würde den Attalus fast ha ben überrumpeln können, wenn er, von des Philippus Ankunft benachrichtiget, sich nicht über Hals und Kopf zurückgezogen hätte. Philippus verfolgte ihn bis an das Ufer des Meers. Attalus, der sich nach Oreus zurückgezo gen hatte, machte sich, so bald als er ver nahm, daß der Bithynische König Prusias in seine Länder eingerücket wäre, auf den Weg nach Asien, und Sulpicius begab sich nach der Jnsel Egina. Philippus, der ver schiedene kleine Städte unterdessen erobert, und das Vorhaben des Spartanischen Ty rannen Machanidas, welcher die mit Feye rung der Olympischen Spiele beschäftigten Einwohner von Elis zu überfallen gedachte, vereitelt hatte, erhob sich in die Versamm lung der Achäer, die zu (*) Egium gehal 36
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(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) ten wurde. Er stund in der Meynung, all da die Carthaginensische Flotte anzutreffen, und sich mit derselben zu vereinigen: allein der Commendant derselben hatte sich auf die Nachricht, daß Attalus und die Römer von Oreus aufgebrochen wären, aus Furcht ei nes Angriffs von dar eiligst wegbegeben. (Philippus geht nach Macedonien zurück. Livius XXVIII. 8.) Philippus(*) war empfindlich gerühret, daß bey aller nur ersinnlichen Geschwindig keit, die er brauchte, er doch niemahls zu rechter Zeit ankam, um sein Vorhaben ins Werk setzen zu können. Das Glück, sprach er, findet ein Vergnügen daran, alle meine Bemühungen fruchtlos zu machen. Es entziehet mir alle Gelegenheiten, wenn sie mir schon unter den Augen stehen, und dre het mir die Vortheile, wenn ich sie schon er langt zu haben glaube, aus den Händen. Doch verbarg er in der Versammlung sei nen Schmerz, und redete zu derselben mit grossem Muth und Zuversicht. Er nahm Götter und Menschen zu Zeugen, daß er nie mahls eine Gelegenheit verabsäumet, sich auf den Marsch zu begeben, und den Feind über all aufzusuchen. Ja (**) man würde Mü he haben, fügte er bey, zu bestimmen, ob er mehr Verwegenheit die Feinde aufzusuchen, 37 38
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oder sie mehr Fertigkeit vor ihm zu fliehen(d. 545. J. n. R. E. d. 207. J. v. C. G.) bewiesen. Dieses sey ihrer Seits schon ein Geständnis, daß sie ihm an Macht nicht gleich zu seyn glaubten; daher er in kurzen einen vollkommenen Sieg über sie, welcher statt eines augenscheinlichen Beweises hier von dienen sollte, zu erlangen hoffte. Diese Rede machte denen Bundesgenossen von neuen grossen Muth. Er selbst kehrte, nach dem er die nöthigen Befehle gegeben, und einige Streiffereyen gethan, nach Macedo nien zurück, in der Absicht, von daraus die Dardanier mit Kriege zu überziehen.

P. Cornelius Scipio.(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) P. Licinius Crassus.

Es ging ein ganzes Jahr hin, während(Die Aetolier machen mit dem König Philippus Friede. Livius XXIX. 12.) dessen die Römer, welche mit wichtigern Ge schäften überhäuft waren, der Sachen Grie chenlandes sich wenig annahmen. Da nun die Aetolier, die von dieser Seite den kräftig sten Beystand erwarteten, sich solchergestalt verlassen sahen, machten sie mit dem Philip pus ihren Frieden. Kaum war derselbe ge schlossen, so langte der Proconsul P. Sem promus mit einer ansehnlichen Hülfe an, die aus zehn tausend Mann Fußvolk, tausend Pferden, und fünf und dreyßig Kriegsschif fen bestund. Er wuste es den Aetoliern schlechten Dank, daß sie wider den aus drücklichen Jnhalt des geschlossenen Bünd nisses, ohne Einwilligung der Römer, diesen Frieden eingegangen waren.
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Jedoch bestund er nicht hartnäckig auf der Fortsetzung des Krieges, und da die Epiro ten ebenfalls das Ende desselben wünschten, (Die Römer gehen gleich falls Friede ein mit Phi lippus, in welchen die Bundsgenos sen von bey den Seiten mit einge schlossen sind. Liv. ebend.) schickten selbige, nachdem sie sich seiner Ge sinnungen versichert hatten, Abgeordnete an den Philippus, der nach Macedonien zurück gekehret war, um ihn zu Schliessung eines allgemeinen Friedens zu bewegen. Sie ga ben ihm zu verstehen, sie hielten es fast für eine ausgemachte Sache, daß er sich sehr leicht mit dem Sempronius, wenn er nur in eine Unterredung mit demselben einwilligte, wegen der Bedingungen vergleichen werde. Dem König gefiel dieser Vorschlag sehr wohl, und er begab sich sogleich nach Epirus. Da beyde Theile den Frieden wünschten, und zwar Philippus, um die Sachen seines Kö nigreichs in Ordnung zu bringen; die Römer, um sich in den Stand zu setzen, den Krieg ge gen die Carthaginenser desto muthiger fortzu setzen; kam der Tractat bald zur Richtigkeit. Man verglich sich also. Drey bis vier Städ te oder kleine Völker Jllyriens sollten den Römern, (*) Atintanien aber, im Fall der Rath darein willigte, dem Philippus verblei ben. Der König ließ in den Tractat den Bithynischen König Prusias, die Achäer, Böotier, Thessalier, Acarnanier und Epi roter mit einschliessen; und die Römer schlos sen ihrer Seits die Einwohner Jliums, den König Attalus, Pleurates, den Spartani 39
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schen Tyrannen Nabis, der dem Machani(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) das in der Regierung gefolget war, die von Elis, die Messenier und Athenienser mit ein. Das Römische Volk bestätigte den Tractat, weil es sehr gern sahe, daß die Republik aus allen andern Händeln herauskam, und nun alle Macht gegen Africa richten konnte. Sol chergestalt wurde dieser Krieg der Bunds genossen durch einen Frieden, der aber von keiner langen Dauer war, geendigt. Jch komme nun wieder auf die Geschichte des Krieges gegen den Hannibal, die ich, um das, was in dem Kriege gegen den Phi lippus vorgefallen, nach einander zu erzehlen, ein wenig habe unterbrechen müssen.

L. Vetturius.(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Q. Cäcilius.

Es ist dieses das dreyzehende Jahr des(Anweisung der Consuls. Livius XXVIII. 11.) zweyten Punischen Krieges. Beyde Con suls erhielten zur Provinz das so genannte Brutium, (das jenseitige Calabrien) und wurden befehliget dem Hannibal die Spitze zu bieten. Man ernennte auch diejenigen, welche unter ihnen commandiren sollten. Alle Zeichen, deren man damahls eine(Verlöschung des Feuers in dem Tem pel der Ve sta. Liv. ebend.) grosse Menge zu erzehlen wuste, verursachten keine so grosse Furcht und Unruhe, als die Verlöschung des Feuers in dem Tempel der Vesta machte. Die Vestalische Jungfrau, durch deren Nachläßigkeit dieses Unglück sich ereignet hatte, wurde auf Befehl des Ober
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) priesters P. Licinius mit Ruthen gepeitschet, und man verordnete deswegen gewisse beson dere Gebeter, um den Zorn der Götter ab zuwenden. (Der Acker bau in Jta lien wieder hergestellt. Liv. ebend.) Ehe die Consuls zu Felde gingen, trug ih nen der Rath auf, Sorge zu tragen, daß die jenigen, welche ihre Ländereyen verlassen, wie der zurück gerufen, und die Aecker wieder bestellet würden. Es fiel aber sehr schwer, alles in vorigen guten Stand zu setzen. Denn theils hatte der Krieg die meisten Freygebohr nen, welche sich auf den Ackerbau beflissen hatten, weggerafft, und man konnte nicht Sclaven genug finden, ihren Verlust zu er setzen; theils waren die Heerden geraubet, und die Meiereyen an vielen Orten entweder verwüstet oder verbrannt worden. Ohner achtet dieser Schwierigkeiten brachte doch das Ansehen derer Consuls eine grosse Men ge Einwohner auf das Land zurück. Gleich im Anfange des Frühlings brachen die Consuls auf, sich an die Spitze ihrer Ar meen zu stellen. Sie begaben sich nach Lu canien, welches sie ohne Schwerdtstreich wie der unter die Botmäßigkeit der Römer brachten. (Lob des Han nibals. Livius XXVIII. 12. Polyb. XI. 637.) Dieses Jahr verging, ohne daß eine Schlacht zwischen ihnen und dem Hannibal vorfiel. Denn dieser General, der den ent setzlichen Verlust, den seine Familie durch den Tod seines Bruders Hasdrubal, und das Vaterland durch die gänzliche Nieder lage seiner Armee erlitten, noch in frischem
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Andenken hafte, fand nicht vor dienlich, sieg(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) hafte Feinde anzugreiffen. Die Römer hin gegen, da sie sahen, daß er stille saß, hielten es auch nicht vor rathsam, ihn zu reitzen; so sehr schien sein Name selbst zu der Zeit fürchter lich, da alles um ihn herum in Abnahme ge rieth. Bey dieser Gelegenheit macht Poly bius, und nach ihm Titus Livius, eine An merkung, welche uns von dem Hannibal ei nen wirklich grossen Begriff zu geben ver mögend ist. Es scheinet, heißt es bey ihnen, dieser grosse Mann sich noch verwunderns würdiger in seinem widrigen Schicksal, als in seinem günstigen Glück, erwiesen zu ha ben. Denn, kommt es nicht einem Wun derwerk sehr nahe, daß er ganzer dreyzehn Jahre, binnen welchen er weit entfernt von seinem Vaterlande, in einem fremden Lan de, mit sehr unterschiedenem Glücke, Krieg führte, ein Heer, welches nicht aus Cartha ginensischen Bürgern bestund, sondern aus einer verwirrten Menge vieler Nationen, die weder durch dieselben Gesetze, noch durch einerley Sprache mit einander verbunden, und deren Kleidung, Waffen, gottesdienst liche Gebräuche, Opfer, ja Götter selbst, von einander sehr unterschieden waren; daß er alle diese Leute mit einander zu vereinigen, und durch ein so genaues Band zu verknüpfen gewust, daß in einer Folge so vieler Jahre weder eine Uneinigkeit unter seinen Trupen, noch ein Aufstand gegen ihren Anführer je mahls entstanden, ob es ihnen schon öfters
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) an Lebensmitteln und Geld in einem feind lichen Lande gemangelt, und welches in dem ersten Punischen Kriege so viel Zwistigkeit und Unordnung zwischen dem Anführer und den Soldaten verursachet hatte? Allein, nach dem er seine einzige Stütze und Zuflucht durch den Tod seines Bruders Hasdrubal, und durch die Niederlage seiner Armee, verlohren hatte, und genöthiget wurde, sich in einen kleinen Winkel Brutiums zu verstecken und den gantzen Ueberrest Jtaliens im Stiche zu lassen; muß man nicht erstaunen, daß bey solchen Umständen, da ihm alles mangelte, doch nicht die geringste Bewegung unter sei nen Soldaten entstanden ist? Denn die Car thaginenser, welche mit gröster Beschwerlich keit kaum so viel aufbringen konnten, daß sie sich in Spanien zu erhalten vermögend waren, leisteten dem Hannibal so wenig Beystand, als ob er in Jtalien alles in gröstem Ueber fluß gehabt hätte. Dieses ist einer von den kenntlichsten Zügen, welche einen erhabenen Geist zu schildern vermögen, und die deutlich zu erkennen geben, wie weit die Geschicklich keit des Hannibals im Kriegshandwerke ge gangen sey. (Lob des Sci pio.) Des Scipions Stärke in der Kriegswis senschaft war nicht weniger verwundernswür dig. Die durch Klugheit gemäßigte Hitze dieses noch sehr jungen Feldherrns setzte die Sachen der Römer in Spanien völlig wie der auf guten Fuß, so wie vorher das herz hafte Zaudern des Fabius ein gleiches in Jta
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lien gewirket hatte. Ein durchgängig gleich(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) förmiges Betragen, welches durch nichts vermindert wurde, und eine ununterbrochene Folge von grossen und herrlichen Thaten, wel che seinen Ruhm immer mehr vollkom̄en mach ten, verherrlichten diesen schönen Anfang, und brachten den gefährlichsten Krieg, den die Römer jemahls zu führen gehabt, glücklich zu Ende. Titus Livius merket hierbey an, daß die(Anmerkung des Titus Livius über die Sachen in Spanien. Livius XXVIII. 12.) Sachen der Carthaginenser in Spanien sich fast in eben den Umständen befanden, wie die in Jtalien. Denn die Carthaginenser waren nach dem Verlust einer Schlacht, wor innen ihr Oberhaupt gefangen wurde, ge zwungen worden, sich bis in den äussersten Winkel dieser Provinz, und bis an das Meer zurück zu ziehen. Der einzige Unterschied be stund noch darinnen, daß Spanien so wohl wegen der Gemüthsart der Einwohner, als wegen der Beschaffenheit und Lage der Oer ter viel bequemer war, den Krieg wieder zu erneuern, als Jtalien und alle andere Thei le der Welt. Also ob es gleich die erste Pro vinz des festen Landes ist, in welche die Rö mer eingebrochen sind, so ist es doch auch die letzte, die gänzlich unter das Joch gebracht worden. Solches geschahe nicht eher, als unter dem Käyser August. Jn der Zeit, von welcher hier die Rede ist,(Scipio er hält einen grossen Sieg über die Car thaginenser, welche Has) gab Scipio grosse Proben seiner Geschicklich keit und seines Heldenmuths. Hasdrubal, ein Sohn des Gisgo, der berühmteste unter den
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Carthaginensischen Generalen, nach denen von der Familie des Barcas, rückte nach sei ner Ankunft zu Cadix in das jenseitige (*) (drubal und Mago com mandirten. Livius XXVIII. 12 - 16.) Spanien ein. Durch Beyhülfe des Ma go, eines Bruders des Hannibals, stellte er starke Werbungen im ganzen Lande an, und brachte eine Armee von funfzig (**) tausend Mann zu Fuß, und fünf tausend fünf hundert zu Pferde zusammen. Die beyden Cartha ginensischen Generale lagerten sich bey Sil pia (***) in einer grossen Ebene, in der Absicht, ein Treffen nicht abzuschlagen, wenn ihnen die Römer solches anböten. Scipio sahe gar wohl, daß er blos mit seinen Römischen Legionen einer so grossen Macht nicht gewachsen wäre, und daß er ih nen, wenigstens zum Schein, Trupen ent gegen stellen müsse, die er selbst aus Spa nien gezogen hätte. Dabey aber bemerkte er auch, daß er sich diesen Barbaren nicht zu sehr anvertrauen, noch deren eine so grosse Anzahl unter seine Armee nehmen dürf 40 41 42
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te, daß sie im Fall der Treulosigkeit seinen(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Untergang verursachen könnten, wie sie sei nes Vaters und Oheims verursachet hat ten. Die folgende umständliche Beschrei bung des Treffens wird zeigen, wie klüglich er diesen Entwurf ausgeführet. Nachdem er von Tarraco aufgebrochen war, und un terwegens zu (*) Castulo einige frische Tru pen, die ihm Silanus zuführte, an sich ge zogen hatte, rückte er mit seiner ganzen Macht, die auf fünf und vierzig tausend Mann zu Fuß, und drey tausend zu Pferde ausmachte, bis an die Stadt (*) Becula. Als beyde Armeen einander im Gesichte stunden, fielen von beyden Seiten einige leich te Scharmützel vor, und nachdem beyde Partheyen in verschiedenen kleinen Treffen ihre Kräfte gnugsam versuchet hatten, stellte Hasdrubal zuerst seine Trupen in Schlacht ordnung. Die Römer thaten alsobald ein gleiches. Beyde Armeen waren vor den Verschanzungen ihres Lagers gestellet, und verhielten sich ganz ruhig. Jede erwartete von der andern den Angriff. Es ward A bend, ohne daß weder die eine noch die an dere eine Bewegung gemacht hatte. Da her zuerst Hasdrubal, und nach ihm Scipio, die Soldaten wieder in das Lager einrücken liessen. Sie trieben solches einige Tage nach 43
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) einander, ohne daß es zu einem Handgemen ge kam. Beyde Armeen blieben beständig auf glei che Art gestellet. Auf einer Seite machten die Römer, auf der andern die Carthaginen ser mit Africanern untermischt, das Mittel der Schlachtordnung aus. Die Spanier, welche so wohl Bundesgenossen der Römer, als der Carthaginenser waren, stunden in beyden Armeen auf den Flügeln. Zwey und dreyßig Elephanten, die vor der ersten Linie der Carthaginenser gestellet waren, sa hen von ferne nicht anders als Schlösser o der als Thürme aus. Man war in beyden Lagern der Meynung, die Trupen würden in der Ordnung, in der sie damahls stun den, das Treffen liefern, allein Scipio hatte ihm vorgenommen, diese Einrichtung an dem Tage, an welchem er wirklich die Schlacht liefern wollte, zu ändern. Den Abend vor her gab er Befehl, daß so wohl die Menschen noch vor dem Tage etwas zu sich nehmen, als auch die Pferde füttern, und die Reute rey fertig seyn sollte, auf ersten Wink zu marschieren. Kaum war der Tag angebrochen, so mu ste die ganze Reuterey mit denen leichtbe wehrten Soldaten gegen die ausgestellten Wachten der Carthaginenser ausrücken. Einen Augenblick darnach brach Scipio selbst mit seiner ganzen Jnfanterie auf, nach dem er wider Vermuthen so wohl der Fein de, als der Seinigen, die Römischen Solda
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ten auf die Flügel, und die Spanier in die(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Mitte der Schlachtordnung postiret hatte. Hasdrubal, der durch das Lärmen dieses un vermutheten Ueberfalls aufgeweckt wurde, eilte geschwind aus seinem Zelt. Kaum wur de er gewahr, daß die Römer vor seinen Ver schanzungen, die Carthaginenser in Unord nung, und die ganze Ebene mit Feinden be deckt war, als er seiner Seits die ganze Reu terey gegen des Scipions seine anrücken ließ. Er selbst brach aus seinem Lager an der Spi tze seines Fußvolks auf, ohne daß er im gering sten etwas an der bisherigen Einrichtung der Schlachtordnung geändert hatte. Der Streit zwischen der Reuterey war lange Zeit zweifelhaft, und es war nicht wohl möglich, daß er von ihrer Seite entscheidend werden konnte, weil diejenigen, welche weichen mu sten, (dieses geschahe wechsels weise von beyden Partheyen) eine sichere Zuflucht bey ihrer Jnfanterie fanden. Endlich stunden beyde Hauptarmeen so na he bey einander, daß nicht mehr als fünf hun dert Schritt noch darzwischen waren, und nun machte Scipio dem Streite ein Ende. Er hatte den Legionen befohlen sich zu öffnen, und die Reuterey nebst den leichtbewehrten Soldaten in die Mitte zu nehmen. Aus sel bigen machte er zween Hauffen, welche er zum Hinterhalt hinter beyde Flügel stellte. Als er im Begriff stund auf die Feinde zu treffen, befahl er den Spaniern, die in der Mitte der Schlachtordnung stunden, geschlossen und
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) langsam zu marschieren. Von dem rechten Flügel, wo er commandierte, ließ er dem Si lanus und Marcius andeuten, daß sie den linken Flügel, den sie anführten, eben auf die Art ausdehnen sollten, wie sie sehen würden, daß er es mit dem rechten Flügel thäte, und daß sie die hurtigsten von ihren Leuten zu Fuß und zu Pferde gegen den Feind anmar schieren liessen, um mit demselben ins Handge menge zu kommen, ehe noch die Bataillons in der Mitten in einander geriethen. Nach dem sie solchergestalt die beyden Flügel ver längert, marschierten sie jeder mit drey Re gimentern Fußvolk, drey Schwadronen Reu terey und denen leicht bewehrten Soldaten, mit grossen Schritten auf den Feind zu, um ihm in die Flanken zu fallen. Der Rest folg te ihnen und machte mit dem mittlern Theile der Schlachtordnung eine krumme Linie aus. Weil die Spanier zufolge des Befehls, den sie erhalten hatten, viel langsamer mar schierten, blieb in der Mitten ein leerer Raum, und die Flügel waren schon an einander, da die Carthaginenser und Africaner, welche die gröste Stärke der Feinde ausmachten, einander noch nicht so nahe waren, daß sie ihre Bogen brauchen konnten. Ueberdies unterstunden sie sich nicht, denen Jhrigen die auf den Flügeln fochten, zu Hülfe zu kom men, aus Furcht ihr Mittel zu entblössen, und solches dem Angriffe der Feinde blos darzu stellen. Solchergestalt hatten die Flügel zu gleich mit zween Feinden zu thun: mit der
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Reuterey und der leichtbewehrten Mann(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) schaft, die einen Umweg genommen hatten, um ihnen in die Seiten zu kommen; und mit den Regimentern zu Fuß, die ihnen von for ne zusetzten, und sie von dem Mittel ihrer Schlachtordnung zu trennen suchten. Man sieht aus allem dem, was gesagt worden ist, was die Geschicklichkeit eines Anführers ver möge. Die Flügel schlugen sich eine Zeitlang mit ziemlichem Muth: als aber die Hitze zunahm, wurden die Spanier, welche ungegessen aus dem Lager hatten ausrücken müssen, derge stalt abgemattet, daß sie ihr Gewehr nicht mehr ertragen konnten. Die Römer hinge gen waren voller Muth und bey guten Kräf ten, hatten auch noch diesen Vortheil vor aus, daß durch die kluge Vorsicht ihres Ge nerals der Kern ihrer Armee mit dem schwäch sten Theile des feindlichen Heers zu thun be kam. Dieser muste also, weil es ihm an Kräften und an Muth gebrach, weichen, welches aber in so guter Ordnung geschahe, daß es schien, als ob die ganze Armee sich auf Befehl ihres Anführers zurückzöge. Da aber der Sieger hierauf, weil er sie weichen sahe, von allen Seiten her um so viel hitziger in sie eindrung, war es ihnen nicht weiter möglich Widerstand zu thun. Ohnerachtet aller Bemühungen und aller Vorstellungen, die Hasdrubal anwendete, behielt doch die Furcht über die Scham die Oberhand. Sie trennten sich, nahmen die Flucht offenbar,
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) und begaben sich mit grossem Schrecken in ihr Lager zurück. Die Römer würden sie bis in dasselbe verfolget, und sich dessen selbst bemächtiget haben, wenn nicht ein heftiger Sturm mit einem so starken Regen entstan den wäre, daß die Sieger selbst Mühe ge nug hatten ihr Lager zu erreichen. Als Hasdrubal sahe, daß die Turdetaner ihn verlassen hatten, und die andern Bundesge nossen eben dasselbe zu thun vorhatten, brach er mit seinem Lager in der drauf folgenden Nacht auf, um zu verhüten, daß das Uebel nicht weiter einrisse. Bey Anbruch des Ta ges wurde dem Scipio von dem Abzuge der Feinde Nachricht gebracht, daher er ihnen die Reuterey auf dem Fuß nachschickte. Ob nun wohl der Marsch derselben aus Jrrthum der Wegweiser ohne Nutzen verlängert wur de, erreichte sie doch endlich die Feinde. Sie griff dieselben bald von hinten, bald in der Seite an, und machte ihnen so viel zu schaf fen, daß sie auf ihrer Flucht sehr aufgehal ten, und den Römischen Legionen Zeit genug verschaffet wurde nachzukommen. Sobald dieses geschehen war, konnte man es nicht mehr eine Schlacht nennen, sondern es war ein grausames Niedermetzeln, bis endlich der General selbst seine Trupen zur Flucht ermahnte, und mit ohngefähr sechs tausend Mann, die halb entwaffnet waren, auf die benachbarten Berge entkam. Der ganze Ueberrest wurde entweder getödtet oder ge fangen genommen. Als Hasdrubal gewahr
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wurde, daß seine Trupen von Zeit zu Zeit(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) in das Lager der Feinde übergingen, verließ er die Armee, erreichte noch in der Nacht das Gestade des Meers, und begab sich auf die Schiffe, die ihn nach Cadix brach ten. Auf die erhaltene Nachricht von der Flucht(Scipio keh ret nach Tar raco zurück. Livius XXVIII. 16.) des Hasdrubals, überließ Scipio dem Si lanus zehn tausend Mann zu Fuß, und tau send zu Pferde, um den Ueberrest dieser Ar mee vollends auszurotten. Er selbst kehrte mit den übrigen Trupen in einer Zeit von siebenzig Tagen nach Tarraco zurück, und untersuchte mittlerweile auf dem Marsche selbst die Aufführung, welche die Städte und kleinen Fürsten des Landes gegen die Römer beobachtet hatten, denen er nach Befinden entweder Belohnungen oder Strafen zuer kannte. Nach seiner Abreise ließ sich Masinissa(Masinissa verbindet sich mit den Rö mern. Liv. ebend.) insgeheim mit dem Silanus in Unterhand lung ein, um in das Bündnis der Römer aufgenommen zu werden. Hierauf ging er mit einer kleinen Anzahl seiner Untertha nen nach Africa über, in der Absicht, seine ganze Nation in dieses Bündnis zu ziehen. Titus Livius giebt keinen Grund an, der den Masinissa zu solcher Veränderung bewo gen habe; er gedenket nur so viel, daß die standhafte Treue, welche er gegen die Rö mer bis an das Ende seines Lebens, das sehr lang war, bewiesen, urtheilen lasse, er
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) habe es nicht ohne gegründete Ursachen ge than. Allein aus der umständlichen Erzählung, (Siehe Tit. Liv.XXIX. 29.) die wir anderwärts von den Veränderun gen machen werden, die in dieser Zeit selbst in Numidien vorgefallen sind, wird es deut lich erhellen, daß die Carthaginenser selbst wider den Masinissa etwas vorhatten. Und dieses war aller Wahrscheinlichkeit nach die Ursache, welche diesen Herrn antrieb, sich von ihnen abzusondern. Endlich flößte ihm auch die Heyrath der Sophonisbe, die ihm versprochen war, und nachher dem Syphax war gegeben worden, einen unversöhnlichen Haß gegen sie ein. Mago folgte dem Hasdrubal nach Cadix auf den Schiffen, die ihm dieser zurückge schickt hatte. Die von der Parthey der Carthaginenser noch übrigen und von ihren Häuptern verlassenen zerstreute theils die Flucht, theils das Ausreissen in die benach barten Städte. Man sahe nichts weiter davon zum Vorschein kommen, wenigstens nichts, das der Anzahl oder Kräften nach et was zu bedeuten gehabt hätte. Sölcherge stalt verjagte Scipio die Carthaginenser aus Spanien gänzlich, im sechsten Jahre, nach dem er das Commando der Armeen dieser Provinzen übernommen hatte, und im drey zehenden Jahre nach dem Anfange dieses Krieges zwischen beyden Nationen. Da Silanus weiter keinen Feind zu be streiten hatte, kam er zu dem Scipio nach
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Tarraco zurück, und berichtete ihm, daß(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) der Krieg nun gänzlich geendiget wäre. Einige Zeit darnach langte L. Scipio zu Rom an, wohin ihn sein Bruder mit einer grossen Anzahl vornehmer Gefangenen schick te, um denen Römern die Zeitung von der Unterwerffung des ganzen Spaniens zu über bringen. Diese Nachricht verursachte in der Stadt eine allgemeine Freude. Man erhob die Klugheit und Tapferkeit dieses jun gen Helden bis an den Himmel. Nur er allein, dessen Ruhmbegierde nicht gesättiget werden konnte, betrachtete alles, was er bis her gethan hatte, als einen Schattenriß von den grossen Unternehmungen, damit er noch schwanger gieng; und weil er darauf aus war, den Krieg bis an die Mauern Cartha gens zu spielen, fand er nöthig, ihm einiges Verständnis und einigen Beystand in Afri ca zu verschaffen. Syphax beherrschte damahls den besten(Scipio suchet die Freund schaft des Syphax, ge het nach Afri ca, ihn selbst zu sprechen, und trift, zu glücklicher Ausführung seines wichti gen Vorha bens, bey demselben den Hasdru bal an. Livius XXVIII. 17. 18.) Theil Numidiens, dessen Einwohner Masä syli genennet wurden. Er war ein mächti ger Herr, der aber nach gewöhnlicher Art der Barbaren nicht viel aus der Treue und Beständigkeit in Beobachtung der Bünd nisse, die er eingieng, machte. Er hatte sich vorher in ein Fried - und Freundschaftsbünd nis mit den beyden Scipionen, Vater und Oheim dessen, von dem hier die Rede ist, ein gelassen, und war nachher wieder auf die Seite der Carthaginenser getreten. Sci pio, der seiner benöthigt zu seyn glaubte, ver
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) suchte ihn wieder zu gewinnen, und schickte den Lälius mit ansehnlichen Geschenken an ihn. Syphax ließ sich nicht sehr nöthigen. Er sahe, daß die Sachen der Römer auf (Appian. vom Span. Krieg. 271.) allen Seiten glücklich liefen, der Carthagi nenser ihre hingegen sich so wohl in Spanien, als in Jtalien, von Tage zu Tage verschlim merten. Jedoch erklärte er sich, daß er nur allein mit dem Römischen General selbst in Person sich einlassen wollte. Lälius begab sich demnach wieder zurück, nachdem er sich von dem Syphax hatte das Wort geben las sen, daß Scipio nichts zu befürchten haben sollte, wenn er sich entschlösse, selbst zu ihm zu kommen. Die Freundschaft dieses Fürsten war vor die Absichten, welche Scipio auf Africa hat te, von der äusersten Wichtigkeit. Er war der reichste und mächtigste König des gan zen Landes. Er war mit den Carthaginen sern schon in Krieg verwickelt gewesen. Sei ne Staaten befanden sich in Ansehung Spa niens in der bequemsten Lage, denn es war von daraus nur eine kurze Ueberfarth über das Meer. Scipio war der Meynung, die Erlangung eines so grossen Vortheils ver lohne sich schon der Mühe, sich einer, ob wohl ziemlich grossen Gefahr auszusetzen. Er gieng also ohne weitere Bedenklichkeit mit zwey Schiffen von Carthagena ab, mit dem Syphax selbst zu sprechen. Zu eben der Zeit nahm der Carthaginensische General Has drubal, ein Sohn des Gisgo, der Spanien
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zu verlassen war gezwungen worden, seine(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Zuflucht zu diesem Fürsten. Er war schon in dem Hafen eingelauffen, als er die beyden Römischen Galeren, die noch auf der offe nen See waren, gewahr wurde. Er mach te einige Bewegungen sie anzugreiffen, weil a ber der Wind, der ziemlich stark wehete, Scipio in weniger Zeit in den Hafen brach te, unterstund sich Hasdrubal nicht, ihn zu beunruhigen, sondern dachte an weiter nichts, als sich zu dem Syphax zu begeben, wohin ihm Scipio so gleich folgte. Syphax bildete sich nicht wenig ein, auf eine solche Art von zween Generalen der bey den mächtigsten Völker des Erdbodens be suchet zu werden, die an einem Tage sich um seinen Beystand und seine Freundschaft zu bewerben zu ihm kamen. Er nöthigte sie beyde in seinem Pallaste ihren Aufenthalt zu nehmen. Ja er bemühete sich so gar, sie da hin zu bringen, daß sie in einer Zusammen kunft ihre Zwistigkeiten beylegen möchten. Allein Scipio lehnte es von sich ab, indem er vorstellte, er habe weder etwas, das seine Person angienge, mit Hasdrubal auszuma chen, noch sey auch mit einer Vollmacht ver sehen, sich mit einem Feinde über Staatssa chen in einige Unterhandlung einzulassen. Doch wollte er wohl auf Ersuchen des Kö nigs mit dem Hasdrubal essen, auch nicht entgegen seyn, sich mit demselben auf einem Lager niederzulassen. Der Umgang des Scipio hatte so viel reitzendes, und seine
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Geschicklichkeit sich in die Gemüther anderer zu finden, war so groß, daß er während der Tafel nicht allein den barbarischen Fürsten Syphax, der durch eine ihm gänzlich unge wöhnliche Höflichkeit und Leutseeligkeit leich ter zu gewinnen war, sondern auch selbst den gegen die Römer und gegen den Scipio ins besondere so erbitterten Feind Hasdrubal einnahm. Dieser Carthaginenser bekannte nachher, daß ihm diese Unterredung einen viel höhern Begriff von dem Scipio gegeben, als alle dessen Siege und Kriegseroberun gen. Er fügte hinzu: er zweifele im gering sten nicht, Syphax und sein Königreich wer de nun gänzlich den Römern ergeben seyn. So ausserordentlich war die Kunst des Sci pio sich in die Gemüther einzuschmeicheln, und das Vertrauen derjenigen zu gewinnen, mit denen er Unterhandlungen pflegte. Allein ein anderer Gedanke beschäftigte den Hasdrubal, und machte ihm grausame Unruhen. Er sahe wohl ein, daß ein so grosser Feldherr nicht eine angenehme Spa tzierfarth die Länge lang an den Küsten zu thun, oder seine eitele Neugier zu vergnügen, seine Trupen in einer neu eroberten Provinz verlassen, mit zwo Galeren nach Africa über gesetzet, und sich auf einem feindlichen Ge biete der Treue eines Fürsten, auf welche er nicht so gar viel rechnen dürffe, überlassen habe. Er merkte wohl daß die Absicht die ser Reise des Scipio keine andere sey, als Africa anzufallen. Er wuste, daß dieser Ge
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neral schon seit langer Zeit auf diese Erobe(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) rung sann, und frey genug heraus gesaget hatte, warum er nicht berechtiget seyn sollte, mit gewafneter Hand bis vor die Thore Car thagens anzurücken, da Hannibal die Ver wegenheit gehabt hätte, mit seinem Heer bis in das Herz von Jtalien einzudringen. Aus allen diesen Reden schloß er, es müsten die Carthaginenser von nun an nicht auf die Wiedererlangung Spaniens, sondern nur auf die Erhaltung von Africa denken. Und hierinnnen betrog er sich keinesweges. Man könnte fragen, ob es auch der Klug heit gemäß gewesen sey, daß Scipio die Rei se, von der hier die Rede ist, unternommen, und sich ohne Noth aller der Gefahr, die daraus folgen konnte, ausgestellet, zumahl da einige Augenblicke eher sich der Hasdru bal gar seiner Person hätte bemächtigen kön nen. Und was würde dies für ein Unglück vor Rom gewesen seyn! Er lief nicht weni ger Gefahr von Seiten des Syphax, eines Herrn, der kein Sclave seiner Worte war, der mit den Carthaginensern noch wirklich im Bündnis stund, und der, da er ihren fürch terlichsten Feind in seiner Gewalt hatte, leicht hätte Lust bekommen können, ihnen denselben zu überliefern. Wir werden weiter unten sehen, wie ihm diese Handlung von dem Fa bius als verwegen und als ganz unregelmäs sig ist vorgeworffen worden. Allein das An sehen des Fabius, der ausserordentlich wider den Scipio eingenommen war, darf hier
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) von keinem gar grossen Gewicht seyn. Jch unterstehe mich nicht, einen solchen Zweifel aufzulösen, sondern überlasse die Entscheidung den Lesern. Wenn der Ausgang in derglei chen Dingen ein gültiger Schiedsrichter seyn könnte, würde die Antwort leicht fallen: al lein der kluge Fabius giebt zu verstehen, daß der Ausgang nur ein Lehrmeister solcher Per sonen sey, denen es an gnugsamen Verstan de fehle. Euentus ſtultorum magiſter eſt. (Livius XXVII. 39.) Es verhalte sich aber damit wie es wolle, so hatte Scipio nicht Ursach, sich seine Reise reu en zu lassen, denn er gieng nicht eher wieder nach Spanien zurück, als bis er ein Trutz - und Schutzbündnis mit dem Syphax wider die Carthaginenser geschlossen hatte. Nachdem er sich am Boord seiner Galeren begeben hatte, lief er nach Verfliessung von vier Ta gen im Hafen von Carthagena ein, und nahm sich so gleich der Sachen in der Pro vinz an. Die Römer hatten zwar allerdings weiter nichts von Seiten der Carthaginenser in Spa nien zu befürchten; es waren aber noch eini ge Städte, welche sich des Hasses, den sie gegen die Römer bewiesen hatten, erinnerten, und nicht aus Zuneigung, sondern nur aus Furcht stille sassen. Die grösten und auch die strafbarsten waren Jlliturgis und Ca stulo. Letztere hatte es, so lange die Römer glücklich gewesen, mit ihnen gehalten, und war so gleich nach der Niederlage der Scipionen und ihrer Armeen zu den Carthaginensern
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übergegangen. Die von Jlliturgis hatten(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) ihren Abfall durch eine entsetzliche Grausam keit noch starfbarerstrafbarer gemacht, indem sie die jenigen Römer, welche nach dem Verlust der Schlacht bey ihnen eine Freystädte gesucht, ermordet hatten. Denn Scipio wuste zwar schon bey seiner Ankunft in Spanien, was diese Völker verdienet hatten; es würde aber damahls die Strafe ganz zu unrechter Zeit angebracht worden seyn. Jetzt, da Spanien Ruhe hatte, dünckte es ihm Zeit zu seyn, die Verbrecher zu züchtigen. Er ließ deswegen den L. Marcius von Tar(Scipio bela gert und ero bert Jllitur gis, und zer stört es von Grund aus. Liv.XXVIII. 19. 20. Appian. vom Span. Rrieg 272.) raco kommen, und ertheilte ihm Befehl, mit dem dritten Theil seiner Trupen die Bela gerung von Castulo zu unternehmen. Er selbst führte den Ueberrest der Armee vor Jl liturgis, allwo er nach einem fünftägigen Marsch, in Begleitung des Lälius, ankam. Die Einwohner, denen ihr böses Gewissen voraus sagte, was sie zu befürchten hätten, hatten schon alle nöthige Zurüstungen ge macht, sich wohl zu vertheidigen. Da sie gewiß wusten, daß sie der Strafe und dem Tode nicht entgehen konnten, waren sie fast entschlossen, ihr Leben theuer genug zu ver kauffen. Dieser Entschluß war in der Stadt durchgängig gefaßt. Mann und Weib, jung und alt, alles war Soldat. Die Wuth und Verzweifelung diente ihnen statt der Herzhaftigkeit, und machte alle Ermun terung überflüßig. Die Belagerten wehr ten sich so verzweifelt, daß diejenige Armee,
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) welche ganz Spanien bezwungen, mehr als ein mahl die Schande hatte, sich durch die Bür gerschafft einer einzigen Stadt weit von den Mauern zurück getrieben zu sehen. Scipio, welcher fürchtete, es möchte dieser üble Fort gang den Seinigen den Muth benehmen, und die Feinde in ihrer Verwegenheit be stärken, fand vor rathsam, selbst an der Ge fahr Antheil zu nehmen. Er verwieß daher zuförderst den Soldaten ihre geringe Herz haftigkeit, ließ darauf StrumleiternSturmleitern herbey bringen, und erklärte vor der ganzen Armee, daß er allein Sturm lauffen wollte, wenn sie keine Lust darzu bezeigten. Er war schon unter der Mauer, als die Soldaten voller Schrecken über die Gefahr, worinnen sie ihren General erblickten, ihm einmüthig zu ruften, daß er sich zurück und in Sicherheit begeben möchte. Sogleich legten sie alle auf einmal an verschiedenen Orten ihre Sturm leitern an, und erstiegen mit gröster Uner schrockenheit die Mauern. Lälius that auf seiner Seite mit nicht ge ringerer Hitze den Angriff. Nun fingen die Belagerten an den Muth zu verliehren, zu mahl nachdem die, welche die Mauern ver theidigten, über den Hauffen geworffen, und die Römer davon Meister geworden waren. Zu gleicher Zeit wurde auch das Schloß, ver mittelst des Auflauffs, der in der Stadt ent stund, selbst von der Seite erobert, wo man es vor unersteiglich hielte. Africanische Ue berläuffer, die unter der Römischen Armee
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Kriegsdienste thaten, waren auf Umwegen,(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) darauf sonst niemand fortkommen konnte, bis auf die Spitze des Felsens mit vieler Be schwerlichkeit geklettert. Es ging bey dieser Gelegenheit an ein gräu liches Niedermetzeln, welches deutlich zeigte, wie weit es Erbitterung, Haß und Rache treiben könne. Niemand dachte daran, Ge fangene oder Beute zu machen, ob schon die Güter der Einwohner denen Soldaten Preis gegeben waren. Der Ueberwinder hieb oh ne Unterschied alles nieder, was ihm aufstieß, Mann und Frau, alt und jung, bis auf die kleinsten Kinder, die noch an der Brust la gen. Endlich steckten sie die Häuser in Brand, und was das Feuer verschonete, ver heerten sie nachher. So sehr waren sie auf gebracht, auch die geringsten Spuren, wel che das Andenken einer ihnen so verhaßt gewordenen Stadt erhalten könnten, zu ver tilgen. Von dar führte Scipio seine Armee vor(Castuls er giebt sich, und wird et was gelinder gehalten.) Castulo, welches nicht nur von den Spani ern des Orts, sondern auch von einigen Car thaginensischen Trupen, die von der Armee des Hasdrubals noch übrig geblieben, und auf der Flucht allda zusammen gekommen waren, vertheidiget wurde. Die Nachricht von der Einnahme und Einäscherung der Stadt Jlliturgis kam noch vor dem Scipio daselbst an, und setzte die Einwohner in Furcht und Verzweifelung. Da die Sache der da selbst befindlichen Carthaginenser von der Sa
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) che der Einwohner gänzlich unterschieden, und niemand weiter als nur auf seine Rettung bedacht war, ohne sich um des andern seine zu bekümmern, verwandelte sich ihr gegen einander hegendes Mißtrauen bald in eine of fenbare Uneinigkeit. Die Belagerten über lieferten das Oberhaupt der Carthaginen ser, Himilcon, seine Trupen und die Stadt dem Scipio. Dieser Sieg war mit wenigerm Blutvergiessen verknüpft, als der vorige; es waren aber auch die Einwohner von Castulo weniger strafbar, als die von Jlliturgis, und ihre freywillige Uebergabe hatte den Zorn der Römer um sehr vieles besänftiget. (Scipio stellet seinem Vater und Oheim zu Ehren Schau - und Fechterspiele an. Livius XXVIII. 21.) Nach Endigung dieses Feldzugs wurde Marcius abgeschickt, diejenigen Barbarn un ter das Joch der Römer zu bringen, die noch nicht gänzlich bezwungen waren. Sci pio kehrte nach Carthagena zurück, um de nen Göttern für die Vortheile, die er durch ihren Beystand erhalten hatte, Dank abzu statten, und die Schau und Fechterspiele, wozu er Anstallten hatte machen lassen, an zustellen, damit das Andenken seines Vaters und Oheims zu beehren. Er brauchte bey diesen Gefechten weder Sclaven, noch um Sold gedungene Leute, die mit ihrem Blute zu handeln pflegten, sondern nur solche Personen, die sich freywillig, und ohne etwas damit zu gewinnen, angegeben hatten. Einige waren von den Königen des Landes darzu abgeschickt worden, denen es sehr lieb war, von dem Muth ihrer Unterthanen
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Proben geben zu können: andere hatten sich(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) von selbst eingefunden, dem Scipio ihre Ehr erbietung zu bezeigen: viele hatten auch aus Hohnsprecherey und Begierde andern nach zuahmen Ausforderungen gethan und ange nommen, denen zu folge sie sich miteinander schlugen. Es gab endlich auch einige, die mit einander Abrede genommen, ihre Zwistigkeiten, die sie nicht anders hatten können, oder nicht anders hatten bey dieser Gelegenheit wollen abthun, durch die Waffen zu endigen. Man sahe so gar Personen von hohem Stan de, dergleichen Corbis und Orsua, zween nahe Vettern, waren, die mit dem Degen in der Faust entscheiden wollten, welchem die O berherrschafft über die Stadt Jbis, darüber sie miteinander uneinig waren, zugehörte. Corbis war der älteste, Orsua aber war der Sohn des letztern Besitzers, dem sein älterer Bruder diese Herrschafft auf dem Todbette übergeben hatte. Scipio bemühte sich, sie in der Güte auseinander zu setzen, und mit einander zu versöhnen, sie gaben aber zu ver stehen, daß ihre nächsten Anverwandten ih nen schon diesen Vorschlag, den sie jedoch nicht annehmen wollten, gethan hätten, und daß sie nur allein den Gott Mars vor den Schiedsrichter ihrer Streitigkeit erkennen wollten. Die Wuth, mit der sie sich schlugen, und die Begierde, lieber zu sterben, als den andern vor seinen Oberherrn zu erkennen, war so wohl ein vergnügendes Schauspiel vor die Armee, als auch ein deutlich lehren
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) der Beweis, was die Leidenschaft zu herrschen für ein Ubel unter den Menschen sey. Der ältere erhielt den Sieg, und den ruhigen Besitz der Stadt. Auf den Kampf der Fech ter folgten Leichenspiele, welche so prächtig waren, als sie in der Provinz und in einem Lager seyn konnten. (Erschreckli cher Ent schluß der Einwohner von Astapa. Sie kommen alle um. Livius XXVIII. 22. 23. Appian. vom Span. Krieg 273.) Unterdessen richteten die Unterbefehlshaber des Scipio alle in den Orten, wo er sie hin geschickt hatte, alle seine Befehle treulich aus. Nachdem Marcius über den Fluß Bätis ge gangen war, überkam er durch gütlichen Vergleich zwo reiche Städte, ohne daß er die Gewalt der Waffen zu brauchen nöthig gehabt hatte. Ganz anders gieng es mit der Stadt Astapa. Weil die Einwohner dieser Stadt wusten, daß sie durch die Stras senräubereyen und durch die mit kaltem Blut begangenen Ermordungen die Römer so sehr wider sich aufgebracht, daß sie keine Verge bung hoffen dürften; hiernächst auf die Fe stigkeit ihrer Mauern, und auf ihre Macht wenig Staat machen konnten; faßten sie bey Annäherung der Römischen Armee einen seltsamen und barbarischen Entschluß wider sich selbst. Sie warffen ihre kostbarste Ge räthschaft nebst allem Golde und Silber auf dem öffentlichen Platze auf einem Klumpen zusammen, setzten auf diesen kostbaren Hauf fen ihre Weiber und Kinder, und umgaben alles mit dürren und zum geschwinden An zünden geschicktem Holze. Hierauf beor derten sie funfzig brave und wohlbewafnete
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junge Leute, so wohl die Schätze, als auch(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) die Personen, die ihnen ungleich schätzbarer, als alle Güter waren, an diesem Orte so lan ge, als der Ausgang des Streits zweifelhaft schien, zu verwahren, und wenn sie sähen, daß weiter keine Hofnung übrig wäre, den Holzstoß in Brand zu stecken, und nichts von allem, was ihrer Verwahrung anvertrauet wäre, übrig zu lassen, woran der Feind sei ne Wuth auslassen könnte. Sie selbst wa ren entschlossen, wenn sie die Stadt nicht retten und den Sieg nicht davon tragen könn ten, insgesammt im Streit umzukommen. Sie sprachen die allererschrecklichsten Ver fluchungen gegen die aus, welche der Man gel an Herzhaftigkeit, oder die Hofnung das Leben zu retten, verleiten würde, dieser ge nommenen Abrede zuwider zu handeln. Nachdem sie diese Maasregeln genommen hatten, öfneten sie auf einmahl die Thore der Stadt, und überfielen die Römer mit grö ster Wuth. Man hatte sich auf Seiten der Römer eines solchen Ausfalles keinesweges versehen. So gleich rückten einige Schwa dronen mit der leichtbewehrten Mannschaft aus dem Lager, und stellten sich ihnen entge gen: sie wurden aber hitzig zurück geschla gen, und die Römer würden sich unter ih ren Verschanzungen haben mit den Feinden herumschlagen müssen, wenn sich nicht die Legionen so geschwind, als möglich war, in Schlachtordnung gestellet, und ihnen entge gen gerücket wären. Aber auch dieses schreck
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) te sie nicht ab, sondern sie brachen vielmehr als verzweifelte mitten in das gewafnete Rö mische Fußvolk ein, und brachten anfangs die ersten Glieder in einige Unordnung. Aber diese alten Soldaten, welche der Verwegen heit und dem Frevel dieser wütenden einen standhaften Muth entgegen stellten, dämpf ten durch das Niederhauen der erstern eini ger massen die Hitze der folgenden. Doch da sie sahen, daß keiner weichen wollte, und daß sie fest entschlossen zu sterben, sich ohne den Platz zu verändern niederhauen liessen, öfneten sie ihre Schlachtordnung, (welches sie wegen der grossen Ueberlegenheit leicht thun konnten,) und nöthigten die Feinde, nachdem sie dieselben in die Mitte bekommen, sich fest aneinander zu schliessen. Und sol chergestallt tödteten sie Mann vor Mann, von erstern bis auf den letztern. Das Morden, welches zu gleicher Zeit in der Stadt geschahe, war noch viel gräu licher, denn es waren ihre eigene Mitbürger, welche eine Menge von Weibern und Kin dern, die theils wegen ihres Geschlechts, theils wegen ihres Unvermögens sich zu wehren nicht vermochten, erwürgten, und hierauf ihre gröstentheils noch lebende Körper in ei nen zu dem Ende angezündeten Holzhauffen, dessen Flamme durch die Menge des Bluts, das auf allen Seiten hervor strömte, fast verlosch, warffen, und welche sich endlich selbst, nachdem sie des Tödtens müde, mit ihren Waffen in eben dieselben Flammen
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stürzten, um mit ihren Landsleuten, die sie(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) so jämmerlich erwürget hatten, darinnen ver zehret zu werden. Alles war aufs genaueste vollstrecket, als die Römer in die Stadt einzogen. Bey ei nem so erschrecklichen Anblick konnten sie An fangs vor Erstaunen und Verwirrung nicht einen Schritt vor sich thun: einen Augenblick darauf aber, als sie das Gold und Silber durch die andern Sachen, die das Feuer verzehrte, durchblincken sahen, that die na türliche Geldbegierde ihre völlige Wirkung. Sie stürzten sich mit einer solchen Heftigkeit mitten in das Feuer hinein, diese Kostbar keit zu retten, daß viele darinnen umkamen, und andere durch den Dampf der Flamme beschädiget wurden, weil die letztern, die auch Theil an der Beute haben wollten, die er stern drängeten, und nicht zurück liessen. Solchergestallt wurde die Stadt Astapa durch Feuer und Schwerdt ganz und gar vertilget, ohne daß der Soldat die geringste Beute machen konnte. Marcius hatte nicht nöthig, ferner Gewalt zu brauchen, um das übrige des Landes ihm zu unterwerffen. Er versetzte vielmehr allein durch das Schrecken seiner Waffen alles in Ruhe, und führte sodann seine Trupen nach Carthagena, allwo ihn der Scipio erwar tete, zurück. Jch weiß nicht, ob die Geschichte noch ein schrecklicheres Beyspiel der Wuth und Ra serey darstellet, worein die Verzweifelung die
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Menschen stürzen kan. Es würde unrecht seyn, wenn man deswegen einen Haß auf die Römer werffen wollte, da der Feind, mit dem sie zu thun hatten, hartnäckig entschlos sen war zu sterben, und weder Quartier an zunehmen, noch zu verlangen. (Unterneh men auf Ca dix. Livius XXVIII. 23.) Eben um diese Zeit fanden sich Ueberläuf fer von Cadix ein, die sich erboten, dem Sci pio diese Stadt, die Carthaginensische Be satzung, und den General, der sie comman dirte, zu überliefern. Mago hatte sich nach seiner erlittenen Niederlage dahin geflüchtet, und durch die auf dem Meer zusammen ge brachten Schiffe, und durch Beyhülfe des Hanno, eines Carthaginensischen Officiers, einige Hülfstrupen von denen jenseit der Meerenge gelegenen Africanischen Küsten, und aus den benachbarten Spanischen Ge genden an sich gezogen. Nachdem Scipio von den Ueberläuffern die Losung erhalten, und ihnen die seinige gegeben, schickte er sie zurück, und ertheilte so gleich dem Marcius Befehl, mit einem Theil der Trupen vor Cadix zu gehen, und es zu Lande zu bela gern; während dessen Lälius zu gleicher Zeit dieser Stadt von der Seeseite mit sieben Galeren zu drey, und einer zu fünf Ruder bäncken zusetzen sollte. (Krankheit des Scipio, welche zu ei nem Aufstan de Anlaß giebt.) Jndessen wurde Scipio von einer ziemlich beschwerlichen Krankheit befallen, welche die ge meine Sage noch viel gefährlicher machte, als sie in der That war, wie solches insge mein zu geschehen pfleget. Denn die Men
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schen haben einen natürlichen Trieb, die Er(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) zählungen, die man ihnen macht, mit neuen Umständen zu vermehren und zu vergrössern. Die gantze Provinz, und insonderheit die ent(Livius XXVIII. 24 29. Appian. vom Span. Kriege 273 275.) ferntesten Qvartiere derselben, wurden durch die aus wahren und falschen zusammen ge setzten Nachrichten voller Unruhe und Ver wirrung: und man konnte leicht voraus se hen, was der Tod dieses Generals, wenn er würklich erfolget wäre, für Folgen würde gehabt haben, da ein ungegründetes Ge rücht davon so erschrekliche verursachte. Die Bundsgenossen wurden untreu, die Solda ten aufrührisch. Mandonius und Jndibilis, die ihre Unterthanen und eine Menge Celtibe rier aufgewiegelt hatten, verwüsteten und plünderten das Gebiet der Bundsgenossen des Römischen Volks. Das verdrüßlichste aber bey dieser Bewegung war, daß selbst Römische Bürger ihre Schuldigkeit gegen ihr Vaterland aus den Augen setzten. Es stund ohnweit Sucro eine kleine Ar(Aufruhr der bey Sucro stehenden Römer.) mee von acht tausend Römern, welche zu dem Ende dahin gestellet waren, daß sie die Völker, die disseits des Ebroflusses wohnen, im Zau me halten sollten. Diese Trupen hatten schon, ehe sich noch die Rede von des Scipio Krankheit ausgebreitet hatte, einige Meute rey angefangen. Die lange Ruhe hatte, wie es gemeiniglich geschiehet, bey ihnen unver merkt eine Frechheit und Wildheit hervorge bracht. Sie waren während des Krieges gewohnt worden, sich in feindlichem Lande et
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) was zu gute zu thun, daher kam es ihnen har te vor, zu Friedens Zeiten in armseeligere Um stände zu gerathen. Anfangs war es weiter nichts als ein Murren.Sind noch Feinde in der Provinz, sagten diese Soldaten, warum hält man uns in einem ruhigen Lande zurück, wo wir, ohne etwas zu thun, die Arme in einander schlagen müssen? Jst aber der Krieg geendigt, warum läßt man uns nicht nach Jtalien zurük gehen? Die Zeitung von der Krank heit des Scipio, darauf bald das Gerücht von seinem Tode folgte, bestärkte sie in ihren üblen Gesinnungen sehr. Sie forderten ih ren Sold mit einen Stolz und Trotz, der wohl disciplinirten Soldaten keinesweges an stund. Auf denen Wachen trieb man die Ungezogenheit so weit, daß man selbst die O bersten, welche die Runde hatten, mit Schmähworten überhäufte, und viele plün derten die benachbarten Dörffer, deren Ein wohner mit unter die Bundesgenossen ge hörten, des Nachts rein aus. Endlich ver liessen sie offenbar und am hellen Tage ihre Fahnen, und giengen, wohin es ihnen belieb te, ohne ihre Officiers um Urlaub zu bitten. Es galten in diesem Lager weder die Kriegs gesetze etwas, noch auch das Ansehen der Befehlshaber: Der Eigensinn der Solda ten diente statt der Regel. Jndessen blieben sie doch noch zusammen, und behielten das Ansehen eines Römischen Lagers. Dieses aber rührte nur daher, weil
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sie sich Hofnung machten, ihre Obersten wür(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) den an dem Aufruhr und ihrem rasenden Vorhaben Antheil nehmen. Jn dieser Ab sicht verstatteten sie ihnen noch, sich an dem vornehmsten Orte des Lagers im Kriegsra the zu versammlen, und forderten bey ihnen die Losung ab, jeder that nach Gewohnheit, wie ihn die Ordnung traf, seine Wache. Ob sie demnach gleich in der That das Joch gänzlich abgeschüttelt hatten, so hatten sie ih nen doch gleichsam ein Gesetz daraus ge macht, sich äusserlich als gehorsame und folg same Soldaten zu stellen. Als sie aber end lich merkten, daß die Obersten ihre Auffüh rung mißbilligten, daß sie darinnen eine Aenderung treffen, und keinen Antheil an ih rem Aufruhr nehmen, noch ihrer Zusammen verschwörung beytreten wollten, hielten sie weiter kein Maas, und der Aufstand brach völlig aus. Sie verjagten ihre Officiers aus dem Lager, und übertrugen einmüthiglich das Commando zween schlechten Soldaten, als denen erstern Urhebern der Rebellion. Sie hiessen C. Albius von Calos, und C. Atrius aus Umbrien. Diese beyde unverschämte Menschen begnügten sich nicht mit den Eh renzeichen der commandirenden Officiers, (tribunorum militum); sondern sie waren so unbesonnen, ihnen die Ehrenzeichen der o bersten Gewalt anzumassen, und die Beile und Fasces vor sich hertragen zu lassen, ohne zu bedenken, daß dieses prächtige Geräthe, dessen sie sich, um die andern in Ehrerbietung
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) und Furcht zu erhalten, bedienten, gar bald das Werkzeug der Abstrafung seyn würde, welche ihr Verbrechen verdiente. Die Rebellen warteten von einer Zeit zur andern auf Couriers, die ihnen die Nach richt von dem Leichenbegängnisse des Scipio überbrächten. Nachdem aber verschiedene Tage verstrichen waren, ohne daß das Ge rüchte von seinem Tode bestätiget wurde, fing man an die ersten Urheber desselben aus fündig zu machen. Jedermann lehnte es von sich ab, und wollte es lieber unbedacht sam geglaubet, als erfunden haben. Da mahls fingen auch die Häupter der Zusam menverschwörung, die sich nicht mehr mit solchem Eifer, wie anfänglich geschehen war, unterstützet sahen, die Fasces, derer sie sich thörichter Weise bedienet hatten, mit Schre cken zu betrachten an, und befürchteten die Wirkungen einer nachdrücklichen und recht mäßigen Gewalt, welche die ganze Schwere einer gerechten Rache sie empfinden zu lassen, bereit war. ( Scipio braucht eine unbeschreib liche Behut samkeit, den Tumult zu stillen, und die Schuldi gen zur Stra fe zu ziehen.) Der Aufruhr war schon, wo nicht gänz lich erstickt, doch wenigstens irre gemacht, als man durch Couriers, denen man trauen konnte, die Nachricht erhielt, daß Scipio noch lebte, und völlig ausser Gefahr sey. Bald darauf langten sieben Obersten von den Legionen, die Scipio selbst abgeschickt hat te, im Lager an. Der Anblick dieser Offi ciere brachte anfänglich die Gemüther in eini ge Erbitterung: aber ihre artige und lieb
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reiche Manieren, die mit einem Betragen(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) voll Gütigkeit verknüpft waren, stellten gar bald die Ruhe im ganzen Lager wieder her. Sie mengten sich in alle Gesellschaften, wo sie einige Soldaten miteinander sprechen sahen. Sie nahmen Theil an ihrer Unterredung, und ohne ihnen einen Verweiß wegen ihrer ver gangenen Aufführung zu geben, schienen sie begierig zu seyn, zu vernehmen, was die Ver anlassung ihres Mißvergnügens und ihrer Un ruhe gewesen wäre. Die Soldaten beschwer ten sich, daß man nicht zu der bestimmten Zeit ihnen ihren Sold ausgezahlet hätte. Sie setz ten hinzu: sie wären diejenigen, welche durch ihren Muth den Ruhm des Römischen Na mens erhalten, und die Provinz gerettet hät ten, welche nach dem Tode der beyden Sci pionen, und der Niederlage ihrer Armeen der äusersten Gefahr wären ausgestellet gewesen. Die Obersten antworteten ihnen: diese Kla gen wären gerecht, und ihre Forderungen billig; sie wollten daher nicht ermangeln, dem General davon Nachricht zu geben. Sie wä ren erfreut, daß weiter nichts widriges vor gefallen wäre; es würde leicht fallen, sie zu ver gnügen, da Scipio und die Republick nicht nur im Stande, sondern auch willig wären, ihren Diensten und ihrem Muth die Beloh nung, die sie verdienet hätten, zuzugestehen. Scipio war keinesweges verlegen, wenn es auf weiter nichts ankam, als den Krieg zu führen, denn das war sein Handwerk; dieser Aufstand aber, dergleichen er noch
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) nicht erfahren hatte, machte ihm Unruhe. Er befürchtete von Seiten seiner Armee sol che Ausschweifungen, die ihnen den Weg zur Gnade gänzlich versperren würden; ja er selbst war in Sorgen, die Strenge zu ü bertreiben. Er nahm ihm vor, alle Klugheit und Mäßigung zu gebrauchen, wie er dazu den Anfang schon gemachet hatte. Deßwe gen schickte er die, welche die Abgaben, die die Tributzahlenden Städte der Republick abtragen musten, zu heben pflegten, überall herum; und diese Handlung gab den Sol daten zur baldigen Auszahlung des ihnen ge bührenden Soldes gute Hofnung. Einige Tage darnach machte er eine Verordnung kund, vermöge deren er ihnen zu wissen that, daß sie entweder Compagnien weise, oder, wenn sie lieber wollten, insgesammt nach Car thagena kommen, und ihre Bezahlung in Empfang nehmen sollten. Der Aufruhr war damahls schon sehr geschwächet; er wur de aber auf die Nachricht, daß sich die un ruhigen Spanier auch zur Ruhe bequemet hätten, ganz und gar gedämpfet. Denn kaum hatte Mandonius und Jndibilis ver nommen, daß Scipio vollkommen wieder hergestellet sey, so gaben sie ihr Vorhaben auf, und zogen sich in ihr Land zurück. Al so waren weder Bürger noch Ausländer, welche die Soldaten bey Sucro nunmehro in ihre Rebellion hätten mit einflechten können. Nach vielen Ueberlegungen ergriffen sie die einzige Parthey, die sich ihnen darbot;
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nämlich ihr Schicksaal gänzlich in die Hän(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) de ihres Generals zu übergeben, er möchte nun mit ihnen nach einer gerechten Strenge verfahren wollen, oder zur Gnade geneigt seyn, woran sie noch nicht ganz verzweifelten. „Sie erinnerten sich, daß er wohl Feinden, die er durch die Waffen überwunden, ver ziehen habe, da hingegen in ihrem Auf stande weder ein Degen gezogen, noch ein Tropfen Bluts wäre vergossen wor den. Da sie noch weit von dem äu sersten Grade des Verbrechens entfernt gewesen, dürfte man mit ihnen auch nicht nach der äussersten Strenge verfahren.“ Auf diese Art schmeichelten sie ihnen selbsten, wie es die natürliche Neigung der Men schen, ihre Fehler zu vereinigen und zu ent schuldigen, mit sich zu bringen pflegt. Sie stunden nur noch in Zweifel, ob sie ihren Sold zusammen, oder einer nach dem andern abholen wollten. Endlich faßten sie den Entschluß, der ihnen am sichersten schien, nämlich sich nicht von einander zu trennen. Scipio überlegte seiner Seits die Art und Weise, wie er ihnen begegnen müsse. Sei ne Räthe waren darüber nicht einerley Mei nung. Einige wollten, man sollte es bey der Bestrafung derer Rädelsführer, deren ohn gefähr fünf und dreyßig waren, bewenden lassen: andere hingegen meinten, eine so schändliche Rebellion verdiene eine allgemei nere Züchtigung. Die Stimmen derer, welche vor die Gelindigkeit waren, behielten
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) die Oberhand. So bald der Rath aus ein ander gegangen war, ertheilte man den Sol daten, die zu Carthagena waren, den Be fehl, sich zum Marsch gegen die unruhigen Spanier fertig zu halten, und sich mit Le bensmitteln auf einige Tage zu versehen. Man wollte sie damit bereden, daß man über nichts anders, als über diesen Aufbruch miteinander Rath gepflogen habe. Als die Rebellen nicht weit mehr von Carthagena waren, vernahmen sie, daß alle Trupen, die Scipio in dieser Stadt hatte, den folgenden Tag unter Anführung des Si lanus ausmarschiren sollten. Diese Zei tung befreyete sie nicht nur von aller Furcht und Unruhe, welche das Andenken ihres Verbrechens in ihnen verursachte, sondern es machte ihnen auch eine grosse Freude. Die Vorstellung, daß ihr General allein mit ihnen zurück bleiben wollte, und daß sie eher ihm Gesetze würden vorschreiben können, als von ihm annehmen dürfen, ergötzte sie ungemein. Sie zogen in die Stadt bey Un tergang der Sonnen ein, und fanden die Trupen in Carthagena mit allen Anstallten zum Aufbruch beschäftiget. Während der Nacht wurden diejenigen, über die man die Strafe wollte ergehen lassen, bey dem Kopfe genommen. Man hatte alle Vorsichtigkeit gebraucht, sich ihrer ohne Lärmen zu be mächtigen. Gegen das Ende der Nacht fing die Geräthschaft der Armee, die nur zum Schein aufbrechen sollte, abzugehen an.
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Mit Anbruch des Tages rückten die Tru(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) pen bis vor die Stadt, machten aber am Thore Halte, und man stellte an alle ande re Thore Wachten, um zu verhindern, daß niemand, wer es auch sey, hinaus konnte. Nach dieser gebrauchten Vorsicht kamen die den Abend vorher angekommenen in die Versammlung, in die man sie hatte ruffen lassen, mit einer aufgeblasenen und trotzigen Mine, als Leute, die durch ihr Geschrey den General übertäuben und eine Furcht einja gen wollten, keines weges aber als solche, die etwas von ihm befürchteten. Hierauf stieg Scipio auf seinen Richterstuhl, und in selbi gem Augenblick rückten auch die Trupen, wel che aus der Stadt ausmarschirt waren, mit völligem Gewehr wieder ein, und stellten sich rings um die Soldaten umher, die der Ge wohnheit nach unbewehrt um ihren General versammlet stunden. Jetzt verließ sie, wie sie es nachher bekannten, all ihr Trotz, und was sie am meisten erschrecket, war theils die Munterkeit und die gesunde Leibesbeschaf fenheit des Scipio, den sie durch eine lang wierige Krankheit entkräfftet zu finden glaub ten, theils das Feuer, das sie noch nie mahls, auch selbst nicht am Tage einer Schlacht, so stark in seinen Augen hatten funkeln sehen. Er blieb eine zeitlang, ohne et was zu sagen, sitzen, bis man ihm meldete, daß die Urheber des Aufruhrs auf den öffent lichen Platz gebracht, und alles fertig wäre. Nachdem er hierauf durch den Herold ein
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Stillschweigen hatte gebieten lassen, redete er folgendergestalt: „Jch hätte niemals geglaubt, daß wenn ich zu meinen Sol daten zu reden hätte, ich über das, was ich ihnen zu sagen habe, selbst verlegen seyn würde. Nichts destoweniger mangeln mir doch würklich heute so wohl die Gedanken, als auch die Ausdrücke. Jch weiß selbst nicht einmahl, was ich euch vor einen Namen ge ben soll. Soll ich euch Bürger nennen? euch, die ihr wider euer Vaterland euch empöret habt? Soldaten, ihr habt das An sehen eures Generals unter die Füsse getre ten, und den theuren Eid, der euch mit ihm vereinigte, gebrochen. Die Feinde, das äusserliche, die Gesichtszüge und die Klei dungen geben zwar Bürger zu erkennen: die Handlungen aber, Reden und die Zusam menrottung zeigen euch mir als Feinde. Jn Wahrheit, worinnen sind wohl eure Ab sichten und eure Hofnungen von der auf rührischen Spanier ihren unterschieden? Ja ihr seyd noch strafbarer und thörichter als sie. Denn, wenn man alles wohl erweget, so haben sie doch Printzen von Königlichem Ge blüte, nämlich einen Mandonius und einen Jndibilis, zu Anführern ihrer Bosheit, da hingegen ihr einen Atrius und einen Albius, welche beyde der verächtlichste und schänd lichste Abschaum der Armee sind, vor eure Generale zu erkennen, die Niederträchtigkeit gehabt. Leugnet, daß ihr alle an einem so abscheulichen und ungereimten Vorhaben
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Antheil genommen. Behauptet, daß es(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) nur ein Vorsatz einer geringen Anzahl von Unsinnigen und Boshaften gewesen sey. Jch will es euch gern glauben, und es ist mir selbst daran gelegen, es zu glauben. Was mich anbelangt, hätte ich nach Ver treibung der Carthaginenser aus Spanien, und zu Folge meines Betragens gegen einen jeden, mir nimmermehr eingebildet, daß in der gantzen Provinz ein einziger Ort, wo mein Leben verhaßt wäre, und irgend ein Mensch sey, der meinen Tod wünschte. Wie sehr habe ich mich in dieser meiner Hofnung betrogen. So bald sich das Gerüchte von meinem Tode in meinem Lager verbreitete, vernahmen solchen meine Soldaten, meine eignen Soldaten, nicht nur mit Gleichgültig keit, sondern sie erwarteten auch die Bekräf tigung davon mit sehnlichster Begierde. Jch bin der Meinung nicht, daß die ganze Ar mee also gesinnt gewesen sey; denn wenn ich das glaubte, würde mir ein Leben, welches allen meinen Mitbürgern und allen meinen Soldaten zur Last fiele, unerträglich seyn, und ich würde dasselbe hier vor euren Augen aufopfern. Allein ich will aufhören von mir selbst zu reden. Gesetzt, ihr hättet meinen Tod mit mehrerer Verwegenheit, als Vergnügen, geglaubt, oder ich hätte eure Zuneigung und eure Treue nicht so verdient, wie ich mir vor stellte, was hatte euch denn das Vaterland gethan, gegen welches ihr euch der Verrä
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) therey schuldig gemachet, indem ihr euch zu dem Mandonius und Jndibilis geschlagen? Was hatte euch das Römische Volk gethan, daß ihr eure Waffen gegen dasselbe kehrtet? Was für ein Unrecht hattet ihr von ihm erlitten, dafür ihr eine solche Rache an dem selben ausüben wolltet? Wie! hat euch die während der Krankheit eures Generals auf einige Tage zurückgehaltene Löhnung eine zureichende Ursache geschienen, alle göttliche und menschliche Gesetze übertreten zu kön nen? Ehemahls feuerte zwar eine unrecht mäßige Verdammung und eine unglückliche Verbannung den Coriolan an, Rom zu belagern, aber die Ehrfurcht vor seine Mut ter alleine wund ihm die Waffen aus den Händen, und zwang ihn sein Vorhaben auf zugeben. Und endlich, was war denn der Zweck eu res Unterfangens, und was für Nutzen meintet ihr von eurer so thörichten als ver dammlichen Zusammenrottirung zu ziehen? Gedachtet ihr etwan das Römische Volk um den Besitz Spaniens zu bringen, und euch desselben zu bemeistern? Wenn ich nun auch gestorben wäre, würde denn die Re publick mit meinem Leben aufgehöret haben? Würde die Herrschaft des Römischen Volks mit mir zu Grunde gegangen seyn? da sey en die Götter für, daß die Dauer eines Staats, der unter ihrem Schutz, um ewig zu bestehen, gegründet ist, einem zerbrechli chen und vergänglichen Cörper, wie der
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meinige ist, gleich werde, und eben so unum(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) schränckt sey! Das Römische Volk hat den Verlust eines Paul Aemils, eines Marcellus, der beyden Scipionen, meines Vaters und meines Oheims, und so vieler andern Ge nerale überlebet, die in eben dem Kriege umgekommen sind; und es wird noch tau send andre überleben, welche das Schwerdt oder eine Kranckheit hinreissen wird. Für wahr ihr habt eure gesunde Vernunft ver lohren, da ihr eure Pflicht aus den Augen gesetzet; und man kann euch vor nichts an ders, als vor unsinnige Leute, die ein Schwindelgeist besessen, ansehen. Allein alles vergangene bleibe, wo es an ders möglich ist, in einer ewigen Verges senheit, oder wenigstens in einem tiefen Stillschweigen vergraben. Meiner Seits, will ich euch weiter keine Verweise deswe gen geben. O könntet ihr doch auch eben so gut, als ich, die Ausschweifungen, zu de nen ihr euch habt verleiten lassen, vergessen! Was euch alle überhaupt anbetrift, bin ich zufrieden, wenn ihr Reue über euren Fehler bezeigt. Albius, Atrius und die andern Bö sewichter aber, die euch verführet haben, sollen ihr Verbrechen mit ihrem Blute büs sen. Wenn ihr den Gebrauch eurer Ver nunft wieder erhalten habt, wird euch ihre Bestrafung nicht nur nicht zuwider, son dern vielmehr angenehm seyn. Denn wem haben sie mehr Schaden zugefügt, als euch?“
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) So bald als Scipio zu reden aufgehöret hatte, wurden sowohl ihre Augen, als Oh ren, durch solche Dinge gerührt, die in ihren Seelen ein Schrecken zu erregen vermögend waren. Die Soldaten der andern Armee, die sich um die Versammlung herumgestellet hatten, fingen an mit ihren Schwerdtern auf ihre Schilder zu schlagen; und gleich darauf hörte man die Stimme des Herolds erschallen, der die im Rath Verdammten vor forderte. Nachdem man sie ihrer Kleider beraubet, schleppte man sie mitten auf den Platz, und sogleich wurden die Werkzeuge, womit ihre Bestrafung verrichtet werden sollte, herbey gebracht. Während daß man sie an den Pfahl anbund, daß man sie mit Ruthen strich, und ihnen den Kopf vom Lei be trennte, stunden ihre Mitschuldige ganz unbewegt, und waren dergestalt von Furcht eingenommen, daß ihnen weder einige Kla ge, noch einiger Seufzer entfuhr. (Verwun dernswürdi ge Klugheit in dem Be tragen des Scipio, bey dem Sucro nischen Auf ruhr.) Hierauf brachte man die Cörper derer Hingerichteten von dem Platz weg auf die Seite, und trug Sorge, daß sie gereiniget wurden. Von denen Soldaten wurde ei ner nach dem andern aufgeruffen, und mu sten insgesammt im Namen des Scipio in die Hände der Obersten einen neuen Eid ablegen, wobey man ihnen alles, was sie zu fordern hatten, auszahlte. Es würde dem Ruhme des Scipio etwas gemangelt haben, wenn nicht seine Ge schicklichkeit, die Gemüther nach seinem Wil
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len zu lenken, und seine Fertigkeit, die kütz(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) lichsten Sachen beyzulegen, Eigenschaften, die einem, der mit Regierungs - Geschäften zuthun hat, höchstnothwendig sind, nicht auf die Probe wären gestellet worden. Die Sache, wovon ich rede, nämlich der offen bare Aufstand eines Heers von achttausend Mann, war eine der verwirrtesten. Man konnte nicht gegen eine ganze Armee grau sam verfahren, und gleichwohl durfte auch ein solches Verbrechen nicht ungestraft blei ben. Eine übertriebene Strenge und eine übermäßige Gelindigkeit würden gleich ge fährlich gewesen seyn. Unser General traf demnach ein weises Mittel zwischen zwo Ausschweifungen, indem er die Strafe nur über eine kleine Anzahl der Hauptverbrecher kommen ließ, allen übrigen aber ihren Feh ler verziehe, nach einem gegebenen Verwei se, der um so viel lebhafter und empfindli cher seyn muste, je mehr Leutseeligkeit und Gütigkeit damit verknüpffet war, und je mehr selbiger seine Stärke nur allein von der Vernunft und Wahrheit zu erhalten schien. Man hat die Behutsamkeit, welche er brauch te, bey dieser schrecklichen Vollziehung des gesprochenen Urtheils ausser aller Gefahr zu seyn, gesehen und bewundert. Es koste te ohne Zweifel dem zum Wohlthun geneig ten Hertzen des Scipio sehr viel, und wir werden gleich hören, wie er sich selbst darü ber herausgelassen. Ein General entschlies set sich nicht eher, einige verdorbene Glieder
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) von dem Cörper abzutrennen, und zu ver derben; als bis er, um den gantzen Cörper zu erhalten, darzu genöthiget wird. Nach dem Ausspruche des Plato(*) bey dem Seneca straft ein kluger Mann nicht schlecht weg deßwegen, weil wanman Uebels gethan hat, denn das vergangene ist keiner Besserung fähig; sondern daß man in Zukunft nichts böses thun möge. Und eben dieses wirkt auch die exemplarische Bestrafung, denn die se hält andere ab, nicht in ein gleiches Un glück zu gerathen. Alles dieses erfordert ei ne grosse Klugheit, und man muß gestehen, daß sie in dem Bezeigen des Scipio hier sehr deutlich hervorleuchtet. Solchergestalt wurde der Sucronische Aufruhr gestillet.

§. II.

Vergebener Anschlag des Lälius und Marcius auf Cadix. Seeschlacht zwischen dem Lälius und Adherbal in der Meerenge selbst. Lälius und Marcius kehren zu dem Scipio zurück. Dieser General thut einen Zug wider den Mandonius und Jndibilis, und wirft sie gäntzlich über den Haufen. Jndibilis schickt seinen Bruder Mandonius an den Scipio, der ihnen Gnade ertheilet. Unterredung des Scipio und Masinissa. Mago erhält Be fehl nach Jtalien überzugehen, und sich mit dem Hannibal zu vereinigen. Er thut einen vergeb lichen Versuch auf Carthagena. Er kehrt nach 44
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Cadix zurück, allwo man die Thore vor ihm zu macht. Mago begiebt sich nach den Baleari schen Jnseln. Cadix ergiebt sich den Römern. Scipio geht nach Rom zurück, und wird Con sul. Sagunt schickt Abgeordnete an die Römer. Streit wegen des Vorhabens des Scipio, den Krieg nach Africa hinüber zu spielen. Rede des Fabius wider den Scipio. Antwort des Sci pio auf die Rede des Fabius. Betrachtungen über die Rede des Fabius. Scipio beruft sich, nach einiger Bedenklichkeit, auf den Rath, der ihm erlaubt nach Africa überzugehen. Fabius sucht, so viel er kann, das Unternehmen des Scipio zu hintertreiben. Verwunderungswür diger Eifer derer Bundsgenossen für den Scipio. Er geht von Rom nach Sicilien ab, und sein Amtsgenoß nach Brutium. Mago landet in Jtalien an, und bemächtiget sich der Stadt Genua.
Wir kommen wieder auf den Lälius und(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Marcius, welche, wie wir gesagt, nach Cadix aufgebrochen waren, es zu belagern; der erstere mit einem Geschwader von acht Schiffen, und der andere zu Lande. Weil(Vergebener Anschlag des Lälius und Marcius auf Cadix. Livius XXVIII. 30.) die Römer ein heimliches Verständnis mit einigen Einwohnern hatten, meinten sie gar bald Meister von der Stadt zu werden. Sie betrogen sich aber in ihrer Hofnung. Mago, der damahls zu Cadix war, hatte die Zusammenverschwörung entdecket, und alle Mitschuldige gefangen setzen lassen. Der Prätor Adherbal erhielt Befehl, sie nach Carthago zu überbringen. Dem zu folge brachte er sie an den Boord einer Galee von fünf Ruderbänken, die er, weil sie viel schwe rer war, voraus gehen ließ, und welcher er
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) in einiger Entfernung mit acht Galeen von drey Ruderbänken nachfolgte. Als die fünf rudrige Galee in der Meerenge anlangte, griff Lälius, der mit einer gleichen Galee und sieben andern zu drey Ruderbänken aus dem Hafen von Carteia ausgelauffen war, den Adherbal und seine Galeen mit gröster Hitze an. Das Treffen nahm so gleich sei nen Anfang, war aber in keinem Stücke ei nem ordentlichen Seetreffen ähnlich. Die Geschicklichkeit der Matrosen, die Bemü hungen der Bothsknechte, und die Befehle der Schiffshauptleute, alles war vergebens. Von den reissenden und in dieser Meerenge zusammengepreßten Fluthen hingen allein al le Vorfälle des Treffens ab, denn diese ver schlugen die Galeen bald auf diese, bald auf jene Seite. Doch mitten in dieser Unord nung und Verwirrung bohrte das fünfru drigte Schiff der Römer zwey dreyrudrigte der Feinde in Grund, und zerbrach alle Ru der eines dritten auf einer Seite, auf der es mit einer besondern Heftigkeit vorbey ge trieben wurde. Es würde auf gleiche Art mit allen andern verfahren haben, wenn nicht Adherbal mit den fünfen, die er noch übrig hatte, mit vollem Seegel die Höhe des Meers erreicht hätte. (Lälius und Mareius ge hen zu dem Scipio zu rück. Livius XXVIII. 31.) Als Lälius mit diesem Siege nach Carteia zurück kam, erhielt er von allem Nachricht, was bey Cadix vorgefallen war, nämlich daß die Zusammenverschwörung entdecket, die Verschwornen nach Carthago geschickt,
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und die ganze Sache rückgängig worden wä=(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) re. Und weil er sahe, daß zu glücklicher Ausführung derselben keine weitere Hofnung vorhanden, schrieb er an den Marcius; es wäre nun weiter nichts zu thun, als zu ih rem General zurückzugehen. Dieses thaten sie beyde einige Tage nachher, und vereinig ten sich wieder mit dem Scipio bey Car thagena. Jhr Abmarsch befreyete den Mago von einer grossen Unruhe, und die Zeitung, die ihm von dem Abfall der Jlergeten überbracht wurde, setzte ihm von neuem grosse Dinge in den Kopf. Er schickte Abgeordnete an den Rath von Carthago ab, welche, da sie den Abfall der Jlergeten und den Aufstand im Römischen Lager um vieles vergrösserten, endlich ihren Antrag damit schlossen: daß, wenn man dem Mago Hülfe zuschickte, er im Stande seyn würde, den Carthaginen sern den Besitz Spaniens, das sie von ihren Vorfahren erhalten hätten, wieder zu ver schaffen. Mandonius und Jndibilis hatten sich in(Scipio thut einen Zug ge gen den Man donius und Jndibilis, und wirft sie ganz über den Haufen. Livius XXVIII. 31 = 34.) ihr Land zurückgezogen, und verhielten sich eine zeitlang ruhig, bis sie in Erfahrung brächten, was der Römische General für ein Urtheil über die aufrührischen Soldaten aussprechen würde. Sie zweifelten keines weges auch Gnade zu erlangen, wenn man dieselbe denen Bürgern ertheilen sollte. Als sie aber vernahmen, mit was für einer Schärfe die Schuldigen waren abgestrafet
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) worden, konnten sie sich leicht vorstellen, daß man mit ihnen nicht weniger strenge verfah ren würde. Sie liessen demnach ihre Unter thanen von neuem zum Gewehr greiffen, und zogen alle die Hülfstrupen, die sie vor her gehabt hatten, wieder an sich. Jn die ser Verfassung rückten sie mit einer Armee von zwanzig tausend Mann zu Fuß, und zweytausend fünfhundert zu Pferde in das Gebiete der (*) Sedetaner ein, in welchem sie gleich bey Anfange des Aufstandes sich gelagert gehabt hatten. Es scheint, als ob sie sich bald nachher über den Ebro wieder zurück in ihr Land gezogen hätten. Nachdem Scipio theils durch den Sold, den er allen ohne Unterscheid, Schuldigen und Unschuldigen, hatte auszahlen lassen, theils durch das liebreiche Bezeigen, welches er auch allen gleichdurch erwieß, die Liebe der Soldaten mit leichter Mühe wieder erlangt hatte, fand er vor gut, zu ihnen insgesammt, noch ehe er sie gegen den Feind führte, zu re den. Er versammlete demnach seine Armee, und nachdem er seinen heftigen Unwillen über den Aufstand und die Treulosigkeit der rebel lischen Fürsten bezeiget hatte, setzte er hinzu: „Er zöge jetzt aus, um an ihnen wegen ihrer Boßheiten Rache auszuüben, mit ganz an dern Gesinnungen, als er damahls gehabt, da er Römische Bürger wieder zu ihrer 45
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Schuldigkeit, von denen sie sich entfernet(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) gehabt, hätte bringen müssen. Damahls wäre es ihm nicht anders gewesen, als ob er gegen sein eignes Eingeweide gewütet, da er sich genöthiget gesehen hätte, dreyßig Unglückseelige, einen entweder aus Ueber eilung, oder aus bösem Muth begangenen Fehler, darein noch acht tausend Mann verwickelt gewesen wären, mit der Todes strafe büssen zu lassen. Diese Hinrichtung habe ihm Thränen und Seufzer genug ge kostet; jetzt aber zöge er mit viel freudigerm Muth aus, das schändliche Blut einer fremden Nation zu vergiessen, die durch ei ne verabscheuungswürdige Treulosigkeit die einzigen Bande, dadurch dieselbe mit ihm verbunden wäre, nämlich der Freund schaft und der Aufrichtigkeit, zerrissen hät te. Was seine Armee anbelangte, so sähe er mit innigstem Vergnügen, daß sie nicht nur aus lauter Römischen Bürgern und Lateinischen Bundesgenossen bestünde, son dern daß auch unter derselben fast kein ei niger Soldat befindlich sey, der nicht ent weder von seinem Oheim, dem Cn. Scipio, oder von seinem Vater, oder von ihm selbst aus Jtalien nach Spanien übergeführet worden wäre. Der Name der Scipionen würde von ihnen werth gehalten; sie wä ren insgesammt gewohnt unter ihrer Auf führung zu fechten, und er mache sich Hof nung, sie nach Rom zurück zu führen, und an dem Triumph Antheil zu haben, den sie
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) ihm durch ihren Muth erworben hätten. Er schmeichelte ihm auch, daß, wenn er sich um das Consulat bewerben sollte, sie sich seiner nicht anders, als ob darauf die Ehre der ganzen Armee ankäme, anneh men würden. Was den Zug beträfe, den sie jetzt mit ihm thun sollten, müsten sie ih rer eignen Thaten ganz vergessen haben, wenn sie denselben als einen wirklichen Krieg betrachteten. Sie dürften die Jlergeten, gegen die sie marschieren würden, vor nichts anders als vor Strassenräuber halten, die nichts weiter als die Ländereyen ihrer Nach barn ausplündern, ihre Häuser in Brand stecken, und ihre Heerden wegtreiben könn ten. Wenn es auf eine ordentliche Schlacht ankommen würde, würden sie alle ihr Heil nicht in der Stärke ihrer Waffen, sondern in der Geschwindigkeit ihrer Füsse suchen. Sie sollten ihm demnach unter dem Schu tze der Götter folgen, um diese Verwege nen und Treulosen zur Strafe zu ziehen.“ Nach dieser Rede ließ er sie, nachdem er ihnen angedeutet, sich auf morgen Marsch fertig zu halten, aus einander gehen. Er brach wirklich auf, wie er es gesagt hatte, und langte nach einem zehntägigen Marsch an dem Ufer des Ebro an. Er gieng ohne Zeit verlust über diesen Fluß, und nach andern vier Tagen stund er dem Feinde im Gesicht gelagert. Die Rebellen wurden gleich An fangs in einen Hinterhalt gelocket, und mit einem ziemlichen Verlust geschlagen. Dieser
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Verlust brachte sie nur noch mehr auf, und(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) gleich den morgenden Tag darauf stellten sie sich in Schlachtordnung dar. Das Tref fen wurde in einem nicht gar zu geraumigen Thale geliefert. Die Spanier erlitten eine völlige Niederlage. Jhre Reuterey und zwey Drittheile ihres Fußvolks wurde in Stücke zerhauen. Das übrige Drittheil, welches, weil der Platz zu enge, gar nicht zur Schlacht gekommen war, entwischte den Siegenden mit den beyden Fürsten und Urhebern des Aufruhrs; die Römer bemächtigten sich des feindlichen Lagers, darinnen sie drey tausend Mann zu Gefangenen machten, ausser der reichen Beute, die in ihre Hände gerieth. Sie verlohren dabey auf zwölfhundert Mann, so wohl Bürger als Bundesgenossen, und hatten über drey tausend verwundete. Der Sieg würde nicht so viel Blut gekostet ha ben, wenn die Schlacht an einem geräumli chern und zum Ausreissen bequemern Orte vorgefallen wäre. Weil es dem Jndibilis in diesem Kriege so( Jndibilis schickt seinen Bruder Mandonius an den Sci pio, der ihnen Gnade er theilet. Livius XXVIII. 34.) übel gelungen war, gab er alle Gedanken wegen Fortsetzung desselben auf. Er glaub te bey den schlechten Umständen seiner Sa chen keine bessere Zuflucht zu haben, als die zu der Gnade des Scipio, davon er schon einmahl eine glückliche Probe gemacht hatte. Er schickte deswegen seinen Bruder Mando nius an denselben, der sich zu den Füssen des Ueberwinders niederwarff, „und alles vorgegangene auf ein unglückliches Ver=
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) hängniß schob, welches die Luft mit einem Geist des Aufruhrs vergiftet, und nicht nur die Jlergeten und Lacetaner, sondern auch die Römer selbst, wider ihren Wil len, dahin gerissen hätte. Er, sein Bruder, und alle ihre Unterthanen wären nach die sem begangenen Fehler gänzlich entschlos sen, ihm, wenn er es also verlangte, ein Leben, das sie von seiner Gütigkeit hätten, entweder sogleich aufzuopfern, oder, wenn er großmüthig genug wäre, sie noch ein mahl zu erhalten, den Rest davon ihm ganz zu widmen. Sie stellten ihr Schick saal gänzlich in die Hände des Siegers, und machten sich auf nichts, als auf sein Mitleiden, Rechnung.“ Scipio verwieß beyden Brüdern, so wohl dem abwesenden, als dem gegenwärtigen, ih re Treulosigkeit hart, mit dem Beyfügen: „Sie hätten zwar durch ihr Verbrechen den Tod verwirket, seine und des Römischen Volkes Gütigkeit aber schenke ihnen das selbe hiermit. Er verlange ihre Waffen nicht, wie man solches sonst in Ansehung rebellischer Völker zu thun gewohnt wäre, indem er nicht nöthig habe, sich auf eine solche Art gegen einen Aufruhr, den er nicht fürchtete, vorzusehen. Er verlange von ihnen auch keine Geissel, zur Versiche rung ihrer Treue, weil er, wenn sie nicht Wort hielten, nicht gegen Unschuldige, sondern gegen sie selbst seine Härte auslas sen wolle. Da sie nunmehr die Wirkun
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gen der Gütigkeit und des Zorns des Rö(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) mischen Volks empfunden hätten, stehe es bey ihnen, zwischen beyden zu wählen, und zu sehen, ob sie ihn lieber zum Feinde, oder zum Freunde, haben wollten.“ Nachdem er also mit dem Mandonius ge sprochen, und von ihm weiter nichts, als ei ne gewisse Summe Geldes zum Unterhalt seiner Trupen gefordert hatte, beurlaubte er ihn. Er selbst blieb, nachdem er dem Marcius befohlen seiner in dem jenseitigen Spanien zu erwarten, und nachdem er den Silanus nach Tarraco zurück geschickt hatte, noch einige Tage an demselben Orte, um die denen Jlergeten auferlegte Summe in Em pfang zu nehmen; worauf er in gröster Eil abreisete, und sich mit dem Marcius nahe bey dem Meer vereinigte. Verschiedene Ursachen hatten bisher den(Unterredung des Scipio und Masinis sa. Livius XXVIII. 35. App. 275.) Schluß der Unterhandlung, die zwischen dem Scipio und Masinissa auf dem Tapet war, aufgehalten, weil dieser Fürst sich mit nie mand anders, als mit dem General in Per son, einlassen wollte. Und eben dieses bewog den Scipio damahls, einen so weiten Weg zu thun, und sich von der Tarraconischen Provinz, wo er sich zu Schiffe begeben, und nach Rom zurückgehen wolte, so weit zu ent fernen. Masinissa war zu Cadix. So bald derselbe von der Ankunft des Scipio durch den Marcius benachrichtiget wurde, gab er, um einen Vorwand zu haben, sich entfernen zu können, dem Mago zu verstehen: seine
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Pferde giengen, weil sie beständig auf der Jnsel eingesperret blieben, ganz zu Grunde; sie wären zu gleicher Zeit den Einwohnern, die selbst bey der allgemeinen Hungersnoth genug litten, zur Last; wie denn überdies ein gar zu langes Stilleliegen den Muth der Reuterey nicht wenig schwächte. Durch diese Vorstellungen brachte er den Cartha ginensischen General so weit, daß er ihm er laubte, auf das feste Land hinüber zu setzen, und in die am nächsten gelegenen Länder der Spanier zu streifen. Von dar schickte Ma sinissa drey der vornehmsten Numidier zu dem Scipio, um mit ihm wegen der Zeit und des Orts ihrer Unterredung Abrede zu neh men. Zween unter denselben ertheilte er den Befehl, als Geissel bey dem Scipio zurück zu bleiben. Der dritte wurde zu dem Ma sinissa zurückgeschickt, um ihn an den vom Scipio bestimmten Platz zu bringen, wohin sie sich beyderseits in Begleitung weniger Per sonen begaben. Der Numidische Fürst hatte schon auf das blosse Gerücht der grossen Thaten des Scipio einen hohen Begriff von demselben. Er hatte ihm auch selbst eine Vorstellung von seiner Person, die einem Helden anständig war, gemacht. Allein der Augenschein über traf die Einbildung weit, und vermehrte die Hochachtung und Ehrerbietung um ein gros ses, womit er schon gegen den Scipio im voraus eingenommen war. Und aller
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dings (*) wurde die edelmüthige und ma(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) jestätische Mine, die ihm natürlich war, durch die Länge und Schönheit seiner Haa re, und durch den männlichen und kriegeri schen Schmuck seiner Kleidung, die nichts gezwungenes, nichts prächtiges hatte, um vieles erhoben. Hiernächst war er damahls in seinem besten Alter, und das gesunde und muntere Wesen, das er nach einer langen und gefährlichen Krankheit wieder angenom men hatte, und das ihn gleichsam in der Blüte seiner Jugend darstellte, gab ihm ein noch grösseres Ansehen. Masinissa wurde gleich bey dem ersten Anblick vor Verwunderung ausser sich gesetzt. Das erstere, was er that, war, daß er dem Scipio seinen Dank vor die Gütigkeit abstattete, die er gehabt hätte, seinen Neffen ihm ohne Ranzion zurück zu schicken. Er versicherte ihn, „daß er seit diesem Tage mit gröster Begierde die Ge legenheit zu einer Unterredung gesucht, und selbige mit gröstem Vergnügen ergriffen, so bald ihm die Huld der Götter derglei chen hätten aufstossen lassen. Er wünsche von Herzen, ihm und dem Römischen Vol ke, solche Dienste erweisen zu können, der gleichen ihnen noch niemals ein auswärti 46
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) ger Fürst erwiesen hätte. Ob er zwar schon bishieher beständig dieses bey sich beschlossen gehabt, wäre es ihm doch noch nicht mög lich gewesen, es in Spanien, einem ihm ganz unbekannten und fremden Lande, zur Wirklichkeit zu bringen. Er hoffe aber ganz gewiß, es in seinem Vaterlande, in Africa, ins Werk zu setzen, allwo ihn das Recht seiner Geburt zum Throne rufte. Wenn die Römer dem Scipio erlaubten, an der Spitze einer Armee dahin überzuge hen, hielte er es vor etwas ausgemachtes, daß man in kurzem das Ende der Car thaginensischen Herrschaft daselbst sehen würde.“ Diese Unterredung verursachte dem Sci pio eine grosse Freude. Er wuste, daß der Masinissa und seine Numidier die ganze Stärke der feindlichen Reuterey ausmach ten. Hiernächst glaubte er auf dem Gesichte und in den Augen dieses jungen Prinzens Merk male eines edlen und erhabenen Muthes zu erkennen. Nachdem sie nun beyde einander ihr Wort gegeben, kehrte Scipio nach Ta raco und Masinissa nach Cadix zurück. Der letztere nahm zugleich, mit Bewilligung der Römer, einige Beute von den benachbarten Gegenden mit sich weg, damit er nicht einen vergebenen Weg auf das feste Land gethan zu haben schiene. (Mago erhält Befehl, nach Jtalien über zugehen, und) Da Mago sahe, daß die Hofnung, die er erst auf den Aufstand der Römischen Solda ten, und hernach auf die Rebellion des Jn
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dibilis gegründet hatte, gänzlich verschwun(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) den, und in Spanien weiter nichts zu thun wäre, machte er eben seine Anstallten, nach Africa zurück zu gehen, als er von dem(sich mit dem Hannibal zu vereinigen. Livius XXVIII. 36. App. 275.) Rathe zu Carthago einen Befehl erhielt, mit der Flotte, die er in Cadix hätte, nach Jta lien überzusetzen. Nach Jnhalt dieses Be fehls sollte er so viel Gallier und Ligurier, als er an sich ziehen könnte, in seinen Sold neh men, und sich mit dem Hannibal so dann vereinigen, damit nicht ein Krieg, der mit so vieler Hitze angefangen worden, und des sen erster Fortgang so beglückt gewesen wäre, endlich gar nachlassen müsse. Zur Vollzie hung dieses Befehls zog er, ausser dem Gel de, das ihm von Carthago war zugeschickt worden, noch ansehnliche Summen aus Ca dix. Denn er beraubte nicht nur die allge meine Schatzkammer dieser Stadt, sondern auch die Tempel der Götter, und zwang alle Privatpersonen, ihm, was sie von Gold und Silber besassen, einzuhändigen. Mit dieser Hülfe begab er sich aufs Meer,(Er thut ei nen vergebli chen Angriff auf Cartha gena. Liv. ebend.) und, indem er an den Küsten von Spanien hinsegelte, setzte er seine Soldaten ohnweit Carthagena ans Land, plünderte die benach barten Gegenden aus, und ließ endlich seine Flotte der Stadt selbst nähern. Den Tag über hielt er seine Soldaten auf den Schiffen zurück, und ließ sie nicht eher, als in der dar auf folgenden Nacht, ans Land steigen. Er führte sie gegen denjenigen Theil der Mau ren, auf der die Römer die Stadt angegrif
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) fen und erobert hatten, in der Meinung, die Besatzung, die man darinnen gelassen, wür de nicht stark genug seyn sie zu vertheidigen, und die Einwohner, mit der gegenwärtigen Regierung übel zufrieden, würden vielleicht einige Bewegung machen, die zu seinem Vor theil gereichen könnte. Er fand sich aber in seiner Rechnung betrogen. Die Römer öf neten bey der ersten Annäherung der Car thaginenser die Thore, thaten mit grossem Geschrey einen Ausfall auf sie, und verfolg ten sie unter beständigem Metzeln bis an das Ufer des Meers. (Er geht zu rück nach Ca dix, allwo man vor ihm die Thore zu schließt.) Mago begab sich also wieder zu Schiffe, und wollte in Cadix einlauffen. Weil man ihn nicht einnehmen wolte, ländete er mit sei ner Flotte zu Cimbis, einem kleinen nicht weit von Cadix befindlichen Hafen. Von dar schickte er Abgeordnete in die Jnsel, um sich gegen die Einwohner zu beklagen, daß sie ihm, ihren Freund und Bundsgenossen, ihre Thore versperret hätten. Sie schoben die Schuld auf den Pöbel, welcher sich, wie sie sagten, wegen einer Plünderung, die sei ne Soldaten kurz vor ihrer Einschiffung vor genommen hätten, rächen wollen. Er ver langte mit den Vornehmsten des Raths zu sprechen. Kaum hatten sie sich bey ihm ein gestellet, so ließ er sie mit Peitschen jämmer lich zerhauen, und ans Creutz henken. So verfuhr er mit den Häuptern einer Stadt, die nicht nur mit Carthago im Bündnis stund, sondern auch einen gemeinschaftlichen
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Ursprung mit derselben hatte. Denn Cadix(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) war auch eine Colonie der Stadt Tyrus. Von dar gieng er nach der Jnsel Pityusa, die auf hundert Meilen vom festen Lande ent fernt lag, und damahls Phönicier bewohn ten. Seine Flotte wurde allda sehr wohl aufgenommen. Man versahe ihn nicht nur mit Lebensmitteln im Ueberfluß, sondern auch mit Mannschaft und Gewehr, um den Ver lust, den er bey Carthagena erlitten hatte, zu ersetzen. Ferner setzte Mago in die funfzig Meilen(Mago setzt in die Baleari schen Jnseln über. Cadix ergiebt sich den Römern. Livius XXVIII. 37.) von dar entfernte Balearischen Jnseln über. Es sind zwo Jnseln dieses Namens, die jetzt Majorca und Minorca genennt werden. Die gröste, und wegen der Anzahl der Ein wohner und Soldaten auch die ansehnlich ste, hatte einen Hafen, in dem er den Win ter, der vor der Thür war, bequem hinzu bringen gedachte. Allein als die Carth{??}agi nenser sich denselben näherten, liessen die Ba learen einen so erschrecklichen Steinhagel ü ber sie regnen, daß sie sich nicht getrauten, sich dem Hafen zu nähern, sondern in grö ster Geschwindigkeit wieder in die offene See stachen. Es ist bekandt, daß die Balearen(StraboIII. 168.) diejenige Nation war, welche am geschickte sten mit der Schleuder umzugehen wuste. Man übte sie darinnen von ihrer ersten Kind heit an, und man gab den Kindern nicht eher ihr Frühstück, als bis sie mit der Schleu der das Ziel getroffen hatten. Mago begab sich in die kleinere von diesen Jnseln, welche
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) ziemlich fruchtbar, aber nicht so volkreich, noch so kriegerisch, war, als die andere. Hier traf er es besser. Er brachte daselbst zwey tausend Mann Hülfstrupen auf die Beine, und nachdem er sie nach Carthago geschickt, daselbst den Winter zuzubringen, zog er seine Schiffe ans Land. Von diesem Mago scheint der Hafen der Jnsel Minorca Port Mahon (portus Magonis) seinen Namen erhalten zu haben. So bald als Mago die Küsten des Meers verlassen hatte, ergaben sich die von Cadix an die Römer. (Scipio gehet nach Rom zu rück. Livius XXVIII. 38.) Nachdem Scipio die Carthaginenser aus ganz Spanien vertrieben hatte, übergab er das Commando der Provinz dem L. Lentu lus und L. Manlius Acidinus, die von der Republick dahin waren abgeschickt worden, als Proconsuls zu commandiren, und reisete mit zehn Schiffen nach Jtalien ab. Der Rath gab ihm ausser der Stadt in dem Tem pel der Bellona Gehör, bey welchem er al les, was er in Spanien verrichtet hatte, er zählte: wie viel ordentliche Schlachten er ge liefert, wie viel Städte er den Feinden abge nommen, und wie viel Nationen er der Herr schaft des Römischen Volks unterworfen ha be. Er sagte, daß, da er bey seiner Ankunft in Spanien vier Generale an der Spitze vier siegreicher Armeen angetroffen, er bey seiner Abreise nicht einen einzigen Carthaginenser zu rückgelassen habe. Er bezeigte einiges Ver langen nach der Ehre des Triumphs, als nach einer Belohnung für alle dem Vater
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land erwiesenen Dienste. Er bestund aber(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) nicht hartnäckig darauf, weil er wuste, daß man diese Ehre bisdaher niemanden zugestan den, ohne nur solchen, die, mit einiger Ehren stelle bekleidet, Kriegsheere angeführet hatten. Scipio aber war nur schlechtweg mit dem Titel eines Proconsuls, welches kein Eh renamt war, nach Spanien abgegangen. Nach dem bey dem Rathe gehabten Gehör hielt er seinen Einzug in die Stadt, unter Vorhertragung vierzehn tausend drey hun dert und zwey und vierzig Pfund Silber in Stücken, und eine grosse Menge gemünz tes Silbers, welches er insgesammt in die allgemeine Schatzkammer lieferte. Hierauf stellte L. Vetturius Philo die Ver sammlungen wegen der Wahl der neuen Con suls an: und alle Centurien ernannten mit einmüthigem Schluß und ausserordentlichen Merkmaalen der Hochachtung und Gewo genheit den P. Scipio darzu. Zum Colle gen gaben sie ihm den Oberpriester, P. Lici nius Crassus. Man bemerkte, daß diese Versammlung viel zahlreicher war, als ir gend eine, seit dem Anfange dieses Krieges, gewesen war. Die Bürger waren von allen Orten nach Rom gekommen, nicht nur dem Scipio ihre Stimmen zu geben, sondern auch das Ver gnügen zu haben ihn zu sehen. Es war ein erstaunender Zusammenlauf des Volks um seinem Hause herum. Diese Menge beglei tete ihn, als er aufs Capitolium ging, dem
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(d. 546. J. n. R. E. d. 206. J. v. C. G.) Jupiter die hundert Ochsen zu opfern, die er ihm durch ein in Spanien gethanes Gelübde nach seiner Rückkunft zu opfern versprochen hatte. Es war niemand, der sich nicht mit der Hofnung schmeichelte, es werde P. Sci pio so, wie Lutatius den ersten Punischen Krieg geendigt, den zweyten zu Ende bringen, und so die Carthaginenser aus Jtalien ver jagen, wie er sie aus Spanien vertrieben hätte. Jn dieser Absicht bestimmte man ihm Afrika zur Provinz, gleich als wenn kein Feind weiter in Jtalien wäre. Hierauf schritt man zur Wahl der Prätoren. (d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.)

Es war das vierzehnte Jahr des zweiten Punischen Krieges, in welchem P. Scipio und P. Licinius Crassus das Consulat antra ten. Scipio that so gleich dem Rathe den Antrag, und erhielt darzu Erlaubnis, diejeni gen Spiele, zu denen er sich durch ein Ge lübde in der Zeit, da sich die Soldaten in Spanien empörten, verpflichtet hatte, zu begehen, und zu diesem Aufwande die nöthi gen Summen von dem Gelde, das er in die öffentliche Schatzkammer geliefert hatte, zu nehmen. (Abgeordnete derer von Sagunt an die Römer. Livius XXVIII. 39.) Hierauf führte er die Abgeordneten der Saguntiner vor den Rath, unter welchen der älteste in folgenden Ausdrücken zu reden anfing: „Jhr Herren des Raths! Ob man schon keine grössere Uebel erdencken kann,
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als diejenigen sind, die wir, um euch eine(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) unverbrüchliche Treue zu erhalten, erlitten haben, so können wir doch nach alle den von euch und euren Generalen erhaltenen Wohlthaten uns über unser Schicksaal nicht beschweren.“ So dann zählte er alles stückweis her, was anfangs die beyden Sci pionen, und nachher derjenige, der jetzt zum Consul war ernennet worden, für sie gethan hätten. „Der Rath, fuhr er fort, und das Volk von Sagunt hat uns zu dem Ende abgeschickt, euch für alle diese Wohlthaten, die so groß sind, daß wir sie selbst von den Göttern nicht einmahl er wartet hätten, Dank abzustatten, und euch zu gleicher Zeit die Freude an den Tag zu legen, die sie über den so guten Fort gang eurer Waffen seit einigen Jahren in Spanien und Jtalien empfinden. Jn dem erstern habt ihr eure Eroberungen nicht nur bis an den Ebro, der sonst die Grenze eures Reichs machte, ausgebreitet, sondern ihr seyd bis an das Ufer des Welt meers, das ist, bis ans Ende der Erden, gekommen; in dem andern habt ihr dem Hannibal keinen weiteren Raum übrig gelassen, als den sein jetziges Lager, in dem ihr ihn wie belagert haltet, einnimmt. Man hat uns aufgetragen, nicht nur dem grossen Jupiter für solche ausserordent liche Gnade gebührend zu danken, sondern ihm auch, mit eurer Genehmhaltung, die se güldene Krone zu opfern, und sie zur
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Dankbarkeit für die Siege, die er euch über eure Feinde gegeben hat, in seinem Tempel niederzulegen. Wir bitten euch flehentlich, uns solches zu gestatten, und durch euer Ansehen die Wohlthaten zu be kräftigen, die wir von euren Generalen erhalten haben.“ Der Rath antwortete den Saguntischen Abgeordneten: „Die Verwüstung und Wie deraufbauung Sagunts würde für alle Nationen ein unverwerflicher Beweiß der unverletzbaren Treue seyn, die beyde Völker gegen einander bewiesen hätten. Die Ge nerale der Republick hätten bey der Wie derherstellung Sagunts nichts anders ge than, als was der Rath gewünscht und verlangt. Selbiger bestätige auch mit Ver gnügen alle die Vortheile, die sie ihnen zu gestanden, indem sie, was sie gethan, nur allein dem Willen des Raths nachgelebet, und die von demselben erhaltene Befehle bewerkstelliget. Er erlaube ihnen endlich, dem Jupiter das Opfer, das sie mitge bracht hätten, darzubringen.“ Hierauf wurde der Befehl gegeben, diese Abgeord neten, so lange sie auf Römischem Gebiete seyn würden, auf Unkosten des StaasStaats in allen frey zu halten, und einem jeden, als ein Geschenk, zehn tausend (*) As zu zahlen. Gleich darauf ließ man die Gesandten der 47
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andern Nationen in die Rathsversammlung(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) kommen, und gab ihnen Gehör. Da die von Sagunt um Erlaubniß Ansuchung ge than hatten, die übrigen Theile Jtaliens, so weit sie es sicher thun könnten, besuchen zu dürffen, gab man ihnen nicht nur Beglei ter, sie anzuführen, mit, sondern auch Em pfehlungs - Schreiben an alle Obrigkeiten der Städte, durch die sie kommen würden, de nen man anbefahl, sie mit besondern Ehren bezeugungen zu empfangen. Nachdem man diese Sachen, die von so(Streit we gen des Vor habens des Scipio, den Krieg nach Afrika hin über zu spie len. Livius XXVIII. 40. Plut. in Fab. Bl. 188.) gar grosser Wichtigkeit nicht waren, aus gemacht hatte, berathschlagte man über die allgemeinen Staats - Angelegenheiten, und insonderheit über die Anwerbung neuer Tru pen, und über die Departements, die man den Generalen anzuweisen hätte. Alle Bür ger dachten ziemlich offenbar Afrika dem Sci pio zu, und er selbst, der dem Hannibal in Jta lien Schritt vor Schritt zu folgen vor eine sehr wenig in die Augen fallende Beschäftigung, die sich besser für einen alten bejahrten Mann, als für einen jungen und braven Krieger, wie er wäre, schickte, ansahe, gab nicht un deutlich zu verstehen, er glaube nicht deswe gen zum Consul erwehlt worden zu seyn, den Krieg nur fortzusetzen, sondern zu endi gen, welches er nicht bewerkstelligen könnte, es wäre denn, daß er nach Afrika übergien ge, und das Schrecken der Römischen Waf fen bis vor die Mauern Carthagens aus breitete. Ja er trug kein Bedenken, sich so
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) weit heraus zu lassen, daß, wenn der Rath diesem Vorhaben zuwider seyn sollte, er die Sache vor dem Volke treiben, und von dem selben die Erlaubniß zu erlangen sich bemü hen würde. (Rede des Fabius wi den den Sci pio. Livius XXVIII. 40 = 42.) Die vornehmsten des Raths mißbilligten diesen Anschlag; allein die meisten hatten nicht Herz genug, sich deutlich darüber zu er klären, es sey nun, daß sie sich vor dem Con sul fürchteten, oder daß sie sich bey ihm in Gunst setzen wollten. Fabius Maximus, der über dergleichen zaghafte Zurückhaltung hinaus zu seyn glaubte, eröfnete zuerst seine dem Begehren des Scipio entgegen gesetzte Meinung. Titus Livius legt ihm folgende Rede in den Mund. „Jch weiß, ihr Vä ter des Raths, daß viele unter euch sich einbilden, es sey das, was wir heute in Ue berlegung ziehen, eine schon längst ausge machte Sache, und über den Anschlag, noch in diesem Jahre unsre Armeen nach Afrika überzusetzen, seine Gedanken zu sagen, sey nichts anders, als die Zeit zu verderben. Al lein ich kann nicht begreiffen, wie man diese Gedanken hegen kann, da weder der Rath, noch das Volk zu diesem Vorhaben die ge ringste Einwilligung gegeben haben. Soll te der Consul auf Afrika, als auf etwas, das ihm gewiß sey versichert worden, Staat machen, so kann ich mich nicht entbrechen zu sagen, daß dieses von seiner Seite nicht nur eines jeden Rathsherrn insbesondere, sondern auch des ganzen Raths überhaupt,
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gespottet sey, indem er sich stellet, denselben(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) über eine schon beschlossene und festgesetzte Sache zu befragén. Jch weiß wohl, daß, indem ich diesem ausserordentlichen Bestreben, nach Afrika überzugehen, zuwider bin, ich mir ohnfehl bar zween Vorwürffe zuziehen werde. Man wird erstlich sagen, diese Gedanken wären die Wirkung derjenigen Langsamkeit, die man mir natürlich zu seyn glaubt, und wel che die jungen Leute meinetwegen Furcht samkeit und Schläfrigkeit nennen mögen, wenn nur verständige Leute bekennen, daß, wenn auch die Anschläge andrer sich An fangs gar wohl hören lassen, der Ausgang doch bis hieher gezeiget, daß die meinigen gründlicher und nützlicher gewesen sind. Vors andre wird man mich vielleicht be schuldigen, ich trüge einen Haß gegen ei nen Consul von so grossen Verdiensten, ich wäre neidisch auf den Ruhm, den er sich täglich erwürbe, und könne dessen Wachs thum nicht erdulden. Allein, wenn mich gegen einen so unge rechten Verdacht weder zeitheriges Leben und Betragen, noch die Ehrenämter der Dictatur und fünf Consulate, die ich beklei det, noch auch alle der Ruhm, den ich mir so wohl im Kriege, als im Frieden, in ei nem solchen Grade erworben habe, daß er mir vielmehr einen Eckel und Ueberdruß verursachet, als daß er neuen Begierden Platz machen sollte, rechtfertiget: so sollte
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) mich doch wenigstens mein Alter vor einem solchen Vorwurf sicher stellen. Denn wie kann man sich einbilden, daß ich gegen ei nen jungen Menschen, der nicht einmahl in dem Alter meines Sohns ist, der Eifersucht sollte fähig seyn können? Während meiner Dictatur, da ich in der besten Blüte mei nes Alters war, und mich in der wichtig sten und schönsten Lauf ban befand, brauch te ich gegen die Unbesonnenheit meines Ge nerals der Reuterey nichts, als Geduld und Mäßigung; und ich widersetzte mich weder in dem Rathe, noch bey dem Volke, der so ungerechten und schimpflichen als unerhör ten Gleichheit, in die man ihn mit mir stel len wollte, und würklich stellte. Jch fand für besser Thaten, als Worte, anzuwenden, um denjenigen selbst, den alle Bürger mit mir in gleichen Rang gesetzet, zu nöthigen, mir von freyen Stücken den Rang zuzuge stehen. Jst es denn also wohl wahrschein lich, daß ich mich mit einem jungen Men schen in Streit einlassen sollte, der, so viel Hochachtung er auch sonst verdienet, doch nur erst in die Laufban der Ehre und des Ruhms eintritt? Kann man sich wohl ein bilden, daß ich, der ich nicht allein der öf fentlichen Geschäfte, sondern des Lebens selbst überdrüßig bin, ihm Hindernisse in den Weg legen sollte, um an seiner Statt etwan zu Führung des Krieges in Afrika ernennet zu werden? Nein, nein. Es geziemet mir, mit dem Ruhme, den ich erworben habe, zu le
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ben und zu sterben. Jch habe den Lauf der(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Siege des Hannibals gehemmet, um die Jugend, die nach mir kommen würde, in Stand zu setzen, weiter zu gehen und ihn gänzlich zu überwinden. Du must mir es zu gut halten, Scipio, wenn ich, der ich selbst niemahls aus der Hochach tung der Menschen und meiner eigenen Eh re mehr, als aus dem allgemeinen Besten, gemacht habe, auch deinen Ruhm dem Vortheile des Staats nicht vorziehe. Wie wohl, nach der Wahrheit zu reden, ist es auch wohl an dem, daß ich deinem Ruhme etwas in Wege lege? Wenn wir hier kei nen Krieg hätten, oder wenn wir mit einem Feinde zu thun hätten, den zu überwinden es eben nicht glorreich wäre; so würde man allerdings dir mit dem Kriege auch die Ge legenheit, Ehre zu erwerben, entreissen, wenn man dich in Jtalien, auch selbst in Absicht auf das allgemeine Beste, zurück halten wollte. Allein da Hannibal sich wirklich in Jtalien befindet, und zwar an der Spitze einer Armee, mit der er es seit vierzehn Jahren gleichsam belagert hält, soll test du wohl Ursach haben, mit dir selbst mißvergnügt zu seyn, und wäre es wohl ei ne minder ruhmwürdige That, wenn du, während deines Consulats, es so weit bräch test, einen Feind aus Jtalien zu vertreiben, von dem wir so viele Uebel und so viele blu tige Niederlagen erlitten haben; und wenn du die Ehre hättest, diesen zweyten Puni
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) schen Krieg zu endigen, wie Lutatius den erstern zu Ende gebracht hat? Jch beruffe mich auf dein eigenes Urtheil. Kannst du dir vorstellen, daß es dir mehr Ehre bringe, Spanien den Carthaginensern entrissen zu haben, als es dir bringen wer de, wenn du Jtalien von einem Kriege be freyen solltest, der es seit so vielen Jahren verwüstet? Hannibal ist noch nicht in den Umständen, daß man ihm glaubend ma chen könnte, derjenige, der anderswohin zu Felde gehet, hüte sich, mehr aus Verach tung als aus Furcht, ihn zum Gegenpart zu haben. Du sagst, du wollest eben aus der Ursache nach Afrika übergehen, um ihn dahin zu ziehen, und dich daselbst mit ihm zu schlagen. Worzu sind so viele Um stände nöthig? Warum willst du nicht ge rade auf ihn los gehen, und ihn angreiffen, wo er ist? Verlangt nicht die natürliche Ordnung, erst das Vaterland in Sicherheit zu setzen, ehe man der Feinde Länder über fallen will? daß man zuförderst den Frieden und die Ruhe in Jtalien wieder herstelle, ehe man den Krieg nach Afrika spielet? und daß wir erst selbst von aller Furcht befrey et werden, ehe wir uns unterfangen, das Schrecken unserer Waffen in feindlichen Ländern auszubreiten? Kannst du diesen doppelten Dienst dem Vaterlande erweisen, wohlan! so gehe, nachdem du hier den Hannibal überwun
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den hast, auch auf Carthago los. Allein,(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) wenn einer von beyden Vortheilen noth wendig vor die neuen Consuls aufbehalten werden muß, so überlege, ob nicht aller dings der erstere, ausser daß er viel an sehnlicher und viel ruhmwürdiger in sich selbst ist, auch natürlicher weise zu dem an dern führet, und davon die wahre Ursache ist, folglich demselben alle Ehre dafür ge bühret? Jch will nichts von der Unmöglichkeit erwehnen, worinnen wir sind, die nöthigen Gelder ausfündig zu machen, um zu glei cher Zeit zwo Armeen in Jtalien und in A frika zu unterhalten, um Flotten auszurü sten, und sowohl die Lebensmittel, als an dern nöthigen Vorrath den Truppen zu Lande und zu Wasser anzuschaffen. Nächst dieser Schwürigkeit, die nicht gering ist, findet sich auch niemand unter uns, der nicht die Gefahr einsehe, welcher uns sein solches Unternehmen aussetzet. Denn, kurtz zu sagen, wenn Hannibal, als Sie ger, zum zweytenmahl mit seinen Truppen vor Rom rückte, (ich hoffe, die Götter wer den ein so grosses Unglück von unsern Häup tern abwenden: allein, was wir schon ein mahl gesehen haben, kan sich noch einmahl ereignen,) und wenn wir uns in so drin gender Gefahr befänden, könnten wir dich wohl sodann aus Afrika zu unserm Bey stand herbey ruffen, wie wir den Q. Ful vius von Capua herbey hohlten?
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Bist du ferner gewiß versichert, daß dir das Glück in Afrika günstig seyn werde? Der betrübte Tod deines Vaters und dei nes Oheims, die nach so ruhmwürdigen Verrichtungen in einer Zeit von dreyßig Tagen mit ihren Armeen über den Haufen geworffen und niedergemetzelt wurden, zei get dir klärlich genug, was du befürchten kanst und must. Jch würde nicht zum Ende kommen, wenn ich alle Könige und alle Feldherren hererzählen wollte, die, weil sie unüberlegt in das Land ihrer Feinde eingebrochen sind, gänzlich mit den Armeen, die sie dahin ge führet, über den Haufen geworfen wor den. Die Athenienser, diese so weise und so vorsichtige Republick, liessen von dem Kriege, den sie in ihrem Lande hatten, ab, und giengen mit einer zahlreichen Flotte, unter der Anführung eines jungen Kriegers, der nicht weniger wegen seiner vornehmen Geburt, als wegen seiner Tapferkeit, be rühmt war, nach Sicilien über. Was war der Ausgang von diesem verwegenen Zuge? Ein einziges Seetreffen schlug auf einmahl die Macht dieser Republick, so blü hend ihre Umstände damahls auch waren, gänzlich darnieder. Jch thue Unrecht, dir fremde und so al te Beyspiele zu erzählen. Eben dieses A frika, von dem die Rede ist, und der be rühmte Regulus, sind für uns eine betrüb
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te, aber heilsame Lehre, die uns begreiffen(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) macht, wie groß die Unbeständigkeit des Glücks sey. Glaube mir, Scipio, so bald du von dem obersten Theile deiner Schiffe zum er stenmahl diese mächtige und kriegerische Ge gend wirst gewahr werden, so wirst du be kennen, daß dein Spanien in Verglei chung mit Afrika nur ein Spiel gewesen sey. Denn, kurz, wer sieht nicht den unbeschreib lichen Unterscheid, der zwischen diesen bey den Feldzügen ist? Nachdem du ohne die geringste Gefahr, ohne ein einzig feindlich Schiff anzutreffen, über das Meer, welches die Küsten Jtaliens und Galliens berühret, gesetzet, langtest du zu (*) Emporiä, einer mit unserm Reiche in Bunde stehenden Stadt, an, setztest allda deine Trupen ganz ruhig ans Land, und führtest sie von dar nach Tarraco, einer andern Bundesstadt, ohne die geringste Hinderniß oder Gefahr auf dem Wege zu finden, weil du be ständig auf dem Gebiete unsrer Freunde und Bundsgenossen bliebest. Bey dem Ausmarsch aus dieser Stadt wurdest du in solchen Ländern aufgenommen, die unsere Trupen besetzt hielten. Du fan dest an dem Ufer des Ebroflusses die Ar meen deines Vaters und deines Oheims, welche selbst ihr Unglück, und die Begier de, den Tod ihrer Generale zu rächen, 48
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) furchtbarer, als sie jemahls gewesen, ge macht hatte. Sie hatten an ihrer Spitze den L. Marcius, der zwar allerdings auf eine unordentliche Art und durch die Stim men der Soldaten, sie zu commandiren, war erwehlet worden, dem aber weiter nichts mangelte, als die Geburt und der Vortheil, die ersten Ehrenämter bekleidet zu haben, um mit den grösten Feldherren in Vergleichung gesetzt werden zu können. Du belagertest mit deiner grösten Bequem lichkeit Carthagena, ohne daß eine von den drey Carthaginensischen Armeen sich in Bewegung setzte, es zu vertheidigen. Alle diese und die darauf folgenden Ver richtungen, denen ich keineswegs etwas von ihrem Werthe benehmen will, sind in Ansehung der Schwürigkeiten gar in keine Vergleichung mit den Hindernissen und Gefahren zu stellen, die sich in dem Afri kanischen Kriege ereignen werden. Wir haben allda keinen Hafen, in den unsere Flotte einlauffen könnte; kein Land, das uns aufzunehmen geneigt wäre; keine Stadt, die mit uns im Bunde stünde; keinen König, der mit uns Freundschaft hielte; keine Gegend endlich, wo wir ent weder uns lagern, oder, wo wir marschi ren könnten, ohne sogleich die Feinde auf dem Nacken zu haben. Kanst du auf den Syphax und auf die Numidier gewisse Rechnung machen? Fürwahr, es ist ge nung, daß du dich ihnen einmahl, ohne in
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Gefahr gerathen zu seyn, anvertrauet hast.(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Die Verwegenheit ist nicht allemahl glück lich, und der Betrug suchet insgemein sich in wenig bedeutenden Dingen ein Ver trauen zu erwerben, um sich hernach desto besser zu erholen, wenn er bey einer wichti gen Gelegenheit, die sich der Mühe ver lohnt, mit mehrerm Vortheil betrügen kann. Dein Vater und dein Oheim wur den nicht eher durch die Waffen der Fein de zu Grunde gerichtet, als nachdem sie durch die Verrätherey der Celtiberier, ih rer Bundsgenossen, waren verlassen wor den; und du selbst hattest nicht so viel von Seiten des Hasdrubals und des Mago, mit denen du in Krieg verwickelt warest, zu befürchten, als von dem Mandonius und JudibilisIndibilis, mit dem du dich in Freundschaft eingelassen hattest. Kannst du auf die Treue der Numidier Staat machen, du, der du den Abfall deiner eignen Soldaten erfah ren hast? Es ist wahr, Syphax und Masinissa hätten die Herrschaft über Afrika lieber für sich, als für die Carthaginenser: Doch aber sehen sie noch lieber die Carthaginenser da selbst herrschen, als irgend eine andre Na tion. Die Eifersucht und die unterschiede nen eigennützigen Absichten reitzen sie jetzt gegeneinander an, und machen unter ihnen, weil sie von aussen nichts zu befürchten ha ben, eine Trennung. Zeige ihnen aber nur die Römischen Waffen und fremde Kriegs
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) heere, so werden sie sich den Augenblick ver einigen, und von allen Seiten herbey ge lauffen kommen, gleich als ob sie ein Feuer, das sie insgesammt gleich bedrohete, lö schen wollten. Du weist, daß die Carthagi nenser Spanien mit ziemlicher Hartnäckig keit vertheidiget, ob sie schon am Ende un tergelegen haben. Sie werden einen noch ganz andern Eifer und einen ganz andern Muth bezeugen, wenn es darauf ankom men sollte, die Mauern ihres Vaterlan des, die Tempel ihrer Götter, ihre Altäre und ihre Heere zu vertheidigen. Jhre in Thränen badende Weiber und ihre klei nen Kinder werden ihnen in die Schlacht nachfolgen, und sie um ihren Beystand an flehen. Noch mehr. Kann es nicht kommen, daß die Carthaginenser, indem sie sich, auf die Stärke und Güte ihrer Mauern, auf die Einigkeit der Afrikanischen Völker, und auf die Treue der mit ihnen im Bunde ste hende Könige verlassen, eine neue Armee aus Afrika nach Jtalien schicken, so bald sie uns deines und deiner Armee Beystand be raubet sehen? Kann es nicht kommen, daß sie, ohne Afrika zu entblössen, dem Mago, der mit seiner Flotte aus den Balearischen Jn seln ausgelauffen ist, und ietzt wirklich an den Ligurischen Küsten kreutzet, Befehl er theilen, zu dem Hannibal zu stossen? Wir werden uns sodann in eben der Verlegen heit befinden, in der wir nur kürzlich gewe
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sen seyn, als Hasdrubal nach Jtalien her(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) über kam; der Hasdrubal, den du in Spanien aus deinen Händen entwischen liessest, du, der du jetzt viel Aufhebens machest, mit deinen Truppen nicht nur alle Zugänge von Carthago, sondern auch ganz Afrika zu versperren. Du wirst mir vielleicht antworten, du habest ihn überwunden. Allein, eben darum ge het es mir theils deines Ruhms, theils des Bestens der Republik wegen nahe, daß du einem General, den du nur erst aus dem Felde geschlagen hattest, den Weg nach Jtalien offen gelassen. Jch kann dir keinen bessern Dienst thun, als wenn ich allen den guten Fortgang, den du während der Zeit, daß du unsere Armeen commandirt hast, gehabt, deiner guten Anführung zuschreibe, alles Unglück aber auf die Unbeständigkeit des Glücks schiebe. Je mehr du Tapferkeit und Ge schicklichkeit im Kriege erwiesen hast, je mehr hat Rom und ganz Jtalien Ursache, einen so guten Beschützer für sich zurück zu behalten. Du selbst kannst nicht in Abrede seyn, daß da, wo der Hannibal ist, der Hauptsitz des Krieges sey, indem du dich erkläret, daß du aus keiner an dern Absicht nach Afrika übergingest, als ihn dahin zu ziehen. Folglich must du ent weder in diesem Lande, oder in dem, in das du abgehen willst, den Krieg wider ihn führen. Wirst du denn wohl mehr
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Vortheil in Afrika, wo du mit deiner Ar mee allein seyn wirst, über ihn haben, als in Jtalien, wo du von deinem Collegen und seinen Truppen unterstützet werden kannst? Zeigt uns der noch ganz neue Sieg der beyden Consul Claudius und Livius nicht ganz deutlich, von was für einer Wichtigkeit es sey, daß beyde Consuls ih re Maasregeln gemeinschaftlich nehmen? Wird Hannibal nicht noch mehr zu fürch ten seyn, wenn er unter den Mauern Car thagens, wo er von der Macht des gan zen Afrika unterstützet werden kann, fech ten wird, als in einem kleinen Winkel Brutiums, wo er jetzt eingepserrt ist, und wo er seit langer Zeit neue Verstärkungen erwartet? Was ist das für ein Unterneh men, daß du lieber an einem Orte, wo deine Macht um die Helfte schwächer, und des Feindes seine viel stärker ist, strei ten willst, als hier, wo du zwo Armeen gegen eine einzige, die durch so viele Schlach ten schon geschwächet, und durch einen so langen und beschwerlichen Krieg abgemat tet ist, brauchen kannst? Erwege auch nun, was für ein Unter scheid zwischen deinem und deines Vaters Betragen ist. So bald er zum Consul war ernennt worden, ging er nach Spa nien ab, das Commando allda anzutreten: Da er aber vernahm, daß Hannibal über die Alpen ging, in Jtalien einzubrechen, kehrte er wieder um, mit demselben bey
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dem Fusse der Alpen zu schlagen. Und du,(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) der du den Hannibal in Jtalien siehest, denkest dich von dar zu entfernen, nicht, weil du etwan dieses Unternehmen dem Staate vortheilhaft findest, sondern weil du dir einbildest, es werde dir mehr Ehre bringen. Eben so, wie du vorher deine Provinz und deine Armee, ohne darzu durch einen Befehl des Volks oder Schluß des Raths berechtiget zu seyn, verliessest; und, indem du dich nur mit zwo Galeen aufs Meer begabest, mit deiner Person das Wohl der Republik und die Hoheit des Römischen Volks, das dir das Com mando seiner Armeen anvertrauet hatte, in Gefahr setztest. Jch meiner Seits, ihr Väter des Raths, bin der Meinung, man habe den P. Sci pio nicht seinet, sondern unsert und der Re publik wegen zum Consul ernennt; und man habe die Truppen, die er comman dirt, Rom und Jtalien zu vertheidigen, nicht aber darzu angeworben, daß unsre Consuls sich darüber, als wenn sie Könige wären, eine unumschränkte Gewalt an maßten, und sie aller Orten hin, wo es ihnen beliebte, führten, um ihren weit aus sehenden und ehrgeitzigen Absichten ein Gnüge zu thun.“ Fabius brachte durch diese Rede, die er mit Fleiß ausstudiret hatte, den grösten Theil der Rathsherren auf seine Seite. Die ältesten insonderheit wurden durch das An
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sehen dieses grossen Mannes hingerissen, und zogen seine Klugheit und vollkommene Er fahrung der ungestümen Hitze und Herz haftigkeit dieses jungen Consuls ohne Be denken vor. Scipio aber war schon zu weit gegangen, als daß er mit Ehren hätte wie der zurück gehen können. Da er überdieß mit gutem Grund von der Schönheit und dem Nutzen seines Anschlages eingenommen war, und vor seine Person sich durch die wenige Achtung, die ihm der Fabius bezei get hatte, beleidiget fand, war er um so viel weniger geneigt, demselben seine Einsich ten aufzuopfern. Er nahm demnach das (Antwort des Scipio auf die Rede des Fabius. Livius XXVIII. 43. 44.) Wort, und redete also: „Fabius hat selbst gar wohl gemerket, ihr Väter des Raths, und es sogleich erkannt, daß sein gegebener Rath einer Eifersucht verdächtig scheinen könne. Jch, meiner Seits, würde mich gewiß nicht unterstanden haben, eine sol che Beschuldigung wider einen so grossen Mann anzubringen; allein es sey nun, daß er sich entweder nicht gnugsam erklä ret, oder daß er wirklich die Wahrheit wi der sich hat, dünkt es mir doch, daß er sich noch nicht ganz von diesem Verdacht ge reiniget habe. Denn, um die Leute zu bereden, daß ihn nicht der Neid, also zu verfahren, antreibe, hat er mit sehr erha benen Ausdrücken die Ehrenämter, die er durchgangen ist, und den Ruhm, den er sich durch seine Thaten erworben, erhoben; gleich als ob ich mich nur mit Leuten vom
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gemeinsten Pöbel messen müste, und wenn(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) ich ja irgend jemands Eifersucht zu be fürchten hätte, solches nicht eben von Sei ten desjenigen fürchten dürfte, der, nach dem er auf den Gipfel der Ehren gelan get, wohin ich ebenfalls, ohne es zu leug nen, zu kommen gedenke, sich allerdings ärgern würde, wenn ich ihm dereinst gleich käme. Er hat seines Alters erwehnet, und in Ansehung der Jahre mich selbst unter seinen Sohn gesetzet; gleich als ob die Ruhmbegierde durch dieses sterbliche Le ben umschränkt wäre, und sie ihre Absich ten nicht bis auf die entfernteste Nachkom menschaft richtete. Jch bin versichert, daß grosse Seelen sich nicht nur mit den be rühmten Männern ihrer Zeit, sondern auch mit den Helden aller Jahrhunderte in Ver gleichung stellen. Was mich anbelangt, will ich es dir keinesweges verheelen, Fa bius, daß ich fest entschlossen bin, dir nicht nur gleich zu kommen, sondern, wenn ich kann, (erlaube mir, es zu sagen,) dich gar zu übertreffen. Dafür aber wollen die Götter uns behüten, daß wir, weder du in Ansehung meiner, noch ich in Ansehung derer, die mir folgen werden, uns fürchten sollten, es möchte irgend ein Mitbürger uns ähnlich werden. Eine solche Gesin nung würde nicht nur denen, die wir be neiden, sondern auch der ganzen Republick oder, besser zu sagen, dem ganzen mensch lichen Geschlechte nachtheilig seyn.
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Fabius hat die Gefahr, der ich mich aussetzen würde, wenn ich nach Afrika übergienge, sehr vergrössert; solchergestallt, daß er nicht weniger für die Republick, als für mich besorgt zu seyn geschienen hat. Allein, wo rühret denn auf einmahl die se Unruhe für mein Leben und für meinen guten Namen her? Nachdem mein Va ter und mein Oheim waren erschlagen wor den, nachdem ihre Armeen eine fast gänzli che Niederlage erlitten hatten, da ganz Spanien verlohren gegangen war, und das gantze Land sich unter der Botmäßigkeit von vier Generals, die vier besondre Armeen commandirten, befand; da endlich in der Versammlung, worinnen ein neues Ober haupt, welches das Commando in dieser Provinz führete, ernennet werden sollte, ausser mir sich niemand anbot, so daß das Römische Volck genöthiget war, mir in dem vier und zwanzigsten Jahre meines Al ters einen so verzweifelten Krieg anzuver trauen: warum fand sich denn damahls niemand, der die Unvermögenheit meines Alters, die Stärke der Feinde, die Schwü rigkeiten des Krieges, und den noch in fri schem Andencken schwebenden Tod meines Vaters und meines Oheims vorstellte? Hat man denn ietzt einen blutigern Ver lust in Afrika erlitten, als wir damahls in Spanien erlitten haben? Sind denn in Afrika geschicktere Generale und zahlreiche re Armeen, als damahls in Spanien wa
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ren? Hatte ich damahls mehr Erfahrung(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) und mehr Fähigkeit; den Krieg zu führen, als ich jetzt haben kann? Sind die Car thaginenser für uns in einem Lande fürch terlichere Feinde, als in dem andern? Es ist was leichtes, nachdem ich vier Carthaginensische Armeen über den Hau fen geworfen und in die Flucht geschlagen; nachdem ich eine so grosse Menge Städte, theils durch Gewalt, theils durch gütlichen Vergleich, erobert; nachdem ich so viele Fürsten, so viele Könige, so viele wilde und barbarische Nationen gebändiget, und nachdem ich meine Eroberungen bis an das Ufer des Meers ausgebreitet; mit einem Wort, nachdem ich ganz Spanien unter unsere Botmäßigkeit gebracht habe, so daß nicht ein einziger Funke des Kriegs daselbst mehr übrig ist: es ist, sage ich, ohne Zwei fel was sehr leichtes, meine Thaten zu ver ringern. Es wird aber eben so leicht seyn, wenn ich werde Afrika überwunden und ge demüthiget haben, diejenigen Gegenstände als schlecht vorzustellen, die man heut so vergrössert, und die man mit Ausdrückun gen voller Nachdruck, als schreckliche Un geheuer, vorstellet; und dieses alles, um mich in Jtalien zurückzuhalten. Fabius behauptet, wir hätten keine Ge legenheit in Afrika anzulanden, noch auch einen Hafen, der uns offen stehe. Zu glei cher Zeit gedencket er der Niederlage und der Gefangennehmung des Regulus, gleich
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) als ob dieser General alsobald bey seinem Einmarsch in diese Provinz unglücklich ge wesen wäre. Er will sich aber dabey nicht erinnern, daß eben dieser Regulus, so un glücklich er auch nachher war, dennoch ei nen Weg fand, in Afrika einzudringen, daß er in dem ersten Jahre sehr ansehnliche Vortheile über die Feinde erhielt, und daß er allezeit, so lange er nur mit den Cartha ginensern allein zu thun hatte, unüberwind lich blieb. Es ist demnach vergebens, Fa bius, wenn du mich mit seinem Beyspiel schrecken willst. Wenn uns dieses Unglück auch nur erst kürzlich und in dem gegenwär tigen Kriege, nicht aber in dem erstern, vor mehr als vierzig Jahren, begegnet wäre, so sehe ich doch nicht, warum mich die Nie derlage und Gefangennehmung des Regu lus nach Afrika überzugehen, hindern sollte. Da die Niederlage und der Tod der bey den Scipionen mich nicht abgehalten, nach Spanien zu gehen? Warum sollte ich mich nicht vielmehr angreiffen, meinem Vater lande die Dienste zu erweisen, die der La cedämonier Xanthippus der Stadt Car thago hat erweisen können? Sein Beyspiel kann mir zu nichts anders, als zur Ver grösserung meines Vertrauens dienen, in dem es mir zeigt, daß ein einziger Mensch solche erstaunende Veränderungen verur sachen kann. Du führest ferner die Athenienser an, die, ohnerachtet sie den Feind mitten in ih
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rem Lande hatten, dennoch unbesonnener(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Weise nach Sicilien übergingen. Allein, weil du doch so viel Musse hast, uns diese Griechischen Mährgen zu erzählen, war um erwehnest du nicht vielmehr des Sy racusanischen Königs Agathocles, der, um Sicilien vor den Streifereyen, welche die Carthaginensischen Trupen seit langer Zeit daselbst ausübten, zu befreyen, in eben dieses Afrika überging, und den Krieg in das Herz desjenigen Landes spielte, woraus Sicilien beunruhiget wurde? Jedoch, worzu haben wir die Beyspiele in dem Alterthum und bey den Ausländern zu suchen nöthig, welche uns zeigen, wie vortheilhaft es sey, der angreiffende Theil zu werden, die Gefahr von seinem Lande zu ent fernen, und sie in des Feindes Land zu brin gen? Giebt uns nicht der Hannibal selbst hiervon den nähesten und stärksten Be weiß? Es ist ein grosser Unterschied dar zwischen, fremde Länder zu verwüsten, und seine eignen verheeren sehen. Derjenige, der den Angriff thut, hat mehr Muth, als der sich vertheidigt. Ueberdieß kommen die unbekannten Gegenstände, und die man nur in der Entfernung betrachtet, allezeit fürchterlicher vor. Um von dem, was man von Seiten seines Feindes zu hoffen oder zu fürchten hat, recht urtheilen zu können, muß man in sein Gebiet einrücken, und ihn näher kennen lernen. Hannibal hatte wohl niemahlen geglaubt, daß er in Jtalien alle
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) die Völcker, die nach der Schlacht bey Cannä seine Parthey ergriffen, gegen die Römer in Harnisch bringen würde. Wie viel weniger Eifer und Anhang werden die Carthaginenser unter den Afrikanischen Völkern finden, sie, die nicht weniger untreu gegen ihre Bundsgenossen, als hart und grausam gegen ihre Unterthanen sind? Hiernächst ist ein grosser Unterscheid zwi schen Rom und Carthago. Wir haben, da wir von unsern Bundsgenossen verlas sen waren, uns allein durch unsre eigne Kräfte und die Tapferkeit unserer Solda ten erhalten; dahingegen die Carthaginen ser nur im Solde stehende Trupen, Afri kaner und Numidier, die allerunbeständig sten und treulosesten Nationen des ganzen Erdbodens, in ihren Diensten haben. Jm Fall, daß man mich hier nicht zu rückhält, sollst du so wohl meine Ankunft in Afrika und die Verwüstung des gantzen Landes, als auch den schleunigen Abzug des Hannibals und die Belagerung Car thagena zu gleicher Zeit erfahren. Glaube mir, du sollst aus Afrika angenehmere und öftere Neuigkeiten erhalten, als du aus Spanien bekommen hast. Meine Hof nung rühret von keiner Unbesonnenheit her. Sie gründet sich auf das Glück des Rö mischen Volcks, auf den Schutz, den wir von den Göttern, als Zeugen und Rächern des von den Carthaginensern gebrochenen
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Friedens, zu erwarten Ursach haben, und(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) auf das Bündnis der Könige Syphax und Masinissa, auf deren Freundschaft ich auf eine solche Art trauen werde, daß ich da bey allezeit gegen ihre Unbeständigkeit auf guter Hut sey. Die Umstände der Zeiten und der Oer ter werden mir Vortheile genug entdecken, die ich jetzt nicht so weit voraus sehen kann. Denn von einem weisen Manne und ge schicktem Generale fordert man, daß er sich der günstigen Gelegenheiten, die sich dar bieten, zu bedienen, und die Glücksfälle durch sein kluges Betragen zu seinem Vor theile anzuwenden wisse. Jch werde den Hannibal, wie du es wünschest, Fabius, zu meinem Gegenpart haben: allein ich will ihn lieber in sein Va terland ziehen, als in dem meinigen zurück halten. Jch will ihn nöthigen, in sei nem eignen Lande zu streiten, und viel mehr Carthago soll der Preis des Siegers seyn, als einige halb zerstörte Schlösser Brutiums. Du sagst, Rom und Jtalien werde in Gefahr seyn, während daß ich die Ueber farth thun, meine Trupen in Afrika aus schiffen, und gegen Carthago anrücken wür de. Allein nimm dich in Acht, Fabius, daß du damit nicht meinen vortreflichen Collegen schimpfest und ihm Unrecht thust, wenn du glaubest, er sey nicht im Stande, sein Vaterland gegen den geschwächten
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) und fast ganz entkräfteten Hannibal, so wie er jetzt ist, zu vertheidigen, da du den schnel len Lauf seines Glücks der Zeit hast hem men können, als er noch alle seine Kräfte hatte, und, stolz über drey hintereinander erhaltene Siege, an der Spitze einer Ar mee, die in allen Theilen Jtaliens war zu sammen gebracht worden, als in einem er oberten Lande marschirte. Gesetzt aber, daß auch der Entwurf, den ich mir gemacht habe, nicht eben der geschick teste wäre, diesen Krieg auf das schleunigste zu endigen, so würde es doch wenigstens un sre Ehre erfordern, denen Königen und frem den Völkern zu zeigen, daß wir. Muth ge nug haben, nicht nur Jtalien zu vertheidigen, sondern auch Afrika anzugreiffen. Es wür de schimpflich für das Römische Volk seyn, wenn man ruchtbar machen wollte, es ge traue sich keiner von seinen Generalen einen gleichen Entschluß, wie Hannibal, zu fassen; ja es würde schimpflich seyn, wenn Afrika, welches während des erstern Krieges, da es uns nur um Sicilien zu thun war, so viel mahl ist angefallen und verheeret worden, ietzt, da es auf das Wohl Jtaliens an kommt, einer vollkommenen Ruhe geniessen sollte. Es ist Zeit, daß sich Jtalien erhole, nachdem es so viel Sengen und Brennen er litten. Es ist Zeit, daß Afrika nun auch an die Reihe komme, und das Ungemach em pfinde, welches der Krieg nach sich zieht. Lasset uns lieber, ehe Rom die feindliche
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Armeezum zweytenmahl von seinen Mauern(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) herab vor seinen Thoren gelagert siehet, de nen Carthaginensern vor ihren Wällen die Römischen Legionen zeigen, und ihr Vater land mit einem bevorstehenden Umsturz be drohen. Afrika soll in Zukunft der Kriegs schauplatz seyn. Wir wollen ihm alle das Uebel, das es uns zugefüget, erstatten. Schre cken, Flucht, Verheerung des Landes, Ab fall der Bundsgenossen und ander Unglück, das wir binnen vierzehn Jahren erfahren, soll sie nunmehr betreffen. Dieses ist es, was ich von den Geschäf ten der Republik, und von dem Entwurfe des bevorstehenden Feldzugs zu sagen hatte. Jch befürchte, euch durch ein unnützes und übel angebrachtes Gewäsche beschwerlich zu fallen, wenn ich nach dem Beyspiel des Fa bius, der den glücklichen Fortgang, den ich in Spanien gehabt, zu verkleinern sich be mühet, meine Ehre auf den Umsturz der sei nigen erhöhen wollte. Jch will dergleichen nicht thun, ihr Väter des Raths, und, so jung als ich auch bin, werde ich doch die Ehre haben, einen Mann von seinem Alter durch meine Mäßigung und Bescheidenheit zu über treffen. Jhr habt in meinem ganzen Betra gen merken können, daß, ohne mir grosse Mühe zu geben, mich in Credit zu setzen, ich bisher allezeit mit derjenigen Achtung zufrie den gewesen bin, welche vor mich zu hegen ich euch mehr durch meine Thaten, als Worte, Anlaß gegeben.“
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Dieses war der ziemlich hitzige Streit und eine Art von Proceß zwischen zween grossen Männern, deren jeder seine Sache mit vie ler Beredsamkeit vorgetragen. Das Urtheil (Anmerkung über die Re de des Fa bius.) davon überlasse ich denen Lesern. Titus Li vius läßt sich über den heimlichen Bewe gungsgrund, der den Fabius belebte, nicht heraus: Er legt ihm aber eine Rede in den Mund, die denselben ziemlich errathen läßt. Es würde keinesweges etwas verwunderns würdiges seyn, (also urtheilet Plutarchus davon) daß dieser Mann, der immer die besten Gelegenheiten erwartete, zu folge der Gemüthsart, die ihm eigen war, ein so ver wegenes Unternehmen, als dieses schien, den Krieg nach Afrika hinüber zu spielen, gemiß billiget, und die gefährlichen Folgen, die er darinnen zu sehen glaubte, in ihr völliges Licht gesetzet habe; allein das Bestreben, in allen Stücken das Glück, das die Waffen des Scipio gehabt, zu vermindern, den Ruhm seiner schönsten Thaten zu schmälern, und sei ne vorgegebene Fehler mit einer verstellten Schalkheit zu erheben, kommt der Sprache der Eifersucht und des Neides sehr nahe. Der Eifer, den er bey aller Gelegenheit, wie wir bald sehen werden, bezeigte, das Unterneh men des Scipio zu hintertreiben, scheinet sei nes Herzensmeinung am besten zu entdecken. Fabius war allerdings ein grosser Mann, er war aber ein Mensch. Wir haben seine Gelassenheit und Mäßigung in dem Streit, den er mit dem Minucius hatte, bewundert.
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Damahls wurde er durch die innerliche Em(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) pfindung und Ueberzeugung unterstützt, die er von der Ueberlegenheit seiner Verdienste über des Minucius seine hatte. Allein hier machte der Anblick hervorbrechender Voll kommenheiten, deren Glanz von Tage zu Tage vollkommener wurde, und die den Ruhm leicht verdunkeln konnten, den er in einer langen Reihe von Jahren und durch die vielen geleistete Dienste erworben hatte, daß er sich nicht länger verstellen konnte. Es ver ursachte ihm dieses eine Unruhe, darüber er nicht Meister war, und die ihn aus der Ge müthsgelassenheit heraus riß, darinnen ihn der Besitz eines Ruhms, den ihm noch nie mand streitig gemacht hatte, erhielt. Dem sey aber, wie ihm wolle, so war der Rath doch mit der Rede des Scipio nicht zu frieden, weil die Rede ging, er wollte, wenn er von dieser ehrwürdigen Gesellschaft die Er laubniß, nach Africa zu gehen, nicht erhielte, sie bey dem Volke suchen. Dieserwegen for derte der Q. Fulvius, der schon viermal Con sul und Censor gewesen war, den Consul auf, sich zu erklären, ob er es in Ansehung der Ver theilung der Provinzen lediglich auf sie an kommen lassen, oder ob er die Sache vor das Volk bringen wollte. Und da er dar auf antwortete, er würde dasjenige thun, was er für die Republic am vortheilhaftesten finden würde, versetzte ihm Fulvius so gleich: „Wenn ich dich darum befragt habe, ist es nicht deßwegen geschehen, daß ich nicht schon
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) im voraus deine Antwort, und was du zu thun im Sinne hättest, wüste. Du hast selbst schon gnugsam zu verstehen gegeben, daß du dich bey dem Rathe, nicht so wohl sein Gutachten darüber zu vernehmen, als vielmehr ihn auszuholen, gemeldet hast; und daß du also, wenn wir dir nicht alsobald die Provinz, die du verlangest, zugestehen, sogleich eine Bittschrift an das Volk be reit habest. Jch bitte euch demnach, ihr Zunftmeister des Volks, mir beyzustehen, der ich einzig und allein deßwegen darüber meine Stimme nicht geben will, weil sich der Consul, wenn auch alle andre derselben beypflichteten, ihr dennoch nicht gemäß be zeigen würde.“ Es erhob sich darüber ein ziemlicher Streit, weil Scipio behauptete, de nen Zunftmeistern käme es nicht zu, einen Rathsherrn zu unterstützen, der seine Stim me nicht von sich geben wollte, wenn er von dem Consul darum gefragt würde. Allein die Zunftmeister, ohne auf seine Vorstellun gen Acht zu haben, gaben in folgenden Aus drücken ihres Willensmeinung zu erkennen: „Wenn der Consul die Sache wegen An weisung der Provinzen auf den Ausspruch des Raths will ankommen lassen, so wollen wir, daß es bey dem, was ausgemacht wer den dürfte, sein Bewenden habe, und wir verstatten nicht, daß die Sache weiter vor das Volk gebracht werde. Wenn er es aber nicht auf den Rath ankommen lassen will, so sind wir bereit, uns dererjenigen,
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die sich über diesen Punct zu erklären anste(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) hen, anzunehmen.“ Der Consul bat sich ei nen Tag Zeit aus, sich darüber mit seinem Collegen zu besprechen. Den Tag darauf erklärte sich Scipio, daß er sich dem Ausspruche des Raths unterwür fe. Zu Folge dessen vertheilte der Rath die Provinzen unter den Consuln, ohne darüber das Looß zu werffen, weil die Würde eines Oberpriesters dem Licinius Crassus nicht verstattete, aus Jtalien zu gehen. Man schlug dem Scipio Sicilien nebst den dreyßig Galeeren zu, die der C. Servilius im vorher gehenden Jahre commandiret hatte; und man erlaubte ihm, nach Afrika überzugehen, wenn er glaubte, daß es das Wohl der Republik er forderte. Dem Licinius wurde der Krieg ge gen den Hannibal in Brutium zu führen auf getragen, und ihm erlaubt, eine Armee der bey den Consuln des vorigen Jahres, die ihm be liebte, darzu auszulesen. Man brachte auch die Anweisung der Uebrigen Provinzen zur Richtigkeit. Hierauf wurden die Spiele, zu welchen Scipio sich durch ein Gelübde an heischig gemacht hatte, angestellet. Der Zu lauf des Volk war ausnehmend, und es be zeigte dabey eine besondere Zufriedenheit. Man schickte auch Geschenke nach Delphi, um den Apollo an der Beute Theil nehmen zu lassen, die man dem Hasdrubal abgenom men hatte. Fabius war also nicht so glücklich gewe(Fabius sucht, so viel mög=)
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sen, die Erlaubniß zu hintertreiben, die man dem Scipio gab, wenn er vor gut fände, nach Afrika überzugehen; er wendete aber (lich, das Un ternehmen Scipio rück gängig zu machen. Livius XXVIII. 45. Plut. in Fab. 188. 189.) dargegen nun alle sein Ansehen an, die Aus führung dieses Anschlages selbst rückgängig zu machen. Solchergestallt brachte es die ser Gegner durch seine heimlichen Triebfe dern dahin, daß dem Scipio die Erlaubniß, neue Werbungen anzustellen, versagt wur de, derselbe aber that darauf Ansuchung, daß ihm wenigstens erlaubt werden möch te, alle freywillige Soldaten, die er in seine Dienste ziehen könnte, mit sich zu nehmen. Fabius widersetzte sich diesem Verlangen aus allen seinen Kräften. Er schrie überall, so wohl in den Versammlungen des Raths, als des Volks: „Es sey dem Scipio nicht genug, vor dem Hannibal zu fliehen, er wol le nun auch alle Macht, die sie in Jtalien noch übrig hätten, mit sich wegführen, in dem er die Jugend mit eitler Hofnung an sich zöge, und sie beredete, ihre Väter, Wei ber, Kinder und Stadt, an deren Thoren er einen mächtigen und biß hieher allezeit un überwindlichen Feind sähe, zu verlassen.“ Ohnerachtet seines heftigen Schreyens er hielt Scipio doch, was er verlangte, und es vereinigten sich siebentausend Freywillige mit ihm. Fabius hatte es ferner so weit gebracht, daß man dem Scipio die Anweisung der zu seiner Ausrüstung nöthigen Gelder versagte. Um nun den Rath nicht verdrüßlich zu ma=
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chen, bestund er auf diesem Artickel nicht sehr. Er ließ es dabey bewenden, daß er um Er(Bewun dernswür diger Eifer der Bunds genossen.) laubniß ansuchte, von den Bundsgenossen den verschiedentlichen Beystand, den sie ihm zu Erbauung neuer Galeeren freywillig lie fern wollten, annehmen zu dürfen; welches man ihm nicht abschlagen konnte. Man er siehet hieraus, von was für Wichtigkeit es sey, wenn ein General sich bey den Völkern beliebt machet. Es kam darauf an, zwan zig Galeeren zu fünf, und zehne zu vier Ru dern auszurüsten. Der Eifer der Bunds genossen war so groß, daß, indem sie sich um die Wette bemüheten, dem Consul auf das geschwindeste, und ein jeder nach seinem Ver mögen beyzustehen, die Schiffe fünf und vier zig Tage nachher, nachdem das Holtz aus den Wäldern war herbey geschaft worden, ganz ausgerüstet und mit allem versehen, ins Meer gelassen wurden. Nachdem alles fertig war, reisete Scipio(Scipio geht nach Sicili en ab, und sein College in die Pro vinz Bruti um. Livius XXVIII. 46.) nach Sicilien ab. Licinius that gleichfalls seine Reise in das Gebiete der Brutier. Un ter den beyden Armeen, die er allda antraf, wehlte er diejenige, die unter dem Consul L. Vetturius gedienet hatte. Metellus be hielt das Commando der andern. Die Prä toren giengen auch von Rom, und begaben sich in ihre angewiesene Provinzen. Da man Mangel an dem zur Fortsetzung des Krieges nöthigem Gelde litte, befahl man den Quästoren, einen Theil des Gebiets von
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Capua, welches zum Nutzen der Republik war eingezogen worden, zu verkaufen. Der Prätor der Stadt wurde erinnert, sorgfältig Acht zu geben, daß die Campanier nicht an derswo, als an denen ihnen zur Wohnung angewiesenen Orten, wohneten, und die dar gegen handelnden zu bestrafen. Während dieses Feldzugs lief Mago, ein Sohn Hamilcars, von Minorca, wo er den Winter über geblieben war, aus, und führ te zwölftausend Mann zu Fuß, und ohnge fähr zweytausend zu Pferde, lauter auserle sene junge Mannschaft, die er auf dreyßig Galeeren und einer grossen Anzahl Lastschiffen eingeschiffet hatte, nach Jtalien über. Und weil keine Truppen allda waren, die die Kü sten bewahreten, bemächtigte er sich so gleich der Stadt Genua. Hierauf richtete er in sonderheit seine Gedanken darauf, eine Unru he zu erregen. Er machte sich demnach die Gelegenheit zu Nutze, die ihm der Krieg zwischen zwey Völkern Liguriens gab. Er schloß mit einem ein Bündniß gegen das an dere, und setzte sich in Bewegung. Allein er wurde seine Macht zur See gar sehr zu schwächen genöthiget, indem er die ganze Flotte, zehn Schiffe ausgenommen, die er zu Savona, zur Bewahrung seiner allda nie dergelegten Beute ließ, nach Carthago zu rück schicken muste, um die Seeküste wider die Unternehmung des Scipio, der der Re de nach unverzüglich nach Afrika übergehen sollte, zu vertheidigen. Die Armee des Ma
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go nahm von Tag zu Tage zu, indem die(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Gallier, die der Ruf seines Namens her bey zog, sich häufig zu ihm schlugen. Diese Nachrichten setzten die Rathsher ren in grosse Unruhe. Sie liessen sogleich an den Proconsul Livius Befehl ergehen, daß er die Armee, die er in Hetrurien comman dirte, nach Rimini führen sollte; und dem Prätor Cn. Servilius trugen sie auf, die Le gionen der Stadt, wenn er glaubte, daß es das Wohl des Staats erfordere, aus Rom ausmarschieren zu lassen. Dieser gab das Commando darüber dem M. Valerius, der sie nach Aretium führte. Jn eben derselben Zeit kaperte Cn. Octa vius ohnweit Sardinien, wovon er Prätor war, ohngefehr achtzig Carthaginensische klei ne Schiffe weg, die mit Geträyde, das man dem Hannibal zuschickte, beladen waren. Jn Brutium fiel dieses Jahr nichts, wel ches erzehlt zu werden verdiente, vor. Anste ckende Krankheiten räumten so wohl unter den Römischen als Carthaginensischen Truppen auf, und, was bey den letztern desdas Elend noch vermehrte, war der Mangel an Lebensmit teln, den sie erlitten. Hannibal brachte den ganzen Sommer bey dem Tempel der Laci nischen Juno zu, allwo er einen Altar auf richtete, den er einweihen, und auf den er mit Griechischen und Punischen Buchstaben in sehr erhabenen Ausdrücken eine weitläuftige Erzählung seiner Kriegsthaten eingraben ließ.
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§. 3.

Scipio wafnet dreyhundert Römische Reiter auf Unkosten einer gleichen Anzahl Sicilianer. Er sucht unter den Legionen die ältesten und erfah rensten Soldaten aus. Er nimmt alle nöthige Maaßregeln zu seinem grossen Unternehmen. Er bringt einige Sachen Siciliens in Richtigkeit. Jndibilis fängt in Spanien von neuen Krieg an. Schlacht, in welcher Jndibilis umkommt, und sei ne Armee gänzlich zerstreuet wird. Mandonius und die übrigen Urheber der Rebellion werden den Römern überliefert. Lälius verwüstet Afri ka mit seiner Flotte. Plötzliches Schrecken der Stadt Carthago. Maaßregeln, welche die Car thaginenser nehmen, sich in Vertheidigungsstand zu setzen. Masinissa findet sich bey dem Lälius ein, und beschwert sich über die Langsamkeit des Scipio. Lälius geht nach Sicilien zurück. Ma go erhält Verstärkungen von Carthago. Locri wird den Carthaginensern abgenommen. Geitz und Grausamkeit des Pleminius und der Römer in der Stadt Locri. Gefecht, das unter den Rö mern selbst in dieser Stadt entstehet. Zween Obersten gehen mit dem Pleminius sehr grausam um. Scipio giebt dem Pleminius Recht. Die ser läßt die Obersten auf eine unerhörte Art hin richten. Kranckheit, die unter der Armee des Consuls Licinius einreißt. Die Mutter der Göt ter, Namens Mutter Jdäa, wird von Peßinus nach Rom gebracht. Scipio Nasica wird vor den rechtschaffensten Mann der ganzen Republik erklärt. Schluß des Raths wider die zwölf Pflanzftädte, die, ihren gesetzten Beytrag zu zah len, sich geweigert. Man verordnet die Bezah lung der Summen, die dem Staate von Privat personen waren dargeliehen worden. Abgeordne te, die von Locri nach Rom abgeschickt worden. Wehmüthige Klage der Locrenser wider den Plemi nius. Fabius redet mit vieler Erbitterung wider den Scipio. Der Rath ernennt Bevollmächtig
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te, die Sache des Pleminius und die wider den Sci pio angebrachten Klagen zu untersuchen. Diese Bevollmächtigten reisen nach Locri ab. Plemi nius wird verdammt, und nach Rom geschickt. Diese Bevollmächtigten kommen in Syracus an. Scipio wird vollkommen frey gesprochen. Rück kunft der Bevollmächtigten in Rom. Tod des Pleminius. Scipio wird in dem Rathe mit Lo beserhebungen überhäufet. Betrachtung über die Aufführung des Fabius gegen den Scipio.

P. Cornelius Scipio.(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) P. Licinius Crassus.

Kaum war Scipio in Sicilien angekom(Scipio be wafnet drey hundert Rö mische Rei ter, auf Un kosten einer gleichen An zahl Sicilia ner. Livius XXIX. 1.) men, als er unterschiedene Compagni en Freywilliger, die ihm dahin nachgefolget waren, aufrichtete. Er behielt aber drey hundert der schönsten, jüngsten und bravesten zurück, die er unbewehrt um seine Person hatte. Sie selbst konnten es nicht errathen, was dieser Unterschied bedeuten sollte, noch worzu man sie bestimmte. Unterdessen such te er auch unter den so wohl durch ihre Ge burt, als wegen ihres Vermögens ansehnlich sten Sicilianern dreyhundert Reiter aus, um mit ihm nach Africa über zu gehen. Er setz te ihnen einen Tag, an dem sie sich versam̄ len, und beritten und so ausgerüstet, wie er es ihnen anbefohlen, vor ihm erscheinen sollten. Dieser Krieg, der sie dem Schooße ihres Va terlandes entreissen, und so wohl zu Wasser als zu Lande Strapatzen und Gefahren ausstellen sollte, deren sie nicht gewohnet wa ren, verursachte ihnen, nicht weniger als ih
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) ren Eltern, eine tödtliche Unruhe. An dem gesetzten Tage stellten sie sich vor dem Sci pio mit ihren Waffen und Pferden. Jch höre, (redete hierauf dieser General zu ihnen,) daß sich unter euch welche befinden, denen es sauer ankommt, mich nach Afrika zu be gleiten. Diejenigen, die also gesinnet sind, werden mir ein Vergnügen machen, mir solches in diesem Augenblick zu entdecken. Sie können gewiß darauf rechnen, daß ich es ihnen nicht übel nehmen werde, indem es mir lieber ist, daß sie sich hier erklären, als daß sie sich sodann beschweren, wenn wir an Ort und Stelle seyn, und allda nichts als der Stadt unnütze Soldaten abgeben. Es fand sich so gleich einer, der mehr ver wegen war, als die andern, und der keine Schwürigkeit machte, dem Scipio zu geste hen, daß, wenn man ihm die Freyheit liesse, er in Sicilien bleiben wollte. Jüngling, sagte darauf Scipio, weil du mir so offen herzig deine Gedanken sagest, so will ich dir einen Soldaten verschaffen, der deine Stel le vertreten wird, und dem du dein Ge wehr, dein Pferd und deine ganze Kriegs rüstung abtreten wirst. Nimm ihn sogleich mit dir nach Hause, und trage Sorge, daß man ihn in den gehörigen Kriegsübungen unterweise, damit er ein Pferd zu regieren und sich seiner Waffen zu gebrauchen lerne. Da der junge Sicilianer diese Bedingung mit Freuden annahm, gab ihm der Scipio einen von den dreyhunderten, denen er noch
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keine Waffen ausgetheilet hatte, in die Hän(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) de. Kaum hatten die andern gesehen, daß ihr Camarade auf diese Art loßgekommen war, ohne dem General zu mißfallen, so ent schuldigten sie sich insgesammt eben so, wie der erstere, und überliessen ihren Platz dem jenigen, der ihnen vorgestellet wurde. Sol chergestallt wurden dreyhundert Römische Reiter auf Unkosten dreyhundert Sicilianer ausgerüstet, ohne daß es der Republik das geringste kostete. Die Sicilianer nahmen es über sich, sie unterweisen und exerciren zu lassen; und man sagt, daß aus ihnen ein un vergleichliches Corps Reiterey, das der Re publik in verschiedenen Schlachten grosse Dienste gethan habe, geworden sey. Als er hierauf die Legionen musterte, such(Er sucht un ter den Le gionen die äl testen und erfahrensten Soldaten aus.) te er vorzüglich die ältesten Soldaten, und insonderheit diejenigen aus, die unter dem M. Marcellus gedienet hatten, weil er sie vor die disciplinirtesten und zur Belagerung der Städte geschicktesten hielt, wegen der lan gen Erfahrung, die sie vor Syracusa, deren Belagerung so lange gedauert, erlanget hat ten. Denn Scipio hatte schon damahls nichts geringers in Gedanken, als Carthago anzugreiffen und zu zerstören. Weil sich der Winter näherte, vertheilte(Er nimmt alle nöthige Maasregeln zu seinem grossen Un ternehmen.) er seine Armee in die Städte, und verlang te von den verschiedenen Völkern Siciliens die Lieferung des Geträydes, damit er das jenige, das er aus Jtalien mitgebracht hat
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) te, ersparen möchte. Er ließ die alten Schif fe ausbessern, und schickte sie unter dem Com mando des Lälius ab, die Küsten von Afrika zu beunruhigen, die neuen aber ließ er bey Palermo ans Land ziehen, weil es, da sie in der Eil aus noch grünem Holze gemacht wa ren, dienlich war, daß sie den Winter über im Trockenen blieben. Nachdem er alle nöthige Maaßregeln ge nommen und sich in den Stand gesetzet hat te, den bevorstehenden Kriegszug gut zu eröf nen, kam er nach Syracus, welches sich noch nicht recht von den harten Stössen erhohlet, die es während des Kriegs erlitten hatte. Da die Einwohner zu ihm kamen, und ihn baten, daß er ihnen ihre Habseeligkeiten wie der verschaffen möchte, welche einige Jtaliä ner während des Kriegs ihnen genommen hätten, und noch mit eben der Gewaltthä tigkeit bey sich behielten, obschon der Rath die Wiederherausgebung verordnet hätte; glaubte er verbunden zu seyn, über die öffent liche Treue zu halten. Er setzte demnach erst durch ein Edict, hernach durch Verurthei lung dererjenigen, die hartnäckig darauf be stunden, ihre Beute zu behalten, die Syracu saner wieder in den Besitz ihrer Güter. Die ses gerechte Verfahren machte nicht nur den jenigen ein inniges Vergnügen, die daran Theil nahmen, sondern auch allen andern Völkern Siciliens, die aus Erkänntlichkeit alle ihre Kräfte daran streckten, dem Scipio in diesem Kriege beyzustehen.
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Während dieses Feldzugs entstand ein ge(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) fährlicher Krieg in Spanien, denn der Fürst der Jlergeten Jndibilis erregte, und darzu keinen andern Bewegunsgrund hatte, als al lein die Hochachtung, die er vor den Scipio(Jndibilis fängt in Spa nien von neu en Krieg an. Livius XXIX. 2. App. 276.) hegte, und die so weit gieng, daß sie ihm eine Verachtung für alle andere Feldherren der Republik einflößte. Er bildete sich ein „er sey der einzige General, den die Römer noch übrig hätten; alle die andern wären von dem Hannibal ermordet worden. Eben daher rühre es, daß sie, nach Erlegung der beyden Scipionen in Spanien, niemand anders, als ihn gehabt, den sie an ihrer Stelle hätten abschicken können; und den sie ietzo, da sie in Jtalien sehr in die Enge getrieben würden, hätten zurück ruffen müs sen, um ihn dem Hannibal entgegen zu stel len. Ausser dem, daß diejenigen, die wirklich in Spanien commandirten, nur dem Na men nach Generale wären, hätte man auch alle alte Truppen zurück gezogen. Die Soldaten, die man zurück gelassen, wären nur erst Anfänger, die bey dem Ablick der geringsten Gefahr zitterten. Man würde niemahls eine schönere Gelegenheit bekom men, Spanien von dem Römischen Joche zu befreyen. Die Spanier wären bißher Sklaven entweder der Carthaginenser, oder der Römer, und zuweilen auch beyder Völ ker zugleich gewesen. Die Carthaginenser wären von den Römern aus dem Lande verjagt worden: Wenn nun die Spanier
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sich vereinigen und gemeinschaftlich zu Wer ke gehen wollten, würde es ihnen leicht fal len, auch die Römer zu vertreiben, und sich nicht nur auf immer von aller fremden Herrschaft zu befreyen, sondern auch die Sitten, Gesetze und Lebensart ihrer Väter wieder einzuführen.“ Durch dergleichen Re den wiegelte er nicht nur seine Vasallen, son dern auch die Ausetaner und andere benach barte Völker auf. Er brachte in sehr wenig Tagen dreyßig tausend Mann zu Fuß, und viertausend Reiter in dem Gebiete der Se detaner, wo er ihnen, sich zu versammlen, befohlen hatte, auf. Anderer Seits waren L. Lentulus und L. Manlius Acidinus, welche im Namen der Römer allda commandirten, nicht der Mei nung, daß sie diese ersten Bewegungen, die wichtige Folgen haben konnten, in den Wind schlagen dürften. Sie vereinigten demnach alle ihre Macht, und rückten in das Gebiete der Ausetaner ein, und nachdem sie dasselbe, ohne den geringsten Schaden verursacht zu haben, ob sie schon von ihrem Abfall benach richtiget waren, durchzogen, kamen sie end lich den Feinden unter das Gesichte, und waren von ihnen nicht weiter, als dreytau send Schritt entfernt. Anfangs suchten sie sich mit ihnen in eine Unterhandlung einzu lassen, und sie zu ihrer Schuldigkeit und Nie derlegung der Waffen zu vermögen. Allein, statt aller Antwort, schickten die Spanier ihre Reiterey gegen die auf Futterholen aus
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gegangene Römer, denen die ihrigen so gleich(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) zur Hülfe kamen. Dieses gab zu einem Scharmützel unter der Reiterey Gelegenheit, worinnen aber weder auf einer, noch der an dern Seite etwas merkwürdiges vorfiel. Den Tag darauf kam es zu einer ordent(Schlacht, in welcher Jn divilis um kommt, und seine Armee gänzlich zer streuet wird. Livius XXIX. 3.) lichen Schlacht. Man fochte von beyden Sei ten mit vielem Muth. Der Sieg war lan ge Zeit zweifelhaft, biß endlich, nachdem der König Jndibilis erst verschiedentlich verwun det, nachher durch einen Pikenstoß todt zur Erden gestürtzet wurde, diejenigen, die um ihm herum stritten, die Flucht ergriffen, und den Rest der Armee nach sich zogen. Die Römer setzten ihnen hitzig nach, und richteten unter ihnen ein grosses Blutbad an. Es wurden an diesem Tage dreyzehntausend Spanier getödtet und achthundert gefangen. Die Römer verlohren nicht viel über zwey hundert theils Bürger, theils Bundsge nossen. Die übrig gebliebenen Spanier zerstreue ten sich anfänglich hier und dar auf dem Lan de, nachher begab sich ein jeder in seine Stadt. Hierauf wurden sie von dem Mandonius zu einer allgemeinen Berathschlagung zusam men beruffen, worinnen sie des Kriegs mü de, sich bitterlich über diejenigen beklagten, die sie zur Erneuerung desselben verleitet hat ten. Sie waren der Meinung, man sollte Gesandte an die Römer abschicken, und ih nen so wohl ihr Gewehr überliefern, als auch
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sich unter ihre Herrschaft wieder begeben. Als diese Abgeordneten in dem Lager der Römer anlangten, schoben sie alle Schuld des Aufruhrs auf den Jndibilis und die an dern Grossen, welche gröstentheils in der Schlacht geblieben waren, und unterworffen sich und ihre ganze Nation den Siegern. Die Römischen Generale aber antworteten ihnen, sie nähmen ihr Anerbieten nicht anders, als unter der Bedingung, an, daß man ihnen den Mandonius und die andern Urheber des Aufruhrs überlieferte: ausser dem würden ihre Armeen in das Gebiete der Jlergeten, Ausetaner und der andern rebellischen Völ ker einrücken. (Mandonius und die übri gen Urheber der Rebellion werden den Römern ü bepliefert.) Da die Abgeordneten diese Antwort in der Versammlung der Jhrigen vorgetragen hatten, wurden Mandonius und die andern Häupter des Aufruhrs sogleich bey dem Ko pfe genommen und den Römern überliefert. Sodann wurde den Spaniern der Friede zugestanden. Man verdoppelte ihnen aber für dieses Jahr die Auflagen; man forderte von ihnen Proviant auf sechs Monate, inglei chen Unter - und Oberröcke vor die Armee, und dreyßig Völker wurden angehalten Geis sel zu stellen. Nachdem solchergestalt der Aufruhr Spaniens in sehr kurzer Zeit und ohne grosse Mühe gestillet war, wurde die ganze Macht der Republik gegen Afrika ge richtet. (Lälius ver heeret Afrika) C. Lälius näherte sich bey Nachtzeit der Stadt Hippo, ließ bey Anbruch des Tages
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die Soldaten ans Land steigen, und führte(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sie an das platte Land zu verheeren. Da er von Seiten der Einwohner, die sich so ruhig wie zu Friedenszeiten hielten, keinen Widerstand fand, thaten sie entsetzlichen(mit seiner Flotte. Liv.XXIX. 4. Plötzliches Schrecken der Stadt Carthago.) Schaden. Die Nachricht, die davon nach Carthago überbracht wurde, erfüllte die Stadt mit Schrecken und Bestürzen. Man sprengte aus, die Flotte der Römer, unter dem Commando des Scipio, sey angelangt: Denn man wuste, daß dieser General schon nach Sicilien übergegangen war. Da sie bey dieser ersten Anlandung weder die Anzahl der Schiffe, woraus die feindliche Flotte bestund, noch die Zahl der Soldaten, die das platte Land verwüsteten, so genau hatten bemerken können, vergrösserte die Furcht, die allezeit in Vermehrung des Uebels sinnreich ist, die Gefahr. Sie überliessen sich demnach An fangs dem Schrecken und einer Art von Verzweifelung, nachmahls aber betrübten und niederschlagenden Betrachtungen, indem sie erwogen: „Daß das Glück sich derge stalt in Ansehung ihrer geändert habe, daß da sie eine siegreiche Armee vor den Tho ren Roms gehabt, nachdem sie so viele Ar meen der Feinde gänzlich über den Haufen geworffen, und alle Völker Jtaliens theils mit Gewalt, theils in der Güte sich unter würfig gemacht hätten; sie nunmehro bald selbst, durch ein höchstwidriges Schicksaal, Afrika verwüstet und Carthago von den Römern belagert sehen sollten, und zwar
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) mit dem Unterschiede, daß sie vielweniger Hülfsmittel, dergleichen Unglücksfälle aus zuhalten, hätten, als die Römer. Das Volk zu Rom und das lateinische Gebiet liefere ihnen eine junge Mannschaft, welche aus ihrem eignen Verderben hervor zu wach sen, und nach ihren grösten Niederlagen sich gewisser massen zu vermehren schiene. Was hingegen sie anbelangte, könnte we der Carthago, noch das Land ihnen Sol daten stellen: sie hätten nichts, als im Sold stehende Truppen, die aus Afrika gezogen, und allezeit bereit wären, bey dem gering sten Anschein eines grössern Gewinstes ihre Herren zu ändern, und ihre Treue aus den Augen zu setzen. Von den beyden Köni gen, die sie zu Bundsgenossen gehabt, be zeige Syphax nicht mehr den vorigen Ei fer gegen sie, seit dem er sich mit dem Sci pio besprochen hätte; und Masinissa habe sie offenbar verlassen, und sey ihr gröster Feind geworden. Es sey ihnen keine Hof nung und kein Mittel der Errettung mehr übrig. Ueberdiß habe Mago es noch nicht dahin bringen können, die Völker Galliens wider die Römer aufzuwiegeln und sich mit dem Hannibal zu vereinigen. Endlich nähme auch der Ruhm des Hannibals nicht weniger, als seine Kriegsmacht, von Tag zu Tag ab.“ Eben das Schrecken, welches auf die erste Nachricht von der Ankunft der Römischen Flotte sie so sehr niedergeschlagen und ihnen
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fast allen Muth benommen hatte, munterte(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sie hernach auf, daß sie über die Mittel zu berathschlagen anfingen, die sie von der Ge fahr, womit sie bedrohet würden, befreyen könnten. Es wurde beschlossen, unverzüglich neue Werbungen so wohl in der Stadt, als auf dem Lande, anzustellen; Officier in die verschiedenen Gegenden von Afrika zu schi cken, um daselbst Hülfstrupen zusammen zu bringen; die Stadt zu befestigen; dieselbe mit Lebensmitteln und Waffen, die so wohl zum Angriff, als zur Vertheidigung nöthig wä ren, zu versehen, und eine Flotte auszurü sten, um sie nach Hippo gegen die Römi sche Flotte zu senden. Während der Zeit, da sie sich mit diesen Vorbereitungen beschäftigten, erfuhren sie endlich, daß Lälius, und nicht Scipio, ange kommen wäre; und daß er an Trupen nichts mit sich gebracht hätte, als so viel er das Land zu durchstreichen brauchte, daß aber die Hauptarmee noch in Sicilien sey. Diese Nachricht gab ihnen Zeit sich zu erhohlen: gleichwohl sendeten sie augenblicklich Abge sandte an den Syphax, und an die andern Könige des Landes, um sie an dem Bund, in welchem sie mit den Carthaginensern stün den, zu erinnern. Sie schickten auch welche an den König Philippus, mit Befehl, ihm zweyhundert Silbertalente (zweyhundert tausend Thaler) anzubieten, wenn er nach Sicilien oder nach Jtalien gehen wollte. Sie sendeten auch welche nach Jtalien, durch die
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sie ihren Generals anbefehlen liessen, alles an zuwenden, was die Römer in Schrecken se tzen könne, damit sie den Scipio daselbst zu rück hielten. Was den Mago aber anbe langte, so schickte man ihm noch fünf und zwanzig Kriegsschiffe, sechstausend Mann zu Fusse, achthundert Pferde, sieben Elephan ten, und sehr beträchtliche Geldsummen, mit welchen er Hülfstrupen anwerben, sich mit ihnen der Stadt Rom nähern und zu dem Hannibal stossen sollte. Dieses waren die Maaßregeln, welche die Carthaginenser an wendeten, sich gegen die feindlichen Unter nehmungen in Sicherheit zu setzen. (Masinissa sucht den Lä lius auf, und beklagt sich wegen der Langsamkeit des Scipio.) Unterdessen machte Lälius in dem Lande, welches er ohne Vertheidigung und Tru pen gefunden hatte, entsetzliche Beute, als ihn Masinissa, welcher die Ankunft der Römischen Flotte vernommen hatte, mit einer kleinen Anzahl Reiter aufsuchte. Er beklagte sich gegen ihn über die Langsamkeit des Scipio, und stellte ihm vor; „daß er mit seiner Armee so gleich nach Afrika hätte übergehen sollen, als die Carthaginenser noch in der ersten Bestürtzung gewesen wären, und Syphax mit ihm (dem Masinissa) zu thun gehabt hät te. Daß dieser Prinz in der That ietzo unentschlossen sey, und zwischen der Römi schen und Carthaginensischen Verbindung hin und wieder wanke. Wenn man ihm aber Zeit liesse, seine Sachen in Ordnung zu bringen, so würde er gewiß keine von allen den Versprechungen, die er ihnen ge
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geben habe, halten. Er sollte also dem(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Scipio möglichst anliegen, daß er, sobald als möglich, nach Africa hinüber komme. Was ihn anbelange, so wolle er, ob er gleich sein Land habe verlassen müssen, doch nicht unterlassen mit einer beträchtlichen An zahl von Fußvölkern und Reiterey zu den Römern zu stossen. Ubrigens ermahnte er den Lälius, sich von Afrika zu entfernen, weil es sehr wahrscheinlich wäre, daß die feindliche Flotte von Carthago abgegangen wäre, und daß er ihm nicht rathen wolle, sie in Abwesenheit des Scipio anzugreiffen.“ Nach dieser Unterhaltung nahm Masinissa(Lälius geht nach Sicili en zurück.) von dem Lälius Abschied, und dieser ging den Tag drauf mit seinen Schiffen, die er mit Beute überladen hatte, wieder nach Sicili en zurück, wo er dem Scipio von dem Rathe des Masinissa Nachricht gab. Fast zu eben dieser Zeit langten die Schif(Mago erhält das, was man ihm von Car thago ge schickt hatte. Livius XXIX. 5.) fe, die man dem Mago von Carthago ge schickt hatte in Jtalien, nicht weit von Ge nua, an. Mago brachte also, den Befehlen, die er erhielt, gemäß, so viel Volk auf, als ihm möglich war. Die Gallier wollten es sich nicht unterstehen, ihm offenbar mit Trupen auszuhelfen, weil die Römische Armee würck lich in ihrem Lande, oder wenigstens an der Grenze stand. M. Livius zog mit der Ar mee, welche er führte, aus Hetrurien nach Gallien, und verband sich mit dem Sp. Lu cretius [], in der Absicht, dem Mago entweder entgegen zu gehen, im Fall er aus dem Ligu
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) rischen sich der Stadt Rom nähern sollte; oder, wenn die Carthaginenser hinter einem Winkel der Alpen in Ruhe blieben, in dem Lande um Rimini herum sich aufzuhalten, damit Jtalien bedeckt bliebe. Als Lälius wieder nach Sicilien zurück ge kehret war, so ward Scipio, welchen die Er mahnung des Masinissa angefeuert hatte, nicht weniger unruhig, nach Afrika überzuge hen, als die Soldaten, welche durch die Beu te, welche Lälius mit brachte, ganz erhitzt wurden. Doch dieses grosse Unternehmen ward durch ein nicht weniger wichtiges Vor haben, wozu die Gelegenheit gleich in die Qvere kam, noch einige Zeit verschoben. Man wollte die Stadt Locri wieder ein nehmen, welche, bey dem allgemeinen Auf stande Jtaliens, gleichfalls die Römer ver lassen hatte, und zu den Carthaginensern ü bergetreten war. (Locri wird den Cartha ginensern wieder ge nommen. Liv.XXIX. 6 - 8.) Auf die Nachricht, welche Scipio in Sy racus von einem heimlichen Verständniß, Locri wieder unter die Gewalt der Römer zu bringen, erhielt, schickte er drey tausend Soldaten von denen, welche in Rhegium wa ren, dahin ab, und trug dem Proprätor Q. Pleminius dieses Unternehmen auf. Er selbst begab sich nach Meßina, damit er de sto näher seyn möge, von allen, was vorgienge, Nachricht zu erhalten. Als die drey tausend Mann in der Nacht an Locri ankamen, wur den sie in die Citadelle eingelassen, und stürz
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ten daraus auf die Wachen der Carthagi(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) nenser, welche sie schlafend fanden, loß. Jn der Bestürzung und Verwirrung eines so unvermutheten Anfalls, flohen die von Schre cken überfallenen Carthaginenser, ohne an ihre Vertheidigung zu gedencken, in die ande re Citadelle, denn es waren ihrer zwey, wel che sehr nahe beysammen standen. Die Ein wohner waren Meister von der Stadt, wel che, da sie nun zwischen zwey feindlichen Theilen inne lag, nothwendig des Siegers Beute werden muste. Alle Tage fielen kleine Scharmützel zwischen denen, welche sich aus den Citadellen machten, vor. Q. Pleminius führte die Römer an, und Hamilcar die Carthaginensische Besatzung; und da jeder aus allen nahen Orten so viel wie möglich Hülfe zusammen zog, so vermehr te sich die Zahl der Soldaten auf beyden Sei ten beynahe gleich. Endlich rückte Hanni bal selbst den Seinigen zu Hülfe bey; und die Römer würden gewiß haben erliegen müssen, wenn sich das Volk in Locri, welches durch den Stolz und Geitz der Carthaginenser auf gebracht war, nicht für ihre alten Bundsge nossen erkläret hätte. Sobald Scipio erfahren hatte, was in Locri vorgehe, und daß sich Hannibal selbst der Stadt näherte, so gieng er, damit seine Truppen nicht in einer Gefahr stecken blieben, woraus sie sich schwerlich alleine reissen könn ten, schleinig von Meßina ab, und ließ seinen Bruder Lucinius an seiner Stelle. Hannibal
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) war schon an dem Ufer eines Flusses ange langt, welcher nicht weit von Locri entfernt war, und hatte von da aus einen Lucier an die Seinigen abgeschickt, um ihnen sagen zu lassen, die Römer und Locrier, sobald der Tag an bräche, zum Streite zu locken, und ihn so lange fort zu setzen, biß er an der einen Seite die Stadt anfiele, unterdessen daß jederman auf das aufmerksam wäre, was an der an dern vorgienge. Unterdessen langte die Rö mische Flotte einige Stunden vor der Nacht bey Locri an. Scipio schifte alle Soldaten aus, die er mitgebracht hatte, und begab sich noch vor Sonnen Untergang mit ihnen in die Stadt. Den Morgen drauf fielen die Carthaginenser aus ihrer Feste, und fingen das Treffen an; Hannibal aber nahete sich der Mauer, und machte sich eben fertig sie zu ersteigen, als die Römer plötzlich die Tho re aufmachen liessen, und einen so feurigen Ausfall thaten, daß er nicht wenig bestürzt ward, weil er von der Ankunft des Scipio nichts erfahren hatte. Sie tödteten zwey hundert Mann. Die übrigen ließ Hanni bal wieder in sein Lager zurück kehren, so bald er erfuhr, daß der Consul an der Spitze der Feinde sey: und nachdem er denen in der Citadelle hatte wissen lassen, daß sie selbst an ihre Sicherheit dencken möchten, machte er sich die folgende Nacht davon. Da sich also die Carthaginenser verlassen sahen, so faßten sie den andern Tag drauf den Ent schluß, alle Häuser, welche in ihrer Gewalt
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waren in Brand zu stecken, damit sie den(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Feind durch die Verwirrung der Feuers brunst aufhalten möchten; sie thaten es, machten sich aus der Citadelle fort, und sties sen noch vor Nachts zu dem Hannibal. Als Scipio sahe, daß die Feinde ihre Cita delle und ihr Lager verlassen hatten, so ließ er die Locrier zusammen kommen, und nachdem er ihnen einen ernstlichen Verweiß wegen ihres Abfalls gegeben hatte, bestrafte er die, welche die Urheber davon waren, mit dem Tode, ihr Vermögen aber gab er den Häup tern der gegenseitigen Parthey zur Beloh nung ihrer unverbrüchlichen Treue. Jn An sehung der Locrier überhaupt fügte er hinzu: „Daß er es nicht auf sich nehmen wollte, ih nen Gnade wiederfahren zu lassen, oder sie zu bestrafen. Sie möchten Abgesandte an den Senat schicken, welchem es allein zukom me, ihr Schicksal zu entscheiden. Unter dessen aber könnte er sie doch versichern, daß sie, ohngeachtet ihrer Untreue gegen das Römische Volk, es allezeit unter den mit Grund erbitterten Römern besser haben würden, als unter den Carthaginensern, die ihre Freunde und Bundsgenossen wären.“ Hierauf kehrte er mit den Truppen, die er mit sich gebracht hatte, wieder nach Meßina, und überließ dem Pleminius das Comman do über die Stadt und über die bey sich ha bende Mannschaft. So lange als die Locrier unter der Herr(Geitz und Grausamkeit des Plemini) schaft der Carthaginenser gewesen waren, hat
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) te man ihnen mit so viel Stolz und Grau samkeit begegnet, daß sie dem Ansehen nach, mittelmäßige Ungerechtigkeiten nicht allein (us und der Römer in der Stadt Locri. Livius XXIX.) mit Gedult, sondern auch mit einer Art von Freude ertragen konnten. Gleichwohl (wer sollte es glauben) übertraf Pleminius und die Römischen Soldaten, welche die Stadt unter ihrem Befehle hatten, den Hamilcar und die Carthaginensische Besatzung, in allen Ausschweiffungen des Geitzes und der Un menschlichkeit so sehr, daß man sagen konnte, sie bemühten sich nicht so wohl ihre Feinde in den Waffen, als in den größten Schandtha ten zu übertreffen. Bey dem übeln Bezeigen, welches der General und die Soldaten diesen unglücklichen Einwohnern empfinden liessen, unterliessen sie nichts, was den Kleinen und Schwachen die Gewalt der Grossen und Mächtigen verabscheuens würdig macht. Kei ne Schändlichkeit und Grausamkeit ist zu er denken, die sie nicht an ihren Weibern und an ihren Kindern verübten. Jhr Geitz schon te nicht einmahl die Heiligthümer, und ohne der Plünderung der andern Tempel zu geden ken, nahm er so gar die Schätze der Proser pina, an welche biß damahls sich noch nie mand die Hand zu legen unterstanden hatte, als der einzige Pyrrhus, welcher selbst für diesem Kirchenraub hernach einen Abscheu bekam, und, weil er glaubte, daß ihn die göttliche Rache verfolge, alle Schätze, die er entwendet hatte, wieder in den Tempel brachte.
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Der Sturm, welchen Pyrrhus nach(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) diesem Verbrechen aushalten muste, ward als eine Strafe des Himmels angese hen, und Livius schreibt so gar dem Zorne der Götter die Raserey zu, welche alle, die an diesem Kirchenraube Theil gehabt hatten, befiel, und die Anführer wider die Anfüh rer, und die Soldaten wider die Soldaten bewafnete, daß sie sich mit einer unerhörten Grausamkeit unter einander umbrachten. Pleminius führte die oberste Gewalt in(Streit zwi schen den Rö mern selbst.) der Stadt, und hatte die Trupen unter sich, die von Rhegium waren herbey gebracht worden; zugleich hatte Scipio aus Sicilien zwey Tribune der Legionen kommen lassen,(Pleminius wird von zwey Tri bunen grau sam miß gehandelt.) welche gleichfalls die unter sich habenden Soldaten commandirten. Als ein Soldat des Pleminius einsmahls mit einem silbern Becher davon lief, und von einigen aus dem Hause, wo er ihn genommen hatte, verfolgt wurde, stieß er von ohngefehr auf der Stras se auf die Tribune, Sergius und Matiäus, die ihm den Becher, dessen er sich bemäch tiget hatte, aus der Hand rissen. Er fing an zu schreyen und seine Cammeraden zu Hülfe zu ruffen, welche Augenblicks so wohl als die Soldaten der Tribune herzu ka men, so daß die Anzahl auf beyden Seiten, wie der Tumult, immer stärker und stär ker ward, biß es endlich zwischen den Sol daten des Pleminius und den Soldaten der Tribunen zu einem ordentlichen Streite kam. Weil die Soldaten des Pleminius den Kür
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) zern zogen, so flohen sie zu ihrem Führer, zeigten ihm ihre Wunden und das Blut, wo mit sie bedeckt waren, schrien entsetzlich, ver grösserten die Gewaltthätigkeit ihrer Gegner, und beschuldigten sie so gar, daß sie im Strei te heftige Schimpfreden gegen den Plemi nius ausgestossen hätten. Hierauf gieng dieser, vom Zorne aufge bracht, sogleich aus seiner Wohnung, und nachdem er die Tribunen hatte fordern las sen, befahl er, daß sie ausgezogen und mit Ru then gestrichen werden sollten. Es vergieng einige Zeit, ehe dieser Befehl konnte vollzogen werden, weil sich die Tribune zur Gegen wehr stellten, und ihre Soldaten zu Hülf fe ruften. Diese kamen auch sobald, als sie es erfuhren, aus allen Theilen der Stadt zusammen, als ob man ihnen das Signal zu einem feindlichen Treffen gegeben hätte. Als sie ankamen, sahen sie, daß man schon an fing ihre Officiers mit Ruthen zu peit schen, dieser Anblick setzte sie in eine Wuth, welche weit grösser als die erste war, so daß sie in dem Augenblicke, nicht allein alle Ehr erbietigkeit, welche sie dem Commando schul dig waren, vergassen, sondern auch so gar alle menschliche Empfindungen unter die Füsse traten, und den Lictors des Pleminius mit der äussersten Grausamkeit zu begegnen an fingen. Als sie hierauf alle weggetrieben hatten, die sie etwa vertheidigen konnten, so warffen sie sich auf den Pleminius selbst, schlugen ihn zu Boden, und nachdem sie ihm
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Nasen und Ohren abgeschnitten hatten, lies(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) sen sie ihn fast ohne Leben auf dem Platze. Als Scipio in Meßina, wo er noch war, von diesem Zufalle Nachricht bekam, gieng(Scipio giebt dem Plemi nius Recht.) er auf einer Galeere nach Locri wieder zu rück, und, nach eingezogener Kundschafft, gab er dem Pleminius Recht, bestätigte ihn in der obersten Gewalt, welche er in der Stadt hatte, erklärte die Tribune für schul dig, und befahl, daß man sie gefesselt nach Rom vor den Senat schicken solle. Hierauf kehrte er nach Meßina, und von dar nach Syracus wieder zurück. Doch Pleminius, welchen Wuth und Ra(Pleminins läßt die Tri bune mit unerhörter Grausamkeit ermorden.) serey allzusehr eingenommen hatte, beklag te sich, daß ihm Scipio nicht vollkommenere Genugthuung verschaft hätte, und weil er glaubte, daß niemand von der Strafe, wel che eine solche Beleidigung verdiene, voll kommener urtheilen könne, als der, welcher sie habe ertragen müssen, so befahl er die Tri bune vor ihm zu bringen, ließ sie durch mehr als tausend Schläge jämmerlich zerfleischen, und nachdem er sie alle nur ersinnliche Mar tern hatte ausstehen lassen, so war es ihm nicht genug, daß er sie vor seinen Augen hat te sterben sehen, sondern er ließ so gar ihre Körper auf den Schindanger werffen, und verbot sie zu begraben. Eben so grausam fuhr er den vornehmsten Locriern mit, wel che sich über seine Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit beklagt hatten, und Zorn
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) und Rache trieben ihn seine Ausschweifun gen seit der Zeit zu verdoppeln, die er vorher nur zur Stillung seines Geitzes und seiner Un menschlichkeit ausgeübet hatte. Hierdurch nun ward er nicht allein selbst der Gegen stand der allgemeinen Verabscheuung, son dern schmälerte auch den guten Nahmen des Generals, welcher ihm diese Stelle anver trauet hatte. (Krankheit, welche sich unter der Armee des Consuls Li cinius aus breitet.) Die Zeit der öffentlichen Versammlungen, die Consuls zu wählen, nahete heran, als man in Rom von dem Consul Licinius Briefe er hielt, in welchen er dem Senat meldete, „daß eine Kranckheit unter seiner Armee tobe, und daß er selbst damit befallen sey; daß es ihm unmöglich würde gewesen seyn, dem Feinde zu widerstehen, wenn sich nicht eben diese Kranckheit in seinem Lager noch mit weit grösserer Heftigkeit ausgebreitet hätte. Da er also selbst nicht nach Rom kommen kön ne, so wolte er, wenn es der Senat für gut befände, den Q. Lucinius Metellus zum Dictator ernennen, damit er an seine Statt die Versammlung halten möge. Es wür de gut seyn, wenn man die Armee des Me tellus aus einander gehen liesse, weil sie, eines Theils, nicht mehr nöthig sey, nachdem Hannibal seine Trupen in die Winter quartiere gezogen habe, und weil, andern Theils, die Kranckheit so schrecklich un ter ihr wüte, daß kein einziger Soldat ü brig bleiben würde, wenn man sie nicht auf das schleunigste absonderte.“ Die Glieder
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des Senats antworteten dem Consul hier(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) auf, daß sie ihm freye Gewalt liessen alles zu thun, was er der Republik zuträglich zu seyn erachte. Die Römer waren auf einmal von einer sehr gewissenhaften Unruhe befallen worden, weil es in diesem Jahre sehr häufig Steine geregnet, das ist, gehagelt hatte. Sie wa ren also die Sibyllinischen Bücher zu Rathe zu ziehen genöthiget worden. Man fand ei nen Götter - Ausspruch, welcher dieses Jn halts war: daß, wenn ein fremder Feind den Krieg nach Jtalien gebracht hätte, so würde man ihn durch kein Mittel eher aus Jtalien vertreiben, als bis man die Mutter Jdäa von Peßinont nach Rom hohlte. Diese Göttin hieß auchRhea, Gps, die Mutter der Götter, und den Nahmen Jdäa hatte sie von dem Berge Jda in Phrygien, wo sie auf eine ganz besondre Art verehret wurde. Jhren angesehensten Tempel hatte sie in der Stadt Peßinont. Die Senatores wurden durch diese von den Zehnmännern gefunde ne Wahrsagung um so viel mehr gerührt, da die Abgeordneten, welche das oben er wähnte Geschenke nach Delphi gebracht hat ten, meldeten, daß der Pythische Apollo ihre Opfer angenommen und geantwortet habe: Die Römer würden in kurzen einen weit grössern Sieg über ihre Feinde davon tragen, als derjenige gewesen sey, wel cher zu den Geschenken, die sie ihm ü berreichten, Gelegenheit gegeben habe.
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Diesen zwey Bewegungsgründen zur Hof nung fügten sie noch die ausserordentliche Zu versicht bey, mit welcher Scipio sich Afrika zu seiner Abtheilung ausgebeten hatte; eine Zuversicht, welche man als eine sichere Vor bedeutung ansehen konnte, daß sich der Krieg zum Vortheile der Römer endigen würde. Die Erfüllung des Schicksals der Vorbe deutungen und der Orakel nun zu beschleini gen, waren sie auf die Maaßregeln bedacht, welche sie, die Göttin nach Rom zu bringen, nehmen müsten. Sie schickten also an den Attalus, König von Pergamus, mit welchem sie in dem Krie ge wider Macedonien im Bunde gestanden hatten, den Valerius Levinus, welcher zwey mal Consul gewesen war, als Gesandten ab, in der gewissen Hoffnung, daß dieser Fürst dem Römischen Volke alles zu Gefallen thun würde, was in seinem Vermögen stünde. Levinus hatte einen Collegen bey sich. Man gab ihm fünf Galeeren zu fünf Reihen Ru der, damit sie sich unter Völkern ein Anse hen geben könnten, welchen man von dem Römischen Volke einen grossen Begrif bey bringen wollte. Auf dem Wege durch Asi en sprachen sie zu Delphi ein, und fragten das Orakel, was sie sich für einen Aus gang von dem Unternehmen, welches die Ur sache ihrer Reise war, versprechen könnten. Sie bekamen zur Antwort; „daß sie durch die Vermittelung des Königs Attalus das jenige erhalten würden, was sie von so weit
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her zu suchen kämen; daß sie, wenn sie die(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Göttin nach Rom bringen würden, Sor ge tragen sollten, sie von den Händen des ehrlichsten Mannes, welcher in dieser Stadt sey, empfangen zu lassen.“ Sie langten in Pergamus an, wo sie Attalus mit vieler Höf lichkeit und grossen Ehrenbezeigungen em pfing, und von da nach Peßinont in Phry gien führte. Hier händigte er ihnen einen Stein ein, welcher von den Einwohnern un ter dem Nahmen derMutter der Götter sehr verehret ward, und sagte ihnen, daß sie ihn nur mit nach Rom nehmen möchten. Als sie nicht mehr weit davon waren, gieng einer von den Abgeordneten, Valerius Fal ton voraus, um der Stadt die nahe Ankunft der Göttin kund zu thun, und Anstalt zu ma chen, daß man den ehrlichsten Mann aus suche, welcher, dem Befehle des Delphischen Orakels gemäß, der würdigste sey, die Göttin zu empfangen. Der Senat gerieth in keine geringe Verwirrung, da er sich gezwungen sa he zu entscheiden, welches der wackerste Mann in der Republik sey.Es war kein einziger Bürger, sagt Livius,welcher nicht ohne Anstand einen so schön erlangten Sieg allen Aemtern und Ehren, zu welchen man durch die Wahl des Volks oder des Senats gelangen konnte, vorgezogen hätte. (*) Durchsucht alle Geschichts= 49
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) bücher, sagt ein andrer Schriftsteller,be trachtet alle Triumphe, welche darin ne erzehlt werden, ihr werdet keinen er habnern Ruhm finden, als den Ruhm, der erste unter den ehrlichsten Leuten zu seyn.(*) Es liegt also in der Tugend eine wirkliche Grösse, weil sie allem vorzuzie hen ist, was man glänzendes und ausgesuch tes hat. Man wird sich aber sehr wundern, wenn man siehet, daß unter so viel grossen Männern, deren Verdienste und Ruhm in der (Scipio Nasi ca wird für den ehrlich sten Mann in der ganzen Republik er kläret.) Stadt allgemein bekannt waren, diese so eh renvolle Unterscheidung einem jungen Men schen zufiel, welcher damahls noch nicht 27. Jahr alt war. Es war Publius Scipio, mit dem Zunahmen Nasica, ein Sohn des Curus, welcher in Spanien geblieben war. Es ist verdrüßlich, daß uns die Geschichte die Eigenschaften nicht nennet, welche den Se nat, dieses Urtheil zu fällen, bewogen. Der junge Scipio erhielt Befehl, der Göt tin bis nach Ostia mit allen Römischen Ma tronen entgegen zu gehen, sie aus dem Schif fe zu nehmen, welches sie trug, und sie her nach den Frauenzimmern einzuhändigen. Als das Schif in die Tiber eingelauffen war, so ereignete sich ein Zufall, welcher, wenn man den Historienschreibern glauben kan, eine grosse Bestürzung und Betrübniß ver 50
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ursachte: das Schiff nemlich blieb auf ein(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) mahl stehen, und man konnte es unmöglich weiter bringen. Hierauf bat eine Römische Dame, mit Nahmen Claudia Quinta, de ren Ruff bisher sehr zweydeutig gewesen war, (zu dieser übeln Nachrede hatte ihre allzugrosse Liebe zum Putze Gelegenheit ge geben) die Götter, daß, wenn der Argwohn gegen ihre Tugend falsch wäre, das Schiff, an welches sie ihren Gürtel, um es fort zu ziehen, gebunden hatte, ihr folgen möge: wel ches auch den Augenblick geschahe. Scipio stieg in das Schiff, nahm die Göttin von den Händen der Priester, und brachte sie ans Ufer, wo sie von dem Frauenzimmer ange nommen ward. Sie wechselten im Tragen ab, damit alle an dieser ehren - vollen Last Theil haben möchten, und begaben sich in die Stadt, aus welcher alles Volk der Göt tin entgegen gegangen war. Ueberall, wo sie vorbey zog, hatte man an die Thüren der Häuser Gefässe mit Weyhrauch gesetzt, wel cher ihr zu Ehren brennete. Zugleich erschal leten überall die Gebeter, welche man an sie richtete, und worinne man sie ersuchte, mit Gnade in Rom einzuziehen, und ihren be ständigen Sitz daselbst zu nehmen. Endlich war sie in dem Tempel des Sieges auf dem palatinischen Berge niedergesetzt, und dieser Tag ward in der Folge den Römern ein Festtag. Es war kein Bürger so geringe, daß er nicht sein Opfer auf den palatinischen Berg gebracht hätte. Die folgenden Tage
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) brachte man mit den Ceremonien des Lecti sterniums zu, und stellte Spiele an, welche den NahmenMegalesia, das ist,die gros sen Spiele, von dem Nahmen der Göttin, der grossen Mutter der Götter, beka men. Ubrigens, wie wir schon gesagt haben, war diese mit so vieler Sorgfalt gesuchte, so weit hergehohlte, mit so vieler Ungedult er wartete, und mit so vieler Freude und Ehr furcht empfangene Göttin nichts als ein Stein ohne Gestalt und Bildung. Kan man wohl die diesem ungestaltenen Steine erzeigten göttlichen Ehren lesen, ohne die traurigen Würkungen der Abgötterey zu be weinen, und dem barmherzigen GOtt den lebhaftesten Dank zu sagen, daß er uns da für bewahret hat? (d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.)

(Urtheil des Senats wi der die zwölf Kolonien, welche ihren Antheil ab zutragen sich geweigert hatten. Livius XXIX. 15.) Dieses war das funfzehende Jahr des zweyten Punischen Krieges. Jndessen da man über die Recrutirung der Legionen be rathschlagte, stellten einige Senatores vor, daß, da nun endlich die Republick durch die Güte der Götter von den schrecklichen Gefahren, welche ihr gedrohet, befreyet sey, es nunmehr Zeit sey, dasjenige nicht mehr zu erdulden, was sie durch die verdrüßlichen Umstände zu ertragen wären genöthiget worden. Als dieser Vortrag die Neugierde
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und Aufmerksamkeit der Senatoren erweckt(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) hatte, so setzten sie hinzu, daß die zwölf latei nischen Kolonien, welche unter dem Consula te des Q. Fabius und Q. Fulvius, sich ih ren Antheil abzutragen geweigert hatten, nun seit sechs Jahren einer gänzlichen Frey heit von allen Auflagen des Krieges genös sen, als ob es ein rühmliches Privilegium wäre, welches man ihnen wegen ihrer treugeleiste ten Dienste zugestanden hätte; da unterdes sen die gehorsamern Bundsgenossen, zum Lohne ihrer Treue, durch die jährlichen Wer bungen ganz erschöpft wären. Diese Rede ruffte das Andenken einer Art von Rebellion wieder in das Gedächtniß der Senators zurück, und erneuerte zu gleicher Zeit den Zorn und Unwillen, welchen sie ver diente. Da also der Senat diese Sache vor allen andern abgethan wissen wolte, so be schloß er, daß die Consuls den zwölf Koloni en befehlen sollten, ihre Magistratspersonen, und jede zwölfe von ihren vornehmsten Bür gern nach Rom zu schicken. Wann sie hier wären, wollte man ihnen erklären, „daß je de Kolonie dem Römischen Volke noch ein mal so viel Krieger zu Fuß liefern solle, als sie jemals geliefert habe, seit dem der Feind in Jtalien sey; daß man die Jahre zur Re gel annehmen wolle, da die Werbungen am stärksten gewesen wären, und daß sie noch über dieses jede hundert und zwanzig Reiter stellen sollten. Wann eine von ih nen nicht so viel Reiter aufbringen könne,
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(d. 548. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) so solle es ihr frey stehen, drey Mann zu Fusse für einen Reiter zu geben. Man sollte aber Sorge tragen, daß diejenigen ausgesucht würden, welche in ihrer Art am besten stünden, und daß man sie ausserhalb Jtalien an alle Orte, wo man Recruten brauchte, verschicke. Sollte eine von ih nen sich zu gehorsamen weigern, so wolle man ihre Magistratspersonen und Abge ordneten so lange zurück behalten, und ih nen nicht das geringste Gehör, wenn sie darum bitten sollten, verstatten, bis sie ih rer Strafe genug gethan hätten. Daß über dieses eben diese Kolonien auf jede Summe von tausend As ein As zum jähr lichen Tribute zahlen solle, und man deß wegen die Zählung der Personen und die Schätzung ihrer Güter nach der Art vor nehmen wolle, welche die Censors vorschrei ben würden, das ist, nach derjenigen Art, welche in Ansehung des Römischen Volks gebräuchlich war. Die Censors der Kolo nien sollten deßwegen, ehe sie ihr Amt nie derlegten, ein Register nach Rom einschi cken, und schwören, daß es den Gesetzen gemäß aufgesetzet sey.“ Die Magistratspersonen und die Vor nehmsten aus den Kolonien wurden also nach Rom gefordert, wo man ihnen den Willen des Senats in Ansehung der Mann schaft und des Tributs kund that. Sie fingen alle wider so ausserordentliche Fode rungen an zu schreyen, einige mehr, andere
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weniger. Sie stellten vor, „daß sie keine so(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) grosse Anzahl Soldaten aufbringen könnten; daß sie kaum im Stande wären, das in den Tractaten festgesetzte Antheil abzutragen; daß sie um Erlaubniß bäten, in den Rath kommen zu dürfen und deßwegen Vorstel lungen zu thun. Sie hätten es nicht ver dient, daß man mit ihnen so scharf verfüh re; wenn sie aber ja umkommen müsten, so würde doch weder ihr Fehler noch der Zorn des Senats machen können, daß sie mehr Soldaten geben könnten, als sie hät ten.“ Die Consuls liessen von ihrem Ent schlusse nicht das geringste nach, behielten die Abgeordneten in Rom zurück, die Magistrats personen aber schickten sie in ihre Kolonien, daselbst werben zu lassen und erklärten ihnen, „daß sie eher kein Gehör erhalten würden, als biß sie die verlangten Trupen gestellet hätten.“ Da sie also keine Hofnung mehr vor sich sahen, vor den Senat zu kom̄en, und Erleichterung zu erlangen, so stellten sie in den zwölf Kolonien die vorgeschriebnen Wer bungen an, und brachten gar leicht die ver langte Anzahl Soldaten auf, weil ihre Ju gend, die Jahre über, da sie eine gänzliche Ausnahme genossen hatten, Zeit gehabt hat te, sich zu vermehren. Hierauf ward noch eine andere Sache,(Man befiehlt die Bezah lung der von Privatperso nen der Re publik, vor geschossenen Summen. Liv.XXIX. 16.) an die man weit länger nicht gedacht hatte, als an die vorhergehende, von dem M. Va lerius Levinus in Vortrag gebracht. Er sagte, es sey billig, daß man nunmehr ver
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) schiedenen Privatpersonen die Summen wie der erstattete, welche sie unter seinem Con sulate, welches er mit dem M. Claudius ge führt habe, der Republik vorgestrekt hätten. Es dürfe sich niemand verwundern, daß er sich besonders angelegen seyn liesse, das öf fentliche Versprechen zu retten, weil er nicht allein in dem Jahre, da man diese Gelder auf genommen, Consul gewefen sey, sondern vor nehmlich, weil er diese freywillige Contribu tion zuerst in Vorschlag gebracht habe, als der öffentliche Schatz erschöpft und das Volk nicht im Stande gewesen wäre, die ordentlichen Abgaben zu bezahlen. Dieser Vortrag war dem ganzen Senat angenehm, und nachdem man die Consuls ersucht hatte, darüber zu Rathe zu gehen, so ward beschlos sen, daß diese Schulden in drey Zahlungen abgethan werden sollten. Die erste Zahlung follte sogleich in diesem Jahre durch die jetzi gen Consuls geschehen, die übrigen zwey aber durch die Consuls, welche das dritte und fünfte Jahr darauf am Ruder seyn würden. (Die Abgeord neten der Lo crier kom̄en nach Rom.) Die Ankunft der Deputirten von Locri, welche nach Rom kamen, sich über das Un recht zu beklagen, welches sie erdulden mu sten, und wovon man bis jetzo noch nichts gehöret hatte, hemmte alle andere Angele genheiten, und zog einzig die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt auf sich. Der öffentliche Verdruß brach weniger gegen die Verbre chen des Plemmius, als gegen die unverant wortliche Nachläßigkeit des Scipio, bey einer
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so wichtigen Gelegenheit, aus, daß er nemlich(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) eine so blinde Nachsicht gegen einen General gehabt habe, der durchgängig in einem übeln Ruffe stand. Die Folge wird es zeigen, ob dieser Ruff gegründet war, oder nicht. Die Abgeordneten der Locrier, an der Zahl zehne, waren in Trauerkleidern, und trugen, nach griechischer Gewohnheit, Oel zweigen in der Hand, als sie um Gnade baten; und nachdem sie sie den Consuls überreicht, welche auf öffentlichem Markte auf ihren Richterstühlen sassen, warffen sie sich ihnen zu Füssen, und brachen in ein erbärmliches Geschrey aus. Nachdem die Consuls sie gefragt, wer sie wären, und was sie wollten, antworteten sie, daß sie Locrier wären, und daß sie von den Pleminius und den Römi schen Soldaten so viel Beleidigungen erlitten hätten, als das Römische Volk nicht einmahl den Carthaginensern bewiesen habe. Sie baten um Erlaubniß, sich an den Senat wenden zu dürfen, um ihm ihr Elend vorzu stellen. Als sie das verlangte Verhör erlangt hat(Jhre er bärmlichen Klagen. Liv.XXIX. 17. 18.) ten, so führte der älteste unter ihnen folgen dergestalt das Wort. „Jch weiß, ihr Vä ter des Raths, daß es höchst nöthig ist, wann ihr anders von unsern Klagen gehö rig urtheilen sollt, daß euch die Art nicht unbekannt sey, wie wir dem Hannibal sind überliefert worden, und wie wir uns wie der unter eure Botmäßigkeit begeben und
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) die Carthaginensische Besatzung fortgejagt haben. Denn, wenn wir euch offenbar beweisen, daß der öffentliche Rathschluß der Locrier keinen Theil an dem Aufstand ge habt hat, und daß es nicht allein mit unsrer Einwilligung, sondern so gar durch unsern Muth und angewendete Gewalt geschehen ist, daß ihr wieder in den Besitz unsrer Stadt gekommen seyd, so werdet ihr gewiß weit lebhafter von den entsetzlichen Unge rechtigkeiten gerührt werden, womit euer Stadthalter und eure Soldaten, eure Bundsgenossen überschüttet haben. Jch glaube aber, daß ich auf eine an dre Zeit die Ausführung der Ursachen ver sparen muß, welche diesen doppelten Auf stand erregt haben, und dieses zwar aus zwey Gründen. Erstlich, damit diese Sa che in Gegenwart des Scipio abgehan delt werde, welcher unsere Stadt wieder eingenommen hat, und welcher ein unver werflicher Zeuge von dem ist, was wir da bey gutes oder böses haben thun können: Zweytens, weil wir, wir möchten uns auch gegen euch aufgeführt haben, wie wir woll ten, doch nimmermehr die Uebel verdient hätten, die man uns hat erdulden lassen. Wir können nicht leugnen, ihr Väter des Raths, daß wir nicht, so lange Hamil car mit seinen Numidern und Afrika nern in unsrer Stadt gewesen ist, das al lerunwürdigste Verfahren von ihnen ha
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ben erfahren müssen. Allein, was ist es al(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) les in Vergleichung mit dem, was wir ie tzo ausstehen? Jch bitte euch, ihr Väter des Raths, nehmt es nicht ungütig auf, was ich mir die Freyheit nehmen werde zu sagen; ich thue es mit dem äussersten Wi derwillen. Man kan sagen, daß ietzt das ganze menschliche Geschlecht in der größten Ungewißheit ist, ob das Römische Volk oder die Carthaginenser künftig die Her ren der Welt seyn werden. Sollte die Entscheidung nach Maaßgebung der Un gerechtigkeiten ausfallen, die wir von den Carthaginensern erlitten haben, und ietzo von eurer Besatzung leiden, so wird gewiß jedermann ihre Beherrschung der eurigen vorziehen. Sehet gleichwohl, wie die Locri er gegen euch gesinnet sind. Als die Car thaginenser weit weniger hart mit uns ver fuhren, so nahmen wir unsre Zuflucht zu euerm Generale. Jetzo aber, da wir von eurer BesatznngBesatzung Ungerechtigkeiten leiden, welche die schrecklichsten Feindseligkeiten ü bertreffen, nehmen wir zu euch selber unsre Zuflucht. Jhr werdet also, ihr Väter des Raths, mit unserm Elende Mitleiden ha ben, oder wir dürffen von den unsterbli chen Göttern selbst nichts hoffen. Euer Stadthalter Q. Pleminius ist nach Locri geschickt worden, um die Stadt den Carthaginensern wieder abzunehmen. Er ist mit eben den Trupen, die er zu diesem Unternehmen gebraucht hatte, daselbst ge
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) blieben. Dieser Officier (denn das Ueber maaß unsers Unglücks giebt uns Muth frey zu reden) hat nichts menschliches, als die Ge stalt; und nichts Römisches, ausser Kleidung und Sprache. Es ist einsetzliches Ungeheu er, demjenigen gleich, die sich, wie die Fa bel sagt, der Meerenge, die uns von Si cilien trennt, zum Unglücke derjenigen, welche an diesen Küsten schiffen, bemächti get haben sollen. Und wenn er es noch al lein wäre, der seinen Geitz, seine Grausam keit, seine viehische Wuth an euern Bunds genossen ausliesse, so könnten wir vielleicht, durch unsre Gedult, diesem Abgrunde, so unermeßlich er auch ist, genug thun. Allein er hat der Frechheit und der Unord nung den Ziegel dermassen schiessen lassen, daß er aus allen euern Centurionen, aus allen euern Soldaten lauter Pleminios ge macht hat. Es ist kein einziger unter ih nen, welcher nicht raubt, plündert, schlägt, verwundet und mordet; kein einziger, wel cher nicht verheyrathete Weiber und junge Personen beyderley Geschlechts, die sie den Armen ihrer Anverwandten entreissen, schände. Alle Tage wird unsere Stadt mit Sturm eingenommen; alle Tage wird sie geplündert. Tag und Nacht hört man das jämmerliche Geschrey der Weiber und Kinder, die man mit Gewalt entführet. Kurz, es ist keine einzige Familie in Locri, keine einzige Person, welche nicht diese Uebel, wovon ich geredet, ausgestanden habe; es
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ist keine Art der Ungerechtigkeit, Gewalt(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) thätigkeit und Schändung mehr übrig, die man nicht daselbst ausgeübet habe. Eine That aber, geht uns näher als al les andre, weil sie unsere Götter betrifft, und wovon wir euch nothwendig Nach richt geben müssen, damit ihr euch nicht ihren Zorn zuziehet, wann sie ungestraft bliebe. Wir haben bey uns einen Tem pel der Proserpina, von dessen Heiligkeit ihr ohne Zweifel habet reden hören, als ihr den Krieg gegen den Pyrrhus in Jtalien zu führen hattet. Es kam diesem Prin zen sehr theuer zu stehen, daß er diesen Tempel geplündert hatte, welcher bis da hin unverletzt geblieben war. Seine Flot te erlitt einen entsetzlichen Sturm, und alle die Schiffe, worauf die Schätze der Göttin waren, scheiterten an unsern Ufern. Ein so entsetzliches Schicksal öfnete diesem Prin zen endlich die Augen, ohngeacht seines Stolzes und Uebermuths. Er erkennete, daß es Götter gäbe, und nachdem er alles Geld, das er weggenommen hatte, sorg fältig zusammen suchen lassen, ließ er es wieder zurück in den Tempel der Proserpi na bringen. Gleichwohl verhinderte diese Genugthuung nicht, daß er nicht Zeit sei nes Lebens unglücklich geblieben wäre. Nachdem er aus Jtalien verjagt war, be schloß er, durch einen traurigen und seiner vergangenen Ehre unanständigen Tod sein Leben in Aegos.
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Obgleich euer Stadthalter und eure Tri bune von dieser Begebenheit sehr wohl un terrichtet waren, so haben sie sich dennoch nicht gescheuet ihre räuberische Hände an diese Heiligthümer zu legen, und sich, ihre Häuser und eure Soldaten durch einen so verabscheuungs - würdigen Raub zu besu deln. Jch fürchte, ihr Väter des Raths, wann ihr diese Götterberaubung noch durch eine sich ausnehmende Genugthuung aus söhnet, daß sich die Göttin nicht an eurer Republik eben so räche, ob sie gleich un schuldig ist, als sich schon an den Schul digen gerächet hat. Sie hatten zwey Par theyen ausgemacht. Die eine ward von dem Pleminius angeführt, und die andere von den Tribunen der Legionen. Sie sind zu verschiedenen mahlen mit einander hand gemenge worden, und haben einander so hefftig und blutgierig angefallen, als ob sie die Carthaginenser anfielen. Auf beyden Sei ten sind die unerhörtesten Grausamkeiten vorgefallen. Da sehet, wie die Göttin die Entheiliger ihres Tempels straffet. Was die Beleidigungen anbelangt, die wir erlitten haben, so nehmen wir zu nie mand anders unsre Zuflucht, und werden sie zu niemand anders nehmen, als zu euch; von euch hoffen wir Genugthuung. Wir verlangen nicht, daß ihr unsern Klagen so gleich Beyfall geben, und den Pleminius, ohne ihn{??} verhört zu haben, verdammen sollt. Er stelle sich persönlich; er höre unsre Be
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schuldigungen an; er widerlege sie. Wann(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) sich in dem, was wir vorgebracht haben, die geringste Uebertreibung entdeckt, so wol len wir uns nicht weigern, von euch sei ner Wuth und Grausamkeit übergeben zu werden.“ Als die Abgeordneten aufgehöret hatten zu reden, so fragte sie Fabius, ob sie ihre Kla gen an den Scipio hätten gelangen lassen. Sie antworteten, „sie hätten ihm Abgeord nete geschickt; er sey aber mit den Vorbe reitungen des Kriegs beschäftiget, und ietzo, wo nicht schon eingeschift, nach Africa über zu gehen, wenigstens auf dem Punkte es zu thun. Sie hätten übrigens allzuwohl ge merkt, wie vieles Pleminius bey diesem Ge neral gelte, als er von den Verdrüßlichkei ten, welche dieser Officier mit den Tribu nen gehabt, Nachricht erhalten, und die letz tern in das Gefängniß habe legen lassen, Pleminius selbst aber, der doch der sträf lichste Theil gewesen, an seiner Stelle ge blieben wäre.“ Nachdem man diese Nachrichten eingezo(Fabius reder wider den Scipio sehr heftig.) gen, ließ man die Locrier abtreten, und fieng die Berathschlagung an. Verschiedene aus dem Senat liessen sich nicht allein gegen den Pleminius, sondern auch gegen den Scipio selbst, sehr hart heraus. Q. Fabius war es, welcher am heftigsten redete, indem er dem Scipioverwarfvorwarf, „er sey dazu geboh ren, daß er die Kriegszucht verderben solle.
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Eben so hätte in Spanien der Aufstand sei ner Soldaten der Republik mehr Scha den gethan, als die Carthaginensischen Waf fen. Er wäre, nach einer bißher unter den Römern ganz unbekannten und gänzlich ty rannischen Freyheit, gegen seine Trupen bald allzunachsehend, bald bis zur Grausam keit strenge. Er schloß endlich damit, daß Pleminius nach Rom gebracht, und so lan ge im Gefängnisse müsse gehalten werden, bis man ihm den Proceß gemacht habe; befänden sich alsdann die Anklagen gegrün det, so solle man ihn im Gefängnisse erwür gen, und alle seine Güter einziehen lassen. Man solle den Scipio nach Rom zurück beruffen, weil er ohne Erlaubniß des Se nats aus seiner Provinz gegangen sey; und solle die Tribune des Volks dahin bewe gen, daß ihm das Volk sein Commando niederzulegen zwinge. Man müsse dem Locrer antworten, daß der Rath und das Römische Volk an ihren erlittenen Unge rechtigkeiten keinen Theil habe, sondern vielmehr dadurch sehr gerührt sey. Man müsse ihnen erklären, daß sie in Rom als wackre und ehrliche Leute, als gute Freun de und treue Bundesgenossen angesehen würden. Man müsse ihnen ihre Kinder, ihre Weiber, und ihr Vermögen wieder zu stellen. Man müsse sich genau erkundigen, wie hoch sich die aus dem Tempel geraub te Summe belauffe, und müsse sie doppelt ersetzen. Man müsse ein Versöhnofper an
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stellen, vorher aber die Priester zu Rathe(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) ziehen, damit man wisse, was man für Ce remonien dabey beobachtet, an welche Götter man sich wenden, und was man für Opfer darbringen müste, den Kirchen raub derjenigen zu versöhnen, welche den Tempel der Proserpina geplündert hätten. Endlich wollte er, daß alle Soldaten, wel che in Locri in Besatzung lägen, nach Sici lien gebracht, und an ihrer Stelle vier Kohor ten der Bundsgenossen lateinischen Na mens geschickt würden.“ Der Streit, welcher unter denen entstand, welche dem Scipio wohlwollten, und denen, welche ihm zuwider waren, machte, daß man die Stimmen nicht sammlen, und also diesen Tag nichts beschliessen konnte. Ausser dem Verbrechen des Pleminius, und dem grausamen Verfahren gegen die Locrier, warff man diesem Generale auch noch seine einem Krieger, und besonders einem Rö mer, unanständige Art sich zu kleiden (*) vor. Man fügte hinzu: „er verbrächte sei ne Zeit damit, daß er den Reden und Streitübungen der Rhetors und Philoso phen beywohne, und von der Geschicklich keit und Stärke der Affecten urtheile. Sei ne Officiers und sein ganzes Hauß lebten in eben dieser Weichlichkeit mitten unter den Ergötzlichkeiten der Stadt Syracus. Er schiene Carthago und den Hannibal vergessen zu haben. Seine ganze Armee, 51
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) welche in eben der Frechheit ersunken sey, welche die Soldaten in Locri verdorben ha be, wäre den Bundesgenossen des Römi schen Volkes fürchterlicher, als dem Feinde.“ (Der Rath er nennet Män ner, welche die Sache der Locrer untersuchen sollen. Livius XXIX. 20.) Ob nun gleich diese Anklagungen, welche theils falsch, theils wahr waren, einigen Schein der Wahrscheinlichkeit hatten, so blieb man doch bey der Meinung des Q. Me tellus, welcher in allen Stücken mit dem Fa bius einig war, nur in dem nicht, was die Person des Scipio anbelangte. „Was würde man, sagte er, von dem Senate und dem Römischen Volke denken, wenn, nachdem sie den Scipio, seiner Jugend ohn geachtet, erwählet hätten, Spanien wieder einzunehmen; nachdem er es mit vieler Klugheit und Tapferkeit ausgeführet; nach dem man ihn zum Consul ernennt, den punischen Krieg zu enden, wenn man ihn, zu eben der Zeit, da er der ganzen Repu blick Hoffnung mache, den Hannibal aus dem Schoosse Jtaliens zu treiben, und A frika unterwürfig zu machen, auf einmal aus seiner Provinz zurück ruffte, und ihn nebst dem Pleminius nach Rom zu kom men nöthigte, wodurch er schon, so zu re den, ohne verhört zu seyn, bestrafet würde. Die Locrier erklärten ja selbst, daß sie alle ihr Unglück in seiner Abwesenheit hätten ausstehen müssen, und daß man ihm also aufs höchste nichts vorwerffen könne, als seine allzugrosse Nachsicht gegen den Gene ral, welchem er ihre Stadt anvertrauet ha
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be. Seine Meinung sey, man solle binnen(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) drey Tagen den Prätor M. Pomponius nach Sicilien, als derjenigen Provinz, wel che ihm zugefallen sey, abgehen lassen; der Senat solle zehn Glieder aus sich, zwey Tribune des Volks, und einen Aedil mit ihm dahin schicken, und mit diesen müsse der Prätor die Sache untersuchen. Wenn sie alsdann fänden, daß man auf Befehl, oder mit Einwilligung des Scipio mit den Locriern so grausam verfahren sey, so soll ten sie ihm seine Provinz zu verlassen be fehlen. Und im Fall, daß er schon nach Afrika übergegangen sey, sollten die zwey Tribune des Volks, und der Aedil, nebst zwey von dem Prätor ernennten Commis saren, gleichfals nach Afrika gehen: Die Tribune und der Aedil sollten den Scipio nach Rom zurückbringen, und die zwey Commissare sollten unterdessen die Armee commandiren, bis man einen neuen Gene ral an seine Stelle geschickt hätte. Wann aber, gegentheils, M. Pomponius und die zehn Commissare des Raths fänden, daß Scipio keinen Theil an dem Unglücke der Locrier habe, so solle er, in diesem Falle, an der Spitze seiner Trupen bleiben, und den Krieg, nach seinem entworffenen Pla ne, fortsetzen.“ Nachdem nunmehr der sehr weise Rath(Die Com̄is sare reisen nach Locri ab. Plemi nius wird verdammt,) schluß, nach diesem Entwurffe, abgefaßt war, bat man die Tribune des Volks, dieje nigen zwey aus sich zu erwehlen, oder durch
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) das Los zu bestimmen, welche mit dem Prä tor und den Commissaren abreisen sollten. Das Collegium der Priester ward um Rath (und nach Rom ge schickt. Livius XXIX. 20. 21.) befragt, was man zur Aussöhnung des Rau bes, welchen man in dem Tempel der Pro serpina begangen, thun müsse. Die Tri bune, welche mit dem Prätor und den Com missaren abreiseten, waren M. Claudius Mar cellus, und M. Cincius Alimentus. Jhnen gab man einen Aedil des Volks zu, welcher, auf ihren Befehl, den Scipio, im Fall daß er dem Prätor, es sey nun in Sicilien, oder in Afrika, zu gehorchen sich weigerte, in Ver haft nehmen und, Kraft des unverletzlichen und geheiligten Ansehens der Tribune des Volks, nach Rom bringen sollte. Diese Commißion nun hielt es für gut, sich erst nach Locri zu begeben, ehe sie nach Meßina gienge. Sie machten den Anfang damit, daß sie den Pleminius fesselten, und, nebst dreyßigen von seinen Mitschuldigen, nach Rhegium bringen liessen. Hierauf war, den erhalte nen Befehlen gemäß, ihre erste Sorgfalt, alles dasjenige zu vollziehen, was die Reli gion zur Ersetzung des Kirchenraubes verlan ge. Nachdem sie also alles Geld, was sich bey dem Pleminius und seinen Soldaten fand, zusammen genommen, dasjenige, was sie mitgebracht, hinzu gethan, und es in den Schatz der Göttin gelegt hatten, brachten sie ihr ein Versöhnopfer dar. Der Prätor ließ hierauf die Besatzung zu
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sammen kommen, befahl ihr, die Stadt zu(d. 548. J. n. R. E. d 204. J. v. C. G.) verlassen, und ihr Lager mitten auf dem Fel de aufzuschlagen. Er verbot jedem Solda ten insbesondre bey nachdrücklicher Straffe in der Stadt zu bleiben, oder etwas mit weg zu nehmen, was nicht ihre sey, es möge so ge ringe seyn als es wolle. Er erlaubte hierauf den Locrern, das ihrige wieder zu nehmen, wo sie es fänden, und dasjenige zurück zu for dern, was etwa nicht mehr da seyn sollte. Vor allen Dingen aber wollte er, daß man ihnen den Augenblick alle freye Personen wie der auslieferte, und drohte diejenigen auf das empfindlichste zu straffen, welche das ge ringste behalten würden. Endlich erklärte er den versammleten Locrern; „daß ihnen der Senat und das Römische Volk ihre Frey heit wieder schenke, daß wann jemand den Pleminius verklagen wollte, er ihm nur nach Rhegium folgen sollte; daß, wann sie so gar gesonnen wären, den Scipio im Na men ihrer Stadt anzuklagen, als ob er die erlittenen Gewaltthätigkeiten entweder be fohlen oder gebilliget habe, sie nur ihre Ab geordneten nach Meßina schicken könnten, wo man die ganze Sache genau untersu chen würde.“ Die Locrer dankten dem Prätor, den Commissaren, dem Senat und dem Römi schen Volke unbeschreiblich, und fügten hin zu, daß sie den Pleminius anklagen wollten. „Was aber den Scipio anbelange, so sey er zwar gegen ihr Elend wenig empfindlich ge
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) wesen, er sey aber ein Mann, welchen sie lieber zum Freunde als zum Feinde haben wollten. Sie wären gewiß überzeugt, daß es weder auf seinen Befehl, noch mit seiner Einwilligung geschehen sey, daß man ihnen so entsetzliche Ungerechtigkeiten erwiesen habe. Daß er entweder dem Pleminius zu viel ge glaubt, oder die Locrer zu wenig gehöret habe. Daß es Leute gebe, welche von Natur dem Laster feind genug, wäre aber zu wünschen, daß es niemahls ausgeübt würde, und gleichwohl nicht stark genug seyn könnte es zu bestraffen, wenn es ausgeübt wird.“ Diese Rede, welche den Scipio rechtfer tigte, war dem Prätor und den Commissa ren sehr angenehm, weil sie dadurch einer Verrichtung überhoben wurden, welche ih nen sehr beschwerlich war. Sie verdamm ten den Pleminius, welchen sie mit zwey und dreyßig seiner Mitschuldigen, an Händen und Füssen geschlossen, nach Rom schickten. Sie selbst nahmen ihren Weg nach Sicilien, um die Vorwürffe zu untersuchen, welche man dem Scipio wegen seiner besondern Auffüh rung und wegen der wenigen Kriegszucht unter seiner Armee machte, damit sie dem Senate Rechenschaft geben könnten. (Die Com missare kom men in Sy racus an. Scipio wird völlig ge rechtfertiget. Livius XXIX. 22.) Als Scipio erfuhr, daß sie auf dem We ge nach Syracus wären, so setzte er sich in den Stand, sich durch Thaten und nicht durch Worte zu entschuldigen. Er ließ seine Trupen versammlen, und gab Befehl, daß
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die Flotte sich ausgerüstet und fertig halten(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) sollte, als ob man an einem Tage die Car thaginenser zu Wasser und Lande angreiffen wollte. Als sie ankamen, empfing er sie mit vieler Höflichkeit und Hochachtung, und zeig te ihnen gleich den Tag darauf nicht nur bey de Armeen zu Wasser und Lande im Stan de, alle Augenblicke dem Feinde ein Treffen zu liefern, sondern er ließ auch jede nach ih rer Art die Schlacht zur Uebung vorstellen. Hierauf führte er den Prätor und die Com missare in die Provianthäuser und Zeug häuser, wo sie in möglichster Ordnung und in allem Ueberflusse, Lebensmittel, Waf fen und nöthige Kriegsmachine antraffen. Der Anblick dieser Zurüstungen, so wohl im kleinen als im grossen, erfüllte sie mit ei ner so grossen Bewunderung, daß sie völ lig überzeugt blieben, wann jemahls die Carthaginenser überwunden werden könnten, so müßte es durch diesen General und durch diese Armee geschehen. Sie ermahnten also den Scipio, unter dem Schutze der Götter, nach Afrika überzugehen, und auf das schlei nigste die Hoffnung zu erfüllen, welche sich das ganze Römische Völk an dem Tage von ihm gemacht habe, als er von allen Centuri en zum Consul ernennt worden. Sie giengen hierauf mit eben so grosser Freude aus Si cilien zurück, als ob sie schon den Sieg, und nicht erst die Anstalten zu verkündigen hätten, welche Scipio ihn zu erlangen machte.
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Als Pleminius und seine Mitschuldigen nach Rom kamen, wurden sie sogleich ins Gefängniß gelegt. Als sie hierauf von den Tribunen vor das Volk gebracht wurden, fanden sie, daß alle durch das den Locrern erwiesene Unrecht gegen sie so eingenommen waren, daß sie wenig Gnade würden zu hof fen haben. Weil sie aber sehr oft auf dem Markte erschienen, so machte das ungestalt ne Ansehen des Pleminius, welches sich den Augen der Bürger allzuoft vorstellte, daß auf Zorn und Haß Mitleiden folgte; da oh nedem das Ansehen des Scipio, ob er gleich abwesend war, sehr viel beytrug, die Menge auf ihre Seite zu bringen. Die Geschichtschreiber sind wegen der Art nicht einig, wie dieser Unglückliche sein Leben beschlossen habe. Einige melden, daß er im Gefängnisse gestorben sey, noch ehe das Volk sein Urtheil habe sprechen können. Andre er zählen, daß er verschiedene Jahre im Gefäng nisse geblieben sey, und nach deren Verlauf einige Bösewichter bestochen habe, die Stadt an verschiedenen Orten anzustecken, damit er während des Tumults entkommen kön ne; er sey aber entdeckt und in dem Gefäng nisse erwürget worden. Was den Scipio anbelangte, so ward seine Sache nirgends anders, als im Senate (Scipio wird mit Lobsprü chen über häuft.) abgehandelt, allwo die Commissare und die Tribune so viel einstimmige Lobsprüche von seiner Flotte, seiner Armee und seinen per sönlichen Verdiensten machten, daß alle Se
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natores einmüthig beschlossen, daß er je eher(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) je lieber nach Afrika übergehen solle, und ihm völlige Freyheit liessen, welche Soldaten er mit sich nehmen, und welche er in der Provinz zu Besatzungen lassen wolle. So endigte sich die wichtige Sache, wel che man verschiedenen der vornehmsten Ma gistratspersonen Roms angetragen hatte, wovon Scipio der vornehmste Gegenstand war, zu dessen Vortheile sie ausschlug, dem Fabius aber dagegen desto weniger Ehre brachte. So groß und gerecht die Hochach tung war, welche sich dieser letztere durch sei ne erhabene Verdienste erworben hatte, so erweckt doch sein Betragen gegen den Sci pio den heftigsten Argwohn der Eifersucht und des Neides, eines Lasters, welches den grö sten Ruhm zu verstellen fähig ist. Er wi dersetzte sich dem Entschlusse, welchen dieser junge General nach Afrika überzugehen ge faßt hatte, und widersetzte sich mit einer Bit terkeit und Boßheit, welche die Leidenschaft allzusehr verrathen, ob sie sich gleich seinen eignen Augen vielleicht selbst unter der Lar ve des Eifers für das gemeine Beste versteck te. Als der Senat das Unternehmen, trotz seiner Widersetzung, gebilliget hatte, so wand te er alle sein Ansehen an, die Ausführung zu hintertreiben, indem er die Auszahlung der ihm nöthigen Gelder hinderte, und es dahin brachte, daß man ihm neue Wer bungen untersagte. Gleichwohl überstieg Scipio alle diese Hindernisse, und gieng nach
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(d. 547. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Sicilien, Fabius aber machte sich die wi der ihn ausgestreuten Reden zu Nutze, und schloß, ohne fernere Untersuchung, daß man ihn zurückruffen und ihm das Commando nehmen müsse. Erkennet man in diesem Ver fahren wohl die Weißheit eines Alten, wel cher in andern Stücken so ehrwürdig war? Seht, (*) dahin kan uns die Eigenliebe brin gen, wenn sie durch einen anhaltenden gu ten Fortgang, und durch die zu gute Mei nung unterstützt wird, die man von seiner Vortreflichkeit hat, welche keinen Nebenbuhler leiden will. ------------------------------------------------------------

Zwanzigstes Buch.

Dieses Buch enthält die Geschichte fast von fünf Jahren, von 548. biß 552. Die vornehmsten Begebenheiten sind: Die Ankunft des Scipio in Afrika. Die Verbrennung der zwey feindli chen Lager. Die Niederlage und Ge fangennehmung des Syphax. Die Historie der Sophonisbe. Hannibals Abzug aus Jtalien. Seine Nieder lage in dem Treffen bey Jama. Der 52
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andre Punische Krieg wird durch den Frieden, der den Carthaginensern bewilliget wird, geendiget.

§. I.

Syphax vermählt sich mit Sophonisbe, einer Tochter des Hasdrubal. Syphax entsaget der Freund schaft des Scipio und des Bundes mit denen Römern. Scipio verheelet seinen Soldaten die Untreue des Syphax. Scipio begiebt sich nach Lilybäum und macht alles zur Abreise der Flotte fertig. Sie seegelt ab, und landet in Afrika an. Städte und Dörfer werden in Schrecken gesetzt. Scipio, nachdem er ein Detachement von der Carthaginensischen Reiterey geschlagen, verhee ret alles. Masinissa vereiniget sich mit dem Scipio. Ein Scharmützel unter der Reiterey. Hanno wird vom Scipio geschlagen, und getöd tet. Scipio verwüstet Afrika. Er unternimmt die Belagrung von Utika, wird aber genöthiget selbige aufzuheben. Dem Scipio wird Provi ant zugeschickt. Der Consul Sempronius wird vom Hannibal geschlagen, er schlägt ihn aber wieder mit grossem Vortheil. Der Consul Cor nelius hält Hetrurien im Zaum. Wunderliches und unanständiges Bezeugen der Censorn Livi us und Nero.

M. Cornelius.(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) P. Sempronius.

Jndem die Römer mit nur erwehnten(Syphax hey rathet die Sophonisbe, eine Tochter des Hasdru bal. Livius XXIX. 23.) Angelegenheiten beschäftiget waren, machten die Carthaginenser ihrer Seits gleichfalls alle Anstallten, denen Unternehmungen ihrer Feinde vorzu
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) kommen. Sie hatten auf allen Vorgebür gen Schildwachen gestellt und Wachtfeuer angezündet. Und nachdem sie den Winter in Furcht und Unruhe zugebracht hatten, weil sie von allem Kundschaft eingezogen, und bey jeder neuen Zeitung zitterten, so schlossen sie endlich einen Bund mit dem Kö nige Syphax, der zu ihrer Vertheidigung sehr vortheilhaft war. Sie beraubten hier durch den Scipio einer der besten Stützen, worauf er viel gebauet hatte, seinen Plan, nach Afrika zu gehen, darnach einzurichten. Hasdrubal, der Sohn des Gisgo, war mit dem Syphax nicht allein durch das Band des Gastrechts, welches sie miteinader gemacht, als er bey seiner Rückkunft aus Spanien auf dem Schlosse dieses Fürsten mit dem Sci pio gewesen war, vereiniget, sondern es war noch eine nähere Verbindung unter ihnen im Werke. Denn die Carthaginenser waren wegen der Vermählung seiner Tochter So phonisbe mit dem Numidischen Fürsten in Unterhandlung. Er hatte sie schon ehemahls dem Masinissa versprochen. Die Betrach tung aber des Wohls, welches hieraus dem Vaterlande erwachsen könnte, zernichtete die erste Verbindlichkeit. Er eilte, den Tractat mit dem Syphax zu vollziehen, und weil er merkte, daß er die Sophonisbe aufs heftigste liebte, ließ er sie sogleich von Carthago kom men, und verheyrathete sie mit ihm ohne Ver zug. Während des Hochzeitfestes und der Lustbarkeiten bat Hasdrubal den Syphax,
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zu dieser besondern Vereinigung unter ihnen,(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) annoch ein öffentlich Bündniß zwischen den Numidiern und Carthaginensern hinzuzuse tzen. Der König nahm den Vorschlag an, und sie schworen einer dem andern, daß ins künftige diese beyden Völker gleiche Feinde und Freunde haben sollten. Hasdrubal aber, der sich erinnerte, daß Syphax dem Scipio ein gleiches Bündniß geschworen, und wohl wuste, wie wenig auf das Versprechen eines Barbarischen Für stens zu bauen wäre, besorgte nicht ohne Grund, es möchte die Heyrath seiner Toch ter ein gar schwach Band seyn, ihn zu hal ten, wenn Scipio nach Afrika kommen sollte. Derohalben machte er sich die erste Hitze des Numidischen Fürsten zu Nutze, und brachte ihn durch sein inständiges Bitten und die Schmeicheleyen der jungen Gemah lin dahin, daß er Gesandten an den Scipio nach Sicilien schickte, welche ihm eröfnen sollten: „daß das Versprechen, so er ihm bey seiner Aufnahme an seinem Hofe ge than, ihn keinesweges verleiten möchte, nach Afrika herüber zu kommen, daß er die Tochter des Hasdrubal, eines Sohns des Gisgo, mit dem Scipio lange Zeit auf ei nem Schlosse gewohnet, geheyrathet hätte; und daß er zu Folge dieser besondern Ver einigung mit denen Carthaginensern ein öf fentliches Bündniß aufgerichtet. Er wünschte besonders, daß die Römer die Carthaginenser ausser Afrika, wie sie es bis
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(d. 548. J. v. R. E. d. 204. J. n. C. G.) her gethan, bekriegen möchten, damit er nicht genöthiget würde an ihren Zwistigkei ten Theil zu nehmen, und sich vor eine Par thie zu erklären. Sollten aber die Römer Afrika anfallen, und ihre Trupen näher an Carthago kommen, so würde er sich nicht enthalten können, für Afrika, welches ihm das Leben gegeben hätte, und für das Va terland seiner Gemahlin und seines Schwie gervaters zu fechten.“ Die Gesandten, welchen Syphax dieses aufgetragen hatte, funden den Scipio zu Sy rakusa. Ob zwar die Unbeständigkeit des Syphax diesen General eines vortreflichen Mittels beraubt, worauf er sich stark verlas sen hatte, seine Unternehmungen, mit wel chen er wider Afrika schwanger ging, zu be werkstelligen; dem ohngeachtet ließ er sich doch nicht davon abbringen. Deswegen fertigte er die Gesandten dieses Fürsten, ehe noch die Ursach ihrer Gesandtschaft sich unter seiner Armee ausbreiten konnte, ab, und gab ihnen ein Schreiben an ihren Herrn mit, in welchem er ihn nachdrücklich ermahnete: „Die Gesetze des Gastrechts, welches sie mit einander vereinigte, nicht zu verletzen, und sich des Bunds, den er mit dem Rö mischen Volke gemacht, zu erinnern, sei nes Worts, seiner Ehre, seines Gewissens eingedenk zu seyn; kurz, die Götter, als Zeugen und Rächer der Tractaten, zu ver (Scipio ver heelt die Un treu des Sy) ehren und zu fürchten.“ Da es aber nicht möglich war, die Ankunft der Numidier,
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welche man an verschiedenen Orten der Stadt(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) gesehen hatte, zu verheelen, und man besor gen muste, es möchte theils die Ursache dieser Gesandtschaft durch die Sorgfalt, die man(phax vor sei nen Solda ten. Livius XXIX. 24.) sie zu verbergen trüge, errathen werden, theils möchte der Ruf von dieser Ruptur, wenn sie kund werden sollte, bey den Tru pen einige Widerspenstigkeit verursachen; so brachte der Scipio, um den schlimmen Folgen, die aus dieser Zeitung entspringen könnten, vorzukommen, eine ganz falsche und der wahren ganz entgegengesetzte Ursach dieser Gesandtschaft aus. Er ließ die Soldaten zusammen kommen, und sagte ihnen „es sey keine Zeit mehr zu verliehren; die Könige, seine Bundsgenossen, bäten ihn inständigst, ihnen aufs schleunigste zur Hülfe zu kom men. Masinissa wäre vor kurzem zum Läli us gekommen, und hätte sich gegen ihn wegen einer so langen Verzögerung sehr be klaget. Gleichergestallt liesse ihn auch ie tzo der Syphax durch seine Gesandten um die Ursache seines so langen Aufenthalts in Sicilien befragen, mit Bitte, er möchte bald nach Afrika kommen, oder, wenn er seinen Plan geändert hätte, ihm davon Nachricht geben, damit er seine Maaßre geln, die er zur Sicherheit seiner und sei nes Landes vor gut finden würde, nehmen könnte? Weil nun alles zum Aufbruch fer tig wäre, und er solchen ohnmöglich län ger aufschieben könnte, so wäre seine Ab sicht, die Flotte nach Lilybäum zu schicken,
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) daselbst seine Trupen zu Fuß und zu Pferde zu versammlen, und von dar unter dem Beystande der Götter mit erstem guten Winde nach Afrika abzuseegeln.“ Die offenbare und verwegene Lügen, die der Scipio hier in Ansehung des Syphax brauchte, würde besser einem Carthaginen ser, als Römer, angestanden haben. Sci pio, der sonst eben ein so grosser Kriegsheld, als der Epaminondas, war, gieng hierinnen sehr viel von dieses Meinung ab. Denn E paminondas verehrte die Wahrheit mit so viel Ehrerbietung, daß er selbst vor unerlaubt hielte, im Scherz und Lachen eine Unwahr (Cornelius Nepos E- paminond. cap. 3. Scipio be giebt sich nach Lilybä um, u. macht alles zur Ab reise der Flot te geschickt. Livius XXIX. 24.) heit zu sagen. Adeo veritatis diligens, vt ne ioco quidem mentiretur. Zu Folge dieses ersuchte Scipio den M. Pomponius durch ein Schreiben, daß er möchte zu ihm nach Lilybäum kommen, damit sie sich mit einander bereden könnten, was für Legionen, und wie viel Trupen sie nach Afrika führen wollten. Er schickte zugleich Befehl an die Küsten, alle Lastschiffe, die sie an denselben finden würden, zu versammlen, und nach Li lybäum abzuführen. Nachdem nun alle Trupen und Schiffe, welche daselbst waren, nach Sicilien abgegangen, konnte weder die Stadt, noch der Hafen, die grosse Menge von Menschen und Schiffen beherbergen. Die ganze Armee bezeigte so grosse Begierde ab zusegeln, daß es schien, als wenn sie nach A frika abgeführet würde, nicht daselbst zu strei ten, sondern die Früchte eines schon versi
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cherten Sieges einzusammlen. Besonders(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) die Trupen, die von der Schlacht bey Can nä übrig geblieben, glaubten gewiß, daß nie mand, als Scipio, ihnen Gelegenheit ma chen könnte, ihre Scharte auszuwetzen, und die Wiederherstellung aller ihrer Vorzüge durch nützliche und wichtige Dienste erlan gen zu können. Scipio verachtete diese Sol daten nicht, die einen so guten Entschluß ge faßt hatten. Er war versichert, daß die Schlacht bey Cannä nicht durch ihre Feig heit war verlohren worden, und er wuste, daß unter allen Römischen Heeren keine älte re Trupen, als diese, wären. Ueberdies wa ren sie sowohl in allen Arten von Treffen, als Belagerungen, sehr erfahren. Diese Tru pen machten die fünfte und sechste Legion aus. Er ließ sie durch die Musterung ge hen, und da er diejenigen Soldaten, von de nen er keine ausserordentliche Dienste er wartete, absonderte, und an ihre Stelle von denjenigen, die er aus Jtalien gebracht hatte, darunter steckte, machte er daraus ein auserlesen Corpo. Er verstärkte sogar diese Legionen an der Zahl, und ordnete, daß jede Legion aus sechs tausend und zwey hundert zu Fuß, und dreyhundert Reitern bestehen sollte. Er zog diejenigen Trupen der Bundsgenossen, welche dem Treffen bey Cannä beygewohnet, sowohl Reiterey, als Fußvolk, allen andern des lateinischen Na mens vor. Man weiß die Zahl der Trupen, welche eingeschiffet worden, nicht vor gewiß.
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Die Geschichtschreiber sind darüber von un terschiedener Meinung. Die Flotte bestand aus funfzig grossen Schiffen und fast vier hundert Booten. Scipio bezeigte eine ganz besondre Sorg falt, damit es ja an nichts fehlen möchte. Er bekümmerte sich selbst um die geringste Kleinigkeiten, damit er sähe, ob man seinen Befehlen auch nachgekommen wäre. M. Pomponius, welcher vor den Proviant zu sorgen hatte, versahe die Schiffe auf fünf und vierzig Tage, wovon schon auf funfze hen Tage gebacken war. Sie hatten auf eben so viel Tage Wasser für Menschen und Vieh. Die Lastschiffe waren in der Mitten. Zwanzig grosse Schiffe, die der General selbst commandirte, machten den rechten Flügel, und eben so viel unter dem Commando des C. Lälius, Admirals der Flotte, und des Qvästors, M. Porcius Cato, machten den linken Flügel aus. Die grossen Schiffe hat ten jedes eine, die Lastschiffe aber zwo Leuch ten. Das Admiralschiff war des Vorzugs wegen, und damit es desto kenntlicher seyn möchte, mit dreyen versehen. Er befahl den Steuermännern an den Küsten der Provinz Emporia (*) zu landen, deren Einwohner, da sie ohnedem wenig zum Kriege geneigt, ü berdies wegen der Fruchtbarkeit und An 53
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nehmlichkeit ihrer Provinz faul wären, ih=(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) nen gar geringen Widerstand thun würden. Der folgende Tag ward zur Abreise fest ge setzt. Man hatte schon sonst unterschiedene(Abreise der Flotte. Liv.XXIX) Flotten von Sicilien und aus eben diesem Hafen Lilybäum abgehen sehen, aber weder im gegenwärtigen, noch in den vergangenen Krie gen war keine mit einer grössern Menge von Zuschauern beehret worden, als diese. Wenn man zwar von einer Flotte nach ihrer Grös se urtheilen wollte, so hatte man schon vor her einige gesehen, welche die zween Consul mit zwo Consularischen Armeen auf eben so viel Kriegsschiffen, als damals Scipio Last schiffe hatte, übers Meer gebracht. Die Wichtigkeit aber dieses zweyten Feldzugs, der weit merkwürdiger war, als der erste; die äusserste Gefahr, worinnen Jtalien, nach so vielen blutigen Niederlagen sich befunden hatte; der grosse Ruhm des Scipio, welcher sich auf seine Heldenthaten, die er schon ge than, und auf diejenigen Thaten, die man von seiner Tapferkeit und Glücke noch er wartete, gründete; das verwegene Unterneh men, nach Afrika zu gehen, woran noch kein General gedacht hatte; das Gerücht, wel ches er mit einer Art von Zuversicht ausge breitet hatte, den Hannibal aus dem Schoos von Jtalien zu reissen, und den Krieg ganz nach Afrika zu spielen, wo er auch sein Ende er reichen sollte. Alles dieses hatte bey dem Volke eine unbeschreibliche Neugier, und ei ne ausserordentliche Aufmerksamkeit auf das
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(d. 548. J. n. R. E. d. 205. J. v. C. G.) Abseegeln der Flotte verursacht. Der Ha fen war nicht allein von Lilybäern angefül let, sondern es war auch eine grosse Menge Abgeordneter von allen Sicilianischen Völ kern zugegen, die theils aus Verlangen, dem Scipio aufzuwarten, theils in ihren An gelegenheiten bey dem Prätor Pomponius, in diese Stadt gekommen waren. Die Sol daten von denjenigen Legionen, welche in Sicilien blieben, lieffen gleichfals dahin, von ihren Kameraden Abschied zu nehmen. Und wenn die Flotte die Augen so vieler Zuschau er, die den Hafen und den ganzen Strand anfülleten, auf sich zog, so war diese Menge selbst ein nicht wenig schöner Anblick vor die Flotte. Kaum war der Tag angebrochen, so sa he man den Scipio auf dem Verdecke des Admiralschiffes, und, nachdem er denen He rolden befohlen, ein Stillschweigen zu gebie ten, betete er folgender massen:Jhr Göt ter und Göttinnen der Erde und des Meers, ich bitte und flehe euch, allen meinen Unternehmungen, welche ich im Sinne führe, und ins künftige zu bewerk stelligen haben werde, einen glücklichen Ausgang zu geben. Machet, daß sie so wohl zu meiner, als des Römischen Vol kes, und derer lateinischen Bundsgenos sen, wie auch aller derjenigen, die die Waffen unter dem Schutze des Römischen Volkes und voritzo unter meiner Anfüh rung zu Wasser und Lande tragen, Nutzen
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und Ehre gereichen mögen. Gebet uns(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Sieg über unsere Feinde, und bringet uns mit reicher Beute, Gesundheit und Freude in unser Vaterland zurück. Zeiget uns Mittel und Wege, uns an unsern Fein den zu rächen, und lasset alles das Un glück, womit uns die Carthaginenser be drohet, über ihre Republick kommen. Man schlachtete nach diesem Gebete das Op fer, wovon, wie gewöhnlich, das rohe Ein geweide ins Meer geworffen ward, und end lich wurde die Abreise durch Trompetenschall angekündiget. Nachdem sie mit einem günstigen Winde abgesegelt waren, verlohren sie bald das U fer aus dem Gesichte. Gegen Mittag aber entstand ein so dicker Nebel, daß es kaum möglich war zu verhindern, daß sich die Schiffe nicht unter einander stiessen. So bald sie weiter hinaus in die offene See ka men, legte sich der Wind, der Nebel, wel cher noch die folgende Nacht währete, zer theilte sich bey dem Aufgange der Sonnen, und der Wind fing von neuen an, sie mit gleicher Stärcke fortzutreiben, so daß sie bald das feste Land sahen. Kurtz darauf meldete der Steuermann dem Scipio, daß sie nur noch fünf tausend Schritt (ohnge fähr eine deutsche Meile) von Afrika wären. Er würde das (*) Vorgebürge des Mer 54
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) curius bald sehen, und, wenn er beföhle sich nach dieser Selte hin zu wenden, würde die gantze Flotte bald in den Hafen einlauffen. Sie hatte noch den vorigen Wind. Es ent stand aber ein eben so dicker Nebel, als der vorige gewesen war, mit dem fast zu gleicher Zeit, da er sie der Aussicht nach dem festen Lande beraubte, der Wind aufhörte. Die Nacht kam darzwischen, so daß es ganz und gar ohnmöglich war, an ihre Anlandung zu gedenken. Damit nun die Schiffe sich nicht untereinander stossen noch gegen den Strom gehen möchten, warfen sie den Anker. Der Wind erhob sich wiederum bey anbrechen dem Tage, und nachdem der Nebel auch ver gangen, erkannte man das ganze Ufer von Afrika. Scipio erkundigte sich, wie das nächste Vorgebürge hiesse, und da man ihm hierauf antwortete, daß es das Schöne genen net würde, sagte er:Dieser Name ist ein gu tes Vorzeichen; landet an diesem Orte an. Es wurden sogleich alle Vordertheile gegen diese Seite gewendet, und die Trupen stiegen ans Land. (Der Schreck breitet sich auf dem Lan de und in den Städten aus. Liv.XXIX. 28.) Nach der Ausschiffung besetzten die Rö mer sogleich die nächsten Höhen. Gleich bey dem Anblicke der Flotte und der Soldaten, welche hauffenweise aus ihren Schiffen stie gen, hatte sich das Schrecken und die Be stürzung, nicht allein in den nähesten Dör fern, sondern auch in denen Städten selbst aus gebreitet. Alle Wege waren mit einer un ordentlichen Menge von Männern, Weibern
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und Kindern, die ihre Heerden vor sich her(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) trieben, angefüllet, so daß man wohl hätte sagen können, Afrika sey von allen seinen Ein wohnern verlassen. Die Landleute setzten die Städte in eine noch grössere Furcht, als sie bishero gehabt hatten. Besonders Car thago war in solcher Angst und Schrecken, als wenn es schon wirklich bestürmet und eingenommen wäre. Denn seit der Zeit der Consuln Regulus und Manlius, nämlich, seit mehr denn funfzig Jahren, hatten die Car thaginenser keine Römische Armee in ihren Landen gesehen. Alle Feindseeligkeiten hat ten nur in einigen Landungen, ohne weitere Fol gerungen, bestanden. Dieses machte also ih re Angst noch grösser. Uebrigens hatten sie weder eine hinlängliche Armee, noch erfahr ne Generale denen Römern und ihren Heer führern entgegen zu setzen. Hasdrubal, der Sohn des Gisgo, hatte viel Verdienste, und stand in grossem Credit, man erinnerte sich aber, daß ihn Scipio öfters in Spanien ge schlagen, und endlich gar aus dieser Provinz gejaget. Sie hielten ihn nicht für fähig, es mit dem Scipio aufnehmen zu können, noch weniger aber glaubten sie, daß ihr zusam mengerafftes Volk denen alten Legionen der Römer Widerstand thun würde. Sie grif fen indessen nicht anders, als wenn Sci pio sogleich im Augenblick Carthago an fallen würde, alsobald zum Waffen, schlossen die Thore, und stellten gewafnete Soldaten auf die Stadtmauern. Ueberall
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) waren Haupt - und Schildwachten, und blie ben die ganze Nacht munter. Fünf hundert Reiter, die sie den Tag dar (Scipio ver heert, nach dem er ein Detachement Carthageni scher Reite rey geschla gē, das Land. Livius XXIX. 28. 29.) auf gegen das Meer ausschickten, auf die Unternehmungen der Römer Acht zu haben, und sie in ihrer Ausschiffung zu beunruhigen, stiessen auf die Hauptwache der Feinde. Sci pio hatte schon die Flotte nach Utica geschicket, auch sich, nachdem er ein wenig vom Meere sich entfernet, der nächsten Anhöhen bemäch tiget, und einen Theil von seiner Reiterey an vortheilhafte Posten gestellet. Die übrigen waren indessen auf das Land zum Rauben ausgegangen. Es fiel ein Scharmützel zwi schen der Reiterey vor, welches vor die Car thaginenser nicht gar vortheilhaft aus schlug. Es blieben einige auf dem Platze, die meisten aber auf der Flucht. Unter diesem war Hünno, ein junger Carthaginensischer Officier und Anführer dieses Corps. Sci pio begnügte sich nicht mit der Verheerung des herumliegenden Landes, sondern er nahm auch eine ziemlich reiche Stadt in der Nach barschaft ein, wo er ausser einer ansehnlichen Beute, die er sogleich auf seine Schiffe brin gen ließ, und nach Sicilien sendete, acht tausend so wohl freye als Sklaven zu Gefan genen machte. (Masinissa vereiniget sich mit dem Scipio. Livius XXIX. 29. 33.) Jm Anfange eines Feldzuges, der gleichen dieser der Römer wider Afrika war, ist ein geringer glücklicher Zufall öfters von grosser Wichtigkeit, zum wenigsten alle mahl angenehm. Scipio empfing den Ma
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sinissa mit vieler Freude in seinem Lager.(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Dieser Fürst, ob er gleich damahls noch jung schiene, hatte doch schon allerhand besondre Un glücksfälle erduldet, indem er seines Reichs beraubt gewesen, und öfters mit Lebensge fahr aus einer Provinz in die andre zu flie hen war genöthiget worden. Syphax, von dem Hasdrubal angereitzet, hatte sich wider ihn erkläret und ihn mit einem grausamen Krieg überzogen. Syphax war König der Massylier, und Masinissa der Masäsylier. Beyde Völker führten den Namen der Nu midier. Masinissa vereinigte sich also mit dem Scipio, nach einiger Vorgeben, mit zwey tausend, nach anderr ihrem aber nur mit zwey hundert Pferden. Die üble Be schaffenheit seiner Umstände macht diese letz tere Meinung wahrscheinlicher. Nachdem die Carthaginenser frische Tru pen angeworben hatten, richteten sie an die Stelle des Corps Reiterey, welches mit sei nem Anführer von den Römern gänzlich war aufgerieben worden, ein neues auf, und setzten über dasselbe den Hanno, einen Sohn des Hamilcars. Sie liessen den Hasdrubal und den Syphax durch Briefe und Gesand ten ersuchen, daß sie sich gegen die Römer fertig halten möchten. Sie befahlen dem ei nen, zum Entsatz seines Vaterlandes, das von den Feinden fast belagert gehalten wur de, zu kommen, und baten den andern, sich Carthagens und des ganzen Afrika anzuneh men. Scipio hatte damals kaum tausend
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Schritte von Utika sein Lager aufgeschlagen, da er einige Tage vorher noch an dem jen seitigen Ufer des Meeres mit seiner Flotte ge wesen war. (Treffen zwi schen der Reiterey. Hanno wird vom Scipio geschlagen u. getödtet. Liv.XXIX. 34.) Weil Hanno mit den Reitern, die man ihm anvertrauet hatte, an statt die Feinde angreiffen zu können, nicht einmahl ihrer Reiterey gewachsen war, so ließ er seine er ste Sorge seyn, seine Trupen durch Anwer bung zu vermehren. Vor allen andern Völkern nahm er insonderheit so viel Numi dier, als er nur bekommen konnte, weil sie unter allen Afrikanern die besten Soldaten zu Pferde sind. Er hatte ohngefehr 4000 Pferde beysammen, als er sich in die Stadt Salerna einschloß. Nachdem Scipio den Masinissa wohl unterrichtet, was ihm zu thun obliegen würde, befahl er ihm, sich den Stadt - Thoren zu nähern, und durch das öftere Herumschwenken den Feind zum Tref fen zu nöthigen. Sie thaten wirklich einen Ausfall, und giengen auf den Masinissa los. Der Streit nahm nach und nach seinen An fang, und war lange Zeit zweifelhaft. Als aber dieser Fürst sahe, daß sie ihm weit über legen wären, verließ er das Schlachtfeld, doch nicht mit einer übereilten Flucht, son dern er zog sich in der schönsten Ordnung zurück, bis er die Feinde an diejenigen Hü gel, hinter denen die Römische Reiterey ver steckt lag, gezogen hatte. Die Trupen des Scipio, die eben so frisch, als ihre Pferde, waren, brachen sogleich hervor, und umrin
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geten den Hanno mit seinen Afrikanern, die(d. 548. J. n R. E. d. 204. J. v. C. G.) in dem Treffen mit dem Masinissa und in seiner Verfolgung schon sehr abgemattet worden. Masinissa wendete sich gleichfals, und fing den Streit von neuem an. Han no wurde nebst ohngefehr tausend Reitern, die seinen Vortrupp ausmachten, durch die Römer von der Stadt abgeschnitten und gänzlich ausser Stand gesetzet, sich zu ret ten. Er blieb also mit den meisten auf dem Platze. Die übrigen, durch die Niederlage ihres Anführers erschreckt, ergriffen sporn streichs die Flucht. Der Ueberwinder setzte ihnen auf zehn tausend Schritte weit nach, und was er nicht tödtete, nahm er gefan gen. Die Anzahl davon belief sich auf zwey tausend, darunter sich zweyhundert Cartha ginensische Reiter befanden, die sowohl we gen ihrer Geburt, als Reichthums, sehr be kannt waren. An eben dem Tage, da das Treffen vor sich ging, kamen die Schiffe, welche die erste Beute nach Sicilien überbracht hatten, mit neuem Proviant zurück. Scipio beschenkte seine Officiers nach Be finden ihrer Tapferkeit, den Masinissa aber zog er allen andern vor. Jn Salerna legte(Scipio sengt und brennt in Afrika. Liv. XXIX. 35.) er eine starke Besatzung, und, nachdem er mit seinen Truppen abmarschiret, sengte und brennte er nicht allein in den Gegenden, durch welche er zog, sondern er eroberte auch auf dem Marsche viele Städte und Dörfer.
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Da er nun durch seine Waffen alles in Schrecken gesetzet hatte, kam er, nach einer Abwesenheit von zween Tagen, mit einer grossen Menge von Menschen und Thieren in sein Lager zurück. Er brachte gleichfalls viele Beute mit, die er sogleich auf die Schiffe bringen, und zum zweytenmal wohl beladen nach Sicilien abseegeln ließ. Nach dem der Ueberwinder das Plündern und an dere Unternehmungen von wenigerer Folge ein wenig beyseit gesetzt, richtete er alle seine (Er belagert Utika, muß aber die Be lagerung aufheben.) Kräfte wider die Stadt Utika, in der Ab sicht, daß, wenn er diesen Ort eroberte, er einen zur Ausführung seiner Entwürfe sehr wohlgelegenen Waffenplatz daraus machen wollte. Nachdem er nun mit allen zur Be lagerung gehörigen Maschinen versehen war, griff er diese Stadt zu Wasser und zu Lande an. Carthago machte eben so viel Bewe gungen, sie zu entsetzen, als wenn es selbst belagert wäre. Hasdrubal warb in mög lichster Eil dreyßig tausend Mann zu Fuß, und dreytausend Reiter an. Ohngeachtet einer so starken Armee hatte er doch nicht das Herz, sich diesem Orte eher zu nähern, als bis sich der Syphax mit ihm vereiniget hatte. Dieser Fürst kam endlich mit zehn tausend Pferden und funfzig tausend Mann zu Fuß an. Hasdrubal begab sich sogleich mit diesem Fürsten auf den Marsch, und schlugen ihr Lager ganz nahe bey Utika und denen Verschanzungen der Römer auf. Die Frucht, welche die Carthaginenser von einer
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so starken Zurüstung genossen, war, daß sie(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) den Scipio die Belagerung von Utika auf zuheben nöthigten, nachdem er vierzig Tage alle nur mögliche Kräffte angewendet, sich derselben zu bemeistern. Als nun der Win ter heran kam, zog er sich auf ein Vorgebür ge, das ziemlich weit ins Meer ging, und mit dem festen Lande durch einen schmalen Erdstrich verbunden war, zurück, er schloß in dieser Verschanzung seine Armee zu Wasser und Lande ein. Ausser dem Getreyde, welches der Scipio(Dem Scipio wird Provi ant zuge schickt. Livius XXIX. 36.) auf dem Lande zusammen gebracht hatte, und demjenigen, das ihm aus Sicilien und Jtalien zugeschickt wurde, überbrachte ihm der Pro prätor Cn. Octavius nach einen grössern Vorrath, der ihm von dem Prätor Sardi niens T. Claudius aus dieser Provinz gesandt wurde; so daß er nicht allein seine Magazine, die er schon hatte, davon anfüllete, sondern auch neue anzulegen genö thiget wurde. Weil seine Soldaten keine Montirung hatten, schickte er eben diesen Octavius nach Sardinien, sich dieserhalben mit dem Prätor dieser Provinz zu bereden. Er brachte es auch dahin, daß man in kur tzem zwölf hundert lange Oberkleider, (to- gas,) und zwölf tausend enge Unterkleider, (tunicas,) für die Armee von dar über brachte. Jn eben diesem Feldzuge, als dieses in A(Der Consul Sempronius wird von) frika vorginge, wurde der Consul P. Sem
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) pronius, der in der Provinz Brutium com mandirte, von dem Hannibal auf dem Mar sche angegriffen. Beyde Heere stritten (Hannibal ge schlagen, er schlägt ihn aber wieder mit grossem Vortheil.) mehr Plottons - weise, als in einem ordentli chen Treffen. Der Consul wurde endlich mit einem Verlust von zwölf hundert Mann zurück geschlagen. Er setzte sich aber in ziem licher Ordnung wieder auf einem Platze, wo Hannibal sich nicht unterstand ihn von neuen anzupacken. Der Consul verließ hier auf die folgende Nacht seinen Posten, nach dem er vorher dem Proconsul P. Lucinius hatte wissen lassen, daß er mit seinen Legio nen zu ihm stossen sollte. So bald beyde Gene rale sich vereiniget hatten, suchten sie den Han nibal auf, ihm eine Schlacht anzubieten, die er ohne Anstand annahm. Der kurz vor her erlangte Sieg hatte dem Hannibal Muth gemacht, und Sempronius wurde durch die Vermehrung seiner Trupen angefeuert. Der Consul stellte seine Trupen in das erste Treffen, des Lucinius seine kamen in das hintre Treffen zu stehen. Er schlug die Car thaginenser, und nöthigte sie zur Flucht. Er tödtete ihrer mehr als vier tausend, machte dreyhundert Gefangene, und eroberte vierzig Pferde und eilf Fahnen. Hannibal, der durch diese Niederlage sehr war geschwächt worden, führte seine übrigen Trupen nach Croton. Während daß dieses vorgieng, hielt der Consul M. Cornelius in dem andern Theile Jtaliens die Hetrurier mehr durch Gesetze,
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als durch die Strenge der Waffen im Zaum,(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) und trachtete auf solche Art diejenigen wie der zum Gehorsam zu bringen, die sich bey Annäherung des Mago fast alle, aus Liebe zur Veränderung, und aus Verlangen nach einer andern Herrschafft, hatten hinreis sen lassen. Zu Rom lasen die Censorn M. Livius und C. Claudius den Rath ab. Q. Fabius wur de zum zweytenmale zum Oberhaupte des Raths ernennet. Sie legten eine neue Auf lage aufs Salz, zum wenigsten erhöheten sie die vorige, ich habe hiervon anderwärts gedacht. Die Zählung kam später, als gewöhnlich, zu Stande, weil die Censorn in alle Provinzen herumschickten, hinter die Zahl der Soldaten, aus denen jede Armee bestünde, zu kommen. Man fand, daß die aus alten Bürgern be stehende, sich auf vierzehen tausend Mann belief. C. Claudius schloß die Musterung, nämlich die Ceremonie der Zählung. Hierauf schritt man zur Ablesung der Rit ter, und durch einen besondren Zufall befan den sich beyde Censorn selbst unter dieser Zahl. Als man auf die Zunft mit Namen Pollia, in welcher M. Livius war, kam, und der Aus rufer Bedencken trug, den Censor selbst mit abzulesen, rufte ihm der Nero zu:Nennet den M. Livius; es sey nun, daß er es aus Feindschaft that, oder eine rauhe Strenge sehen zu lassen, damit er ihn nöthigte, sein
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Pferd abzuschaffen (*) unter dem Vorwan de, daß er von dem Volke wäre verdammet worden. M. Livius seiner Seits nöthigte den Nero bey Ablesung der Marnischen Zunft, unter welcher dieser stand, sein Pferd aus zwo Ursachen zu verkauffen; erstlich, weil er wider ihn ein falsch Zeugniß abgeleget, und zweytens, weil er sich mit ihm nicht aufrich tig ausgesöhnet hatte. Solchergestallt war das ganze Römische Volk Zeuge von einem Streite zwischen zween Censorn, die mit grosser Verbitterung einer den andern seiner Ehre zu berauben such ten. Man kan leicht erachten, wie viel Auf sehen dieses Betragen gemachet habe. Als es nun drauf beruhte, wer sein Amt nieder legen sollte, that, wie gewöhnlich, der C. Clau dius einen Eid, daß er nichts wider die vor geschriebene Gesetze begangen hätte; und, nachdem er in die allgemeine Schatzkammer gegangen, setzte er seinen Collegen unter die Zahl derjenigen, denen man den schimpflichen Namen der Tributanier beyleget. (*) (ae- rarios) M. Livius ging in seiner Rache noch weiter. Denn als er nach seinem Collegen in die öffentliche Schatzkammer gekommen 55 56
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war, thate er dem ganzen Römischen Volke,(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) nämlich vier und dreyßig Zünften, die Zunft Metia ausgenommen, die ihn bey seiner Ver dammung weder verdammet, noch auch nach her zum Consul und Censor erwählet hatte, eben den Schimpf an. Er sagte, es geschä he dieses zur Strafe, weil sie ihn erst auf ei ne ungerechte Weise verdammt, und nach diesem zum Consul und Censor ernennet hät ten, indem sie nicht leugnen könnten, daß sie sich entweder einmahl vergangen in dem Ur theil, das sie wider ihn ausgesprochen, oder zweymahl in den Versammlungen, darinnen sie ihn nach seiner Verdammung zu Eh renstellen erhoben hätten. Er erklärte sich ferner, daß auch Claudius mit unter den vier und dreyßig Stämmen begriffen wäre, und wenn er ein Beyspiel wüste, daß ein Bürger zu gleicher Zeit zweymahl zu einer Strafe wäre verdammet worden, würde er nicht unterlassen haben, dieses Kennzeichen den C. Claudius besonders einzudrucken. Das Urtheil, welches Titus Livius über die Aufführung der Censoren fället, ist merk würdig. Er findet das Bezeigen des Livius in Betrachtung des Volcks gut. Er sagt: (*) das Volk hätte wohl verdient, seiner Unbe ständigkeit wegen getadelt zu werden, und der Vorwurf, den man ihm deswegen machte, käme vollkommen mit der Strengigkeit eines 57
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(d. 548. J. n. R. E. d. 204. J. v. C. G.) Censoren und der Ernsthafftigkeit eines der Magistrats-Personen damaliger Zeit überein. Die Heftigkeit aber, welche die beyden Cen sorn gegen einander bezeigt, gäbe ein böses Beyspiel, und rühre von ihrem wunderlichen Kopfe her, dadurch sie ihre weise Auffüh rung, die sie während des Consulats bewie sen, verunehret, und auf gewisse Art ihre schönsten Thaten besudelt hätten. Dieses Bezeigen machte sie auch wirklich verhaßt. Und sobald sie ihr Amt niedergeleget hatten, glaubte Cn. Bebius, einer von den Tribu nen des Volks, eine Gelegenheit gefunden zu haben, sich auf ihre Unkosten erheben zu können. Er klagte sie bey dem Volke an, die Rathsherren aber, die die Würde eines Censors nicht aufs künftige dem Eigensinn des Pöbels Preis geben wollten, legten die Sa che bey. Als die Wahlzeit heran nahete, ließ man den M. Cornelius, welcher keinen Krieg mehr in Hetrurien hatte, eher, als den Sempronius, der noch den Hannibal vor sich hatte, nach Rom zurück kommen. Man machte den C. Servilius Cäpio und C. Ser vilius Geminus zu Consuln, und schritt so dann auch zur Wahl der übrigen Rathsper sonen.

§. II.

Theilung der Provinzen unter die Consuln. Lobs erhebung des Licinius. Das Commando wird dem Scipio verlängert. Die Consuln begeben sich zu ihren angewiesenen Posten. Scipio hat
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eine grosse Unternehmung im Sinne, unterhält indessen den Syphax mit der Hofnung eines Ver gleichs. Scipio entdeckt sein Vorhaben, welches darinnen besteht, die zwey feindlichen Lager zu verbrennen, so er auch glücklich bewerkstelliget. Allgemeine BestürznngBestürzung in Carthago. Die Car thaginenser und Syphax bringen zur Fortsetzung des Krieges neue Trupen auf die Beine. Es kommt zu einer Schlacht. Scipio trägt den Sieg davon. Er bemeistert sich aller unter Car thaginensischer Botmäßigkeit stehenden Städte. Bestürzung der Einwohner von Carthago. Han nibal wird nach Afrika zurück berufen. Die Carthaginenser greiffen die Römische Flotte an, und erhalten einige kleine Vortheile. Masinissa wird in sein voriges Reich eingesetzt. Syphax wirbt neue Trupen an. Er wird von dem Lä lius und Masinissa überwunden und gefangen genommen. Cirtha, die Hauptstadt in den Staa ten des Syphax, ergiebt sich dem Masinissa. Anrede der Sophonisbe an den Masinissa. Ma sinissa vermählt sich mit der Sophonisbe. Sy phax wird in das Lager der Römer gebracht. Er will sich vor dem Scipio durch die Anklage der Sophonisbe rechtfertigen. Scipio bezeiget dem Masinissa sein Misvergnügen auf eine gelinde und behutsame Art. Masinissa schickt der So phonisbe Gift. Sie nimt es mit Standhaftig keit. Scipio tröstet den Masinissa, und über häufft ihn mit Lobsprüchen. Lälius bringt den Syphax und die Gefangenen nach Rom. Die Carthaginenser lassen den Scipio um Frieden bit ten. Die Bedingungen des Friedens, welche Sci pio vorschlägt. Lälius kömmt in Rom an. Die Freude, welche die in Afrika erhaltenen Siege da selbst verursachet. Die Abgesandten des Masi nissa werden von dem Senate sehr wohl empfan gen. Mago wird überwunden. Er erhält Be fehl nach Afrika zurück zu kommen. Er stirbt auf dem Wege.
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.)

(Die Austhei lung der Pro vinzen unter die Consuls. Livius XXX. 1.) Diese zwey Consuls traten ihr Amt in dem sechzehenden Jahre des zweyten Puni schen Krieges an. Sie loßten um die Provin zen, und Cäpio bekam Brutium, Servilius Geminus aber Hetrurien. Hierauf theilte man auch die übrigen Bezirke der Consulare aus. P. Licinius, welcher das Jahr seines Con sulats und das darauf folgende commandirt hatte, ward zurück geruffen. Livius macht uns hier ein Bild von ihm, welches ihn uns als einen vollkommenen Mann abmahlet. Er besaß alle äusserliche Vortheile der Na tur und des Glücks, Geburth, Reichthum, eine schöne Bildung, und eine ansehnliche Gestalt. Er war in allen Arten der Bered samkeit geübt: gleich geschickt vor dem Ge richte zu klagen, oder vor dem Senate eine Meinung zu behaupten, oder vor dem Vol ke zu reden. Weil er oberster Priester war, so hatte er sich ganz besonders auf die Kennt niß der Religionsgesetze gelegt, und war sehr geschickt darinne geworden. Zu allen die sen erlangten oder natürlichen Eigenschaf ten, welche er alle in einem Grade besaß, als sie nur ein Römer seiner Zeit besitzen konnte, fügte er noch die kriegrischen Voll kommenheiten, und sein Consulat hatte ihm Gelegenheit gegeben sie sehen zu lassen.
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Die Dauer des Commando war für(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) alle andre fest gesetzt. Dem Scipio aber beschloß man das seinige zu lassen, bis der Krieg in Afrika zu Stande sey, ohne eine ge=(Das Com mando wird dem Scipio verlängert.) wisse Zeit zu bestimmen. Man stellte öffent liche Gebeter an, um die Götter zu flehen, das Unternehmen des Scipio, welches er durch seinen Uebergang nach Afrika schon glücklich angefangen hatte, zu segnen. Die Stärke zu Wasser und zu Land, mit welcher das Römische Volk dieses Jahr den Krieg fortsetzte, belief sich auf zwanzig Legionen, und hundert und sechzig grosse Schiffe. Als die Consuls allen Pflichten der Reli gion ein Genügen gethan hatten, so reiseten sie, so wohl als die Prätors, jeder nach sei ner Provinz ab. Alle aber waren vornehm lich mit Afrika beschäftigt, als ob das Schick sal es ihnen allen zu ihrem Bezirke gegeben hätte; es sey nun, weil sie glaubten, daß die Wohlfarth und der Ruhm der Republick von dem Fortgange abhange, welchen man daselbst haben werde, oder weil sie dem Sci pio einen Gefallen erweisen wollten, auf wel chen damals die Augen aller Bürger gerich tet waren. Man schaffte also nicht allein aus Sardinien, wie wir schon gesagt haben, sondern auch aus Sicilien und Spanien, Kleidung, Getreyde, Waffen, und alle Ar ten Proviants dahin. Scipio, seines Theils, handelte als der ausserordentlichste Mann; er unternahm al
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) les auf einmal, und übersah alles auf ein mal. Seine Beschäftigungen waren nicht geringe. Ausser der Belagerung von Utika, welche er fortsetzte, war er auch verbunden, gegen den Hasdrubal auf seiner Hut zu seyn, welcher sein Lager vor seinen Augen aufgeschlagen hatte. Uebrigens hatten die Carthaginenser eine wohlausgerüstete Flotte auslauffen lassen, in der Absicht, ihm die Le bensmittel abzuschneiden. (Scipio hat ein grosses Unterneh men. Unter dessen hält er den Syphax mit der Hoffnnng ei nes Ver gleichs auf. Polyb.XIV. 677. 679.) Mitten unter diesen Sorgen hatte er doch nicht gänzlich die Hofnung fahren lassen, den Syphax wieder zu gewinnen, weil er sich schmeichelte, daß vielleicht die erste Hitze seine Leidenschaft gegen Sophonisben, wel che ihn auf die Seite der Carthaginenser ge zogen hatte, würde nachgelassen haben. Ue brigens wuste er, daß sich die Numidier eben kein Gewissen machten, ihre Bündnisse zu brechen. Er machte sich also die Nachbar schaft der Armeen zu Nutze, um mit diesem Prinzen eine Unterhandlung anzufangen, und seine Gedanken auszuforschen, wenn er ihm eine kleine Hoffnung eines Vergleichs zwischen beyden Völkern merken ließ. Jn der That schmeichelte dieses auch dem Ehr geitze des Syphax so sehr, daß er sogleich ei nen Stillestand einging. (Livius XXX. 3. Appiauns vom Puni schen Kriege. s{??}. 1015.) Einige von denen, welche er an diesen Prinzen abgeschickt hatte, berichteten ihm, daß die Carthaginenser in ihrem Lager un ter Hütten wohnten, welche einzig aus Holz
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und Aesten gemacht wären, und daß die Hüt(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ten der Numidier, aus Rohr und Laub zu sammen gesetzt, theils innerhalb, theils aus serhalb dem Graben und den Verschanzun gen wären. Diese Nachricht brachte den Scipio auf einen Einfall, dem er lange nach dachte, den er aber anfangs sehr geheim hielt. Bis jetzt hatte er alle Vorschläge verworffen, welche von Seiten des Syphax gekommen waren, daß nemlich die Cartha ginenser aus Jtalien, und die Römer aus A frika gehen, und alles in dem Stande blei ben sollte, in welchem es vor dem Kriege ge wesen wäre. Nunmehr aber fing Scipio an, sich weniger schwer zu bezeigen, und that als ob er glaubte, daß das, was man ihm vorgeschlagen, möglich sey. Syphax wurde über diese Nachricht un gemein erfreuet, und gab auf diejenigen, wel che giengen und kamen, nicht mehr so genau Acht. Scipio unterließ nicht sich diese Un achtsamkeit zu Nutze zu machen. Er schick te viel öftrer und weit mehrere zugleich in das Lager des Fürsten: von beyden Theilen blieb man so gar in des andern Lager ver schiedene Tage ohne Vorsicht und Mißtrau en. Während dieser Zeit ließ Scipio mit seinen Abgeordneten verschiedene verständige Personen und verkleidete Officiers gehen, welche die Eingänge und Ausgänge des La gers bemerken, und sich nach der Art, wie die Wachten des Tags und des Nachts ab getheilet würden, erkundigen sollten. Es
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) waren zwey Lager; das eine war das Lager des Hasdrubals, in welchem man 30000 Mann zu Fuß und 3000 Pferde zehlete; das andre war das Lager der Numidier, in welchem sich 10000 Mann zu Pferde und 50000 zu Fuß befanden. Sie waren nicht weiter von einander, als zehen Stadia. (eine halbe Meile.) Man sieht also, wie nöthig es war, daß Scipio ein Mittel fand, das Treffen mit ihnen, als so überlegenen Fein den, auszuschlagen. Die Art, wie man die Sache in den Zu sammenkünften trieb, machte von Tag zu Tag dem Syphax, und durch ihn den Car thaginensern grössere Hoffnung, daß der Frie de endlich zum Schlusse gelangen würde. Als Scipio die nöthigen Maaßregeln, sein Unternehmen auszuführen, genommen hat te, so erklärten seine Abgeordneten dem Sy phax, daß ihnen Scipio verboten habe, oh ne eine ausdrückliche Antwort wieder zu kommen, weil er fände, daß die Sache all zuweit hinaus geschoben würde. Diese Art der Eilfertigkeit verführte den Fürften zu glauben, daß die Römer den Frieden sehr ängstlich verlangten, und bewog ihn, dem Vorschlage des Vergleichs noch verschiede ne neue und härtere Bedingungen hinzu zu fügen. Diese nun gaben dem Scipio einen wahrscheinlichen Vorwand, den Stillestand aufzuheben. Er sagte also zu dem Läuffer, welcher sie ihm von dem Syphax überbrach te, daß er mit seinem Kriegsrathe darüber
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zu Rathe gehen wollte; und gleich den Mor(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) gen drauf antwortete er: „daß, ob er gleich nichts eifriger wünschte, als den Frieden schliessen zu können, die von dem Syphax vorgeschlagene Bedingungen gleichwohl un erträglich schienen. Er könne also nur sei nem Herrn erklären, daß das einzige Mit tel, mit den Römern in Frieden zu leben, dieses wäre, wenn er dem Bündnisse der Carthaginenser entsagte.“ Sogleich brach er den Stillestand, damit er sein Unterneh men ausführen könnte, ohne daß man ihm die Treulosigkeit vorzuwerffen habe. Unter den Berathschlagungen hatte Sci pio seine Flotte auslauffen, und alles Kriegs geräthe darauf bringen lassen. Er hatte zu gleicher Zeit zwey tausend Mann abgeschickt, sich einer Anhöhe zu bemächtigen, von wel cher man die Stadt überstreichen konnte, und die er schon einmal inne gehabt hatte. Diese Bewegungen hatten zwey Ursachen; die erste Ursache war, daß er die Aufmerk samkeit der Feinde von seinem wahren Un ternehmen abwenden möge; die andre, daß die Einwohner von Utika, wenn er mit dem Hasdrubal und Syphax zu thun haben würde, keinen Ausfall auf sein Lager thun könnten, in welchem er sehr wenig Mann schaft lassen würde. Es gelang ihm auch, nicht allein den Feind zu betrügen, sondern auch seine eigne Trupen, welche aus den An stallten, welche er machte, nichts anders
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) schlossen, als daß sein Absehen einzig sey, Uti ka zu überraschen. Nachdem Scipio so sichere Maaßregeln (Scipio ent deckt sein Un ternehmen, die Lager der Feinde anzu zünden, und führt es auch glücklick aus. Polyb. XIV. 679.) genommen hatte, hielt er Kriegsrath, und nachdem er denjenigen, welche das feindliche Lager ausgekundschaft hatten, befohlen, von dem, was sie gesehen hätten, Rechenschaft zu geben, so bat er auch den Masinissa, wel cher besondre Kenntniß davon hatte, seine Gedanken zu sagen, und entdeckte endlich sein Unternehmen, welches darinne bestand, daß er in folgender Nacht beyde feindliche Läger anstecken wollte. Er befahl den Tri bunen die Legionen, auf das erste Zeichen, welches man ihnen nach Endigung des Kriegsraths geben würde, aus den Lagern rücken zu lassen. Die Trupen nahmen Spei se zu sich, und zogen, dem erhaltenen Be fehle gemäß, gleich nach Untergange der Sonne, aus. Einige Zeit darauf stellten sie sich in Schlachtordnung, marschirten ganz gemächlich fort, und langten, gegen Mitter nacht, bey dem feindlichen Lager an, welches von dem ihrigen ohngefehr zwey Meilen ent fernt war. Hier übergab Scipio einen Theil der Trupen dem Lälius, mit dem Befehl, nebst dem Masinissa und den Numidiern das La ger des Syphax anzufallen, und in Brand zu stecken. Zu gleicher Zeit zog er den Lälius und Masinissa bey Seite, und beschwor sie, durch Verdoppelung ihrer Wachsamkeit und Aufmerksamkeit der Unordnung vorzukom men, welche die Nacht bey Ausführung ei
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nes solchen Unternehmens verursachen könnte.(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Er selbst wolle den Hasdrubal und die Car thaginenser anfallen: er würde aber nicht eher anfangen, als bis er das Feuer in dem Lager des Syphax gesehen hätte. Er wartete nicht lange. Denn so bald das Feuer die ersten Hütten ergriffen hatte, so theilte es sich mit solcher Geschwindigkeit immer weiter und weiter aus, daß in kurzer Zeit das ganze Lagex in voller Flamme stand. Man urtheile, was für Bestürzung eine nächt liche, und so plötzliche und allgemeine Feuers brunst unter die Feinde müsse gebracht haben. Da es aber die Barbaren bloß dem Zufalle zuschrieben, und an nichts weniger als an die Römer gedachten, und also ohne Waffen und fast nacket zum Löschen herbey gelauffen waren, so fielen sie in die Hände der wohl bewaffneten Feinde, besonders der Numidier, welche Masinissa, nach seiner Kenntniß des Orts, an alle Ausgänge, durch welche man entfliehen konnte, gestellet hatte. Das Feu er erstickte viele, welche in ihren Betten nur halb erwacht waren: viele wurden erdrückt, weil sie alle zugleich durch die Thore stürzen wollten, welche viel zu enge waren, sie auf einmahl durch zu lassen. Der Schein, welchen eine so grosse Feu ersbrunst von sich gab, machte so gleich die Carthaginensischen Wachen aufmerksam. Andre, welche der Tumult aufgeweckt hatte, wurden das Feuer gleichfalls gewahr, sie fie
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) len aber in eben den Jrrthum, in welchem die Trupen des Syphax gestanden hatten. Sie glaubten, daß dieses Feuer nichts als ein ohn gefehrer Zufall wäre. Und da das Geschrey, welches die verwundeten und von den Rö mern ermordeten Soldaten erhoben, dem Schrecken zugeschrieben werden konnte, wel ches ihnen diese nächtliche Feuersbrunst ver ursachte, so wurden sie beständig die wahre Ursache zu errathen verhindert. Es mach ten sich also alle fertig den Numidiern zu Hülfe zu eilen, ohne das geringste mit sich zu nehmen, ausser was zur Löschung des Feuers dienlich seyn konnte, und weil sie nichts we niger als die Feinde fürchteten, so fielen sie ihnen ohne Waffen und Widerstand in die Hände. Alle wurden getödtet, so wohl aus Haß, welcher den Feinden gantz gewöhnlich ist, als auch darum, damit niemand übrig bliebe, welcher dem andern, von dem was vor ging, Nachricht geben könnte. Nunmehr griff Scipio die Thore des Lagers des Has drubals an, welche, wie es bey dergleichen Tumulte zu geschehen pflegt, gäntzlich ver lassen waren. Er ließ sogleich die ersten Zelte in Brand stecken. Die Flamme er schien erstlich an verschiednen Orten, bald aber vereinte sie sich, faßte das ganze Lager und verzehrte in einem Augenblicke alles, was verbrennlich war, die halb verbrannten Men schen und Thiere lieffen nach den Thoren zu, um sich zu retten; sie wurden aber gar bald selbst durch die Menge derjenigen, welche her
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aus wollten, gesperrt, weil einer über den an(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) dern stürzte und liegen blieb. Diejenigen, wel che die Flam̄e verschonet hatte, kamen durchs Schwerdt um. Bey nahe in einer einzigen Stunde waren die Läger des Syphax und des Hasdrubals verheeret. Unterdessen ka men doch die Anführer mit zwey tausend Mann zu Fuß und fünf hundert zu Pferde davon, welche aber fast alle ohne Waffen, verwundet, von dem Feuer beschädigt, und kurz ein beweinenswürdiger Rest zweyer so zahl reicher Armeen waren. Das Feuer und Schwerdt brachte auf vierzig tausend Mann und acht Elephanten um. Mehr als fünf tausend Mann blieben gefangen, unter wel chen eine grosse Anzahl der vornehmsten Car thaginenser und eilf Senakores waren. Man eroberte auch hundert und vier und siebzig Fahnen, mehr als zwey tausend und sieben hundert Numidische Pferde, sechs Elephanten, und eine unzehliche Menge von Waffen, welche der General dem Vulcan aufopferte, welcher ihm eben jetzt einen so vortrefflichen Dienst geleistet hatte. Hasdrubal hatte sich, mit einer sehr schlech ten Begleitung, in die nächste Stadt geret tet, und alle, welche dem Tode entkamen, flüchteten dahin und folgten ihrem Genera le auf dem Fusse nach. Er zog sich aber gar bald wieder heraus, weil er fürchtete, die Einwohner möchten ihn dem Scipio über liefern; worinne er sich auch nicht betrog. Kaum erschienen die Römer vor ihren Tho
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ren, als man sie ihnen eröffnete. Weil sie sich so gutwillig ergeben hatten, so geschahe ihn kein Leides. Scipio nahm hierauf noch zwey andre Städte ein, wovon er den Raub, nebst allem, was man aus der Freuersbrunst der beyden Läger gerettet hatte, den Solda ten überließ. Syphax zog sich acht Meilen weiter, in einen wohl befestigten Ort, und Hasdrubal begab sich nach Carthago, um seinen Mitbürgern Muth einzusprechen, da mit sie die Furcht nicht zu einem schlechten Schlusse verleitete. Die allerausserordentlichsten Zufälle, sagt Polybius, welche man nur anführen kan, kommen diesem nicht bey, und nichts kan uns ein gehöriges Bild davon machen. Es ist auch die schönste und kühnste von den Thaten des Scipio, obgleich sein ganzes Le ben nichts als eine Folge von vortreflichen Handlungen gewesen ist. Jn der That fehl te hier nichts, was erfordert wird, wenn ein wichtiges Unternehmen gelingen soll: eine bewunderns - würdige Aufmerksamkeit, sich die allergeringsten Oefnungen, welche der Zufall darbietet, zu Nutze zu machen; eine lebhaffte und thätige Vorsicht, welche ohne Unordnung und Eilfertigkeit die gehörigen Maaßregeln nimmt; eine gewissenhafte Ge nauigkeit, welche sich zu den geringsten Klei nigkeiten herab läßt; vor allen aber eine un durchdringliche Verschwiegenheit, welche die Seele von allen grossen Unternehmungen ist.
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Die erste Nachricht von dem Untergange(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) der beyden Armeen brachte in die Gemüther der Carthaginenser so viel Schrecken und Be stürzung, daß sie durchgängig glaubten,(Allgemeine Bestürzung der Cartha ginenser.) Scipio würde die Belagerung von Utika aufgeben, und geraden Weges auf Cartha go zueilen. Die Suffetes, welche in Car thago dasjenige vorstelleten, was in Rom die Consules waren, versammleten also den Senat, welcher in drey verschiedene Meinun gen getheilet war. Einige wollten, man sol le dem Scipio Abgeordnete entgegen schicken, welche mit ihm Frieden schliessen sollten: andre verlangten, man sollte den Hannibal zurück ruffen, um sein Vaterland gegen die Feinde zu vertheidigen, welche ihm einen plötzlichen Untergang droheten: Andre endlich ahmten in dem Unglücke der Standhaftigkeit der Rö mer nach, und behaupteten, man müsse neue Trupen auf die Beine bringen, und den Sy phax bitten, seine Bundsgenossen nicht zu verlassen, oder wegen des ersten Unglücks al le Hoffnung aufzugeben. Diese Meinung, welche durch die Gegenwart des Hasdru bals und durch das Ansehen der Barcinischen Parthey, welche dem Frieden entgegen war, unterstützt wurde, behielt vor den beyden an dern den Vorzug. Man stellte also in der Stadt und auf(Die Cartha ginenser und Syphax stel len neue Werbungen an, um den Krieg fort zusetzen.) dem Lande neue Werbungen an, und schick te Abgeordnete an den Syphax, welcher, sei ner Seits, alle Anstallten machte, den Krieg mit aller Gewalt zu erneuern. Denn seine
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Frau hatte sich nicht begnügt blosse Schmei cheleyen, wie vormals, anzuwenden, welche bey einem so verliebten Manne, als Syphax war, mächtig genug sind: sondern sie hatte die zärtlichsten und nachdrücklichsten Bitten hinzugefügt, indem sie ihn, in Thränen schwimmend, beschwur, ihren Vater und ihr Vaterland nicht zu verlassen, und nicht zu zu geben, daß Carthago von eben den Flam men verzehret würde, welche die beyden Lä ger verzehret hätten. Die Abgeordneten fügten, ihm noch mehrern Muth zu ma chen, hinzu, daß sie auf dem Wege vier tau fend Celtiberier, lauter junge und tapffere Leute, angetroffen, welche die Carthaginen sischen Officiers in Spanien angeworben hätten; und daß Hasdrubal ehestens mit ansehnlichen Trupen zu ihm stossen würde. Nachdem Syphax den Abgeordneten eine sehr vortheilhafte und verbindliche Antwort gegeben hatte, zeigte er ihnen eine grosse Menge Numidier, welche er auf dem Lande angeworben, und seit wenig Tagen mit Waffen und Pferden versehen hatte. Er versicherte sie, seine Absicht sey, alle junge Mannschafft seines Königreichs aufzubieten. „Er wüste wohl, daß sie in einem Ueberfalle, und nicht in einem Treffen, den vorigen Ver lust erlittten hätten, und daß man durch die Gewalt der Waffen überwunden seyn müs se, wenn es heissen solle, daß man dem Feinde im Kriege untergelegen habe.“ Mit dieser Antwort ließ er die Carthaginensischen
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Gesandten von sich, und wenig Tage dar(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) auf stiessen Hasdrubal und Syphax mit ih ren Trupen zusammen, welche sich auf 30000 Mann belieffen. Scipio sahe nunmehr den Syphax und(Es kömmt zum Treffen. Scipio bleibt Sieger. Polyb.XIV. 683 = 685. Livius XXX. 8.) die Carthaginenser als Feinde an, welche nicht im Stande wären, mit ihm anzubin den, und gedachte an nichts, als an die Be lagerung von Utika. Er ließ schon das Sturmgeräthe an die Mauren der Stadt führen, als er erfuhr, daß die Feinde mit neuen Armeen ins Feld gerückt wären. Er ward also genöthiget, seinen Angriff zu un terbrechen, und nachdem er, um wenigstens das Ansehen einer Belagerung fortzusetzen, den minder beträchtlichen Theil seiner Tru pen in den Linien und auf den Schiffen ge lassen hatte, zog er mit dem Kerne seiner Ar mee fort, den Feind aufzusuchen. Er lager te sich anfangs auf einer Höhe, welche eine Meile von dem Lager des Syphax entlegen war. Den Tag darauf stieg er mit seiner Reiterey in eine weite Ebne herab, welche unter dieser Höhe lag, und brachte den gan zen Tag damit zu, daß er den Feind neckte, und durch Scharmützel, welche er bis vor die Thore seines Lagers verfolgte, ihn her aus forderte. Die zwey folgenden Tage thaten die Armeen beyderseitige Anfälle, eine auf die andere, und lieferten kleine Treffen, in welchen nichts merkwürdiges vorfiel. Am vierdten Tage stellten sich beyde Thei le in völlige Schlachtordnung. Scipio stell
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) te, nach Gewohnheit der Römer, die Prin cipes in die zweyte Linie, hinter die Hastatos, welche das Vordertreffen ausmachten, und die Triarios in das Hintertreffen. Die J talienische Reiterey ließ er den rechten Flü gel, und den Masinissa mit den Numidiern den linken Flügel ausmachen. Syphax und Hasdrubal stellten ihre Numidier der Jta lienischen Reiterey, und die Carthaginenser dem Masinissa entgegen. Die Celtiberier waren in dem mittlern Treffen, und sollten mit den Römischen Legionen, welche gegen über standen, fechten. Jn dieser Ordnung nun wurden sie handgemenge. Gleich bey dem ersten Anfalle, wichen die zwey feindli chen Flügel zurück. Die Numidier des Sy phax, welches grösten Theils nichts als Bau ern waren, konnten der Römischen Reiterey nicht widerstehen; auch die Carthaginenser, welches gleichfalls lauter neu angeworbene Leute waren, dem Masinissa nicht, welcher zu seiner Tapferkeit und Erfahrung jetzo die Unbiegsamkeit fügte, welche ein kürzlich er haltener Sieg zu geben pflegt. Die Celti berier, ob sie gleich verlassen, und durch die Flucht der Flügel auf beyden Seiten unbe deckt waren, blieben auf ihrem Platze, weil sie das Land nicht kannten, und also wenig Heil in der Flucht zu finden hoffen durfften; die Untreue übrigens, welche sie die Waffen wider die Römer ergreiffen lassen, die doch die Wohlthäter ihrer Nation waren, und in dem ganzen Spanischen Kriege nicht die ge
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ringste Feindseligkeit gegen sie ausgeübet hat(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ten, benahm ihnen alle Hoffnung, Quartier zu bekommen. Sobald die Flügel gebrochen waren, wurden sie von den Principibus und Triariis umringt, und nunmehr fing sich ein entsetzliches Niedermetzeln an, welchem weni ge entkamen. Unterdessen waren die Celti berier den Carthaginensern doch sehr nützlich. Sie stritten nicht allein sehr muthig, sondern machten auch, daß sie sich vortheilhaffter zu rücke ziehen konnten. Hätten die Römer sie nicht vor sich gehabt, so würden sie sogleich den Flüchtigen nachgesetzt haben, und als dann wäre vielleicht nicht ein einziger davon gekommen. Jhr langer Widerstand gab dem Syphax Zeit, sich mit seiner Reiterey zurück zu ziehen, und dem Hasdrudal, mit dem Rest seiner Trupen nach Carthago zu fliehen. Den Tag darauf schickte Scipio den Lä(Scipio un terwirft sich alle nahe Städte, wel che unter die Bothmäßig keit der Car thaginenser gehören.) lius und Masinissa, mit der ganzen Römi schen und Numidischen Reiterey und einiger Mannschafft zu Fuß, den Flüchtigen nach. Er selbst brachte mit der übrigen Armee alle nahgelegene Städte unter die Römische Bothmäßigkeit, und gebrauchte Furcht und Gewalt gegen diejenigen, welche sich nicht gutwillig ergeben wollten. Das ganze Land, welches des langen Krieges überdrüs sig, und durch die vielen Auflagen erschöpfft war, hatte sich lange zu einem allgemeinen Aufstande gefaßt gemacht.
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Obschon die Verbrennung der beyden Lä ger die Gemüther in Carthago sehr erschüt tert hatte, so ward doch die Verwirrung (Bestürtzung in Cartha go.) durch den Verlust der Schlacht weit grösser. Dieses zweyte Unglück schlug sie nieder, und ließ sie alle Hoffnung verlieren, weil sie ge wiß glaubten, Scipio würde die Waffen, sobald er das Land umher eingenommen hät te, gegen die Hauptstadt wenden. Unter dessen fanden sich doch noch einige weise und großmüthige Senatores, welche sich bemü heten, bey diesem niederschlagenden Unster ne, den Muth ihrer Mitbürger aufzurichten, und sie zu einem tapfern Entschlusse zu be wegen. Sie waren der Meinung, man soll te die Römer, welche vor Utika wären, zu Wasser angreiffen; man sollte sie suchen zu nöthigen, daß sie die Belagerung aufhüben, und ihnen ein Seetreffen anbieten, wann sie es sich am wenigsten vermuthen, und nichts bereit haben würden, einen solchen Anfall auszuhalten. Andre fügten hinzu, daß man ohne Anstand Abgeordnete an den Hanni bal nach Jtalien schicken müsse, damit er nach Afrika zurück komme, weil, wenn man auch zur See glücklich wäre, dieser Vortheil der Stadt Utika wohl zustatten komme, Car thago aber von selner Furcht nicht befreyet würde, welcher Hannibal nur und seine Ar mee abhelffen könnten. Noch andre stellten vor, das allernöthigste sey, Carthago zu be festigen, es gegen die Ueberraschung zu versi chern, und in den Stand zu setzen, daß es
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eine förmliche Belagerung aushalten könne.(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Diese drey Meinungen wurden vereiniget, und sogleich in Ausführung gebracht. Den Tag drauf lief die Flotte aus, die Abgeord(Hannibal wird nach Afrika zu rück geruf fen.) neten giengen nach Jtalien ab, und an den Befestigungswerken der Stadt fieng man mit einem unglaublichen Eifer an zu arbei ten. Da Scipio nirgends, wo er mit seiner siegenden Armee hingekommen war, Wider stand gefunden hatte, so hatte er ansehnliche Beute gemacht. Er befand es vor gut, sie in sein erstes Lager vor Utika bringen zu las sen, mit seinen Trupen auf Tunis los zu ge hen, und sein Lager in dem Angesichte der Carthaginenser aufzuschlagen, in der Mei nung, daß seine Annäherung eine allgemeine Bestürzung unter sie bringen würde. Die se hatten in wenig Tagen ihre Flotte ausge rüstet, und sie mit den nöthigen Lebensmit teln versehen, und waren eben im Begriff, unter Segel zu gehen, und ihr Unternehmen auszuführen, als Scipio bey Tunis anlang te. Diejenigen, welche in diesem Orte zur Besatzung lagen, zogen sich aus Furcht, sie möchten überfallen und gezwungen werden, zurücke. Tunis war ohngefehr fünf oder sechs Meilen von Carthago. Die Römer fingen schon an sich an die sem Ort zu verschanzen, als sie die feindliche Flotte sahen, welche von Cartvago nach Uti ka ablief. Scipio befahl ihnen also, sogleich
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) die Arbeit zu unterbrechen, und sich auf den Marsch zu begeben, weil er befürchtete, die Schiffe, welche er vor Utika gelassen habe, möchten überrascht, und von den Carthagi nensischen Schiffen in Unordnung gebracht werden, welchen sie nicht im Stande waren zu widerstehen, weil jene weit geschwinder, und mit allen Nothwendigkeiten versehen waren, welche zu einem Seetreffen erfordert werden; die Römischen Schiffe gegentheils waren mit nichts als Sturmgeräthe verse hen, und also zu nichts weniger als zum Streite geschickt. Er hielt sich hier nicht an die Gewohnheit, welche man in dergleichen Schlachten gemeiniglich zu beobachten pflegt. Nachdem er die Kriegsschiffe in das Hinter treffen, nahe an das Ufer gestellet hatte, ob sie schon eigentlich bestimmt sind die andern zu vertheidigen, so stellte er dem Feinde auf der Seite des Meers alle seine Lastschiffe ent gegen, mit welchen er, so zu reden, eine vier fache Mauer gezogen hatte. Damit er nun verhinderte, daß sie in dem Tumulte nicht von einander getrennet würden, so ließ er sie alle zusammen binden, indem er die Masten aus einem Schiffe über das andere legen, und sie mit grossen Stricken befestigen ließ, so daß sie ein unzertrennlich ganzes aus machten. Hierauf ließ er sie mit Brettern belegen, damit die Soldaten aus einem in das andre gehen könnten; und in dieser Art einer aus Brettern gemachten Brücke ließ er hin und wieder Zwischenräume, durch
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welche die Kähne aus den Barquen hervor(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) kommen, den Feind ausspähen und sich wieder in Sicherheit begeben könnten. Als dieses alles auf das schleinigste ins Werk gerichtet war, so stellte er auf die Lastschiffe ohngefehr zwey tausend auserlesene Leute, ließ alle Arten Pfeile dahin bringen, beson ders solche in grosser Menge, welche von wei ten geschleidert werden, damit kein Mangel daran wäre, das Treffen möchte auch noch so lange anhalten. Nach diesen Vorberei tungen, und in dieser Ordnung, erwarteten sie den Feind, in der Absicht, ihn wohl zu empfangen. Hätten die Carthaginenser durchaus kei ne Zeit verlohren, so hätten sie die Römer in ihrer größten Verwirrung überfallen, und in dem ersten Anfalle übern Hauffen werffen können. Weil sie aber noch ganz über dem Verlust bestürzt waren, welchen sie zu Lan de erlitten hatten, und sich auf dem Meere nicht viel getrauten, ob sie schon weit stär ker waren, so schifften sie einen ganzen Tag ungemein langsam, und langten erst mit Un tergange der Sonne in dem Hafen an, wel chen die Afrikaner Ruscinum nennen. Den Tag darauf setzten sie mit Aufgang der Sonne ihre Schiffe auf der Höhe in Stand, als ob sie ein förmliches Treffen liefern soll ten, und glaubten gewiß, die Römer wür den sie angreiffen. Jn dieser Stellung blie ben sie ziemlich lange, weil sie aber sahen, daß die Römer nicht die geringste Bewegung
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) machten, so stüzrten sie endlich auf die Last schiffe. Diese That hatte nichts weniger als das Ansehen einer Seeschlacht, es schien viel mehr ein Anfall zu seyn, welchen die Schif fe auf eine Mauer thäten. Weil die Last schiffe der Römer weit höher waren, als die feindlichen Galeeren, so waren die meisten Pfeile der Carthaginenser, welche von un ten heran geworffen wurden, ohne Frucht; anstatt daß die Pfeile der Römer, welche von oben herab flelen, alle ihre Gewalt hat ten. Als die Carthaginenser lange Zeit die sen Regen von Pfeilen, welcher ihnen ziem lich beschwerlich war, ausgehalten hatten, fin gen sie an von ihren Schiffen die eisernen Ha cken, welche man harpagones nannte, auf die Lastkähne zu bringen, und als die Römer sie eben so wenig, als die Ketten, woran sie befestiget waren, abhauen konnten, so zog je de Galeere, welche ein Lastschiff damit gefaßt hatte, nicht allein das Lastschiff mit sich fort, sondern auch die ganze Linie, wovon es ein Theil war, bis die Stricke, mit welchen es an die andern gebunden war, rissen. Die ser harte Riß brachte die Bretter ausein ander, aus welchen die Brücken bestunden, so daß die Römischen Soldaten kaum Zeit hatten, sich auf die andre Reihe der Barquen zurück zu ziehen. Sechse von den Lastschiffen wurden nach Carthago gebracht, und ver ursachten mehr Freude, als dieser kleine Vor theil werth war. (*) Doch nach so vielen blu 58
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tigen Niederlagen, wovon eine auf die andre(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) gefolgt war, nach so vielen Thränen, die man über das gemeine Unglück vergossen hatte, war der allergeringste glückliche Fortgang Stoff zu unbeschreiblicher Freude, besonders weil er sich ganz wider alle Hoffnung ereig nete. Uebrigens war es ein Trost und ein schmeichelhafter Gedancke für sie, wann sie bedachten, daß die Römische Flotte gänzlich hätte können zu Grunde gerichtet werden, wann ihre Anführer sorgfältiger und ge schwinder gewesen wären, oder wenn Scipio nicht zu rechter ihr zu Hülffe gekommen wäre. Zu eben der Zeit kamen Lälius und Ma=(Masinissa gelangt wie der zum Be sitz seines Kö nigreichs. Livius XXX. 11. App. 13. 14.) sinissa nach einem Marsch von vierzehn Ta gen in Numidien an. Die Massylier, Un terthanen des Masinissa, begaben sich so gleich mit vielen Freudenbezeugungen zu ih rem Könige, dessen Rückkunft und Wider einsetzung sie seit geraumer Zeit sehnlichst wünschten. Ob schon Syphax, dessen Gene(Syphax bringt neue Trupen auf die Beine.) rale und Besatzungen man aus dem ganzen Lande des Masinissa vertrieben hatte, sich in den Grenzen seines Königreichs einge schlossen hielt, war doch seine Absicht nicht, lange allda stille zu sitzen. Seine Frau, die er sterblich liebte, und sein Schwiegervater Hasdrubal, trieben ihn ohne Unterlaß an,
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) den Krieg fortzusetzen: und die Kräfte eines so mächtigen Landes, als das seinige war, welches an Menschen und Pferden Ueber fluß hatte, würden einem Fürsten, der noch weniger hitzig, und vor sich selbst noch we niger eingenommen gewesen wäre, als er, ha ben Muth machen können. Nachdem er demnach alle Mannschaft, die zu dienen im Stande war, zusammen geraft hatte, theilte er Pferde und Gewehr unter sie aus, stellte die Reiterey in Schwadronen, und das Fuß volck in Regimenter, wie er solches ehemahls von den Römischen Hauptleuten, welche ihm die Scipionen (*) aus Spanien zugeschickt, gelernet hatte. An der Spitze einer Armee, die eben so zahlreich war, als die er einige Zeit vorher gehabt hatte, die aber aus lauter neu angeworbenen Soldaten, welche nicht die geringste Känntniß, der Kriegszucht hatten, bestund, meinte er im Stande zu seyn, die Römer aufsuchen zu können. (Er wird von dem Lälius u. Masinissa überwunden und gefan gen.) So bald als Syphax dem Feinde im Ge sichte war, setzte es häufige Scharmützel, die bald ein ordentliches Treffen zwischen der Reiterey veranlaßten. So lange diese allein mit einander fochten, hatten die Römer Mü he genug, denen Masäsyliern, welche der Syphax in starken Corps anrücken ließ, Wi derstand zu thun. Allein so bald das Fuß volk, welches in den Platz, den die Schwa dronen zwischen sich offen liessen, einrückte, 59
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und der Reiterey neuen Muth machte, ge(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) riethen die Barbaren in ein nicht geringes Erstaunen, da sie einen neuen Feind, den sie nicht vermuthet hatten, vor sich sahen. Bald darauf machten sie Halte, weil sie sich in ei nen für sie so ungewöhnlichen Streit nicht finden konnten. Endlich, da die Römische Reiterey durch den Beystand ihres Fuß volks eine Ueberlegenheit über sie erhielte, die sie an und vor sich nicht hatten, nahmen sie gar Reis aus. Eben waren die Legionen im Anmarsch. Weit gefehlt, daß die Ma fäsylier hätten im Stande seyn sollen, Wi derstand zu thun; der Anblick der Legionen war ihnen schon unerträglich. So sehr war ihnen der Muth, entweder durch das Anden ken ihrer vorher erlittenen Niederlagen, oder durch die Furcht, die sie in diesem Augenbli cke überfiel, benommen. Syphax brach in dessen nichts destoweniger mitten in die Rö mischen Schwadronen ein, um zu sehen, ob etwan die Schande, ihn allein dem Willen seiner Feinde zu überlassen, die Flucht der Seinigen hemmen dürfte. Er stürzte aber von seinem Pferde, welches hart verwundet war worden, und wurde als ein Gefange ner{??} zum Lälius gebracht. Ein rührender Anblick vor den Masinissa, der von diesem Fürsten vorher vom Throne war gestürzet worden! Der gröste Theil der Ueberwunde nen flüchtete nach Cirtha, der Hauptstadt des Königreichs des Syphax. Das Blut vergiessen war in diesem Treffen, worinnen
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) nur die Reiterey allein gefochten hatte, so groß nicht. Es blieben ohngefähr fünf tau send Feinde auf dem Platze, und über zwey tausend wurden bey der Bestürmung des Lagers, worein sich die Ueberwundenen, nach dem Verlust ihres Königs, hauffenweise ge worfen hatten, zu Gefangenen gemacht. Masinissa wuste sich diesen Sieg wohl zu Nutze zu machen. Er stellte dem Lälius vor: „Wenn er nur auf das sehen wolte, was ihm am angenehmsten seyn möchte, so würde ihm vorietzo nichts liebers seyn, als sich in seinem Königreiche, welches ihm nunmehr wieder zu Theil worden wäre, zeigen zu können. Man müste aber, setzte er hinzu, weder wenn einem das Glück günstig, noch wenn es ei nem zuwider wäre, einen Augenblick verlieh ren. Wenn ihm demnach Lälius, mit der Reiterey voraus zu gehen, erlauben wollte, so sey er gesonnen, gerades Weges auf Cir tha los zu gehen, und glaube sich dieser Stadt gewiß zu bemeistern, wenn er den Einwohnern ihren gefangenen König zei gen würde. Lälius könnte ihm indessen in kleinen Tagemärschen mit dem Fußvolke nachfolgen.“ (Cirtha, die Hauptstadt der Länder des Syphax, ergiebt sich dem Masi nissa. LivinsLivius XXX. 12. App. 14. 15.) Dieser Vorschlag wurde beliebt. Masi nissa rückte vor Cirtha, und verlangte sogleich eine Unterredung mit den Vornehmsten der Stadt. Da dieselben das Unglück des Sy phax nicht wusten, konnte er bey ihnen An fangs weder mit der Erzählung dessen, was
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in der Schlacht vorgegangen, noch mit sei(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) nen Versprechungen und Drohungen etwas ausrichten, bis er ihnen ihren König gefan gen und mit Ketten beschweret zeigte. Auf einen so betrübten Anblick erfolgte nichts als ein jämmerliches Geschrey und Geheule, wel ches sich bald in der ganzen Stadt ausbreite te. Viele verliessen hierauf voller Bestürzung die Mauern, andere eröfneten, um die Gunst des Siegers zu erlangen, die Thore der Stadt, und ergaben sich ihm. Nachdem Masinissa an die Thore und um die Mau ern herum Wachen gestellet, damit niemand entfliehen könnte, eilte er nach dem Königli chen Pallaste zu, um sich dessen zu bemäch tigen. Sophonisbe, die Gemahlin des Syphax,(Rede der Sophonisbe an den Masi nissa.) und Tochter des Hasdrubals, ging ihm bis an den vordersten Eingang des Pallastes ent gegen, und, da sie ihn mitten unter der Men ge, von der er begleitet wurde, an der Pracht seiner Waffen und Kleidung erkannte, warff sie sich zu seinen Füssen, und redete ihn, nach dem er sie aufgehoben hatte, folgendergestalt an: „Die Götter, deine Tapferkeit und dein Glück, haben mein Schicksaal in deine Hän de gestellet. Wenn es aber einer Gefan genen erlaubt ist, an denjenigen, der ein unumschränkter Herr über ihr Leben und Tod ist, eine schüchterne Bitte zu thun, wenn ich deine Knie und diese siegreiche Hand umfassen darf: so beschwöre ich dich bey der Königlichen Majestät, welchen ge
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) heiligten Titel wir vor weniger Zeit mit dir theilten, bey dem Namen eines Numidiers, den du mit dem Syphax gemein hast, und bey den Göttern dieses Pallasts, welche ich anflehe, deine Ankunft mit günstigern Au gen zu beglücken, als sie sie bey der traurigen Abreise des Syphax gemacht haben, ich beschwöre dich, sage ich, mir nur eine ein zige Gnade zu erweisen, nämlich selbst das Schicksaal deiner Gefangenen zu bestim men, und mich nicht in die hochmüthige und grausame Gewalt irgend eines Römers zu liefern. Wäre ich auch weiter nichts, als die Gemahlin des Syphax gewesen, so würde es doch schon ein zureichender Grund für mich seyn, die Treue eines Numidischen Fürstens, der, wie ich, in Africa gebohren ist, der Treue eines Fremden vorzuziehen. Allein du siehest von selbst ein, was eine Carthaginenserin, was die Tochter des Hasdrubals von Seiten der Römer zu be fürchten habe. Solltest du aber mich ihrer Gewalt nicht anders, als durch den Tod, entreissen können, so erbitte ich denselben von dir, als die gröste Gnade, die du mir erzeigen kannst.“ (Masinissa vermählt sich mit der Sophonis be.) Sophonisbe war in der Blüte ihres Al ters, und von einer ausnehmenden Schön heit. Jhre Bitten, welche vielmehr Liebko sungen zu seyn schienen, fochten gar leicht ein nicht gnugsam ausgelöschtes Feuer in dem Herzen des Masinissa wieder an. Er konn te nicht, ohne gerührt zu werden, sehen, wie
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sie bald seine Knie umfaßte, bald ihm die(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Hand küßte; und dieser siegreiche Fürst, der nun auch seiner Seits von den Reitzungen seiner Gefangenen besieget war, versprach ihr ohne Bedenken, was sie verlangte, und machte sich anheischig, sie nicht in die Gewalt der Römer zu überliefern. Den Anfang machte er mit Versprechungen, die Ueberle gung kam darnach. Je mehr er das Ver sprechen, welches er von sich gegeben, über legte, je mehr fand er Schwürigkeiten, sel biges zu erfüllen. Jn dieser Verlegenheit folgte er blindlings dem thörichten und unbe sonnenen Rath, den ihm seine Neigung ein gab. Er faßte den Entschluß, sie noch den Tag selbst zu heyrathen, damit weder der Lä lius, welcher in kurtzem anlangen sollte, noch der Scipio selbst, sich einiges Recht anmas sen möchten, mit einer Prinzeßin, die des Masinissa Gemahlin geworden, als ihrer Ge fangenen umzugehen. Kaum war die Ceremonie vorbey, und die Ehe vollzogen, so kam Lälius an. Weit entfernt, daß er das vorgegangene hätte bil ligen sollen, war er vielmehr im Begrif, die Sophonisbe aus dem Brautbette herauszu hohlen, und nebst dem Syphax und übrigen Gefangenen dem Scipio zuzuschicken. Er ließ sich aber durch das Bitten des Masinissa bewegen, und versprach, die Sache dem Aus spruche des Generals zu überlassen. Er be gnügte sich, den Syphax und die andern Ge fangenen ins Lager zu schicken, und brach
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) mit dem Masinissa auf, mit der Eroberung Numidiens vollends zu Ende zu kommen. So bald sich in dem Römischen Lager das Gerücht ausbreitete, daß man den Syphax herbeybrächte, zogen alle Soldaten mit eben derjenigen Freude heraus, als wenn sie einen triumphirenden Einzug mit ansehen sollten. Dieser unglückliche Fürst ging, mit Ketten beschwert, voraus. Eine Menge der ange sehensten Numidischen Herren folgte ihm. Die Römer, um ihren Sieg destomehr zu verherrlichen, vergrösserten um die Wette die Hoheit und Macht des Syphax und seiner Nation. Einer sagte zu dem andern: „Die ses wäre der König, gegen den die Römer und Carthaginenser, die beyden mächtigsten Völker des Erdbodens, so viel Hochach tung und Ehrerbietigkeit gehabt hätten, daß so wohl Scipio, ihr General, kein Beden ken getragen, seine Provinz und seine Ar mee zu verlassen, und mit zwo Galeeren nach Afrika überzugehen, um sich seine Freund schaft auszubitten; als auch Hasdrubal, der Carthaginenser General, ihn nicht nur per sönlich in seinem Pallast besuchet, sondern ihm auch seine Tochter zur Gemahlin ge geben habe. Noch viel deutlicher aber zeu ge von seiner ehmahligen Macht und Ge walt dieses, daß, nachdem er den Masinis sa aus seinem Königreiche vertrieben, er ihn in die betrübten Umstände versetzt, sich in den Wäldern zu verstecken, allwo er noch darzu sein Leben nicht anders in Sicherheit
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stellen können, als durch das ausgestreu=(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) te Gerüchte von seinem Tode.“ So bald Syphax in dem Lager angekom men war, wurde er zu des Scipio Zelt ge(Er suchet sich gegen den Scipio zu entschul digen, und schiebt alle Schuld auf die Sopho nisbe.) führet. Das Andencken der vormahligen Grösse dieses Fürsten, in Vergleichung mit dem traurigen Zustande, worinnen ihn Sci pio ietzt sahe; die geheiligten Rechte der Gast freyheit; die besondere Freundschaft und das öffentliche Bündniß, das sie mit einander ge schlossen hatten, verursachten in ihm eine ganz besondere Bewegung, so daß er ihm auch die Ketten abnehmen ließ. Und eben dieses brachte den Syphax ein Vertrauen und einen Muth bey, als er dem Ueberwinder Red und Antwort geben sollte. Denn als ihn Scipio fragte, was er damahls gedacht, als er nicht nur dem Bündniß der Römer ent sagt, sondern ihnen auch so gar den Krieg an gekündigt habe, schob er alle Schuld seines Friedensbruchs mit den Römern auf die So phonisbe, indem er erkannte: (*) „Die erste Qvelle seines Unglücks wäre, daß er eine Carthaginensische Frau in sein Hauß und Bette aufgenommen habe. Eben die jenigen Fackeln, die bey seiner unglücklichen 60
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Hochzeit wären angezündet worden, hät ten auch seine Pallast entzündet. Eben diese Furie und eben diese Pest wäre es, wel che durch ihre vergiftete Reitze ihm des Ge brauchs seiner Vernunft beraubet und nicht eher aufgehöret habe, ihn zu plagen, bis sie ihm selbst die strafbaren Waffen wider seinen Freund und Gast in die Hän de gegeben. Er fügte endlich hinzu: Mitten unter so vielen Uebeln bliebe ihm noch ein Trost übrig, da er sähe, daß eben diese Fu rie, die sein Unglück verursacht habe, in das Haus seines ärgsten Feindes wäre aufge nommen worden. Masinissa wäre weder weiser, noch beständiger, als er: seine Ju gend mache ihn noch unbesonnener, wenig stens habe er in seiner übereilten Heirath mehr Thorheit und Unbesonnenheit bewie sen, als man dem Syphax vorwerffen könnte.“ Diese Rede, die ihm mehr die Eifersucht, als der Haß, eingab, erweckte in dem Ge müthe des Scipio grosse Unruhen. Die Ue bereilung, mit welcher Masinissa seine Hei rath, ohne den Lälius zu erwarten, und um Rath zu fragen, vollzogen hatte, indem er die Sophonisbe in einem Augenblick aus ei ner Gefangenen zu seiner Gemahlin gemacht, rechtfertigte die Vorwürfe des Syphax. Ein so unüberlegtes Betragen verdroß den Sci pio um so vielmehr, da er selbst allezeit gegen die Schönheit der Gefangenen, die er in Spanien gemacht hatte, unempfindlich ge wesen war, ob er gleich damahls in seiner er
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sten Jugendhitze sich befunden hatte. Seine(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) gröste Bekümmerniß war, wie er den Ma sinissa, den er nicht gern wider sich aufbrin gen wollte, wieder zurecht bringen würde. Er war eben mit diesen Gedanken beschäf(Liebreiche und behutsa me Vorwür fe, die der Scipio dem Masinissa macht. Livius XXX, 14.) tiget, als Lälius und Masinissa anlangten. Er bezeigte sich gegen beyde gleich gnädig, und gab einem so wohl als dem andern, in Gegenwart der vornehmsten Officiers der Ar mee, alles, das ihren Thaten gebührte. Hierauf zog er den Masinissa beyseit, und redete mit ihm folgendergestallt: (*) „Jch bin der Meinung, Masinissa, daß vielleicht einige gute Eigenschafften, die du an mir gewahr zu werden geglaubet, dich mögen bewogen haben, so wohl mit mir Anfangs in Spanien ein Bündnis zu machen, als 61
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) auch seit meiner Ankunft in Africa mir dei ne Person und alle deine Hofnung anzu vertrauen. Unter allen Tugenden aber, welche dir glaubend gemacht haben, daß ich, von dir gesucht zu werden, verdiente, ist keine, darauf ich mir mehr einbilde, als auf die Fertigkeit, die ich erlangt, die An fälle der Leidenschaften, die unserm Alter so gewöhnlich sind, zu unterdrücken. Jch wünschte wohl, Masinissa, daß du mit al len den übrigen grossen Eigenschaften, die dich so schätzbar machen, auch noch diese, von der ich rede, vereinigtest. Nein, lieb ster Fürst, glaube mir, nein, gewiß das sind unsere fürchterlichsten Feinde nicht, die uns mit dem Degen in der Faust anfallen. Die Lüste sind es, die uns auf allen Seiten Fallstricke legen. Derjenige, welcher sie durch seine Tugend hat zähmen und ih nen einen Zügel anlegen gelernt, kann sich, einen viel herrlichern Sieg davon getragen zu haben, rühmen, als derjenige ist, der uns zu Herren der Länder und der Person des Syphax gemacht hat. Jch habe mir ein wahrhaftes Vergnügen daraus gemacht, von den grossen Thaten, die du in meiner Abwesenheit verrichtet hast, ein öffentliches Zeugnis abzulegen, und ich behalte mit eben so viel Vergnügen das Andenken davon. Was aber das übrige anbelangt, will ich solches lieber deinem Nachdenken überlas sen, als durch die Vorstellung desselben dir eine Schamröthe abzwingen. Sy
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phax ist durch die Macht des Römischen(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Volkes, und unter Anführung ihrer Gene rale überwunden und gefangen worden. Hieraus folgt, daß er, seine Frau, sein Reich, seine Unterthanen, seine Städte, seine Felder, und mit einem Worte, alles das, was unter seiner Herrschaft gewesen ist, dem Römischen Volke zustehe. Ge setzt auch, Sophonisbe wäre keine Cartha ginenserin, und wir sähen ihren Vater nicht an der Spitze Carthaginensischer Heere, so müste man sie nichts destoweniger nach Rom schicken, um wegen des Verbrechens, dessen sie beschuldiget wird, nämlich einen mit unserm Reiche verbundenen König wi der uns in die Waffen gebracht zu haben, von dem Rathe und dem Römischen Vol ke verurtheilet zu werden. Bemühe dich demnach, liebster Fürst, dich selbst zu be meistern. Hüte dich, so viele Tugenden durch ein einziges Laster zu beflecken, und dich um die Vortreflichkeit aller der Dien ste, die du uns geleistet hast, durch einen noch grössern Fehler, als der Nutzen ist, der dich selbigen zu begehen verleitet hat, zu bringen.“ Diese Rede muste nothwendig den Masi( Masinissa schickt der Sophonisbe Gift. Liv. XXX. 15.) nissa in die äusserste Verlegenheit setzen. Wie sollte er der Sophonisbe sein Wort, das er ihr gegeben, halten? Wie sollte er dem Scipio, von dem er abhängig war, et was abschlagen? Wie sollte er sich selbst über winden? Denn freylich konnte er seine Nei
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) gung, ob sie schon durch den weisen Rath des Scipio war irre gemacht worden, nicht in einem Augenblick unterdrücken. Er ver sprach zwar dem Scipio mit einer Erröthung des Gesichts, und mit thränenden Augen, ihm zu gehorchen, doch mit angehängter Bit te, einige Rücksicht auf das Versprechen, welches er von sich gegeben, zu haben, als wodurch er sich unbesonnener Weise der So phonisbe verbindlich gemacht, sie in keines Menschen Gewalt zu überliefern. Kaum aber war er in seinem Zelte allein, als sich in seiner Seele ein harter Streit zwischen seiner Liebe und seiner Schuldigkeit erhob. Man hörte ihn lange Zeit nach einander Seufzer ausstossen, welche die heftige Bewegung, in der er sich befand, anzeigten. Endlich, nach einem letzten Seufzer, ergriff er einen ziem lich befremdlichen Entschluß, durch den er so wohl dem, was er der Sophonisbe, als was er seiner Ehre schuldig war, ein Gnüge zu leisten gedachte. Er rufte einen treuen Of ficier, welcher nach der damaligen bey den Königen gewöhnlichen Art, das Gift, das in der äussersten Noth ihre letzte Zuflucht war, verwahrte, herbey. Demselben befahl er, solches zu recht zu machen, es der Sophonis be zu überbringen, und ihr seinetwegen zu sa gen: „Masinissa habe nichts mehr gewünscht, als seinem ersten Versprechen, das er ihr, als er sie geheyrathet, gethan, nachkommen zu können. Allein da ihm diejenigen, von de nen er abhängig wäre, die Freyheit solches
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zu thun beraubten, wolle er ihr wenigstens(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) die andere gegebene Versicherung, nämlich zu verhindern, daß sie nicht in die Hände der Römer geriethe, halten. Sie möchte demnach ihren Entschluß mit der Herzhaf tigkeit einer Carthaginenserin, einer Toch ter des Hasdrubals, und einer Gemahlin zweener Könige fassen.“ Der Officier begab sich sogleich zu der(Sie verschlu cket den Gift mit Stand haftigkeit.) Sophonisbe, und als er ihr den Gift darge reichet hatte, sagte sie: „Jch nehme dieses Hochzeitgeschenk an, und zwar mit Dank, wenn es wahr ist, daß Masinissa nicht mehr vor seine Frau habe thun können. Jedoch sage ihm, ich würde das Leben mit noch mehrerm Ruhme und Vergnügen verlassen, wenn ich ihn nicht den Tag vor meinem Tode geheyrathet hätte.“ Hierauf nahm sie den Gift mit eben der Standhaftigkeit zu sich, als sie in ihrer Antwort edlen Muth blicken ließ. Als Scipio von allem diesem benachrichti(Scipio trö stet den Ma sinissa, und ü berhäuft ihn mit Lobeser hebungen und Geschen ken.) get wurde, gerieth er in eine neue Furcht. Er glaubte, von der Hitze eines jungen Fürsten, den die heftige Leidenschaft zu solchen Aus schweifungen verleitet, alles zu befürchten zu haben. Er ließ ihn deswegen unverzüglich zu sich kommen, und bald tröstete er ihn, in dem er ihm freundlich und zärtlich zuredete; bald machte er ihm wegen des neuen Fehlers, den er begangen, neue Vorwürfe, die er aber mit einer gütigen und freundschaftlichen Mi ne, welche ihre Bitterkeit linderten, begleitete.
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Den Tag drauf versammlete er, um die Traurigkeit des Fürstens zu zerstreuen, die Armee. Hier erkannte er ihn nicht nur in Gegenwart aller Trupen im Namen des Rö mischen Volks für einen König, und über häufte ihn mit den allerschmeichelhaftesten Lo beserhebungen; sondern er beschenkte ihn auch mit einer güldenen Krone und Becher, mit einem Curulischen Stuhle, helfenbeinern Ze pter, einem mit Purpur verbrämten Ober rock, und einem mit Palmen durch wirkten Unterkleide, mit dem Beyfügen, es wären dieses die vornehmsten und prächtigsten Zier rathen derer im Triumph Einziehenden, und Masinissa wäre der einzige unter allen Aus ländern, den die Römer dergleichen Ehren zeichen würdig erkennten. Er ertheilte auch dem Lälius sein gebührendes Lob, und erkann te ihm eine güldne Krone zu. Hierauf be lohnte er alle andere Officier, jeden nach Be schaffenheit seiner geleisteten Dienste. Diese dem Masinissa erwiesene Ehrenbezeigungen linderten seinen Schmertzen um gar vieles, und machten ihm Hofnung, nach dem Tode des Syphax vielleicht Herr über ganz Numi dien zu werden. (Lälius bringt den Syphax und die Ge fangenen nach Rom. Livius XXX. 16.) Nachdem Scipio dem Lälius die Ueber bringung des Syphax und der andern Ge fangenen nach Rom aufgetragen, und mit ihm die Gesandten des Masinissa hatte abge hen lassen, rückte er zum zweitenmal vor Tu nis, und brachte die Verschanzungen, die er allda angefangen hatte, zu Stande.
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Die Freude, welche den Carthaginensern(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) der geringe Vortheil, den sie über die Römi sche Flotte erhalten, gemacht hatte, war von einer kurzen Dauer, und verwandelte sich(Die Cartha ginenser schi cken Abge ordnete an den Scipio, und bitten um Frieden.) gar bald in ein allgemeines Schrecken, als sie die Niederlage und Gefangennehmung des Syphax, auf den sie fast mehr, als auf den Hasdrubal und seine Armee, gerechnet hat ten, erfuhren. Niemand unterstund sich weiter, für die Fortsetzung des Krieges zu reden, denn er würde nicht seyn gehöret wor den. Es wurden also dreyßig Abgeordnete, welches die Vornehmsten des Raths waren, die einen engen Rath ausmachten, und de ren Gutachten einen grossen Einfluß in die Schlüsse des ganzen Raths hatten, an den Scipio abgeschickt, den Frieden von ihm zu erbitten. So bald sie in dem Lager der Rö mer, und von dar bey dem Zelte des Scipio angekommen waren, warffen sie sich zu den Füssen dieses Generals nieder, ohne Zweifel nach Art der Morgenländer, von denen die Carthaginenser abstammten. Jhre Rede war so demüthig, oder vielmehr so nieder trächtig, als diese erste Handlung gewesen war. Ohne daß sie sich bemühten, ihre Auf führung zu rechtfertigen, schoben sie die Schuld alles dessen, was vorgegangen war, auf den Hannibal, und auf das ungestüme Betrei ben derjenigen, die ihn in seinem hochmüthi gen Unternehmungen Beystand geleistet. Sie baten um Gnade für ihre Republik,
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) welche (*) zweymal durch die Unbesonnen heit ihrer Bürger zu Grunde zu gehen ver dienet, und nun zum zweitenmale der Gna de ihrer Feinde ihre Erhaltung zu danken ha ben sollte. Sie fügten hinzu: „Sie wüsten, daß das Römische Volk nicht den Unter gang ihrer Feinde, sondern nur den Ruhm suchte, sie zu überwinden und sich zu unter werffen. Was sie anbelangte, wären sie bereit, als unterthänige Sklaven alle Be dingungen, die ihnen Scipio aufzulegen be lieben würde, einzugehen.“ Dieser General antwortete ihnen: „Er wäre nach Afrika in der Hoffnung, den Krieg durch einen vollkommenen Sieg, und nicht durch einen Frieden zu endigen, ge kommen; und eben diese Hoffnung hätte sich durch den glücklichen Fortgang, den die Götter bis hieher seinen Waffen verlie hen, sehr vermehret. Jedoch wollte er, ob er schon den Sieg fast in Händen hätte, ih nen den Frieden nicht versagen, und da durch der ganzen Welt zeigen, daß das Römische Volk sowohl bey dem Anfange, als Ende der Kriege, die Gerechtigkeit vor Augen habe. Er wolle ihnen also den Frie den auf folgende Bedingungen zugestehen: Die Carthaginenser sollten alle Gefange nen, Ueberläuffer und Sklaven ausliefern. Sie sollten alle ihre Trupen aus Jtalien und Gallien zurück ziehen: sich Spaniens 62
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und aller zwischen Afrika und Jtalien gele(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) genen Jnseln entsagen. Sie sollten alle ih re Kriegsschiffe, bis auf zwanzig, denen Rö mern überliefern, und fünf hundert tau send (*) Scheffel Korn, und drey hundert tausend Scheffel Gerste herbey schaffen.“ Ueber die Summe Geldes, welche er von ih nen forderte, sind die Geschichtschreiber nicht eins. Nach dem Bericht des Titus Livius versicherten einige, er habe von ihnen fünf tausend Talente (ohngefähr vier Millionen Thaler) gefordert; andre sagten nur von fünftausend Pfund löthigen Silbers, (welche nach unserer Münze etwan sechzig tausend Thaler betügen) noch andere endlich, er ha be sie angehalten, seinen Soldaten doppel ten Sold zu zahlen. Er gab ihnen drey Ta ge Zeit, sich über diese Vorschläge zu berath schlagen; und im Fall, daß die Carthagi nenser sie annähmen, wollte er ihnen einen Waffenstillstand zugestehen, während dessen sie ihre Gesandten nach Rom abschicken kön̄ ten. Die Bedingungen wurden angenom men, weil die Carthaginenser nichts, als Zeit, zu gewinnen suchten, bis der Hannibal nach Afrika zurück kommen könnte. Sie ernenn ten deßwegen zwo Gesandtschafften, eine an den Scipio, den Waffenstillstand zu schlies sen, die andere nach Rom, wegen des Frie dens Ansuchung zu thun. Mit dieser letztern 63
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) schickten sie zugleich eine kleine Anzahl Ge fangener und Ueberläuffer, doch nur zum Scheine, ab, um glaubend zu machen, daß sie den Frieden aufrichtig verlangten. (Lälius kom̄t zu Rom an. Die Nach richt von den in Afrika er langten Sie gen verur sacht allda ei ne grosse Freude. Livius XXX. 17.) Unterdessen war Lälius mit dem Syphax und den vornehmsten Numidischen Gefange nen schon seit einigen Tagen zu Rom ange langt. Er gab dem Rathe eine ausführli che Nachricht von allem, was in Afrika vor gefallen war, welches ihnen vors gegenwär tige eine grosse Freude verursachte, und vors künfftige sie mit grosser Hoffnung erfüllte. Nachdem die Rathsherren über diesen ab gestatteten Bericht berathschlaget hatten, fand man für gut, so lange den Syphax zu Alba zu verwahren, und den Lälius zu Rom zu behalten, bis die Gesandten der Cartha ginenser ankämen. Ferner verordnete man, denen Göttern zu Ehren Dankfeste zu hal ten, deren Begehung vier Tage dauren soll ten; und der Prätor P. Aelius ftieg mit dem Lälius auf den Rednerstuhl, nachdem er den Rath auseinander gehen und das Volk zusammen beruffen lassen. So bald als die Bürger aus dem Munde des unter dem Sci pio commandirenden Feldherrns selbst ver nommen hatten, daß die Carthaginensischen Armeen über den Hauffen geworffen und in die Flucht geschlagen, daß ein berühmter und mächtiger König gefangen genommen, und ganz Numidien unterwürffig gemacht wor den wäre, überliessen sie sich insgesamt einer unmäßigen Freude, die sie durch Schreyen
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und andere heftige Bewegungen, welche in(d. 549. J. n. R. E. d 203. J. v. C. G.) dergleichen Gelegenheiten bey dem gemeinen Volke gewöhnlich sind, zu erkennen gaben. Dieserwegen ertheilte der Prätor sogleich Befehl, alle Tempel in der ganzen Stadt zu eröfnen, und dem Volke die Freyheit zu las sen, sie den ganzen Tag über zu besuchen, und denen Göttern für so grosse erzeigte Wohlthaten den schuldigen Dank abzu statten. Diese lebhafte Dankbarkeit bey einem abgöttischen Volke ist für uns eine nachdrückliche Lehre, und oftmals ein grosser Vorwurff. Den Tag darauf führte eben dieser Prä tor die Gesandten des Masinissa in den Rath, „welche sogleich zum Anfange ihrer Rede den Römern wegen der Siege, die der Scipio in Afrika erfochten hatte, Glück wünschten. Hierauf bezeigten sie im Namen ihres Herrn ihre Dankbarkeit, theils, daß Scipio den selben nicht nur für einen König erkannt, sondern ihn selbst darzu gemacht, indem er ihn in die Staaten seines Vaters wieder eingesetzt, in denen er nun, nach der Stür zung des Syphax, in Zukunft, wenn es mit Genehmhaltung des Raths geschähe, ohne Furcht und Streit regieren könnte: theils, daß er, nachdem er ihm in einer allgemei nen Versammlung mit Lobeserhebungen ü berhäuffet, ihm noch darzu sehr kostbare Ge schenke gemacht, deren sich dieser Fürst zwar schon würdig zu machen gesuchet, in Zu kunft aber dieselben noch mehr zu verdienen
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) sich bestreben würde. Er beschwöre die Rathsherren, durch einen ordentlichen Rath schluß alles das, was Scipio zu seinem Vortheil, so wohl in Ansehung des König lichen Titels, als aller der andern Geschen ke und Wohlthaten, womit er ihn beehret, getban, zu bekräftigen. Er bäte sie auch, alle Numidische Gefangenen, die in den Ge fängnissen Roms wären, wenn es anders nicht etwas hinderte, auf freyen Fuß zu stellen, welche Gnade dem Masinissa bey seinen Unterthanen Ehre machen würde.“ Man antwortete denen Gesandten: „Der König müste zugleich mit den Römern an den Glückwünschen, welche ein so beglück ter Fortgang der Waffen verdiente, An theil nehmen. Scipio habe, indem er ihm, als einem Könige, begegnet, und auch noch andere Merkmaale der Hochachtung und Gewogenheit gegeben, den Absichten des Raths, der alles mit vielem Vergnügen billigte, und bekräftigte, vollkommen ge mäß gehandelt.“ Sie brachten hierauf die Geschenke in Richtigkeit, welche die Ge sandten ihrem Könige überbringen sollten, nämlich zwey kurze Kriegskleider von Pur pur mit güldenen Schleufen; zwey Unterrö cke mit breiter Einfassung von Purpur, (*) zwey mit reichem Geschirr belegte Pferde; zween Harnische mit allem, was zur Ausrü 64
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stung eines Reiters gehört; zwey Zelte, nebst(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) allem Kriegs - Geräthe, dergleichen einem Consul pflegte mitgegeben zu werden. Der Prätor erhielt Befehl, diese Geschenke dem Masinissa überbringen zu lassen. Von den Gesandten empfing ein jeder zum Geschenk fünf tausend Stück eherne Münze, nebst zwo Kleidungen, und denen von ihrem Gefolge wurden jedem tausend Stück solcher Münze und ein Kleid gegeben. Es erhielt auch ein jeder von den Numidiern, die man aus den Gefängnissen hervorgezogen hatte, und dem Könige zurück schickte, ein Kleid. Die Ge sandten wurden auf Unkosten des Römischen Volkes einquartiert und bewirthet. Jn eben diesem Feldzuge, da dieses zu Rom beschlossen und in Afrika ausgeführet wurde, lieferten der Prätor P. Qvintilius Varus, und der Proconsul M. Cornelius in dem Gebiete der Jnsubrischen Gallier dem Carthaginensischen General Mago, einem Bruder des Hannibals, ein ordentliches Treffen. Der Sieg war lange Zeit zweifel haft, lenkte sich aber endlich auf die Seite der Römer, denen er jedoch ziemlich theuer zu stehen kam. Es war dieses die letzte Schlacht, welche zwischen den Carthaginensern und Römern in Jtalien vorfiel. Mago, der in der Schlacht war verwundet worden, zog sich in der darauf folgenden Nacht an das Ufer des Meers zurück. Er traf alda Ab geordnete von Carthago an, die einige Ta ge vorher in dem Meerbusen von Genua mit
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ihren Schiffen eingelauffen waren, und die ihm den Befehl überbrachten, unverzüglich nach Afrika zurück zu kehren, wohin sein Bruder Hannibal gleichermassen je eher je lieber zu kommen Ordre erhalten hätte. Er begab sich sogleich mit seinen Trupen zu Schiffe, war aber kaum bey der Jnsel Sar dinien vorbeygesegelt, als er an seiner Ver wundung starb.

§. III.

Hannibal verläßt Jtalien mit Widerwillen und in einer Art von Wuth. Besorgnis der Römer wegen des Scipio. Gesandtschaft der Sagunti ner nach Rom. Auf die Vorstellungen einiger Rathsherren wird zur Dankbarkeit für den Ab marsch des Hannibals ein öffentliches Dankfest angeordnet Die Gesandten von Carthago bitten den Rath um Frieden. Sie werden an den Sci pio mit ihrem Suchen verwiesen. Der Consul Servilius wird aus Sicilien nach Jtalien zurück geruffen. Die Carthaginenser brechen durch Wegnahme einiger Schiffe den Waffenstillstand. Die Gesandten des Scipio werden zu Carthago gemishandelt. Hannibal langt in Afrika an. Klagen der Bundesgenossen in Griechenland über den Philippus. Tod des grossen Fabius. Ver theilung der Provinzen unter die neuen Consuls. Unruhe der Römer, wegen des Abmarsches des Hannibals. Scipio schickt dem Hannibal seine Spionen zurück. Unterredung des Scipio und Hannibals. Rede des Hannibals, wie sie bey dem Polybius befindlich. Antwort des Scipio, aus eben demselben Polybius. Rede des Han nibals, wie sie Titus Livius aufgezeichnet. Ant wort des Scipio, aus eben demselben Titus Li vius. Anstallten zu einem entscheidenden Tref fen. Scipio stellt seine Armee in Schlachtord nung. Hannibal thut desgleichen. Beyde Ge
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nerale reden ihren Armeen zu. Schlacht bey Za(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ma, zwischen dem Hannibal und Scipio. Sieg der Römer. Lob des Hannibals.
Wir haben vorher gemeldet, daß man Ab( Hannibal verläßt Jta lien mit Wi derwillen, und in einer Art von Wuth. Livius XXX. 20. Appian. im Kriege des Hannib. 346 - 348.) geordnete an den Hannibal geschickt, ihm den Befehl zu überbringen, ohne Zeitver lust mit seinen Trupen nach Afrika zurück zu kommen. Bey Anhörung derselben knirschte er vor Zorn und Wuth, und konnte sich kaum der Thränen enthalten. Als sie auf gehöret hatten zu reden, sagte er: „Nun brauchen meine Feinde nicht mehr diejenigen verdeckten Mittel, die sie zeither angewen det, mich nach Afrika zurück zu kommen zu nöthigen. Vorher hinderten sie nur, daß man mir keine Trupen und kein Geld zu schickte; nun hat man es dahin gebracht, daß man mir meinen Abmarsch durch deut liche und ausdrückliche Befehle ankündiget. Nun ist endlich Hannibal besiegt, nicht durch die Römer, die er so oft in die Flucht ge schlagen, und gänzlich über den Haufen ge worffen hat, sondern durch die Eifersucht und üble Gesinnung der Carthaginensischen Rathsherren! Der Schimpf meiner Rück kunft wird dem Scipio, meinem Feinde, viel weniger Freude machen, als dem Han no, meinem Mitbürger, der, da er meine Familie durch keine andere Mittel verderben kann, sie nun unter den Ruinen Cartha gens begraben will.“ Weil er schon seit ge raumer Zeit voraus sahe, daß die Sachen dahin kommen würden, hatte er mit Fleiß be
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) ständig Schiffe parat halten lassen. Nach dem er nun in einige wenige Städte Bruti ums, welche es mehr aus Furcht, als aus Zuneigung, noch mit ihm hielten, alles, was er von Soldaten hatte, die zu dienen unver mögend waren, vertheilet, um nicht das An sehen zu haben, als ob er ganz und gar das, was er erworben, im Stiche liesse, führte er den Kern seiner Trupen mit sich hinweg. Vor her aber hatte er noch die Grausamkeit, eine grosse Anzahl Jtalienischer Soldaten, welche sich, damit sie ihm nicht nach Afrika folgen müsten, in den Tempel der Lacinischen Juno, der für alle Unglückliche bis hieher eine siche re Zuflucht gewesen, geflüchtet waren, in dem Tempel selbst jämmerlich erwürgen zu lassen. (Cic. de Di- uin. l. 48.) Jn diesem Tempel war eine Seule von ge diegenem Golde. Der Geschichtschreiber Cölius meldet, Hannibal sey entschlossen ge wesen, dieselbe mit sich wegzunehmen, die Göttin Juno aber wäre ihm des Nachts im Traume erschienen, und habe ihm gedrohet, ihn auch um das eine Auge, das er noch hät te, zu bringen, wenn er sich unterstünde, ei nen solchen Kirchenraub zu begehen. Wor auf er die Seule in dem Tempel gelassen. Jch zweifle sehr, daß Hannibal wegen eines gehabten Traums eine so herrliche Beute sollte haben fahren lassen. Niemals hat wohl ein ins Elend vertrie bener grössern Widerwillen bezeigt, da er sein Vaterland verlassen, als Hannibal be
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wieß, da er aus einem fremden und feindlichen(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Gebiete ausmarschirte. Er richtete sehr oft seine Augen nach den Küsten Jtaliens, „führ te über Götter und Menschen wegen seines Unsterns Klagen, und sprach wider sich selbst, nach dem Zeugnisse des Titus Livi us, tausend Verwünschungen aus, daß er nicht gleich nach der Schlacht (*) bey Can nä seine Soldaten, da sie noch vom Blute der Römer rauchten, vor Rom geführet hätte. Scipio, der während seines Con sulats die Carthaginenser noch nicht ein mal in Jtalien gesehen, habe das Herz und die Verwegenheit, Carthago anzugreiffen; da er, der über hundert tausend Mann bey dem Trasimenischen See und bey Can nä erlegt, seine Zeit bey Casilimum, Cu mä, und Nola liederlich verdorben habe.“ Unter dergleichen Klagen, die mit bittern Vorwürfen, welche er sich selbst machte, be gleitet waren, riß er sich aus dem Schoose desjenigen Jtaliens, davon er eine so gerau me Zeit in Besitz gewesen war. Die Römer erhielten die Nachricht von(Unruhe der Römer, we gen des Sci pio. Liv.XXX. 21.) dem Abmarsche des Hannibals und des Ma go zu gleicher Zeit. Die Freude aber, welche ihnen eine so glückliche Befreyung verursachen muste, wurde um ein grosses durch die Un ruhe verringert, die sie des Scipio wegen, 65
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) über den nun die ganze Last des Krieges fiel, hatten. Wie sie denn auch wirklich ih ren Generalen in Jtalien anbefohlen hatten, den Hannibal und Mago zurückzuhalten; und daher sehr mißvergnügt waren, daß ih rem Befehle so schlecht war nachgelebet wor den. (Gesandschaft der Sagunti ner nach Rom.) Um eben diese Zeit langten die Gesandten der Saguntiner zu Rom an, und brachten diejenigen Carthaginensischen Officiers mit sich, die man Trupen zu werben nach Spa nien geschickt, und die von ihnen zu Gefange nen gemacht worden waren. Sie legten das Geld, welches diese Officiers mit sich gebracht hatten, und das sich auf zweyhundert und funfzig Pfund Goldes, und achthundert Pfund Silbers belief, in dem Vorsaale des Raths nieder. Die Gefangenen, die sie überbrachten, wurden angenommen, und so gleich in sichre Verwahrung gebracht; das Geld aber nöthigte man sie wieder mit sich zurückzunehmen, und dankte ihnen für ihre Aufmerksamkeit und ihren Eifer. Man mach te ihnen über dies noch Geschenke, und gab ihnen Schiffe, auf denen sie nach Spanien zurück reisen konnten. (Auf die Vor stellungen ei niger Raths herren wird zur Dankbar keit für den Abmarsch des Han̄ibals ein öffentli ches Dankfest angeordnet.) Ob man nun schon zu Rom lieber gesehen hätte, wenn Hannibal die Freyheit nach Afri ka zurück zu gehen nicht gehabt, so war es doch ein grosser Vortheil für Italien, von ei nem so fürchterlichen Feinde befreyet zu seyn; und einige von den ältesten und angesehen sten Rathsherren, die über die Art der Gleich
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gültigkeit, womit man diesen Vorfall zu(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Rom betrachtete, innigst gerührt waren, machten eine sehr weise Anmerkung, welche zu allen Zeiten von grossen Nutzen seyn kann. Sie gaben nämlich zu bemerken: (*) „Die Menschen würden weniger durch die Wohl that, die sie empfingen, als durch das Ue bel, welches sie beträfe, gerührt. Was hätte nicht der Uebergang des Hannibals nach Jtalien für Schrecken und Bestür zung unter den Römern verursacht! Was für Widerwärtigkeiten, was für Verlust, was für Niederlagen hätten sie nicht seit die ser Zeit erlitten! Sie hätten die Feinde vor den Thoren Roms im Lager stehen gesehen. Was für Gelübde hätten sie nicht gethan, um von diesen Drangsalen befreyet zu seyn! Wie oft hätten sie nicht in ihren Versamm lungen ausgeruffen: Werden wir denn nie mals diesen glücklichen Tag erscheinen sehen, da Jtalien, von seinen grausamsten Feinden befreyet, eines beglückten und stillen Frie dens theilhaft werden wird? Die Götter hätten sie erhöret, und ihnen endlich nach sechzehn Jahren voller Elend und Unruhe diese Gnade wiederfahren lassen; und nie mand thäte den Vorschlag, ihnen für eine so grosse Wohlthat den Dank abzustatten, den man ihnen schuldig wäre. (**) Die 66 67
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(d. 549. J. n R. E. d. 203. J. v. C. G.) ses bewiese sehr deutlich, daß die Menschen nicht einmal für die Wohlthaten, die sie wirklich empfingen, einige Empfindlichkeit zu bezeigen pflegten, geschweige, daß sie der vergangnen eingedenk seyn sollten.“ Nach dieser Rede forderte man auf das nachdrück lichste, der Präter sollte die Sache zur Be rathschlagung vortragen, und sogleich wurde mit allgemeiner Einwilligung beschlossen, daß man fünf Tage nach einander mit einer got tesfürchtigen Dankbarkeit alle Tempel der Stadt besuchen, und den Göttern hundert und zwanzig grosse Schlachtopfer bringen wollte. (Die Gesand ten von Car thago bitten den Rath um Frieden. Sie werden an den Scipio verwiesen. Livius XXX. 22.) Man hatte schon den Lälius und die Ge sandten des Masinissa beurlaubet, als man vernahm, daß die Carthaginensischen Gesand ten, die um den Frieden Ansuchung zu thun, waren abgeschickt worden, zu Pozzolo ange landet wären, und von dar zu Lande nach Rom kommen würden. Man fand für gut, den Lälius wieder zurück zu ruffen, und die Un terhandlung wegen des Friedens in seiner Gegenwart vorzunehmen. Man nahm die Gesandten nicht in der Stadt auf. Sie wurden in einem Landhause, welches der Re publick gehörte, einquartieret, und in dem Tempel der Bellona zum Gehör vorgelassen. Sie führten daselbst fast eben die Sprache, die sie vorher bey dem Scipio geführt hatten, und schoben auf den Hannibal alle Ursache dieses Krieges. „Selbiger wäre ohne Be fehl des Raths über den Ebrofluß, und
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hernach über die Alpen gegangen und ha(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) be eigenmächtiger weise anfangs{??} den Sa guntinern, und darauf den Römern selbst den Krieg angekündiget. We{??}nn man die Sache vernünftig betrachte, so wäre dem Freundschaftstractate, der zu der Zeit, und durch die Vermittelung des Consuls Luta tius wäre geschlossen word{??}en, von Seiten des Carthaginensischen Raths und Volks noch keinesweges zuwider gehandelt wor den. Dieser Ursachen w{??}egen beträfen alle ihre Vollmachten weit{??}er nichts, als die Beobachtung des Friedens, der damals zwischen den Römern und Carthaginensern wäre geschlossen worden, zu verlangen.“ Nachdem der Prätor hierauf, der herge brachten Gewohnheit nach, den Rathsher ren erlaubt hatte allerhand Fragen, die sie für gut finden würden, an die Abgeordneten zu thun, befragten sie einige derer Aeltesten, die an den Tractaten mit Antheil gehabt hat ten, über unterschiedene Puncte. Allein die Abgeordnete, welche meistens junge Leute waren, antworteten, sie hätten keine Wissen schaft um diese Dinge, die sich in ihrer Kind heit zugetragen hätten. Man entrüstete sich hierauf durchgängig über die den Carthagi nensern so gewöhnliche Treulosigkeit, die mit gutem Bedacht jungen Gesandten aufgetra gen hätten, Ansuchung um einen alten Frie den zu thun, dessen sie sich auf keine Art er innerten, und von dem sie nicht die geringste Wissenschaft hätten.
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Man ließ sie sodann abtreten, und schritt zu Sammlung der Stimmen der Raths glieder. N. Livius schlug vor, daß man den Consul C. Livius, der am wenigsten entfernt wäre, kommen lassen, und in seiner Gegen wart des Friedens wegen, tractiren möchte. Er stellte vor. „daß, weil die Sache von sehr grosser Wichtigkeit wäre, es dem An sehen des Römischen Volkes nicht gemäß zu seyn schiene, selbige ohne Theilnehmung der beyden Consul, oder wenigstens eines unter ihnen, zu entscheiden.“ Q. Metellus hingegen, der dem Scipio allezeit wohl woll te, sagte: „Da der P. Scipio die Cartha ginenser durch Bezwingung ihrer Armeen und durch Verheerung ihrer Ländereyen so weit gebracht hätte, daß sie demüthig um Friede bitten müsten, so könnte niemand bes ser von der Absicht, in der sie einen solchen Schritt thäten, urtheilen, als derjenige, der die Mauern Carthagens wirklich mit einem Angriff bedrohete. Er glaubte demnach, man müsse es einzig und allein nach dessen Gutachten hierinnen ankommen lassen, ih nen entweder den Frieden zuzugestehen, oder zu versagen.“ M. Valerius Levinus, der mit dem Marcellus Consul gewesen war, be hauptete endlich: „Es wären nicht Gesand te, sondern Spions, die von Carthago ge kommen wären, und er folgerte daher, man müste ihnen demnach anbefehlen, Jtalien unverzüglich zu verlassen, und ihnen eine Begleitung mitzugeben, die sie bis an ihre
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Schiffe brächte; indessen aber an den Scipio(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) schreiben, daß er den Krieg ohne Unterlaß fortsetzen sollte.“ Lälius und Fulvius setzten noch hinzu: „Scipio habe anders nicht auf den Frieden Rechnung gemacht, als nur, wenn Mago und Hannibal nicht zurückbe ruffen würden. Die Carthaginenser wür den sich alle Bedingungen gefallen lassen, so lange sie diese beyden Generale und ihre Armeen noch erwarteten: So bald sie aber dieselben würden zurückkom̄en sehen, würden sie alsobald wieder zu den Waffen greiffen, und weder aus den Tractaten, noch aus den Göttern selbst sich das geringste ma chen.“ Nachdem man alles wohl über legt, ließ man sich den Rath des Levinus ge fallen, und schickte die Gesandten, ohne daß sie etwas erhalten hatten, ja fast ohne Ant wort, zurück. Unterdessen ging der Consul Cn. Servili(Der Consul Servilius wird aus Si cilien nach J talien zurück beruffen. Livius XXX, 24.) us, der sich die Ehre, Jtalien den Frieden gegeben zu haben, zuschrieb, nach Sicilien über, in der Absicht, den Hannibal bis nach Afrika zu verfolgen. Er bildete sich, aus ei nem lächerlichen Hochmuthe, ein, er wäre es, der den Carthaginensischen General aus Jta lien verjaget hätte, und daß es ihm folglich mit Recht zukäme, ihn zu verfolgen. Als man hiervon in Rom Nachricht erhielt, fan den die Rathsglieder für gut, den Prätor an den Consul schreiben zu lassen: die Meinung des Raths wäre, daß er nach Jtalien zurück käme. Allein da der Prätor dagegen vor
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) stellte, daß der Consul auf sein Schreiben we nig geben würde, ernennte man den P. Sul picius zum Dictator, der vermöge des An sehens, welches grösser war, als des Consuls seines, den Servilius nach Jtalien zurück zu kommen nöthigte, und sodann selbst mit dem M. Servilius, seinem General der Reiterey, in dem Ueberreste des Jahres die Städte, welche der Krieg von dem Dienste der Rö mer getrennet hatte, durchreisete, und die verschiedenen Umstände ihres Abfalls, welche sie mehr oder weniger strafbar machen konn te, untersuchte. (Die Cartha ginenser bre chen durch Wegneh mung einiger Römischen Schiffe den Waffenstill stand. Livius XXX. 24. App. vom Pun. Kr. 8. 19. Polyb. XV. 689.) Während des Waffenstillstandes langte eine grosse Fracht Getrayde, welches der Prä tor Sardiniens Lentulus schickte, und aus hun dert Lastschiffen bestund, unter Begleitung von zwanzig Kriegsschiffen an, ohne in ge ringster Gefahr, weder vor den Feinden, noch dem Meere gewesen zu seyn. Cn. Octavius war so glücklich nicht. Denn, nachdem er mit zweyhundert Last - und dreyßig Kriegs schiffen aus Sicilien ausgelauffen war, und Afrika fast schon im Gesichte hatte, ohne ein Unglück erlitten zu haben, fing ihn auf ein mal der Wind an zu verlassen. Bald dar auf wurde er ihm gar zuwider, und zerstreu te seine Lastschiffe. Er selbst kam endlich mit den grossen Schiffen, nachdem er lange Zeit mit Wind und Wellen, die ihn zurücktrie ben, gestritten, durch Hülfe des starken Ru derns, beym Vorgebürge Apollo an. Die kleinen Schiffe aber wurden meistens an die
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Jnsel Aegimurus verschlagen, welche von der(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) Seite des Meeres, ohngefähr dreyßig tau send Schritt von Carthago, den Meerbusen, in welchem diese Stadt gebauet ist, verschlies set. Der Rest wurde bis an den der Stadt gegen über liegenden Ort, der damalsdie warmen Bäder genennet wurde, getrieben. Alles dieses geschahe im Angesichte Cartha gens. Das Volk lief daher auf dem offe nen Markte zusammen. Der Magistrat versammlete augenblicklich den Rath. Das Volk, welches im Eingange des Rathhauses stund, drung in die Rathsherren, die nöthi gen Befehle ergehen zu lassen, daß eine so an sehnliche Beute, die sich ihnen von selbst dar böte, ihnen nicht aus den Händen gelassen würde. Die vernünftigsten mochten ihnen vorstellen, wie sie wollten, daß man ja des Friedens wegen Gesandte nach Rom geschickt hätte, und die Zeit des Waffenstillstands noch nicht verflossen wäre, so drung das Volk, mit Rathsgliedern vermischt, derge stallt darauf, daß endlich der Rath sich ge zwungen sahe, dem Hasdrubal zu erlauben, mit einer Flotte von funfzig Schiffen in die Jnsel Aegimurus überzuschiffen, alle Ufer und benachbarte Hafen zu durchsuchen, die Römischen Schiffe, welche der Sturm ver schlagen hatte, zusammen zu bringen, und sie nach Carthago zu führen. Man erken net hieraus die Gemühsart der Carthaginen ser, als solcher Leute, die bis zur Tollheit ge winnsüchtig waren, und aus Beobachtung
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) der Treue und Redlichkeit gar wenig mach ten. Scipio ward durch diese Frechheit der Carthaginenser um so vielmehr aufgebracht, da der Waffenstillstand, den er ihnen auf ihr inständiges Bitten zugestanden, nicht nur noch dauerte, sondern sie auch nicht einmal die Rückkunft der Gesandten, die nach Rom ab gegangen waren, erwartet hatten. Er schick te drey Abgeordnete nach Carthago, sich we gen dieses Bruches, welcher alle Hofnung, den Frieden zu schliessen, vernichtigte, zu be schweren. Diese wurden bey ihrer Ankunft von dem Pöbel, der sich um sie versammlete, äusserst gemißhandelt, und man würde ihnen bey ihrer Rückkehr vielleicht noch übler mit gefahren haben, wenn nicht der Magistrat auf ihr Bitten ihnen eine Bedeckung, die sie bis nahe vor das Römische Lager begleitete, mitgegeben hätte. Aber auch in diesem kur zen Zwischenraume, griffen vier Galeen, die von der bey Utica vor Anker liegenden Flotte abgeschickt waren, das Schiff, worauf sich die Gesandten befunden, an. Es wehrte sich lange Zeit herzhaft; endlich aber muste es, um den Feinden zu entkommen, an dem Ufer stranden. Doch ging nichts weiter, als das Schiff, verlohren. (Liv. ebend. Polyb. XV. 693.) Nach diesem doppelten Bruch des Waf fenstillstandes kamen Lälius und Fulvius mit den Carthaginensischen Abgeordneten im La ger des Scipio wieder an. Dieser General hätte Repressalien gebrauchen können; weil
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er aber, statt aller Rache, nur dahin bedacht(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) war, die Carthaginenser an Tugend zu über treffen, und ihrer Treulosigkeit seine großmü thige Redlichkeit entgegen zu stellen, schickte er diese Abgeordneten zurück, nachdem er dieses zu ihnen gesagt: „Daß, obschon die Carthaginenser nicht nur dem Waffenstill stande, da sie sich an seinen Schiffen vergrif fen hätten, zuwider gehandelt, sondern auch, indem sie seinen Abgesandten übel begegnet wären, das Völkerrecht selbst verletzet, er doch gegen sie nicht auf eine solche Art sich betragen wolle, welche der Römischen Hoheit, oder seiner eignen Großmuth nach theilig seyn könnte.“ So bald sie abgerei set waren, machte er Anstalt, den Krieg so, wie er ihn angefangen hatte, fortzusetzen. Hannibal war fast schon am Ufer, als ei( Hannibal langt in Afri ka an.) ner von den Matrosen, den er zur Ausfor schung der Anfurt auf die Spitze des Mast baums hatte steigen lassen, ihm vermeldete, daß das Vordertheil des Admiralschiffes ge rade gegen ein eingestürztes Grab gerichtet sey. Weil ihm diese Vorbedeutung mißfiel, befahl er dem Steuermann, vorbey zu schiffen. Er stieg also in einiger Entfernung davon, ohn weit Leptis, ans Land. Gegen das Ende des Jahrs, von dem wir(Klagen der Bundsgenos sen in Grie chenland ü ber den Phi lippus.) reden, schickten die Städte Griechenlands, welche mit dem Römischen Volke im Bun de stunden, Gesandte nach Rom, sich zu be klagen, daß ihr Gebiete von den Trupen des Philippus wäre verwüstet worden, und daß
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) dieser Fürst die Gesandten, die man an ihn geschickt hätte, Genugthuung zu fordern, nicht habe vor sich lassen wollen. Sie melde ten zugleich, daß er viertausend Mann, unter Anführung des Sopaters, mit grossen Sum men Geldes, dem Hannibal zur Hülfe nach Afrika geschickt habe. Auf diese Nachrichten faßte der Rath den Entschluß, Gesandten an ihn abzuschicken, und durch selbige ihm von Seiten der Römer zu wissen zu thun, daß ih nen eine solche Aufführung, als ein offenba rer Bruch des Friedens, der zwischen ihnen wäre geschlossen worden, vorkäme. C. Te rentius Varro, C. Mamilius und M. Aureli us, denen man diese Gesandtschaft auftrug, reiseten auf drey Galeen von fünf Ruderbän ken, die man ihnen zu dieser Reise gab, ab. Eben dieses Jahr war wegen des Todes des grossen Fabius merkwürdig. Dieser Mann wurde durchgängig von allen redli chen Bürgern bedauert. Die Privatperso nen trugen, in der Absicht sein Andenken zu beehren, und ihre Dankbarkeit für die gros sen Dienste, die er seinem Vaterlande gelei stet, zu bezeigen, ein jeder zu seinem Leichen begängnis, als eines allgemeinen Vaters, etwas bey. Eben dergleichen Ehre hatte das Volk seinem Großvater, dem Fabius Rullus, auch erwiesen. (Val. Max. VIII. 13. 3.) Der, von dem wir reden, starb, wenn man dem Valerius Maximus Glauben bey messen darf, in einem sehr hohen Alter. Denn, nach dem Zeugnis dieses Schriftstellers, war
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er ganzer zwey und sechzig Jahr Augur, und,(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) da er zu dieser Würde gelangte, muß er oh ne Zweifel schon ein Mann in seinen besten Jahren gewesen seyn. Hieraus schließt er, daß er fast ein völliges Jahrhundert gelebt habe. Allein diese Meynung hat ihre Schwürigkeit. Gesetzt aber, daß sein Leben auch sehr lang ge wesen ist, wurde es doch noch vielmehr durch seine vortreflichen Eigenschaften und schönen Thaten verherrlichet, welche ihm den Zuna men desGrossen (Maximus) würden er worben haben, wenn er ihn nicht schon in sei ner Familie eingeführt gefunden hätte. Er (*) übertraf in Ansehung der Ehrenstellen den Ruhm seines (**)Vaters, und kam dem von seinem Großvater Rullus bey, welcher, wie er, fünfmal Consul gewesen, und auch den BeynahmenMaximus geführet hat. Es ist wahr, Rullus lieferte mehr Schlach ten, als er, und erhielt mehr Siege: Allein einem solchen Feinde, wie Hannibal, die Spi 68 69
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(d. 549. J. n. R. E. d. 203. J. v. C. G.) tze zu bieten, gewust haben, ist ein Verdienst und Ehrentitel, welcher mit denen grösten Heldenthaten kann in Vergleichung gezogen werden. Er zeigte mehr Klugheit und Be hutsamkeit, als Hitze und Lebhaftigkeit. Man kann nicht so genau bestimmen, ob dieses lang same und abgezirkelte Betragen den Grund in seiner Gemüthsart hatte, oder ob ihm die damaligen Umstände und die Beschaffenheit des Krieges, der ihm zu führen aufgetragen war, diese Gedanken der Vorsicht und Be hutsamkeit einflößten. Das aber ist gewiß, daß dieser weise Zauderer hierdurch die Re publick rettete, wie solches der Ennius in ei nem der ganzen Welt bekannten Verse be merket. ____Vnus homo nobis cunctando reſti- ____tuit rem.
(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.)

(Vertheilung der Provin zen. Livius XXX. 27.) Die neuen Consuls bezeigten ein gleiches Bestreben, Afrika zur Provinz zu überkom men. Die Sache aber wurde dem Volke überlassen, welches das Commando dem Sci pio noch weiter bewilligte. Nichts destoweni ger wurde der Rath ohne Zweifel durch ihr ungestümes Anhalten genöthiget, zu verord nen, daß einer von den beyden Consuls, mit einer Flotte von funfzig Galeen, jede zu fünf Ruderbänken, nach Afrika übergehen, und mit dem Scipio gleiche Gewalt und Ansehen haben sollte. Das Loos machte, daß diese
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Bedienung dem Tib. Claudius zufiel. Der(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) andre Consul bekam zur Provinz Hetrurien. Um sich den Schutz des Himmels zu versi chern, befahl man den Consuls, ehe sie ins Feld giengen, die Spiele anstellen zu lassen, und die grossen Schlachtopser darzubringen, welche der Dictator T. Manlius denen Göt tern (*) unter dem Consulat des M. Clau dius Marcellus und des T. Quintius, im Fall, daß die Republick nach Verfluß von fünf Jahren in eben den Umständen, worin nen sie damals war, befände, versprochen hatte. Welches auch geschahe. Unterdessen waren die Gemüther zwischen(Unruhe der Römer, we gen des Ab zugs des Han nibals. Livius XXX. 28.) Furcht und Hofnung getheilt, und beyde Af fecten nahmen mit einander von Tag zu Ta ge zu. „Man wuste nicht, ob man sich freu en sollte, daß Hannibal, nachdem er sech zehn Jahr nach einander gleichsam in Be sitz Jtaliens gewesen war, es endlich verlas sen hätte, oder ob man sich betrüben mü ste, daß er mit seinen Trupen nach Afrika zurückgegangen wäre. Man sagte, der Krieg wäre deswegen, weil sich das Theater des selben verändert hätte, nicht weniger gefähr lich. Fabius, der vor kurzem gestorben wäre, hätte ihnen öfters voraus gesagt, daß Hannibal viel fürchterlicher seyn würde, 70
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) wenn er für die Vertheidigung seines Va terlandes streiten sollte, als er gewesen, da er ein fremdes Land angegriffen hätte. Sci pio würde weder mit einem barbarischen Könige, wie Syphax, der ohne Kriegser fahrung gewesen, noch mit dessen Schwie gervater, dem Hasdrubal, der fertiger zu fliehen als zu streiten wäre, noch mit zusam mengeraften und halb bewafneten Bauern zu thun haben: sondern mit dem berühm ten Feldherrn Hannibal, der so zu sagen in dem Zelte seines Vaters gebohren, und mitten unter dem Geräusch der Waffen auferzogen wäre; welcher von seiner Kind heit an gedienet, und von seiner Jugend an commandiret; welcher, allezeit von dem Sie ge begleitet, Spanien, Gallien und Jtalien mit dem Ruhm seines Namens erfüllet, und in allen diesen Landen ruhmwürdige Andenken seiner Heldenthaten zurück gelas sen habe. Dieser General stehe an der Spitze solcher Soldaten, die eben so alt im Dienst, als er, worden, und welche Gefah ren und Strapatzen, die dem Ansehen nach über menschliche Kräfte wären, abgehärtet hätte; die mehr als tausendmal mit Römi schem Blute besprützt worden, und Beute, die sie nicht nur von Soldaten, sondern auch von Generalen selbst gemacht hätten, mit sich führten. Scipio würde in der Schlacht verschiedene Carthaginenser fin den, welche mit ihrer Hand Prätors, Ge nerale und Consuls getödtet, welche sich
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von andern durch Kränze und andere(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Kriegsbelohnungen, als gewissen Zeugen ihrer bewiesenen Tapferkeit, unterschieden; welche Städte eingenommen und Lager im Sturm erobert hätten. Alle zu Rom in den höchsten Ehrenämtern stehende Perso nen zusammen, liessen nicht so viele Bündel Stäbe (Faſces) vor sich hertragen, als Hannibal von denen Generalen, die er in verschiedenen Schlachten erlegt, erbeutet hätte.“ Durch diese Arten von Betrachtungen vermehrten sie selbst ihr Schrecken und ihre Unruhen. Da hiernächst seit einer gu ten Anzahl Jahre der Krieg, so zu sagen, unter ihren Augen in den verschiedenen Theilen Jtaliens auf eine ziemlich langsame Art, und ohne Hofnung eines baldigen En des, war geführet worden, vermehrte sich ihre Aufmerksamkeit und Sorge nicht we nig, da sie den Scipio und Hannibal im Begriff stehen sahen, mit einander Hand gemein zu werden, um einen so berühmten Streit zu endigen. Selbst die, welche noch das meiste Zutrauen zu dem Scipio hatten, und welche am gewissesten auf den Sieg rechneten, merckten in sich eine Verdop pelung der Unruhe und Furcht, je näher die unvermeidliche und entscheidende Stun de anrückte. Die Carthaginenser stunden fast in eben diesen sorglichen Gedancken. Bald reute
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) es sie, da sie den Hannibal so nahe sahen, und die Grösse seiner Heldenthaten erwo gen, daß sie den Frieden mit so grossem Eifer gesuchet hatten; bald konnten sie sich nicht enthalten zu zittern, wenn sie nach dachten, daß sie zwo Schlachten verlohren; daß Syphax, ihr Freund und Bundsge nosse, in der Gefangenschaft wäre; daß sie aus Spanien und Jtalien wären ver jagt worden; und daß alle diese Wider wärtigkeiten ein Werk der Klugheit und der Tapferkeit des einzigen Scipio wären. Sie fürchteten, es möchte das Schicksaal diesen General zum Verderben und Um sturz Carthagens haben lassen gebohren werden. ( Scipio schickt dem Hannibal seine Spio nen zurück. Polyb.XV. 693. Liv.XXX. 29. App. 21.) Als Hannibal zu (*) Adrumetum ange langt war, gab er seinen Soldaten einige Rasttage, sich von der Beschwerlichkeit der Schiffart wieder zu erholen. Weil man ihn aber durch die Curiers, deren einer nach dem andern ankam, ihm zu berichten, daß alles um Carthago herum voller Feinde wä re, zum Aufbruch inständigst ermahnet, mar schirte er mit der grösten Eilfertigkeit nach Zama. Dieser Ort ist nur fünf Tagereisen von Carthago entfernt. Er schickte von dar drey Spions aus, die Bewegung der feindlichen Armee zu beobachten. Allein diese Spions wurden von den Vorposten der Römer angehalten, und zu dem Sci 71
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pio gebracht. Dieser General, der alle(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) zeit voller Großmuth und guter Zuversicht war, versicherte sie: sie hätten nichts von ihm zu befürchten. Er übergab sie so gar einem Obristen, mit dem Befehl, sie in allen Theilen des Lagers herum zu führen, und sie alles nach ihrem Belieben sehen und untersuchen zu lassen. Endlich, nach dem er sie gefragt, ob sie ihrer Neugier ein Gnüge gethan hätten, schickte er sie unter einer guten Bedeckung zu ihrem Ge nerale zurück. Hannibal erfuhr durch seien Spione nichts, als traurige Nachrichten: unter an dern, daß Masinissa gleich diesen Tag mit ei ner Mannschaft von 6000 zu Fusse und vier tausend zu Pferde angelangt sey. Was ihn aber am meisten beunruhigte, war das zu versichtliche Ansehen, welches sich Scipio gab, und welches Hannibal als einen gegründeten Beweiß von der Stärke seines Feindes an sahe. Ob er nun gleich der Urheber des Krieges war, und seine Zurückkunft den Waffenstillstand und die Unterhandlungen auf einmal unterbrochen hatte, so schmeichel te er sich doch, daß er, wenn er mit allen Kräften den Frieden suchte, vortheilhaftere Bedingungen erhalten werde, als wenn er(Hannibal wendet sich an den Ma sinissa, um durch ihn ei ne Zusam̄en kunft mit dem Scipio zu erhalten.) überwunden wäre. Er schickte also anfangs zu dem Masinissa, und ließ ihn an seinem Aufenthalt in Carthago erinnern, wo seine Jugend eine Auferziehung bekommen habe, welche seiner Jugend gemäß sey, und welches
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(d. 550. J. n. R. E. d 202. J. v. C. G.) er also als sein zweytes Vaterland betrach ten müsse. Alle Gunst, die er sich von ihm ausbat, war, daß er ihm eine Zusammen kunft mit dem Scipio verschaffen solle. Ma sinissa, welcher eine lebhafte Dankbarkeit ge gen diese Stadt, wegen des daselbst genosse nen Unterrichts, bey sich behalten hatte, und auch noch viele Freunde daselbst wuste, ließ sich mit Freuden bey dem Scipio brau chen, und trug ihm das Verlangen des Hannibal vor, welches ihm Scipio ohne Um stände verwilligte. (Zusammen kunft des Scipio und Hannibals.) Nachdem die zwey Generals also hierin nen einig waren, so liessen sie ihre Läger nä her an einander rücken, um ihre Unterhand lungen in der Nähe fortsetzen zu können. Scipio ließ sich bey Madagäus nieder, an einem Orte, welcher, unter andern Vorthei len, auch diesen hatte, daß er kaum einen Pfeilschuß vom Wasser entfernet war. Hannibal setzte sich eine Meile davon auf ei ner ganz vortheilhaften Höhe, nur daß er das Wasser etwas weit davon hohlen mu ste. Sie erwehleten zum Orte ihrer Zusam menkunft einen Platz, welcher zwischen bey den Lägern war, und so frey lag, daß man keine Ueberraschung zu befürchten hatte. Den Tag darauf giengen beyde mit einiger Reiterey aus ihren Lägern, welche sich so gleich wieder zurück zogen. Nunmehr un terredeten sich diese zwey Feldherren, welche nicht allein die berühmtesten ihrer Zeit wa ren, sondern auch mit den grössesten Helden
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der vergangenen Jahrhunderte in Verglei(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) chung kommen konnten. Jeder hatte einen Dolmetscher. Sie blieben lange Zeit, ohne ein Wort zu sprechen, und betrachteten sich beyde, voller Verwunderung, einer den an dern. Endlich fing Hannibal an zu reden. Wir finden sowohl bey dem Polybius, als Livius, die Reden, welche diese beyden Gene rals mit einander wechselten. Jch habe ge glaubt, man werde es mir Dank wissen, wenn ich sie alle beyde hier einrückte. Jch will mich weder für die eine, noch für die an dere erklären, und dem Urtheile des Lesers nicht zuvorkommen. Nur dieses will ich er innern, daß Polybius zuerst geschrieben hat, und daß er selbst ein Soldate war.

I.Rede des Hannibals aus dem Polybius gezogen.XV. 694.

„Jch wünschte herzlich, daß es weder den Römern, noch den Carthaginensern iemals eingekommen wäre, ihre Eroberungen zu erweitern, diese gegen Jtalien, und jene ge gen Afrika zu, und daß sie sich beyde in die sen zwey schönen Reichen eingeschlossen hät ten, welchen die Natur selbst die Gren zen bestimmt zu haben scheinet. Weit gefehlt, daß wir auf beyden Theilen so verfahren hätten. Wir haben anfangs die Waffen wegen Sicilien ergriffen. Hernach haben wir einander die Herr schaft in Spanien streitig gemacht. End
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) lich sind wir, von dem Glücke verblendet, so weit gegangen, daß wir einander gänz lich aufreiben wollten. Die Römer sind genöthiget worden die Mauern ihres Va terlandes gegen mich zu vertheidigen; und wir befinden uns jetzo in gleicher Nothwen digkeit. Es wäre wohl Zeit daß wir, nach dem wir den Zorn der Götter gestillet, ein mal bedacht wären, diese halsstarrige Ei fersucht aus unsern Herzen zu verbannen, welche bis jetzt die Waffen in unsern Hän den erhalten hat. Jch für mein Theil, der ich durch die Erfahrung gelernet habe, wie weit die Un beständigkeit des Glückes gehet, wie wenig sie braucht, die entsezlichsten Veränderun gen zu verursachen, und wie gerne sie mit den Menschen ihr Spiel treibet, bin sehr geneigt zum Frieden. Jch fürchte aber sehr, Scipio, daß du nicht in dieser Verfassung bist. Du bist in der Blüte deines Alters! alles ist dir in Spanien und in Afrika nach Wunsche gegangen; nichts hat bis anjezt dem Lauffe deines Glücks Schranken gesetzt. Alles dieses läßt mich besorgen, daß die Ursachen, welche ich, den Frieden zu schliessen, anbringen werde, so wichtig sie auch sind, dich dennoch nicht überreden möchten. Unterdessen, bitte ich dich, betrachte, wie wenig man auf das Glück Rechnung ma chen könne. Du hast nicht nöthig, die
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Beyspiele davon weit zu suchen: wirff nur(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) die Augen auf mich. Jch bin der Hanni bal, welcher durch die Schlacht bey Can nä Herr beynahe von ganz Jtalien geworden war. Einige Zeit darauf ging ich bis vor Rom; ich hatte mein Lager kaum vierzig Stadien von der Stadt aufgeschlagen, und glaubte gewiß, daß das Schicksal der Römer und ihres Vaterlandes nun mehr völlig in meiner Hand sey. Und heute, bey meiner Rückkunft nach Afrika, heute seh ich mich genöthigt, mit einem Rö mer wegen der Bedingungen Unterhand lung zu pflegen, unter welchen er meine und Carthagens Wohlfahrt frey geben will. Laß dich dieses Exempel lehren, den Stolz nicht zu weit zu treiben, sondern zu überlegen, daß du ein Mensch bist. Wann man sich über einer Sache be rathschlaget, so erfordert die Klugheit, daß man unter den Gütern das größte, und unter den Uebeln das kleineste erwehlet. Welcher vernünftiger Mensch aber wollte sich mit kaltem Blute einer so grossen Ge fahr aussetzen, als die drohet? Wann du den Sieg davon trägest, so wirst du weder deinen noch deines Vaterlands Ruhm sehr vermehren: wirst du aber ü berwunden, so verlierest du, in einem Au genblicke, alles, was du bis jetzt an Ehre und Ansehen erworben hast. Wozu soll also diese Rede dienen? dazu, daß du folgende Punkte eingehest: Daß
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Sicilien, Sardinien und Spanien, wel ches bisher die Gegenstände unsrer Kriege gewesen sind, auf ewig den Römern eigen bleiben und die Carthaginenser niemals die Waffen ergreiffen sollen, ihnen den Besitz dieser Länder streitig zu machen. Auf glei che Weise sollen auch die Jnseln zwischen Jtalien und Afrika den Römern zugehören. Diese Bedingungen, glaub ich, können beyde Völker eingehen. Auf der einen Sei te setzen sie die Carthaginenser in Zukunft in Sicherheit; auf der andern sind sie so wohl dir als der ganzen Römischen Repu blik höchst rühmlich. = = = So redete Han nibal.“
Antwort des Scipio, aus dem Polybius gezogenXV. 696. 697. Scipio antwortete, daß nicht die Römer, sondern die Carthaginenser Ursache an dem Kriege, wegen Sicilien und Spanien, wä ren: daß er den Hannibal selbst deßwegen zum Zeugen nehme, welcher es gewiß nicht leugnen könne: daß die Götter selbst die Sa che entschieden hätten, indem sie sich, durch den Fortgang, nicht für die Carthaginenser, als die Urheber eines ungerechten Krieges, sondern für die Römer erkläret hätten, wel che nur auf ihre Vertheidigung wären be dacht gewesen. Sein glücklicher Fortgang ließ ihn übrigens gar nicht die Unbeständig keit des Glücks, oder die Ungewißheit der menschlichen Zufälle aus den Augen lassen.
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„Wann du, Hannibal, fuhr er fort, eher(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Jtalien verlassen hättest, als wir nach A frika übergiengen, und hättest alsdann die se Bedingungen vorgeschlagen, so glaube ich gewiß, man würde sie angenommen haben. Jetzt aber, da du bist gezwungen worden, Jtalien wider deinen Willen zu räumen, und da wir in Afrika Herren des Landes sind, hat sich die Sache ganz geändert. Wir haben zwar, auf das Bitten deiner gefangenen Mitbürger, eine Friedens Un terhandlung anfangen wollen, wovon man die Punkte niedergeschrieben hat. Ausser denen, welche du vorgetragen hast, waren es auch noch diese; daß die Carthaginenser unsre Gefangnen ohne Lösegeld zurück ge ben, uns ihre Kriegsschiffe ausliefern, fünf tausend Talente zahlen, und über dieses Geisseln geben sollten. Dieses waren die Bedingungen, worüber wir eins wurden. Jch habe sie alle nach Rom geschickt, sie von dem Senate und dem Volke bekräfti gen zu lassen, mit Beyfügung, daß ich sie, meines Theils, billigte, und daß die Car thaginenser die Einwilligung mit Verlangen erwarteten. Und nachdem nun der Senat und das Volk ihre Einwilligung gegeben, so halten die Carthaginenser ihr Wortnicht, sondern betriegen uns. Was ist nach dem allen zu thun? Setze dich an meine Stelle, und antworte mir. Soll man sie von dem frey sprechen, was das wichtigste in der Frie denshandlung ist? Wahrhaftig, das wäre
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) ein vortrefliches Mittel ihnen zu lehren, wie sie in Zukunft diejenigen betriegen sollten, die ihnen Gefallen erwiesen. Aber, sprichst du vielleicht, wenn sie ihre Bitte erlangen, so werden sie niemals eine so grosse Wohl that vergessen. Dieses mag man aus ihrer letzten Aufführung schliessen. Um was sie uns auf das dehmüthigste ersuchten, er hielten sie; gleichwohl fingen sie, auf die kleine Hoffnung, die sie auf deine Zurück kunft setzten, wieder an, uns als Feinden zu begegnen. Wenn man zu den Bedin gungen, die man euch vorgeschlagen hat, noch andre und härtere fügte, so könnte man unsre Friedenshandlung zum zweyten male dem Römischen Volke vorlegen; Da ihr aber verschiedne abschneidet, derentwe gen man schon einig geworden war, so kan man ihm keinen Vortrag deßwegen mehr thun. Wann du mich also fragest, was mein letzter Entschluß sey, so muß ich dir mit einem Worte sagen: Entweder du must dich und dein Vaterland auf Gnade und Ungnade ergeben, oder eine Schlacht muß zu eurem Vortheile den Ausschlag thun.
II.Rede des Hannibals, aus dem Livius gezogen.XXX. 30. Weil es denn das Schicksal beschlossen hat, daß ich, die vornehmste Ursache des gegenwärtigen Krieges, daß ich, der ich den Sieg so vielmal in Händen gehabt habe, den ersten Schritt thun soll, um Frieden zu
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bitten; so bin ich erfreut, daß sie mich(d. 550. J. n R. E. d. 202. J. v. C. G.) wenigstens an einen Feldherren, wie du bist, deßwegen gewiesen haben. Du hast dich durch verschiedne berühmte Thaten her vorgethan: doch dieses wird gewiß nicht die geringste von deinen rühmlichen Begeben heiten seyn, daß Hannibal, welchem die Götter den Sieg über die Römischen Feld herren so oft verliehen hatten, genöthiget worden ist, dir zu weichen, und daß du ei nen Krieg geendiget hast, der durch eure Niederlagen merkwürdig war, ehe er es durch die unsrigen ward. Was man da bey als einen Eigensinn und als ein Spiel des Glücks ansehen kan, ist dieses, daß dein Vater der erste Römische Anführer war, dem ich mich mit gewafneter Hand entgegen stellte, und daß ich jetzt ungewaf net zu seinem Sohne kommen muß, ihn um Frieden zu bitten. Es wäre zu wün schen, daß die Götter unsern Vätern den Geist der Mäßigung und des Friedens ge schenket hätten, und daß wir eingeschränkt geblieben wären, ihr in den Grenzen Jta liens, und wir in den Grenzen von Afrika. Denn Sicilien und Sardinien, wovon euch der Ausgang Meister gemacht hat, sind sehr geringe Schadloshaltungen für so vie le beträchtliche Flotten, so viele zahlreiche Armeen, und für so viele grosse Feldherren, welche euch diese beyden Provinzen geko stet haben. Doch laß uns das vergange ne verlassen, welches man wohl tadeln, a
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) ber nicht ändern kan. Unser Glücke hat einander bis jetzt die Wage gehalten; wir haben einer den andern in seinem Lande angegriffen, und uns dadurch der Gefahr ausgesetzt, in dem unsrigen zu verunglücken. Rom hat die Carthaginensischen Waffen vor seinen Thoren, und an dem Fusse seiner Mauern gesehen, und wir hören jetzo in Carthago das Lärmen der Waffen, und der Läger der Römer. Wir handeln jetzo um den Frieden, zu ei ner Zeit, da euch alles von statten geht, das ist, in uns sehr widrigen und euch sehr vortheilhaften Umständen. Du, und ich, die ihn schliessen wollen, sind unwidersprech lich diejenigen, welchen am meisten daran liegt, daß er gut geschlossen wird, und die jenigen, welche Ansehen genug haben, daß unsre Republicken unsre Vergleiche nicht verwerffen werden. Wir haben Friede zu schliessen nicht nöthig, als eine gewisse Ver fassung des Geistes, welche ihn nicht zu ent fernen sucht. Was mich anbelangt, der ich im zunehmenden Alter in mein Vater land zurückkomme, nachdem ich es beynahe als ein Kind verlassen habe, so habe ich durch den verschiednen Fortgang, welchen ich ge habt, gelernt, daß man sich mehr auf die Vernunft und auf die Klugheit, als auf den Zufall und das Glück verlassen müsse. Jch fürchte aber, daß es mit dir nicht so beschaffen ist, und daß deine Jugend, nebst dem Glücke, welches dich bisher beständig
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begleitet hat, dir nicht gewisse Empfindun(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) gen der Grösse beybringen, welche Feinde des Geistes, des Friedens und der Mäßi gung sind. Man bekümmert sich wenig um das Unglück, wenn man niemals un glücklich gewesen ist. Du bist jetzo das, was ich ehedem bey der Thrasimenischen See und bey Cannä war. Kaum hattest du gelernt zu gehorchen, als man dir die Anführung der Armeen anvertraute, und seit der Zeit bist du in allen Unternehmun gen glücklicher gewesen, als du es selbst ge dacht hast, so verwegen als sie auch gewe sen sind. Selbst das Unglück deiner Fa milie hat dir zu deiner Ehre dienlich seyn müssen; du hast den Tod deines Vaters und deines Oheims gerächet, und der gan zen Welt einen sich ausnehmenden Beweiß von deiner Tapferkeit und kindlichen Liebe gegeben. Nachdem du vier Carthaginensi sche Armeen aus Spanien verjagt, hast du diese Provinzen wieder erobert, welche die Römer verlohren hatten. Man hat dich zum Consul gemacht, und in Umständen, worinne andere Feldherren kaum muthig genug waren, Jtalien zu vertheidigen, bist du so kühn gewesen, nach Afrika überzuge hen. Hier hast du zwey Armeen zu Grun de gerichtet, zwey Läger verbrannt und ein genommen, den mächtigsten König des gan zen, Landes den Syphax, geschlagen und ge fangen, eine grosse Menge Städte, sowohl in seinem, als in unserm Reiche, unter Rö
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) mische Bothmäßigkeit gebracht, und noch den aus Jtalien gerissen, in dessen Besitze ich schon ganzer sechzehen Jahre war. Es (*) kan also leicht geschehen, daß du dich durch den Glanz des Sieges mehr rei tzen lassest, als durch die Annehmlichkeiten des Friedens. Jch kenne die Gemüthsart der Römer: Euch gefällt mehr das schimmern de, als das gründliche. Und mir selbst hat, zu einer glücklichen Zeit, eine gleiche Bezau berung geschmeichelt. Wenn uns die Göt ter nebst dem Glücke auch gesunden Ver stand gäben, so würden wir an das, was in der Folge geschehen kan, eben so wohl den ken, als an das, was in verfloßner Zeit ge schehen ist. Ohne dir das Beyspiel ande rer Feldherren vorzulegen, ist mein eigenes hinreichend, dich die verschiedenen Abwech selungen des Glücks zu lehren. Mich, den man vor kurzer Zeit nahe an Rom gela gert, und fertig sah, die Mauern dieser Stadt zu ersteigen, mich siehest du anietzt, nachdem ich zwey berühmte Brüder ver lohren habe, für das beynahe belagerte Car thago zittern, und gezwungen, dich um die Gnade zu bitten, meiner Vaterstadt die 72
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Angst zu ersparen, die ich deiner habe em=(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) pfinden lassen. Je mehr das Glück uns schmeichelt, de sto weniger müssen wir ihm trauen. Jetzt, da dir alles glücklich von statten gehet, und unsere Umstände zweifelhaft sind, wird dir der Friede, den du uns giebst, rühmlich, uns aber, die wir ihn bitten, mehr nöthig als rühmlich seyn. Ein gewisser Friede ist besser, als ein Sieg in Hoffnung. Der er ste hangt von dir ab, der andre von den Göttern. Setze dich nicht der Gefahr aus, das in einem Augenblicke zu verlieren, was du in so viel Jahren gewonnen hast. Jndem du deine Kräfte überlegest, so über lege zugleich die Unbeständigkeit des Glücks, und die Ungewißheit der Schlacht. Auf beyden Seiten werden Waffen und Fäu ste seyn. Jm Kriege vornehmlich kömmt der Ausgang nicht mit der Hoffnung, mit der man sich geschmeichelt hat, überein. Der Sieg, vorausgesetzt, daß er sich für dich erklärt, kan die Vortheile, welche dir der Friede gewiß macht, nicht so sehr vergrössern, als ein schlimmer Ausgang sie verrigern kan. Ein Augenblick kan dir alles nehmen, nicht allein was du schon er langt hast, sondern auch, was du noch zu erlangen hoffen kanst. Machst du Friede, Scipio, so entscheidest du dein Schicksal selbst: willst du schlagen, so werden es die Götter seyn, die es entscheiden. Regulus würde in eben dem Lande, wo wir ietzo wirk
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) lich sind, eines der vortreflichsten Beyspie len des Glücks und der Tapferkeit gewesen seyn, hätte er unsern Vätern, nachdem er sie überwunden, den Frieden zugestanden. Da er sich aber durch den glücklichen Fort gang verblenden ließ, und sich seiner Sie ge nicht weißlich bediente, so that er einen desto beweinenswürdigern Fall, je höher ihn das Glück erhoben hatte. Jch weiß es, derjenige, welcher den Frie den giebt, kan die Bedingungen davon vor schreiben. Vielleicht aber sind wir es nicht gänzlich unwerth, uns unsere Straffe selbst vorzuschreiben. Wir bewilligen es also, daß ihr Herren von allen Ländern bleibt, welche Gelegenheit zu den Kriegen gegeben haben, von Sicilien, Sardinien, Spanien und von allen Jnseln, welche zwischen Jta lien und Afrika liegen. Wir wollen uns in die engen Grenzen von Afrika einschliessen, und, weil es die Götter also wollen, mit an sehen, wie die Römer ihre Herrschaft zu Wasser und Lande über die fremden Völ ker erweitern. Jch gebe es zu, daß dir, in Ansehung der wenigen Redlichkeit, welche man während des Stillestands erwiesen hat, die Treue der Carthaginenser verdächtig seyn kan. Allein die Beobachtung des Friedens hängt in vielen Stücken von dem Ansehen desjeni gen ab, welcher ihn geschlossen hat. Jch höre, die vornehmste Ursache, warum ihn uns der Senat verweigert hat, ist die we
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nige Würde der Abgesandten gewesen, die(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) man deßwegen an ihn abgeschicket hatte. Jetzo aber bittet ihn Hannibal, weil er ihn für zuträglich erkennet, und eben die Vor theile, die ihn dahin bringen, ihn zu bitten, werden ihn auch anhalten, ihn zu beobach ten. Und da ich so gehandelt habe, daß man sich über die Folgen eines Krieges, wovon ich der Urheber war, nicht eher be klagen konnte, als bis die Götter selbst mei nen Ruhm zu beneiden anfiengen; so wer de ich auch alle meine Kräffte anwenden, daß man mir, in Ansehung des Friedens, wenn ich ihn zu Stande gebracht habe, kei nen Vorwurff machen kan.
Antwort des Scipio, aus dem Livius gezogen.XXX. 31. Jch habe es wohl gewußt, Hannibal, daß es die Hoffnung auf deine Zurückkunft war, welche die Carthaginenser verführet hat, den Stillestand zu brechen, und dem Frieden zu entsagen, welcher beynahe zum Schlusse gediehen war. Du selbst köm̄st damit überein, indem du von den vorge schlagenen Bedingungen alles wegnimst, was man uns anfangs eingeräumet hatte, und uns nichts lässest, als was wir schon seit langer Zeit besitzen. Da du dich be mühest, deinen Bürgern es empfinden zu lassen, von welcher Last sie deine Zurück kunft befreyet, so kömmt es mir nicht weni ger zu, zu verhindern, daß die Vortheile,
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) die sie uns anfangs zugestanden, und die sie jetzo unterdrücken, nicht zu einer Ver geltung ihrer Untreue werden. Deine Carthaginenser verdienen nicht einmal, daß man ihnen die ersten Bedingungen einräu met; und sie können noch verlangen, daß ihr Betrug ihnen zum Nutzen ausschlagen soll? Nicht die Begierde, sich Siciliens zu be mächtigen, war es, welche unsre Väter den Krieg dahin zu bringen vermochte; auch die Begierde, Spanien zu erobern, war es nicht, die uns in dieses Reich zog. Auf der einen Seite war es die dringende Gefahr unsrer Bundsgenossen, der Mammertiner, auf der andern die grausame Verwüstung Sagunts, welche uns die rechtmäßigen Waffen in die Hände gegeben haben. Du gestehest es selbst, daß du der angreiffende Theil gewe sen bist, und die Götter haben es deutlich gnung bezeuget, indem sie in dem ersten Kriege den Sieg dem Theile, wo das Recht war, zuerkannt haben, wie sie es auch in dem gegenwärtigen thun und thun werden. Was mich anbelangt, so verliere ich we der die menschliche Schwachheit, noch die Unbeständigkeit des Glücks aus dem Ge sichte, und ich weiß, daß unsre Entwürf fe hundert Widerwärtigkeiten unterworf fen sind. Hättest du freywillig Jtalien ver lassen, ehe ich nach Afrika übergieng, und hättest mich alsdann zum Frieden eingela den, so hätte ich deine Vorschläge nicht verwerffen können, ohne mich eines über
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müthigen Stolzes schuldig zu machen. Da(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) ich dich aber wider deinen Willen und nach langem Widerstande gezwungen habe, dei ne Beute zu verlassen, und nach Afrika zu rück zu kommen; so vergönne mir zu sagen, daß es sich sehr schlecht schicken würde, wenn ich mich deinem Verlangen gemäß bezeigen wollte. Wenn man also zu den ersten Bedingungen, die dir alle bekandt sind, noch einige neue hinzufügen will, uns wegen der weggenommenen Schiffe schad los zu halten, so wil ich sehen, ob ich mit meinem Kriegsrathe darüber einig werden kan. Wenn euch aber schon die ersten Be dingungen zu schwer fallen, so macht euch nur zum Kriege gefaßt, weil ihr selbst den Frieden von euch stoßt.“ Nach diesen Reden kehrten beyde Feldher ren zu ihrer Begleitung zurück, und erklär ten, daß, da die Unterhandlung fruchtlos ausgeschlagen sey, man es nothwendig zur Schlacht müsse kommen lassen. Sobald sie in ihren Lägern angelangt wa(Anstalten zur Schlacht. Livius XXX. 32.) ren, so befahlen sie den Soldaten, „daß sie sich und ihre Waffen zu einer Schlacht gefaßt halten sollten, welche das Schicksal beyder Nation durch einen unhintertreib lichen Sieg entscheiden müsse. Noch ehe der Tag untergehe, müsse man es wissen, ob Carthago, oder Rom, nicht über Jtali en, oder über Afrika, sondern über die ganze Welt herrschen solle. Die Gefahr, welche den Ueberwundenen drohe, sey dem
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Vortheile gleich, welchen der Sieger zu er warten habe.“Jn der That konnten sich de Römer auch unmöglich, wenn sie unglük lich hätten seyn sollen, aus einem feindlichen und unbekandten Lande retten: und die Car thaginenser musten nothwendig zugleich un tergehen, wann ihnen ihre letzte Zuflucht fehl schlagen solte. (Schlacht ordnung des Scipio.) Des Morgens drauf rückten beyde Gene rale in das freye Feld. Die Schlachtord nung des Scipio war folgende. Jn die er ste Linie stellte er dieHastarü, so daß er zwischen ihren Cohorten Platz ließ: in die an dre Linie stellte er diePrincipes, so daß ihre Cohorten nicht hinter die leeren Plätze der ersten Linie, wie es bey den Römern ge wöhnlich war, sondern hinter die Cohorten derselben zu stehen kamen, damit er den feindlichen Elephanten, welche in grosser Menge waren, eine Oefnung lassen möchte. DieTriarii standen in der dritten Linie, in eben der Ordnung, und machten den Nach trupp aus. Den Lälius stellte er mit der Jtaliänischen Reuterey auf den linken Flügel, und den Masinissa mit seinen Numidiern auf den rechten. Jn die Zwischenräume der er sten Linie stellte er die leichtbewaffneten Sol daten, und befahl ihnen das Treffen anzu fangen; so, daß, wenn sie den Anfall der E lephanten nicht aushalten könnten, sie sich zurücke zögen, diejenigen, welche am leichte sten zu Fusse wären, hinter die ganze Armee, diejenigen aber, welche sich allzusehr in Gefahr
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sehen sollten, zwischen die Linien rechter und(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) linker Hand, damit sie diesen Thieren einen Durchgang verstatteten, in welchem sie den von allen Seiten auf sie geschossenen Pfeilen am meisten ausgesetzt wären. Was den Hannibal anbelangte, so stellte(Schlacht ordnung des Hannibals.) er, den Feinden ein desto grösser Schrecken einzujagen, alle seine achtzig Elephanten an die Spitze der Armee. Jn die erste Linie stellte er die Hülfstrupen der Ligurier und Gallier, die sich nebst den Mohren ohnge fähr auf 12000 Mann belieffen. Die zwey te Linie, in welcher die vornehmste Stärke der Armee bestand, machten die Afrikaner und Carthaginenser aus. Jn die dritte Li nie stellte er die Trupen, die er aus Jtalien gebracht hatte, und entfernte sie von der zweyten Linie ziemlich weit, weil er sich nicht allzuwohl auf sie verlassen konnte. Den lin ken Flügel ließ er die Numidische Reiterey ausmachen, und den rechten die Carthagi nensische. Ehe das Treffen angieng, bemüheten sich(Die Genera le muntern ihre Armeen auf.) beyde Generale ihre Trupen aufzumuntern. Hannibal machte eine weitläuftige Erzehlung von seinen Siegen, von den Feldherren, die er getödtet, von den Armeen, die er zu Grun de gerichtet, und wandte verschiedene Mittel an, eine Armee zur Tapferkeit zu ermahnen, die aus verschiedenen Völkern bestand, die weder in ihrer Sprache, noch in ihren Ge setzen, noch in ihren Gewohnheiten, noch in ihrer Kleidung, noch in ihren Waffen über
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) ein kamen, und aus ganz verschiedenen Ab sichten den Krieg führten. Scipio erinner te seiner Seits die Römer an die Siege, wel che er in Spanien, und ganz kürzlich in Afri ka davon getragen habe. Er stellte ihnen vor, wie Hannibal selbst seine Schwäche ver rathen habe, indem er um Frieden gebeten. Er gab ihnen zu überlegen, daß sie am En de des Krieges und aller ihrer Mühseligkeiten wären; daß sie den Untergang, die Beute von Carthago, und die Rückkehr in ihr Va terland in ihren Händen hätten, und alles dieses sagte er im Tone eines Siegers. Als nun alles zum Treffen fertig war, und die Numidische Reiterey lange Zeit auf beyden Seiten scharmuziret hatte, so gab Hannibal Befehl, die Elephanten wider den Feind zu führen. Die Römer stiessen so gleich in die Trompeten, und erhuben ein so entsetzliches Geschrey, daß die Elephanten, welche auf sie loßkamen, umkehrten, und die Mohren und Numidier in Unordnung brach ten, welche auf dem linken Flügel standen. Da Masinissa sahe, daß sie zu weichen an fingen, so brachte er sie vollends in Verwir rung. Die übrigen Elephanten stürzten auf die leichtbewaffnete Mannschaft der Römer, von welcher sie einen grossen Theil zu Boden traten, ob sie schon von allen Seiten her mit Pfeilen überschüttet wurden. Endlich wur den sie so scheu, daß die meisten durch die Oeffnungen, welche Scipio zwischen den Co horten gelassen hatte, durchrennten, und die
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andern auf den rechten Flügel des Hannibals(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) zurückkehrten, und von der Römischen Rei terey aus dem Felde gejagt wurden. Die sen Augenblick ergriff Lälius, um auf die Feindliche Reiterey zu stürzen, welche sogleich den Rücken kehrte, und mit vollem Zügel die Flucht nahm. Lälius verfolgte sie mit aller Gewalt, indem Masinissa auf seiner Seite ein gleiches that. Die Carthaginensische Armee war nun auf beyden Seiten bloß, gleichwohl rückte die Jnfanterie mit langsamen Schritten und in guter Ordnung näher. Sobald sie nahe genug waren, erhoben die Römer nach ihrer Gewohnheit ein Geschrey, und stürzten sich mit einem gräßlichen Lermen auf sie. Auf der Seite der Carthaginenser erhob die erste Linie, welche aus fremden Trupen bestand, gleichfalls ein grosses Geschrey, dieses aber in voller Unordnung. Anfangs hatten sie ei nen ziemlichen Vortheil über die Römer, von welchen sie eine grosse Anzahl verwundeten. Doch durch die Ordnung, in welcher sie be ständig blieben, ersetzten sie diesen kleinen Verlust gar bald. Auf beyden Seiten war die Anzahl, der Entschluß, die Waffen und die Halsstarrigkeit gleich, und so groß, daß man lieber auf dem Platze blieb, als den ge ringsten Schritt hinter sich that. Der Aus schlag blieb also lange Zeit ungewiß, bis Lä lius und Masinissa, welche die feindliche Rei terey verfolgt hatten, noch zu rechter Zeit zurück kamen, und dem Feinde in den Rü
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) cken fielen. Dieses entschied den Sieg. Ei ne unzähliche Menge Carthaginenser blieben auf dem Platze, wo sie sich von allen Seiten bedrängt sahen. Viele, die sich in der Ebe ne verlohren hatten, wurden von der Römi schen Reiterey eingehohlt, so daß Hannibal mehr als 20000 Todte auf der Wahlstatt ließ. Eben so hoch belief sich fast die Anzahl der Gefangenen. Die Sieger verlohren nicht mehr als 1500 Mann. Und so fiel diese grosse Schlacht aus, welche nicht wenig zu der allgemeinen Herrschaft der Römer ü ber die Welt beytrug.

§. IV.

Hannibal kehrt nach Carthago zurück. Scipio macht sich fertig Carthago zu belagern. Die Ab gesandten von Carthago kommen, und bitten ihn um Frieden. Friedensbedingungen, die Scipio den Carthaginensern vorlegt. Gisgon setzet sich darwider. Hannibal bringt ihn zum Still schweigen. Der Sieg des Scipio erwecket in Rom viel Freude. Streit wegen der Austhei lung der Provinzen. Der Senat läßt die Gesand ten von Carthago vor. Der Friede wird den Carthaginensern bewilligt. Die Gefangnen wer den den Carthaginensern ohne Lösegeld zurückge geben. Die Gesandten kehren nach Carthago zu rück. Fünfhundert Schiffe werden auf offner See verbrannt. Die Ueberläuffer werden gestraft. Hannibal lacht im Rathe, da die andern weinen. Scipio schenckt dem Masinissa das Königreich des Syphax. Betrachtung des Polybius über die Regierung in Carthago und in Rom zur Zeit des zweyten Punischen Krieges. Scipio kehrt nach Rom zurücke, und erhält die Ehre im Tri umphe einzuziehen.
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Hannibal hatte sich, nachdem er die(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Schlacht verlohren, nach Adrumettum gezogen. Der Senat ließ ihn sogleich nach Carthago fodern, wohin er seit 36 Jahren( Hannibal kehrt nach Carthago zu rück. Livius XXX. 35.) nicht gekommen war. Er gestand im öffent lichen Rathe, daß er völlig überwunden worden, und daß Carthago nunmehr noth wendig Friede zu machen gezwungen sey. Was den Scipio anbelangte, so ließ er( Scipio macht sich fertig Car thago zu be lagern.) den Raub, welcher sehr ansehnlich war, auf seine Schiffe bringen, und als er erfuhr, daß Lentulus bey dem Römischen Lager vor Uti ka mit 500 grossen Schiffen, und hundert mit Victualien beladenen Barken angelangt sey, so glaubte er, man müsse den Carthagi nensern keine Zeit lassen sich zu erholen, son dern sogleich die Hauptstadt angreiffen. Nachdem er also den Lälius nach Rom ge schickt, die Nachricht von seinem Siege zu ü berbringen, so befahl er dem Cn. Octavius die Legionen zu Lande bis vor die Thore von Carthago zu führen, und er selbst näherte sich so wohl mit seiner Flotte, als mit der Flotte des Lentulus, dem Hafen der Stadt. Er war noch nicht weit entfernt, als ihm(Die Gesand ten von Car thago bitten um Frieden.) eine Carthaginensische Galere mit Oelzwei gen gezieret entgegen kam. Es waren zehn Abgesandte drauf, welche den Frieden zu erbitten kamen. Scipio gab ihnen weiter keine Antwort, als daß sie zu ihm in sein La ger vor Tunis kommen sollten; er selbst kehr te nach Utika zurück, wohin er auch den Octavius zurück kommen ließ.
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Als er nach Tunis aufbrechen wollte, er fuhr er unter Wegens, daß Verminia, der Sohn des Syphax, den Carthaginensern zu Hülffe komme. Er schickte also sogleich einen Theil seiner Legionen wider ihn, und Ver minia wurde gänzlich geschlagen, so daß er sich selbst mit genauer Noth noch eretteteerrettete. (Friedens Be dingungen. Livius XXX, 37.) Endlich kamen 30 Carthaginensische Ge sandten zu dem Scipio in das Lager vor Tu nis. Sie erschienen in einer sehr traurigen Gestalt, gleichwohl bezeigte er ihnen sehr we nig Mitleiden, weil er ihren Meineid noch nicht vergessen hatte. Er versammlete sei nen Kriegsrath. Anfangs waren alle der Meinung, Carthago zu ruiniren. Endlich, da sie die Wichtigkeit dieses Unternehmens überlegten, und Scipio befürchtete, es möch te ein Nachfolger ihm mit wenig Mühe die Ehre entreissen, einen Krieg zu endigen, der ihm so viel Arbeit gekostet, so waren alle zum Frieden geneigt. Den Morgen drauf legte Scipio den Ge sandten, nachdem er ihnen ihre Untreue sehr bitter vorgeworffen, die Bedingungen des Friedens vor: „Sie sollten ihre Gesetze und Freyheit behalten. Sie sollten in Afrika alles besitzen, was sie vor dem Kriege be sessen hätten; sie sollten den Römern alle Gefangene und Ueberläuffer zurück geben; sie sollten ihnen alle ihre grosse Schiffe ü berliefern, ausser zehen Galeeren, deßglei chen alle gezähmte Elephanten, und sollten keine andere mehr zähmen; sie sollten ohne
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Einwilligung des Römischen Raths keine(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Kriege mehr führen; sie sollten dem Masi nissa alles, was ihm und seinen Voreltern zugehöret habe, wieder geben; sie sollten der Römischen Armee auf 3 Monate Pro viant liefern, und den Sold so lange bezah len, bis ihre Gesandten von Rom zurücke gekommen; sie sollten endlich den Römern in 50 Jahren zehn tausend altische Talen te Silbers, alle Jahre hundert Talente, und hundert Geisseln geben, welche der Consul unter ihrer Jugend aussuchen möch te.“ Mit dieser Antwort kehrten die Gesandten zurück. Als sie in der Versammlung des Volks davon Nachricht gegeben, so wollte Gisgon das Volk überreden, diese allzuhar te Bedingungen nicht anzunehmen. Hanni bal aber brachte ihn auf eine ziemlich wilde Art zum Stillschweigen, und zeigte, daß sie vielmehr den Göttern zu danken hätten, daß Scipio, als ein unumschränkter Sieger, noch so gütig mit ihnen verfahren wolle. Man ward also gar bald einig, die Bedingungen anzunehmen. Der Senat ernennte sogleich die Gesandten, welche ihn schliessen sollten; und Scipio schickte den L. Veturius Philo, den M. Marcius Ralla, und den L. Scipio, seinen Bruder, mit ihnen nach Rom. Man war in Rom in grosses Erschrecken(Die Flotte des Cl. Nero leidet Sturm. Liv.XXX. 38. 39.) gerathen, als man den ersten Ruff vernom men, daß die Carthaginenser die Unterhand lung gebrochen. Der Senat hatte dem
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(d. 550. J. n. R. E. d. 202. J. v. C. G.) Consul Claudius Nero befohlen, sogleich mit seiner Flotte nach Afrika zu gehen. Der Consul zauderte ziemlich, aus Eifersucht, daß der Rath nicht ihm, sondern dem Sci pio, die Macht, den Frieden zu schliessen, ge geben habe. Als er endlich mit seiner Flotte abzog, so wurde er von einem entsetzlichen Sturm überfallen, welcher fast alle Schiffe ruinirte. Als ihm hernach der Winter zu Caralis in Sardinien, wo er die Flotte wie der in Stand setzen wollte, überfiel, und die Zeit seines Consulats verfloß, so lief er, ohne die geringste Ehre erlangt zu haben, wieder in die Tyber ein. (Der Sieg des Scipio er weckt in Rom viel Freude. Livius XXX. 40.) Als die Abgeschickten des Scipio mit den Carthaginensischen Gesandten in Rom ange kommen waren, so versammelte sich der Rath in dem Tempel der Bellona. L. Veturius Philo erzählte alle Umstände des Sieges, und vergaß nicht einmahl den Vortheil, den sie über den Verminia erhalten, ob er gleich von keiner besondern Wichtigkeit war. Er gab hierauf auf den Rednerbühnen auch dem Volke davon Nachricht, welches in Freuden geschreye ausbrach, und sogleich sich in die Tempel zerstreuete, den Göttern dafür Danck zu sagen. Als die Abgeordneten von Carthago, und die Abgeordneten des Königs Philippus, welche zugleich in Rom waren, vor den Rath gelassen zu werden verlangten, so gab man ihnen zur Antwort, dieses würde von den neuen Consuls abhangen.
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Cn. Cornelius Lentulus.(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) P. Aelius Pätus.

Als es zur Austheilung der Provinzen auf(Streit we gen Austhei lung der Pro vinzen.) dieses Jahr kam, begehrte der Consul Lentu lus Afrika zu der seinigen zu haben. Er sa he wohl, daß ihm da der Sieg nicht schwer fal len konnte, und daß es ihm sehr rühmlich seyn würde, einen so wichtigen Krieg schliessen zu können. Er sagte also, daß er nichts eher vor die Hand nehmen wollte, bis man ihm Afrika anzuweisen verspräche. Nach langen Streiten hierüber kam es endlich dahin, daß man beschloß, einer von den Consuls solle in Jtalien bleiben, der andre solle mit der Flotte nach Afrika gehen, wann der Friede nicht zu Ende käme, doch so, daß Scipio auf dem Lande freye Gewalt behielt; käme aber der Friede zu Ende, so solle es das Volk entscheiden, ob Scipio, oder der Con sul, den Carthaginensern den Frieden geben müsse. Dem Scipio wurde also sein Com mando in Afrika verlängert. Nunmehr wurden die Gesandten vorge(Die Gesand ten des Phi lippus wer den vorgelas sen.) lassen, und zwar erst die Gesandten des Philippus. Diese wurden mit einer sehr drohenden Antwort zurück geschickt. M. Furius erklärte ihnen, „man sähe wohl, daß der König Krieg suche, und wenn er seine Aufführung nicht ändre, so solle er ihn auch gar bald finden.“ Nachdem die Macedonier ihren Abschied
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) erhalten, so wurden die Carthaginensischen Gesandten herbey geruffen. So bald man ihr ziemlich hohes Alter bemerkte, und man erfuhr, daß sie ihrer Geburt und ihrem Stande nach die vornehmsten von Cartha go wären, fing man zu glauben an, daß die Carthaginenser im Ernst an den Frieden ge dächten. Der angesehenste unter ihnen war Hasdrubal, mit dem Zunahmen Hö dus, ein ernsthafter Rathsherr, der seinen Mitbürgern allezeit zum Frieden gerathen, und sich bey jeder Gelegenheit gegen die Barcenische Parthey erkläret hatte. Und dieses berechtigte ihn um so viel mehr, den bey diesem Kriege begangenen Fehler nur allein der Begierlichkeit einer geringen An zahl Privatpersonen zuzuschreiben, und den allgemeinen Rath von Carthago davon frey zu sprechen. Er hielt eine sehr vernünftige Rede, entschuldigte die Carthaginenser in ei nigen Punkten, und verdammte andere, um die Gemüther nicht zu erbittern, und vom Frieden abgeneigt zu machen, wenn er of fenbar wahre Dinge hätte läugnen wollen. Endlich ermahnte er die Rathsherren, sich ih rer Vortheile mit Mäßigung zu bedienen, und gab ihnen zu berstehen, „daß, wenn die Carthaginenser seinem und des Hanno Ra the hätten folgen wollen, sie selbst die Frie densbedingungen würden vorgeschlagen haben, an statt, daß sie nun dahin ge bracht wären, selbige so, wie man sie ih
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nen vorschriebe, anzunehmen. (*) Es(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) wäre etwas seltenes, fuhr er fort, daß die Götter dem Menschen zugleich gut Glück und guten Verstand gäben. Das, was das Römische Volk unüberwindlich machte wäre einzig und allein, daß es im Glücke klug zu verfahren, und einen vernünftigen Rath anzunehmen wüste. Uebrigens wür de es etwas wunderbares seyn, wenn es anders verführe. Diejenigen, für welche ein glücklicher Erfolg der Waffen etwas neues wäre, überliessen sich, indem sie so dann nicht mehr Herren über sich selbst wä ren, einer ausgelassenen und unbesonnenen Freude, weil sie dergleichen Dinge nicht gewohnt wäten. Die Römer hingegen hätten eine solche Fertigkeit im Ueberwinden erlangt, daß sie gegen das Vergnügen, welches der Sieg verursachet, fast unem pfindlich worden wären; und sie hätten das Wachsthum ihres Reichs mehr der Gna de, die sie gegen die Ueberwundenen bezeig ten, als ihren Siegen selbst, zu dancken.“ Die übrigen Gesandten redeten in einem noch 73
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) demüthigern und das Mitleiden weit mehr zu erregen fähigen Tone. „Sie beweinten das Schicksaal ihres Vaterlandes, indem sie zeigten, in was für Abgrund von Elend es von der höchsten Stufe der Hoheit und Macht gesunken wäre. Es bliebe den Car thaginensern, nachdem sie ihre Eroberungen so weit ausgebreitet hätten, nichts weiter ü brig, als die Mauern von Carthago selbst. Jhre Ringmauer wären ihre Grenzen, und ausser denselben sehen sie weiter nichts, we der auf dem Lande, noch auf dem Meere, das ihnen gehorchte. Selbst der Besitz ih rer Stadt und ihrer Hausgötter würde ihnen nicht verbleiben, es wäre dann, daß das Römische Volk die Strenge nicht auf das äusserste triebe.“ Es schien, als wann die Rathsherren von Mitleiden ge rührt würden, als einer unter ihnen, aus Erbitterung über die Treulosigkeit, wovon die Carthaginenser nur kürzlich erst einen Beweis gegeben hatten, aufstund und „die Gesandten fragte, bey was für Göttern sie die Beobachtung des Friedenstractats beschwören wollten, nachdem sie diejeni gen betrogen hätten, die Zeugen von ihrem erstern Schwure gewEsen wären:“Es soll, antwortete ihn Hasdrubal,bey eben denselben Göttern geschehen, welche den Meineid so scharf bestrafen. (App. vom Pun. Kr. 27. 29. ebend. 33. 35.) Appianus legt eine sehr schöne Rede, die aber nur an den Scipio gerichtet ist, in den Mund eben dieses Hasdrubal Hödus. Er
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führt auch des Consuls Lentulus seine, die er(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) im Rathe gehalten hat, an. Alle Römische Rathsherren waren zum Frieden geneigt. Der Consul Lentulus al(Der Friede wird den Car thaginensern zugestanden. Livius XXX. 43.) lein, der das Commando der Flotte hatte, widersetzte sich dem Rathsschlusse, den sie in der Absicht abzufassen Willens waren. Deswegen fragten die Tribunen Man. Aci lius und Q. Minucius das versammlete Volck: „Ob es dessen Wille wäre, daß man mit den Carthaginensern Friede mach te, durch wen derselbe sollte geschlossen und die Armee aus Afrika zurück geführt wer den.“ Alle Zünfte erklärten sich für den Frieden, trugen dem Scipio denselben zu schliessen und die Trupen nach Jtalien wieder herüber zubringen auf. Zufolge dieser Er klärung des Volks, beschloß der Rath, daß Scipio den Frieden mit den Carthaginen sern, mit Zuziehung der zehn Bevollmäch tigten, auf solche Bedingungen, die er vor gut finden würde, schliessen sollte. Nachdem die Gesandten von Carthago(Die Cartha ginenser er halten ihre Gefangene ohne Ranzi on wieder.) dem Rathe ihre Danksagung abgestattet hat ten, baten sie um Erlaubnis in die Stadt kommen, und mit ihren Landsleuten, die in den Gefängnissen der Republik ver wahrt wurden, sich unterreden zu dürfen. Sie stellten vor, „daß unter denselben sich einige der Vornehmsten von Carthago be fänden, mit denen sie durch das Band der Verwandschaft und der Freundschaft ver bunden wären: und andere sie auf Ver
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) langen ihrer Anverwandten besuchen soll ten.“ Nach abgestattetem Besuch, ba ten sie von neuem eine Gnade: nämlich, daß sie diejenigen unter den Gefangenen, welche ihnen beliebten; loskaufen dürften. Man ver langte von ihnen die Namen derselbeuderselben zu wis sen. Sie gaben der etwan zweyhundert an, welche der Rath durch die Römischen Be vollmächtigten nach Afrika bringen ließ, um sie in die Hände des Scipio zu überliefern, mit dem Befehl, sie, so bald als der Friede geschlossen seyn würde, ohne Lösegeld den Carthaginensern auszuhändigen. (Die Gesand ten kehren nach Cartha go zurück.) Die Gesandten von Carthago gingen von Rom ab, und machten, nachdem sie sich zu dem Scipio begeben hatten, auf vorher angemerkte Bedingungen Frieden. Sie ü berlieferten ihm ihre Kriegsschiffe, und ihre Elephanten; gaben ihnen die Römischen Sclaven und Ueberläufer, nebst viertausend Römern zurück, unter denen sich auch ein Rathsherr mit Namen Q. Terentius Culeo (Man ver brennt fünf hundert Schiffe auf offener See.) befand. Scipio ließ die Schiffe ins offene Meer bringen, wo sie verbrannt wurden. Sie machten, nach einigen Geschichtschrei bern, auf fünfhundert aus. Der Anblick dieses Brandes machte den Carthaginensern eben so viel Schmerz, als der Brand von Carthago selbst ihnen hätte verursachen kön (Gestrafte Ue berläufer.) nen. Die Ueberläufer wurden viel härter gestraft, als die Sclaven, denn man ließ allen, die aus Latium waren, den Kopf her
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unter schlagen, die gebohrnen Römer hinge(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) gen wurden ans Creutz gehenkt. Es waren eben vierzig Jahr, daß der letzte Friede mit ebendenselben Carthaginen(Livius XXX. 44.) sern unter dem Consulat des Q. Lutatius und Aulus Manlius war geschlossen worden. Der Krieg war drey und zwanzig Jahr dar nach unter dem Consulat des P. Cornelius und Tib. Sempronius wieder angegangen. Das Ende davon erfolgte im (*) siebzehnten Jahre, während des Consulats des Cn. Cor nelius und des P. Aelius Pätus. Man hör te seit dem den Scipio öfters sagen, daß die Ursache, warum er diesen Krieg nicht durch die gänzliche Zerstörung Carthagens geen digt hätte, allein der Begierlichkeit und dem Hochmuthe vornämlich des Tib. Claudius, und hiernächst des Cn. Cornelius zugeschrie ben werden müsse, weil sie beyde ihm alle Hindernisse zu machen sich bemühet, um nur die Ehre zu haben, diesen Krieg zu endigen. Als man zur Bezahlung der ersten Sum( Hannibal lacht wäh rend daß die andern wei nen. Liv. ebend.) me, die die Carthaginenser vermöge des Tractats zu bezahlen verbunden waren, An stallt machte, erregte die Schwierigkeit die ses Geld aufzubringen, weil die Schatzkam mer des Staats durch den Aufwand wäh rend eines so langen Krieges ganz erschöpft war, eine ungemeine Traurigkeit im Rathe, und viele konnten sich der Thränen nicht ent halten. Man sagt, Hannibal habe damals 74
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) zu lachen angefangen, und dem Hasdrubal Hädus, der ihm deswegen einen sehr lebhaf ten Verweis gegeben, daß er, der an allem dem allein Schuld wäre, der allgemeinen Noth auf solche Art spottete, also geant wortet. „Wenn man in mein Herz se hen, und dessen Gesinnungen so entwickeln könnte, wie man das, was in meinem Ge sichte vorgeht, wahrnimmt, würde man leicht erkennen, daß das Lächeln, welches man mir vorrückt, kein Freudengelächter, sondern vielmehr die Folge von der Unruhe und Verwirrung sey, welche mir das all gemeine Elend machet. Und ist hiernächst wohl dieses Lachen mehr zur Unzeit, als die Thränen, die ich euch vergiessen sehe? Da mals, da man uns unser Gewehr nahm, da man unsre Schiffe verbrannte, da man uns allen Krieg gegen Fremde untersagte, damals hatte man Ursach zu weinen: denn das ist der Streich, das ist die tödliche Wunde, die uns niedergeschlagen hat. Allein wir empfinden das allgemeine E lend nicht weiter, als nur in so fern es uns persönlich angeht, und das, was uns da bey am meisten niederschlagend und am schmerzhaftesten zu seyn dünket, ist der Verlust unsers Geldes. Niemand von euch hat daher einen Thränen vergossen, noch einen Seufzer ausgestoßen, als man dem überwundenen Carthago seine Herr lichkeiten entriß, und als man es mitten unter so vielen mächtigen und mit Waffen
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so wohl versehenen Völkern in Afrika ohne(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) Gewehr und ohne VrrtheidigungVertheidigung ließ. Jetzt aber da Mann für Mann seinen An theil zum Tribut zahlen soll, betrübt ihr euch nicht anders, als wenn alles verloh ren wäre. Ach! wie habe ich Ursache zu fürchten, daß nicht das, was euch heut so viele Thränen auspreßt, euch nicht in kur zem als das geringste von euren Wider wärtigkeiten vorkomme!“ Unterdessen machte Scipio Anstallt zu sei(Scipio giebt dem Masinis sa das König reich des Sy phax.) ner Abreise. Er versammelte seine Trupen, und that öffentlich kund, daß er zu den Staaten des Masinissa, die er von seinen Vorfahren überkommen hätte, Cirtha nebst den übrigen Städten und Ländern, deren sich die Römer bemächtigt hätten, hinzufüg te, und sie ihm in ihrem Namen schenkte. Er befahl dem Cn. Octavius, die Flotte nach Sicilien überzuführen, und das Com mando davon dem Consul Cn. Cornelius zu übergeben. Endlich schickte er den Cartha ginensern den Befehl zu, von neuem Abge ordnete nach Rom zu schicken, um daselbst von dem Rathe und Römischen Volke den Tractat, den er mit Zuziehung der zehn Be vollmächtigten mit ihnen geschlossen hätte, bestätigen zu lassen. Jch will das, was den zweyten punischen(Betrachtun gen über die Regierungs form der Re publiken Car thago und Rom zur Zeit des Zweyten) Krieg betrift, mit einer Anmerkung des Po lybius beschliessen, welche einen ziemlichen deutlichen Abriß von den unterschiedenen Umständen geben, darinnen sich die beyden
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) um den Vorzug streitenden Republiken, von denen wir reden, befanden. Bey dem Anfange des zweyten Punischen (Punischen Krieges. Polyb.VI. 493. 494.) Krieges und zur Zeit des Hannibals konnte man in gewissem Sinne sagen, daß Cartha go im Abnehmen war. Die Jugend, die Blüte und die Munterkeit dieser Stadt war meistens dahin. Sie hatte von ihrer ersten Höhe herunter zu fallen angefangen, und neigte sich zu ihrem Untergange: statt daß Rom damals, so zu sagen, in der Blüte sei nes Alters und in den besten Jahren war, und mit grossen Schritten zu der Eroberung der Welt fortging. Die Ursache, welche Polybius von der Abnahme der einen Stadt und dem Wachs thum der andern angiebt, ist von der unter schiednen Art, nach der beyde Republicken damals regiert wurden, hergenommen. Bey den Carthaginensern hatte das Volk das gröste Ansehen in den Staatsgeschäften an sich gerissen. Man gab nichts mehr auf den Rath derer Alten und der Obrigkeitlichen Personen. Alles wurde durch Ränke und unerlaubte Mittel durchgetrieben. Ohne von dem zu reden, was die dem Hannibal ent gegen gesetzte Parthey die ganze Zeit über, da er das Commando geführt, ihm zuwider gethan, ist die einzige That, da sie die Rö mischen Schiffe während des Waffenstill stands plünderten, (eine Treulosigkeit, zu welcher das Volk den Rath zwang, daran Theil zu nehmen und seinen Namen darzu
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herzugeben,) ein sehr deutlicher Beweis von(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) dem, was Polybius hier sagt. Zu Rom hingegen war es die Zeit, da der Rath, diese Gesellschaft so weiser und kluger Männer, in grösserm Ansehen stund, als je mals, und wo man die Alten, als Orakel, hörte und verehrte. Man weiß, wie eifer süchtig das Römische Volk auf sein Ansehen war. Nichts destoweniger haben wir gese hen, daß eine Centurie junger Leute, welcher durch das Loos, die erste Stimme zu geben, zugefallen war, und welche insgemein die Stimmen aller der andern nach sich zu zie hen pflegte, auf die blosse Vorstellung des Fabius, von der Wahl der beyden Consuls, die sie ernannt hatte, abstund, und an deren Stelle andere ernannte. Von diesem Unterschiede der Regiments form schließt Polybius, daß es nicht anders habe kommen können, als daß ein durch die Klugheit der Alten angeführtes Volk einem Staate, der durch die unbesonnenen Rath schläge des gemeinen Volks regiert wurde, habe weit überlegen seyn müssen. Und Rom hatte wirklich, unter der klugen Anführung des Raths in dem ganzen Kriege überhaupt endlich die Oberhand, ob es schon, wenn man die Feldzüge besonders betrachtet, in verschiedenen Schlachten eingebüsset hat; und gründete endlich seine Macht und Grösse auf dem Umsturz seiner Mitbuhlerin. Durch diese und andre dergleichen Wege, die man in dem Verfolg der Geschichte zur
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) Gnüge hat anmerken können, hat die Für sehung, welche über die Länder und König reiche wachet, welche deren Schicksaal re gieret, ihre Dauer bestimmet, und denjeni gen die sie anführen Klugheit, Tapferkeit und alle andere zur Regierung erforderlichen Eigenschaften einflösset. Durch diese We ge, sage ich, hat die Fürsehung Rom allmä lig und durch beständig auf einander folgen des Wachsthum zu derjenigen Grösse und Macht, welche sie demselben von aller Ewig keit her bestimmet hatte, fortgeführt. Rom (*) merkte wohl, daß es allen diesen glücklichen Fortgang einer höhern Ursache, die es auf ei ne besondre Weise beschützte, zu danken habe, und es bezeigt solches bey unzähligen Gele genheiten: allein es hatte das Unglück, die selbe nicht zu kennen, und die Kennzeichen sei ner Dankbarkeit gegen tauben und ohnmäch tige Gottheiten zu verschwenden. (Scipio geht nach Rom zu rück, und er hält die Ehre des Tri= umphs. Liv.XXX. 45.) Die Gegenwart des Scipio war in Afri ka weiter nicht nöthig. Er begab sich daher, nachdem er seinem Vaterlande einen so rühm lichen Frieden verschaft hatte, mit seinen Tru 75
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pen zu Schiffe, und ging nach Lilybäum in(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) Sicilien über. Von dar schickte er den mei sten Theil seiner Soldaten zur See auf Ga leren gerades Weges nach Rom voraus. Er selbst landete, wie Titus Livius es anzugeben scheinet, zu Rhegium. Denn dieser Geschicht schreiber erzählet, daß Scipio durch Jtalien mitten zwischen zwo reihen Völker durchge reiset sey, die von allen Enden wären herbey gelauffen kommen, um das Vergnügen zu ha ben, ihren Befreyer zu sehen, dessen Muth und Glücke sie die Ruhe, Zufriedenheit und alle übrige Güter, deren Genuß sie nun von dem Frieden erwarteten, zu danken zu haben glaubten. Da er zu Rom mitten unter die ser allgemeinen Freude anlangte, zog er da selbst mit mehrern Pracht und Herrlichkeit im Triumphe ein, als man jemals gesehen hatte. Der König Syphax und viele von seinen vornehmsten Hofbedienten gingen vor seinem Wagen voraus. Der Rathsherr Q. Terentius Culeo, den man aus den Ban den herausgerissen hatte, folgte diesem Wa gen nach, das Haupt mit einer Art von ei nem Hute bedeckt, welcher das Zeichen der wiedererlangten Freyheit war. Syphax ü berlebte diesen Schimpf nicht lange, und starb im Gefängnisse. Scipio legte in dem allge meinen Schatze mehr als anderthalb Millio nen Thaler an Silber nieder. Er ließ einem jeden seiner Soldaten von der den Feinden abgenommenen Beute zehn Groschen acht(Er bekommt den Beynah men Afrika nus.) Pfennig auszahlen. Man beehrte ihn mit
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) dem rühmlichen Beynamen Afrikanus, der ihm allezeit verblieb, und der ihm alle Augenblicke das Andenken seines Triumphs zu erneuern schien. Scipio ist der erste, der von der Na tion, die er überwunden hat, den Beynamen angenommen hat. Jn den folgenden Zeiten haben, nach seinem Beyspiele, auch andere Römer ihre Familien durch dergleichen Titel berühmt gemacht, die sie aber nicht durch so sehr in die Augen fallende Siege verdient hatten. ------------------------------------------------------------

Das ein und zwanzigste Buch.

Dieses Buch begreift eine Zeit von vier Jahren, nämlich 552, 553, 554, 555. Es enthält vornämlich den zwei ten Krieg der Römer wider den Phi lippus, der durch den Sieg des Quin tus Flaminius bey Cynoscephalä geen digt wurde; und einige Feldzüge in Spanien und dem disseits der Al pen gelegenen Gallien.

§. I.

Macedonischer Krieg. Zeitpunct des Krieges der Römer wider den Philippus. Anfang dieses Kriegs. Verschiedene Klagen, die wider den Phi lippus bey den Römern angebracht werden. Das Volk widersetzt sich anfangs diesem Kriege.
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Der Consul bringt das Volk auf die Seite des Raths, und der Krieg wird dem Philippus an gekündigt. Gesandten des Ptolomäus. Em pörung Galliens, welche Hamilcar erregt. Ge sandten, die nach Carthago und an den Masinis sa geschickt werden. Gesandten des Verminia, eines Sohns des Syphax, an die Römer. Ver richtung der Gesandschaft der Römer. Aus dem Tempel der Proserpina entwandtes Geld. Vor stellungen, welche verschiedene Privatpersonen wegen der Geldsummen, die sie bey der Repu blik zu fordern hatten, thun. Der Consul Sul picius kommt in Macedonien an. Centho ver heert die Stadt Chalcis. Philippus belagert die Stadt Athen vergebens. Er belagert sie zum zweytenmal mit eben so schlechten Fortgang, und verheert ganz Attika. Die Römer verwüsten die Grenzen von Macedonien. Die benachbar ten Könige Macedoniens schlagen sich zu dem Consul. Zurüstungen des Philippus. Versam̄ lung der Aetolier, zu der Philippus, die Atheni enser und Römer ihre Gesandten schicken. Die Versammlung geht, ohne etwas zu beschliessen, auseinander. Der Consul rückt in Macedonien ein. Beyde Partheyen gerathen aufeinander. Verschiedene Scharmützel zwischen beyden Par theyen von schlechter Wichtigkeit. Philippus er hält einigen Vortheil, über die nach Fütterung ausgeschickten Römer. Er wird hierauf selbst geschlagen und die Flucht zu nehmen ge zwungen. Sulpicius geht nach Apollonia zu rück. Die Artolier erklären sich für die Römer. Verordnung der Athenienser wider den Philip pus. Die Flotte zieht sich zurück. Man ver stattet dem Lentulus wegen der in Spanien er haltenen Vortheile den kleinen Triumph. (Ora tion) L. Furius schlägt die Armee der vor Cremo na liegenden Gallier. Eifersucht des Consuls Aurelius wider den Furius. Dieser kommt nach Rom zurück und hält um die Ehre des Triumphs an. Sie wird ihm nach vielem Widerspruch
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(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) endlich zugestanden. P. Scipio läßt die Spiele aufführen. Seine Soldaten werden belohnt. Niederlage einer Spanischen Armee. Rückkunft des Consuls Aurelius zu Rom. Man ernennt neue Consuls. Gefecht der Kämpfer und Fech ter.
(Macedoni scher Krieg. Liv. XXXI. 1.) Auf den zweyten Punischen Krieg, der sich zu grossen Ruhm der Römer geendigt hatte, folgte unmittelbar derjenige, den sie mit den Macedoniern zu führen hatten. Dieser kann zwar auf keine Art mit dem er stern in einige Vergleichung gestellet werden, weder in Ansehung derer Verdienste des O berhaupts, noch in Ansehung des Muths der Trupen, noch in Ansehung der Begeben heiten und Grösse der Gefahren: allein er war auf gewisse Art herrlicher wegen des Ruhms der alten Könige von Macedonien, wegen des Glanzes der Familie des Prinzens, der wirklich auf dem Throne saß, und we gen der Eroberungen dieser Nation, die vor mals einen grossen Theil von Europa und ei nen noch grössern von Asien durch ihre Waf fen erobert und ihr unterwürfig gemacht hatte. (Zeitpunkt des Krieges der Römer wider den Philippus.) Uebrigens hatte der Krieg wider den Phi lippus ohngefähr zehn Jahr vorher, im Jah re Roms 541, als Rom mit den Artoliern ein Bündnis machte, seinen anfang genom men. Ja man könnte den Anfang desselben auch noch um drey Jahre weiter zurück setzen. Und eben dieser Krieg endigte sich drey Jahr vor dem Ende des zweiten Punischen Krieges. Die Römer hatten seit der Zeit unterschiede
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ne Ursachen gehabt, mißvergnügt über den(d. 551. J. n. R. E. d. 201. J. v. C. G.) König Philippus zu seyn, theils weil er die Bedingungen des mit den Artoliern und ü brigen Bundsgenossen geschlossenen Friedens schlecht beobachtet, theils weil er nur erst kürzlich so wohl Mannschaft als Geld an den Hannibal nach Afrika geschickt hatte. Da mals nun, da sie sich nach dem Frieden, den sie mit den Carthaginensern gemacht hatten, frey und ruhig sahen, bewegten sie allerhand Klagen, die man zu Rom von allen Seiten her wider den Philippus anbrachte, den Krieg wider diesen Fürsten von neuem anzu fangen.

P. Sulpicius Galba, zum zweyten=(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) mahle. C. Aurelius Cotta.

Unter diesen Consuls nahm der Krieg wi(Anfang des Maeedoni schen Krie ges.) der Macedonien seinen Anfang. Unterschie dene Vorfälle hatten von ferne dazu Gele genheit gegeben. Ptolomäus Philopat, König in Egypten,(Verschiedene Klagen, die wider den Philippus bey den Rö mern ange bracht wer den. Polyb. XVI. 6. et Legat. 4. Justin. XXX. 23.) hatte bey seinem Absterben einen Sohn, der nur fünf Jahr alt war, und Ptolomäus E piphanes hieß, hinterlassen. Philippus und Antiochus, König in Syrien verbunden sich deswegen miteinander, seine Länder zu über fallen. Der Egyptische Hof hatte in der Gefahr, worein ihn die Vereinigung dieser beyden Fürsten wider seinen unmündigen König setzte, seine Zuflucht zu den Römern genommen, sie um ihren Schutz angeflehet,
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) und ihnen die Vormundschaft des Königs und die Regierung seiner Staaten während seiner Minderjährigkeit angetragen, unter der Versicherung, daß es der verstorbene König also vor seinem Tode angeordnet habe. (Val. Max. VI. 6. Liv.XXXI. 1, 2.) Die Trupen des Philippus verwüsteten Attika, und machten daselbst ansehnliche Beute: Dieses gab Gelegenheit, daß die Einwohner sich an die Römer wendeten. Die Gesandten der Rhodier und des Königs Attalus vereinigten sich mit denen von Athen, ihre Klagen wider die Unternehmungen der beyden Könige ebenfalls anzubringen, und den Römern Nachricht zu geben, daß Phi lippus theils selbst, theils durch seine Ausge schickte, unterschiedene Städte Asiens an reitzte die Waffen zu ergreiffen, und er also ohne Zweifel irgend ein grosses Unternehmen im Kopfe haben müsse. Die Römer trugen, auf den Antrag der Egyptischen Gesandten kein Bedenken die Vormundschaft des jungen Königs zu über nehmen; und hatten dem zufolge drey Ab geordnete ernannt, die es den beyden Königen zu wissen thun und ihnen andeuten sollten, daß sie die Staaten ihres Mündlings in Ru he ließen, weil sie sich sonst genöthigt finden würden, ihnen den Krieg anzukündigen. Die übrigen Klagen, die sie, wie ich ange merkt habe, zu gleicher Zeit erhielten, beschlei nigten den Aufbruch der drey Gesandten. Es ist wohl niemand, der nicht erkenne, daß es ein sehr anständiger Gebrauch seiner
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Macht sey, sich so großmüthig für einen un(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) terdrückten König und Mündling zu erklä ren. (*) Dieses machte den Ruhm des Volcks und Raths zu Rom aus, daß sie die Zuflucht der Könige und ganzer Völker waren. Die Ehrbegierde der obrigkeitlichen Personen und der Feldherren der Armeen bestund dar innen, sich durch ihre Billigkeit und Red lichkeit zu Beschützern der Provinzen und Bundsgenossen zu machen. Das Römische Reich wurde auch, in dieser glücklichen Zeit, für nichts anders, als für einen Hafen und eine Freystatt des ganzen Erdbodens angese hen, wo die unterdrückten Nationen versi chert waren, schleunige und nachdrückliche Hülfe wider Gewalt und Ungerechtigkeit an zutreffen. Die Sachen änderten sich in der Folge gar sehr. Der Rath ließ, nachdem er allen Ge(Livius XXXI. 3.) sandten eine sehr gewierige Antwort ertheilt hatte, den M. Valerius Levinus, der den vo rigen Krieg wider den Philippus geführt hat te, abreisen, und trug ihm, unter dem Tit tel eines Proprätors, auf, sich mit einer Flotte Macedonien zu nähern, und alles in der Nähe aufs beste zu untersuchen, um in 76
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) dem Stande zu seyn, den Bundsgenossen eiligst zu Hülfe zu kommen. Unterdessen berathschlagte man zu Rom im Ernste, zu was man sich entschliessen mü ste. Zu der Zeit nun, da der Rath versamm let war, diese wichtige Angelegenheit zu unter suchen, langte eine zweyte Gesandschaft von Seiten der Athenienser an, welche berichtete, daß Philippus im Begriff stehe, in Person in Attika einzubrechen, und sich ohne Zweifel Athens bemeistern würde, wenn man ihnen nicht eiligst zu Hülfe käme. Man erhielt auch ein Schreiben von dem Proprätor Levinus, und seinem Unterfeldherrn Aurelius, aus de nen man ersahe, daß man von Seiten des Philippus alles zu befürchten hätte, daß die Gefahr sehr dringend, und daß keine Zeit zu verliehren wäre. (Das Volkwi dersetzt sich Anfangs der Kriegsan kündigung wider den Philippus. Livius XXXI, 6.) Auf diese Zeitungen glaubte der Rath, daß man die Kriegserklärung wider den Philip pus nicht länger aussetzen könnte. Der Con sul Sulpicius, dem Macedonien, als seine Provinz, durch das Loos zugefallen war, that hiervon dem Volke den Vortrag. Selbiger wurde Anfangs fast durchgehends von allen Centurien verworfen. Die Bürger, die nur erst von einem Kriege, der ihnen so viel Mü he und Gefahr gekostet hatte, befreyet wa ren, hatten von selbsten einen grossen Abscheu dafür, welcher durch die aufrührischen Re den des Q. Bäbius noch um vieles vermehrt wurde. Er war einer von den Tribunen des Volks, welcher, indem er sich der alten Ge
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wohnheit erinnerte, die seine Vorfahren ge(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) habt hatten, sich bey dem Volke durch den den Rathsherren gemachten Widerspruch in Ansehen zu setzen, sie beschuldigte, daß sie mit Fleiß einen Krieg nach dem andern anzettel ten, um das Volk beständig unter dem Joch zu behalten, und ihm keine Ruhe zu lassen. Die Rathsherren kränkte ein so verläumderi scher und ungerechter Vorwurf nicht wenig. Sie belegten den Tribun, der der Urheber davon war, in dem Rathe selbst mit Schmach, und ermahnten den Consul auf das nachdrück lichste, zum zweytenmal vor das Volk zu tre ten, ihm seine Unempfindlichkeit für das ge meine Beste mit Nachdruck vorzurücken, und und ihm zu zeigen, was für einen Schimpf es sich zuziehen, und was für ein Nachtheil dem Staate dadurch zuwachsen würde, wenn es bey so bewandten Umständen anstünde, dem Philippus den Krieg anzukündigen. Nachdem der Consul das Volk auf dem(Der Consul bringt das Volk auf die Seite des Raths, und der Krieg wird dem Philippus angekündigt. Livius XXXI. 7, 8.) Felde des Mars hatte zusammen kommen lassen, redete er, ehe er noch die Centurien zu Ablegung der Stimmen kommen ließ, folgen dergestalt zu ihnen: „Es scheint euch, ihr Mitbürger, gänzlich unbekannt zu seyn, daß hier nicht überlegt werden soll, ob wir Krieg oder Frieden haben wollen; denn Philippus, der alle Anstallten macht, euch mit einem hitzigen Kriege zu überziehen, läßt euch dar innen keine freye Wahl: sondern daß hier vielmehr auszumachen sey, ob entweder eure Legionen nach Macedonien sollen übergese
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) tzet werden, oder ob ihr warten wollt, bis der Feind seine Trupen nach Jtalien her über führe. Was für ein Unterscheid zwi schen beyden Entschliessungen sey, habt ihr ohnfehlbar in dem letztern Kriege wider die Carthaginenser aus eigner Erfahrung gnug sam erkannt. Denn ist wohl noch ein Zwei fel, daß, wenn wir damals sogleich, als die belagerten Saguntiner ihre Zuflucht zu uns nahmen, bereit gewesen wären, ihnen bey zustehen, wie es unsre Vorfahren in Anse hung der Mamertiner thaten, wir alle die Last des Krieges Spanien würden aufge bürdet haben, die unsre Nachläßigkeit nach Jtalien gezogen hat, und wodurch wir bey nahe gänzlich wären unterdrückt worden? Wir handelten damals in Ansehung eben die ses Philippus viel weißlicher, als er sich durch ein Bündnis mit dem Hannibal ein ließ, nach Jtalien überzugehen; und es ist klar, daß wir ihn allein dadurch, daß wir ohne Verzug den Levinus mit einer Flotte abgehen liessen, ihn in seinem Lande anzu greiffen, ihn in Macedonien zurückhielten. Sollten wir nun das, was wir damals tha ten, da wir den Hannibal mitten in Jtali en hatten, jetzt zu thun Bedenken tragen, da dieser furchtbare Feind aus Jtalien ver trieben ist, und die Carthaginenser gänzlich überwunden sind? Wollen wir leiden, daß Philippus, indem er sich Meister von Athen macht, unsre Langsamkeit auf die Probe stelle, wie es Hannibal machte, da er Sa
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gunt im Sturm eroberte. Wir werden(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) ihn in Jtalien ankommen sehen, nicht wie den Hannibal nach der Eroberung Sa gunts, nach Vorbeystreichung von fünf Monaten, sondern nach Verfluß von vier Tagen, nämlich von dem Tage anzurech nen, da er seine Flotte von Corinth wird unter Seegel haben gehen lassen. Erinnert euch nur der Unruhe und des Schreckens, welches ehemals Pyrrhus, ein König in E pirus, in ganz Jtalien ausbreitete, als er, über seinen Sieg stolz, fast bis an die Mau ern Roms kam, und das zu einer Zeit, da die Republik in den blühendesten Umstän den, als sie jemals gewesen war, weder Mangel an Trupen noch Generalen hatte, und nicht durch langwierige und blutige Kriege erschöpft war. Kann man wohl den Pyrrhus in Ansehung der Macht mit dem Philippus und Epirus mit Macedoni en, vergleichen? Allein, ich will euch nicht nur der alten Zeiten erinnern, sondern nur das zu überlegen geben, was erst kürzlich vorgefallen ist. Wenn ihr euch geweigert hättet, nach Afrika überzugehen, würdet ihr nicht den Hannibal und die Carthaginen ser noch hier haben? Es muß demnach viel mehr Macedonien, und nicht Jtalien, alle das Schrecken des Krieges, in Ansehung der Verwüstung der Städte und Felder, empfinden. Wir haben mehr, als einmal, erfahren, daß unsre Waffen ausserhalb glücklicher seyn, als in unsern Landen.
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Schreitet demnach abermals zu Ablegung eurer Simmen, ihr Mitbürger, und lasset euch den Etnschluß der Rathsherren gefal len, dem die unsterbliche Götter, die ich durch den Vogelflug und die Opfer um ihre Meinung gefragt habe, alles Glück ver spreche.“ Nachdem der Consul ausgeredet hatte, wurde die Sache von neuem in Ueberlegung gezogen, und der Krieg beschlossen. Man ordnete ein allgemeines Betfest an, welches drey Tage nach einander gefeyert werden sollte, um die Götter anzuflehen, daß sie in dem Kriege wider den Philippus, der von dem Volke war beschlossen worden, einen glücklichen Fortgang verleihen möchten. Sul picius befragte die Fäcialen, ob es nöthig wäre, daß man dem Könige Philippus den Krieg in Person, oder nur schlecht in einem der nächsten Plätze seines Königreichs ankün digte. Jhre Antwort bestund darinnen, es wäre gleichgültig, und es möchte auf eine Art geschehen, auf welcher es wollte, so wür de es gesetzmäßig seyn. Der Rath überließ die Wahl desjenigen, der diese Ankündigung an den König verrichten sollte, dem Consul. Man brachte hierauf die Sache wegen An weisung der Provinzen in Richtigkeit, und bestimmte die Anzahl der Trupen, die in die sem Jahre dienen, und die Generale, welche sie commandiren sollten. Man hatte schon das allgemeine Betfest, welches war angeordnet worden, gefeyert,
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und alle Tempel der Götter mit den gewöhn(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) lichen Ceremonien besucht, als das Volk, wel ches sehr gottesfürchtig war, und sich äusserst bemühte, sich der Gnade und des Beystan des der Götter, insonderheit bey dem Anfan ge eines neuen Krieges, zu versichern, den Consul, dem Macedonien als seine Provinz zu Theil worden war, noch ermahnete, denen Göttern Spiele und Opfer zu geloben. Während daß man die Anstallten zum(Gesandten des Ptolomä us.) Kriege machte, kamen Gesandten von Sei ten des Königs in Egypten Ptolemäus an, welche die Nachricht überbrachten: „daß die Athenienser bey ihrem Herrn um Beystand wider den Philippus Ansuchung gethan hät ten; daß aber der König, ob sie gleich so wohl seine, als des Römischen Volks Bundsgenossen wären, dennoch weder eine Armee noch Flotte, um entweder jemand anzugreiffen, oder zu vertheidigen, nach Grie chenland ohne Einwilligung des Römischen Volks hätte schicken wollen.“ Der Rath gab hierauf, nachdem er dem Könige für sei ne höfliche Aufmerksamkeit gedankt hatte, diese Antwort: „daß das Römische Volk be schlossen hätte, seine Bundsgenossen zu ver theidigen; und daß, wenn es in der Folge ei niges Beystandes in diesem Kriege benöthigt seyn sollte, es solches dem Könige wolle zu wissen thun lassen, weil es sich völlig auf seinen guten Willen verliesse.“ Hierauf schickte man die Gesandten, nachdem man ihnen
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G. Empörung Galliens, vom Hamil car erregt. Livius XXXI. 10.) Geschenke gemacht, und alle nur ersinnliche Ehre angethan hatte, wieder zurück. Da aller Gemüther nur einzig und allein auf den Macedonischen Krieg gerichtet wa ren, erhielt man von einer andern Seite Nachrichten, dergleichen man zu erwarten nicht die geringste Ursache hatte, nämlich daß der Carthaginensische General Hamil car, der von der Armee des Hasdrubals in Ligurien übrig geblieben war, die Jnsubrier, Cenomanen, Bojer und andre Völker des Cisalpinifchen Galliens aufgewiegelt habe. Der Prätor L. Furius, der in dieser Pro vinz commandirte, meldete dem Rath, daß die Feinde, nachdem sie Placenz verheeret und zum Theil in Brand gesteckt, jetzt wirk lich auf Cremona losgiengen. Er wäre nicht im Stande, diesen beyden Colonien beyzuste hen, weil er überhaupt nicht mehr als fünf tausend Mann an Trupen bey sich hätte, und es nichts anders seyn würde, als sie auf die Schlachtbank liefern, wenn er sie wider eine Armee, die sich wenigstens auf vierzig tausend Mann beliefe, ins Feld stellen wollte. Nach geschehener Verlesung dieses Schrei bens befahl der Rath dem Consul C. Aureli us, daß er ohne Verzug seiner Armee, der er sich auf einen gewissen Tag in Hetrurien zu versammlen befohlen hatte, andeuten soll te, sich denselben Tag nach Rimini zu bege ben, und daß er entweder in Person zum Schutz der Colonie, wenn es die Angelegen heiten der Republik verftatteten, Rom zu
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verlassen, sich aufmachen, oder solches Ge(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) schäfte dem Prätor L. Furius auftragen soll te. Er ergriff den letztern Vorschlag. Zu gleicher Zeit beschloß der Rath, drey(Gesandten, die nach Car thago und an den Masinis sa geschickt werden. Livius XXXI. 11.) Gesandten erst nach Carthago, und von dar nach Numidien an den König Masinissa zu schicken. C. Terentius Varro, P. Lucreti us [] und Cn. Octavius wurde hierzu ernannt. Sie hatten Befehl, „sich gegen den Rath von Carthago zu beschweren, daß ihr Ge neral Hamilcar wider den geschlossenen Tractat die Gallier und Ligurier in die Waffen gebracht habe, und ihnen zu er klären, daß, wenn sie den Frieden, wel chen man ihnen zugestanden hätte, beybe halten wollten, sie ihre Mitbürger zurück ruffen und ihn in die Hände der Römer ausliefern müsten. Sie sollten ihnen ferner andeuten, daß man den Römern nicht alle Ueberläufer ausgehändigt habe, indem man zu Rom vernommen, daß deren noch eine grosse Anzahl zu Carthago wären und all da öffentlich hin und her gingen: daß sie demnach eine genaue Untersuchung darnach anstellen, und sie den Römern, dem Trac tat zu folge, ausantworten sollten.“ Eben diesen Gesandten war auch aufge tragen, dem Masinissa von Seiten des Rö mischen Volks Glück zu wünschen, daß „er nicht nur das Reich seiner Vorfahren wie der überkommen, sondern es noch darzu mit dem vortreflichsten Theile der Länder
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) des Syphax vermehret hätte. Sie sollten ihm zu wissen thun, daß man dem Könige Philippus deßwegen, weil er den Cartha ginensern wider die Römer beygestanden, den Krieg angekündigt hätte; und dem zu folge sie ersuchen, den Römern ein Corps Numidischer Reiter, sich deren in diesem Kriege zu bedienen, zur Hülfe zu schicken.“ Sie hatten auch ansehnliche Geschenke für den König mit sich, und waren befehligt ihm zu sagen, „daß er in der Erkänntlich keit des Römischen Volks allen Beystand, dessen er, entweder sein Ansehen zu befesti gen, oder seine Staaten zu erweitern, nö thig haben möchte, finden würde.“ (Gesandten des Vermi na, eines Sohns des Syphax, an die Römer. Liv. ebend.) Eben um diese Zeit wendeten sich die Ge sandten des Vermina, eines Sohns des Sy phax, an den Rath, „und entschuldigten den un vorsichtigen und übereilten Schritt, den ihr Herr gethan hätte, als er die Waffen wider die Römer ergriffen, mit der Jugend dieses Fürstens, und schoben alle Schuld auf die verführischen Rathschläge der Car thaginenser. Sie stellten vor, daß Masi nissa aus einem Feinde der Römer ihr Freund und Bundsgenosse geworden wäre. Daß Vermina sich durch seine redliche Dienste ganz ausserordentlich bemühen woll te, weder dem Masinissa noch irgend einem andern Fürsten an Eifer und Treue gegen das Römische Volk im geringsten etwas nachzugeben.“ Der Rath antwortete den Gesandten: „Es wäre ohne allen Grund und
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Ursache gewesen, daß Syphax, aus einem(d. 552. J. n. R. E. d 200. J. v. C. G.) Bundsgenossen und Freund des Römischen Volks, auf einmal dessen Feind worden wäre; und es wäre mit nicht geringerer Ungerechtigkeit geschehen, daß Vermina, sein Sohn, seine Besteigung des Throns damit gleichsam, daß er die Römer angegrif fen hätte, verherrlichen wollen. Er müste demnach zuvörderst bey dem Römischen Volke um den Frieden anhalten, ehe er dar an denken wollte, von ihnen vor einen freundschaftlichen und im Bündnis stehen den König erkannt zu werden. Dieses wä re eine Ehre, die das Römische Volk nur denjenigen zu zugestehen pflegte, die ihm grosse Dienste geleistet hätten. Die Abge ordneten Roms würden ehestens in Afrika seyn, und dem Vermina diejenigen Artikel anzeigen, auf welche das Römische Volk ihm den Frieden bewilligen wollte. Wenn er nun wünschte, daß man einen Punkt etwan hinzufügen oder davon absondern möchte, müste er so dann sich von neuen an den Rath wenden.“ Die Römischen Ab geordneten reiseten mit den Vollmachten, de ren wir eben erwähnt haben, ab. Sie hat ten jeder eine Galere von fünf Ruderbänken. Als sie in Afrika ankamen, antworteten(Verrichtun gen der Ge sandtschaft der Römer in Afrika. Livius XXXI. 19.) ihnen die Carthaginenser, daß alles, was sie wider den Hamilcar thun könnten, das wä re, die Strafe der Verweisung wider ihn auszusprechen und seine Güter einzuziehen. Was die Römischen Ueberläufer und Skla
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) ven anbelangte, hätten sie alle diejenigen, die sie entdecken können, zurückgegeben. Uebri gens wollten sie Gesandten nach Rom ab schicken, um dem Rathe wegen dieser beyden Artickel ein Genüge zu thun. Zu gleicher Zeit liessen sie zweyhundert tausend Maas Getrayde nach Rom und eben so viel nach Macedonien zur Unterhaltung der Armeen abführen. Von Carthago begaben sich die Römischen Gesandten zu dem Masinissa, der sie voll kommen wohl empfing. Er bot der Repu blik zweytausend Numidier an. Die Ge sandten aber übernahmen deren nicht mehr als ein tausend, welche dieser Fürst selbst zu Schiffe bringen, und nebst zweyhundert tau send Maas Korn und eben so viel Gerste nach Macedonien übersetzen ließ. Als Vermina erfuhr, daß die Römischen Gesandten unterwegens waren, in seine Staa ten zu kommen, ging er ihnen bis an die Gren zen seines Königreichs entgegen. Er unter warf sich im voraus allen Bedingungen, die man ihm vorzuschreiben belieben würde, in dem er hinzufügte, daß ihm ein jeder Friede mit den Römern billig und vortheilhaft vor käme. Er wurde ihm zugestanden. Die Artickel wurden ihm vorgelegt, mit dem Be fehl, Abgeordnete nach Rom zu schicken, und die Bestätigung derselben zu suchen. (Aus dem Tempel der Proserpina) Jndessen hatte der Römische Rath von ei nem neuen begangenen Kirchenraube, der in dem Tempel der Proserpina zu Locri war
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begangen worden, Nachricht erhalten. Der(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Prätor Q. Minucius, dem Brutium zur Provinz war angewiesen worden, hatte sol ches berichtet, und zugleich mit bemerket,(entwandtes Geld. Livius XXXI. 12.) daß man die Urheber dieser Bosheit noch nicht hätte entdecken können. Der Rath empfand es mit dem grösten Schmerze, daß die Kirchenraubereyen sich vermehrten, und daß das ganz neuerliche Exempel des Ver brechens und der Bestrafung des Pleminius nicht vermögend gewesen, die Gottlosen in Furcht zu setzen und abzuschrecken. Dem Consul Aurelius wurde aufgetragen, an den Prätor Aurelius zu schreiben, „daß des Raths Wille sey wegen dieses Raubs Erkundi gung einzuziehen, wie es in einem derglei chen Falle vor einigen Jahren geschehen wäre; imgleichen daß man das Geld, wel ches man wieder finden würde, in den Schatz liefern, und das, was daran fehlen dürfte, ersetzen, auch wenn man es für gut fände, zur Ersetzung eines so strafbaren Kirchenraubes, diejenigen Versöhnungs opfer, welche die Priester vormalen ange ordnet hätten, bringen sollte.“ Nachdem man allen Pflichten der Religi=(Vorstellun gen, welche verschiedene Privatperso nen wegen der Geldsum men, die sie bey der Repu blick zu for dern hatten, thun. Livius XXXI. 13.) on, wegen der verschiedenen üblen Anzeigen, ein Genüge gethan hatte, meldeten sich bey dem Rathe eine grosse Anzahl Privatperso nen, denen man von den drey Geldsummen, die sie vor zehn Jahren unter dem Consulat des M. Valerius und des M. Claudius der Republik vorgeschossen hatten, noch die bey
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) den letzten Termine schuldig war. Die Con suls hatten ihnen geantwortet, daß der Schatz nicht im Stande wäre, diese Schuld wegen des grossen Aufwandes, zu dem sie der neue Krieg wegen Unterhaltung zahlrei cher Trupen und Ausrüstung ansehnlicher Flotten nöthigte, vorjetzo abzutragen. „Sie hingegen stellten vor, daß, wenn die Re publik diejenigen Summen, die ihr zum Carthaginensischen Kriege wären vorge schossen worden, zu dem Macedonischen verwenden wollte, die Belohnung ihres Ei fers für die Republik, da immer ein Krieg auf den andern folgte, endlich kein andrer als dieser würde, sich auf immerdar ihres Vermögens beraubt zu sehen.“ Der Rath fand diese Vorstellungen sehr billig, und sie waren es in der That: allein die Republik war wirklich ausser Stand, sich dieser Schulden zu entledigen. Diese Umstände musten Rathsherren, welche die Gerechtigkeit verehrten, und das Volk wirk lich liebten, sehr nahe gehen. Sie fanden a ber ein weises Mittel, welches ihnen die dar lehner selbst an die Hand gaben. Selbiges war, diesen Privatpersonen allen die liegen den Gründe, die sich in einem Umfange von (*) funfzigtausend Schritten um Rom herum befanden, und zum gemeinen Nutzen eben verkauft werden sollten, zu überlassen. Denen Consuls wurde aufgetragen, diese 77
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Aecker zu schätzen, und auf jeden Morgen(d. 552. J. n. G. E. d. 200. J. v. C. R.) Acker einen jährlichen Zins von einem As zu legen, zu einem beständigen Beweise, daß diese Grundstücken eigentlich dem Staate zu gehörten. Und hierbey (*) ließ man den Pri vatpersonen, die lieber ihr Geld haben, als die Aecker behalten wollten, die Freyheit, sie dem Staaten, wenn er diese Schulden zu be zahlen im Stande seyn sollte, wiederzugeben: Sie liessen sich diese Bedingungen sehr gerne und mit Freuden gefallen. Es leuchtet aus diesem ganzen Verfahren, ein Geist der Bil ligkeit und des gemeinen Bestens hervor, der den Römern viel Ehre macht, und allen den jenigen, die am Ruder sitzen, zur Richt schnur dienen sollte; als unter deren Pflich ten eine der wesentlichsten diese ist, die Red lichkeit in denen im Namen des Staats ein gegangenen Versprechungen als heilig und unverletzlich zu betrachten, wider die man niemals im geringsten anstossen dürfe. Die se in den Gemüthern fast eingeprägte Mei nung ist die vornehmste Stütze derer Staa ten. Endlich reisete der Consul Sulpicius, nach(Der Consul Sulpicius kom̄t in Ma cedonien an, und schickt den Centho der Stadt A then zur Hülffe. Livius XXXI. 14.) dem er auf dem Capitolio die gewöhnlichen Gebete und Gelübde gethan hatte, von Rom, (**) mit seinem Waffenrock bekleidet, 78 79
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) unter Vorhergehung seiner Lictoren, ab. Er ging von Brundusium in zween Tagen nach Macedonien über. Bey seiner Ankunft traf er daselbst die Abgeordneten von Athen an, die ihn bey den Göttern beschworen, sie von der Belagerung, welche die Trupen des Philippus vor ihrer Stadt unternommen hätten, zu befreyen. Er schickte sogleich den C. Claudius Centho mit zwanzig Galeren und einigen Trupen ab, Athen beyzustehen. (Centho ver heert die Stadt Chal cis. Livins XXXI. 23.) So bald als Centho in dem Pirenäischen Hafen einlief, bekamen die Einwohner neuen Muth und Hofnung. Er begnügte sich aber damit nicht, die Stadt und die ganze benach barte Gegend in Sicherheit zu setzen: son dern, da er vernahm, daß die Besatzung zu Chalcis, weil sie von aller Gefahr weit ent fernt zu seyn glaubte, auf keine Ordnung noch Kriegszucht hielte, ging er mit seiner Flotte ab, und kam noch vor Tage vor der Stadt an. Weil er die ausgestellten Po sten schlafend fand, rückte er ohne Hinder nis in sie ein, steckte die öffentlichen mit Ge trayde angefüllten Magazine und das Zeug haus, welches voller Kriegsmaschinen war, in Brand, und hieb alles, was von Solda ten in der Stadt war, in Stücken. Wenn er Trupen genung gehabt hätte, eine Besa tzung in Chalcis lassen zu können, ohne die Vertheidigung Athens zu verabsäumen, würde dieses dem Philippus bey dem Anfan ge des Kriegs die Stadt Chalcis und den Euripus entrissen zu haben, ein Streich von
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der äussersten Wichtigkeit gewesen seyn.(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Denn die Meerenge des Euripus verschließt den Eingang in Griechenland zur See, wie der enge Paß bey Thermopylä es zu Lande thut. Er war aber nicht im Stande, die wenigen Trupen, die er hatte, zu theilen. Er ließ daher alle die Beute, die er gemacht hatte, auf seine Schiffe bringen, und kehrte nach Pireäum, von dar er ausgelauffen war, zurück. Philippus, der damals zu Demetrias war,(Philippus be lagert Athen vergebens. Livius XXXI. 24.) rückte auf die erstere Nachricht, die er von dem Unsterne dieser mit ihm in Bündnis ste henden Stadt erhielt, herbey, in der Hof nung die Römer zu überrumpeln. Sie wa ren aber nicht mehr da, und es schien, als wenn er nur zu dem Ende herbey gekommen wäre, um ein Zeuge von dem traurigen Schicksaal dieser noch rauchenden und halb verwüsteten Stadt zu seyn. Jndem er statt der Freude, die er würde gehabt haben sei nen Bundsgenossen beyzustehen, ihm das Vergnügen, sich an seinen Feinden zu rächen, vorstellte, dachte er an nichts weiter, als der Stadt Athen ein gleiches zu erweisen, und sie so, wie es die Römer mit Chalcis gemacht hatten, zu überrumpeln. Er würde zu sei nem Zwecke gekommen seyn, wenn nicht ei ner von den Läuffern, die Man (*) Hemero dromes nannte, von der Höhe, wo er war hingestellet worden, die Trupen des Königs 80
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) wäre gewahr worden, und die Zeitung da von auf das eiligste nach Athen überbracht hätte, allwo er gegen Mitternacht, als alles im tiefen Schlafe war, anlangte. Philip pus kam zwar gleichfalls nur etliche Stun den später, aber noch vor Tage, daselbst an. Da er aber die Lichter sahe, die man an ver schiedenen Orten angezündet hatte, und das Lärmen und Geschrey der Bürger hörte, die auf allen Seiten, wo sie die Gefahr und Nothwendigkeit hinrufte, liefen, entschloß er sich die Stadt mit Gewalt anzugreiffen, da ihm die List nicht gelungen war. Die Athenienser hatten ihre Trupen aus ser der Stadtmauer vor dem Thore Dipylos in Schlachtordnung gestellet. Philippus marschierte an der Spitze seiner Armee, warf sich selbst mitten in das Handgemenge, und trieb sie, nachdem er mit eigner Hand viele getödtet und verwundet hatte, in die Stadt zurück, wohin er ihnen jedoch zu fol gen nicht für rathsam fand. Er ließ darge gen seinen Zorn an den Lustgebäuden und an dern Häusern, die zu allgemeinen Uebungen, als das Lycäum bestimmt waren, aus, ließ alles in Brand stecken, und verwüstete, was ihm auf stieß, ohne selbst die Gräber, und was man sonst für sehr heilig hielt, zu verschonen. Er brach von dar nach Eleusis auf, es zu über rumpeln, kam aber ebenfalls unrecht an. (Er belagert Athen zum zweytenmale mit eben so schlechten) Wenig Zeit darnach kam er wieder vor Athen, und unternahm zum zweitenmale, wiewohl mit eben so schlechtem Fortgange, als
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das erstemahl, die Belagerung davon. Da(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) ihn die Belagerten mit Schimpf zurück ge trieben hatten, verheerte er von neuen das ganze Gebiete umher. Nach der ersten Be(Fortgange, und verheert ganz Attika. Livius XXXI. 26.) lagerung hatte er nur die Gräber, welche er ausser der Stadt gefunden hatte, zerstört: jetzt ließ er alle Tempel der Flecken und Dör fer der ganzen Gegend verbrennen und nie derreissen, damit er ja nichts verschonen möchte, was die Religion unverletzbar mach te. Der Marmor, der sich in Attika in grossem Ueberflusse fand, und den die geschick testen Künstler, die mit dieser Materie um zugehen wusten, bearbeitet hatten, hatte das ganze Land mit diesen heiligen Gebäuden, die dieser Fürst damals seiner Wuth und Rach gier aufopferte, ausgeziert. Er begnügte sich damit nicht, die Tempel dem Erdboden gleich zu machen, und die Bildsäulen der Götter umzuwerffen; sondern er ließ auch alle Stei ne, die noch ganz geblieben waren, in Stü cken zerschlagen, damit nicht eine Spur von so vielen herrlichen Denkmälern übrig bliebe, und man auch nicht einmal die Ueberbleibsel davon zeigen könnte. Nach einem so rühm lichen Feldzuge begab er sich nach Böotien zurück. Ein König, der seines Zorns so we nig mächtig ist, und der sich Ausschweiffun gen von dieser Art überläßt, verdient nicht einmal den Namen eines Königs. Der Consul, der zwischen Apollonia und(Die Römer verwüsten die Grenzen Ma cedoniens. Liv.XXXI. 27.) Dyrrachium gelagert stund, schickte unter der Anführung des Unterfeldherrns Apustius ein
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) ziemlich ansehnliches Corps nach Macedonien, welches das platte Land verwüstete, und sich verschiedener kleiner Städte bemächtigte. (Die benach barten Köni ge Macedoni ens schlagen sich zu dem Consul. Livius XXXI. 28.) Nachdem die Römer den Krieg mit diesen ziemlich glücklichen Verrichtungen angefan gen hatten, sahen sie verschiedene an Mace donien angrenzende Könige und Fürsten, und unter andern den Pleuratus, einen Sohn des Scerdileus, Königs von einem Theile Jlly riens, den Aminander, König der Athama nen, und den Bato, einen Sohn des Lon garus, Fürstens der Dardanier, in ihrem La ger ankommen. Longarus war mächtig gnug gewesen, den Krieg für sich allein wider den Demetrius, den Vater des Philippus, zu führen. Der Consul gab diesen Fürsten, die ihm ihre Dienste wider den Macedonischen König anboten, zur Antwort, daß, wenn er in das feindliche Land mit seiner Armee ein rücken würde, er die Trupen, die ihm die Dardanier und Pleuratus zu liefern bereit wären, brauchen wollte. Was den Ami nander anbelangte, demselben trug er auf, die Aetolier zu einem Bündnis wider den Phi lippus zu bewegen. Dem Attalus, dessen Gesandten gleichfalls bey ihm angelangt wa ren, ließ er sagen, daß er die Flotte der Rö mer zu Aegina, wo er sich im Winterquartie re befände, erwarten, und wenn sie daselbst würde eingelauffen seyn, und sich mit ihm ver einigt haben, er den Krieg wider die Mace donier zu Wasser, so wie er angefangen hät te, fortsetzen sollte. Er schickte auch Gesand
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ten an die Rhodier, sie zu ermahnen, daß sie(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) mit den Bundsgenossen wider den Philip pus gemeinschaftliche Sache machen möch ten. Dieser Fürst machte hingegen seiner Seits(Zurüstungen des Philip pus.) gleichfalls, nachdem er in Macedonien wie der eingetroffen war, alle nur ersinnliche An stallten zum Kriege. Er ließ seinen Sohn Perseus, der noch sehr jung war, nebst eini gen Feldherren, die ihn anzuführen im Stan de waren, und einem Theile seiner Trupen aufbrechen, sich der engen Pässe, die sich bey dem Eingange nach (*) Pelagonien be fanden, zu bemächtigen. Er machte Scia thus und Peparethus, zwo ziemlich wichtige Städte, die auf Jnseln des ägeischen Meers gleiches Namens lagen, dem Erdboden gleich, um zu verhindern, daß sie nicht ein Raub der feindlichen Flotte würden. Er schickte Gesandten an die Aetolier, deren Unruhe und Unbeständigkeit er kannte, um sie zu er mahnen, daß sie mit ihm wider die Römer vereinigt bleiben möchten. Die Aetolier sollten an einem gewissen be(Versam̄lung der Aetolier, zu der Philip pus, die Athe nienser und die Römer ih re Gesandten schicken. Liv. XXXI. 29- 32.) stimmten Tage ihre allgemeine Versamm lung halten. Philippus, die Römer und die Athenienser schickten ihre Gesandten darzu. Des Philippus seiner nahm zuerst das Wort. „Er verlangte weiter nichts, als daß die Ae tolier fest bey den Artikeln des Friedens, den sie einige Jahre vorher mit dem Philip 81
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) pus geschlossen hätten, verbleiben möchten, weil sie damals zur Gnüge erfahren hätten, wie sehr das Bündnis mit den Römern ih rem Vortheile entgegen stünde. Er führte ihnen das Exempel von Meßina und ganz Sicilien an, dessen sich die Römer unter dem Vorwande, denselben beyzustehen, be meistert hätten. Er vergrösserte ihnen die Härte, womit die Römer denen eroberten Städten Syracus, Tarent und Capua be gegneten, ausserordentlich, und hielt sich (*) insonderheit bey dieser letztern auf, welche nicht mehr Capua, sondern das Grab der Campanier, ein Schatten einer Stadt, oh ne Volk, ohne Rath, ohne Gerichtsperso nen, und von denen, die sie in diesem Zu stande hätten stehen lassen, noch übler ge mißhandelt wäre, als wenn sie sie gänzlich zerstöret hätten. Wenn Fremde, sagte er, die von uns durch ihre Sprache, ihre Sit ten, Gebräuche und Gesetze noch mehr un terschieden sind, als durch den Zwischen raum des Erdreichs und des Meers, wel ches uns von ihnen trennet, sich dieses Lan des bemächtigen sollten, würde es eine Thorheit seyn, zu glauben, daß sie mit uns besser umgehen würden, als sie es mit ihren Nachbarn gemacht haben. Zwischen uns 82
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verschiedenen Völkern eines Landes, und(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) die wir einerley Sprache reden, Aetoliern, Acarnaniern, Macedoniern, könnten sich einige Zwistigkeiten erheben, die keine Fol gen haben, und von keiner Dauer sind: aber mit Fremden, mit Barbaren, werden wir insgesammt, wie viel unserer Griechen sind, beständig im Krieg verwickelt seyn. Denn es ist die Natur, die allezeit unver änderlich ist, und nicht eine vorübergehende Ursache, die sie wider uns, und uns wider sie bewafnet. Es sind nur wenig Jahre, daß ihr an eben diesem Orte mit dem Phi lippus Friede machtet. Dieselben Ursa chen sind noch vorhanden, und wir hoffen, daß ihr auch eben dasselbe Betragen beybe halten werdet.“ Die Abgeordneten von Athen redeten hier auf mit Bewilligung der Römer. „Sie fingen auf eine sehr rührende Art zu erzäh len an, was für eine gottlose und unver nünftige Erbitterung Philippus wider die heiligsten Denkmaale von Attika, wider die ansehnlichsten Tempel, wider die verehrungs würdigsten Gräber bewiesen habe, gleich als wenn er nicht allein den Menschen und Lebendigen, sondern auch den Seelen der Verstorbenen und der Majestät der Götter selbst den Krieg angekündigt hätte. Aeto lien und ganz Griechenland hätte eine glei che Begegnung zu erwarten, wenn Philip pus darzu Gelegenheit finden würde. Sie schlossen damit, daß sie die Aetolier baten
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) und beschworen, sie möchten mit Athen Mit leiden haben, und unter dem Beystande der Götter und dem Schutze der Römer, deren Macht keiner, ohne nur der Götter ihrer wiche, einen so gerechten Krieg, als der wä re, den man ihnen vorschlüge, unterneh men. Der Römische Abgeordnete widerlegte zuförderst alle die Vorwürffe des Macedo niers wegen des Tractaments, welches Rom die eroberten Städte hätte empfinden lassen, sehr weitläuftig, und setzte insonder heit das Exempel Carthagens demselben ent gegen, dem man nur erst den Frieden und die Freyheit zugestanden hätte. Er behaup tete, daß man die Römer nichts weniger, als einer Grausamkeit beschuldigen könnte, und daß sie selbst nicht so wohl befürchteten, es möchten die Völker sich dieserwegen leich ter, als vielmehr wegen ihrer allzugrossen Güte und Gelindigkeit wider sie erklären, die sie gegen die Ueberwundenen bewiesen, und worinnen selbige allemal eine sichere Freystatt anträfen. Er zeigte zwar kurz, aber lebhaft, die strafbaren Handlungen des Philippus, seine erschrecklichen Grau samkeiten, und sein unordentliches Leben, das noch verabscheuungswürdiger war, als seine Grausamkeiten: alles Sachen, die den jenigen, vor denen er redete, um so viel be kandter waren, je näher sie Macedonien, und je mehr sie mit dem Philippus in einer beständigen Gemeinschaft stunden.“ Allein
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mich nur bey dem, was euch betrift, auf=(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) zuhalten, sagte dieser Abgeordnete, indem er sich an die Aetolier wendete, „so haben wir den Krieg hauptsächlich zu eurer Verthei digung unternommen. Jhr habt mit ihm ohne unsre Theilnehmung Frieden gemacht. Vielleicht werdet ihr zu eurer Rechtferti gung sagen, daß ihr, da ihr uns in den Krieg mit den Carthaginensern verwickelt sahet, durch die Furcht genöthigt, die Gesetze an genommen habt, die euch ein stärkrer vor schrieb: und daß wir, unsrer Seits, wegen wichtigerer Dinge anderwärts beschäftigt, einen Krieg verabsäumt haben, dem ihr nun entsagt habt. Allein da wir nun, den Göt tern sey Dank, den Carthaginensischen Krieg los seyn, so richten wir alle unsre Macht wider Macedonien. Das ist für euch eine Gele genheit, wieder in unsre Freundschaft und in unser Bündnis zu treten, die ihr nicht ver säumen dürffet, es wäre denn, daß ihr lieber mit dem Philippus zu Grunde gehen, als mit den Römern überwinden wolltet.“ Damocritus, Prätor der Aetolier, den(Die Versam̄ lung geht, ohne etwas zu beschlies sen, aus ein ander. Liv. ebend.) Philippus, wie man vorgiebt, durch Geld sollte gewonnen haben, merkte wohl, daß die se letztere Rede die meisten Stimmen nach sich reissen würde. Er stellte demnach, ohne daß er das Ansehen hatte, vor eine Parthey eingenommen zu seyn, vor, daß die Sache zu wichtig wäre, als daß sie auf der Stelle könn te entschieden werden, und daß man sich Zeit nehmen müste, alles reiflich zu überlegen.
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(d. 552. J. n. G. E. d. 200. J. v. C. G.) Hierdurch vereitelte er alle die Hofnungen und Anschläge der Römer, und rühmte sich, seiner Nation einen grossen Dienst erwiesen zu haben, welche nun erst einen Ausgang er warten, und sich sodann für den stärksten erklären könnte. (Der Consul rückt in Ma cedonien ein. Beyde Par theyen gera then auf ein ander. Liv. XXXI. 32. Ebend. 34.) Philippus machte indessen so wohl zu Was ser, als zu Lande, alle nöthige Kriegszurü stungen: Der Consul hingegen lag wirklich schon zu Felde. Er war in Macedonien ein gerückt, und auf die Dassaretier losgegan gen. Philippus stellte sich auch ins Feld. Es war beyden noch unbekannt, was der Feind für einen Weg genommen hatte. Man ließ von beyden Theilen ein Corps Reiterey vorausgehen, denselben zu entdecken. Beyde Corps trafen auf einander, und da sie aus lauter auserlesener Mannschaft be stunden, war das Gefechte sehr hartnäckig, und der Sieg blieb zweifelhaft. Von Sei ten der Macedonier blieben vierzig, und fünf und dreyßig von Seiten der Römer auf dem Platze. Der König, der gewiß glaubte, daß die Mühe, die er sich geben würde, die in diesem Scharmützel gebliebenen zu begraben, sehr viel, ihm die Liebe der Trupen zu erwerben, beytragen, und sie aufmuntern würde, tapf fer für ihn zu fechten, ließ ihre Cörper in das Lager bringen, damit die ganze Armee von den Ehrenbezeigungen, die er ihnen erweisen würde, Zeuge wäre. Es (*) ist aber nichts, 83
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auf welches man weniger Rechnung machen(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) dürfe, als auf die Gesinnungen und Neigun gen des gemeinen Volks. Dieser Anblick, von dem man glaubte, daß er die Soldaten sollte aufmuntern, diente zu nichts, als ihren Muth zu vermindern. Sie hatten bisher nur mit Griechen zu thun gehabt, die fast nichts als Pfeile, halbe Piken und Lanzen führten, und daher nicht so gar gefährliche Wunden machten. Da sie aber die Körper ihrer Mitstreiter voller grossen Wunden, die mit den Spanischen Sebeln gemacht waren, abgehauene Arme, ganz hinweggenommene Schultern, vom Leibe abgesonderte Köpfe sahen, erfüllte sie dieser Anblick mit Schre cken, und gab ihnen deutlich zu erkennen, ge gen was für Feinde man sie führte. Der König selbst, der die Römer noch nicht in einer ordentlichen Schlacht nahe ge sehen hatte, wurde darüber bestürzt. Da er von Ueberläufern den Ort, wo sich die Feinde aufhielten, erfahren hatte, ließ er sich durch Wegweiser mit seiner Armee, die aus zwanzig tausend Mann zu Fuß und vier tausend Pferden bestund, dahin führen, und stellte sich in einer Entfernung von etwas mehr als zweyhundert Schritten von ihrem Lager, bey der kleinen Stadt Athakus, auf einer Höhe, die er mit guten Graben und
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Befestigungswerken versehen ließ. Da er von der Höhe seines Hügels die Einrichtung des Römischen Lagers betrachtete, rufte er aus: (*)Das wäre nicht das Lager eines Barbarischen Volks. (Verschiedene Scharmützel zwischen bey den Parthey en von schlechter Wichtigkeit. Livius XXXI. 35.) Der Consul und der König blieben zween Tage, ohne eine Bewegung zu machen, in dem einer den andern erwartete. Am drit ten rückte der Consul aus seinem Lager aus, und stellte seine Trupen in Schlachtordnung. Philippus, der sich nicht getraute, eine Hauptschlacht zu wagen, schickte ein Corps von vierzehnhundert Mann, so halb aus Fußvolk und halb aus Reiterey bestund, wi der die Feinde aus, welchen die Römer eins von gleicher Anzahl Soldaten entgegen stell ten. Dieses erhielt den Vortheil und trieb jenes in die Flucht. Sie entgingen auch dem Hinterhalte, den ihnen der König gelegt hat te, glücklich. Diese beyden Vortheile, de ren einen man mit gebrauchter Gewalt, den andern durch List erhalten hatte, erfüllten die Trupen mit Muth und Hofnung. Der Consul führte sie wieder ins Lager zurück, und ließ sie den folgenden Tag von neuem ausrü cken. Er bot dem Könige die Schlacht an, indem er die Elephanten, die die Römer den Carthaginensern abgenommen hatten, und deren sie sich damals zum erstenmale bedien ten, in die ersten Glieder stellte. Philippus fand nicht für gut, die Herausforderung an 84
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zunehmen, und hielt sich, ohnerachtet der(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) schimpflichen Vorwürffe des Sulpicius, der ihn einer Furchtsamkeit und Niederträchtig keit beschuldigte, in seinem Lager eingeschlos sen. Da in einer Nachbarschaft zwoer Armeen(Philippus er hält einigen Vortheil ü ber die nach Fütterung ausgeschick ten Römer. Er wird hier auf selbst ge schlagen und die Flucht zu nehmen ge zwungen. Livius XXXI. 36- 40.) das Furagieren sehr gefährlich war, entfern te sich der Consul ohngefähr achttausend Schritt, (anderthalb Meilen) und zog sich nach einem Flecken, Namens Octolophus, von wannen sich die Furagierer in die ganze Gegend Corpsweise zertheilten. Der König hielt sich anfangs in seinen Verschanzungen stille, als wenn ihn die Furcht darinnen zu rückhielte, damit der Feind dadurch um so viel verwegner, und folglich um so viel unvor sichtiger würde. Und solches erfolgte wirk lich. Da sie Philippus in grosser Anzahl auf dem Lande zerstreuet sahe, rückte er, wie ein Blitz, mit seiner Reiterey, der die Creten ser so gut, als Leute zu Fuß konnten, nach folgten, aus, und stellte sich in gröster Eil zwischen das Lager der Römer und die Fura gierer. Allda zertheilte er seine Trupen, und schickte einen Theil wider die Furagierer, mit Befehl, alles niederzuhauen, was ihnen auf stossen würde; und er selbst besetzte mit dem andern Theile alle Päße und Wege, auf de nen sie wieder zurückkommen kön̄ten. Flucht und Morden erfüllte das platte Land, ohne daß man noch das geringste von dem, was ausserhalb vorgieng, in dem Römischen Lager wuste, weil die Flüchtigen unter die Trupen
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) des Königs fielen. Diejenigen, welche die Wege besetzt hielten, tödteten ihrer eine grös sere Anzahl, als die, welche sie aufzusuchen waren abgeschickt worden. Endlich wurde diese traurige Zeitung im Lager bekandt. Der Consul ertheilte den Rittern Befehl, denen Furagierern so gut sie könnten, zur Hülfe zu eilen. Er selbst ließ die Legionen aus dem Lager rücken und führte sie in einer vierseitigen SlachtordnungSchlachtordnung gegen den Feind. Die Ritter, die sich auf allen Seiten zerstreuten, verirrten sich anfangs, weil sie durch das Geschrey, das von unter schiedenen Orten herkam, verführt wurden. Viele stiessen auf die Feinde. Zu gleicher Zeit gieng der Streit auf verschiedenen Sei ten an. Das hitzigste Scharmützel wurde bey demjenigen Corps geliefert, welches der König selbst commandirte, und welches so wohl an Fußvolk als Reiterey sehr zahlreich war; worzu noch kam, daß diese Trupen durch die Gegenwart des Königs angefrischet wurden, und die Cretenser, die dicht anein der geschlossen und festen Fusses gegen zer streute und unordentlich stehende stritten, eine grosse Anzahl tödteten. Wenn sie sich in der Verfolgung der Rö mer zu mäßigen gewust hätten, so ist gewiß, daß dieser Tag nicht nur von der bevorste henden Schlacht, sondern vielleicht gar von dem Ausgange des ganzen Krieges den Aus schlag würde gegeben haben. Weil sie sich aber einer verwegenen und unbedachtsamen
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Hitze überliessen, geriethen sie mitten unter(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) die Römischen Regimenter, die mit ihren Officieren angerückt waren. So bald nun die Flüchtigen die Römischen Fahnen erblick ten, wandten sie sich um, und jagten mit ihren Pferden mitten unter die Feinde, die in völ liger Unordnung waren, hinein. Auf ein mal wandte sich das Blat, und diejenigen, die vorher verfolgten, ergriffen die Flucht. Viele wurden im Gefechte ermordet, viele in der Flucht: und sie kamen nicht allein durch das Schwerdt um, sondern viele stürz ten sich in die Moräste, und versunken derge stallt im Schlamme, daß sie mit ihren Pfer den darinnen stecken blieben. Der König selbst lief grosse Gefahr. Den̄ da ihn sein Pferd, welches stark war verwun det worden, abgeworffen hatte, würde er selbst seyn übel zugerichtet worden, wenn nicht ein Ritter geschwind von seinem Pferde heruntergesprungen wäre, und es ihm gege ben hätte. Dieser Ritter selbst aber wurde, weil er nicht geschwind genug fliehen konnte, durch die Feinde umgebracht, nachdem er seinem Könige das Leben erhalten hatte. Philippus machte viele Umwege um den Mo rast, und langte endlich im Lager, wo man ihn nicht wieder zu sehen hofte, an. Wir haben schon mehrmals gesehen, und man kann es für diejenigen, die Profeßion vom Kriege machen, nicht oft genug anmer ken, um sie in Stand zu setzen, einen solchen Fehler zu vermeiden, daß der Verlust einer
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Schlacht öfters von einer allzu grossen Hitze der Officiers herrührt, die, nur auf die Ver folgung der Feinde erpicht, das, was bey den übrigen Theilen der Armee vergeht, ver gessen, und sich durch eine übel angebrachte Begierde nach Ruhm, einen Sieg entreissen lassen, den sie in Händen hatten, und sicher genug war. Philippus hatte in diesem Scharmützel nicht viel verlohren, er fürchtete sich aber für einem zweyten Angriff. Selbigen zu vermei den, nahm er sich vor, sich zurück zu ziehen, und seinen Rückmarsch dem Feinde zu ver bergen. Jn dieser Absicht schickte er gegen Abend einen Herold an den Consul, und ließ ihn um einen Waffenstillstand ersuchen, um seine Todten begraben zu können. Der Con sul, der sich eben an Tisch gesetzet hatte, ließ dem Herold sagen, daß er ihm den andern Morgen früh die Antwort ertheilen wollte. Philippus verließ während der Zeit, so bald, als die Nacht angebrochen war, in aller Stil le sein Lager, indem er, um die Römer zu be trügen, viele Feuer angezündet hinterlassen hatte. Da er vor dem Consul die ganze Nacht und einen Theil des Tages voraus hatte, machte er ihm die Hofnung, ihn ein zuholen, zu Wasser. Sulpicius begab sich erst einige Tage dar nach auf den Marsch. Der König hatte sich Hofnung gemacht, ihn in den engen Päs sen, deren Eingänge er mit Graben, Ver schanzungen und grossen Hauffen von Stei
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nen und Bäumen verlegt hatte, aufzuhalten,(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) allein die Gedult und Muth der Römer über wanden alle diese Schwierigkeiten. Nach dem der Consul in dem Lande grossen Scha den gethan, und sich vieler wichtigen Plätze(Sulpicius kehrt nach A pollonia zu rück.) bemächtiget hatte, führte er seine Armee nach Apollonien zurück, wo er zu Anfange des Feldzugs ausmarschirt war. Die Aetolier, die auf einen Ausschlag war(Die Aetolier erklären sich für die Rö mer. Livius XXXI. 40 43.) teten, um darnach ihren Entschluß zu neh men, säumten nun nicht länger, für die Römer, die die Oberhand zu bekommen an fingen, sich zu erklären. Sie vereinigten sich mit dem Aminander, dem Könige der Atha manen, und thaten einige Einfälle in Thessa lien, die ihnen schlecht genug gelungen, in dem sie Philippus bey verschiedenen Gelegen heiten schlug, und endlich nöthigte, sich mit genauer Noth nach Aetolien wieder zurück zu begeben. Einer von seinen Unterfeldherren überwand auch die Dardanier, die während der Abwesenheit des Königs in Macedonien eingefallen waren, der sich mit diesen kleinen Vortheilen über den übeln Fortgang, den seine Sachen gegen die Römer hatten, trö stete. Jn eben diesem Feldzuge näherte sich die(Verordnung der Athenien ser wider den Philippus. Liv.XXXI. 44, 45.) Römische Flotte, mit des Attalus seiner ver einigt, der Stadt Athen. Der Haß der A thenienser gegen den Philippus, dessen Wir kungen sie aus Furcht für denselben zeithero noch zu mäßigen waren genöthigt gewesen, brach bey Erblickung eines so mächtigen Bey
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) standes damals ohne Maas aus. Die Red ner hatten in einer freyen Stadt, dergleichen Athen war, wo die Gabe der Rede eine un umschränkte Gewalt hatte, einen solchen Ein druck bey dem Volke, daß sie es zu einem je den Entschluß, den sie für gut fanden, zu brin gen vermochten. Diesmal verordnete das Volk auf ihr Verlangen, „daß alle Statu en und Bilder des Königs Philippus und aller seiner Vorfahren von beyderley Ge schlechte völlig zernichtet, und ihre Namen mit allen Titeln und Ueberschriften, womit man sie in vergangenen Zeiten etwan beehret haben könnte, sollten ausgetilget werden. Daß die Feste, Opfer und Priesterwürden, die ihnen zu Ehren wären errichtet worden, gleichfalls abgeschaft seyn sollten. Daß alle Oerter, wo man ihnen ein Ehrenge dächtniß möchte aufgerichtet haben, für un rein, gottlos und verabscheuungswürdig sollten erklärt werden. Daß die Priester, so oft sie für das Volk von Athen, für ihre Armeen und für ihre Flotten, ihre Gebeter an die Götter verrichten würden, allemal zu gleicher Zeit den Philippus, seine Kin der, sein Königreich, seine Trupen zu Was ser und Lande, mit einem Worte alle Ma cedonier überhaupt, und alles, was ihnen angehörte, mit allen Arten von Flüchen und Verwünschungen belegen sollten.“ Man fügte zu dieser Verordnung noch hinzu: „Daß alles, was ins künftige etwan sollte vorgeschlagen werden, das vermögend wä
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re, dem Philippus einen üblen Namen zu(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) machen, oder ihn zu beschimpfen, von dem Volke für genehm gehalten werden sollte; und daß derjenige, der zum besten des Phi lippus etwas sagen, oder thun, oder auch wider diese ihm schimpfliche Verordnungen einwenden würde, ohne weitere Umstände auf dem Platz sollte getödtet werden kön nen.“ Endlich, um nichts zu vergessen, und alles in einen allgemeinen Ausdruck ein zuschliessen, endigte sich die Verordnung da mit, „daß alles, was ehemals wider die Kin der des Tyrannen Pisistratus wäre be schlossen worden, auch jetzt wider den Phi lippus statt haben sollte.“ Solchergestalt führten die Athenienser mit Decreten und Verordnungen, darinnen damals ihre ein zige Macht bestund, den Krieg wider den Philippus. Ausschweiffend in allem ver schwendeten sie nach Befinden gegen den At talus und die Römer Lobeserhebungen, Eh renbezeigungen und alle Arten von Ehrer bietungen. Einige Zeit vorher, als eben dieser Attalus(Livius XXXI. 14 15.) mit seiner Flotte in den Pireäischen Hafen einlief, in der Absicht, sein Bündnis mit den Atheniensern zu erneuern, gingen alle Ein wohner der Stadt mit ihren Weibern und Kindern, alle Priester in ihrer priesterlichen Kleidung, und man könnte fast sagen auf gewisse Weise, die aus ihren Wohnungen herausgegangenen Götter selbst ihm entgegen, und empfingen ihn als im Triumph. Man
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) berufte das Volk zusammen, um die Vor schläge zu vernehmen, die ihnen dieser Fürst zu thun hätte. Er (*) war aber sehr klug, daß er es seiner Hoheit für gemässer hielt, ih nen seine Meinung schriftlich, um in seiner Abwesenheit gelesen zu werden, zu erkennen zu geben, als sich der Gefahr auszustellen, bey mündlicher Herzählung der ihrer Repu blik geleisteten Dienste, und bey Anhörung ihrer übertriebenen Lobeserhebungen, welche seiner Bescheidenheit würden zu nahe getre ten seyn, zu erröthen. Um diese Zeit gescha he es, daß man zu Athen in Vorschlag brach te, noch eine eilfte Zunft zu den zehn alten, die den Staatskörper ausmachten, und welche die attalische heissen sollte, hinzuzufü gen. Man erkennt hierinnen diese Hoheit der Gesinnungen, diesen lebhaften und brennen den Trieb für die Freyheit, diese Entfernung oder vielmehr diesen gleichsam angebohrnen Haß aller Schmeicheley und aller niederträch tigen Unterwerfung nicht, welcher der aller merklichste Character dieser alten Republika ner war, und vormals ihren Ruhm ausge macht hatte. (Die Flotte zieht sich zu rück. Livius XXXI. 45 47.) Die Flotte der Römer und des Attalus, 85
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mit der sich zwanzig Rhodische Schiffe verei(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) nigt hatten, kreutzte an den Küsten, und that eins und das andere, welches aber umständ lich zu erzählen nicht eben der Mühe verlohnt. Sie trennte sich darauf, und eine jede segelte in ihr Land in die Winterquartiere zurück. Und das, was den Krieg wider den Phi lippus betrift, so wenig als möglich war, zu unterbrechen, habe ich einige Begebenheiten ausgelassen, die ich hier nachholen will. Jch werde es künftig mehrmalen so machen, ohne es erst zu erwähnen. Der Proconsul L. Cornelius Lentulus(Man verstat tet dem Len tulus wegen der erhalte nen Vorthei le in Spani en, den kleniē Triumph, oder die O- ration. Livius XXXI. 20.) verlangte bey seiner Zurückkunft aus Spani en, nachdem er dem Rathe die Dienste, die er der Republik viele Jahre nacheinander in dieser Provinz geleistet, vorgelegt hatte, zur Belohnung die Erlaubnis im Triumph in die Stadt einzuziehen. Die Rathsherren wa ren hierauf zwar nicht in Abrede, daß er die se Ehre nicht sollte verdient haben. Man hatte aber kein einziges Exempel, daß ein Ge neral triumphiert hätte, der nicht entweder als Dictator, oder als Consul, oder als Prätor das Commando gehabt, und Len tulus hatte in Spanien nur den Titel ei nes Proconsuls geführt. Und eben das war der Grund, warum man selbst dem Scipio nach seiner Rückkunft aus Spanien den Tri umph verweigert hatte, Man schlug hier einen Mittelweg ein, und verstattete dem Lentulus die Oration oder den kleinern Triumph. Jch habe vorher gemeldet, daß der Prä(L. Furius schlägt die)
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) tor L. Furius in Abwesenheit des Consuls Befehl erhalten habe, der von den Galliern belagerten Stadt eiligst zur Hülffe zu mar (Armee der vor Cremona liegenden Gallier. Livius XXXI. 21, 22.) schieren. Er verlohr keine Zeit, näherte sich den Feinden, und bot ihnen eine Schlacht an. Er stellte so gute Ordnung, und mun terte seine Trupen dergestallt auf, daß die Gallier nach einem geringen Widerstande die Flucht ergriffen und sich in Unordnung in ihr Lager zurück zogen. Die Römische Rei terey verfolgte sie bis an dasselbe, und nach dem die Legionen kurz darauf auch ankamen, griffen sie dasselbe mit Gewalt an, und ero berten es. Es retteten sich kaum sechstau send von den Feinden. Mehr als fünf und dreyßigtausend wurden theils getödtet, theils gefangen genommen, und achtzig Fahnen nebst mehr als zweyhundert mit einer reichen Beute beladenen Wagen geriethen in die Hände der Römer. Hamilcar, der Feld herr der Carthaginenser, kam dabey nebst drey der vornehmsten Gallischen Generalen um. Der Ueberwinder entriß zweytausend freye Bürger aus Placenz, die sie zu Gefan genen gemacht hatten, aus ihren Händen, und setzte sie wieder in die Colonie ein. Ein so wichtiger Sieg verursachte den Römern ei ne ausserordentliche Freude. So bald als man die Nachricht davon durch die Briefe des Prätors erhielt, ließ der Rath denen Göttern zu Ehren ein Dankfest feyern, wel ches drey Tage dauerte. (Eifersucht des Consuls) Obgleich der Prätor den Krieg fast geen
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digt hatte, so begab sich der Consul Aurelius(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) doch, nachdem er die Angelegenheiten, die ihn zu Rom zurückhielten, abgethan hatte, nach Gallien, und übernahm das Comman(Aurelius wi der den Prä tor. Livius XXXI. 47.) do der siegreichen Armee, das ihm der Prä tor übergab. Bey seiner Ankunft konnte er den Verdruß und die Empfindlichkeit nicht verbergen, die er darüber hatte, daß der Prätor während seiner Abwesenheit den Feldzug eröfnet hatte. Es ist in der Eifer sucht eine gewisse Ungereimtheit und Nieder trächtigkeit, die dieses Laster der ganzen Welt verhaßt und abscheulich machen sollte. Der Consul selbst hatte dem Fu rius im Namen des Raths aufgetragen, oh ne Verzug sich ins Feld zu stellen. Wollte er, daß er die Hände in den Schoos legen sollte, bis er ankäme, und daß er Cremona vor seinen Augen sollte einnehmen lassen? An statt daß er ihm hätte an dem Siege einen An theil gönnen sollen und sich eine Ehre daraus machen, dem Sieger Gerechtigkeit wiederfah ren zu lassen, so befahl er ihm im Gegentheil nach Hetrurien zu gehen, während daß er seine Legionen in das Gebiet der Feinde führ te, und durch die Verheerungen die er da selbst anstellte, einen Krieg führte, in wel chem er mehr Beute als Ehre erlangte. Da der Prätor Furius sahe, daß in He(Furius kom̄t nach Rom zu rück, und hält um die Ehre des Tri umphs an. Livius XXXI. 47) trurien nichts zu thun, und überdies versi chert war, daß er in der Abwesenheit eines aufgebrachten und eifersüchtigen Consuls den Triumph, nach dem er trachtete, und den
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) er durch die Niederlage der Gallier vollkom men verdient zu haben glaubte, viel leichter mürde erhalten können, ging er in gröster Eil nach Rom, wo man ihn gar nicht ver muthete, zurück. Der Rath gab ihm in dem Tempel der Bellona Gehör. Nach dem er von seiner Aufführung Rechenschaft abgelegt, und die Umstände seines Siegs er zählet hatte, verlangte er, daß ihm ein tri umphirender Einzug in die Stadt möchte vergönnet werden. (Der Tri umph wird ihm nach vie lem Wider spruch end lich zugestan den. Ebend. 48, 49.) Dieses Unternehmen hatte etwas unregel mäßiges in sich, daher auch die ältesten des Raths ihm durch ihre Stimmen den Tri umph verweigerten, „theils weil er nicht mit seiner eignen Armee, sondern mit des Con suls seiner die Gallier überwunden; theils und insonderheit weil er seine Provinz aus einer unmäßigen Begierde, den Triumph binnen Abwesenheit des Consuls zu erlan gen, verlassen hatte, welches ohne Exempel wäre.“ Die gewesenen Consuls gingen noch weiter; und, da ihnen daran gelegen war, den Glanz und die Majestät des Con sulats, die von dem Furius wenig geachttet zu werden schien, zu erhalten, behaupteten sie, „daß seine Schuldigkeit gewesen wäre, den Consul znzu erwarten, ehe er etwas ver suchen sollen. Daß er, wenn er nur bey der Stadt gelagert stehen geblieben wäre, die Colonie hätte vertheidigen, und die Sa che in die Länge ziehen können, ohne eine Schlacht zu wagen, bis daß Aurelius an
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gekommen wäre. Daß der Rath seiner(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) Verwegenheit nicht nachfolgen, sondern die Rückkunft des Consuls abwarten sollte. Daß man sodann, wenn man die Ursachen von beyden Theilen würde vernommen ha ben, um so viel besser die Streitsache wür de entscheiden können.“ Der gröste Theil hingegen, der von der Grösse und Wichtigkeit des von dem Furius erfochtenen Sieges gerühret, und durch seine Freunde und Anverwandten getrieben wur den, behaupteten, „daß der einzige schwierige Punkt dieser wäre, ob der Prätor als ober ster Feldherr und unter seinen eignen Auspi cien den Krieg geführet hätte, und ob seine Thaten an sich des Triumphs würdig wä ren, oder nicht. Daß der Befehl des Raths an den Consul entweder selbst abzugehen und eine Bundesstadt in Person zu beschü tzen, oder dem Prätor dieses Geschäfte auf zutragen, für diesen letztern eine Vertheidi gung wäre, die keine Widerrede litte. Daß (*) überdies in Kriegssachen der ge ringste Verzug die vortheilhaftesten Gele genheiten zu nichte mache, und ein General oft eine Schlacht liefere, nicht weil er dazu geneigt sey, sondern weil er von dem Feinde darzu gezwungen werde. Man müsse dem nach den Streit nur an und vor sich nebst 86
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) den Folgen, die er gehabt habe, in Be trachtung ziehen. Der Sieg sey vollkom men gewesen, die Feinde wären in die Flucht geschlagen und in Stücken zerhauen wor den: ihr Lager hätte man erstiegen und aus geplündert: von den beyden Colonien sähe sich die eine nun von der Gefahr, die sie be drohete, befreyet, und die andre hätte ihre Bürger, die die Feinde zu Gefangnen ge macht, wieder bekommen: und endlich hät te eine einzige Schlacht den ganzen Krieg mit eben so grossem Ruhm als Glück geen digt. Und dieser Sieg hätte nicht allein die Menschen erfreut, sondern den Göttern selbst hätte man durch feyerliche Feste, die drey Tage gedauret, Dank abgestattet. Die se wäre demnach eine vollgültige Billigung der Aufführung des Furius, deren (*) Fami lie und Namen die Götter selbst den rühmli chen Vorzug, die Gallier zu überwinden und über sie zu triumphiren, beygelegt zu haben schienen.“ Diese Reden des Furius und seiner Freun de, die durch die Gegenwart dieses Prätors unterstützt wurden, behielten endlich über die Achtung, welche einige dem obersten Range eines abwesenden Consuls schuldig zu seyn glaubten, die Oberhand, und machten, daß dem Prätor die Ehre des Triumphs zuer kannt wurde. Er ließ in die allgemeine Schatz 87
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kammer 320000 Aß, die nach unsrer Mün(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) ze vier tausend Thaler betragen, und siebzehn tausend Pfund Silbers (ein und zwanzig tau send zweyhundert und funfzig Thaler) brin gen. Vor seinem Wagen aber giengen we der Gefangne, noch einige Beute voraus, er wurde auch nicht von Soldaten begleitet. Man sahe, daß ausser dem Siege, alles in der Hand des Consuls war. Nach diesem Triumphe ließ Scipio die(P. Scipio läßt die Spie le aufführen. Seine Sol daten wer den belohnt. Livius XXXI. 49.) Spiele, zu denen er sich durch ein Gelübde, während daß er als Proconsul in Afrika com mandirte, anheischig gemacht hatte, mit vie ler Pracht anstellen; und man stund den Soldaten, die unter ihm gedient hatten, für jedes Jahr, das sie die Waffen in Spanien oder Afrika geführet hatten, zween Morgen Ackers zu. Jn eben diesem Jahre warf auch der C.(Niederlage einer Spani schen Armee. Rückkunft des Consuls Aurelius in Rom.) Cornelius Cethegus, der als Proconsul in Spanien commandirte, eine sehr ansehnliche Armee in dem Lande der Sedetaner über den Haufen. Die Spanier liessen in diesem Tref fen funfzehn tausend Mann auf dem Platze, und acht und siebenzig Fahnen geriethen den Siegern in die Hände. Als der Consul C. Aurelius nach Rom zu rück kam, um in den Versammlungen, die wegen Ernennung neuer Consuls sollten ge halten werden, zu präsidiren, führte er nicht die geringste Klage darüber, daß der Rath seine Rückkunft nicht abgewartet hatte, da mit er seine Rechte und sein Ansehen wider
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(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) den Prätor hätte geltend machen können, son dern dem Furius auf seine blosse Erzählung, die er von seinen Verrichtungen gemacht, so gleich den Triumph zugestanden, ohne dieje nigen anzuhören, welche an diesen Kriege eben so wohl, als er Antheil gehabt hatten. Son dern er stellte nur vor, daß die Ursache, die ihre Vorfahren bewogen hätte zu verordnen, daß der Triumphirer von dem General Lieu tenants, Obristen, Hauptleuten und Solda ten begleitet seyn sollte, diese wäre, damit die Wahrheit derer Thaten auf eine sichere Art bezeuget würde. Nach dieser ziemlich ge mäßigten Klage, welche zu erkennen gab, daß der Consul zum Theil von den ersten Bewe gungen seiner Eifersucht wider den Furius zu rückgekommen war, bestimmte er den Tag (Man ernen̄t neue Con suls. Livius XXXI. 50.) der Versammlungen, in welchem L. Corne lius Lentulus und P. Villius Tappulus zu Consuls ernennet wurden. Jn diesem Jahre waren die Lebensmittel in einem sehr geringen Preise. Da man aus Afrika eine erstaunende Menge Geträy de eingeführt hatte, vertheilten die Aediles Curules das Maas zu sechzehn Pfennigen unter das Volk. (Gefecht der Kämpfer und Fechter.) P. Valerius und Marcus sein Bruder stellten zu Ehren ihres Vaters des M. Va lerius Levinus vier Tage nacheinander Trau erspiele an, auf welche ein Schauspiel von fünf und zwanzig Paar Fechtern folgte. Die ser Levinus ist derjenige, der mit dem Mar cellus Consul gewesen, und der, nachdem er
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der Republik gute Dienste im Kriege gelei(d. 552. J. n. R. E. d. 200. J. v. C. G.) stet, sich auch bey verschiedenen Gelegenhei ten, wovon wir Meldung gethan haben, in dem Rathe durch seine weisen Rathschläge hervorgethan hat.

§. II.

Bestimmung der consularischen Provinzen. Erste re Bezahlung des den Carthaginensern aufgeleg ten Tributs. Die durch die Soldaten der Legio nen in Macedonien erregte Empörung. Philip pus begiebt sich nach Macedonien zurück. Er wird über die Folgen des Kriegs unruhig. Er bemüht sich, die Bundsgenossen mehr an sich zu ziehen, indem er ihnen einige Städte frey giebt; ingleichen die Liebe seiner Unterthanen zu gewin nen, indem er einen Minister, der durchgängig verhaßt war, verstößt. Scipio und Aelius wer den zu Censors erwählt. Cn. Bäbius wird in Gallien geschlagen. Streit über das Ansuchen des Quintius um das Consulat. Charakter die ses iungen Römers. Anweisung der Provinzen. Die Gesandten des Königs Attalus halten bey dem Rathe um Beystand wider die Einfälle des Syrischen Königs Antiochus an. Weise Be trachtung des Plutarchs über den gegenwärtigen Krieg. Qvintius geht von Rom ab, und kommt bey der Armee ohnweit Epirus an. Er entschließt sich den Philippus in den engen Pässen wo er sich verschanzt hatte, aufzusuchen. Unterhandlung zwi schen dem Quintius und Philippus. Der Consul greifft den Philippus in seinen engen Pässen an, schlägt ihn, und treibt ihn in die Flucht. Der Kö nig durchstreicht Thessalien, und zieht sich nach Macedonien zurück. Epirus und Thessalien un terwerfen sich dem Quintius. Einnahme von E retria und Carystus. Quintius belagert Elatia. Versammlung der Achäer zu Sicyon. Man hört bey selbiger so wohl die Gesandten der Rö mer und ihrer Bundsverwandten, als des Phi
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lippus an. Nach vielen Streitigkeiten erklärt sich die Versammlung endlich für die Römer. Luci cius, Bruder des Consuls, unternimmt die Be lagerung von Corinth, wird aber genöthigt, die selbe wieder aufzuheben. Der Consul nimmt Elatia ein. Philokles bemächtigt sich der Stadt Argos. Angelegenheiten Galliens. Man ent deckt und erstickt eine Zusammenverschwörung der Sklaven. Attalus schickt eine goldene Krone nach Rom.
(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.)

Jtalien wurde dem L. Cornelius Lentulus, (Bestim̄ung der consula rischen Pro vinzen. Livius XXXII. 1.) und Macedonien den P. Villius durchs Loos zu Theil. Jn diesem Jahre brachten die Carthagi nenser das Geld, welches sie als die erste Post von dem Tribut, der ihnen auferlegt war, be (Erstere Be zahlung des den Cartha ginensern aufgelegten Tributs. Livius XXXII. 2.) zahlen musten, nach Rom. Da sich die Qvästors beklagten, daß es nicht von guten Schroot und Korn wäre, und man bey der Probe im Schmelztiegel befand, daß es ein Viertheil Zusatz hätte, wurden sie genöthigt, zu Rom so viel aufzunehmen, als der Ab gang betrug. Die Punische Treue bleibt im mer dieselbige. Nachdem sie hierinnen ihrer Schuldigkeit ein Genüge gethan hatten, er suchten sie den Rath um Zurückgebung ihrer Geissel. Man gab ihnen einen Theil derselben wieder, mit dem Versprechen, ihnen die übrigen auch zu zustellen, wenn sie treu zu bleiben fort führen. (Die durch die Soldaten der Legionen in Macedoni) Da der P. Villius in Macedonien anlang te, sahe er eine sehr heftige Empörung von neuem ausbrechen, die man gleich in ihrer
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Geburt zu ersticken ver absäumet hatte. Sie(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) wurde durch zweytausend Soldaten von den jenigen, die, nach geschehener Ueberwindung des Hannibals in Afrika, nach Sicilien wa ren zurückgeführt, und von dar als Freywil=(en erregte Empörung. Livius XXXII. 3.) lige nach Macedonien übergesetzt worden, er regt. Sie gaben vor, „diese Uebersetzung wä re von ihrer Seite nicht freywillig gewesen, sondern die Obersten hätten sie ohnerachtet alles ihres Widerstandes sich einzuschiffen gezwungen. Es möchte aber auch damals zugegangen seyn, wie es wollte, sie möch ten freywillig Dienste genommen, oder man möchte Gewalt gegen sie gebraucht haben, so wäre doch nun ihre Zeit im Felde zu die nen um. Es wären schon viele Jahre ver strichen, daß sie Jtalien nicht gesehen hät ten. Sie wären in Sicilien, in Afrika, und in Macedonien unter den Waffen alt geworden. Sie wären von Strapatzen entkräftet, und von Blut und Kräften durch die Wunden, die sie bekommen hätten, er schöpfet.“ Der Consul antwortete auf die se Klagen, „daß das Verlangen wegen ihres Abschiedes ganz billig wäre, wenn sie, um denselben zu erlangen, rechtmäßige Mittel gebraucht und darum bescheiden angehalten hätten. Allein weder die Ursache, die sie vorwendeten, noch irgend etwas anders, könnte jemals eine CmpörungEmpörung rechtfertigen. Wenn sie indessen doch bey ihren Fahnen zu bleiben und ihren Officiers zu gehorchen versprächen, so wollte er an den Rath schrei=
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(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) ben, und der erste seyn, der um ihren Abschied anhielte. Sie würden denselben eher durch ihren Gehorsam, als durch ihren Eigensinn erhalten. Diese Antwort beruhigte sie.“ ( Philippus begiebt sich nach Mace donien zu rück. Livius XXXII. 4.) Philippus griff damals Thaumaci, eine in Thessallien sehr vortheilhaft gelegene Stadt, mit aller Gewalt an. Die Armee der Aeto lier, die unter der Anführung des Archida mus, sich in den Platz geworfen hatten, nö thigte den König die Belagerung aufzuheben. Er führte seine Trupen nach Macedonien zu rück, um daselbst den herannahenden Win ter über zu bleiben. (Er wird über die Folgen des Krieges unruhig. Livius XXXII. 5.) Die Ruhe, der er damals genoß, und die ihm Zeit ließ, Betrachtungen über das künf tige zu machen, verursachte ihm gräuliche Un ruhen wegen der Folgen eines Krieges, darin nen er so viel Feinde, die ihm so wohl zu Lan de als zu Wasser zu Leibe gingen, wider sich vereinigt sahe. Hiernächst stund er in Furch ten, es möchte nicht nur die Hofnung des Römischen Schutzes ihn um seine eignen Bundsgenossen bringen; sondern auch die über das gegewärtige Regiment schwierigen Macedonier möchten an eine Empörung ge denken, und ihm endlich gar den Gehorsam und die Treue auf kündigen. Er richtete al so alle seine Gedanken darauf, diesen Gefah ren vorzubeugen. (Er bemüht sich die Bun desgenossen mehr an sich zu ziehen, in) Was die Bundsgenossen betraf, ließ er denen Achäern einige Städte frey, oder ver sprach vielmehr, sie ihnen loszulassen, um sie durch diese Freygebigkeit, die sie nicht erwar
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teten, desto fester mit sich zu verknüpfen. Zu(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) gleicher Zeit schickte er Gesandten nach Acha ja, die denen Bundsgenossen den Eid, der alle Jahre wiederholt wurde, abnehmen soll=(dem er ihnen einige Städ te frey giebt.) ten; ein sehr schwaches Band in Ansehung eines Fürstens, der selbst über die Beobach tung seiner Schwüre so gewissenhaft nicht war! Jn Ansehung der Macedonier suchte er(Und die Liebe seiner Unter thanen zu ge winnen, in dem er einen Minister, der durchgängig verhaßt war, verstößt. Liv. ebend. Polyb.XIV. 672, 673.) ihre Liebe auf Unkosten des Heraklides, eines seiner Minister und Vertrauten, der von den Völkern wegen seiner Schindereyen und Pres sungen durchgängig verhaßt war, und der ih nen die Regierung sehr zuwider gemacht hat te, zu gewinnen. Er war von einer sehr ge ringen Herkunft, und von Tarent gebürtig, wo er die allergeringsten Dienste gethan, und daraus er, weil er die Stadt hatte den Rö mern überliefern wollen, war verjagt wor den. Er warf sich hierauf diesen in die Ar me, spann aber bald eine neue Verrätherey wider die an, die ihm eine Freystadt und Zu flucht gegeben hatten, indem er mit den Vor nehmsten von Tarent und dem Hannibal ein Verständnis unterhielt. Seine Ränke wur den entdeckt, und er flüchtete zu dem Philip pus; welcher, da er Verstand, Lebhaftig keit, Kühnheit, und überdies eine ungemesse ne Ehrbegierde, welche auch die grösten Ver brechen nicht schreckten, in ihm fand, sich dem selben gänzlich ergab, und ihm alle seine Ver traulichkeit schenkte: ein Werkzeug, welches sich für einen Prinzen am besten schickt, der
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(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) selbst ohne Redlichkeit und Ehre war! Hera clides, sagt Polybius, hatte gleich bey seiner Geburt alle nur mögliche Fähigkeiten ein gros ser Bösewicht zu werden mit auf die Welt ge bracht. Von seiner zartesten Jugend an hat te er sich denen schändlichsten Wollüsten und dem lüderlichsten Leben überlassen. Jndem er sich wild und schrecklich gegen die, die unter ihm waren, bezeigte, so erwieß er sich hingegen als ein niederträchtiger und kriechender Schmeichler gegen die, die über ihn erhoben waren. Er stund bey dem Philippus in so grossem Anse hen, daß er, nach eben diesem Schriftsteller, wegen des allgemeinen Misvergnügens, das seine Ungerechtigkeiten und Gewalthätigkeiten verursachten, fast die Ursache von dem Um sturze eines so mächtigen Königreichs war. Der König ließ ihn bey dem Kopfe nehmen und ins Gefängnis setzen, welches eine allge meine Freude bey den Völkern erregte. Da wir hiervon weiter nichts, als nur noch eini ge Stücken des Polybius übrighaben, wissen wir nicht, was aus dem Heraklides gewor den ist, und ob er noch ein aller seiner Verbre chen würdiges Ende genommen hat. Jedoch unterrichten uns diese Stücke vollkommen von dem, was den Philippus, von dem wir in der Folge viel zu reden haben werden, be trift und zeigen uns, was wir von einem Für sten, der einen solchen Menschen zu seinem Minister erwählen kann, denken sollen. (Livius XXXII. 5, 6.) Es fiel in diesem Feldzuge zwischen den Rö mern und dem Philippus nichts wichtiges vor,
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und noch weniger als im vorhergehenden.(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) Die Consuls rückten erst sehr spät im Jahre in Macedonien ein, und die ganze übrige Zeit wurde mit leichten Scharmützeln zugebracht, entweder einige Pässe zu ersteigen, oder eine Proviantzufuhr aufzuheben. Unterdessen hielt der Consul Lentulus, der(Scipio und Aelius wer den zu Cen sors erwählt. Livius XXXII. 7.) zu Rom zurück geblieben war, die Versam̄ lungen wegen der Wahl der Censoren. Un ter den vielen berühmten Männern, die um diese Würde sich meldeten, erwählte man den P. Cornelius Scipio Afrikanus und den P. Aelius Pätus. Diese beyden Männer lebten in einer sehr grossen Einigkeit zusammen, und hingen bey der gewöhnlichen Ablesung der Rolle der Rathsherren keinem einen Schand fleck an. Um eben diese Zeit kam der L. Manlius A cidinus aus Spanien zurück. Ob ihm gleich der Rath den kleinen Triumph zugestanden hatte, so hinderte ihn doch der Widerspruch des Tribuns M. Porcius Läca, dieser Ehre wirklich theilhaft zu werden. Er ward ge zwungen, als eine Privatperson, in die Stadt einzuziehen. Da der Prätor Cn. Bäbius Tamphilus,(Cn. Bäbius wird in Gal lien geschla gen.) dem der Consul des vorigen Jahrs C. Aure lius die Provinz Gallien übergeben hatte, ohne gnugsame Behutsamkeit in das Gebiet der Jnsubrischen Gallier eingerückt war, wur de er mit allen seinen Trupen überfallen, und verlohr über sechstausend sechshundert Mann. Ein so grosser Verlust, den man von einem
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(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) Feinde, den man gar nicht mehr fürchtete, erlitten hatte, nöthigte den Consul von Rom abzugehen, und sich an Ort und Stelle zu begeben. Bey seiner Ankunft fand er die Provinz in der grösten Unruhe und Furcht. Nachdem er dem Prätor einen solchen Ver weis gegeben hatte, wie es seine Unvorsich tigkeit verdiente, befahl er ihm die Provinz zu verlassen, und nach Rom zurückzugehen. Allein er that ebenfalls nichts besonders in Gallien, weil er fast sogleich wegen der Ver sammlungen, die der neuen Consulswahl we gen gehalten werden sollten, nach Rom zu rück berufen wurde. (Streit über das Ansuchen des Quintius um das Con sulat. Cha rakter dieses jungen Rö mers. Plutarch in Flamin. Livius XXXII. 7.) Jn diesen Versammlungen entstund ein hitziger Streit wegen des T. Quintius(*) Flamininus, der um das Consulat anhielt. Da es hier das erstemal ist, daß wir von die sem Römer, der sich nachher sehr berühmt gemacht hat, zu reden Gelegenheit haben, wollen wir mit Schilderung seines Charak ters, den uns Plutarch hinterlassen, den An fang machen. Er war sehr geschwind, so wohl in Zorn zu gerathen, als auch Dienste zu leisten: doch mit dem Unterschiede, daß er seinen Zorn weder lange hielt, noch aufs äus serste trieb; da er hingegen niemals eine Ge fälligkeit nur halb erwies, und in den Gunst bezeugungen, die er jemand wiederfahren ließ, darinnen vornämlich seinen Ruhm suchte, daß 88
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sie unveränderlich und beständig seyn musten.(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) Er behielt für diejenigen, denen er einmal ei ne Wohlthat zugestanden hatte, beständig eben die Freundschaft und eben den guten Willen, als wenn sie seine Wohlthäter ge wesen wären, und hielt es für einen grossen Vortheil für sich, die Gunst derer, die er sich einmal verbindlich gemacht, beybehalten zu können. Von Natur ehr - und ruhmgie rig, wollte er seine schönsten und grösten Tha ten nur ihm allein zu danken haben. Daher suchte er lieber diejenigen auf, die seiner Hül fe bedurften, als die ihm helfen konnten; weil er jene als einen reichen Stof für seine Tu gend, diese hingegen als Mitbuhler, die ihm einen Theil seines Ruhms zu entziehen bereit wären, betrachtete. Er erwarb sich in den verschiedenen Ehren stellen, die er bekleidete, nicht nur durch seine Tapferkeit, sondern auch durch seine Gerech tigkeit und Redlichkeit, einen grossen Ruhm: und das machte, daß man ihn zum Bevoll mächtigten und Oberhaupte der Colonien er wählte, die die Römer in die beyden Städte Narnia und Cossa schickten. Dieser Vorzug machte ihn so muthig, daß er die übrigen Eh renstellen, welche die ersten Staffeln waren, die junge Leute betreten musten, überging, und auf einmal, ob er gleich noch weiter nichts, als Quästor, gewesen war, um das Consulat sich zu bewerben erkühnte, und sich, durch die Gunst dieser beyden Colonien unterstützt, un ter den Candidaten mit darstellte.
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(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) Die Tribunen des Volks M. Fulvius und Manius Curius widersetzten sich seinem Ver langen, indem sie zeigten, es wäre etwas be fremdliches und unerhörtes, daß ein junger Mensch, ein Neuling und ohne Erfahrung, sich unterfinge, auf einmal gleichsam durch Gewalt die erste Würde der Republik davon zu tragen. Sie warfen denen vom Ritter stande überhaupt vor, daß sie seit einiger Zeit die Würden eines Aedils und eines Prätors verachteten, und, ohne dem Volke einige Pro be ihrer Geschicklichkeit und ihrer Verdienste durch die Verwaltung der niedrigen Ehren ämter gegeben zu haben, mit einem Sprunge die höheste Staffel der Ehren, das CousulatConsulat, erreichen wollten. Der Streit wurde von dem Felde des Mars vor den Rath gebracht. Nachdem ein jeder seine Ursachen vorgetra gen hatte, ertheilten die Rathsherren den Aus spruch, daß das Volk Herr seyn müste, die jenigen von den Bürgern, welche es wollte, zu den Ehrenämtern zu erheben, wenn sie die durch die Gesetze erforderten Eigenschaften hätten. Es war aber (*) noch keins da, welches verordnet hätte, daß man nothwen dig diese verschiedenen Stufen durchgehen mü ste. Die Tribunen bestunden auch nicht wei ter auf ihrem Widerspruche, und unterwar 89
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fen sich dem Ausspruche des Raths. Also(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) ernannte das Volk den S. Aelius Pätus und den T. Quintius Flamininus zu Con suls. Dieser war, welches wohl anzumerken, noch nicht dreyßig Jahr alt, wiewohl es kei nesweges eine Uebertretung der Gesetze war. Denn die Gesetze, welche das Alter bestimm ten, das darzu gehörte, eine eurulische Eh renstelle bekleiden zu können, sind erst nach dieser Zeit aufgekommen. M. Portius Cato war einer von den Prätoren, und erhielt Sar dinien zur Provinz.

Sex. Aelius Pätus.(d. 554. J. n. G. E. d. 198. J. v. C. G.) T. Quintius Flamininus.

Nachdem die Consuls ihr Amt angetreten(Anweisung der Provin zen. Livius XXXII. 8.) hatten, zogen sie das Loos über die Provin zen. Jtalien wurde dem Aelius und Mace donien dem Qvintius zu Theil. Jm Anfange dieses Krieges griff Antio(Die Gesand ten des Kö nigs Attalus halten bey dem Rathe um Beystand wider die Einfälle des Syrischen Königs An tiochus an. Liv. ebend.) chus, König in Asien, den Attalus zu Was ser und zu Lande sehr hitzig an. Dieser schick te deswegen Gesandten nach Rom, „welche die äusserste Gefahr, worinnen sich ihr Herr befände, vorstellten. Sie verlang ten im Namen ihres Herrn, daß die Rö mer entweder selbst ihn vertheidigen, oder ihm erlauben möchten, seine Flotte und seine Trupen zurück zu rufen.“ Der Rath ant wortete, „daß nichts billiger wäre, als das Verlangen des Attalus. Daß sie ihm wi der den Antiochus, der ihr Freund und
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Bundsgenosse wäre, keine Hülfe leisten könnten; daß aber der König freye Macht hätte, seine Flotte und Trupen zurückkom men zu lassen. Das Absehen des Römi schen Volks wäre nicht, ihren Bundsge nossen auf einige Art überlästig zu seyn, und es würde nicht ermangeln, die Dienste und die unveränderliche Treue des Attalus dank bar zu erkennen. Uebrigens wollte es seine Vermittelung bey dem Antiochus anwen den, ihn dahin zu bewegen, daß er den Kö nig Attalus nicht weiter beunruhige.“ Die Römer schickten wirklich Gesandten an den Antiochus, ihm vorzustellen, „daß Attalus ihnen seine Trupen und Schiffe, deren sie sich wider ihren gemeinschaftlichen Feind Philippus bedienten, überlassen hätte; daß er ihnen also ein besonderes Vergnügen ma chen würde, wenn er ihn in Ruhe lassen wollte; und daß es endlich billig zu seyn schie ne, daß die Könige, die mit dem Römischen Volke in Freundschaft und im Bunde stün den, auch Friede unter sich selbst hielten.“ Antiochus zog auf ihr Verlangen sogleich sei ne Trupen aus dem Gebiete des Attalus. (Weise Be trachtung des Plutarchs über den ge genwärtigen Krieg. Plutarch in Flaminin.) Jch habe gesagt, daß Macedonien dem Qvintius zugefallen sey. Das war, nach dem Plutarch, ein sehr grosses Glück für die Römer. Denn ihre Angelegenheiten, und die Feinde, mit denen sie zu thun hatten, ver langten nicht einen General, der alles mit Ge walt der Waffen erlangen wollte, sondern vielmehr einen, der nach Befinden der Um
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stände die Freundlichkeit und das Zureden an(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) zubringen wuste. Der König Philippus zog allerdings aus seinem Königreiche allein Man̄ schaft genug, einige Treffen wagen zu kön̄en: eigentlich aber setzte ihn Griechenland in Stand, einen Krieg lange Zeit aufzuhalten, indem es ihm Geld, Lebensmittel, Kriegsgeräthschaft und eine Retirade verschafte: mit einem Wor te, es war das Zeughaus und die Kornkam mer seiner Armee. So lange als man nun die Griechen nicht von dem Bündnisse des Philippus abzog, konnte man diesen Krieg nicht mit einer einzigen Schlacht endigen. Griechenland war damals der Römer noch nicht gewohnt, und es fing nur erst an, eini ge Verbindung mit ihnen zu haben. Wenn demnach der Römische General nicht ein freundlicher Mann gewesen wäre, mit dem es sich hätte umgehen lassen, wenn er nicht Zwistig keiten mehr durch Unterhandlungen, als durch angewendete Gewalt, auszumachen geneigt, und sowohl einschmeichelnd genug, um dieje nigen, mit denen er redete, zu überreden, als leutseelig genug gewesen wäre, ihre Gründe mit Gelindigkeit und Freundlichkeit anzuhö ren, wenn er sich endlich nicht allezeit bereit hätte finden lassen, selbst von seinen billigsten Rechten etwas fahren zu lassen, um einen Vergleich auszuwirken; würde Griechenland einer alten Verbindung, der es gewohnt war, nicht so leicht entsagt haben, um sich in ein fremdes Bündnis einzulassen. Die Hand lungen des Qvintius, von denen wir in der
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Folge reden wollen, werden die Gründlich keit dieser Betrachtung besser zu Tage legen. (Quintius geht von Rom ab, und kommt bey der Armee ohnweit Epi rus an. Liv.XXXII. 9. Plut. ebend.) Da der Quintius angemerkt hatte, daß die Generale, die vor ihm wider den Philip pus waren geschickt worden, nämlich der Sul picius und Villius, allemal erst sehr spät im Jahre in Macedonien eingerückt waren, und den Krieg mit vieler Schläfrigkeit geführet hatten, indem sie die Zeit mit leichten Schar mützeln, entweder einige Pässe zu übersteigen, oder eine Zufuhr von Lebensmitteln aufzuhe ben, hingebracht; war er einzig und allein darauf bedacht, die Zeit besser anzuwenden, und seinen Aufbruch zu beschleunigen. Nach dem er von dem Rathe die Erlaubnis erhal ten hatte, daß sein Bruder Lucius seine Ar mee zu Wasser commandiren durfte, hob er von den Soldaten, die unter der Anfüh rung des Scipio die Carthaginenser in Spa nien und Afrika überwunden hatten, ohnge fähr dreytausend Mann aus, die noch im Stande zu dienen, und bereit ihm zu folgen waren. Zu diesen ließ er noch fünftausend andere stossen, und mit diesem Corps von achttausend Mann zu Fuß und mit achthun dert Pferden setzte er nach Epirus über, und begab sich mit grossen Tagemärschen ins Rö mische Lager. Er fand den Villius vor dem Philippus, der seit langer Zeit die Pässe und engen Wege besetzt und die Römische Armee in beständiger Furcht und Aufmerksamkeit hielt, gelagert stehen.
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Nachdem der Consul das Commando der(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Trupen übernommen, und den Villius zu rückgeschickt hatte, ließ er sich vor allen Din gen die Lage des ganzen Landes wohl in Au(Er ent schließt sich den Philip pus in den engen Pässē, worinnen er sich ver schanzt hatte, aufzusuchen.) genschein zu nehmen, angelegen seyn. Die einzige Gelegenheit an den Feind zu kommen, war ein enger Weg zwischen hohen Gebür gen und dem Flusse (*) Aous, der an dem Fusse dieser Gebürge wegströmt. Dieser im Felsen gehauene Weg war so enge und steil, daß eine Armee, wenn er auch nicht verthei digt wurde, mit genauer Mühe und Noth darauf fortkommen konnte, und wenn man ihn nur ein wenig vertheidigte, war er ganz unersteiglich. Quintius versammlete den Kriegsrath, um dessen Meinung zu verneh men, ob er auf dem geradesten und kürzesten Weg gegen den Feind marschiren, und ihn in seinem Lager bestürmen sollte; oder ob es besser wäre, ein so beschwerliches und gefähr liches Vorhaben fahren zu lassen, und lieber einen weiten, aber sichern Umweg zu nehmen, um durch Dassaretien in Macedonien ein zubrechen. Die Meinungen waren getheilt. Qvintius hätte sich lieber zu dem letztern ent schlossen, allein ausser daß dieser Umweg die Sachen mehr in die Länge zog, und dem Kö nige Zeit zu entkommen, und sich, wie er 90
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) schon gethan hatte, in die Wüsteneyen und Wälder zu verstecken verstattete; fürchtete er noch überdies, sich zu weit von dem Mee re, woher er seine Lebensmittel erhielt, zu ent fernen. Er faßte demnach den Entschluß, die Pässe, es möchte kosten was es wollte, mit Gewalt anzugreifen. Zu dieser verwege nen Unternehmung machte er seine Anstalten. (Unterhand lung zwi schen dem Quintius u. Philippus. Liv.XXXII. 10.) Unterdessen hatte Philippus durch die Epi roten um eine Unterredung angehalten, um einen Versuch zu thun, ob er etwan ein Mit tel zur Aussöhnung und Frieden finden könn te. Qvintius willigte mit Vergnügen dar ein. Die Unterredung wurde an dem Ufer des Flusses Aous gehalten. Sie dauerte drey Tage. Der Consul bot dem Könige den Frieden und die Freundschaft der Römer un ter der Bedingung an, daß er die Griechen in Freyheit und nach ihren eignen Gesetzen leben liesse, und seine Besatzungen aus ihren Plätzen herauszöge. Dieses war der vor nehmste Artikel, worzu noch einige andere, de ren Untersuchung einige Zeit erforderte, ka men. Als sich Philippus erkundigte, wel ches die Völker wären, denen er die Frey heit wiedergeben sollte, nennte der Consul die Thessalier zuerst. Thessalien aber war seit den Zeiten Philippus, des Vaters des grossen Alexanders, allezeit den Macedoniern unterthan gewesen. Der König wurde da her über diesen Antrag, den ihm der Consul that, so hitzig, daß er vor Zorn ausrief: „was kannst du mir wohl für härtere Be
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dingungen vorschreiben, Qvintius, wenn(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) du mich solltest überwunden haben?“ und sogleich brach er die Unterhandlung ab. Hieraus sahe man deutlich, und diejenigen, die dem Philippus am meisten zugethan wa ren, wurden es zu erkennen gezwungen, daß die Römer nicht wider die Griechen, sondern zum Vortheil der Griechen wider die Macedo nier den Krieg zu führen gekommen waren: wodurch sie sich die Gewogenheit der Völ ker völlig zuzogen. Da die Unterhandlung keinen Fortgang(Der Consul greift den Philippus in seinen engen Pässen an. Livius XXXII. 11.) gehabt hatte, muste man nun zur offenbaren Gewalt schreiten. Gleich den darauf folgen den Tag war ein ziemlich hitziges Scharmü tzel zwischen denen vorstehenden Wachtposten. Die Macedonier zogen sich endlich auf rau hen und steilen Fußsteigen in ihre Gebürge zurück, und da die Römer, durch das Ge fecht erhitzt, ihnen nachfolgen wollten, hatten sie, weil die Macedonier auf diesen Felsen hier und da Stein- und Pfeilschleudern gestel let hatten, und sie mit einem Regen von Stei nen und Pfeilen überschütteten, nicht wenig auszustehen. Beyde Theile hatten viele Ver wundete, und die Nacht trennte die Strei tenden. Auf diesem Fuße stunden die Sachen, als(Ein Hirte zeigt dem Quintius ei nen Fußsteig, um an den Feind zu kom men.) ein von dem Charopus, einem der vornehm sten Epiroter, der den Römern heimlich wohl wollte, abgeschickter Hirte sich bey dem Con sul melden ließ. Selbiger sagte ihm, daß er
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(d. 554. J. n. R. E. d 198. J. v. C. G.) seine Heerde in dem Passe, wo der König mit seinen Trupen stünde, weidete: daß er alle Umwege und Nebenfußsteige dieser Ge (Liv. eben das. 12. Plut. im Le ben des Flam.) bürge wüste; und daß, wenn der Consul ein Corps Soldaten mit ihm abschicken wollte, er sie auf sichern und leichten Wegen den Feinden über den Kopf führen wollte. Ob schon Qvintius nicht ganz ohne Mißtrauen, und seine Freude einigermassen mit Furcht vermischt war, so entschloß er sich doch, durch den Namen und das Ansehen des Charopus gerührt, dieses Unternehmen zu wagen. (Quintius wirfet den Philippus ü ber den Hau fen, und nö thigt ihn die Flucht zu er greiffen. Liv. eben das. 12. Plut. eben daselbst.) Er ließ einen Obristen mit viertausend Mann zu Fuß und dreyhundert Pferden auf brechen. Den Tag über blieben sie in dem dicksten Gehölze verborgen, sobald aber die Nacht eingebrochen war, begaben sie sich bey dem Scheine des Mondes, der damals zu gutem Glück eben voll war, auf den Marsch. Der Hirte, dessen man sich gefesselt versi chert hatte, zeigte den Weg, den man neh men muste. Man hatte abgeredt, daß, wen̄ die Trupen des abgeschickten Corps über den Köpfen der Feinde angekommen seyn würde, man es durch einen in der Luft gemachten Rauch dem Consul zu wissen thun, dabey aber noch nicht das geringste Lärmen machen woll te, bis er durch ein Zeichen, das er seiner Seits geben sollte, zu erkennen geben würde, daß der Streit wider den Philippus wirklich an gegangen wäre. Um den Feinden allen Verdacht zu beneh men, fuhr der Consul fort, den Feinden be
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ständig auf dem Dache zu seyn, gleich als ob(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) er sie in ihren Posten mit Gewalt anzugreif fen Willens wäre. Am dritten Tage wur de Qvintius, gleich bey anbrechendem Ta ge, auf der Spitze des Berges einen Rauch gewahr, der anfangs sehr geringe war, nach und nach aber sich dergestalt vermehrte, daß er die Luft verdunkelte, und sich wie ein gros ser Wirbelwind erhob. Er gab hierauf dem abgeschickten Corps das verabredete Zeichen, und rückte gerade gegen die Anhöhen an. Er war beständig den Pfeilen der Macedonier blos gestellt, und mit denjenigen, die die Pässe verwahrten, im Handgemenge. Die Römer erhoben ein grosses Geschrey, um von ihren Mitstreitern, die auf der Höhe waren, gehöret zu werden. Diese antworteten auf dieses Geschrey von der Spitze des Berges mit einem nicht weniger gräulichen Lärmen, und fielen zu gleicher Zeit über die Macedo nier her, die, da sie sich von vorn und hin ten angegriffen sahen, den Muth verloh ren, und die Flucht ergriffen. Die Armee des Philippus würde gänzlich seyn aufgerie ben worden, wenn die Sieger ihr hätten nach folgen können: allein die Reiterey wurde durch die üblen Wege, das Fußvolk aber durch die Schwere ihrer Waffen aufgehal ten. Philippus nahm gleich anfangs eine ü bereilte Flucht, ohne daß er hinter sich sahe. Nachdem er aber beynahe eine Meile zurück gelegt hatte, und, wie es wirklich war, ge dachte, daß die Unbequemlichkeit der Wege
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) die Feinde würde aufgehalten haben, blieb er auf einer Anhöhe stehen, und schickte in al le Thäler und auf alle benachbarte Gebürge Officiers, um diejenigen von den Seinigen zusammen zu bringen, die die Flucht zerstreut hatte. Die Sieger fanden das Lager der Macedonier verlassen, plünderten es nach ihrer Bequemlichkeit rein aus, zogen sich sodann in das ihrige zurück, und ruheten während der Nacht aus. (Philippus durchstreift Thessalien, und zieht sich nach Mace donien zu rück. Liv. XXXII. 12. 13. Plut 371..) Philippus nahm seinen Weg anfangs nach Thessalien. Er streifte durch alle Städte dieser Provinz, schleppte alle Einwohner, die ihm zu folgen im Stande waren, mit sich fort, steckte die Häuser in Brand, und nach dem er den Eigenthümern alle diejenigen Hab seeligkeiten, die sie konnten, mit sich wegzuneh men erlaubt hatte, gab er alles übrige seinen Soldaten Preis, und begegnete seinen Bunds genossen auf eine Art, die sie kaum von ih ren Feinden hätten befürchten können. (Epirus und Thessalien unterwerfen sich dem Quintius. Livius XXXII. 14. 15.) Qvintius Flamininus verfuhr ganz anders. Er ging durch Epirus, ohne das Land zu ver heeren, ob er schon wuste, daß die Vornehm sten, ausser dem Charopus, denen Römern zuwider gewesen waren. Allein da sie im guten gehorchten, sahe er mehr auf ihr gegen wärtiges Betragen, als auf die Empfindlich keit, die er wegen des vergangnen haben konnte. Hierdurch gewann er die Herzen der Epiroten, und machte sie ihm geneigt. Er merkte gar bald, wie vortheilhaft ihm die ses gütige und liebreiche Bezeigen sey. Den̄
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er war kaum an den Grenzen Thessaliens an(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) gekommen, da die meisten Städte sich um die Wette beeiferten, ihm ihre Thore zu öff nen. Atrax war fast die einzige, die sich nicht ergab. Sie war wohl befestigt, und hatte eine zahlreiche Besatzung, die aus lau ter Macedoniern bestund. Sie that einen so langen und tapfern Widerstand, daß der Consul sich endlich genöthigt fand, die Bela gerung aufzuheben. Unterdessen lag die Römische Flotte, die(Einnahme der Städte Eretria und Carystus. Livius XXXII. 16. 17.) mit des Attalus und der Rhodier ihrer ver stärckt war, nicht stille. Sie nahm zwo von den vornehmsten Städten Euböens, Eretria und Carystus, die auch Macedonische Be satzungen hatten, ein: worauf die drey Flot ten nach Cenchrea, dem Hafen von Corinth, zuseegelten. Der Consul war indessen in Phocis einge(Quintius be lagert Ela tia. Ebendas. 18.) rückt, und hatte verschiedene kleine Plätze er obert, die keine sonderliche Gegenwehr tha ten. Elatia hielt ihn auf, und er wurde ge nöthigt, es ordentlich zu belagern. Während daß er mit dieser Belagerung(Versamm lung der A chäer zu Si eyon. Die Gesandten der Römer und ihrer Bundsge nossen, wie auch des Phi lippus seine werden dabei{??} angehöret.) beschäftigt war, ging er mit einem wichtigen Vorhaben um, nämlich die Achäer von der Parthey des Philippus zu trennen, und sie zu Ergreifung der Römischen zu bewegen. Die drey vereinigten Flotten stunden fertig, die Belagerung von Corinth, wovon Philip pus jetzt Meister war, zu unternehmen. Nichts konnte den Achäern ein grösser Ver gnügen machen, als ihnen diese grosse und
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) wichtige Stadt zu überliefern. Der Consul gedachte sie durch dieses Anerbieten auf die Probe zu stellen, und ließ ihnen davon durch die Gesandten des Lucius seines Bruders, des Attalus, der Rhodier und der Athenienser den Antrag thun. Die Achäer ertheilten al len diesen Gesandten bey einer allgemeinen Versammlung der Nation, die zu Sicyon gehalten wurde, Audienz. (Nach vielen Streitigkei ten erklärt sich die Ver sammlung für die Rö mer. Livius XXXII. 19- 23.) Die Achäer waren über die Parthey, die sie ergreifen sollten, sehr verlegen. Nabis, der Lacedämonische Tyrann, war für sie ein schlimmer Nachbar, der sie ausserordentlich beunruhigte. Noch mehr aber fürchteten sie sich für die Römischen Waffen. Sie hat ten von alten Zeiten her und noch erst kürz lich von den Macedoniern grosse Wohltha ten und Gefälligkeiten erhalten: allein Phi lippus war, wegen seiner Treulosigkeit und Grausamkeit, ihnen allen verdächtig, und sie stunden in Sorge, es möchte die Gelindig keit, die er jetzt wirklich bewies, sich, sobald er einmal die Oberhand bekäme, in eine Ty ranney verwandeln. Jn dieser Gemüths verfassung stunden die Achäer. Sie wank ten zwischen allen Partheyen, fanden überall gewisse Schwierigkeiten, und sahen nicht, worzu sie sich mit Sicherheit entschliessen könnten. L. Calpurnius, der von den Römern ab geschickt war, wurde am ersten vorgelassen. Nach ihm hörte man die Abgeordneten des
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Attalus und der Rhodier, und endlich des(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Philippus seine an. Denn dieser Fürst hat te ebenfalls einen Gesandtschaft zu dieser Ver sammlung, deren Erfolg ihn beunruhigte, abgeschickt. Die Athenienser ließ man biß auf die letzt, damit sie im Stande wären, dasjenige, was der Gesandte des Philippus vorgebracht hätte, zu widerlegen. Sie rede ten mit mehrerm Nachdruck und grösserer Freyheit, als alle die übrigen, wider den Kö nig, weil keinem unter denselben übler war mitgespielet worden, als ihnen, und sie führ ten alle seine Ungerechtigkeiten und alle seine Grausamkeiten sehr weitläuftig aus. Der Schluß der Reden der Athenienser sowohl als der drey vorhergehenden, welche in der Versammlung waren gehalten worden, war eine Ermahnung an die Achäer, sich mit den Römern wider den Philippus zu vereinigen. Die Gesandten dieses Fürstens hingegen drun gen in die Achäer, daß sie den theuren Eid, den sie geleistet, als sie mit ihrem Herrn sich in ein Bündnis eingelassen hatten, halten; oder, wenn sie sich nicht offenbar für ihn er klären wollten, wenigstens eine genaue Un partheylichkeit beobachten möchten. Diese Reden nahmen die ganze Zeit der Versamm lung weg, daher die Fortsetzung davon bis auf Morgen ausgesetzt wurde. Als sie insgesammt beysammen waren, er mahnte der Herold, im Namen der Obrig keit, wie gewöhnlich, diejenigen, die reden woll ten, solches zu thun. Es erhob sich aber nie
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) mand von seinem Platze. Einer sahe den an dern an, und jedermann beobachtete ein tie fes Stillschweigen. Hierauf nahm Aristhe nus, damit die Versammlung nicht, ohne et was berathschlagt zu haben, auseinander ge hen müste, das Wort, und redete also zu ih nen: „Wo ist denn nun diese Hitze und diese Lebhaftigkeit, mit der ihr bey euren Gast mahlen und in euren privat Unterredungen der Römer und des Philippus wegen euch so, daß es öfters bald zum Handgemenge gekommen ist, zanktet? Warum bleibt ihr denn jetzt in einer eben deswegen angestell ten Versammlung, nachdem ihr die Reden und Gründe von beyden Seiten angehöret habt, stumm? Wird es darnach noch Zeit zu reden seyn, wenn der Entschluß wird einmal gefaßt und festgesetzt seyn worden?“ So kluge und vernünftige Vorwürffe, die die vornehmste Person des Staats ihnen machte, konnten nicht nur keinen von den Ge genwärtigen reitzen, seine Meinung zu sagen, sondern erregten auch nicht einmal die ge ringste Bewegung, noch das geringste Ge murmel in einer so zahlreichen und aus den Abgeordneten so vieler Völker bestehenden Versammlung. Alles blieb stumm und un beweglich, und niemand unterstund sich, über eine so kützliche Materie sich frey herauszu lassen. Da nun hierauf der Aristhenus genöthigt war, seine Gedanken zu entdecken, erklärte er sich kurz und gut für die Römer. „Die Art,
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sagte er, womit die Abgeordneten beyder(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) widrigen Partheyen zu uns reden, ist allein zureichend, uns den Entschluß, den wir fas sen sollen, an die Hand zu geben. Die Römer, die Rhodier, und Attalus dringen in uns, daß wir uns mit ihnen vereinigen und den Krieg wider den Philippus mit ih nen antreten sollen, und unterstützen ihre Anforderung mit triftigen Gründen, die auf der Gerechtigkeit ihrer Sache und auf un serm eignen Nutzen beruhen. Der Ge sandte des Philippus verlangt auch, aber sehr schwach, daß wir auf der Seite seines Herrn verbleiben sollen; ja er begnügt sich auch damit, daß wir nur eine genaue Un partheylichkeit beobachten. Woher meint ihr, daß eine so unterschiedene Art zu ver fahren herrühre? Jn der That, es ist keine Bescheidenheit von Seiten des Philippus, noch eine verwegene Kühnheit von Seiten der Römer. Die Känntnis ihrer Macht oder ihrer Schwäche, macht sie so verschie den reden. Von Seiten des Philippus se hen wir hier nichts, als seinen Gesandten, welches uns eben nicht sonderlich aufmun tern kann; dahingegen die Flotte der Rö mer nicht weit von Cenchrea vor Anker liegt, und der Consul mit seinen Legionen auch nicht weit entfernt ist. Was für einen Beystand können wir wohl von dem Philippus erwarten? Se hen wir nicht, wie er seine Bundsgenossen beschützt? Warum hat er Eretria und Ca
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) rystus wegnehmen lassen? Warum hat er so viele Thessalische Städte, nebst dem gan zen Phocis und Locris verlassen? Warum giebt er zu, daß man jetzt wirklich Elatia belagert? Hat er aus Zwang oder aus Furcht, oder mit gutem Willen die engen Pässe von Epirus verlassen, und diese uner steigliche Vormauer dem Feinde überlassen, um sich in das Herz seines Königreichs zu rückzuziehen, und sich darinnen zu verstecken? Jst es freywillig geschehen, daß er so viele Bundsgenossen dem Feinde Preiß gegeben hat, kann er ihnen sodann wohl wehren, daß sie selbst auf ihre Sicherheit bedacht seyn? Jst es aus Furcht geschehen, so muß er uns eine gleiche Schwachheit zu gut halten. Jst er endlich dazu gezwungen worden, glaubst du sodann wohl, Cleomedon (so hieß der Gesandte des Philippus) daß die Macht der Achäischen Republik im Stande sey, es mit den Römischen Waffen aufzunehmen, vor denen sich die Macedonier haben biegen müssen? Quintius hat den Philippus, den er in einem unersteiglichen Posten angetrof fen hat, daraus mit Gewalt vertrieben, sein Lager erobert, ihn bis nach Thessalien ver folgt, und fast in seinem Angesicht die feste sten Plätze seiner Bundsgenossen erobert. Wenn wir angegriffen werden sollten, wird der König sodann wohl im Stande seyn, uns wider so furchtbare Feinde zu beschü tzen? oder werden wir im Stande seyn uns selbst zu vertheidigen?
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Der Mittelweg, den man uns vorschlägt,(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) daß wir stille sitzen und unpartheyisch blei ben sollen, ist ein sicheres Mittel, uns zu ei nem Raube des Siegers zu machen, der nicht ermangeln wird, über uns, als über verschlagene Zauderer, die ersteinen entschei denden Vorfall abwarteten, herzufallen. Glaubt mir, werthe Mitbürger, es ist kein Mittelweg; wir müssen die Römer entwe der zu Freunden oder zu Feinden haben. Sie kommen selbst mit einer zahlreichen Flot te, uns ihre Freundschaft und ihren Bey stand anzubieten. Einen solchen Vortheil von uns abzuweisen, und eine so günstige Gelegenheit, die niemals wieder kommen wird, nicht begierigst zu ergreiffen, würde die allergröste Verblendung und nichts an ders seyn, als sich mit Muthwillen und oh ne Rettung ins Verderben zu stürzen.“ Auf diese Rede erfolgte ein grosses Gemur mel in der ganzen Versammlung, indem ei nige mit Freuden ihnen Beyfall gaben, ande re aber sich mit Gewalt dargegen setzten. Eben diese Trennung fand sich auch unter den Obrigkeitlichen Personen, die manDe miurgos nannte. Es waren ihrer zehen. Von selbigen erklärten sich fünfe, daß sie die Sache in Ueberlegung ziehen wollten; die übrigen fünfe widersprachen ordentlich, und behaupteten, es wäre so wohl den Obrigkeit lichen Personen etwas, das dem mit dem Philippus geschlossenen Bündnisse zuwider wäre, vorzuschlagen, als auch der allgemei
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(d. 554. J. n. R. E. d. 298. J. v. C. G.) nen Versammlung, etwas dergleichen zu be schliessen, durch ein ausdrückliches Gesetz un tersagt. Dieser Tag gieng ebenfalls noch mit Zan ken, Lärmen und Geschrey hin. Es war nun nur ein einziger noch übrig, weil das Gesetz verordnete, die Versammlung nach dem Verlauf des dritten Tages zu beschliessen. Die Zänkereyen wurden über das, was den folgenden Tag sollte bestimmt werden, so hitzig, daß die Väter sich kaum so weit mäs sigten, ihre Hände nicht an ihre Kinder zu legen. Memnon von Pellene war eine von den Obrigkeitlichen Personen, die den Vor trag zu thun sich weigerten. Sein Vater bat ihn lange Zeit, und beschwor ihn, den Achäern die Freyheit zu lassen, für ihre Si cherheit Sorge zu tragen, und sie durch seine Hartnäckigkeit nicht in ein gewisses Verder ben zu stürzen. Da er sahe, daß seine Bit ten vergebens waren, schwor er, ihn mit sei ner eignen Hand zu tödten, wenn er seinem Begehren nicht nachkäme, indem er ihn nicht als seinen Sohn, sondern als einen Feind des Vaterlandes ansehen würde. Memnon kon̄ te so schrecklichen Drohungen nicht widerste hen, und ließ sich endlich durch das väterliche Ansehen besiegen. Den Tag darausdarauf fiel die Mehrheit der Stimmen dahin aus, daß die Sache ordent lich in Ueberlegung gezogen werden sollte; und weil die Völker ziemlich offenherzig, was sie gedachten, zu Tage legten, begaben sich
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die Dymäer, Megapolitaner und einige(d. 554. J. n. R. E. d. 298. J. v. C. G.) Argirer, noch vor Abfassung des Schlusses aus der Versammlung weg. Niemand wun derte sich darüber, noch hielt es ihnen für übel, weil sie gegen den Philippus besondre Verbindlichkeiten hatten, der ihnen nur erst kürzlich sehr wichtige Dienste geleistet hatte. Die Dankbarkeit ist zu allen Zeiten und in allen Ländern eine Tugend, und die Undank barkeit ist überall verhaßt. Alle übrigen Völker bekräftigten, bey Sammlung der Stimmen, sogleich durch ein Decret ein Bündnis mit dem Attalus und den Rhodi ern; und was das mit den Römern anbe traf, wurde beschlossen, weil es nicht ohne Einstimmung des Römischen Raths und Volks konnte geschlossen werden, eine Ge sandtschaft nach Rom zu schicken, und durch dieselbe die Sache in Richtigkeit zu bringen. Unterdessen ließ man drey Abgeordnete zu(Lucius, ein Bruder des Consuls, un ternimmt die Belagerung von Corinth, und wird sel bige aufzuhe ben gezwun gen. Livius XXXII. 23.) dem L. Qvintius, der, nachdem er Cenchrea eingenommen hatte, nunmehr vor Corinth lag, abgehen; und zu gleicher Zeit muste auch die Armee der Achäer aufbrechen und sich mit der seinigen vereinigen, um die Eroberung Corinths zu beschleunigen. Anfangs that man nur schwache Angriffe, weil man hoffte, es würde in der Stadt zwischen der Besa tzung und den Einwohnern eine Uneinigkeit entstehen. Als man aber sahe, daß sich nichts regte, ließ man die Kriegsmaschinen auf al len Seiten anführen, und that verschiedene Angriffe, die die Belagerten mit vielem Mu
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) the aushielten, und worinnen die Römer al lemahl zurückgetrieben wurden. Es befand sich in Corinth eine grosse Anzahl Jtalieni scher Ueberläuffer, die, weil sie kein Qvartier von den Römern zu bekommen glaubten, wenn sie in ihre Hände gerathen sollten, sich mit äusserster Verzweifelung wehrten. Als endlich auch Philokles, der Commendant von Seiten des Philippus, eine neue Ver stärkung in die Stadt gezogen, und dadurch den Belagerern alle Hofnung, sie im Sturm zu ersteigen, benommen hatte, sahe sich L. Qvintius genöthigt, dem Rathe des Atta lus zu folgen. Man hob die Belagerung auf. Die Achäer wurden zurückgeschickt, Attalus und die Römer begaben sich wieder auf ih re Flotten. Der erstere gieng nach Pyreä um, und die andern nach Corcyra. (Der Consul nimmet Ela tia ein. Livius XXXII. 24.) Während daß die Flotten Corinth belager ten, war der Consul T. Qvintius mit der Be lagerung von Elatia beschäftigt, wo er einen glücklichern Fortgang hatte. Denn, nach ei ner langen und tapfern Gegenwehr von Sei ten der Belagerten, machte er sich erst von der Stadt, und hernach auch von dem Schlosse Meister. (Philokles be meistert sich der Stadt Argos. Livius XXXII. 25.) Um eben diese Zeit fanden die von Argos, die noch beständig dem Philippus anhingen, eine Gelegenheit, ihre Stadt dem Philokles, dem vorhererwähnten Officier, in die Hän de zu spielen. Solchergestallt sahe sich Phi lippus, ohnerachtet des Bündnisses, welches die Achäer mit den Römern geschlossen hat
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ten, Meister von ihren beyden wichtigsten(d. 554. J. n. R. E. d. 298. J. v. C. G.) Plätzen, Corinth und Argos. Der Consul Sex. Aelius that nichts merk würdiges in Gallien. Er brachte fast das(Gallische Angelegen heiten. Livius XXXII. 26.) ganze Jahr damit hin, daß er die Einwohner von Cremona und Placenz, die die Wider wärtigkeiten des Kriegs zerstreut hatten, auf suchte, und sie wieder in ihre Colonien ein setzte. Eine Zusam̄enverschwörung, die anfangs(Entdeckte und erstickte Zusam̄enver schwörung der Sklaven.) zu (*) Setia durch die Sklaven der allda als Geissel aufbehaltenen Carthaginensischen jun gen Herren angezettelt wurde, und zu denen sich nachher eine grosse Menge anderer Skla ven schlug, setzte Rom in einige Unruhe. Al lein die Zusammenverschwörnng wurde zu gleicher Zeit entdeckt und erstickt. Jn diesem Jahre brachten die Gesandten( Attalus schickt eine güldene Kro nenach Rom. Ebend. 27.) des Königs Attalus eine güldene Krone, die am Gewichte zweyhundert und sechs und vierzig Pfund hielt (über dreyhundert und acht und vierzig unsrer Mark) nach Rom, die sie im Capitolio niederlegten, und dem Rathe dankten, daß er hätte Gesandten an den Antiochus abschicken wollen, auf deren Vorspruch dieser Fürst die Staaten des At talus verlassen hätte. Cato war damals einer von den Prätoren,(Cato, Prä tor in Sardi nien. Sei ne Strenge. Sein Cha rakter. Plut. in Cat. Livius XXXII. 27.) und hatte Sardinien zur Provinz erhalten. Er führte sich allda auf eine solche Art auf, daß jederman seine Uneigennützigkeit, seine 91
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Mäßigkeit, seine Geduld in den allermühsam sten Verrichtungen, seine unglaubliche Ent fernung von allem Schatten einer Verschwen dung oder Pracht, und seine Liebe zur Gerech tigkeit bewunderte. Die Prätors, die vor ihm gewesen waren, brachten das Land da durch, daß es ihnen Zelte, Betten und Klei dungen liefern muste, in das gröste Elend, und beschwerten das Volk durch eine unzähl bare Menge Bedienten, durch einen Schwarm von Freunden, und durch ausser ordentlichen Aufwand in Spielen, Gasterey en und anderen dergleichen prächtigen Staat. Cato hingegen gab sich nur durch eine Ein falt in seiner Kleidung, in seinem Essen und seiner Geräthschaft, davon man kein Exem pel hatte, ein Ansehen. Er nahm niemals einen Heller aus dem allgemeinen Schatze. Wenn er die Städte seiner Provinz besuch te, ging er zu Fuße, ohne einen Wagen bey sich zu haben, und hatte nur einen öffentli chen Bedienten mit sich, der ihm ein Kleid und ein Gefäß, seine Libationen bey den Opf fern verrichten zu können, nachtrug. Die ser so schlechte, so bescheidene und in dem äusserlichen so nachläßige Mann nahm das ernsthafte und majestätische Wesen einer Rö mischen Obrigkeit an, und bezeigte eine uner bittliche Standhaftigkeit und unbiegsame Härte, wenn Unordnungen zu steuren, oder über eingeführte Verordnungen und Gesetze, und über gute Zucht zu halten war. Er verband in sich zween Charakters, die nicht
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vereinbarlich zu seyn schienen: Die Ernsthaf(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) tigkeit und Freundlichkeit, so daß diesen Völ kern die Römische Macht niemals weder so schrecklich noch so liebreich vorgekommen war. Sardinien war voller Wucherer, die, in dem sie den Privatpersonen durch Geldsum men, die sie ihnen in ihren Nöthen lehnten, zu helffen schienen, sie im Grund ruinirten. Cato kündigte ihnen öffentlich den Krieg an, und vertrieb sie aus der ganzen Jnsel. Jch sehe nicht, warum Titus Livius dafür zu halten scheint, daß Cato hierinnen zu stren ge verfahren habe. Marcus Porcius Cato, ſanctus et innocens, aſperior tamen in fe- nere coercendo habitus; fugatique ex inſula feneratores. Kann man wohl Leu ten, die ein Verderben und Umsturz der Staa ten sind, mit gnugsamer Härte begegnen? Wollte GOtt, daß man auf allezeit diese gott lose Rotte von Wucherern aus unsern Städ ten und dem ganzen Königreiche verbannte, die die liederliche Jugend nur in ihrem wü sten Leben unterhalten! Ehe ich die Begebenheiten des folgenden Jahres erzähle, sey es mir erlaubt, hier eini ge Züge, welche die Gemüthsart des Cato am besten zu erkennen geben, mit einzurücken. Diese Züge sind an sich selbst nicht nachahm lich, und könnten einigermassen übertrieben zu seyn scheinen, sie sind aber wegen des Grundes, woraus sie fliessen, nämlich aus der Liebe zur Einfalt, zur Mäßigkeit und ei
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(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) nem harten und arbeitsamen Leben, bewun derungswürdig. Cato hat selbst in einem von seinen Wer ken aufgezeichnet, daß er niemals einen Rock getragen habe, der über hundert Drachmen (zwölf Thaler, zwölf Groschen) gekostet. Daß er so gar, wenn er Armeen commandirt oder Consul gewesen wäre, doch nur eben den Wein, den seine Sklaven gehabt, ge trunken; und daß er zu seiner Mahlzeit (die Römer essen des Tages nur einmahl) nie mals etwas auf dem Markte hätte einkauffen lassen, das mehr als dreyßig As (acht Gro schen) gekostet hätte. Seine Absicht, wes wegen er eine so harte und mäßige Lebensart führte, war, seine Gesundheit zu stärken, und sich in Stand zu setzen, seinem Vater lande besser zu dienen, und die Beschwerlich keiten des Kriegs leichter zu ertragen. Auf seinen Märschen ging er beständig zu Fuß, trug seine Waffen selbst, und hatte nur einen einzigen Sklaven bey sich, der ihm seine Lebensmittel nachtrug. Und man sagt, daß es sich niemals eräugnet habe, daß er wider diesen Sklaven in Zorn gerathen, oder auf ihn verdrüßlich worden wäre, er hätte ihm zu seiner Mahlzeit auch vorsetzen mögen, was er gewollt, ja daß er vielmehr, wenn er Zeit übrig gehabt, und seine Kriegsverrichtungen gethan, ihm oftmals beygestanden, und ihm selbst, sein Essen anzurichten, geholffen hätte. Bey der Armee trunk er niemals etwas an ders, als Wasser, ausgenommen zuweilen,
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da er vor brennendem Durst ein wenig (*)(d. 554. J. n. R. E. d. 198. J. v. C. G.) Eßig verlangte, oder, wenn er sich durch die Müdigkeit geschwächt fand, ein wenig Wein zu sich nahm. Eines Tages, da er den ausserordentlichen Aufwand, den einige Privatpersonen bey der Tafel zu machen anfingen, tadelte, sagte er: „Es wäre sehr schwer, eine Stadt zu retten, in welcher ein Fisch theurer verkauft wür de, als ein Ochse.“ Man weiß, wie ra send die Verschwendung und der Aufwand der Römer in Ansehung der Fische insbeson dere war. Während daß er die Armee commandirte, nahm er niemals mehr als drey Medimnos (dreyhundert und sechzig Pfund) Geträyde monathlich für sich und sein ganzes Haus, und etwas weniger als viertehalb Medimnos Gerste oder Haber täglich für seine Pferde und Lastthiere aus dem öffentlichen Maga zine.

§. III.

Man erwählt zum erstenmal sechs Prätors. Das Commando der Armee in Macedonien wird dem Qvintius verlängert. Unterredungen zwischen dem Könige Philippus und dem Consul Qvinti us, nebst seinen Bundsgenossen, die alle fruchtlos ablauffen. Philippus überläßt Argos dem Ty rannen von Sparta, Nabis. Bündnis des Na bis mit den Römern. Die Böotier lassen sich mit ihnen gleichfalls in ein Bündnis ein. Tod 92
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des Attalus. Lob dieses Fürstens. Schlacht bey Cynoscephalä, in der Philippus von Qvinti us überwunden wird. Unbesonnene Pralerey der Aetolier. Qvintius steht dem Philippus ei nen Waffenstillstand und eine Unterredung zu. Berathschlagung wegen des Friedens zwischen den Bundsgenossen. Unterredung des Qvintius und Philippus. Der Friede wird dabey geschlos sen. Der über den Philippus erfochtene Sieg verursacht zu Rom eine grosse Freude. Der von dem Qvintius entworffene und nach Rom über schickte Friede wird daselbst genehm gehalten. Man schickt zehn Bevollmächtigte ab. die Ange legenheiten in Griechenland in Ordnung zu brin gen. Die Artickel des geschlofsenen Friedens. Die Aetolier machen heimlich diesen Tractat her unter. Die Artickel werden bey den isthmischen Spielen bekannt gemacht. Die Griechen erhal ten die Nachricht von ihrer Freyheit mit ausser ordentlichen Freudensbezeigungen. Betrachtun geu über diese grosse Begebenheit. Qvintius durchreiset alle Städte Griechenlands. Corne lius, einer von den zehn Bevollmächtigten, geht von Tempo, wo er sich mit dem Könige unter redet hatte, nach der Stadt Thamä ab, wo die Versammlung der Aetolier gehalten wurde.
(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.)

(Man er wählt zum erstenmale sechs Prätors zu Rom. Livius XXXII. 27.) Man ernannte in diesem Jahre wegen der Vermehrung der Provinzen und wegen An wachs des Reichs zum erstenmale sechs Prä tors. Von diesen sechs Personen hatten zwo die Handhabung der Gerechtigkeit in der Stadt; die eine zwischen Bürgern und Bür gern, und die andre zwischen Bürgern und Freunden zu besorgen. Die vier übrigen hat ten die Regierung in den Provinzen Sicilien,
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Sardinien, dem disseitigen und jenseitigen(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) Spanien zu verwalten. Nachdem das Loos denen Prätors ihre Posten angewiesen hatten, machten die Con(Das Com mando der Armee in Macedonien wird dem Qvintius verlängert. Liv. eben das. 28.) suls gleichfalls Anstalt, wegen Jtalien und Macedonien zu loosen, als die Tribunen des Volks, L. Oppius und Q. Fulvius, sich dar gegen etklärtenerklärten. Sie stellten vor, „daß man sich zeithero, weil Macedonien eine von Rom entfernte Provinz wäre, in dem glück lichen Fortgange des Krieges, den man da selbst führte, durch nichts mehr im Lichte ge standen hätte, als durch die zur Unzeit ge schehene Zurückberuffung des Consuls, dem man selbigen zu führen aufgetragen, und dem man schon einen Nachfolger schickte, wenn ihm kaum die Oerter, die er zu kennen nöthig hätte, bekandt geworden wären. Es wäre nun bereits das vierte Jahr seit dem Anfang dieses Kriegs. Sulpicius hät te den grösten Theil seines Consulats mit Aufsuchung des Philippus und seiner Ar mee zugebracht. Villius hätte die Armee verlassen müssen, als er eben ziemlich nahe an den Feind gewesen wäre. Obwohl Quintius den grösten Theil des Jahrs der Religionsangelegenheiten wegen zu Rom wäre zurück gehalten worden, hätte er sei ne Sachen doch so gemacht, daß man leicht schliessen könnte, er würde dem ganzen Krie ge haben ein Ende machen können, wenn er in der Provinz eher angekommen wäre, oder der Winter ihm erlaubt hätte, später
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) aus derselben abzugehen. Wie er denn auch gegenwärtig alle Anstallten machte, den Krieg künftigen Frühling so wieder an zufangen, daß man hoffen könnte, das En de desselben in bevorstehendem Feldzuge zu sehen, wenn man ihnen nämlich keinen Nachfolger schickte.“ Als die neuen Con suls diese Vorstellungen der Tribunen ange hört hatten, versprachen sie, sich dem Aus spruche des Raths in diesem Stücke zu un terwerffen, wenn die Tribunen ein gleiches thun wollten, diese liessen sichs gefallen; und dem zufolge wiesen die Rathsherren den bey den Consuls Jtalien zur Provinz an, und ver längerten dem Qvintius die Stadthalter schaft und das Commando in Macedonien, so lange, bis man ihn würde ablösen lassen. Solchergestallt endigte sich dieser mit vieler Klugheit und Mäßigkeit angefangene und fortgesetzte Streit. (Unterredun gen zwischen dem Könige Philippus und dem Con sul Qvintius, nebst seinen Bundsgenos sen, die alle fruchtlos ab lauffen. Liv. XXXII. 32 = 37. Polyb.VII.) Nach der Einnahme von Locris hatte der Consul Qvintius seine Truppen in den Pro vinzen Phocis und Locris in die Winterquar tiere vertheilt, als Philippus einen Herold an ihn abschickte, und durch selbigen um eine Unterredung anhielt. Qvintius machte kei ne grosse Schwierigkeiten, und stund sie ihm zu, weil er noch nicht wuste, was man zu Rom seinetwegen beschlossen hätte, und weil eine Unterredung ihn die Freyheit ließ, ent weder den Krieg fortzusetzen, wenn man ihm das Commando länger liesse, oder die Sachen zu einem Frieden einzuleiten, wenn man ihm
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einen Nachfolger schickte. Die Unterredung(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) wurde am Ufer des Meers, ohnweit Nicäa, einer Stadt in Locris, sehr nahe bey Ther mopylä gehalten. Philippus, der sich von Demetrias zu Meere dahin begeben hatte, verließ sein Schiff nicht. Er hatte unter schiedene Macedonische Herren, nebst dem Cykliades, einem vertriebnen Achäer, bey sich. Der Römische General befand sich an dem Ufer, und hatte den Athamanischen Kö nig Amynander und die Abgeordneten aller Bundsgenossen in seiner Begleitung. Nach einigen Streitigkeiten über das Ceremoniel that Quintius seine Vorschläge, und jeder der Alliirten that gleichfalls seine Forderun gen. Philippus antwortete darauf, und, da er gegen die Aetolier harte Ausdrückungen zu gebrauchen anfing, unterbrach ihm der Pha neas, einer von ihren Obrigkeiten, mit diesen Worten: „Hier ist es nicht mit Worten aus gemacht. Man muß entweder mit den Waffen in der Hand siegen, oder dem stärk sten weichen. Philippus versetzte darauf: Die Sache ist klar, selbst für einen Blin den,“ womit er dem Phaneas einen Stich versetzen wollte, der kein sonderlich gutes Ge sichte hatte. Philippus war (*) von Na tur zum Spotten avfgelegt, und konnte sich selbst, wenn er die ernsthaftesten Sachen vor hatte, dessen nicht enthalten, welches ein gros ser Fehler an einem Regenten ist. 93
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Da diese Unterredung mit Zänkereyen verging, versammlete man sich Tags darauf von neuen. Philippus kam sehr spät an den bestimmten Ort. Die ganze Ursache, die er seiner Verzögerung wegen angab, war, „daß er fast den ganzen Tag damit zuge bracht habe, über die Härte der Gesetze, die man ihm vorschriebe, sich zu bedenken, ohne daß er noch wüste, worzu er sich ent schliessen sollte.“ Allein man hatte gar guten Grund, zu muthmassen, daß er den Aetoliern und Achäern dadurch nur habe die Zeit be nehmen wollen, ihm zu antworten. Und er bestärkte diese Muthmassung gar sehr damit, daß er, um nicht die Zeit mit unnützen Strei tigkeiten zuzubringen, verlangte, die ganze Unterredung möchte nur zwischen dem Rö mischen General und ihm allein ihren Fort gang haben. Es kostete einige Mühe, ehe man ihm dieses zustund. Sie unterredeten sich demnach allein. Da Quintius den Bundsgenossen die Punkte vorlegte, die ihm der König machte, fanden sie bey keinem un ter ihnen Beyfall, und man war schon wirk lich im Begriff, alle Unterhandlung aufzuhe ben, als Philippus verlangte, daß man die Entscheidung bis auf Morgen aussetzen möch te, unter dem Versprechen, sich ihre Vor stellungen gefallen zu lassen, wenn er es nicht so weit bringen könnte, daß sie die seinigen genehmigten. Nachdem man sich von neuem versammlet hatte, bat er den Quintius und die Bundsgenossen aufs inständigste, sich dem
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Frieden nicht zu widersetzen. Er verlangte(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) weiter nichts, als einige Zeit, Gesandten nach Rom zu schicken, unter der Versicherung, sich alle Bedingungen, die ihm der Rath vor zuschreiben belieben würde, gefallen zu lassen, wenn die seinigen nicht für zureichend sollten gehalten werden. Man konnte ihm ein so billiges Verlangen nicht abschlagen, und man ward wegen eines Waffenstillstandes von zween Monaten eins, jedoch unter der Be dingung, daß er sogleich die Besatzung aus den Plätzen, die er in Phocis und Locris noch hatte, heraus zöge. Man schickte von beyden Theilen Gesandte nach Rom. Als selbige allda angekommen waren, gab man zuförderst der Bundsgenossen ihren Ge hör. Sie bedienten sich der härtesten Aus drücke wider den Philippus. Was aber den Rath am meisten rührte, war, daß sie ihm zeigten, und durch die Lage der Oerter satt sam bewiesen, daß, wenn der König in Ma cedonien Demetrias in Thessalien, Chalcis in Euböa, Corinth in Achaja, Städte, die er mit einem nicht weniger wahren, als schimpflichen Ausdrucke,die Ketten Grie chenlands, nennte, behielte; Griechenland nimmermehr die Freyheit geniessen würde. Hierauf ließ man die Gesandten des Königs vor. Da sie eine grosse Rede zu halten an fingen, fiel man ihnen sogleich in die Rede, indem man sie befragte, ob sie diese drey Städte abtreten wollten, oder nicht. Auf die Antwort, daß sie über diesen Punkt nicht die
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) geringsten Verhaltungsbefehle erhalten hät ten, wurden sie, ohne etwas erhalten zu ha ben, wieder fortgeschickt. Man überließ dem Quintius, dem man, wie wir gemeldet, das Commando in Macedonien verlängert hat te, die völlige Freyheit, entweder Frieden zu machen, oder den Krieg fortzusetzen. Dar aus sahe er gar wohl, daß es dem Rathe nicht zuwider wäre, wenn man ihn fortsetzte; und er, seiner Seits, wollte auch den Krieg lieber durch einen Sieg, als durch eine Frie densunterhandlung, endigen. Er ertheilte demnach dem Philippus weiter keine Unter redung, und ließ ihm sagen, er würde nun weiter keinen Vorschlag von ihm anhören, wenn er nicht sogleich verspräche, ganz Grie chenland zu räumen. (Philippus ü berläßt Ar gos dem Ty rannen zu Sparta, Na bis. Livius XXXII. 38.) Philippus richtete also alle seine Gedanken auf den Krieg. Da er die Städte Achajens wegen ihrer grossen Entlegenheit nicht wohl behaupten konnte, fand er für gut, Argos dem Spartanischen Tyrannen Nabis zu über liefern, aber nur als ein anvertrautes Gut, das ihm, wenn er in diesem Kriege die Ober hand behielte, wiedergegeben, und wenn die Sachen anders lieffen, dem Nabis verbleiben sollte. Nabis wurde des Nachts in die Stadt eingeführt, und begegnete den Einwohnern als ein wirklicher Tyrann, indem er gegen sie alle Arten von Gewaltthätigkeiten und Grau samkeiten ausübte. (Bündnis des) Der Tyrann vergaß gar bald, von wem
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und auf was für Bedingungen er die Stadt(d. 553. J. n. R. E. d. 199. J. v. C. G.) überkommen hatte. Er schickte Abgeordnete an den Quintius und Attalus, ihnen zu wis sen zu thun, daß er Herr von Argos wäre,(Nabis mit den Römern. Liv.XXXII. 39.) um sie zu einer Unterredung einzuladen, wo bey er wegen der Bedingungen eines Bünd nisses, das er mit ihnen zu machen wünschte, gar leicht eins zu werden glaubte. Sein Vorschlag wurde angenommen. Dem zu folge begaben sich der Proconsul und der Kö nig von Pergamus in die Gegend von Argos; eine Handlung, die dem einem so wenig, als dem andern, wohl anstund. Es kam zur Unterredung. Die Römer verlangten, daß Nabis ihnen Truppen stellen, und die Achä er zu bekriegen aufhören sollte. Den ersten Punkt ging der Tyrann ein, mit den Achäern aber wollte er nicht länger, als einen Waffen stillstand von vier Monaten, eingehen. Auf diese Bedingungen wurde der Tractat wirk lich geschlossen. Dieses aber mit einem we gen seiner Treulosigkeit und Grausamkeit so beschrienen Tyrannen, als Nabis war, eingegangene Bündnis war für die Römer nicht sonderlich rühmlich. Allein zur Zeit des Krieges hält man alle Vortheile, wenn sie auch mit der Billigkeit und streiten sollten, für annehmlich. Jm Anfange des Frühlings waren Quin(Die Böotier lassen sich mit den Rö mern in ein Bündnis ein. Livius XXXIII. 1, 2.) tius und Attalus sonderlich darauf bedacht, sich des Bündnisses mit den Böotiern, die bis daher unschlüßig und wankend gewesen waren, zu versichern. Sie gingen zu dem
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Ende nebst einigen Abgeordneten der Bunds genossen nach Theben, der Hauptstadt des Landes, und dem Orte der allgemei nen Versammlung, ab. Antiphilus, die vornehmste Obrigkeit, war ihnen gewogen, und unterstützte sie unter der Hand. Die Böotier glaubten anfangs, sie kämen ohne Trupen und ohne Bedeckung, weil sie diesel be etwas zurückgelassen hatten. Sie erstaun ten aber nicht wenig, als sie sahen, daß hin ter Quintius ein ziemlich ansehnliches Corps nach marschirt kam, und geriethen sogleich auf die Gedanken, man würde in der Ver sammlung nicht die geringste Freyheit haben. Selbige wurde auf den folgenden Tag ange setzt. Sie verheelten ihr Erstaunen und ih ren Schmerz, welchen zu erkennen zu geben theils unnütz, theils auch gefährlich gewesen seyn würde. Attalus redete zuerst und strich vornämlich die Dienste, die seine Vorfahren und er selbst dem ganzen Griechenlande und ins be sondere der Republick der Böotier erwiesen hätte, heraus. Jndem er sich durch den Ei fer für die Römer hinreissen ließ, und mit mehrerer Heftigkeit, als es sein Alter erlaub ten, redete, fiel er entkräftet und halb tod mitten in seiner Rede nieder, (es war solches ein Anfall vom einem Schlagflusse) und man muste ihn aus der Versammlung hinaus tragen, welches die Berathschlagung auf ei nige Zeit störete. Aristhenus, Prätor der Achäer, nahm hierauf das Wort, und seine
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Rede war um so viel vermögend, der, einen(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Eindruck zu machen, weil er den Böotiern keinen andern Rath gab, als den er den A chäern selbst gegeben hatte. Nach ihm rede te Quintius, aber sehr wenig, und erhob mehr die Gerechtigkeit und Treue der Römer, als ihre Waffen und ihre Macht. Endlich schritt man zu Ablegung der Stimmen, und das Bündnis mit den Römern wurde ganz einmüthig geschlossen, weil niemand zu wider sprechen, noch vergeblichen Widerstand zu thun das Herz hatte. Quintius blieb noch einige Zeit zu Theben, um, was es mit der Krankheit des Attalus für einen Ausgang nehmen würde, abzuwar ten. Da er sahe, daß es nur ein Anfang vom Schlage war, der das Leben dieses Für stens mit keiner Gefahr bedrohte, kehrte er nach Elatia zurück, und war über das dop pelte Bündnis, welches er mit den Achäern und Böotiern zu Stande gebracht hatte, überaus erfreut, weil er sich dadurch den Rücken frey gemacht hatte. Nun richtete er alle seine Gedanken und Sorgen auf Ma cedonien. So bald als es der Zustand und die Kräf(Tod des At talus. Lob dieses Für stens. Polyb. in excerpt. Liv. XXXIII. 21.) te des Attalus erlaubten, brachte man ihn nach Pergamus hinüber, wo er kurze Zeit darnach in einem Alter von zwey und siebzig Jahren, von denen er vier und vierzig regiert hatte, mit Tode abging. Polybius bemerkt, daß Attalus nicht dem meisten Theile der Menschen nachahmte, denen ein grosses Ver
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) mögen insgemein eine Gelegenheit zu Lastern und Unordnungen ist. Der großmüthige und glänzende Gebrauch, den er mit seinen Reichthümern machte, der aber durch die Klugheit gemäßigt wurde, diente ihm zu ei nem Mittel, seine Länder zu vermehren, und den Titel eines Königs auf sich zu bringen. Er wollte nur für andere reich seyn, und er war versichert, daß nur das sein Geld auf ei nen grossen und rechtmäßigen Wucher un terbringen hieße, wenn man es zu Wohltha ten und Erwerbung mehrerer Freunde an wendete. Er regierte seine Unterthanen mit einer grossen Gerechtigkeit, und bewies gegen seine Bundsgenossen eine unverbrüchliche Treue. Er war ein großmüthiger Freund, ein zärtlicher Ehemann und ein gütiger Va ter, und kam allen Pflichten eines Regenten und einer Privatperson nach. Er hinterließ vier Söhne: den Eumenes, Attalus, Phi letärus und Athenäus. Er hatte sich viel Mühe ihrer Erziehung wegen gegeben, und hatte sich insonderheit angelegen seyn lassen, unter ihnen eine zärtliche und aufrichtige (Strabo. XIII.) Einigkeit, die stärkste Stütze mächtiger Häu ser, zu erhalten. Polybius merkt es als ein sehr seltenes Glück unter Fürstlichen Famili en an, daß die Brüder des Eumenes, der dem Attalus in der Regierung folgte, nicht im geringsten einige Unruhe zu erregen ge dacht, sondern vielmehr den Frieden und die Ruhe zu erhalten sich äusserst bemüht hätten. Der Geschmack an den Künsten und Wis
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senschaften herrschte an dem Hofe zu Perga(d. 555. J. n. G. E. d. 197. J. v. C. R.) mus. Attalus hatte in der Academie zu A then, in dem, wie man weiß, von den Phi losophen, die daselbst mit grossem Ruhm ge(Diog. Laerti us im LrbenLeben des Lacyd.) lehrt haben, berühmtem Orte, den Garten unvergleichlich auszieren lassen, worinnen Lacydes, ein Schüler und Nachfolger des Arcesilas, lehrte. Er lud diesen Philosophen ein, an seinen Hof zu kommen. Allein La cydes antwortete mit einer wirklich Philoso phischen Freyheit, es wäre mit den Fürsten, wie mit den Gemählden, beschaffen, die oftmals, um bewundert zu werden, nur in der Ferne gesehen zu werden verlangten. Von dem weltbekannten Büchervorrath zu(Alte Historie IX. Theil.) Pergamus habe ich anderwärts gehandelt. Die Armeen hatten sich von beyden Sei(Schlacht bey Cynoseepha lä, in der Philippus von Quinti us überwun den wird. Polyb. XVII. Livius XXXIII. 3- 11. Plut. im Le ben Flami ninus. Justin. XXX. 4.) ten in Marsch gesetzt, und rückten, um den Krieg durch eine Schlacht zu endigen, gegen einander an. Sie waren einander an der Zahl meistens gleich, und bestund jede ohnge fähr aus fünf bis sechs und zwanzig tausend Mann. Die Officiers und Soldaten wünschten von beyden Seiten mit gleicher Begierde, ins Handgemenge zu kommen. Je näher die Zeit der Schlacht anrückte, je grösser wurde ihr Muth, und je mehr wuchs ihre Ruhmbegierde. Die Römer gedachten, daß, wenn sie die Macedonier besiegten, de ren Name durch die Siege des Alexanders so berühmt worden wäre, ihr Ruhm keine weitere Vergrösserung erlangen könnte; und die Macedonier schmeichelten sich, daß, wenn
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) sie die Römer, die es den Persern so weit zuvor thäten, schlügen, sie den Namen des Philippus viel berühmter und grösser machen würden, als des Alexanders seiner gewesen wäre. Quintius rückte in Thessalien ein, und vernahm, daß die Feinde auch allda an gekommen wären. Da er aber noch nicht so genau wuste, wo sie gelagert stunden, ließ er durch seine Trupen Bäume fällen und Aeste abhauen, um Pallisaden daraus zu machen, und damit ein Lager, wo es etwan nöthig seyn dürfte, befestigen zu können. Bey dieser Gelegenheit vergleicht Polybius, und nach ihm Titus Livius, die Pallisaden der Römer mit der Griechen ihren. Man findet diese Ausschweifung in dem 8ten Theile der alten Historie. Quintius kam bald darauf nahe an die Macedonische Armee, und ging an der Spi tze aller seiner Trupen auf sie los. Nach einigen leichten Scharmützeln, worinnen sich die Aetolische Reiterey sehr hervorthat, und allemal die Oberhand behielt, machten die beyden Armeen ohnweit (*) Skotusa Hal te. Die Nacht vor der Schlacht, fiel un ter einem heftigen Donnerwetter, ein so star ker Regen, daß es den andern Morgen so dunkel und düstern war, daß man kaum zween Schritte vor sich hin sehen konnte. Philippus schickte ein Corps Trupen ab, mit dem Befehl, sich der Höhen Cynoseephalä, 94
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die sein Lager von der Römer ihrem abson(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) derten, zu bemächtigen. Quintius ließ gleichfalls ein aus zehn Schwadronen Reite rey und ohngefähr tausend leichtbewehrten Soldaten zu Fuß bestehendes Corps, um den Feind zu verkundschaften, ausrücken, und empfohl ihnen aufs beste, sich wegen des trüben und neblichten Wetters vor einem Hinterhalt wohl in Acht zu nehmen. Dieses Corps stieß auf der Macedonier ihres, wel ches sich der Höhen bemeistert hatte. An fangs verursachte diese Begegnung einige Bestürzung; bald darauf aber versuchten sie ih re Kräfte gegen einander. Man schickte von beyden Theilen in die Lager welche zurück, den Generalen von dem, was vorginge, Nachricht zu geben. Die Römer, denen es nicht zum besten ging, verlangten Hülffe. Quintius schickte sogleich den Archidamus und Eupolemus, beydes Aetolier, unter Be gleitung zweener Obristen, deren jeder tau send Mann commandirte, nebst fünfhundert Pferden dahin, die, mit den erstern verei nigt, dem Scharmützel bald ein ander Anse hen gaben. Von Seiten der Macedonier ließ man es an Tapferkeit nicht mangeln: allein sie wurden durch die Schwere ihrer Waffen, die nur brauchbar waren, wenn man festen Fusses stritt, dergestallt entkräf tet, daß sie auf die Höhen entflohen, und von dar den König um Hülfe ersuchen liessen. Philippus, der einen Theil seiner Armee auf Fütterung ausgeschickt hatte, war kaum
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) von der Gefahr, worinnen sich seine erstern Trupen befanden, benachrichtiget worden, als er, um die Zeit, da sich die Dunkelheit zu zertheilen anfing, den Heraklides, der die Thessalische Reiterey commandirte, den Le on, unter dessen Commando die Macedoni sche stund, und den Athenagoras, der, ausser den Thraciern, alle fremde und im Solde stehende Soldaten unter sich hatte, aufbrechen ließ. Nachdem diese Verstär kung bey den erstern Trupen angelangt war, faßten die Macedonier wieder Muth, gingen wieder ins Treffen, und verjagten nun ihrer Seits die Römer von den Anhöhen. Ja der Sieg würde vollkommen gewesen seyn, wenn nicht die Aetolische Reiterey, auf die sie stiessen, und die mit einem ausserordentli chen Muth und Hartnäckigkeit stritt, sich ihnen entgegen gestellt hätte. Diese Reite rey war die beste unter allen Griechen, in sonderheit in unvermutheten Angriffen und besondern Scharmützeln. Sie hielt den er stern Sturz und die erste Hitze der Macedo nier aus, so daß man es ihr zu dancken hat te, daß die Römer nicht ganz über den Hauf fen geworfen wurden. Sie verliessen ihre Höhen, zogen sich aber ohne Unordnung zu rück. Es kam ein Curier über den andern bey dem Philippus an, die ihm insgesammt mel deten, daß die Römer voller Schrecken die Flucht nähmen, und es jetzt die Zeit wäre, sie gänzlich zu ruiniren. Weder die Zeit,
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noch das Erdreich gefielen dem Philippus.(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Die Hügel, auf denen man fochte, waren steil, mit verschiedenen Absätzen, und sehr hoch. Dem ohngeachtet konnte er dem wie derholten Geschrey und dem Anhalten der Armee, die zu streiten verlangte, nicht weiter widerstehen. Er ließ sie also aus ihren Ver schanzungen ausrücken. Der Proconsul that seiner Seits ein gleiches, und stellte seine Ar mee in Schlachtordnung. Jeder der Generale munterte in diesem entscheidenden Augenblicke seine Trupen durch die beweglichsten Gründe auf. Philippus stellte den seinigen vor, „daß die Perser, die Baktrianer, die Jndianer, ganz Asien und der ganze Orient durch ihre siegreiche Waf fen wären überwunden worden; daß sie a ber jetzt um so viel mehr Tapferkeit bewei sen müsten, weil es hier nicht auf Erlan gung einer neuen Oberherrschaft, sondern auf die Erhaltung der Freyheit, die herz haftesten Leuten angenehmer und kostbarer wäre, als die Herrschaft der ganzen Welt, ankäme. Der Consul hingegen stellte sei nen Soldaten ihre noch gantz neuen Siege vor die Augen. Auf einer Seite, Sicilien und Carthago, auf der andern Jtalien und Spanien, die den Römern unterworf fen wären; kurz, er erinnerte sie an den durch ihre siegreiche Hände aus Jtalien vertriebenen Hannibal, der mit dem Ale xander füglich in Vergleichung gestellt, wo nicht gar ihnen vorgezogen werden könnte;
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) und, was sie noch mehr aufmuntern muste, zeigte er ihnen eben den Philippus, wider den sie jetzt fechten sollten, als einen solchen, der schon mehr als einmal von ihnen wäre überwunden, und die Flucht zu ergreiffen gezwungen worden.“ Diese (*) durch dergleichen Reden muthig gemachte Soldaten, davon jene sich Ueber winder des Orients, diese Besieger des Oc cidents nennten, jene auf den alten Ruhm ihrer Vorfahren, diese auf ihre eigne erober te Siegszeichen und nur kürzlich erfochtene Siege stolz waren, rüsteten sich beyderseits zur Schlacht. Flamininus gab auf seinem rechten Flügel den Befehl, daß er nicht von seinem Posten wanken sollte, zu welchem En de er die Elephanten vor diesen Flügel stellte; er selbst marschirte mit einem stolzen und un erschrockenem Schritt an der Spitze des lin ken Flügels auf den Feind los. So bald als diejenigen Römer, die die Höhen zu verlassen waren gezwungen worden, ihren General und seine Armee sahen, fingen sie den Streit von neuem an, stürzten auf den Feind los, und nöthigten ihn zum zweitenmale zu wei chen. Philippus rückte in gröster Eil mit seinen 95
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grosse Schilde führenden Soldaten und dem(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) rechten Flügel seiner Phalanx auf die Anhö hen, und ertheilte dem Nikanor, einem der vornehmsten seines Hofes, Befehl, ihm mit dem Reste seiner Trupen unverzüglich zu fol gen. Als er auf dem Hügel ankam, wurde er einige todte Cörper und einiges Gewehr gewahr, das die Römer zurück gelassen hat ten. Hieraus schloß er, daß man an diesem Orte müste gefochten haben, daß die Römer hier müsten seyn geschlagen worden, und daß man nahe bey ihrem Lager im Handgemen ge wäre. Dieser Vorwurf entzückte ihn vor Freuden. Allein da er einen Augenblick dar nach durch die Veränderung, welche die An kunft des Proconsuls verursacht hatte, die seinigen fliehen sahe, war er eine zeitlang zweifelhaft, ob er nicht seine Trupen wieder ins Lager sollte einrücken lassen. Jedoch da die Römer immer näher kamen, und die von den Seinigen, die zuerst gefochten hatten, nun aber Reißaus gaben und dem Feinde, der sie verfolgte, den Rücken zukehrten, noth wendig in Stücken musten zerhauen werden, wenn er ihnen nicht zur Hülfe eilte, und end lich er auch selbst nicht, ohne sich einer au genscheinlichen Gefahr blos zu stellen, zurück kommen konnte, sahe er sich gezwungen, noch ehe der Rest von seiner Armee zu ihm gestos sen war, mit den Feinden anzubinden. Nachdem der König die Flüchtigen zusam men gebracht hatte, machte er seinen rechten Flügel aus denen, die grosse Schilde trugen,
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) und aus einem Theile der Phalanx; und um zu verhindern, daß man nicht in sie ein brechen könnte, machte er die Fronte der Schlachtordnung um die Helfte kleiner, ver doppelte hingegen innerhalb die Glieder, und gab also diesem Flügel eine viel grössere Hö he, als Breite. Zugleich befahl er den Sol daten, sich dergestallt festgeschlossen zu hal ten, daß Mann und Gewehr einander be rührten, und mit niedergelassenen Picken ge gen den Feind zu marschiren. Quintius hatte unterdessen diejenigen, die zum Anfange mit den Macedoniern zu thun gehabt hatten, in ihre leeren Plätze aufgenommen. Da das Treffen seinen Anfang nahm, er hob man von beyden Theilen ein fürchterli ches Geschrey. Der rechte Flügel des Phi lippus hatte augenscheinlich allen Vortheil. Der erhabene Posten, von dem er stritt, und in einem Sturm über die Römer herfiel, die Schwere seiner Stellung, die Vortreflich keit seines Gewehrs, alles dieses gab ihm ei ne grosse Ueberlegenheit. Die Römer konn ten den ersten Anfall dieser geschlossenen und mit ihren Schildern bedeckten Trupen, deren Fronte eine Reihe Piken vor sich hatte, nicht aushalten. Sie musten also weichen. Ganz anders verhielt es sich mit dem lin ken Flügel, der erst angekommen war. Er konnte sich fast gar nicht nach Art der Phalanx stellen; seine Glieder waren getrennt, und durch die Anhöhen und das unebene Erdreich von einander abgesondert. Da Quintius
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dem Nachtheile, den die Seinigen auf dem(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) linken Flügel erlitten, nicht anders abzuhel fen wuste, begab er sich in voller Furie auf den rechten, ließ sogleich seine Elephanten ge gen diese Phalanx, die wenig Muth bezeigte, und schlechten Stand hielt, lostreiben, und stürzte hierauf selbst mit seinen frischen Tru pen auf dieselbe, in der gewissen Hofnung, daß, wenn er hier einbrechen, und diesen Flü gel in Unordnung bringen könnte, selbiger den andern, obwohl siegreichen Flügel, bald nach sich ziehen würde. SieDie Sache geschah, wie er gedacht. Weil dieser Flügel sich nicht in der Stellung der Phalanx hatte erhalten, noch seine Glieder verdoppeln und sich eine grössere Höhe geben können, worinnen die ganze Macht der Macedonischen Schlacht ordnung bestand, wurde er völlig über den Haufen geworfen. Bey dieser Gelegenheit machte ein Obri ster, der nicht mehr als zwanzig Compagnien bey sich hatte, eine Bewegung, die sehr viel zum Siege beytrug. Da er sahe, daß Phi lippus, weit entfernt vom übrigen Theile der Armee, den linken Flügel der Römer sehr ins Gedränge brachte, verließ er den rechten Flü gel, der schon den völligen Sieg in Händen hatte, und ging, ohne von jemanden, ohne von sich selbst und der gegenwärtigen Stellung der Armeen einen Rath zu nehmen, gerade auf die Phalanx des rechten Flügels der Feinde los, kam ihnen in den Rücken, und setzte mit aller Macht in sie ein. Die Pha
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) lanx aber hatte wegen der ausserordentlichen Länge ihrer Piken und wegen der festen An einanderschliessung ihrer Glieder diese Unbe quemlichkeit, daß die Soldaten sich weder um kehren, noch Mann gegen Mann fechten konnten. Der Obriste brach immer weiter ein, und hieb, so wie er sich Platz machte, alles nieder. Endlich warfen die Macedo nier, da sie sich nicht weiter wehren konnten, ihre Waffen von sich, und ergriffen die Flucht. Die Unordnung war um so viel grösser, da die von den Römern, die gewichen waren, sich wieder gesetzt hatten, und die Phalanx zu gleicher Zeit von vorn angriffen. Philippus, der von dem Vortheile, den er auf seiner Seite erhielt, auch von dem Re ste der Armee urtheilte, hatte sich schon auf einen vollkommenen Sieg Rechnung gemacht. Als er seine Soldaten die Waffen von sich werfen und die Römer ihnen in Rücken sahe, entfernte er sich mit einem Corps Trupen ein wenig von dem Schlachtfelde, und betrachte te von dar, in was für einem Zustand die Sa chen waren. Da er sahe, daß die Römer, die seinen linken Flügel verfolgten, fast die Spitze der Gebürge erreichten, nahm er al les, was er von Thraciern und Macedoniern aufbringen konnte, zusammen, und suchte sein Heil in der Flucht. Nach der Schlacht, da sich der Sieg auf allen Seiten für die Römer erklärt hatte, zog sich Philippus nach Tempe, und hielt sich ei ne Zeitlang allda auf, diejenigen zu erwarten,
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die aus der Schlacht entkommen waren. Er(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) hatte die weise Vorsicht gebraucht, alle seine Pappiere zu Larissa verbrennen zu lassen, da mit die Römer nicht im Stande wären, ei nen von seinen Freunden zu beunruhigen. Die Römer verfolgten die Flüchtigen eine Zeitlang. Man beschuldigt die Aetolier, daß sie Schuld daran gewesen, daß Philippus entkommen wäre. Denn an statt ihn zu verfolgen, be schäftigten sie sich mit Plünderung seines La gers, so daß die Römer, da sie von dem Nach jagen zurückkamen, fast nichts fanden. Die Vorwürffe waren von beyden Theilen sehr lebhaft, und bey dieser Gelegenheit fing die Bitterkeit zwischen beyden Nationen an aus zubrechen. Nachdem man den Tag darauf die Ge fangenen und das übrige von der Beute zu sammen gebracht hatte, nahm man den Weg nach Larissa. Der Verlust der Römer in dieser Schlacht betrug ohngefähr sieben hun dert Mann. Die Macedonier büßten drey zehen tausend ein, wovon acht tausend auf dem Schlachtfelde blieben, und fünf tausend zu Gefangenen gemacht wurden. Dieses war der Ausgang der Schlacht bey Cyno seephalä. Bey Gelegenheit dieser Schlacht macht Polybius eine Ausschweifung auf die Mace donische Phalanx, deren Vortheile und Un bequemlichkeiten er weitläuftig anzeigt. Man findet selbige im sechsten Theile der alten Hi storie.
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(d. 555. J. n. R. E. {??}. 197. J. v. C. G.) Die Aetolier hatten sich in dieser Schlacht allerdings hervorgethan, und nicht wenig zum Siege beygetragen. Sie hatten aber (Unbesonnene Pralerey der Aetolier. Polyb. in excerpt. Legat. Livius XXXIII. 11. Plut. in Fls min.) die Eitelkeit, oder vielmehr die Unbesonnen heit, diesen glücklichen Erfolg zum Nachtheil des Quintius und der Römer ihnen allein zuzuschreiben. Eine Aufschrift in Versen, die durch einen Poeten damaliger Zeit, Na mens Alcäus, in dieser Absicht war verfaßt worden, breitete hiervon ein Gerücht in ganz Griechenland aus. Quintius, der schon auf die unmäßige Begierde, mit der sich die Aetolier, ohne die Römer zu erwarten, über die Beute hergemacht hatten, übel zu spre chen war, wurde durch alle diese Reden, die seiner Person insonderheit nachtheilig waren, noch mehr aufgebracht. Seit der Zeit be gegnete er ihnen überaus kaltsinnig, that ih nen weiter nichts von den öffentlichen Ange legenheiten kund, und ließ es sich bey aller Gelegenheit angelegen seyn, ihren Stolz zu erniedrigen. (Quintius steht dem Philippus ei nen Waffen stillstand und eine Unterre dung zu. Polyb. eben das.) Einige Tage nach der Schlacht kamen Gesandte von dem Philippus, bey dem Quin tius, der zu Larissa war, an, unter dem Vorwande, einen Stillstand zu Begrabung der Todten, in der That aber, eine Unterre dung mit ihm zu erhalten. Der Proconsul gieng beydes ein, bewieß auch dem Könige allerhand Höflichkeiten, indem er ihm sonder lich sagte, daß er das beste hoffen möchte. Diese Worte misfielen den Aetoliern ausser ordentlich. Weil sie die Römer nicht recht
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kannten, und von ihnen nach ihren eigenen(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Gesinnungen urtheilten, bildeten sie sich ein, Flamininus wäre aus keiner andern Ursache dem Philippus gewogen, als weil ihn dieser mit grossen Geschenken bestochen, und weil er, ob er wohl der uneigennützigste General, der jemals gewesen, und am wenigsten fähig war, sich durch die Reitzungen eines schänd lichen Gewinstes fangen zu lassen, die Absicht hätte, sich durch die Freygebigkeiten des Kö nigs zu bereichern. Der Proconsul hatte dem Könige einen(Berathschla gung wegen des Friedens zwischen den Bundsgenos sen. Pol. ebend. Livius XXXIII. 12.) Stillstand auf vierzehn Tage verstattet, und war mit ihm wegen der Zeit, wenn sie mit einander Unterhandlung pflegen wollten, eins worden. Unterdessen aber beruffte er die Bundsgenossen zusammen, um ihnen die Be dingungen mitzutheilen, unter denen er glaubte, daß man ihm den Frieden bewilli gen könnte. Amynander, König der Atha manen, der zuerst redete, sagte, ohne viel Re dens zu machen,„ man müste den Krieg auf eine solche Art endigen, daß Griechenland, auch in Abwesenheit der Römer, im Stan de wäre, den Frieden zu erhalten, und sei ne Freyheit für sich selbst zu behaupten.“ Alexander, ein Aetolier, nahm hierauf das Wort, und sagte: „daß, wenn der Pro consul, indem er sich in einen Tractat mit dem Philippus einliesse, dächte, entweder den Römern einen sichern Frieden, oder den Griechen eine dauerhafte Freyheit zu verschaffen, er sich sehr betröge. Das ein
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) zige Mittel, den Krieg mit Macedonien zu endigen, wäre, den Philippus von dem Throne zu stürzen. Die Sache wäre so schwer nicht, wenn man sich nur der Gele genheit, die man in Händen hätte, bedie nen wollte.“ Quintius richtete seine Antwort an den Alexander, und redete ohngefähr also: „Du kennest weder den Charakter der Römer, noch meine Absichten, noch auch den wah ren Vortheil der Griechen. Es ist der Rö mer Gewohnheit nicht, eine Macht, mit der sie Krieg geführt, und die sie überwun den haben, gänzlich auszurotten: Hanni bal und die Carthaginenser können davon eine Probe ablegen. Mein Absehen ist nie mals gewesen, einen unversöhnlichen Krieg mit dem Philippus zu führen. Jch bin al lezeit bereit gewesen, ihm den Frieden zuzu gestehen, so bald er sich den Bedingungen, die ihm vorgeschrieben würden, unterwerf fen wollte. Jhr Aetolier selbst habt in den Versammlungen, die ihr zu dem Ende ge halten habt, niemals davon geredet, dem Philippus sein Königreich zu entreissen. Sollte es der Sieg seyn, der uns derglei chen Vorhaben in den Sinn brächte? Was für ein leichtsinniger Gedanke! Wen̄ uns ein Feind mit gewafneter Hand an greift, ist es erlaubt, ihn muthig und tapf fer abzuweisen. Aber wenn er zu Boden geschlagen ist, erfordert es des Siegers Schuldigkeit, Mäßigung, Gütigkeit und
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Menschlichkeit blicken zu lassen. Was die(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) Griechen anbelangt, ist es allerdings für sie von äusserster Wichtigkeit, daß das Kö nigreich Macedonien minder mächtig sey, als es ehedem gewesen; es ist ihnen aber auch nicht weniger daran gelegen, daß es nicht ganz und gar vertilget werde. Es dienet ihnen statt einer Vormauer wider die Thracier, Jllyrier und (*) Gallier, oh ne welcher alle diese Barbaren, wie es schon oft geschehen ist, ohnfehlbar über Griechen land herfallen würden.“ Flamininus beschloß damit, daß sein und der Versammlung Meinung wäre, dem Phi lippus, wenn er alles das, was ihm zuvor von den Bundsgenossen wäre vorgeschrie ben worden, heilig zu halten verspräche, den Frieden zu ertheilen, wenn man vorher den Senat zu Rom darüber zu Rath gezogen hätte; und die Aetolier könnten darüber ih ren Entschluß nach ihrem Gefallen fassen. Phaneas, Prätor der Aetolier, wendete dar auf mit vieler Hitze ein: „daß Philippus, wenn er dieser Gefahr entkäme, gar bald neue Händel anfangen, und zu einem neu en Kriege Gelegenheit geben würde.“ Der Proconsul aber versetzte darauf: „Das ist meine Sache; ich will schon Anstallt ma chen, daß er nichts wider uns unterneh men könne.“ Den Tag darauf stellte sich Philippus an(Unterredung des Quinti us u. Philip=) 96
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(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) dem Orte der Unterredung ein; und drey Tage darnach gab Quintius nebst allen Ab geordneten der Bundsgenossen dem Könige (pus. Der Friede wird darinnen ge schlossen. Polyb. ebendas. Livius XXXIII. 13. Plut. in Flam.) Audienz, der mit so viel Verstand und Klug heit redete, daß er aller Gemüther besänftig te. Er sagte, „daß er alles, was die Rö mer und Bundsgenossen ihm in der letz tern Unterredung vorgeschrieben hätten, annähme, und leisten wollte; und daß er sich übrigens gänzlich dem Willen und Be fehle des Raths überliesse.“ Nach diesen Worten erfolgte ein stillschweigender Bey fall aller in der Versammlung. Nur allein der Aetolier Phaneas machte noch einige miß fällige Schwierigkeiten, worauf man aber nicht Acht hatte. Was aber hauptsächlich den Flamininus antrieb, mit Schliessung dieses Friedens zu eilen, war die Nachricht, die er erhalten hat te, daß Antiochus im Ernste vorhätte, mit ei ner Armee nach Europa herüber zu kommen. Er fürchtete, es möchte Philippus, in der Hofnung, von diesem Fürsten einen ansehnli chen Beystand zu erhalten, den Entschluß fassen, nur auf die Vertheidigung seiner fe sten Oerter bedacht zu seyn, und auf diese Art den Krieg in die Länge zu ziehen. Hier nächst merckte er wohl, daß, wenn ein ande rer General seine Stelle bekommen sollte, man demselben alle Ehre dieses Kriegs zu schreiben würde. Zu dem Ende verstattete er dem Könige einen Stillstand auf vier Mo nate, befahl ihm sogleich vierhundert Talen
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te (vierhundert tausend Thaler) zu zahlen,(d. 555. J. n. R. E. d. 197. J. v. C. G.) nahm seinen Sohn Demetrius und einige Grosse seines Hofes zu Geisseln, und erlaub te ihm, nach Rom zu schicken, um von dem Rathe die Entscheidung seines Schicksaals zu erhalten. Quintius gab dem Könige sein Wort, daß, wenn der Friede nicht sollte ge nehmiget werden, er ihm die Talente und sei ne Geissel wiedergeben wollte. Hierauf schickten alle, die Theil hieran nahmen, ihre Gesandte nach Rom, einige um den Frieden zu befördern, andere um Schwierigkeiten darwider zu erheben.

L. Furius Purpureo.(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) M. Claudius Marcellus.

Erst unter diesen neuen Consuls erhielt(Der über den Philippus er haltene Sieg verursacht zu Rom eine sehr grosse Freude. Livius XXXIII. 24.) man zu Rom die Briefe des Quintius, wel che die umständliche Nachricht von dem über den Philippus erhaltenen Siege dahin über brachten. Man ließ sie zuvörderst in dem Rathe, und hierauf auch vor dem Volke ab lesen; und man ordnete ein öffentliches Dankfest auf fünf Tage an, um die Götter für den Schutz, den sie den Römern in dem Kriege wider die Macedonier geleistet, zu preisen. Einige Tage darnach kamen die Gesand(Der von dem Qvintius entworfene u. nach Rom überschickte Friede wird daselbst ge nehm gehal) ten wegen des Friedens, den man mit dem Könige in Macedonien zu schliessen vorhatte, zu Rom an. Die Sache wurde im Rathe abgehandelt. Die Gesandten hielten darin
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) nen lange Reden, jeder nach seinen Absich ten und Vortheilen: endlich aber behielt doch die Meinung für den Frieden die Oberhand. (ten. Man schickt zehn Bevollmäch tigte ab, die Angelegen heiten Grie chenlands in Ordnung zu bringen. Liv. ebend. Polyb. ebendas.) Da eben diese Angelegenheit dem Volke vor getragen wurde, gab sich der Consul Mar cellus, der sehr begierig war, die Armeen in Griechenland zu commandiren, alle nur er sinnliche Mühe, daß der ganze Entwurf des Friedens verworffen würde: er konnte es aber nicht dahin bringen. Das Volk ge nehmigte den Plan des Flamininus, und bestätigte alle Bedingungen. Der Rath er nannte hierauf zehen der Vornehmsten aus seinen Mitgliedern, nach Griechenland zu ge hen, die Angelegenheiten Griechenlands nebst dem Proconsul abzuthun, und den Griechen die Freyheit zu versichern. Die Achäer verlangten in eben derselben Versammlung, unter die Anzahl der Bunds genossen des Römischen Volks aufgenommen zu werden. Diese Angelegenheit, welche ei nige Schwierigkeit fand, wurde an die zehen Bevollmächtigten verwiesen. Bey den Böotiern hatte sich zwischen den Anhängern des Philippus und der Römer ein Tumult erhoben, der von beyden Theilen bis zu den grösten Ausschweiffungen getrie ben wurde. Es hatte derselbe aber keine (Die Artickel des geschlos senen Frie dens. Polyb. ebendas.) Folgen, weil ihn der Proconsul beyzeiten still te und dagegen gute Anstallten machte. Die zehen Bevollmächtigte, die von Rom abgegangen waren, die Angelegenheiten Grie chenlands in Ordnung zu bringen, langten
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in kurtzer Zeit allda an. Die vornehmsten(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) Bedingungen des Friedenstractats, den sie mit Zuziehung des Quintius abfaßten, wa ren folgende: „Daß alle andre (*) Grie(Liv. XXXIII. 30.) chische Städte, sowohl in Asien als Euro pa frey seyn, und nach ihren eigenen Gese tzen leben; daß Philippus, vor der Feyer der isthmischen Spiele, alle diejenigen, worinnen er Besatzung hätte, räumen; daß er den Römern die Gefangenen und Ueberläuffer zurück geben, und ihnen alle seine mit Verdecken versehene Schiffe, aus ser fünf Felucken, und der Galee von sech zehen Ruderbänken, überliefern; daß er endlich tausend Talente, (eine Million Tha ler) die Helfte sogleich, und die andere Helfte binnen zehn Jahren, in jedem funf zig Talente, als einen Tribut, erlegen sol te. Unter denen Geisseln, die man von ihm verlangte, befand sich Demetrius, sein jüngster Prinz, der nach Rom geschickt wurde.“ Auf diese Art endigte Quintius den Ma cedonischen Krieg zu grossem Vergnügen der Griechen, und sehr glücklich für die Römer. Denn, ohne von dem Hannibal zu reden, der, ohnerachtet er besiegt war, dennoch den Römern noch Händel genug machen konn te; gedachte insonderheit Antiochus, dessen 97
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) Macht durch seine berühmte Thaten und Kriegsunternehmungen stark angewachsen war, und der daher den Beynahmen des Grossen erhalten hatte, seine Waffen nach Europa herüber zu bringen. Wenn also Quintius durch seine grosse Klugheit nicht vorausgesehen hätte, was sich ereignen kön̄ te, wenn der Krieg wider den Antiochus noch mitten in Griechenland zu dem, den man mit dem Philippus zu führen hatte, hinzugekommen wäre; und wenn die beyden grösten und mächtigsten Könige, die damals waren, durch gleiche Absichten und Vor theile mit einander vereinigt sich zugleich wi der die Römer aufgelehnt hätten, ist es ge wiß, daß sie sich in eben so grosse Gefahr ver wickelt gefunden haben würden, als sie in dem Kriege wider den Hannibal erfahren hatten. Es herrschte aber eine besondere Vorsehung über Rom, und lenkte die Vor fälle auf eine mit denjenigen Absichten über einstimmende Art ein, die sie gegen diese künftige Hauptstadt des Erdbodens hatte. (Die Aetoli er machen diesen Frie denstractat heimlich her unter. Liv. XXXIII. 31. Polyb. ebendas.) Dieser Friedenstractat that, sobald man davon einige Kenntniß erhielt, allen Vernünftigen ein Genügen. Die Aetolier allein schienen darüber mißvergnügt. Sie machten ihn heimlich bey den Bundsgenos sen herunter, indem sie sagten: „er enthielte nichts, als Worte, und weiter gar nichts: man ziehe die Griechen mit dem eiteln Ti tel der Freyheit nur auf, und die Römer versteckten unter diesem schönen Worte ih
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re eigennützigen Absichten. Zwar liessen(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) sie wohl die in Asien liegende Städte frey, sie schienen aber dargegen sich die in Euro pa, als Oreum, Eretria, Chalcis, Deme trias und Corinth vorzubehalten. Wenn man also eigentlich von der Sache reden wollte, wäre Griechenland nicht von seinen Ketten befreyet, sondern hätte aufs höch ste nur seinen Herrn geändert.“ Diese Klagen giengen dem Proconsul um so mehr nahe, da sie nicht ganz ohne Grund zu seyn schienen. Die Bevollmächtigten rie then, zufolge ihrer Vollmachten, die sie zu Rom erhalten hatten, dem Quintius, allen Griechen die Freyheit wieder zu geben, und nur die Städte Corinth, Chalcis und De metrias, die die Schlüssel Griechenlands wä ren, zu behalten, und gute Besatzungen dar ein zu legen, um sich deren gegen den Antio chus zu versichern. Er erhielt zwar in dem darüber gepflogenen Rath, daß Corinth in Freyheit gesetzt werden sollte, es wurde aber dabey beschlossen, eine Besatzung in dem da sigen Schlosse, wie auch in den beyden Städ ten Chalcis und Demetrias zu lassen; und solches nur auf eine zeitlang, bis man von dem Könige in Syrien nichts weiter zu be sorgen hätte. Die isthmischen (*) Spiele, die man näch(Die Artickel des Friedens tractats wer den bey den isthmischen) stens feyern wollte, zogen allezeit eine grosse 98
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) Menge Menschen herbey, theils wegen der Nei gung, welche die Griechen von Natur zu die sen Schauspielen hatten, wo man mit der (Spielen be kannt ge macht. Liv. XXXIII. 32. Plut. in Flamin. Polyb. ebendas.) Leibesstärke, mit der Geschwindigkeit im Ren nen, und selbst mit der Geschicklichkeit in al len Arten der Künste, um den Preiß stritt, theils wegen der Bequemlichkeit, die sie hat ten, an einen Ort hinzukommen, wo man auf beyden Seiten des Meers anlanden kon̄ te. Damals aber fanden sie sich in noch weit grösserer Menge, als jemals, ein, um selbst von der neuen Regierungsform, die man in Griechenland einführen wollte, Nach richt einzuziehen, und aufs gewisseste zu er fahren, welches ihr künftiges Glück und Schicksaal seyn sollte. Die Friedenspunkte, die noch nicht gänz lich bekandt waren, gaben den Stoff zu allen Unterredungen, und man redete davon un terschiedlich, indem die meisten sich nicht be reden konnten, daß sich die Römer aus al len Plätzen, die sie eingenommen hatten, her aus ziehen würden. Jederman war in dieser Ungewißheit, als der Herold, nachdem die Römer ihre Plätze genommen hatten, mitten auf den Platz vor trat. Kaum hatte ein Stoß in die Trom pete eine Stille gemacht, als er mit starker Stimme folgendes ausrufte:Der Rath und das Kömische Volk, und Quintius Flamininus, der Gene ral ihrer Armeen, befreyen, nach
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dem sie den Philppus und die Ma(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) cedonier überwunden haben, die Corinthier, Locrenser, Phocenser, die Einwohner der Jnsel Euböa, die Achäer, (*) Phthioten, Magnesi er, Thessalier, und die Perrhäbier von allen Besatzungen und andern Auflagen; erklären sie für frey, er halten ihnen alle ihre Vorzüge, und wollen, daß sie nach ihren Ge setzen und ihren Gebräuchen leben. Nach diesen (†) Worten, welche viele(Die Grie chen erhal ten die Nach richt von ih rer Freyheit mit ausser=) wegen des Lärmens, das gemacht wurde, nur halb gehört hatten, waren alle Anwe 99 100
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) sende fast ausser sich selbst, und nicht mehr Meister über ihre Freude. Sie sahen einan der mit Erstaunen an, und befragten sich wechselsweise über die Artickel, die einen je (ordentlichen Freudens bezeigungen. Ebendas.) den ins besondere betrafen. Sie konnten weder ihren Augen, noch ihren Ohren trau en, so sehr schien ihnen alles, was sie sahen und hörten, einem Traume ähnlich. Der Herold muste noch einmal eben dieselbe Kund machung wiederhohlen. Jetzt wurde er mit einem tiefen und allgemeinen Stillschweigen angehört, und man verlohr nicht eine Sylbe von dem ganzen Decret. Da sie nun ganz sicher von ihrem Glücke überzeugt waren, ü berliessen sie sich von neuem ohne Maas de nen Entzückungen ihrer Freude, mit einem Geschrey und Klatschen, welches sie so stark und so oft wiederholten, daß das Meer da von weit erschallte, und die Raben, die in dem Augenblick über der Versammlung weg flogen, in die Rennbahne herunter fielen. Da mals sahe man deutlich, daß unter allen menschlichen Gütern dem gemeinen Volke keines angenehmer sey, als die Freyheit Die Feyer der Spiele endigte sich sehr geschwind und eiligst, ohne daß weder die Gemüther, noch die Augen auf das Schauspiel aufmerk sam waren. Niemand machte sich weiter etwas daraus, weil ein einziger Vorwurf die ganze Seele erfüllte, und allen übrigen Ergötzungen keinen Platz übrig ließ. Nach Endigung der Spiele, lieffen fast alle Haufenweise zu dem römischen General, so
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daß er, indem ein jeder ihm, als seinem Be(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) freyer, sich zu nähern, ihn zu grüssen, ihm die Hand zu küssen, und Blumenkränze und Sträusser zu seinen Füssen zu werffen sich bestrebte, seiner Person wegen in einiger Ge fahr war, wenn nicht die Munterkeit seines Alters (denn er war erst drey und dreyßig Jahr alt,) und die Freude über einen so rühmlichen Tag ihn unterstützt und in Stand gesetzt hätte, alle diese Beschwerlichkeiten aus zuhalten. Jch frage hier, ob wohl jemals für einen(Betrachtung über diese grosse Bege benheit.) Sterblichen ein angenehmerer und rühmli cher Tag gewesen sey, als dieser für den Fla mininus und für das ganze römische Volk war. Was sind alle Triumphe{??} der Welt gegen dieses Freudengeschrey einer unzählba ren Menge, und gegen diesen Bey{??}fall, der von Herzen ging und die natürlich{??}e Wirkung einer lebhaften Dankbarkeit war? Man mag alle Siegszeichen, alle Triumphe{??}, alle Erobe rungen Alexanders zusam̄en nehm{??}en, was wer den sie, wenn man sie mit dieser ein{??}zigen Hand lung der Gütigkeit, Menschlichkeit{??} und Gerech tigkeit zusammen hält? Es ist ei{??}n grosses Un glück, daß die Fürsten gegen{??}eine so reine Freude, und gegen einen so rühre{??}nden Ruhm, dergleichen der ist, den Mensch{??} wohlzuthun, nicht so empfindlich seyn, als wohl sollten! Das (*) Andenken eines schönen Tages(Livius XXXIII. 33.) 101
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) und einer so rührenden Wohlthat erneuerte sich alle Tage, und binnen einer langen Zeit wurde bey den Gastmaalen und Besuchen von nichts anders gesprochen. Man sagte voller Verwunderung, und mit einer Art von Ent zückung: Es wäre also doch eine Nation auf dem Erdboden, die, auf ihre Unkosten und Ge fahr, Kriege unternähme, um andern die Ru he und Freyheit zu verschaffen, und die solches nicht etwan für benachbarte Völker, und de nen man wegen der Nähe zu Lande beystehen könnte, thäte, sondern über das Meer setzte, um zu verhindern, daß nicht irgendwo eine ungerechte Herrschaft ausgeübet, sondern ü berall die Gesetze, Billigkeit und Gerechtig keit beobachtet würde! Durch die einzige Stimme eines Herolds wäre allen Städten Griechenlandes und Asiens die Freyheit wie dergegeben worden. Es gehörte schon eine grosse Seele darzu, solches nur zu gedencken; es aber zu vollziehen, wäre die Wirkung ei nes seltnen Glückes und einer vollkommenen Tugend und Tapferkeit.
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Sie erinnerten sich aller der grossen Krie(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) ge, die Griechenland seiner Freyheit wegen jemals unternommen gehabt. Sie sagten: Niemals habe die Tapferkeit Griechenlands, nach so vielen ausgestandenen Kriegen, eine so herrliche Belohnung überkommen, als da Fremde für dasselbe zu streiten gekommen wä ren. Denn jetzt hätte es, fast ohne einen Tropfen Bluts und ohne eine Thräne ver gossen zu haben, den allerschönsten und er wünschtesten Preis, den man nur davon tra gen könnte, erhalten. Die Tapferkeit und Klugheit wären zwar zu allen Zeiten sehr sel ten gewesen: allein von allen Tugenden wäre doch die Gerechtigkeit die seltenste. Ein Age silaus, Lysander, Nicias, Alcibiades hätten zwar Kriege zu führen, und Schlachten zu Wasser und zu Lande zu gewinnen gewust: es wäre solches aber für sie und ihr Vater land, nicht für Unbekannte und Fremde ge schehen. Dieser Ruhm wäre den Römern vorbehalten. Diese Betrachtungen machten die Grie chen über eine so glückliche Begebenbeit, und der Erfolg stimmte auch ohne Verzug mit der rühmlichen Kundmachung bey den isthmi schen Spielen überein. Denn die Bevoll mächtigten theilten sich, um selbst in allen Städten ihr Decret in Vollziehung zu brin gen. Da einige Zeit darauf der Flamininus(Quintius durchreiset alle Städte Griechen lands. Plut. ebend.) nach Argos abgieng, wurde er daselbst bey den Nemäischen Spielen zum Richter bestellt,
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) und ihm die ganze Anordnung überlassen. Er verwaltete dieses aufgetragene Amt voll kommen wohl, und vergaß nichts, was die Pracht und Herrlichkeit dieser Feyer vermeh ren konnte. Er ließ auch bey diesen Spielen nochmals, wie er es bey den isthmischen ge than hatte, durch einen Herold die Freyheit der Griechen kund machen. Jndem er von einer Stadt zur andern rei sete, machte er überall allerhand gute Ver ordnungen, verbesserte das Justitz - Wesen, stellte die Freundschaft und Eintracht unter den Bürgern wieder her, stillte die Unruhen und legte die Zänkereyen bey, und ließ die Verbannten zurückkommen: tausendmal ver gnügter, durch gelinde Mittel die Griechen dahin zu bringen, daß sie sich mit einander vertrugen und friedlich mit einander lebten, als es ihm gewesen war, die Macedonier über wunden zu haben; so daß die Freyheit selbst ihnen die geringste unter den Wohlthaten, die sie von ihm empfangen hatten, zu seyn schien. Und worzu hätte ihnen dieselbe auch gedient, wenn nicht die Gerechtigkeit und Eintracht mitten unter sie wäre zurückgeruffen worden? Was für ein Muster fur einen Stadthal ter, für einen Oberaufseher einer Provinz! und was für ein Glück für die Völcker, die dergleichen finden! Man erzählt, daß, als der Philosoph Xenocrates einsmahls durch den Redner Lycurgus zu Athen aus den Händen der Pächter, die ihn ins Gefängnis schleppten, um die Bezahlung einer Summe Geldes
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von ihm zu erhalten, welche die Fremden in den öf(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) fentlichen Schatz zahlen musten, wäre befreyet wor den, und er bald darnach den Söhnen seines Be freyers begegnete, er zu ihnen gesagt habe:Jch be zahle eurem Vater das Vergnügen, das er mir gemacht hat, mit Wucher: denn ich bin Ursa che, daß er von jedermann gelobt wird.Allein die Danckbarkeit, die die Griechen dem Flamininus und den Römern bewiesen, zog ihnen nicht nur gros ses Lob zu, sondern diente auch ausserordentlich, ih re Macht zu vermehren, indem sie jedermann reitzte, sich ihnen anzuvertrauen und unter ihren Schutz zu begeben. Denn man begnügte sich nicht daran, die Obrigkeiten und Generale, die sie in die Provinzen schickten, anzunehmen, sondern man verlangte sie mit vielem Anhalten: man rufte sie und überließ sich ihnen nebst allen seinen Vortheilen. Und nicht allein die Völker und Städte, sondern die Fürsten und Könige selbst nahmen, wenn sie einige Ursache über die benachbarte Könige zu klagen hatten, ihre Zuflucht zu ihnen, und vertrauten sich ihrem Schu tze an: so daß in kurzer Zeit, durch eine Wirckung der göttlichen Beschirmung (dies ist der Ausdruck( Θεοῦ συνε- φαπτομένου. ) des Plutarchs) der ganze Erdboden ihre Oberherr schaft erkannte. Cornelius, einer von den Bevollmächtigten, hat=(Cornelius, einer von den zehn Bevoll mächtigten, geht von Tempe, wo er sich mit dem Könige un terredet hat te, nach der Stadt Ther mä ab, wo die Versam̄ lung der Ae tolier gehal ten wurde. Livius XXXIII, 35.) te sich zu dem Philippus begeben, und ihn, nachdem er die übrigen Angelegenheiten mit ihm in Richtig keit gebracht, gefragt, ob er wohl einen heilsamen und nöthigen Rath anzuhören geneigt wäre. Auf die Antwort des Königs, daß, weit entfernt solches übel zu nehmen, er ihm vielmehr verbunden seyn würde, wenn er ihm zu erkennen geben wollte, was zu seinem wahren Besten gereichte; ermahnte ihn der Cornelius auf das nachdrücklichste, weil er mit dem Römischen Volcke Friede gemacht hätte, Ge sandten nach Rom zu schicken, um den Friedenstra ctat in ein Freundschaftsbündniß zu verwandeln. Er gab ihm zu verstehen, daß, da Antiochus gewisse Absichten zu haben schiene, man ihn, wenn er diesen
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(d. 556. J. n. R. E. d. 196. J. v. C. G.) Schritt nicht thäte, im Verdacht haben könnte, die Ankunft dieses Fürstens erwartet zu haben, um sich mit ihm zu vereinigen und den Krieg von neuen anzu fangen. Philippus fand den Anschlag sehr weise, und versprach sogleich Gesandten nach Rom abge hen zu lassen. Hierauf begab sich Cornelius von Tempe, wo er den König angetroffen hatte, nach (*) Thermä, wo die Aetolier insgemein zu einer bestimmten Zeit ihre all gemeine Versammlung anstellten. Er hielt daselbst eine lange Rede, sie zu ermahnen, daß sie beständig und unverändert bey der Parthey, die sie ergriffen hätten, bleiben, und niemals die Freundschaft und das Bündniß, das sie mit den Römern gemacht hätten, fahren lassen möchten. Einige der Vornehm sten aus Aetolien beschwerten sich aber in einem sehr bescheidenen Tone, daß die Römer, seit dem Siege, nicht mehr so gut gegen ihre Nation gesinnt zu seyn schienen, als sie vorher gewesen wären. Andere war fen ihnen in harten und beleidigenden Ausdrücken vor, daß, ohne die Aetolier, die Römer nicht nur den Philippus nicht würden überwunden, sondern auch nicht einen Fuß in Griechenland gesetzet ha ben. Cornelius, der keine Gelegenheit zum Streit und Zanck, die allemal eine üble Wirkung haben, geben wollte, begnügte sich klüglich damit, sie an den Rath nach Rom zu verweisen, und versicherte sie, daß man ihnen Gerechtigkeit werde wiederfahren lassen. Und eben diesen Entschluß ergriffen sie auch. Solchergestallt endigte sich der Krieg wider den Philippus.

Ende des Sechsten Theils.

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|| [DLI]

1 (*) Es waren in Rom 30 Curien, wie wir an derwerts schon gesagt haben. Jede von die sen Curien hatte ihr Haupt, welches Curio hieß, und alle Gebräuche des Gottesdiensts besorgen mußte. Der vornehmste unter ih nen hieß Maximus Curio.
2 (*)Adhibenda eſt moderatio, quae ſanabilia inge- nia diſtinguere a deploratis ſciat. Seneca de Clement. I. 2.
3 (*)Ne nunc quidem poſt tot ſecula ſileantur, fraudenturve laude ſua, Signini fuere, & No- lani, &c. Harum coloniarum ſubſidio tum imperium populi Romani ſtetit. Liv.
4 (*)Ea tacita caſtigatio maxime ex dignitate po- puli romani viſa eſt. Liv.
5 (**) Dieses Gold hieß viceſimarium, weil es von dem zwanzigsten Theile des Preises eines Sclaven einkam. Dieser zwanzigste. Theil wurde der Republic erlegt, wenn man einem Sclaven die Freyheit gab. Diese Auflage kam im Jahr n. E. R. 398. auf.
6 (*) Castel Veteri, in dem hintern Calabrien.
7 (*)Cum eo nimirum, inquit, hoſte res eſt, qui nec bonam nec malam ferre fortunam poteſt. Seu vicit, verociter inſtat victis: ſeu victus eſt, inſtaurat cum victoribus certamen. Liv.
8 (*) Einer Stadt in Latium, Fraſcati.
9 (*) Dieser Valerius Flaccus konnte, wie mir es scheint, nicht viel älter als Cato seyn, weil er mit ihm zu gleicher Zeit Consul und Censor ward. Gleichwohl redet Plutarch, als von einer damals schon wichtigen Person, von ihm.
10 (*)Ego Q. Maximum. . . . adoleſcens ita dilexi ſenem, vt aequalem. Erat enim in illo viro comitate condita grauitas: nec ſenectus mo- res mutauerat. Cicero de Senect. n. 10.
11 (*)Facillime et in optimam partem cognoſcun- tur adoleſcentes, qui ſe ad claros et ſapientes viros, bene conſulentes reipublicae, contule- runt, quibuscum frequentes ſint, opinionem afferunt populo, eorum fore ſe ſimiles, quos ſibi ipſi delegerint ad imitandum. De Offic. II. 46.
12 (**)Venit mihi in mentem M. Catonis, hominis ſapientiſſimi: qui cum ſe virtute, non genere, populo Romano commendari putaret, cum ipſe ſui generis initium ac nominis ab ſe gigni et propagari vellet, hominum potentiſſimo- rum ſuſcipit inimicitias. Verr. vlt. n. 180. Hoc magis ab omnibus eiusmodi ciuis lau- dandus ac diligendus eſt, qui non ſolum a republica ciuem improbum remouet, verum etiam ſe ipſum eiusmodi fore profitetur ac praeſtat, vt ſibi non modo communi volun- tate virtutis atque officii, ſed etiam vt qua- dam magis neceſſaria ratione recte ſit hone- ſteque viuendum. . . . . Nam qui ſibi hoc ſumpſit, vt corrigat mores aliorum ac pecca- ta reprehendat, quis huic ignoſcat, ſi qua in re ipſa ab religione officii declinarit. Verr. III. 1. 2.
13 (*)Metus et terror infirma vincula caritatis, quae vbi remoueris, qui timere deſierint, odiſ- ſe incipient. Tacit. in Agric. cap. 32.
14 (**)Populo Romano iam a principio inopi me- lius viſum amicos, quam ſeruos quaerere, tu- tiusque rati volentibus, quam coactis imperi- tare. Salluſt. in bell. Iug. In pace, beneficiis magis, quam metu imperium agitare, Id. in bello Catil.
15 (*) Die Erdbeschreiber sind wegen der Lage von Castulo undBetula, oderBecula, sehr un einig. Cellarius und la Martiniere setzen diese beyden Oerter nicht weit von dem Ur sprunge desBätis oderGuadalquirir; und zwarCastulo auf die nordische Seite.
16 (*)Regium nomen alibi magnum, Romae in- tolerabile eſſe. Regalem animum in ſe eſſe, ſi id in hominis ingenio ampliſſimum duce- rent, tacite iudicarent; vocis vſurpatione ab- ſtinerent. Senſere etiam barbari magnitudi- nem animi, cuius miraculo nominis, alii mor- tales ſtuperent, id extam alto faſtigio aſpernan- tis. Liu<Liv> .
17 (*)Mors Marcelli cum alioqui miſerabilis fuit, tum quod nec pro aetate, (maior iam enim ſexaginta annis erat,) neque pro veteris pru- dentia ducis, tam improuide ſe, collegam- que, et prope totam rempublicam in prae- ceps dederat. Liu.
18 (*)Vt parentum ſaeuitiam ſic patciae patiendo ac ferendo leniendam eſſe.
19 (*)Dodwell behauptet und beweiset, daß diese Spiele das vorige Jahr wären gefeyret wor den.
20 (*)Minor aliquanto numerus. Man sieht hier, daßaliquantus auch manchmal so viel heißt alsmultus: wie in der Stelle bey dem Cice auri nauem euertat gubernator an paleae, in re aliquantum in gubernatoris inſcitia nihil intereſt.
21 (*)Additis quinque manipulis. Ein Manipu lus machte zwey Compagnien. Ein Cohors bestand aus drey Manipulis. Ein jeder Ma nipulus bey den Hastariis aus hundert und zwanzig, bey den Triariis aber nur aus 60 Mann.
22 (*)Omnia maiora etiam vero præſidia hoſtium' minora ſua, metu interprete ſemper in dete- riora inclinato, ducebant. Liu.
23 (*)Famam bellum conficere et parua mo- menta in ſpem metumque impellere animos. Liu.
24 (*)Primus quisque auribus oculisque haurire tantum gaudium cupientes. Liu.
25 (**) JetzoPontemole, eine Meile ohngefehr von Rom.
26 (*)Carthagini iam non ego nuncios ____Mittam ſuperbos. Occidit, occidit ________Spes omnis et fortuna noſtri __________Nominis, Aſdrubale interempto. ________________Horat. Od. 4. lib. 4.
27 (*) JetzoPalestrine, eine Stadt im Kirchen staat.
28 (*)Ita unum Conſulem pro vtraque parte Ita- liae aduerſus duos duces, duos imperatores, hinc conſilium ſuum, hinc corpus oppoſuiſ- ſe. Nomen Neronis ſatis fuiſſe ad continen- dum caſtris Annibalem: Aſdrubalem vero qua alia re, quam aduentu eius, obrutum atque extinctum eſſe? Itaque iret alter Con- ſul ſublimis curru multiiugis, ſi vellet, equis. Vno equo per vrbem verum triumphum ve- hi: Neronemque etiamſi pedes incedat, vel parta eo bello, vel ſpreta eo triumpho gloria, memorabilem fore. Liu.
29 (*) Stadt in Thessalien.
30 (*) Am Ufer des Corinthischen Meerbusens, wird ietzt Lepanto genannt.
31 (**) Eine Stadt in der Landschaft gleiches Na mens im Peloponnes.
32 (*) Eine kleine Jnsel in dem Saronischen Meer busen,Engia.
33 (**)Stalimene, eine Jnsel des Archipelagus.
34 (*) Eine Stadt Thessaliens in der Landschaft Magnesia.
35 (**) Eine kleine Jnsel auf dem Aegäischen Mee re gegen Thessalien zu.
36 (*) Eine Stadt des eigentlich also genannten Achaja.
37 (*)Philippus moerebat et angebatur, cum ad omnia ipſe raptim iſſet, nulli tamen ſe rei in tempore occurriſſe, et rapientem omnia ex o- culis eluſiſſe celeritatem ſuam fortunam. Liu.
38 (**)Vix rationem iniri poſſe, vtrum ab ſe auda- cius, an fugacius ab hoſtibus geratur bellum. Liu.
39 (*) Jn Macedonien ohnweit Epirus.
40 (*) Man nennte dasjenige Stück Spaniens das difseitigedisseitige, welches in Ansehung der Römer disseits des Ebro lag, und dasjenseitige, wel ches jenseit dieses Flusses befindlich war. Dieses begriff Lusitanien (Portugal) und die gegen Mittag angränzende Länder in sich.
41 (**)Polybius giebt diese Armee vor siebenzig tausend mann zu Fuß stark aus.
42 (***) Einige Schriftsteller halten dieses vor ei ne Tarraconesische Stadt, die bey dem Poly bius Helingos heisset.
43 (*) Diese beyden Städte lagen ohnweit des Ur sprungs des Bätis oder Quadalquivirs, und zwar Castulo an der Nordlichen Seite des Flusses.
44 (*)Nam, vt Plato ait, nemo prudens punit, quia peccatum eſt, ſed ne peccetur. Revo- cari enim praeterita non poſſunt: futura prohibentur; et quos volet nequitiae male cedentis exempla fieri, palam occidet, non tantum, vt pereant ipſi, ſed vt alios pereun- do deterreant. Senec. de Ira. l. 16.
45 (*) Diese Völker wohnten in dem mittäglichen Theile Arragoniens, disseits des Ebro.
46 (*)Praeterquam quod ſuapte natura multa ma- ieſtas inerat, adornabat promiſſa caeſaries, habitusque corporis, non cultus mundities, ſed virilis fere ac militaris; et aetas in medio virium robore, quod plenius nitidiusque ex morbo velut renouatus flos iuuentae facie- bat. Liu.
47 (*) Zehn tausend As machen ohngefehr fünf hundert Franken.
48 (*) Emporiä eine Spanische Stadt in Catalo nien.
49 (*)Veram certe victoriam eius rei ſibi quisque mallet, quam vlla imperia honoresue ſuffra- gio ſeu Patrum ſeu plebis delatos.
50 (*)Explica totos faſtos, conſtitue omnes currus triumphales, nihil tamen morum principatu ſpecioſius reperies. Valerius Max. VIII. 15.
51 (*) Er trug nehmlich einen Mantel.
52 (*)Nimius ſui ſuſpectus et inſitum mortalitati vitium ſe ſuaque mirandi. Seneca de Benef. II. 25.
53 (*) Emporia war eine Landschaft in klein Syrien, die ietzo der Meerbusen von Capes genannt wird, und auf der Küste des Königreichs Tu nis liegt.
54 (*) Das Cap Bon, im Königreich Tunis, nahe bey der Stadt, die sonst Clypea geheissen.
55 (*) Das bedeutete so viel, als einen der Würde eines Ritters entsetzen.
56 (**) Man legte diesen Namen denjenigen bey, welche die Censoren alles Rechts, das Kenn zeichen eines Bürgers zu führen, ausgenom men die Pflicht den Tribut zu erlegen, be raubte.
57 (*)Pravum certamen notarum inter Cenſores: caſtigatio inconſtantiae populi cenſoria, et grauitate temporum illorum digna. Liu.
58 (*)Maior, quam pro re, laetitia, ſed eo gratior, quod inter aſſiduas clades ac lacrymas unum quantumeunque ex inſperato gaudium afful- ſ{??}erat. Liu.
59 (*) Siehe den Vten Theil, S. 370.
60 (*)Tum ſe inſaniſſe - - - cum Carthaginienſem matronam domum acceperit. Illis nuptialibus facibus regiam conflagraſſe ſuam: illam furiam peſtemque omnibus delinimentis animum ſu- um auertiſſe atque ahenaſſe; nec conquieſſe, donec ipſa manibus ſuis nefaria ſibi arma ad- uerſus hoſpitem atque amicum induerit. Liu.
61 (*)Aliqua{??}te, exiſtimo, Maſiniſſa, intuentem in me bona, et principio in Hiſpania ad iungen- dam mecum amicitiam veniſſe, et poſtea in Africa te ipſum, ſpesque omnes tuas, in fi- dem meam, commiſiſſe. Atqui nulla earum virtus eſt, propter quas appetendus tibi viſus ſum, qua ego aeque atque temperantia et con- tinentia libidinum gloriatus fuerim. Hanc te quoque ad caeteras tuas eximias virtutes ad- ieciſſe velim. Non eſt, non (mihi crede) tan- tum ab hoſtibus armatis aetati noſtrae pericu- lum, quantum ab circumfuſis vndique volu- ptatibus. Qui eas ſua temperantia fraenauit ac domuit, multo maius decus maioremque vi- ctoriam ſibi peperit, quam nos, Syphace vi- cto, habemus. Quae, me abſente, ſtrenue ac fortiter feciſti, libenter et commemoraui, et memini. Caetera te ipſum reputare tecum, quam, me dicente, erubeſcere malo. Liu.
62 (*) Sie meinen die beyden Punischen Kriege.
63 (*)Modius, ein Maas, das zwanzig Pfund an Getrayde in sich hielt, und nach unsrer Art etwan ein Viertel betrug.
64 (*)Tunica laticlauia, dergleichen die Römischen Rathsherren zu tragen pflegten.
65 (*)Titus Livius nimmt allzeit für gewiß an, daß dieser Aufschub ein Hauptfehler des Han nibals gewesen sey, darüber er nachher selbst Reue gehabt hätte.
66 (*)Segnius homines bona, quam mala, ſentire.
67 (**)Adeo, ne aduenientem quidem gratiam ho- mines benigne accipere, nedum vt praeteritae ſatis memores ſint!
68 (*)Superauit paternos honores, auitos aequa- uit. Pluribus victoriis et maioribus praeliis auus inſignis Rullus: ſed omnia aequare vnus hoſtis Annibal poteſt. Cautior tamen, quam promtior, hic habitus fuit: et ſicut dubites, vtrum ingenio cunctator fuerit, an quia ita bel- lo proprie, quod tum gerebatur, aptum erat; ſic nihil certius eſt, quam vnum hominem no- bis cunctando rem reſtituiſſe, ſicut Ennius ait. Liu.
69 (**)Fabius Gurges ist nur dreymal Consul gewesen, und sein Sohn Fabius Cunctator war es fünfmal.
70 (*) Dieses Gelübde hätte sollen in dem vorher gehenden Jahre erfüllet werden, und die Ver ordnung war deswegen auch schon ergangen. Es kam aber vermuthlich ein Hinderniß dar zwischen.
71 (*) Stadt in der Barbarey.
72 (*)Poteſt victoriam malle, quam pacem, animus. Novi, vobis ſpiritus magis magnos, quam vtiles. Et mihi aliquando fortuna affulſit. Quod ſi in ſecundis rebus bouam quoque mentem darent Dii, non ea ſolum, quae eueniſſent, ſed etiam ea, quae euenire poſſent, reputaremus.
73 (*)Raro ſimul hominibus bonam fortunam bo- namque mentem dari. Populum Romanum eo inuictum eſſe, quod in ſecundis rebus ſape- re et conſulere meminerit. Et hercle miran- dum fuiſſe, ſi aliter facerent. Ex inſolentia, quibus noua bona fortuna ſit, impotentes lae- titiae inſanire. Populo Romano vſitata, ac pro- pe iam obſoleta ex victoria gaudia eſſe, ac plus bene parcendo victis, quam vincendo, impe- rium auxiſſe. Liu.
74 (*) Nach Endigung des siebzehnten und im An fange des achtzehnten Jahres.
75 (*)Huius beneficiis gratiam, Iudices, fortuna populi Romani, et veſtra felicitas, et dii im- mortales ſibi deberi putant. Nec vero quis quam aliter arbitrari poteſt, niſi qui nullam maieſtatem eſſe ducit numenue diuinum - - - - Ea vis (diuina) ſaepe incredibiles huic vrbi fe- licitates atque opes attulit. Non eſt humano conſilio, ne mediocri quidem, Iudices, Deo- rum immortalium cura, res illa perfecta. Cic. pro Mil. 83. et 85.
76 (*)Regum, populorum, nationum portus erat et refugium Senatus. Noſtri autem magiſtra- tus imperatoresque ex hac vna re maximam lau- dem capere ſtudebant, ſi prouincias, ſi ſocios, aequitate et fide defenderent. Itaque illud pa- trocinium orbis terrae verius, quam imperium poterat nominari. Cic. de Offic. I. 26. 27.
77 (*) Etwas über acht deutsche Meilen.
78 (*)Nulla res vehementius rempublicam com- mendat (oder continet) quam fides: quae nulla eſſe poteſt, niſi erit neceſſaria ſolutio rerum creditarum. Cic. Offic. II. 84.
79 (**)Paludatus.
80 (*) Man nannte sie also, weil sie in einem Ta ge einen sehr grossen Weg zurücklegten.
81 (*) Eine Provinz Macedoniens.
82 (*)Capua quidem ſepulcrum ac monumentum Campani populi, elato et extorri eiecto ipſo populo, ſupereſt; vrbs trunca, ſine Senatu, ſine plebe, ſine magiſtratibus, prodigium, relicta crudelius habitanda, quam ſi deleta fo- ret. Liu.
83 (*)Nihil tam incertum, nec tam inaeſtimabile eſt, quam animi multitudinis. Quod promtio- res ad ſubeundam omnem dimicationem vide- batur facturum, id metum pigritiamque in- cuſſit. Liu.
84 (*) Eben diesen Ausspruch legt man auch dem Pyrrhus bey.
85 (*)Ex dignitate magis viſum, ſcribere eum, de quibus videretur, quam praeſentem aut refe- rendis ſuis in ciuitatem beneficiis erubeſcere; aut ſignificationibus acclamationibusque mul- titudinis adſentatione immodica pudorem one- rantis. Liv.
86 (*)Non exſpectare belli tempora moras et di- lationes Imperatorum; et pugnandum eſſe in- terdum, non quia velis, ſed quia hoſtis co- gat. Liu.
87 (*) Sie spielen auf den grossen Camillus (M. Furius Camillus) an, der Rom denen Gal liern wieder abgenommen hatte.
88 (*)Plutarch nennt ihnFlaminius, allein er irrt sich: es waren zwo ganz verschiedene Fa milien.
89 (*) Der Dictator Sylla gab ein Gesetz, worin nen verboten war, vor der Quästur um die Prätur, und vor der Prätur um das Consu lat anzuhalten.Applan im ersten Buche der innerl. Kriege.
90 (*)Plutarch nennet den Apsus, einen noch weiter gegen Norden strömenden Fluß, als der Aous. Allein die ganze Folge der Bege benheiten macht, daß wir den Titus Livius vorziehen.
91 (*) Eine Stadt der Volsker.
92 (*) Der Eßig hat etwas erfrischendes. Alle Rö mische Soldaten führten dergleichen bey sich, um damit das üble Wasser, daß sie zuweilen schlecht genug trincken musten, zu verbessern.
93 (*)Erat dicacior natura, quam regem decet, et ne inter ſeria quidem riſn ſatis temperans. Liu.
94 (*) Eine Stadt in der Thessalischen Provinz Pe lasgia, ohnweit Larissa.
95 (*)His adhortationibus vtrimque concitati mili- tes, praelio conccurrunt, alteri Orientis, alte- ri Occidentis imperio gloriantes, ferentesque in bellum, alii maiorum ſuorum antiquam et obſoletam gloriam, alii virentem recentibus experimentis virtutis florem. Juſtin. XXX. 4.
96 (*) Es hatte sich eine grosse Menge Gallier in der Nachbarschaft von Thracien niedergelassen.
97 (*) Dieses Wort,andre, steht hier, weil die Rö mer in Chalcis, Demetrias und Corinth, Be satzung zu haben sich vorbehielten.
98 (*) Hiervon ist im fünften Theile der alten Ge schichte gehandelt worden.
99 (*) Ein Volck, welches von dem achäischen Bunde gantz unterschieden ist. Diejenigen, aus denen es bestund, hatten nicht nöthig frey erklärt zu wer den; sie waren es schon.
100 (†) Audita voce praeconis maius gaudium fuit, quam quod vniuerſum homines caperent. Vix ſatis cre- dere ſe quisque audiſſe. Alii alios intueri mira- bundi velut ſomnii vanam ſpeciem. Quod ad quemque pertineret, ſuarum aurium fidei mini- mum credentes proximos interrogabant. Reuo- catus praeco, cum vnusquisque non audire, ſed videre libertatis ſuae nuncium aueret, iterum pro- nunciat eadem. Tum ab certo iam gaudio tan- tus cum clamore plauſus eſt ortus, totiesque re- petitus, vt facile adpareret, nihil omnium bono- rum multitudini gratius, quam libertatem eſſe. Ludicrum deinde ita raptim peractum est{??} vt nul- lius nec animi, nec oculi, ſpectaculo intenti eſſent. Adeo vnum gaudium praeoccupauerat omnium aliarum ſenſum voluptatum. Liu.
101 (*)Nec praeſens omnium mod{??}ffuſa laetitia eſt, ſed per multos dies gratis et c{??}tationibus & ſer- monibus reuocata: eſſe aliquam in terris gentem, quae ſua impenſa, ſuo labore ac periculo bella gereret pro libertate aliorum: nec hoc finitimis, aut propinquae ciuitatis hominibus, aut terris con- tinenti iunctis praeſtet: maria traiiciat, ne quod tote orbe terrarum iniuſtum imperium ſit, et vbi- que ius, fas, lex potentiſſima ſint. Vna voce prae- conis liberatas omnes Graeciae atque Aſiae vrbes. Hoc ſpe concipere, audacis animi fuiſſe: ad effe- ctum adducere, virtutis et fortuuae ingentis. Liu.
102 (*)Titus Livius sagt, daß es zu Thermophylä geschehen sey. Er irrt sich.

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