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Geheiligte Andachts- Uebungen

in Betrachtung, Gebet, Lobpreisung und Herzens-Gesprächen, Von der gottseligen und sinnreichen Frau Rowe. Auf ihre Ansuchung übersehen und heraus gegeben von Isaac Watts, Th. D. nach der 5ten Ausgabe aus dem Englischen übersetzt, Nebst beygefügtem sehr merkwürdigem Lebens-Laufe, vielen Gedichten und andern Herzens-Gesprächen dieser berühmten Dichterin, aus ihren vermischten Werken, Wie auch einem Anhange poetischer Stücke von Milton, Dryden, Prior, Addison, Pope, Watts, Young, und andern.

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Mit Königl. Pohln. und Churfürstl. Sächs. allergn. Freyheit.

Erfurt, verlegtsJoh. Heinrich Nonnens sel. Wittbe.

1754.

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Zueignungs-Schrift. An eine würdige Freundin

wie des Uebersetzers, so auch der Verfasserin.

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Wem gebühren diese Blätter, als nur, Hochverdiente! Dir,
Die du eine holde Freundin, von der frommen Row und mir?
Dachte sie ein grosser Watts Rowen Freundin zuzueignen,
Und wie darf mein Herz und Kiel einen gleichen Trieb verleugnen?
Ist nicht hier das schöne Beyspiel, welches dein Gemüth beseelt,
Und das es als folgenswürdig sich zu seinem Schmuck erwehlt?
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Fragt man wohl, warum ich nicht deinen theursten Namen nenne?
Darum, weil die Demuth will, daß ihn nur der Höchste kenne,
Seelen, welche edel denken, bleiben lieber unbekant,
Und verbergen gleich der Rowe ihren hocherhabnen Stand.
Weiß es gleich die Erde nicht, wissens doch die Himmels-Schaaren,
Und an jenem lichten Tag wird es alle Welt erfahren.
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Der *    *    * einer vertrauten Freundin der Frau Rowe.

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Madame! Wann diese gottselige Betrachtungen eines so hohen Geistes, jemand zuzueignen, so solte kein anderer Name, als der Ihrige voranstehen. Die lange, beständige, und vertraulicheFreundschaft, womit sie dieselbe zu beehren, und die grosse Hochachtung, welche Sie für ihr Gedächtniß zu tragen belieben, und die geheiligte Gleichheit zwischen zwo Anverwandten Seelen bestimmen unläugbar, wem diese Achtung gebühre und zu erweisen sey. Ueber das ist ihnen, Madame, wohl bewust, daß einige Abschriften dieser Blätter, als ein Geschenke von der selig Verstorbenen Ihnen verschiedene Jahre zugehöret: und die Gütigkeit, so Sie jüngsthin gehabt, mir dieselbe zum Gebrauche zu leihen, hat vieles zur Verbesserung dieser Handschrift beygetragen, und würde noch einen Grund zu dieser ihrer Zueignung geben, wann nur dero Beysorge, sich zu viel Ehre anzumassen, diese Gattung der Billigkeit gestattet hätte.
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Zwar dürften Sie, Madame, ohnerachtet der zärtlichen Zuneigung, und gelinden Beurtheilung, womit Sie alles was Frau Rowe geschrieben, ansehen, einige ihrer Ausdrücke vielleicht für etwas zu hoch halten, doch wird Ihre aufrichtige Frömmigkeit sie in allem dem, was göttlich und heilig ist, sehr förderlich finden. Und möchten dieselbe Ihnen in den Stunden Ihrer Abgeschiedenheit glücklicher Weise so zur Erhebung dienen, daß Sie die Freude der Engel und seligen Geister zum voraus kosten! Ja! möchten Sie, nachdem Ihr theures Leben mitten unter allem dem zeitlichen Segen, den Sie geniessen, und den christlichenTugenden, die Sie ausüben, sich lange und weit wird ausgedehnet haben, auf den Ruf GOttes sich der Sterblichkeit sanft begeben, und zu Ihrer verstorbenen Freundin in das Paradies hinauf steigen. Und meinem Bedünken nach wird keiner von den Einwohnern jener seligen Gegend Ihren verklärten Geist eher erkennen, oder Sie bey Ihrer Ankunft daselbst mit einer zärtlichern Empfindung wechselsweisen Vergnügens bewillkommen. Möchten sie sich allda mit Ihrer geliebten Philomela vereinigen, um Ihren Gott, und derselben Gott auf eine erhabene und unbekante Weise himmlisch zu verehren; und möchten Ihre, JEsu Ihrem gemeinschaftlichen Heylande mit einander angestimte Loblieder die liebliche Harmonie dasigen Orts vermehren! Ich bin mit der grösten Aufrichtigkeit und Hochachtung, Madame, Ihr Newington den 29ten Herbstmonat 1737. treu- und gehorsamster Diener
J. Watts.
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Vorrede.

Die fürtrefliche Verfasserin dieser Andachten ist bey Sinnreichen und Verständigen in grossem Ansehen gestanden, seit dem so manche herrliche Früchte ihrer Feder, sowol in gebundener als ungebundener Rede in der Welt erschienen. Sie wurde frühzeitig unter dem erdichteten Namen der Philomela geehret, ehe die Welt sie unter ihrem Geschlechts-Namen, als Elisabeth Singer, oder nach ihrer Verheyrathung, als Frau Rowe kante. Obgleich viele von ihren Schriften, die zu ihren Lebzeiten herausgekommen, ein gottseliges und himmlischesGemüthe, und einen brünstigen Eifer für die Religion und Tugend weisen; so wolte sie doch ihre Herzens-Andachten zurück behalten, bis sie dem Tadeln oder Lobe der Sterblichen entgangen. Es genügte ihr, daß GOtt, welchen sie inbrünstig und höchstens liebte, ein Zeuge war von allem ihrem geheimen und sehnlichen Seufzen nach ihm. Lezt verwichenen Hornung gefiel es ihm, sie von der Welt abzufordern, und zu sich zu nehmen. Einige Zeit nach ihrem Hintritte wurde mir diese Handschrift in einem Bogen Papier eingewickelt, unter einer von ihrer eigenen Hand an mich gemachten Aufschrift, nach Newington zugeschicket. Mitten darin fande ich einen
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Brief von ihr, worin sie mich ersuchte, dieselbe zu übersehen, und in den Druck zu geben. Diesen Brief habe ich der Welt zu zeigen nöthig erachtet, nicht so wol mein Recht zur Herausgebung darzuthun, als dem Leser etwas mehrers von der heiligen und himmlischen Gemüthsfassung, welche sie im Leben und Todebeständig beybehalten, zu weisen. Es sind nun dreyßig Jahre, seit dem ich die Ehre ihrer Bekantschaft gehabt; es konte auch ihre grosse Bescheidenheit, die an ihr herfürleuchtenden Annehmlichkeiten und herrliche Eigenschaften nicht verbergen; aber ich bin nicht gesonnen, eine umständliche Nachricht von diesem fürtreflichen Frauenzimmer, so ein Segen unseres Landes und unserer Zeit gewesen, zu geben. Ich hoffe, ihre Gemüths-Beschaffenheit, ihre Aufführung und Tugenden, werden in einer Lebens- Beschreibung in ein gehöriges und angenehmes Licht gesetzet werden, von einem nahen Anverwandten, dem die Besorgung ihrer poetischen Stücke, und ihrer freundschaftlichen Briefe anvertrauet worden. Diese gottselige Andachts-Uebungen sind mit einem Feuer belebet und angefüllet, daß die Sprache einer heiligen Liebe anzudeuten scheinet, und anzeiget, daß sie aus dem Herzen hergeflossen: und diejenige, so besonders ihren vertraulichen Umgang genossen, werden es sehr leicht glauben. Ich gestehe, die Schreibart ist erhabener, als die gemeine Art der Betrachtungen oder Herzens-Gespräche; allein man bedenke, daß sie keine gemeine Christin gewesen. Wie ihre Tugenden hoch waren, so leuchtete und strahlte auch ihr Geist, und ihre lebhafte Einbildungs-Kraft hatte fast von Jugend auf etwas poetisches. Hie
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durch wurde es ihr natürlich, die innere Empfindungen ihrer Seele in einer erhabenenSpracheauszudrücken, und ihre Gedanken in verblümten, dichterischen, und gleichsam Entzuckungs-vollen Redens-Arten an den Tag zu legen. Der Leser wird hier einen in dem Fleische wohnendenGeist göttlich entzücket finden, gleich denen Engeln und leiblosen Seelen. Ihre heftige Liebe entzündet sich bey jeder Gelegenheit, und steiget über die Gränzen der Sterblichkeit. Ich habe kaum jemals gottselige Schriften angetroffen, welche uns ein Beyspiel geben von einer Seele, die zuweilen so weit über alles, was nicht unsterblich und göttlich hinaus gewesen ist. Doch ist sie sich auch ihrer Gebrechlichkeiten bewust: sie bekennet zuweilen ihre Thorheit und Schuld vor dem Angesichte GOttes, und in der beweglichsten Sprache einer tiefen Erniedrigung. Mit einer nachdrücklichenEmpfindung ihrer Schwachheit, und dem stärksten Mißfallen an ihr selbst beweinet sie ihre Vergehungen gegen ihren Schöpfer und Erlöser; und in denen Zeiten der Dunkelheit, führet sie ihre schmerzliche Wehklagen über die Abwesenheit ihres Höchsten und Geliebtesten. Es ist zu bemerken, daß es selbst einigen vornehmen Gottesgelehrten in vorigen Jahren sehr gewöhnlich war, die Inbrunst heiliger Liebe zu unserm Heyland in der Schreibart des Hohenlieds Salomons auszudrucken: und ich muß gestehen, daß ich in verschiedenen in meinen jungen Jahren verfertigten Gedichten unvermerkt eben hiezu verleitet worden. Darf ich aber meine Meynung in einem reifern Alter sagen,
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so kan ich dieses nicht leicht für die beste Sprache halten, worin Christen überhaupt die brünstigen Triebe der Religion an Tag legen solten, seit der klärern, und geistlichern Offenbahrung des Neuen Testaments. Doch ist nicht zu leugnen, daß es einige Seelen gibt, welche von dem Himmel mit so seligen Heimsuchungen begnadigt, und mit einer solchen Flamme göttlicher Liebe entzücket werden, welche die ganze thierische Natur kräftigst in ihre Andachten hinein ziehet, und sie dringet ihre reinste und göttlichste Uebungen in so liebesvollen und zärtlichen Ausdrücken darzulegen, die durch eine unheilige Deutung verkehrter Weise entheiliget werden können. Und der Trieb und Neigung zu dieser Schreibart ist noch stärker, wo durch dergleichen geistliche Schriften frühzeitige Eindrücke der Gottseligkeit in das Herz gemacht worden. Es ist auch zu erinnern, daß nichts allhier zu finden, so über unsere Begriffe gehet; es sind hier keine ungemeine und unfaßliche Redensarten, welche das Ohr mit einem lauen Ton ergötzen, und die Vernunft äusserst verachten: es sind hier keine Träume einer wilden Ausschweifung, keine gezwungene, schwülstige und nichts bedeutende Schreibart, welche den Verstand verblendet und verwirrt macht; nichts, so den Leser in die Gegend der mystischen Schatten und Finsterniß, wovon einige Schriftsteller voll, unter dem Vorwand reinen Lichts und hohen Entzückung, verleitet. Noch lässet sich an dieser sinnreichen Verfasserin tadeln, was man zuweilen an dergleichen Betrachtungen auszusetzen gehabt. Ich weiß, man hat gesagt, daß diese Liebes- Sprache, so an GOtt gerichtet, sonst nichts sey, als
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daß der Strohm der zärtlichern Kräfte, nach dem Fehlschlag einer geringern oder fleischlichen Liebe, anderstwohin gewendet werde; oder wenigstens, daß es dem Mangel eines gehörigen Gegenstandes und bequemer Gelegenheit, solche zärtlichereLeidenschaften zu binden, zuzuschreiben sey. Aber dieses kan sich hier nicht so verhalten; dann wie die Frau Rowe frühzeitig von verschiedenen Liebhabern gesucht worden, so hat sie auch verschiedene Jahre ihres jungen Alters in dem Ehstande zugebracht mit einem Gatten von solchen Eigenschaften und Umständen, daß er gar wohl Freud und Leid mit ihr tragen konte. Ich weiß auch, daß diese zarte und Liebesvolle Art gottseliger Betrachtung zuweilen Beleidigungen und Widerwärtigkeiten in dem Ehestandezugeschrieben worden, als wodurch solche Neigungen von einem unwürdigen Gegenstand abgezogen, und in einer verliebten Sprache auf einen höchstwürdigen und göttlichen ausgeschüttet werden. Aber auch dieser Vorwurf findet in gegenwärtigem Falle nicht statt: das glückselige Paar hatte so ähnliche und gleiche Seelen, daß sie immer in einer ungemeinen Freundschaft und Zufriedenheit unter einander stunden, so lang die Fürsicht ihm das Leben gegönnet. Es erhellet demnach zur Genüge, daß in diesen Betrachtungen kein geheimes Sehnen nach einem sterblichen Liebes-Vorwurf unter der Sprache der Andacht und Gottseligkeit verborgen. Man kan auch nicht einwenden, daß es ein Mißfallen und Widerwillen an andern Dingen um ihr gewesen, so ihr Anlaß gegeben hätte, von den Din gen der Sterblichkeit, und allen den versuchenden
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Ergötzlichkeiten des gegenwärtigen Zustandes so verächtlich zu sprechen: Sie war keineswegs wunderlich und sauersichtig, noch der Welt und ihrer darinnen befindlichen Anverwandten überdrüßig: Sie war öfters in dem Umgange mit Lustigen und Grossen ganz frey, und bey angesehenen Standes-Personen in hohem Ansehen. Aber Ehre und hoher Stand mit aller Lustbarkeit und Grösse waren ihr gering, verächtlich, und vergessen, wenn ihre Augen und Herz in den Stunden der Andacht auf GOtt, das höchste Urbild aller Fürtreflichkeit und alles Ruhms gerichtet war. Im gemeinen Leben war sie gesprächig und freundlich gegen jederman; und wenn sie in ihren lez tern Jahren, da sie sich dem Himmel näherte, etwas flohe, so war es Hoheit, und öffentlicher Aufzug auf Erden. Aber sie verbarg und entzog sich niemals der Gesellschaft einiger ihrer Mitgeschöpfe, so, daß sie nur die geringste von ihrem Geschlecht verachtet hätte. Sie war allezeit gütig und mitleidig gegen Trübselige, und sehr mild gegen Dürftige. Anbey hat sie die tägliche Pflichten des menschlichen Lebens nicht ausser Acht gesetzet, unter einer eitlen Einbildung, als wenn sie höher, und gleich Seraphinen darüber hinaus wäre. Kurz, es ist nichts in dieser Schrift enthalten, das mit Recht eine solche Ahndung verdiente, obwol Menschen von einem verdorbenen Gemüth die Bibel selbst durchziehen und verläumden können. Laßt alle dergleichen Leser davon bleiben, und diese geheiligte Blätter nicht anrühren, damit sie solche nicht be sudeln.
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Obgleich nicht eine einzige vollständige Abschrift von Versen unter allen diesen Entzückungen ihrer Seele befindlich, so hat sie doch immer, auch selbst in ihrer geheiligten Abgezogenheit ein Belieben an der Poesie bezeiget. Zuweilen erhebt sich ihr Geist in ein oder zwey Reimen, die ihr Gedächtniß ihrem Herzen eingepräget: Zuweilen fällt sie mitten in ihrer gottseligen Aufschwingung auf einige Zeilen eines neuern Dichters, so wol Herbert, als Milton, etc. ob sie schon selten ihre Namen anführet. Zuweilen scheinen ihre eigene entzückte Gedanken sich plötzlich in Verse ergossen zu haben; oder wenigstens ist mir nicht bekant, wo die Zeilen hergenommen: Sehr oft aber thut sie mir die Ehre an, daß sie sich meiner poetischen Schriften in diesen heiligen Betrachtungen ihres Herzens bedienet. Gelobet sey der GOtt, der etwas, das aus meiner Feder geflossen, solchergestalt gesegnet hat, daß es zu Beförderung einer so hohen Andacht etwas beygetragen! Aus der Verschiedenheit des Papiers und der Dinte in einigen dieser Stücke, wie auch aus den frühzeitigen Abschriften verschiedener derselben unter ihren Freunden, erhellet, daß sie in ihren jungen Jahren geschrieben worden; andere sind viel neuer, obgleich nur eines ist, wobey der Tag bemerket, und zwar April 30. 1735. Dem Ansehen nach sind sie zu besondern Zeiten und Gelegenheiten während ihrem Leben verfertigt worden. Einige wenige derselben haben Verbesserungen und Zusätze von ihrer eigenen Feder, welches sich an einem kleinen Unterscheid der Hand zeiget. Ob sie sich gleich niemals von unserem christli
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chenGlauben weg zu den gewöhnlichen Irrthümern und Verfall der Zeit verleiten lassen; so habe ich doch aus sichern Händen vielfältig vernommen, daß sie in ihren spätern Jahren einige besondere Lehren des Evangeliums eifriger und brünstiger angenommen: und in einigen dieser Andachten zeiget sich klärlich etwas Evangelischers als in andern, und vermuthlich sind die meisten davon in dem leztern Theil ihres Lebens verfertiget oder verbessert worden. Die ohnlängst geschehene Widersetzung und Anfeindung dieser Wahrheiten gab ihr Anlaß, sie weiter zu untersuchen und eifriger zu treiben. Doch habe ich alle diese Papiere so gesezt, wie ich sie in einer Decke eingewickelt gefunden, obschon aus deutlichen Umständen sich ergibt, daß dieses nicht die Ordnung, worin sie geschrieben worden, wie denn auch solches von keiner Wichtigkeit ist. Ohnerachtet diese Schrift uns die Seufzer einer andächtigen Seele in ihrer heiligen Abgeschiedenheit, ohne gehabte Absicht, solche der Welt vorzulegen, darstellt; so hatte sie doch keine grosse Einrichtung oder Verbesserung, um an das Licht zu treten, nöthig. Die Zahlen und Ueberschriften hat der Herausgeber beygefüget; wie auch die Theilung und Absätze, als welche dem Gemüthe des Lesers Raum geben, auszuruhen, und die Wiederholung zu erleichtern. Hier und da hat man einen zu kühnscheinenden Gedanken ein wenig gemäßiget; zuweilen hat man eine Betrachtung oder Ausspruch, so unvollkommen geschienen, vollständig gemacht, oder eine oder zwo kurze Zeilen eingeschaltet, um den Verstand zu zeigen, wo die Sprache zu abgebrochen, oder der Sinn
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zu dunkel fürgekommen. Ihre Seele hatte eine grosse Reihe von Denkbildern vor sich gegenwärtig, welches einen jeden Ausdruck, den sie gebrauchte, ihr selbst leicht und klar machte, da sie nur für sich allein schrieb; obgleich ihr ganzer Verstand einem jeden Leser nicht so völlig einleuchten möchte, ohne eine kleine Einleitung in ihre Denkart. Indessen muß ich überhaupt bekennen, wie ich sehr ungerne sähe, daß dieses fürtrefliche Werk etwas an Schönheit oder Glanz unter meinen Händen verlieren solte. Als mir zuerst diese Handschrift zu übersehen gegeben worden, überlase ich sie mit dem Auge eines Kunstrichters und eines Freundes, damit ich sie der Hand, so dieselbe geschrieben, und der Welt zu gottseliger Erbauung und Nutzen herausgeben möchte; und diese Beschäftigung hatte auch ihre gehörige Ergötzung. Aber nie empfand ich das wahre und rechte Vergnügen von diesen Betrachtungen, bis ich die Kopf-Arbeit geendigt, und sie wieder, als Andachts-Uebungen des Herzens zu überlesen anfieng: da suchte ich völliger in den Geist und tiefer in den Sinn der gottseligen Verfasserin einzudringen, und versuchte ihre Sprache zu der meinigen zu machen. Allein wie viel höher war das Vergnügen, so ich aus dieser andern Uebersehung geschöpfet, fürnemlich wo ich Ursach hatte zu hoffen, daß ich diese Worte mit Aufrichtigkeit der Seele aussprechen konte? wie glücklich erhöhete und unterhielte dieses alle meine Ergötzungsfähige Leidenschaften, indem es mir eine andere Gattung des Vergnügens gab, als die trockene Ueberlesung und richtermäßige Beurteilung derselben in Ansehung ihrer gehörigen Richtigkeit?
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Aber ich gestehe auch, es war eine Demüthigung und Creutzigung für mich, wenn ich fande, daß ich so oft genöthiget war, den hohen Ausdruck meinen Lippen zu entziehen, oder dessen Gebrauch meiner Zunge zu wehren, weil ich mich so tief unter solcher geheiligten Erhebung des Geistes, und so weit von der Höhe solcher göttlichen Liebe und Inbrunst entfernet fand. Laßt mich allen denen, so dieses Büchlein durchgehen, zureden, die nemliche Erfahrungs-Probe, wie ich zu machen; und wenn sie sich der Welt entzogen, und in ihrer Abgezogenheit lesen, so laßt sie versuchen, wie weit sie diese Sprache führen, und diese Gedanken für ihre eigene annehmen können; und wenn sie solche zu befolgen trachten, möchten sie gleiches Vergnügen finden, oder zum wenigsten die nützliche Lehre der Selbsterniedrigung und heiligen Beschämung lernen! Und möchte eine edle und rühmliche Ehrsucht in ihrer Brust einen geheiligten Eifer erregen, ein so herrliches Beyspiel nachzuahmen! Was für Inbrunst göttlicher Liebe in einer mit Fleisch und Blut vereinigten Seele entzündet worden, die kan auch durch den nemlichen Einfluß der Gnade in andern Geistern, so eben die Hindernisse und Beschwerden haben, erwecket werden. Aber vielleicht möchte es nöthig seyn, einige demüthigeChristen hier zu warnen, daß sie nicht diese Höhe der Gottseligkeit und heiligen Freude zu einem Maas machen, wornach sie die Aufrichtigkeit ihrer eigenen Gottesfurcht beurtheilen. Viel tausend Heilige sind schon glücklich in dem Paradiesangekommen, welche nicht wie der heilige Paulus in den dritten Himmel entzücket worden, noch zu der inni
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gen Entzückung und freudigen Andacht der Frau Rowe gelanget: doch hoffe ich, es werden alle ernstliche Leser hier etwas finden, welches sie mit der Hülfe des heiligen Geistes über ihre gewöhnliche Höhe erheben, ihre gottselige Lust und unsterbliche Hofnung von neuem beleben, und dadurch sie zu einem heiligern und himmlischern Wandel antreiben kan. Daß der gnadenreiche Gott die Bekantmachung dieses Büchleins zu dem glückseligen Endzwek segne, ist das aufrichtige Verlangen und Flehen des Herausgebers, wie es auch der wahre Beweggrund war, der die sinnreiche und fromme Verfasserin getrieben, solches durch meine Hand der Welt zu liefern. Dieses zeiget sich genugsam aus folgendem Schreiben: Ihro Hochehrwürden Hrn. D. Watts zu Newington. Mein Herr! Die Achtung, so ich für ihre Gottseligkeit und Urtheil habe, veranlasset mich, Ihnen die Mühe zu übertragen, diese Schrift zu übersehen, um sie zu dem Druck zu befördern; mit Bitte, solches, so bald es füglich geschehen kan, zu bewerkstelligen; nur haben Sie vollkommeneFreyheit, zu unterdrucken, was Sie gut finden. Mich deucht, es kan keine eitle Ehrsucht bey dieser Absicht zum Grunde liegen; dann ich ersehe wohl, daß dergleichen Gedanken nicht nach dem Geschmack der Weltgesinnten seyn werden; und ehe solche an das Licht tritt, werde ich völlig über Sterblicher Tadel oder Lob hinaus seyn. Diese Betrachtungen wurden gelegenheitlich und nur zu meinem Nutzen geschrieben; allein ich bin nicht ganz ausser Hofnung, daß sie bey frommenGemüthern die nemliche Wirkung haben werden, welche das Lesen
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von anderer Erfahrung an meiner eigenen Seele gehabt. Die wirkliche Erfahrung der Religion hat gemeiniglich einen grössern Einfluß als die blosse Beschauung derselben; und wann, so ich im Staub schlafe, diese Andachten in dem Herzen des niedrigsten und verachtesten Christen eine Flamme göttlicher Liebe anzünden solten, so sey der Ursprung aller Gnade und Güte dafür gepriesen! Ich habe es nun in der Sterblichkeit vollbracht, und alles, was ich vor mir sehe, ist die weite Ewigkeit - -. Ewigkeit! - -. Wie entzückend ist der Ton! So lang Gott ein Wesen hat, ist mein Wesen und Glückseligkeit sicher. Diese unermessene Begierden, so die weite Schöpfung nicht beschränken und füllen kan, sollen ewig begnüget werden. Ich werde aus der Haupt- Quelle des Vergnügens trinken, und mich an den Ausflüssen ursprünglichen Lebens und Freude erquicken. Ich werde die Stimme der unerschaffenen Harmonie und Lieblichkeit hören, so meiner Seele Frieden und unaussprechlichen Trost einspricht. Ich erwarte ewiges Leben nicht als einen verdienten Lohn, sondern als eine lautere Handlung einer freyen Güte. Unter gänzlicher Verabscheuung meiner selbst fliehe ich zu der Gerechtigkeit und Versöhnung meines grossen Erlösers um Vergebung und Heyl zu erlangen; dies ist mein einziger Trost und Hofnung. O Herr! gehe nicht ins Gericht mit deiner Magd; dann vor dir wird kein Fleisch gerechtfertiget werden. In dem Blut des Lammes hoffe ich einen vollkommenen Sieg über den lezten Feind zu erhalten, und ehe noch dieses Ihnen zu Handen kommt, die Höhen des Himmels zu erreichen; und indem Sie diese Zeilen lesen, werde ich anbetend vor dem Thron Gottes liegen, woselbst der Glaube in Schauen verwandelt, und diese sehnliche Begierden mit dem völligen Genuß unsterblicher Liebe gefüllet werden. Hiemit empfehle Sie Gott
Elisabeth Rowe.
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Lebens-Beschreibung der Frau Elisabeth Rowe.

Frau Elisabeth Rowe war gebohren zu Ilchester in der Grafschaft Sommerset, den 11. Herbst-Monat 1674. von Walter Singer, und Elisabeth, gebohrner Portnell, beyde sehr würdige und fromme Personen. Sie hatte noch zwo Schwestern, die aber jünger als sie waren. Ihre Mutter starb frühzeitig, und sogleich nach ihrem Tod zog Herr Singer in die Nachbarschaft von Frome in der nemlichen Grafschaft, wo er wegen besondernTugenden und Eigenschaften in grossem Ansehen stunde. Er beflisse sich schon in seinem zehenden Jahr dergestalt der Gottesfurcht, daß er von solcher Zeit an das Gebet nie versäumet, und sich aufrichtig bestrebet, ein gutes Gewissen zu behalten. Wie er nun ein gottseliges Leben geführet, so hat er auch ein seliges und sehr erbauliches Ende genommen, den 18. April 1719. Frau Rowe berichtet selbsten folgendes davon: Mein Vater befühlte oft seinen Puls, und beklagte, daß er noch immer ordentlich gienge, und lächelte über ein jedes Zeichen des herannahendenTodes: Er schrie öfters aus, komm, Herr Jesus, komme bald; kommet, ihr heilige Engel, die ihr euch über die Bekehrung eines Sünders freuet, kommet, und traget meine Seele in den Himmel, ihr holde Geister; doch sagte er dabey, aber deine Zeit, o Herr, nicht meine, ist die beste. Dieses gieng den
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Umstehenden sehr nahe zu Herzen, und besonders auch einem sogenannten Frey-Geist dieser Zeit, der dadurch innigst gerühret worden. Ihr Vater lies nichts an einer guten und christlichen Auferziehung ermangeln, wovon sich auch bald gesegnete Früchte zeigten. Wie sie denn selbsten in ihren Herzens- Andachten bezeuget: Meine junge Hände wurden frühzeitig zu dir aufgehaben, und ich lernte den Gott meiner Väter bald kennen und erkennen. O wie schön und selig ist es, in der Jugend an seinen Schöpfer zu gedenken, und ihm die Blühte seiner Tage aufzuopfern, und was für einen unschätzbaren Vortheil muß es nicht bringen? Gleich von ihrer Kindheit leuchteten ungemeine Gaben bey ihr herfür, welche etwas besonderes versprachen, zumalen da sie mit einer kindlichen Gottesfurcht begleitet waren. Sie hatte ein grosses Belieben an der Musik, wie auch dem Mahlen, und einen sehr starken Trieb zu der Dichtkunst, dergestalt, daß sie schon in dem zwölften Jahr ihres Alters Verse gemacht. In ihrem 22sten Jahr, 1696. kam auf Verlangen zweyer Freunde eine Sammlung ihrer Gedichte über verschiedene Gelegenheiten heraus, mit Versprechung eines andern Theils, der bald darauf erfolgen solte. Bey diesem Anlaß nun bekam sie den Namen Philomela. Dann weil sie aus Bescheidenheit der Welt unbekant seyn wolte, so wurde ihr vermuthlich von ihren Freunden dieser Name beygelegt, und durch diese Vergleichung mit einer Nachtigall die seltene Anmuth und Lieblichkeit ihrer Verse auszudrucken. Obgleich die meiste ihrer Gedichte geistlich, und die übrigen alle tugendhaften Gemüthern unanstößlich
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sind, so war sie doch mit einigen Dingen darinnen gar nicht zufrieden, dergestalt, daß sie solches mit Wehmuth des Herzens bereuet, und den ernstlichen Vorsatz gefaßt, alle ihre Gedichte dem HErrn zu heiligen, wie solches aus einem derselben, das Gesicht betitult, erhellet; wo sie einen Engel einführet, der sie folgendergestalt anredet:
Nur dem Himmel seyen künftig deine Lieder all geweyht,
Massen er nur dir die Kräfte, und die heilge Kunst verleyht,
Deine Muse müsse nur dem allein zu Ehren singen,
Dessen Name und Gerücht durch die Ewigkeiten dringen:
Und wann einst der Schlaf des Todes deine trübe Augen schließt,
Wollen wir dich hin begleiten, wo man seine Frucht genießt.
Dorten wollen wir dein Haupt mit dem ewgen Kranz beehren,
Und dir unsern Lobgesang und belobte Lieder lehren. Es wäre zu wünschen, daß alle diejenigen, die ein Talent in der Dichtkunst empfangen, diesem schönen Beyspiele nachahmen, und es zu gleichem Zwecke anwenden, nicht aber auf eine unverantwortliche Weise mißbrauchen möchten. Von Sprachen hat sie die Französische und Italiänische gewußt. Wie sie dann die letztern so geschwind erlernet, daß sie in wenig Monaten Tasso Jerusalem ohne Mühe lesen konte. Ihre ausnehmende Verdienste, ihre Lieblichkeit, und angenehmer Umgang haben ihr viele grosse Bewunderer zuwege gebracht. Unter andern, sagt man, hätte der berühmte Dichter, Herr Prior, das Vergnügen und die Sorge des Lebens gerne mit ihr getheilet. Allein diese Glückseligkeit war Hr. Thomas Rowe von dem Himmel beschieden.
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Er war gebohren zu London den 25. April 1687. und der älteste Sohn von Herr Benoni Rowe, einem gelehrten Manne und geschickten Prediger. In seinen Kindern-Jahren ließ er schon eine grosse Lust und Fähigkeit zu denen Studien an sich verspüren. Weswegen ihm sein Vater alle Gelegenheit dazu suchte, und ihn, nachdem er zuvor den nöthigen Grund geleget, nach Leyden schickte, allwo er sich des Unterrichts des Witsius, Vitriarius, Perizonius und Senguerdius bedienete. Er liebte nichts so sehr als die Freyheit, und verabscheuete nichts mehr als die Tyranney, unter welcherley Gestalt sie auch erscheinen möchte, vornemlich aber die geistliche. Seine Liebe zur Freyheit, und dem allgemeinen Besten läßt sich merklich ersehen aus seinen Lebens-Beschreibungen und Gedichten. Anerwogen er sich vornahm die Lebensläufe dererjenigen Personen in dem Alterthum zu beschreiben, welche Plutarchus ausgelassen. Dieses Vorhaben vollzog er auch zum Theil, und achte von solchen Lebens- Beschreibungen traten, obwol nach seinem Tode, erst an das Licht, mit vielem Beyfall. Wie sie dann der Abt Bellenger auch in das Französischeübersetzet. Er verheyrathete sich mit Elis. Singer in dem Jahr 1710. bey welcher Gelegenheit eine gelehrte Feder folgende Zeilen verfertiget:

In nuptias THOMÆ ROWE & ELIZABETHÆ SINGER.


Quid doctum par usque tuum, sociosque labores
Fabrae & Dacerii, Gallia vana crepas?
Par maius gens Angla dedit, juvenem atque puellam,
Quos hodie sacro foedere iunxit amor.
Namque ea, quae nostri Phoebo cecinere docente,
Explicuisse tuis gloria summa foret.
|| [0019.01]
Wie er ihre Verdienste und liebenswürdige Eigenschaften kannte, so hatte er auch eine unaussprechliche Liebe und Hochachtung für Sie, und Sie, da Sie ein gleiches bey ihm fande, für Ihn. Eine geraume Zeit nachdem er sich mit ihr verheyrathet, schrieb er eine sehr zärtliche Ode unter dem Namen Delia an Sie. Worinne folgende Zeilen sehr merkwürdig scheinen, daß es dem Höchsten gefallen es so zu fügen, daß der darinnen enthaltene Wunsch eingetroffen.
Möchte doch dein grosses Beyspiel, deine Schriften, die so schön,
Bey der allerfernsten Nachwelt annoch in dem Segen stehn.
Möchtest du noch lange nicht aus der schönen Hütte weichen,
Und sehr spät und hoch betagt auf zu denen Sternen steigen.
Wenigstens versagt der Himmel, weiß ich, ein Gebet mir nicht,
Welches dir ein langes Leben in der Zeit von ihm verspricht.
Meine Tage seyen kurz, und viel kürzer als die deinen,
Und wann einst der Höchste heißt ihr bestimmtes Ziel erscheinen,
Möchtest du dann bey mir stehen, und mir Trost- und Großmuth-voll,
Zeigen, wie ich selig sterben, und den Tod besiegen soll.
Möchtest du dann die Natur, welche Gruft und Grab erschrecken,
Durch Belehrung jener Freud zu getrostem Muth erwecken.
Ich will mit bethränten Augen noch dein zierreich Bild besehn,
Und dich sterbend noch umfassen, und sodann zur Ruhe gehn.
Mein erblaßter Leichnam wird eine frohe Mine hegen,
Weil der Himmel, wie auch du, meine Theurste mir zugegen.
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Wann ich einst mit untern Seelen GOtt vor seinem Thron verehr,
Und die ewge Kronen trage dort bey jenem selgen Heer,
Will ich alles Sterbliche in Vergessenheit versenken;
Nur soll meine Lieb zu dir weder Zeit, noch Ziel beschränken.
Wann Gefahr und Stürme drohen, will ich nahe um dich stehn,
Um sie von dir abzuwenden, und von deinem Haupt zu drehn:
Will ich mit der Engel Schaar öfters mich herab begeben,
Daß ich von dir lernen mög, meine Lieder zu erheben.
Reißt sodann das strenge Schicksal dich aus dieser Sterblichkeit,
Will ich deiner Seele warten, weil sie von der Erde scheidt;
Will ich, meine Schöne, dich, mit Bemühungs-vollen Freuden,
Durch den allerersten Pfad jener selgen Luft begleiten.
Dann will ich durch dich geführet eine höhre Strasse ziehn,
Und mit einem kühnen Schwunge in die obre Gegend fliehn:
Mich in jenes weite Reich unbekanter Wonne schwingen,
Und ins innerste Gemach von dem dritten Himmel dringen,
Mich der Huld und des Genusses meines GOttes zu erfreun,
Und mit den verklärten Seelen stets um seinen Thron zu seyn,
Neue Kräfte, neue Gnad werden meine Seele schmücken,
Und ich mich bey nah, wie dich, glänzend, und erhöht erblicken:
Meine Flamme wird sich mehren, wie sich meine Stärke mehrt,
Mittlerweil man in dem Himmel unser beyder Danklied hört;
Dann, nachdem du mich gelehrt, werde ich auch gleichfalls singen,
Und dem Stifter unsrer Lieb ein unendlich Opfer bringen.
|| [0021.01]
Hieraus kan man seine schöne Gemüthsfassung zur Gnüge erkennen. Er hatte einen sehr schwächlichen Körper, wozu vielleicht sein heftiges Studiren vieles beytragen mochte. Zu Ende des Jahres 1714. nahm seine Schwachheit zu, und es äusserte sich eine Auszehrung, welche, nachdem sie ihn einige Monat bettlägerig gemacht, den 13. May 1715. sein theures Leben geendiget, da er eben 28 Jahre alt war. Was für eine ausnehmende Betrübniß dieser Todes-Fall der Frau Rowe verursachet, läßt sich abnehmen aus dem fürtreflichen Trauer-Gedicht, welches sie darauf verfertiget. Seiner ungemeinen Schönheit, und beweglichen Ausdrücke halben, hat man solches hierinnen nicht auslassen können. Die herzliche Liebe, welche sie darinnen für Ihn gewiesen, hat sie auch bis in den Tod unversehrt beybehalten; wie sie dann kurz vor ihrem Hintritt, wenn nur sein Name berühret worden, zarte Thränen vergossen. Nur um Hr. Rowen willen blieb sie Winters-Zeit zu London; und so bald es nur ihre Geschäfte nach seinem Tode zuliessen, folgte sie ihrer unüberwindlichen Neigung zu der Einsamkeit, und begab sich wieder nach Frome in der Grafschaft Sommerset, massen der geöste<gröste> Theil ihrer Güter in der Nachbarschaft lag. Da sie ermeldte Stadt verließ, entschloß sie sich, nicht mehr dahin zu kommen, sondern ihr Leben in einer völligen Abgeschiedenheit zu beschliessen. Doch hat sie sich nur bey einigen Gelegenheiten anderst bereden lassen. Dann auf inständiges Anhalten der Frau Thynne brachte sie nach dem Tode ihrer Tochter, der Lady Brooke, einige Monate mit ihr zu London zu, und nach dem traurigen Absterben der Frau Thynne selbst,
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konte sie die Gräfin von Hertford , dermalen Herzogin von Sommerset, nicht zu wider seyn, als die sie ernstlich ersuchte, einige Zeit bey ihr zu Marlborough zu verbleiben, um durch ihren freundschaftlichen Umgang das schwere Leid über den Verlust einer so fürtreflichen Mutter zu lindern. Und niemand, als die hochgedachte Herzogin konte sie bewegen, noch ein oder zweymal einige Monat bey ihr zuzubringen. In ihrer Abgezogenheit verfertigte sie ihr bekantes Werk: Freundschaft in dem Tode, und die verschiedene Theile der moralischen und vergnügenden Briefe. Die Absicht der Briefe von den Todten an die Lebendigen, ist die Unsterblichkeit der Seele einzuschärfen, als ohne welche alle Tugend und Religion, samt den damit verbundenen zeitlichen und ewigen Vortheilen nichtig, und dem Gemüthe einen lebhaften und kräftigen Eindruck von seinem künftigen Seyn beyzubringen: wie auch durch erdichtete Beyspiele einer großmüthigen Tugend und Güte, den Leser zu Ausübung der Gottseligkeit, und alles dessen, was edel und gut, zu erwecken, und durch lebendige Vorstellungen des Elends und der Reue, so mit dem Laster verknüpfet, junge und unbedachtsame Leute von der bezaubernden Lust, so in das Verder ben leitet, zu warnen. Diese Schrift wurde auch in das Französische übersetzet(L'Amitié Après La Mort : Contenant Les Lettres Des Morts Aux Vivans, Et Les Lettres Morales Et Amusantes ; Traduites de l'Anglois Sur la cinquième Édition. Amsterdam 1740.) , und heraus gegeben zu Amsterdam 1740. in 2 Theilen, in 12. So kam auch eine teutsche Uebersetzung davon heraus zu Göttingen, 1745. in 8.(Die Freundschaft nach dem Tode, in Briefen der Verstorbenen an die Lebenden : Nebst moralischen und scherzhaften Briefen ; Aus dem Englischen der Frau Rowe, nach der Fünften Auflage ins Deutsche übersetzet. Göttingen 1745.) In dem Jahr 1736. ließ sie sich auf inständiges Anhalten einiger ihrer Anverwandten, welche eine Handschrift von der Historie Josephs gesehen hat
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ten, wiewol mit grosser Mühe, bewegen, solche in den Druck zu geben. Diese Schrift war eine Frucht ihrer jüngern Jahre, und, da sie zum erstenmal verlegt wurde, gieng sie nicht weiter als bis zur Vermählung des in dem Gedicht beschriebenen Helden; aber auf Ansuchen ihrer Freunde, und sonderlich mehrgedachterHerzogin von Sommerset , der sie kaum etwas abschlagen konte, fügte sie noch zwey Bücher bey, um die Erzehlung von der Entdeckung Josephs gegen seine Brüder mit einzuschliessen. Eine Arbeit, die sie nicht mehr als drey oder vier Tage gekostet hat. Dieser Zusatz war ihr letztes Werk, und kam nur einige Wochen vor ihrem Tode zum Vorschein. Wie sie sich nun in der geliebten Abgeschiedenheit zu sterben gewünschet, so ist ihr auch dieser wichtigeZufall, worauf sie sich in ihrem Leben so sorgfältig gerüstet, in derselben zugestossen. Sie hatte eine überaus starke Natur, so daß sie auch viele Jahre lang keine Unpäßlichkeit verspühret, die sie bettlägerig gemacht hätte. Aber ohngefehr ein halbes Jahr vor ihrem Ende wurde sie mit einer Kranckheit befallen, die sowol ihr als andern gefährlich zu seyn schiene. Ob nun gleich diese Krankheit, wie sie selbst bezeuget, ihr Gemüth nicht so heiter und zum Tod geschickt antrafe, so fande sie sich doch hernach dermassen gestärket, daß sie mit Thränen von Freude sagte, sie wüßte nicht, daß sie in ihrem ganzen Leben jemals dergleichen verspüret hätte; und bey dieser Gelegenheit widerhohlte sie Herr Popen Verse; der sterbende Christ an seine Seele, (siehe solche in dem Anhang p. 246.) betitelt, mit einer so vergnügten Miene, daß man leicht daraus abnehmen konte,
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sie habe voll heiliger Entzückung und Triumph alles darin enthaltene wirklich gefühlet. Von dieser Krankheit wurde sie zwar wieder hergestellet, aber nicht für eine so lange Zeit, als man gehoffet. Es erfolgte ein Schlagfiuß<Schlagfluß>, und dieses geschahe den 19ten Hornung, an einem Tag der Woche, von dem sie immer einen grossen Theil zu ausserordentlicher Andacht anzuwenden pflegte. Den nemlichen Tag schiene sie ganz gesund und munter, und um 8 Uhr Abends war sie in dem Umgang mit einer Freundin lebhaft und fröhlich; bis sie sich zu Bette begab. Etwan um 10 Uhr hörte ihre Magd ein Getöse in ihrer Frauen Zimmer, worauf sie sogleich hinein lief, da sie dann dieselbe sprachlos und in den letzten Zügen von dem Stuhl herab gefallen und auf dem Boden liegend fande. Sogleich hohlte man einen Arzt nebst einem Wundarzt; aber alle gebrauchte Mittel waren vergeblich. Wie sie dann nach Auslassung eines Seufzers den Geist aufgegeben, ein wenig vor 2 Uhr, Sonntag Morgens den 20ten Hornung 1736. Bey ihr fande man ein gottseliges Buch offen, wie auch einige Papiere folgendes Inhalts:
Leite mich nach deinem Rath, und bewahre mich vor Sünde!
Rede doch und thu mir gnädig deinen heilgen Willen kund.
Rede doch vernehmlich, HErr, meine Seele horcht begierigst:
Ach erfülle sie mit Frieden, und mit Liebe und mit Licht.
Sprich ihr deinen Trost doch ein, und laß sie in dir genesen.
Rede doch, o Geist der Gnaden, huldreich meiner Seelen zu,
Und erquick und labe sie mit des Himmels süsser Wonne.
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Diese Pappiere enthielten noch einige Zeilen mehr, aber so übel geschrieben, (vermuthlich wegen dem Zittern der Hand, bey herannahendem Tode,) daß man nichts daraus nehmen konte. Sie hatten auch das erforderliche Silbenmaaß zu Versen, aber keine Reimen. So gebrauchte sie ihre letzte Augenblicke zu Lesung heiliger Betrachtungen und andächtigem Flehen um die göttliche Gnade und Hülfe, und ihr starker Trieb zur Dichtkunst offenbarte sich auch noch an dem Rande des Todes in gebundenen Seufzern zu GOtt. Da sie sehr besorgte, ein heftiger Schmerz oder langwieriges Krankenbett möchte bey ihr eine, einem Christen unanständige Niedergeschlagenheit, und schwermüthige Furcht verursachen, flehete sie täglich und ernstlich zu dem HErrn, laut ihres geschriebenen Handbuches Gottseliger Andachten, um einen schleunigen Tod, damit sie nicht auf solche Weise ihren Glauben verunehren möchte. Und bey ihren Freunden bezeugte sie öfters, wie sie wünschte, plötzlich hingeraffet zu werden, damit sie sich in ihren letzten Augenblicken nicht ungeziemend verhalten möchte. Der Gnadenreiche GOtt hat auch ihr Gebet gnädig erhöret, und sie ihrer Bitte gewähret. Ob sie schon wegen ihrem aufgeweckten und lustigen Gemüthe zu dem Genuß der unschuldigen Ergötzungen des Lebens besonders geschickt zu seyn schiene, so war doch anstatt einer unmäßigen Liebe zu den gegenwärtigen und sichtbaren Dingen, ihre Verachtung eines so niederträchtigen Standes und unschmackhaften Vergnügens, wie sie es zu nennen pflegte, und ihre Sehnsucht nach einer künftigen Welt der Seligkeit unbegreiflich groß. Wann ihre Anver
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wandten ihre Freude darüber bezeigten, daß sie so wohl aussähe, und eine ihr noch viele Jahre versprechende Gesundheit besässe, pflegte sie zu antworten, es wäre eben so viel, als wann man einem Sclaven bedeutete, seine Fesseln würden lang währen, oder ihm Glück wünschte, daß die Mauren seines Gefängnisses so stark sind. Sie war der Welt ganz überdrüßig, und sehnte sich innigst nach dem vollkommenen Genuß GOttes; wie sich dann solches bey unzehligen Gelegenheiten entdecket:
O wie oft hat sie den Himmel, jene selge Stätt berührt?
Und wie oft den süssen Namen freudig wieder angeführt?
Ach wie manchmal bat der Geist um Verkürzung ihrer Tagen?
Und wie oftmal pflegte er seine Fesseln zu beklagen?
Dennoch harrte sie gelassen, ohne Murren auf die Zeit,
Welche seiner heissen Sehnsucht, das erstrebte Ziel verleyht.
Ihre Seele fand sich längst überdrüßig dieser Erden,
Und ihr Seufzen wünschte nur, jener einverleibt zu werden:
Daß sie ewig um Alexis, ihren theursten Gatten wär,
Dort, wo keine Furcht der Trennung, und wo keine Scheidung mehr.
Ihm getreu bis in den Tod ist sie von der Welt geflogen,
Ob sie schon ihr Liebling war, und die Welt ihr nachgezogen.
Ihre Tag verstrichen stille in beliebter Einsamkeit,
Wo kein Tadeln sie gerühret, und kein Loben sie erfreut.
Die Beschauung war allein ihr Geschäft im ganzen Leben,
Und ihr unbewegter Sinn, stets dem Himmelreich ergeben,
Bis sie von der Hand des Todes, dem sie froh entgegen gieng,
Die so lang gewünschte Freyheit, und die Lebens-Kron empfieng.
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Kurz vor ihrem Tod eröfnete sie einigen ihrer Freunde, wie sie fest überzeuget wäre, daß sie nicht lang mehr auf Erden bleiben würde. Aus was für einem Grunde solches geschehen, läßt sich nicht sagen. Ihrem Begehren zufolg wurde sie zu Fromeunter einen Stein mit ihrem Vatter begraben. Herr Bowden hielte ihr eine Leichen-Rede bey einer sehr zahlreichen Versammlung. Ihr Tod wurde von allen, denen Ihre Tugend und Verdienst bekant war, ungemein beklaget; fürnemlich aber von den Einwohnern des Orts, wo sie lang gewohnet, und ihren vertrautesten Anverwandten. Am allermeisten aber betrübte und bestürzte er die Armen und Trübseligen, welche vor ihrer Thüre, und bey ihrem Grabe den Verlust ihrer Wohlthäterin beweinten, ihr Gedächtniß segneten, und einander wehmüthigst erzehleten, wie liebreich sie ihnen begegnet, und wie viel Gutes sie ihnen wiederfahren lassen. In ihrem Zimmer fande man folgende Briefe an verschiedene ihrer Freunde, für welche sie eine grosse Liebe und Hochachtung hatte, mit dem Befehl, solche sogleich nach ihrem Verscheiden der darauf befindlichen Aufschrift gemäß zu bestellen. An die Gräfin von Hertford, nun Herzogin von Sommerset. Madame! Dieses ist der letzte Brief, den Sie jemals von mir empfangen werden, die letzte Versicherung, die ich Ihnen auf Erden von einer aufrichtigen und standhaften Freundschaft geben werde. Aber wann wir wieder zusammen kommen, wird es, meiner Hofnung nach, in der Höhe
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unsterblicher Liebe und Entzückung geschehen. Mein Geist wird vielleicht der erste seyn, der Ihnen voller Freuden wegen der glücklichen Ankunft an den Ufern der Seligkeit Glück wünschen wird. Der Himmel kan zeugen, wie aufrichtig meine Sorge für Ihre Glückseligkeit seye: dahin habe ich meine brünstige Wünsche gesandt, daß Sie vor dem schmeichlenden Blendwerck der Welt mögen gesichert werden: und o daß Sie, nachdem ihr gottseliges Beyspiel denen Menschenkindern lang zum Segen gediehen, Ihren Athem sanft auslassen, und die Gränzen der ungestörten Freude betreten mögen. Ich nehme nun hier Abschied von Ihnen, aber es ist ein kurzer Abschied. Dann ich sterbe in der völligen Versicherung, daß wir bald wieder zusammen kommen werden. Aber o! in was für einer Erhöhung der Glückseligkeit! In was einer Erweiterung des Gemüths, und Vollkommenheit aller Kräfte! Was für entzückende Betrachtungen werden wir anstellen, über die Vortheile, die wir ewig besitzen sollen! dem, der uns geliebet, und in seinem Blut gewaschen, werden wir ewiglich Ruhm, und Herrschaft und Preiß und Herrlichkeit zuschreiben. Dieses ist all mein Heyl und meine ganze Hofnung. Der Name, auf welchen die Heyden trauen, in welchem alle Geschlechte der Erden gesegnet werden, ist nun meine herrliche und unfehlbare Zuversicht, in ihm allein hoffe ich vor der unendlichen Reinigkeit und Gerechtigkeit gerechtfertiget zu stehen. Wie armselig wäre meine Hofnung, wann ich mich auf diejenige Werke verliesse, welche meine eitele Einbildung, oder die Partheylichkeit der Menschen gut genant haben, und welche, wann sie von der göttlichen Heiligkeit untersucht werden, vielleicht nur scheinbare Sünden seyn würden. Die besten Handlungen meines Lebens würden sich mangelhaft erweisen, wann sie von der untadelhaften Heiligkeit geprüfet würden, vor welcher die Himmel selbsten nicht rein sind. Was hätte ich für Hofnung ausser dem Verdienst und Söhnopfer eines Er
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lösers? wie verzweiflungsvoll und unglückselig wäre mein Zustand! Mit den äussersten Vortheilen, deren ich mich rühmen kan, würde ich zurückfahren, und über die Gedancken, vor einer unbefleckten Majestät zu erscheinen, zittern. O JEsu! welch eine Harmonie und Anmuth befindet sich in deinem Namen! Himmlische Freude und unsterbliches Leben ist in dem Ton. Laß die Engel dich mit ihren güldenen Harfen preisen! Laß die erkauften Völcker dich ewig verherrlichen! Welch ein Traum ist es um das sterbliche Leben? was für Schatten um die Vorwürfe der Sinne! Alle Herrlichkeiten der Welt, meine sehr geliebte Freundin, werden in der schrecklichen Stunde des Todes nichts seyn in Ihren Augen, wann Sie von der ganzen Schöpfung abgesondert werden, und in den Bezirck der unkörperlichen Welt eingehen müssen. Es macht mich etwas glaubend, dieses werde mein letzter Abschied in dieser Welt seyn! Der Himmel verhüte, daß es eine ewige Scheidung seyn solte. Möchte die Göttliche Obhut, deren Sorgfalt ich unablässig erflehe, Sie in dem Glauben des Christenthums standhaft erhalten, und alle ihre Schritte auf das genaueste in dem Pfad der Tugend leiten! Hiemit empfehle Sie GOtt, meine liebste und theuerste Freundin, bis wir einander in dem Paradies GOttes antreffen.
Elis. Rowe.
An den Grafen von Orrery. Mylord. Es scheinet, es habe Ihnen geahndet, da Sie mir eine Botschaft an Ihre liebste Henriette mitgegeben, wann ich ihren holdseligen Geist in der Gegend der Seligkeit anträfe, welches vermuthlich sehr bald geschehen dürfte. Ich vollführe nun den letzten Theil des Lebens, und schicke mich mit einer den Grundsätzen des Christenthums ge
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mäßen Tapferkeit auf den allgemeinen Schrecken. Nur durch das Verdienst und Söhnopfer des grossen Erlösers hoffe ich unerschrocken durch die Finsterniß des Todes zu schreiten.
Vor ihm fliehet der Tyranne, der so grässe Tod und Grab,
Und er wischt von unsern Augen ewig alle Thränen ab. Alle menschliche Grösse kommt mir gegenwärtig klein vor; aller Unterscheid verschwindet, ausser demjenigen, so von Tugend und wesentlichem Verdienst herrühret. Dieses bringt einem solchen Manne, dergleichen Sie sind, eine sonderbare Hochachtung, und mir Hofnung, Ihr Beyspiel werde dem Exempel Ihrer berühmten Vorfahren nichts nachgeben. Die Herannahung des Todes setzet die Welt in ein wahres Licht; ihre scheinbareste Vor theile sind zu solcher bedenklichen Zeit nur wie ein Traum. Der unsterbliche Geist wird vielleicht eine schlechte Hütte lieber verlassen, als einen prächtigen Pallast; und der leblose Staub unter einem grünen Rasen eben so ruhig schlafen, als unter dem Gepränge eines kostbaren Grabmals. Hierauf kommt einem zu ewigem Elend oder unendlicher Seligkeit verurtheilten Geiste nichts an. Dieses wichtige Anliegen, Mylord, hat mich bewogen, meine Zeit vielmehr in stiller Abgezogenheit, als in einer Reihe gedankenloser Zeitvertreibe zuzubringen. Mein Gemüth hat sich die Feyerlichkeit des Sterbens bekannt gemacht, und der Tod scheinet heran zu treten, nicht als ein unerbittlicher Tyranne, sondern als ein Friedensvoller Bote der Freyheit und Glückseligkeit. Möchte doch mein Ausgang geschehen auf die erhabene Weise, welche die schöne Zeilen Hrn. Popen beschreiben:
Erd und Welt verschwindt und weicht, und ich seh den Himmel offen;
Hör der Seraphinen Stimm, und mein Wunsch ist eingetroffen.
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Leyht, ach leyht mir eure Flügel! dann ich steige auf und flieg!
Sag, o Tod! wo ist dein Stachel? sag, o Grab! wo ist dein Sieg? Je näher ich zu der Unsterblichkeit hinan komme, je weiter und geraumer finde ich den Grund der Freundschaft und des Wohlmeynens in meiner Seele: daher entspringen die aufrichtigsten Wünsche für Ihre Glückseligkeit, und die Wohlfahrt der liebsten Pfänder, so Ihnen Ihre Liebwertheste Henriette hinterlassen. Ach, Mylord, wann Sie Ihrer Pflicht treulich ein Genügen thun wollen, so behalten Sie dieselbe stets unter Ihrer eigenen Aufsicht. Gegenwärtiges wird Ihnen nicht zuhanden kommen, Mylord, bis ich ausser Stand, mich zu unterschreiben als Ihre demüthige Dienerin
Elis. Rowe.
Hrn. Jacob Theobald. Mein Herr! Der Umgang, den ich mit Ihnen gehabt, ist sehr kurz gewesen; allein ich hoffe, die dadurch angefangene Freundschaft werde bis in die Gegend der vollkommenen Freundschaft und Seligkeit fortgepflanzet werden. Es würde nicht der Mühe werth seyn, den Eindruck einer tugendhaftenFreundschaft zu hegen, wann solche edelmüthige Verbindung mit dem sterblichen Leben aufhören solte: Ein solcher Gedanke würde das Grab noch dunkler, und die Finsterniß des Todes noch schreckender machen. Aber ich gestehe, ich habe bessere Hofnung, und bin völlig überzeugt, daß die edle Zuneigungen, welche sich auf wesentliches Verdienst gründen, von einer ewigen Dauer sind. Die Güte, der göttliche Liebes-Trieb, welche die Seele in diesen kalten Gegenden kaum erwärmet, wird in der glückseligen Wohnung des Friedens
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und der Liebe mit neuem Glanze scheinen, und mit einer immerwährenden Hitze brennen. Meine gegenwärtige Erfahrung stärket mich in dieser Wahrheit; die Kräfte der Natur schwinden, der Lebens- Funke wird matt und schwach; dahingegen die Zuneigung zu meinen überlebenden Freunden niemals stärker, und meine Sorgfalt für ihre Glückseligkeit nie brünstiger und aufrichtiger gewesen. Dieses veranlasset mich, etwas von dem letzten Theil meiner Zeit auszusetzen, um an drey oder vier Personen zu schreiben, deren Verdienst ich Hochachtung schuldig, in der guten Hofnung, dieser feyerliche Abschied werde in ihrem Gemüthe einen ernstlichen Eindruck hinterlassen. Ich bin nun an dem letzten und wichtigsten Theil des menschlichen Lebens; in kurzem werde ich an denen Küsten der Unsterblichkeit anländen, wo alles neu, unbekant und erstaunend ist. Aber so finster die Ueberfahrt scheinet,
Ist doch mein Gemüth voll Hofnung, meine Seele voller Muth,
O der schönsten grünen Felder, jenseit der erhabnen Fluth!
So hat dorten Israel Canaan vor Augen stehen,
Und nur noch den Jordan-Strohm zwischen sich und ihm gesehen. Die Natur kan nicht anderst als zittern auf dem Rande der Ewigkeit, indem sie ungern an diesen grossen Versuch gehet, und die Hofnung des Christenthumsallein bey dieser feyerlichen Entscheidung die Seele aufrichten und unterstützen kan. In diesem Bedürfniß spricht der ewige Geist dem Sterbenden heiligen Friede und Vergebung ein durch das Söhnopfer, und erheitert den Schatten des Todes mit einem Strahl des unvergänglichen Lichts. Sagen Sie der Frau Theobald, ich hoffe sie in dem schimmernden Reich der Liebe und unvermischten Seligkeit anzutreffen;
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Dorten, wo gekrönt mit Jugend, welche immer blüht und bleibt,
Man in unermeßner Wonne ewig seine Zeit vertreibt. An Frau Sarah Rowe. Meine liebe und theure Mutter. Ich nehme nun zum Beschluß in dieser Welt Abschied, in der gewissen Hofnung, Sie in der nächsten anzutreffen. Ich nehme meine Liebe und Dankbarkeit gegen Ihr Haus mit mir in das Grab, und verlasse Sie mit der aufrichtigsten Sorge für ihre Glückseligkeit, und Ihres Hauses Wohlfahrt. Ach daß mein Gebet erhöret würde, wenn ich in dem Staube schlafe! O möchten die EngelGOttes Sie auf dem Pfad unsterblicher Ehre und Wonne leiten. Ich wolte gern alle Kräfte meiner Seele zusammen fassen, und mit aller der heiligen Gewalt des Gebets Segen für Sie erflehen. Der allmächtige GOtt, der GOtt ihrer gottseligen Vorfahren, der von vielen Geschlechten her Ihre Zuflucht gewesen, der segne Sie! Es ist nur noch ein kleiner Raum, den ich übrig habe, der Schatten nimmt zu, und meine Sonne ab. Die Güte, welche mich bisher geführet, wird sich mir in dem letzten Beschluß meines Lebens nicht entziehen; der Name, den ich zu meinem Ruhm und Lob gemacht, wird alsdenn meine Stärcke und mein Heyl seyn. Dem Tode mit einer geziemenden Tapferkeit entgegen zu gehen, ist denen Kräften der Natur zu viel, und etwas, das ich durch keine eigene Macht oder Heiligkeit verrichten kan; dann ach! in meinem besten Zustand bin ich ganz und gar Eitelkeit; ein elender und verlassener Sünder: Aber in dem Verdienst und der vollkommenen Gerechtigkeit GOttes, meines Heylandes, hoffe ich vor dem höchsten Richterstuhl, vor dem ich mich in kurzem darstellen muß, gerechtfertiget zu erscheinen.
Elis. Rowe.
|| [0034.01]
An Frau Arabella Marrow. Wie dauerhaft ist das Band der Tugend und Vernunft! Ich hoffe nur noch wenig Tage, oder zum höchsten nur noch einige Wochen zu leben, und sterbend ihnen diesen Beweißthum meiner Freundschaft zu geben: einer Freundschaft, welche ich mich nicht schäme, in die heilige Gegend des Lichts und der Liebe mit mir zu nehmen. Wäre meine Zuneigung auf etwas anderst als wahres Verdienst gegründet gewesen, so würde sie erloschen seyn zu einer Zeit, wann alle andere Vortheile verschwinden. Es macht mir ein ungemeines Vergnügen, einige der letzten Augenblicke meines Lebens zum Umgang mit einer so gut gesinnten Person, wie sie, anzuwenden. Ich finde eine ungewöhnliche Neigung und Zärtlichkeit für meine Bekanten, von welchen ich nun scheide: die Liebes-Triebe meiner Seelen sind alle rege, und scheinen geschickt zu jenen friedfertigen Gegenden, wohin ich jetzo gehe. Ich habe jüngsthin so viele Zufälle von einem Schlagflusse gehabt, daß ich in Wahrheit glaube, diese sterbliche Hütte sincke, und der Staub kehre wieder in den Staub, woher er gekommen: aber mich deucht, ich fühle, wie sich in den edleren Kräften meiner SeeleLeben und Unsterblichkeit entzünde.
Fürwahr! es ist und herrscht in meiner matten Brust,
Ein Leben und ein Geist, der sich sein selbst bewußt.
Ich fühl den innern Pulß in mir sich starck bewegen,
Und die Unsterblichkeit mit muntrer Kraft sich regen,
Die Seele lebt; sie ist vom Himmel selbst entzündt,
Und nicht von Feuer, Luft, noch Erde oder Wind:
Frey vom Gesetz des Leibs, und Körper, die vergehen,
Von allem, was man spührt, und allem, was wir sehen.
Sie ist unkörperlich, mit ewgem Unterscheid,
Und muß und wird auch seyn in alle Ewigkeit.
Ach ja! o süsser Trost! sie soll unendlich bleiben,
Und unsre Freundschaft auch von gleicher Daur sich schreiben.
E. R.
|| [0035.01]
Von ihren gottseligen Andachts-Uebungen, als gegenwärtiger Schrift, wovon in der Vorrede ein mehreres, wollen wir nur dieses hier erinnern, daß sie viele derselben in ihrer Jugend, und alle zu ihrem eigenen Gebrauch verfasset. Nachgehends aber hat sie dieselbe zu dem Druck bestimmet vermög folgenden in ihrer Handschrift bemerkten Gelübds: April. 20. 1735. O GOtt meines Vaters; so du mich schleunig erretten, und mir eine Antwort des Friedens senden wirst, will ich deine mannigfaltige Wohlthaten aufschreiben, und das Verzeichniß hinterlassen, als ein Zeugniß deiner Wahrheit, und ein Siegel der Wahrhaftigkeit der Verheissungen der Schrift, mit einer nachdrücklichen Einschärfung, solches nach meinem Tode zu deiner Ehre bekannt zu machen, damit die Nachkömmlinge künftiger Zeiten aufstehen, deinen Na men preisen, und auf dein Wort vertrauen mögen. Ferner kamen nach ihrem Tode an das Licht ihre vermischte Werke in 2 Theilen, 8. Der erste enthält ihre Gedichte, so meistens geistlich, der andere aber die Historie Josephs, und Briefe an ihre Freunde, nebst einem Anhange von Hr. Rowen Gedichten. Sie hatte keine andere Absicht dabey, um ihre eigene Worte zu gebrauchen, als den Nutzen, oder das unschuldige Vergnügen des Lesers; ich hoffe, sagt sie weiter, mein gegenwärtiger Endzweck gehe lediglich auf die Tugend, dann ein Name oder Ansehen unter sterblichen ist etwas sehr unbeträchtliches für eine Person, welche der Hofnung lebet, ehe diese Schriften ans Licht treten, über ihr Lob und Tadel hinaus zu seyn, und den Beyfall des höchsten Richters zu erlangen: So sie aber
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zu Förderung der Tugend etwas beytragen, wird es mir ein grosses Vergnügen machen. Man hat also der Fr. Rowe, um es kürzlich zu wiederhohlen, nachgesetzte Werke zu verdanken: Dieses nun ist alles, was von ihr heraus gekommen. Ob sie nun gleich eben nicht so viel ausmachen, so sind sie doch ihrem Werthe nach sehr groß und fast unschätzbar. Sie besaß viele von den äussern Schönheiten ihres Geschlechts, und noch weit mehr von den innern Schönheiten der Tugend und Gottseligkeit. Ihre Stimme war holdselig, und ihre Sprache ungemein angenehm. Aus ihrem Ansehen blickte etwas unbeschreibliches herfür, welches Liebe, Hochachtung und Ehrfurcht für ihr erweckte. Wie sie mit Grossen Bekanntschaft hatte, so wußte sie auch sehr wohl mit ihnen umzugehen, doch ohne sich der Welt gleich zu stellen. Sie bestrebte sich eine wahre Hoheit zu bezeigen, und bezoge sich desfalls auf eine ihrer vertrautesten Freundinnen, die sie vor langer Zeit gekannt. Ich kan mich auf Sie berufen, sagte sie, ob Sie jemalen etwas verstelltes oder gekünsteltes an meiner Aufführung wahrgenommen? Sie war auch weit entfernet von aller Ausschweifung in Kleidern oder eitlem Pracht, und verdarb keine Zeit mit putzen und schmücken, indem sie es für niederträchtig hielte, und auch vor allen ihren Bekannten mit gröster Ver achtung davon redete. Sie beflisse sich nur die edle Zeit, zu Ausschmückung ihrer Seele anzuwenden. Die Liebe zur Einsamkeit, welche Dichtern fast un
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zertrennlich anzukleben scheinet, entdeckte sich sehr frühzeitig bey ihr, und hieng ihr an, bis an das Ende ihres Lebens. Sie gebrauchte aber dieselbe nur dazu, um ferne von dem hinderlichen Getümmel der Welt und gleichsam verborgen ihrem GOtt ungestöhrt zu dienen. Doch versäumte sie nicht dabey gegen ihren Nächsten Werke der Gutthätigkeit und Barmherzigkeit auszuüben. Nicht weniger bediente sie sich auch derselben, zu Verfertigung der herrlichen Schriften, welche die Welt von ihrer Hand empfangen. Wie wohl hat sie also die gelegene Zeit ausgekaufet. Ihre Leidenschaften wußte sie glückseliger Weise so zu bezähmen, daß ihr Gemüth immer ruhig und heiter war, und durch keine widerwärtige Zufälle, auch nicht mit herannahendem Alter, verändert wurde. Es ist billig zu zweifeln, ob sie jemals in ihrem ganzem Leben zornig gewesen. Wenigstens bezeugte ihre Magd, welche beynahe 20 Jahr um sie gewesen, daß sie niemals keinen Zorn oder Unwillen an ihr betrachtet, ausgenommen in der Sache GOttes, gegen grosse Ruchlosigkeit, oder ärgerliche Missethäter, wobey sie für die Ehre des HErrn geeifert.
Ihre Seele, die sich immer gleich und heiter sehen ließ,
Kante weder Trieb noch Hitze, so die Tugend ihr verwieß.
Ihre Brust hat keinen Zorn, keinen Unmuth je geheget,
Edens stiller Gegend gleich, welche nie kein Sturm beweget.
Die Vernunft befahl und herrschte, Leidenschaft war unterthan,
Und der Geist verfolgte standhaft die erwehlte Tugendbahn.
Nichts war jemals starck genug, ihren Vorsatz umzukehren,
Und sie auf der Weißheit Spur, und der Wahrheit Pfad zu stöhren.
|| [0038.01]
Sie war voller Sanftmuth, und hatte ausser üppigen Schriften, vor nichts einen grössern Abscheu als Satyren, welche Personen boshaftiger Weise anzäpfen. Ihre Werke und Umgang waren rein davon, und ganz unschuldig. Ja sie verpflichtete sich fest durch ein heiliges Gelübde, und besondere Verbindung gegen übel sprechen und nachreden, wie aus folgenden erhellet: Weinmonat 6. 1725. O laß mich nochmals, O HErr, mich dir verbinden, durch deine Gnade, niemand Uebels nachzureden. Hilf mir meine Zunge nach den genauesten Regeln der Liebe und Wahrheit regieren, und niemals etwas Böses anzudichten, oder nur das geringste, so der Ehre meines Nächsten nachtheilig, sagen. Laß mich in den kleinsten Umständen so gegen andere handeln, wie ich wünschte, daß sie gegen mir sich betragen möchten. Laß mich immer das Beste von andern hoffen und glauben. Verleyhe mir deinen göttlichen Beystand, diese grosse Pflicht zu beobachten, und setze meinen Worten eine Wache, und bewahre sorgfältig die Thür meiner Lippen, daß ich mit meiner Zunge nicht anstosse. Laß nun deine Gnade bey mir kräftig seyn, und deine Stärke sich in meiner Schwachheit offenbahren. In deiner Kraft, in dem Namen des HErrn meines Erlösers laß mich gegen alle meine künftige Versuchungen streiten. Siehe diese Bitte gnädig an, und gedenke meiner, wann ich in Ungewißheit und Bedürfniß bin, oder meine Verbindungen in Vergessenheit kommen wollen. Den Augenblick, wann ich strauchlen will, stärke mich; halte mich zurück, wann ein böser Gedanke aufsteiget; und wann die noch nicht ausgebrochenen Worte aus meinem Munde gehen wol
|| [0039.01]
len, so lege deinen Zaum davor, und beherrsche meine sich auflehnende Kraft. Nach diesem Gelübde richtete sie sich genau in ihrer Aufführung. Ich nehme sie zu Zeugen, sagte sie in einem Briefe an eine Dame, mit welcher sie lange in der vertrautesten Freundschaft gelebet, ob Sie mich jemals jemand auf Erden neidisch, oder boshaftiger Weise richten gehöret. Die Thorheiten der Menschen würden zwar vielen Anlaß dazu geben, aber die Liebe pfleget einen Vorhang der Dunkelheit dafür zu ziehen, und will lieber immer schweigen, als sich in eine so betrübte Materie einlassen. Aergerniß und Verkleinerung kamen ihr unerträglich für. Und wann sie dergleichen in dem Umgange sehen mußte, redete sie, wo es erforderlich war, offenherzig ohne Scheu dagegen. Und falls jemand, so abwesend, unschuldig angeklagt wurde, vertheidigte sie ihre Großmuth, und pflegte annebst auch wirckliche Fehler zu verringern. Sie war frey von allem Neid, und überaus geneigt zu preisen. Sie ermangelte nie, das Verdienst dererjenigen, mit denen sie Bekantschaft hatte, zu bemercken und zu loben, und übersahe ihre Gebrechen mit einer mehr als sonst gewöhnlichen Partheylichkeit der Freundschaft.
Guten war ihr Mund gewohnt ein gehäuftes Lob zu schencken,
Und der andern pflegte sie nur mit Schweigen zu gedencken. Doch wann es die Gelegenheit gab, und ihre Pflicht erforderte, so bestrafte sie auch, aber in aller Sanftmuth und Güte. Zuweilen bediente sie sich einer List, und priese eine gewisse fürtrefliche und sonderbareTugend, die sie an andere beobachtet, denen an, welchen sie gefehlet.
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Ihr Witz war unerschöpflich, ihr Umgang höchst angenehm, und sie druckte ihre Gedancken in den schönstensie druckte ihre Gedancken in den schönsten und flüßigsten Redens-Arten aus; und wie diese seltne Vortheile mit einer besondern Güte und ungezwungenen Offenherzigkeit begleitet waren, so ergözte sie ungemein alle diejenige, die sie kanten. Eine sonderbareErhabenheit des Verstandes machte, daß sie die nichtswürdige Kleinigkeiten, wobey sich insgemein das weibliche Geschlecht aufhält, verachtete, und hingegen etwas wichtiges und lehrreiches zur Materie ihres Gespräches erwählete. Doch daß sie nicht beschwerlich oder verdrießlich fallen möchte, sprach sie zuweilen von gleichgültigen und etwas lustigen Dingen. Aber so bald es nur ungezwungen geschehen konte, kehrte sie wieder zu ihrem beliebten Vorwurf, und wandte alle ihre Gaben an, eine genaue Sittenlehre und hohe Gottseligkeit anzupreisen; So daß man unmöglich, ohne weiser und besser zu werden, in ihrer Gesellschaft seyn, oder dieselbe ohne Reue verlassen konte. Ihr Verstand, ihre Schönheit und Verdienst erwarben ihr von Jugend auf viele Lobs-Erhebungen, welche ein Frauenzimmer, das zugleich berühmt wegen so fürtrefliche Schriften, leicht zur Einbildung hätten verleiten können. Aber mitten unter diesen Versuchungen zum Hochmuth, behielte sie die tiefste Demuth, als ob sie die geringste und unbekanteste Person wäre. Sie gedachte selten ihrer Schriften, auch bey ihren vertrautesten Freunden, und erhub sich keineswegs um derentwillen. Das Lob, womit man dieselbe beehret, bewog sie nur, die Ehre dem Ursprung
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alles Guten zuzuschreiben, als von dessen Macht sie jederzeit alles herleitete, und dessen Güte sie sich danckbarlichst verbunden erkante. Der Himmel, sagte sie, dürfte mir nur einen Nerven verletzen, so würde es um meine Wissenschaft geschehen, und ich ein Idiot seyn. Sie massete sich nichts ungeziemendes in dem Umgange an, und schwieg öfters über Sachen, die sie wohl verstunde, und wobey sie ihren Witz hätte zeigen können. Man konte ihr wohl anmercken, daß ihre Bescheidenheit sich sorgfältigst hütete, etwas zu melden, das zu ihrem Ruhm abzielen möchte. Und der Englische Verfasser ihres Lebens bezeuget, daß er während einem langen Umgang mit ihr nicht einen einzigen ruhmsüchtigen Ausdruck von ihr gehöret:
Ihre lobenswerthe Demuth hat kein Eigenlob befleckt,
Als der anderer Gebrechen, und ihr eigner Werth verdeckt. Gegen die geringste Leute bezeigte sie sich holdselig und liebreich, und es war ihr unmöglich, jemand hochmüthig oder verächtlich zu begegnen. Wie sie die wahre Gottseligkeit überaus hochgeschätzet, so hat sie solches auch gethan, wenn sie dieselbe bemerket an Personen, die sonst unwissend und von niedrigstem Stande gewesen. Sie ließ sich nicht beflecken durch die Liebe zu den Ergötzlichkeiten, die zu dieser verdorbenen Zeit so allgemein. Sie verstunde keines von den gewöhnlichen Spielen. Das beste Spiel hielte sie nur für eine Kunst die Zeit zu verlieren, oder vielmehr zu verderben, und das Denken zu vergessen; und in Erwegung der öfters damit verknüpften unglückseligen Folgen hatte sie einen rechten Abscheu dafür. Sie fande auch keinen Geschmack an denen un
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schmackhaften Neuigkeiten und Romanen, angesehen sie mit unanständigen Bildern angefüllet, welche die Einbildungskraft und Keuschheit beschmützen. Die Ergötzungen der Engl. Schaubühne, sonderlich die Trauerspiele würde sie gewiß geschätzet haben, wenn sie dieselbe nur hätte für unschuldig halten können; aber so wenig deuchten ihr unanstößig, daß sie rathsam erachtete sich derselben zu enthalten, indem sie ihrem Urtheil nach, nur dieneten, unreine Sitten zu befördern, und die Gottseligkeit verächtlich und lächerlich zu machen. Die angebohrene Hoheit ihrer Seelen ließ ihr nicht zu, in Speisse unmäßig zu seyn, massen sie es für etwas einem vernünftigen Wesen, das zur Unsterblichkeit gebohren, ungeziemendes hielte. Sie begnügte sich allezeit mit dem, was sie auf ihrem Tische fande; und sahe eben nicht sonderlich weder auf die Gattung der Speise, noch auf die Art der Zurichtung. Was sie genossen, gebrauchte sie zur Nothdurft, und mit herzlicher Danksagung. Sie machte keine Lustveränderungen mit, und verachtete gänzlich die gewöhnliche unnütze Besuchungen, welche sie vermiede, so viel nun der Wohlstand erlauben wolte. Sie bezeigte eine solche Verachtung des Reichthums, dergleichen sich selten findet, und die man als ein Zeichen einer rechten Großmuth ansehen kan. Wie sie mit dem mäßigen Vermögen und bescheidenen Theil, so ihr die Fürsicht gegeben, zufrieden war, so suchte sie dasselbe nicht zu vermehren. Man konte sie nicht bereden, bey Herausgebung ihrer Werke Gewinn, oder die vortheilhafte Bedingungen des Buchführers, wann sie ihre zerstreuete Stücke zusammen wolte drucken lassen, anzunehmen. Sie schrieb keine Zueignung an Grosse.
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Die Hochachtung, welche sie für einige ihrer Freunde von hohem Stande bewieß, war frey von allen eigennützigen Absichten: dann wie sie nichts durch ihre Freundschaft gewann, so hat sie auch dieselbe nur in so weit gelobet, als sie es verdienet. Die Geldsucht hielte sie für die garstigste und unedelste aller Leidenschaften, und beklagte öfters, daß ihre Herrschaft so allgemein geworden wäre. Ihre liegende Haabe kante sie nicht vor anderer, bis sie erheblicher Ursachen halben sich darnach erkundigen mußte. Und sie war so fern davon, daß sie ihre Gebühr mit Schärfe einfordern lassen, daß sie vielmehr zu wenig ihren Nutzen betrachtet: sie verlehnte und ließ ihre Güter unter dem Werth, und war so gelind gegen ihre Schuldner, daß sie solche nie gerichtlich belangte, ja auch keinem drohen ließ, wann er seine Schuld nicht abgetragen. Da einer derselben, der ihr 100 Pfund Sterl. schuldig war, sich mit allem, was er hatte, bey nächtlicher Zeit davon gemacht, konte man sie nicht bewegen, bey der in Händen gehabten Gelegenheit, einen Verhaft darauf zu legen. Und wann man ihm nicht ohne ihr Wissen gedrohet hätte, würde sie lieber alles verlohren, als Gewalt gebrauchet haben. Man konte verschiedene andere Fälle zeigen, wo sie freywillig zu ihrem grösten Nachtheil die gerechteste Forderungen fahren gelassen; Sie konte den Namen der Ungerechtigkeit kaum nennen hören, ohne zu zittern: und die Zärtlichkeit ihres Gewissens gegen diese Sünde war so groß, daß sie ihrem Bedünken nach, sich nicht weit genug davon entfernen konte. Ich kan mich auf dein Zeugniß berufen, sagt sie in einer Anrede an GOtt, wie gewissenhaft ich in Sachen der Billigkeit gehandelt, und wie willig ich um anderer
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willen Unrecht gelitten. Sie sprach mit vielem Eifer von der äusersten Gefahr unanständiger und betrüglicher Hintergehung, und verwunderte sich, wie Leute, die sich dieser Sünde nur im geringsten schuldig gemacht, ruhig sterben könten. Ihre Gleichgültigkeit für Ruhm war eben so merkwürdig. Wie sie sich fast ihr ganzes Leben hindurch in einer unbekannten Einsamkeit vor dem Gerücht zu verbergen suchte, so brauchte sie keine Künste, um sich ein Ansehen zuwege zu bringen.
Um der Ehre zu entgehen, welche ihr die Welt bereitt,
Flohe sie vor dem Gepränge in die sichre Einsamkeit.
Doch vergeblich suchte sie, dem Gerüchte zu entfliehen;
Dann weil Tugend mit ihr gieng, eilte es ihr nachzuziehen.
So, wie wenn man einen Demant, der in dunckeln Gruben scheint,
Vor den Menschen ungeachtet, und wohl ganz verborgen meynt.
Aber, o vergebner Wahn! dann auch in den tiefsten Gründen,
Wo er immer funckeln mag, weiß man ihn doch auszufinden. Sie schrieb keine Vorrede zu einigem ihrer Werke, um des Lesers Gunst dadurch zu gewinnen, und ließ ihre Freunde auch keine Lobsprüche beyfügen. Sie wolte auch nicht einmal ihren Namen vor einiges derselben setzen lassen, ausgenommen vor einigen Gedichten in ihren jungen Jahren. Und obgleich dieses Anlaß gab, daß man verschiedene ihrer Werke andern zuschrieb, so veränderte sie doch nicht ihre Bescheidenheit. Als sie sich entschlossen, die Freundschaft im Tod an das Licht zu stellen, zeigte sie die Handschrift nur einer einzigen Person, auf deren Verschwiegen
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heit sie sich verlassen konte, und nachdem solche auf ihr Verlangen das Werk mit ihrer eigenen Hand abgeschrieben, sandte sie es an D. Young, den sie nur aus seinen Werken kante, und richtete die Zueignung an ihn, der Hofnung, daß wann es unter seinem Namen erschiene, alle ihre Bekannten sich einbilden würden, es wäre etwan von einem Freund dieses berühmten Dichters verfertiget worden. Und da die unnachahmlicheSchönheiten ihrer Schreibart die wahre Verfasserin entdeckten, und man es durchgehends bewunderte, so hielte sie doch immer zurück, und suchte es von sich abzulehnen, so viel die Wahrheit gestatten wolte. Sie bestrebte sich auch sogar, die ihrer Asche schuldige Ehre, und Andenken nach dem Tod abzuwenden; dann da sie aus ihrem geschriebenen Buch einige gottselige Uebungen zum Druck nach ihrem Tode aussuchte, ließ sie sorgfältigst die Theile aus, welche ihre unerhörte Gutthätigkeit und andere Tugenden, welche die größte Hochachtung und Ehrfurcht bey der Welt erwecken, offenbahret hätten. Und aus allen Umständen ergibt sich, welchergestalt sie verhüten wollen, daß ihr Lebenslauf nicht bekannt werde, massen sie aus tiefster Demuth solchen unwürdig geachtet, daß er der Welt bekannt gemacht, und zur Nachahmung fürgestellet würde. Der nemliche bescheidene Sinn erhellet aus dem Befehl, den sie ihrer Magd schriftlich hinterlassen, worin sie begehret, daß ihr Begräbniß des Nachts unter Begleitung einiger wenigen Freunde geschehen möchte, mit dem ausdrücklichen Zusatz: Schärfet dem Herrn Bowden ein, kein Wort in der Predigt von mir zu sagen. Ich möchte gern in meines Vaters Grabe liegen, und
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keinen Grabstein oder Aufschrift auf meinem schnöden Staub haben, als den ich freudig der Vergessenheit und Verwesung überlasse, bis er zur herrlichen Unsterblichkeit auferstehe. So gab sie auch ein trefliches Beyspiel in Pflichten gegen andere. Ihre kindliche Liebe war sehr merklich. Sie liebte ihren treuen Vater mit einer ungemeinen Zärtlichkeit, und sagte: Sie wolte lieber sterben, als etwas ihm mißfälliges thun, und ihre Wehmuth über seine Schmerzen in seiner letzten Krankheit war so groß, daß sie ihr etwas gichterisches verursachte; ein Zufall, wovon sie sonst in ihrem ganzem Leben frey gewesen. In ihrem Ehstande wiese sie die gröste Hochachtung und zärtlichste Liebe für Hr. Rowe, und belebte ihn auf die liebreicheste und verbindlichste Weise. In verschiedenen Fällen richtete sie sich nach seinen Neigungen, welchen die ihrige von Natur entgegen waren. Sie beflisse sich, alle seine Sorgen zu mindern, und sein Vergnügen zu mehren und zu erhöhen. Sie that alles was ihrem Geschlechte zukam. Hr. Rowe war von Natur etwas hitzig, so, daß er sich nicht allezeit beherrschen konte. Wann er nun in Zorn ausgebrochen, suchte sie ihn mit aller Sanftmuth und Liebe zu besänftigen, und sein Gemüth wieder zu beruhigen. So trachtete sie ihn auch anderwärts durch die freundlichste Zuredung zu der Vollkommenheit der Tugend, welcher sie so eifrig nachjagte, anzutreiben. Während der langen Krankheit, welche ihm den Tod gebracht, kam sie kaum einen Augenblick von ihm. Zu solcher betrübten Zeit ließ sie eine unbegreifliche Zärtlichkeit, einen unermüdeten Fleiß, und das innigste Mitleiden gegen
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Ihn sehen. Sie nahm Antheil an seinen schlaflosen Nächten, und verließ sein Bette niemals, als ihm zu dienen und zu wachen. Und wie man sie auch so gar von seinem todten Leichnam kaum wegbringen konte, so widmete sie ihre Jahre seinem Gedächtniß, und ehrte seine Asche mit dem gefaßten Schluß, beständig eine Wittwe zu bleiben, welches sie mit aller Standhaftigkeit gehalten. In einem Briefe an Frau Arabella Marrow drucket sie sich desfalls folgender Gestalt aus: Die Einsamkeit, worinne ich während dem Tode Hrn. Rowen meine Zeit zugebracht, hat mir Muße gegeben, meinem Gemüthe die Finsterniß des Grabes, und die Feyerlichkeit des Sterbens bekannt zu machen. Was nur einem Manne von solchem Verstand und Verdienste gebühret, habe ich dem Gedächtniß meines geliebten Ehe-Gattens zu erweisen gesucht. Ich gedencke bey dieser Gelegenheit mit Vergnügen an mein Verhalten; Nicht nur aus Gerechtigkeit und Dankbarkeit gegen ihn, sondern auch aus Bewustheit der Ehre und Liebe eines tugendhaften Namens nach dem Tode. Allein, wann auch die Seele in einem abgesonderten Zustande das menschliche Lob oder Tadeln nicht achten solte, so ist man doch dem geheiligten Namen der Tugend ein von Eigennutz freyes Opfer schuldig. Sie trauerte über den Tod ihres Gemahls und Vaters mit der empfindlichsten Zärtlichkeit. Doch unterwarf sie sich gelassen der Fürsicht, und verehrete den Willen des Höchsten, welcher immer gerecht und gut ist, und alles zum besten wendet. Gegen ihr Gesinde war sie gütig und gelind, und hielte es fast wie Freund und ihres gleichen. Wann
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ihm Krankheit zugestossen, verpflegte sie es mit gehöriger Sorgfalt, und schämte sich nicht, an ihr Bette zu sitzen, und ihnen ein gottseliges Buch zu lesen. Ihre grosse Leutseligkeit ärgerte sich nicht an kleinen Fehlern. Und wie sie niemals keinen Bedienten fortgeschicket, so hat sie auch keiner verlassen, als in der Absicht seinen Stand durch Heyrathen zu verändern. Sie erkannte treue Dienste mit gegenseitigem Vertrauen, und nahm ihre schuldige Pflicht wohl in acht. In ihrer Freundschaft war sie eifrig, edelmüthig, gerecht, wann nicht partheyisch gegen das Verdienst dererjenigen, welche sie liebte, und sehr gelind und aufrichtig gegen ihre Fehler. Sie bezeigte sich allezeit fertig, ihnen Dienste zu erweisen; aber insbesondere bemühete sie sich fleißigst, allen ihren Bekannten die Liebe zur Tugend beyzubringen, und sie zu allem zu reitzen, wodurch man GOtt gefällig wird, und seine hohe Gunst erlanget. Dieses hielte sie für den besten Endzweck der Freundschaft. Sie wurde nicht ganz verschonet von der Bosheit, damit sie auch Gelegenheit haben möchte, die göttliche Tugend der Vergebung auszuüben. Doch konte man kaum von ihr hören, daß sie einen Feind hätte: dann sie pflegte sich nicht zu beklagen über ungeziemendes Betragen oder ihr angethanes Unrecht. So daß man wohl sehe, daß solches wenig Eindruck bey ihr machte, oder daß sie es glücklich wieder ausgelöschet. Sie bedachte wohl, wie wahr der Ausspruch des heiligen Stifters unserer Religion: Es ist seliger zu geben, denn zu nehmen. Es ist, sagt sie, in einem schon 1697. geschriebenen Briefe an eine Da-
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me, in meiner Seele ein ewiger Trieb zur Liebe und Gutthätigkeit, ich habe diese edelmüthige Neigung mit dem Athem des Lebens empfangen, und finde sie von meinem Wesen unzertrennlich. Und in ihren spätern Jahren sagte sie zu einer andern ihrer vertrautesten Freundinnen: Ich hätte nicht halb so viel Vergnügen in meinem Leben, wann es keine Armen gäbe. Und dieses rührte nicht blos aus einer besondern Zärtlichkeit ihres Geschlechtes, oder einer natürlichen Güte her, sondern aus einem heftigen Verlangen der Tugend, andere glückselig zu machen. Ihr Eifer, großmüthige Handlungen zu verrichten, war unaussprechlich: er äusserte sich bey aller Gelegenheit, und es war schwerlich einer ihrer Freunde, der nicht ihre gütige Gesinnung durch Geschenke von Büchern, und dergleichen, erfahren. Ihre Gutthätigkeit war so groß, (wann man ihr mittelmäßiges Vermögen hetrachtet) daß man kaum dergleichen finden wird, ausgenommen in den Geschichten besserer Zeiten, da das Christenthum die gehörige Gewalt über die Herzen seiner Bekenner hatte. Ihre Milde gieng so weit, als ihr möglich: Denn sie widmete ihr ganzes Einkommen, ausser, was die blosse Nothdurft des Lebens erforderte, zur Erleichterung der Dürftigen und Bedrängten: Dieses weiset ihre Handschrift in folgendem Gelübde, welches ein Herz entdecket, das vor Liebe zu GOtt und Menschen brennet, und demnach höchst preißwürdig ist: Ich widme die Helfte von meinem jährlichen Einkommen zur Gutthätigkeit und Allmosen. Und ob ich mich schon, menschlichem Ansehen nach, hiedurch in einige Noth gebracht, so werfe ich doch alle
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meine Sorge auf den gnädigen GOtt, dem ich mich geweyhet, und dessen Treue ich mit meiner Hand unterschreibe. Ich bezeuge seine Wahrheit und bekräftige mit meinem Zeugniß die Wahrhaftigkeit seines Worts; ich versiegele, daß GOtt treu ist; und bey dem GOtt der Wahrheit schwöre ich, diß zu thun, und noch drüber. Dann, wann du mich segnen, und meine Gränzen erweitern willst, so soll alles, was ich ausser der blossen Bequemlichkeit und Nothdurft des Lebens habe, gewiß des HErrn seyn. Und o, verleyhe mir Gnade, in allen guten Werken überzufliessen. Ach laß mich Armen ein Bote des Trostes seyn. Hier bin ich, HErr, sende mich. Laß mich die Ehre haben, der Nothdurft meiner Brüder zu dienen. Ich bin zwar unwürdig, dem geringsten der Knechte meines HErrn die Füsse abzuwischen, und noch viel unwürdiger zu dieser ruhmvollen Sendung; doch, o HErr, sende mich, dann deine Güte ist frey. Sende, wen du wilt<wilst>, als Gesandte an die Könige und Regenten der Erde; laß mich aber eine Magd der Mägde und Knechte meines HErrn seyn. Laß mich denen Bedrängten Gliedern meines erhabenen und glorreichen Erlösers Trost und Erleichterung bringen. Laß dieses mein Loos seyn, so will ich alle die Herrlichkeit der Welt in den Wind schlagen. Diesem heiligen Gelübde zufolge, welches, wie sie sich an einem andern Orte ihrer Handschrift erkläret, nicht in einer Stunde der Furcht und Noth, sondern in der Freude und Dankbarkeit gethan worden, vermiede sie nicht nur alle überflüssige Ausgaben in Kleidung und Nahrung, sondern
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durch eine fast übermäßige Güte, wann je ein solcher göttlicher Trieb zu weit gehen kan, um ihren Mitgeschöpfen desto mehr Gutes zu thun, versagte sie sich auch, was man gewisser massen eine wahre Nothdurft des Lebens nennen kan.
Gegen ihren eignen Mangel, und allein sich selber scharf,
Konte sie sich kaum gestatten, was doch die Natur bedarf,
Was ihr übrig blieb, das war das bestimmte Theil der Armen:
Und doch kont sie immer kaum eigner Nothdurft sich erbarmen. Elend und Dürftigkeit waren schon genugsam, ihren mitleidigen Beystand zu erhalten; doch zeigte sie eine sonderbare Bereitwilligkeit, Personen von Tugend und Verdienst beyzuspringen, und diese hat sie niemals hülflos von sich gelassen. Das erstemal, da sie von dem Buchhändler eine Erkenntlichkeit für eines ihrer Werke angenommen, schenkte sie die ganze Summe einer nothleidenden Familie, und vermuthlich hat sie alles Geld, daß sie solchergestalt empfangen, so edelmüthig angewandt. Und einmal da sie nicht Geld genug hatte zu einem gleichen Gebrauch, verkaufte sie sogleich etwas von Haus-Mobilien, und gab das erlöste. Wann sie ausgienge, pflegte sie allerhand Stücke Geld mit sich zu nehmen, damit sie vorkommenden Armen, nach ihrem Verdienst und Bedürfniß mittheilen könte. Und ihre Gutthätigkeit schränkte sich nicht nur auf die Nachbarschaft ihres Aufenthalts ein, sondern, da sie auf dem Lande lebte, schickte sie auch grosse Summen nach Londen und andere entle
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gene Theile, auch zuweilen zu milden Absichten, die sie nicht allerdings gut heissen konte. Sie sagte: man müßte zuweilen etwas auf die Religion hin geben, wann andere Beweggründe fehleten, damit Bekenner des Christenthums nicht des Geitzes möchten beschuldiget werden: Ein Laster, welches sie dergestalt verabscheuete, daß kaum ein gröberes jemand gewisser von ihrer Freundschaft ausschliessen konte. Es dauret mich nie kein Geld, sagte sie, als wann ich es an mich selbst wende; dann ich bedenke, wie viel ich für Arme damit kaufen könte. Ausser den Geld-Summen, welche sie verschenkte, und der Austheilung gottseliger und erbaulicher Bücher, arbeitete sie mit ihren eigenen Händen, um Dürftige zu kleiden. Dieses thate sie nicht nur für die Flüchtlinge aus der Untern Pfaltz, da sie durch Krieg aus ihrem Lande getrieben worden, eine Noth, die eines besondern Mitleidens würdig schiene: Sondern sie machte öfters Kleider von allerley Gattung, und schenkte sie Bedürftigen. Sie war sehr leutselig und besorgt für Unglückliche, und weinte über ihre Unfälle, nicht aus weibischerSchwachheit, sondern großmüthiger Tugend; dann sie vergoß selten Thränen über Trübseligkeiten, so ihr zugestossen. Sie wurde durch das Elend der Armen so empfindlich gerühret, daß sie nicht nur ihre Magd sandte, um nachzufragen, was sie nöthig hätten, sondern besuchte sie auch öfters persönlich, wann auch gleich ihre Häuser noch so schlecht und unanständig für sie schienen, auch selber wann Kranckheiten sehr schlimm und ansteckend waren. Eine Art mildreicher Gutthätigkeit, woran sie ein grosses Belieben hatte, war
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diese, daß sie Kinder lehren, und zu einer gewissen Arbeit anführen ließ: diesen verschafte sie sowol Kleider als Bibeln, und andere nöthige, und zum Unterricht dienliche Bücher. Dieses that sie nicht nur zu Frome, sondern auch in einem benachbarten Dorfe, wo ein Theil von ihren Gütern lag. Und wann sie auf der Strasse Kinder von gutem Angesicht und Hofnung antraf, welche ihr ganz unbekannt waren, und sie auf Befragen fande, daß sie wegen Armuth ihrer Eltern nicht zur Schule angehalten wurden, ließ sie solche auf ihre eigene Kosten darein gehen. Ja, sie unterrichtete sie selbst in denen nöthigen Grundsätzen und Pflichten der christlichen Religion, und so viel Kummer es ihr machte, wann ihre Hofnung an einem fehl schlug, so viel Vergnügen erweckte es ihr, wann sie ihre milde Sorgfalt wohl angelegt sahe. Ihre Gutthätigkeit erstreckte sich auf alle, wes Glaubens sie auch seyn mochten. Und nicht nur auf sehr bedürftige Arme, sondern auch andere die eben nicht den äussersten Mangel litten: Denn sie pflegte zu sagen: Es wäre eine der grösten Wohlthaten, so man Menschen erweisen könte, wann man sie der kümmerlichen Sorgen eines klemmen Vermögens entledigte. Und denenjenigen, die sich Allmosen anzunehmen schämten, suchte sie unter der Hand zu helfen.
Ihre Sorgfalt sann nur einzig, Nothbedrängten beyzustehn,
Und für alle Unglücksfälle Heilungs-Mittel auszusehn.
Ihr Bestreben, ihr Bemühn war nur andrer Wohl zu bauen,
Und dieß ihre gröste Freud, sie durch sich beglückt zu schauen,
Doch so daß vor ihren Wercken stets der Demuth Vorhang war,
So wie Engel Heyl ertheilen, unerkant und unsichtbar.
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Sie besaß die Kunst zu geben, welche eine weit edlere Tugend, als die Kunst zu geniessen, in einem hohen Grade. Sie schiene in der That denen Armen ein dienstbarer Engel zu seyn. Ihre Güte kam deren Bitten zuvor: Diese Hände, sagte sie, laut einer Handschrift, werden bald in dem Grab steif und unbrauchbar werden, die nun der Nothdurft der Armen und Betrübten dienen können, wann du, o Herr, mir die angenehme und freudige Gesandtschaft auftragen woltest. O sende mich, als einen bereitwilligen Boten des Trostes, in ihrem Mangel und Elend. Erhöre ihre Segenswünsche und Gebet für mich; ehe sie gefordert, habe ich ihrem Mangel abgeholfen. Ihre Gutthaten waren immer begleitet mit der holdseligsten Sprache, und den liebreichesten Bezeigungen. Sie reitzte dürftige ihren Mangel zu entdecken durch die gütigste Versicherungen der Erleichterung. Und sie ließ sich auch durch keinen Schein einer Undankbarkeit von Gutes thun abhalten. Es ist sich zu verwundern, wie ihr mäßiges Vermögen so viel mildreiche Ausgaben bestreiten können. Und sie selbsten merkte dieses an in einem Brief; Ich wundere mich, sagte sie, wie meine Güter zu allem diesem hinlänglich, wann ich erwege, was ich thue; und doch mangelt es mir nie an Geld; dieses sprach sie nur, um dem göttlichen Segen die Ehre zu geben, welcher ihrem Bekänntniß nach, sie vor Verlust bewahret, und zu allem Glück gegeben. Man kan ihr auch unmöglich eine andere Absicht beymessen, weil ihre Bescheidenheit die Werke der Barmherzigkeit zu verbergen gesucht, und viele werden verborgen bleiben, bis auf jenen Tag, da
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sie der allwissende Richter, als der alleinige Zeuge davon, offenbahren und belohnen wird. So viele herrliche Tugenden bey einander konten keinen andern Ursprung haben als die Gottseligkeit. Ihre Schriften geben ein schönes Bild von ihrer Seele. Ihre tiefe Demuth und höchste Liebe zu GOtt, ihr Glaube an seine Verheissungen, ihr Vertrauen auf seine Fürsehung, ihr Eifer für seine Ehre und Liebe zu seinem heiligen Gesetz leuchten zur Genüge daraus herfür, und besonders aus diesen gottseligen Andachts-Uebungen des Herzens. Die Mittel deren sie sich dazu bedienet, waren unter andern folgende: Sie widmete sich zu dem Dienste des HErrn in einen feyerlichen Bunde. Hierin ahmete sie dem Beyspiel ihrer frommen Mutter nach. Zu deren geheiligten Verbindung von dieser Art Frau Rowe noch in ihrer Jugend diesen Zusatz gemacht: Mein GOtt, und meines Vaters GOtt, der du Bund hältst, und Barmherzigkeit erweisest in das tausende Geschlecht, ich nehme dich zum Zeugen, daß ich mit aller Aufrichtigkeit meiner Seelen diesem Bunde beytrete, und auf der feyerlichen Uebergabe, so bey meiner Taufe geschehen, beharre. Und hier Soll des HErren hoher Name ewiglich mein Zeuge seyn. Und so unterschreibe ich mich willigst und freudigst dem HErrn mit meiner Hand C. Singer. Und unten in dem nemlichen, schreibet sie also: Erneuert im Herbstmonat 1728. Wenn ich vor dem Richter der ganzen Erden stehe, um mein Ur
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theil auf alle Ewigkeit zu empfangen, soll dieser Vertrag ein Beweis seyn, daß ich der Welt absage, und den höchsten GOtt für mein Theil und meine Glückseligkeit wähle. Ihre Handschrift gibt auch folgende ausführlichere Erneuerungen dieses heiligen Bundes: Laß mich dir meine Gelübde erneuern, laß mich die geheiligte Verpflichtung wiederholen, laß meine Seele ihre gesamm te Kräfte sammlen; laß mich, wo es möglich, meine Verbindung stärker machen, und mich dir völliger widmen. Mit was für Vergnügen denke ich an die auf mir habende Verbindungen, dein zu seyn! Gesegnetes Band! Ich wolte nicht loß davon seyn um viele tausend Welten. Ich hatte nie keinen glückseligen Augenblick, biß ich dein war; alle meine Freude schreibet sich von der seligen Zeit her; Daher<daher>entsprung sie, und daher wird sie ewig fliessen. Ach laß mich demnach meine Gelübde dir freudig erneuern; laß Engel mich unterrichten, sie zu bekräftigen; laß sie mich ihre Art lehren, und mir ihre Flammen geben. Laß alles edel, nachdrücklich, und feyerlich seyn, wie ihre ewige Gelübde. Ich möchte mich gern verbinden durch höhere Bänder, als die, so Sterblichen bekant. Aber ich kan nicht sprechen mit der Inbrunst, wie ich wünsche. Ich kan nicht Worte finden, den heftigen Trieb meiner Seele auszudrucken. Aber ach du, der du diese Begierden verstehest, welche ich nicht ausdrucken kan, nimm die Aufrichtigkeit meines Herzens; Siehe und nimm meine Gelübde an; und laß sie ewig fest stehen. Höret zu ihr Engel! Himmel und Erde höre mich! laßt GOtt, den höchsten, den Besitzer Himmels und Erden, selbst mein Zeuge seyn! dann auch auf ihn darf ich mich berufen, vor welchen keine Verstellung meine Gedancken verbergen kan; selbst deinen heiligen Namen darf ich zum Zeugen nehmen, dich, dessen Gnade meine einzige Hofnung, und dessen Ungnade allein das ist, was ich fürchte. Doch sind meine Worte keine Würkung des Schreckens und der Noth,
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sondern der Vernunft und Liebe. Keine Handlung in meinem ganzen Leben war jemals vorsetzlicher und freywilliger. Meine Seele stimmet völlig bey, und ergibt alle ihre Kräfte. Ich behalte nichts zurück, du hast mein ganzes Herz ungetheilet. O du, der du von den Höhen der Majestät herab schauest, der du auf den Himmeln fährest in deiner Herrlichkeit, und von da dir nicht zuwider achtest, ein Vater der Vaterlosen und ein Richter der Witwen zu seyn; ich komme zu dir hülfloß, verlassen, und bloß von allem Namen der Freude und Zuversicht auf Erden. Ich habe alle scheinbare Benennungen und Bänder unter den Menschen eitel und betrüglich gefunden: Aber ich freue mich der Ueberzeugung, und heisse es einen glückseligen Umstand, der mir alles menschliche Vertrauen verdächtig gemacht; der meine Verbindungen mit allem hier unten unterbrochen, und mich genöthigt, Freund und Hülfloß zu dir zu fliehen. Ach nimm mich mit der Zuneigung eines Vaters auf. Nimm mich in deine zarteste Vorsorge und Beschützung. O! gedencke an deinen Bund mit meinen frommen Vorfahren, ihr Gott, und ein Gott ihres Saamens nach ihnen durch einen ewgen Bund zu seyn. Deine Barmherzigkeit gehet über das zärtlichste Band auf Erden; du hast ein Vergnügen, Güte und Treue auf der Erde zu beweisen; du bist der GOtt aller Gnade, und alles Trostes: dieß sind deine freye und natürliche Würckungen. Zorn ist nicht bey dir. Dein Name, dein hochgerühmter Name ist Liebe. Und du weichest niemals von ihrer gütigen Fürschrift und Angebung. Sie ist der Anfang und das Ende aller deiner Wercke, das herrliche Ziel, das du von aller Ewigkeit her für Augen hattest. Du wendest dein Gesicht nicht hiervon, sondern hast dein Herz darauf gerichtet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Güte und Barmherzigkeit fliessen immerdar von dir: du kanst diese preißwürdige Ausflüsse nicht zurückhalten; sie werden und müssen ewig aus dir ströhmen, aus dir, dem unendlichen Abgrund, dem Brunn der Güte, dem Inhalt, und der Fülle der Freuden, ihrer nie verseigenden<versiegenden> Quelle.
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O du hast meine Seele mit deinem eigenen Blut erkaufet; vor GOtt und Engeln übergeb ich sie deiner Bewahrung; dir vertraue ich feyerlich dieses geheiligte Pfand, in deine Hände empfehle ich diesen theuren Schatz; es ist alles, was ich habe, mein Wesen selbst; ach bilde sie nach deinen Wohlgefallen und sichere sie vor der List der Höllen. Ich bin mit Gefahr umringet und tausend unsichtbare Stricke liegen um mich; ich darf nur einmal um die Ewigkeit losen. Siehe meine Ohnmacht und Noth mit mitleidigen Augen an; ich fliehe zu dir, laß mich einen Schirm finden vor dem Winde, einen Schutz vor dem Sturme. Ich bin nicht mein eigener Hüter, und kan mich nicht selbst bewahren; Fleisch und Blut ist zu schwach mit den Fürstenthümern und Machten, und Regenten der Finsterniß in der Höhe zu streiten; die Zusammenrottung ist zu stark, als daß sie die Natur ohne Hülfe besiegen könte. Du weist, meine Stärcke ist nur Schwachheit, meine WeisheitThorheit, mein natürliches Licht ganz Finsterniß. Ich weiß nicht den nächsten Schritt vor mir, und wann ich strauchele, wird es deinen heiligen Wegen Verachtung zuziehen. Ich bin auf des Herrn Seite: ich stehe im Bunde mit dir wider die Verschwerung der Hölle: ich begebe mich unter dein Panier, um wider das Reich der Finsterniß anzugehen. Gib mir Stärcke und Weisheit, allen Widerstand zu bekämpfen; überlaß mich niemals meiner eigenen Führung, und laß mich deine Sache nicht durch einige Schwachheit oder Unbedachtsamkeit verunehren: O du, der du nicht schläfest noch schlummerst, bewache meine Gänge, und laß meine Tritte nicht gleiten. O Brunnquell der Liebe und Gnade, laß mich deinen gegenwärtigen und augenblicklichen Einfluß verspühren. Es ist keine Verbindung in der ganzen Natur so nahe, als das Band zwischen GOtt und einer tugendhaftenSeele: und wilt du sie nicht zieren mit den Gnaden-Gaben, welche zu ewigem Nutzen dienen können? In dem Namen des Herrn, und GOttes der Heerscharen, des GOttes der Heere Israels, laß mich die Fürstenthü
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mer und Machten der Finsterniß überwinden. Ich habe dein Wort zu meinem Schutz erwählet, ich habe zu dem Namen des Herrn meine Zuflucht genommen, laß mich frölich seyn, laß mich triumphiren in dem Heiligthum, und keinen Gedanken von Furcht oder Mißtrauen hegen. Laß mich hoffen wider Hofnung, glauben über den Glauben, mit einer Zuversicht, welche gemäß der Macht, worauf ich traue, und der Wahrhaftigkeit, welche sich verpflichtet, mich zu schützen. Laß die Kräfte der Hölle zu Schanden werden; da ich mich des Herrn rühme und deines Heyls erfreue! Ich kan, ich muß, ich darf mein Siegel darauf drucken, daß GOtt treu ist. Ich darf ohne Bedenken bestätigen, was du bezeuget hast; ich darf ohne Anstand den Worten des lebendigen GOttes beypflichten. Laß meine Tritte nicht gleiten, erhalte mich auf den Wegen des Lebens und Heyls, regiere eine jede Bewegung, dann du bist mein einziger Rathgeber. Laß mich nicht selbst für mich wählen. Verleyhe mir keinen Vortheil, als den ich zu deiner Ehregebrauchen möge; durchstreiche ein jedes Gebet, so deinem Willen nicht gemäß gewesen. Ich ziehe zurück eine jede Bitte, so nicht auf deine Verherrlichung abzielet; dich, und nicht mich selbst möchte ich ehren. Dir möchte ich leben und sterben. Mache deine eigene Bedingungen, und richte sie ein, wie du wilt, ich nehme dich zu meinem einzigen Theil in diesem Leben, und in alle Ewigkeit. Und mit vollkommener Einstimmung unterschreibe ich mich dem Herrn mit meiner Hand. 1725. Herbstmonat 11. als ihrem Geburts-Tage. E. Rowe. Sie verrichtete täglich dreymal insgeheim ihr Gebet, wie aus folgendem, von ihrer Handschrift genommenen Vorsatz erhellet: Morgens, Mittags und Nachts will ich dich preisen, und mein beständiges Opfer dem höchsten und unabhänglichen Wesen entrichten. Und
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wie sie zu sagen pflegte, daß wir die Stunden, da wir am besten aufgelegt, zu dem Dienst des Himmels weyhen solten; so setzte sie auch die Zeit des Tages, worinnen sie die Kräfte ihres Gemüths am freyesten und würcksamsten dachte, zu diesem heiligen Geschäfte aus: doch so viel man abnehmen konte, waren ihre Andachten nicht so wohl lang, als zahlreich, und oft. Sie hatte eine grosse Liebe, und hohe Ehrerbietung für den Tag des Herrn, welchen sie unter Enthaltung von weltlichen Sachen und Ergötzlichkeiten ganz der Religion widmete. Sie wohnte dem äussern Gottesdienste mit Aufmercksamkeit, Fleiß, Ehrerbietigkeit, und der äussersten Erhabenheit der Selen bey. Nach dem Beyspiel unsers hochgelobten Heylandes, welcher auf den Sabbath Gutes thate, heiligte sie den Tag des Herrn dadurch, daß sie daran Arme in dem Hause unterhielte, und reiche Allmosen austheilete. Aber ihre Andachts-Uebung läßt sich am besten aus folgender Stelle ihrer Handschrift ersehen: Ich setze feyerlicher Weise einen Tag in der Woche, (wo möglich den Sonnabend) zu meiner geheimen Andacht aus, um mich auf das edle Werk des öffentlichen Gottes-Dienstes zu rüsten; und dann müssen sich alle die Kräfte meiner Seele in Liebe und heiliger Anbetung üben. Laßt mich näher zu dem gnädigen Wesen hinnahen, welches ich, obwohl unsichtbar, liebe; und laß mich das unaussprechliche Vergnügen seiner Gegenwart geniessen, und mich in dem Hause des Gebets freuen:
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Laßt mich die Fettigkeit seines Hauses in Ueberfluß kosten, und von den Ströhmen der Wollust trincken. Ihren Sinn in Ansehung des heil. Abendmahls entdecket nachstehendes aus ihrer Handschrift: Bey jeder Begehung des Sacraments laß mich meine Stärke erneuern, und mit dem Brod des Lebens unsterbliche Kraft empfangen. Laß mich der Gelübde des HErrn eingedenk seyn, und wenn ich wieder zurück kehre, laß mich meine Wege dir empfehlen. Laß mich vor nichts sorgen, sondern meinen Mangel dir mit Gebet und Flehen vortragen. Laß deiner Fürsehung mich vollkommlich überlassen, und nie kein Mißtrauen in deine Güte und Treue setzen. Laß mein Herz mit der größten Ehrfurcht vor deiner Gegenwart angefüllet seyn, und erhalte mich allezeit in einer ernstlichen Fassung. Laß mich gerecht und barmherzig seyn in meinen Handlungen, und ruhig und ordentlich in meinen Gedanken: und ach, bewache du meinen Mund, und bewahre die Thür meiner Lippen. Laß mich von niemand Uebels sprechen; Laß mich das Ansehen tugendhafter Personen befördern, und in dem Preiß des Verdienstes nicht stumm seyn. Laß meine Zunge die Sprache meines Herzens führen, und mich durch genaue Wahrheit und vollkommene Aufrichtigkeit geleitet werden. Laß mich meine Hände weit aufthun für die Mängel der Armen, in völligem Vertrauen, daß mein himmlischer Vater vor die Meinigen Verfügung thun werde; und daß der hohe Besitzer
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Himmels und Erden nicht ermangeln werde, in der Stunde meiner Noth zu ersetzen, was ich um seinet willen dahin gegeben. Ach laß mir deine Gnade genugsam seyn, und deine Stärke sich in meiner Schwäche offenbaren. Sey bey mir in der Stunde der Versuchung, und bekräftige den heiligen Vorsatz, den ich durch deinen Beystand gefasset. Sie hatte eine unsägliche Liebe und Hochachtung für die heilige Schrift, und lase sie unermüdet, sonderheitlich das Neue Testament, die Psalmen, und diejenigen Theile der Prophezeyungen, welche sich auf unsern hochgelobten Heyland beziehen. Einige Zeit vor ihrem Tode hat sie kaum etwas anderst gelesen, als diese heilige Bücher, und andere erbauliche Verhandlungen. Sie stellte auch öftere Betrachtungen an über die künftige Seligkeit, die VollkommenheitenGOttes, besonders über die unendliche Güte und Barmherzigkeit in der Erlösung der Welt durch JEsus Christus, und andere mächtige Religions-Punkte, welche ihr am bequemsten schienen, ihre gottselige Andacht zu befördern und über dieß übte sie auch in dem letzten Theile ihres Lebens zu gewissen bestimmten Zeiten die Enthaltung. Ihr Eifer für die Gottseligkeit war ungemein groß. Wie sie sich vor Freude der Thränen kaum entbrechen konte, wann sie eine merkliche Frömmig keit wahrnahme, so hat ihr das Gegentheil in der Seelen wehe gethan. Und wie sie mit größter Betrüb
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niß den Unglauben in diesem Lande überhand nehmen sahe, so ließ sie eine sonderbare Hochachtung und Dankbarkeit gegen diejenige fürtrefliche Männer verspühren, welche in diesen Tagen die christliche Religion durch ihre gelehrte Schriften vertheidiget, und ehrte sie als allgemeine Wohlthäter gegen dem menschlichen Geschlechte. Ob sie schon zur Ausübung einer hohen Gottseligkeit gebohren zu seyn schiene, und daran ihr höchstes Vergnügen gehabt, so versichern uns doch ihre eigene Worte, daß sie aus starken Bewegungen der Leidenschaften, und entzündtem Eifer nicht allzuviel gemacht. Dann sie drücket sich so aus in einem Briefe an eine vornehme Freundin: Ich habe lang keine gottselige Betrachtungen mehr geschrieben. Die Hitze der Andacht, vielleicht sowol als andere Leidenschaften nimmt mit dem Leben ab; aber ich hoffe, der stille, vernünftige und gründliche Theil der Religion wird immer zunehmen. Und in einem andern Brief an die nemliche Dame, sagt sie: Ich habe keine Wiedererstattung zu thun, noch das geringste Unrecht wissentlich zu ersetzen. Ich mache vielmehr aus diesem Theil der Religion, der das menschliche Geschlecht angehet, als aus hoher Andacht. So nöthig ich auch dieselbe halte, um das Gemüth zu dem Tod geschickt zu machen. Sie suchte nichts besonderes für andern. Sie beurtheilte andere nicht nach sich und der strengen Lebens-Art, woran sie sich gebunden, so gar, daß sie auch ihre Einrichtung zu verbergen getrachtet. Ihr Gemüth besaß eine grosse Heiterkeit und
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Fröhligkeit, welche aus sich bewußter Tugend und Hofnung der Gunst GOttes ganz natürlich herzufliessen scheinen. Sie wußte nichts von den wunderlichenZufällen, welche so die Einbildungs-Kraft des weiblichen Geschlechtes verfinstern. Ihr ganzes Leben ausser gottseligen Angelegenheiten und einiger Bekümmerniß für ihren treuen Ehegatten, schien eine beständige Stille, und steter Sonnenschein zu seyn, und sie war zu allen Stunden wohlgemuth. Sie bekannte die erkannte Wahrheit freymüthig, und vertheidigte sie eifrig. Anbey aber verdammte sie niemand wegen andern Meynungen. Wie sie dann in ihren letztern Jahren mit einigen, welche in wichtigen Punkten von ihr unterschieden waren, in unverrückter Gemeinschaft gelebet, und je näher sie dem Ende kam, je gleichförmiger wurde ihr Gemüth dem Himmel, in den sie bald solte versetzet werden. Ihre Freundschaften gründeten sich nicht sowol auf eine vollkommene Uebereinstimmung in Meynung, als vielmehr auf Tugend. Sie stunde in der Bekanntschaft und Hochachtung der Gräfin von Winchelsea , der Vicontesse Weymuth, der Vicontesse Scudamore, der Lady Carteret, der Lady Broocke, und Thynne, des Grafen von Orrery, Dr. Kenne, Bischofs von Bath und Wells , des Ritters Richard Blackmore, Dr. Watts, Hr. Prior, und Grove, fürnemlich aber der Herzogin von Somerset, gebohrnen Gräfin von Hertfort , welche sie in ihrem Leben mit ihrer Freundschaft und in ihrem Tode mit ihren Thränen beehret.
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J. Watts auf die geistliche und göttliche Gedichte der Fr. E. Rowe. Julii 19. 1706.


Als ich einst mit meiner Harfe an dem Strand der Themse saß,
Und bey himmlischen Gesängen Sorgen, Leyd und Zeit vergaß,
Ist von Westen unverhoft ein so süsser Schall gekommen,
Daß ich auch an Lieblichkeit noch dergleichen nie vernommen:
Gleich erkanten ihn die Hirten, und sie sagten gleich von ihm,
Als sie solchen kaum gehöret; dieß ist Philomelen Stimm.
Meine Muse war dahin, und mein Sayten-Spiel gefallen,
Vor dem Anmuthsvollen Ton, so in meinem Ohr erschallen.
Ich erweckte meine Kräfte: aber mein Versuch mißlung:
Meine Seele wich und flohe, und verließ die rege Zung.
Alles an mir war Gehör, und mit Himmels-Lust erquicket,
Ueber Philomelen Lied, welches Geist und Herz entzücket.
Meine Harfe sey nun stille, und soll ewig nicht mehr gehn,
Meine Muse soll nun schweigen, und sich nichts mehr unterstehn.
Ich entzog mich längst der Erd, und entschlug mich schnöder Dingen,
Und mein Dichten übte sich, nur, was ewig, zu besingen.
Nun ist meine Müh vergeblich, da ein Engel selbst die Welt,
Mit den angenehmsten Liedern, gleich dem Himmel unterhält.
Hinfort sey nur mein Geschäft Philomelen nachzusingen,
Und auf ihren Flügeln mich in die Höhe aufzuschwingen.

Auf die Herausgebung ihrer Gedichte nach derselben Tode.


So, so sang einst Philomele, da sie noch die Erde hielt,
Und der Geist, der aufwärts stiege, noch des Leibes Druck gefühlt,
Nun sie solcher Banden loß, läßt sie bey den Engel-Chören,
In den Feldern voller Licht, ihre ewge Laute hören.
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Dort erhebt sie ihre Stimme, dorten singt sie lieblicher,
Dann da konte sie nur lernen Lieder, die erhabener.

Auf ihren Tod.


Kommet, o ihr tugendhafte, kommt, ihr Weisen alle her,
Und entricht bey dieser Stätte die hier schuldge letzte Ehr.
Seht, ach sehet! diese Gruft, diese Höle in sich fassen,
Das was Philomele hier auf der Erd zurück gelassen,
Steht gleich hier kein prächtig Grabmahl: steht gleich hier kein Marmorstein,
Wird ihr Name und Gedächtniß dennoch unvergänglich seyn.
Philomele braucht ihr nicht, massen ihre theure Schriften,
Ihr ein immerwährend Lob, und unsterblich Denckmahl stiften.
Heilig leben, selig sterben, war, Verklärte, dein Bemühn,
Dort nur wiesen deine Lehren, dort bringt deine Nachfolg hin.
Gute Nacht, du Frauen Zier! und du Zierde deiner Tagen!
Deine viele Tugenden werden einst die Dichter sagen.
Dein Gedächtniß wird der Nachwelt heilig und in Ehren seyn,
Und die Regung frommer Herzen wird die zarte Thränen weyhn.
Menschen können mehr nicht thun; dieses soll dir von der Erden,
Und was dann noch übrig bleibt, von dem Himmel zahlet werden.

Trauer-Gedicht auf den Tod der sel. Fr. Elis. Rowe, vonTheophilus Rowe. April. 1737.


Möchte doch, geehrte Seelge! da ich meinem Triebe nach,
Traurend dich, als Freundin, Schwester, und als Heilige, beklag,
Möchte doch in meinem Lied alle Anmuth sich vereinen,
Und wie du Alexis dort, so ich dich nun hier beweinen,
Daß, indem ich dich beseufze, und von deinem Namen sing,
Ihm auch deine edle Flamme, und erhöhte Kunst geling.
Alsdann würde mein Gedicht deinen so belobten gleichen,
Und, wann es den deinen gleicht, dir zum ewgen Ruhm gereichen.
Schön und lieblich war dein Bildniß, und was kont geschickter seyn,
Wie das Auge, so das Herze, voller Liebreitz zu erfreun?
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Und da dein Geschlecht bemüht, nur durch Schönheit anzuziehen,
War dieß dein geringster Ruhm, und auch dein geringst Bemühen.
Eine Güte, welche himmlisch, ein Gemüth so göttlich denckt,
Das, was Seraphinen lieben, war dir obenher geschenckt.
Wie man etwan eine Blum, wann der holde Frühling blühet,
Mit erhöhter Schönheit Pracht unter andern prangen siehet.
Als die nicht allein die Augen, mit gemahltem Zierrath rührt,
Sondern auch besondre Tugend nebst der Anmuth bey sich führt,
Voll verborgner Heilungskraft wird erwünscht an ihr gefunden,
Süsse Lindrung für den Schmerz, und ein Balsam für die Wunden.
Liebste Freundin holder Musen! dem sie gütig beygelegt,
Was nur Pindar, was nur Sappho je vor Feur und Anmuth hegt.
O der Schönheit und der Zier! welche deine Lieder zeigen,
Die an Stärk und Lieblichkeit dir und deiner Tugend gleichen.
Sanft, so wie ein stilles Bächlein, welches sacht und schleichend fließt,
Stark gleich einem schnellen Strome der sich ungestüm ergießt.
Wann dein angenehmes Lied in den stillen Gründen klinget,
Und von unbeschmitzter Lieb und von edler Freundschaft singet,
O wie lieblich, wie vergnügend scheinest du, o Einsamkeit,
Du beliebter Sitz der Musen, und der Tugend höchste Freud!
Hof und Grösse reitzt nicht mehr, und die Hoheit steht verachtet,
Und wo ist ein Herz, so nicht nach den stillen Schatten schmachtet?
Traurt dein Klaglied um Alexis, deine früh entzogne Zier,
Ach wer traurt und weint und klaget nicht durch dich gerührt mit dir?
Oder wann in deiner Brust eine höhre Flamm entglommen,
Und du dir der Allmacht Ruhm zu erheben fürgenommen:
Wann uns dein erhöht Gedichte aufwärts zu den Sternen leitt,
O wie klein wird uns die Erde und all ihre Herrlichkeit?
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Heisse Tugend-Trieb entstehn, Hofnung, Brunst und Eifer glühen,
Und der Himmel wird allein unsrer Sehnsucht stet Bemühen.
Engel stehen voll Verwundrung, über das, so du gedichtt,
Und sie schämten sich so hoher, und so schöner Lieder nicht.
O du, die du unsre Zeit zu verbessern warst gebohren,
Die die Fürsicht uns zur Zier und zum Segen auserkohren!
Die bedrängte Wahrheit fande dich zu ihrem Schutz bereit,
Und du warest eine Zuflucht der verlaßnen Frömmigkeit.
Wie erschreckend wußtest du Hölle und den Weg zur Höllen,
Und wie schön die Himmels-Bahn und den Himmel fürzustellen?
Der in Lust verlohrne Sünder, so sich in der Sünd verwirrt,
Und sich von dem Pfad des Lebens, und von GOtt und sich verirrt,
Wird durch deiner Schriften Kraft seinen Sinn gebessert finden,
Und im Lesen Wunsch und Trieb zur getreuen Folg empfinden.
Die zu Lastern schnelle Jugend, wird dadurch der Fesseln frey,
Auf die Spur der Weisheit kommen, und ersehn, was Wahrheit sey.
Sie wird ihre Hofnung nur auf den Felß der Tugend gründen,
Und so das erwünschte Ziel, den gesuchten Himmel finden.
So ergötzen deine Schriften! deren Name und Gerücht,
Deiner ehrenwehrten Stirne ewge Lorber-Kränz verspricht:
Eine nicht gemeine Ehr! doch sind deine Engel-Weisen,
Nicht, wie deine Engel-Güt, und so hoch, als sie, zu preisen.
Kränze, so die Musen weyhen, wären sie auch noch so schön,
Sind Geschenke, welche irrdisch, und als irrdisch, bald vergehn.
Aber jene Palmen-Zweig, welche deine Schläf umwinden,
Werden unverwelklich seyn, und mit keinem Zeitlauf schwinden.
Fern von Welt und ihren Sorgen, hast du deine Lebens-Zeit,
Zu Gebet und Liebes-Werken, und zu gutes Thun geweiht.
Gold und Reichthum und ihr Reitz konte niemals dich verleiten.
Als die sie gegeben hielt, nur sie weiter auszubreiten.
Die dir mitgetheilte Güter wurden reichlich ausgestreut,
Hungrige damit gespeiset, Nackende davon gekleidt,
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Witwen warst du eine Hülf, und ein Trost beklemmter Waysen,
Und sie konten dich mit Recht ihre treue Mutter heissen.
Niemals traurte das Verdienste, daß du es nicht gleich gelabt,
Niemals darbte arme Tugend, weil du annoch was gehabt.
Zeuge du, o mildreich Thor, das die Armen aufgenommen,
Die gedrängt und Haufenweiß immer für dich hingekommen:
Zeuge, ob wohl jemals einer unbefriedigt von dir trat,
Und vergeblich um ein Opfer mitleidvoller Liebe bat?
Holde Engel! deren Amt, den Gerechten nachzugehen,
Zeugt von ihrem Lobgesang, und von ihrem steten Flehen;
Zeugt und saget, ob ihr jemals einen Sterblichen gekannt,
Der solch Englisch Lobgetöne, solch Gebet hinauf gesandt.
Jene Freude, welche du, du, o Tugend, nur kanst geben,
Konte ihre Stirn mit Glanz, und mit Heiterkeit beleben.
Das zufriedene Gemüthe, so der Himmel ihr verliehn,
Machte, daß ein treuer Abdruck davon in den Minen schien,
Solche Anmuth, solche Huld, ein so angenehmes Wesen,
Lassen sich nur im Gesicht eines holden Engels lesen.
Selig warst du in dem Leben, und auch selig in dem Tod!
Dann dir war vergönnt zu sterben ohne die gewöhnte Noth;
Ohne schmerzliches Gefühl, sonder Angst und Bangigkeiten,
Und den herben Kampf uud<und> Streit, welche sonst den Tod begleiten.
Eine Stunde in Gesundheit, und die andre drauf so gleich,
In der unbeschränkten Wonne dorten in dem Himmelreich.
GOtt voll Gnade, Huld und Treu, hörte dein Gebet und Flehen,
Und gewährte dir den Tod, welchen sich dein Wunsch ersehen.
Um ein diesem gleiches Schicksal, holder Himmel, fleht mein Mund;
So sey ebenfalls mein Leben, so auch seine letzte Stund!
Selge Stunde! selger Tag, wo der Anfang meinem Frieden,
Und hingegen meinem Leyd ein unendlich End beschieden!
O so Fromm- als Weisen Theure! aber wieder das Geschick!
Auch nicht jener Fürstin Thränen bringen deinen Geist zurück.
Freundin! Schwester! ja noch mehr, die so werth in meinem Herzen!
Wie ich immer dich betracht; machst du mir nur herbe Schmerzen.
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Da du meinem Aug entzogen, so beklag ich wehmuthvoll,
Meines Lebens liebste Freude, die ich nimmer kosten soll.
Dein so schön und lieblich Bild wird mich nun nicht mehr erquicken,
Und ich deiner Schönheit Zier künftighin nicht mehr erblicken.
Jetzo, da ein trüb Gewölke unvermuthet sich erhöht,
Und die hohe Sommer-Sonne allzufrühe untergeht
Wird mich deine holde Stimm fernerhin nicht mehr ergötzen,
Noch mich auf der Erde hier in ein Paradieß mehr setzen.
Ach was gaben deine Reden mir vor eine süsse Ruh?
Hörte ich nicht deinem Zuspruch, als von einem Engel zu?
Alldieweil ein sanfter Ton die beliebte Wahrheit zierte,
Und mich, gleichsam, wie entzückt, in des Himmels Vorhof führte?
Ihr dem Himmel gleiche Stunden! (wann je etwas auf der Erd,
Dieser herrlichen Vergleichung, oder solcher Worte werth,)
Warum haft ihr mir zur Quaal im Gedächtniß unverzehret?
Bleibt ihr immer mir im Sinn, da ihr nimmer wieder kehret?
Aber so will es das Schicksal, und es ist sein fester Schluß,
Daß ich forthin deinetwegen alle Freud entbehren muß!
Doch getrost! der schele Tod kan nicht ewig Herzen trennen,
Die der edlen Tugend Band zu der Freundschaft Grund erkennen.
Wann ich deinem Beyspiel folge, und mein Fuß die Bahn betritt,
Jene Bahn, aus deren Schranken deine Tugend niemals schritt,
Bringt sie mich dorthin zu dir, an den Sitz vollkommer Freude,
Und wer weiß, wie nah mein Ziel, und wie bald ich zu dir scheide?
Dorten darfst du hocherhaben unter Seraphinen stehn,
Und o dörft ich nur von ferne deine Pracht und Zierrath sehn!
Dorten in der Seligkeit werden wir erwünscht vereinet,
Obschon da mein Stuhl und Kleid, minder als das deine scheinet.
Ja wir werden bald einander, und für ewig wieder sehn,
Und ich fühl schon süsse Hofnung in der bangen Brust entstehn.
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Selge Hofnung! die mich stärkt, tapfer mich dorthin zu lenken,
Wo das Paradieß und du sich mir zur Belohnung schenken.
Ob ich gleich in Weh versunken, und ein Kind des Elends bin,
Und wiewohl mit deinem Hingang alle meine Freude hin:
Obgleich mein geschwächter Leib, durch die Krankheit ausgezehret,
Und sich auch von Tag zu Tag meiner Plagen Anzahl mehret:
Sey willkomm doch alles Uebel, das ich bis hieher auf Erd,
Allbereits gefühlet habe, oder künftig fühlen werd;
Wann mich nur die Hofnung labt, dich dereinsten zu erlangen,
Und nur den geringsten Platz in dem Himmel zu empfangen.
Du indessen, theurste Seele! leb nun selig immer zu!
Und genieß die ewge Freude, und die ungestöhrte Ruh.
Meine Pflicht ist, den Verlust eines Engels zu beweinen:
Eines Engels, der nun fort, und hier nimmer wird erscheinen.
Ach wie lang, o werthe Freundin! ach wie lang wird mir die Zeit,
Biß der Höchste mir den Himmel, und mit ihm auch dich verleiht!

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Inhalt:

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Gottselige Uebungen des Herzens.

I. Höchste Liebe zu GOtt.

Warum, o mein GOtt, muß dieses sterbliche Gebäude eine so grosse Trennung zwischen meiner Seele und dir machen? ich bin mit deinem Wesen umgeben, und doch kan ich dich nicht spüren: ich folge dir, und gehe deinen Fußstapfen nach in Himmel und Erde, und doch kan ich dich nicht einholen; du bist vor mir, und ich kan dich nicht erreichen; und hinter mir, und ich merke dich nicht. O du, welchen ich ungesehen liebe, durch was für einen kräftigen Einfluß ziehest du, meine Seele an
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dich? Kein Auge hat gesehen, kein Ohr gehöret, und es ist in keines Menschen Herz noch gekommen, was du bist; und doch liebe ich dich über alles, was mein Auge gesehen, oder mein Ohr gehöret, über alles, was mein Herz begreifen kan. Du wohnest in denen Höhen der Herrlichkeit, wohin sich kein menschlicher Gedanke aufschwingen kan, und doch bist du meiner Seelen näher und inniger als irgend ein Vorwurf derer Sinnen. Diese Ohren haben niemals deine Stimme gehöret, und doch bin ich bekanter mit dir, und kan mich zuversichtlicher auf dich verlassen, als auf den liebsten und theuresten Freund, den ich auf Erden habe. Mein Herz hanget an dir, o Herr! als seiner einzigen Zuflucht, und findet in dir eine geheime und stete Quelle des Trostes. Ich spreche zu dir mit dem grösten Vertrauen, und halte dein Wesen für meine höchste Glückseligkeit. Die Betrachtung deines Seyns und deiner Grösse erquicket meinen Geist, und erfüllet mein Herz mit Munterkeit; meine Seele fliesset über von Vergnügen, ich freue mich, ich triumphire in deiner unabhänglichen Seligkeit, und unumschränkten Oberherrschaft. Regiere, o mein Gott, in Ewigkeit herrlich und ungebunden. Ich, ein Erden-Wurm, möchte gern beystimmen denen unendlichen Schaaren dort oben, allen deinen flammenden Dienern, welche sich freuen in deinem Reich und deiner Herrlichkeit.
Kan ich gleich nicht mit der Schaar, die auf jenen selgen Auen,
Deine Gottheit aufgedeckt, und in ihrer Klarheit schauen;
|| [0003.01]

(Dann wie darf ein Aug, das sterblich, doch wohl so verwegen seyn,
Die verborgne Herrlichkeiten, die so heilig, zu entweyhn?)
Dennoch fühl ich auch bey mir jene ewge Flamm entstehen,
Und mein Herze liebet dich, ob ich schon dich nicht gesehen. Ich liebe dich - - - So viel kan ich sagen, aber das übrige alles ist unaussprechlich; und ich muß es mit der angenehmen Erzehlung anstehen lassen, bis ich in der Sprache der Unsterblichkeit reden kan: und alsdenn will ich anfangen die entzückende Erzehlung, welche sich niemals endigen, sondern immer von neuen anfangen soll: dann deine Schönheiten, o du Schönster! unter zehen tausenden, werden immer neu seyn, und in meiner Seelen einen frischen Eifer entzünden in alle Ewigkeit. Die geheiligte Flamme wird aufsteigen und keine Gränzen finden, bis deine Vollkommenheiten ein Ende finden. Ich liebe dich, und o du, der du alle Dinge weist, lis die Schrift, welche die Liebe in mein Herz gegraben: was für eine Fürtreflichkeit, als nur deine, in Himmel und Erden hätte solche Seufzer der Seele, solche hohe und brünstige Begierden erregen können, wie diejenige, so ich fühle? Was könte meinen Geist umschräncken und festsetzen, als unbeschränkte Vollkommenheit? Was ist sonsten noch mehr, um welches willen ich alle geschaffene Herrlichkeit verachten könte? Warum habe ich allhier keine Ruhe unter denen sinnlichen Ergetzungen? Woher entstehet dieses unge
|| [0004.01]
stüme Verlangen, diese unendliche Begierden? Warum kan mir die ganze Schöpfung kein Genügen geben, oder mich wenigstens mit einem Traum der Glückseligkeit verblenden? Warum erwecken nicht sinnliche Vorwürfe eine heftigere Empfindung als entfernte und unsichtbare Dinge? Warum solte ich, die ich zum Verderben sage, du bist mein Vater, mich nach einer Vereinigung mit der unermeßlichen Gottheit sehnen? Ihr Engel Gottes, die ihr sein Angesicht schauet, erkläret mir doch das heilige Geheimniß; sagt mir, wie diese himmlische Flamme angegangen, entdecket ihren wunderbaren Ursprung: Wer hat diese sterbliche Flamme mit himmlischem Feuer belebet, und einem Erdenklos diese göttliche Ehrsucht beygebracht? Was könte sie entzünden als der Odem Gottes, welcher meine Seele angezündet? und zu dir, ihrem liebenswürdigsten Ursprung, steiget sie auf; sie bricht durch alle geschaffene Vollkommenheit, und eilet ohne Ruhe hin zu dem ersten Muster der Schönheit. Ihr mannigfaltige Blumen der Erde, und ihr glänzende Herrlichkeiten des Himmels, eure Liebkosungen sind vergeblich, indem ich einer Fürtreflichkeit nachjage, welche alle eure Herrlichkeit verdunkelt. Ich wolte gern meine Augen zuschliessen für allen denen mannigfaltigen Schönheiten, die ihr darstellet, und möchte sie gern für eine prächtigere Schaubühne öfnen. Ich habe Begierden, welche nichts sichtbares begnügen kan; für welche sich keine irdische Dinge schicken. O, wann werde ich Vorwürfe finden, welche meinen geistlichen Kräften gemässer sind? Meine Seele verfolget ein entferntes Gut, dem ich bey einem
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schwachen Strahl des Lichts nachjage, so nur zuweilen einen kurzen Glanz vor mir gibt. O wann wird es die Wolken vertreiben, und in vollem Glanz in meine Seele dringen? Aber was wird das offene Schauen deiner Schönheiten erst machen, wann, da ich nur schwache Vorstellungen von dir habe, ich dich mit einer solchen geheiligten Innbrunst liebe? Zu was für einer seligen Höhe wird meine Verwunderung aufsteigen, wann ich dich in völliger Vollkommenheit schauen werde? Wann ich dich sehen werde, wie du erhaben bist in Majestät, und vollkommen in Schönheit? Wie werde ich alsdenn triumphiren über deiner Herrlichkeit, und denen Vortheilen meines eigenen Wesens? Was für unaussprechliche Gedanken werden entstehen, wann ich mich mit der allgenugsamen Gottheit vereinigt finde, durch Bänder, welche die Menschen-Kinder nicht ausdrücken können, durch eine Verbindung, welche der Umlauf ewiger Jahre nicht auflösen wird. Der Bund der Natur wird gebrochen, und die Gesetze derer vermischten Elementen aufgehaben werden; aber meine Verbindung mit dem allmächtigen Gott wird fest und unveränderlich stehen, wie sein eigen Seyn: Weder Leben noch Tod, weder Engel, noch Fürstenthümer und Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, wird mich jemals von seiner Liebe scheiden. Triumphire, o meine Seele, und freue dich; schaue vorwärts über das Ende aller irdischen Dinge: schaue über viel tausend Zeitläufe der himmlischen Seligkeit hin, und noch weiter, und nimm eine unermessene Aussicht; gehe fort, durch unzehliche Zeiten, Zei
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ten von unaussprechlichem Frieden und Vergnügen; senke dich auf einmal in das Meer der Seligkeit, und nenne die Ewigkeit selbsten dein eigen. Die Aussicht meiner Freuden ist unumschränkt; sie lauft der Dauer der unendlichen Gottheit gleich: Meine Seligkeit ist ohne Gräntzen; ach, wenn wird ihr völliger Besitz seinen Anfang nehmen!

II. Die Wahrheit und Güte GOttes.


Wie in Marmor eingegraben, steht dein mächtiger Verspruch,
Selbst die finstre Nacht der Höllen, tilgt ihn nicht aus deinem Buch.
Dein geheiligt Wort ist stark, wie das, so den Weltbau träget,
Dein Versprechen zeigt die Stimm, welche das Gestirn beweget. Deine Verheissungen gründen sich alle auf die unveränderlicheWahrheit und Güte deiner Natur: Du redest nicht unbedachtsam, wie der eitle Mensch; sondern was du versprichst zu thun, das ist die Wirkung von einem ewigen Rathschluß und Vorsatz. Du hast nichts gesagt, das nach einer wiederholten Ueberlegung einer Veränderung bedürfte: du kanst nichts zu deinem eigenen Nachtheil versprechen, noch etwas bey der grösten Freygebigkeit verlieren. Du kanst auf alle Weise deine Verheissungen, durch die Fülle deines Reichthums und deiner Macht erfüllen.
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Du hast auch nicht nöthig, deinen Geschöpfen zu schmeicheln, oder ihnen von etwas bessers zu sagen, als du zu erfüllen gedenkest. Der elende Mensch kan dir keinen Vortheil bringen, noch etwas mit Recht von dir fordern. Mit was für einer Wohlthat ist er dir zuvor gekommen? Mit was Fug kan er die geringste Gnade von dir begehren? Deine Verbindungen sind alle frey und ungezwungen, und haben deine eigene Gutthätigkeit, und nicht einiges Verdienst deines Geschöpfes zum Grunde. Indem ich dieses betrachte, werde ich getrost, und setze meiner Hofnung keine Schranken: ich schaue mit zuverläßigem Vertrauen auf, und nenne dich meinen Vater, und ergreife mit einem demütigen Glauben alle Vortheile, welche solcher zarte Name bey sich führet. Mein Herz vertrauet auf dich mit Standhaftig- und Munterkeit; Furcht und Mißtrauen bestehen nicht mit denen Gedanken, welche ich von der Gütigkeit deiner Natur habe. Ein jeder Name, und eine jede Eigenschaft, womit du dich dem Menschen offenbaret hast, befestiget meinen Glauben. Dein Leben, dein Wesen ist damit verbunden: ich mag eben so wohl deine Wirklichkeit, als deine Treue in Zweifel ziehen: so gewiß du bist, so gewiß bist du auch treu und wahrhaftig. Die Versicherung des allertreuesten Freundes kan mir nicht halb den Trost gewähren, den mir deine Verheissungen geben. Ich höre die eitele Menschen mit Mißtrauen, meine Seele hütet sich vor denen falschen Sterblichen; aber deine Stimme höre ich mit Freude und vollkommener Zuverläßigkeit. Deine Worte sind nicht in Sand geschrieben, noch werden sie durch
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vergängliche Winde zerstreuet; sondern stehen in voller Kraft, wann Himmel und Erde nicht mehr seyn werden. Einige Zeiten werden ihre Kraft nicht vermindern, noch ändern, was der Mund des Herrn gesprochen hat. Ich glaube, ich glaube mit dem vollkommensten Beyfall: ich weiß, daß du bist, und daß du ein Vergelter seyn werdest derer, die dich fleißig suchen; ich empfinde die klare Gewißheit, dann du hast dich nicht unbezeigt gelassen in meinem Herzen.

III. Verlangen nach dem Genuß Gottes.

Zu dir, o mein Gott, steigen meine Seufzer auf, eine jede meiner Klagen endiget sich mit deinem Namen: ich stehe still, ich halte mich auf bey dem Ton, ich spreche ihn noch einmal aus, und finde, daß alle meine Sorgen mit dir anfangen und enden. Mich verlanget zu sehen die höchste Schönheit, ich schmachte nach dem schönen Urbild von allem dem, was liebenswürdig ist, nach der noch unerkannten Schönheit, und nach denen geistlichen noch ungekosteten Ergötzungen. Mein Herz trachtet, meine Wünsche fliegen über die Gränzen der Schöpfung, und verachten alles, was mir die Sterblichkeit geben kan. Ich war zu himmlischen Freuden erschaffen worden, und finde mich der unterhaltenden Vergnügungen der Engel fähig. Warum mag ich meinen Himmel nicht hierunten anfangen, und zum wenigsten Kosten von den Ströhmen des Vergnügens, so von deiner Rechten fliessen immer und ewiglich.
|| [0009.01]
Tränke ich gleich die Fülle, so sind diese Quellen doch immer unerschöpflich: Millionen glückseliger Seelen stillen ihre unendliche Begierden daran: Millionen glückseliger Reihen von Wesen starren auf deine Schönheit, und werden deiner Seligkeit theilhaftig gemacht; du aber bist immer unvermindert. Keine Freygebigkeit kan den Vorrath deiner Vollkommenheit verzehren. Sie ist von Einigkeit geflossen, und laufet immer frisch, und warum muß ich aus Mangel vergehen? Meine Seele lächzet nach denen Wassern des Lebens: o! wer wird mich erquicken mit dem ergötzlichen Trank? wie lang soll ich umher gehen in diesem öden Land, wo alle Aussicht wild und unfruchtbar ist? ich schaue mich vergebens um, und ich seufze immer, ohne befriedigt zu werden: o! wer wird mich zu denen stillen Wassern leiten, und mich führen auf grüne Weiden, wo die Müden ewig ausruhen? wie verdrieslich sind die Stunden des Harrens?
Komm, Herr, meine Seele schmachtet, meinem Herzen ist es bang:
Ach warum verzeuchst du immer, was verweilst du doch so lang;
Dein Verzug verwundet mich, und macht, daß sich meine Seele,
Tag und Nacht mit bitterm Gram, und mit herbem Kummer quäle:
Zeig, ach! zeige dich doch mir,
Oder nimm mich auf zu dir! Eile mit deinen an mich habenden Befehlen; gib mir mein Werk, und Wirksamkeit es zu verrich
|| [0010.01]
ten, und laß mich als ein Taglöhner meinen Tag erfüllen. Es ist genug, o Herr: bin ich besser, dann meine Väter? sie sind gestorben, und ich bin sterblich.
Ich bin nur ein Gast und Fremdling, ich bin nur ein Pilgrim hier,
Hier in dieser wilden Gegend, wo ich irr und mich verlier.
Mein Verlangen steht nach heim, da sich Müh und Kummer enden:
Mich verlangt die müde Reiß, und mein Tagwerk zu vollenden.
Ach beschleunige die Stunde von der Freud und süssen Ruh.
Wie erwünscht und wie entzückend, bist, o werthe Hofnung, du! Herr, ich warte auf deine beliebige Befehle; o rede, und neige mein Ohr zu hören; gib mir mein Werk, laß mich es zu Ende bringen, und meine Erlassung von diesem Leib der Sünde und des Todes erlangen; von diesen verhaßten Fesseln des Irrthums und der Schuld, des Verderbens und der Eitelkeit. O! laß mich diese Last ablegen, und diesem sündhaften Leben zum Beschluß gute Nacht sagen. Ich habe auf dein Heyl gewartet, o Herr! wann wilt du mich in deine heilige Wohnung einlassen? wie lang soll ich so ferne von dir schmachten? Was kan ich sagen, dir meinen Schmerz zu zeigen, meine Angst auszudrücken, wann ich den Verlust meines Gottes befürchte? o! sprich ein versicherndes Wort, und befestige meine Hofnung.
|| [0011.01]

Wann kommst du froher Tag! nach dem mein Herz sich sehnt,
Der alle Furcht vertreibt, und meine Hofnung krönt. Ferner, o mein Vater und mein einiger Freund, laß ich meine Bitte für dir aus in diesem Lande der Mühseligkeit und Thorheit! Was ist dieses Leben als ein elender, ermüdender Kreiß, ein Zirkel wiederholter Eitelkeiten? die Glückseligkeit ist nicht mehr darin gesehen worden, seit dem Sünde und Thorheit hineingegangen: alles ist leerer Schein, oder eitle Mühe, oder schmerzliche Qual.
Lebens satt und überdrüßig schmacht und sehnt mein Geist sich fort,
Nach der angenehmen Ruhe, und dem stillen Friedens-Port.
Laß, ach laß mich bald dahin in das Heiligthum gelangen,
Um den ewgen Sabbat dort nach der Arbeit anzufangen. Noch einmal, o Herr, bitte ich um Erlaubniß dir zu sagen: ich habe auf dein Heyl gewartet, und mich stündlich nach denen Wohnungen meines Gottes gesehnet. Mein Herz erkranket, und ich sterbe und vergehe fast unter diesem Verzug: was habe ich hier, das mich von dir abhielte? was habe ich, die verdriesliche Stunden der Abwesenheit zu erleichtern? ich habe alles unter der Sonnen Eitelkeit und Qual geheissen; alles unschmackhaft und beschwerlich. Mitten in Gesundheit und Ueberfluß, unter Freunden und in Ansehen bist du meine einzige
|| [0012.01]
Freude, mein höchster Wunsch und gröstes Vergnügen. Auf dich gründet meine Seele alle ihre Hofnung; da ruhe ich in einer himmlischen Stille! o laß sie nicht durch irrdische Vorwürfe unterbrochen werden; laß mein Leben nicht durch die Sorgen oder Ergötzungen der Sinnen gestöhret werden.
Laß mich von der Erde fliehn, und der Welt den Abschied geben,
Und die kurze Lebens-Zeit, dir, o Herr, alleine leben.

IV. Gott meine höchste und einzige Hofnung.

Warum habe ich nicht mehr Vertrauen zu dir, o mein Gott? Warum hege ich diese Ueberbleibsel des Unglaubens, und warum gestatte ich dieser Untreu und Mißtrauen Platz, wann sie sich wieder einfinden? Kan ich die Erde anschauen, kan ich das Gebäu des Himmels betrachten und fragen, ob du vermögend seyst, zu erretten? Kan ich dein Vermögen, mir zu helfen, in Zweifel ziehen, wann ich die allgemeine und besondere Proben deiner Güte und Macht erwege? Ein Zeitlauf hat dem andern in einer langen und unverrückten Folge die Zeugnisse und Denkmale deines Ruhms überliefert; In allen Geschlechtern bist du unser Schirm gewesen, meine Väter haben auf dich vertrauet, und Erlösung gefunden. Sie haben mich angefrischet, meine eigene Erfahrung hat mir Muth gemacht, ewig auf dich zu trauen.
|| [0013.01]
Die Sonne mag aufzugehen ermangeln, und die Menschen ihr Licht vergebens erwarten; aber deine Wahrheit, deine Treue können nicht fehlen: Der Lauf der Natur mag umgekehret, und alles wieder in ein Chaos verwandelt werden; aber du bist unveränderlich, und kanst unmöglich diejenige in ihrer Hofnung betrügen, die auf dich ihr Vertranen<Vertrauen>setzen. Ich verehre deine Macht, und unterschreibe deine Güte und Treue, und was könte mein Unglaube weiter einwenden? Ist Gott etwas zu schwer zu erfüllen? Kan die gesamte Kraft der Erde und Hölle seinem Willen widerstehen?
Grosser Gott! wie weit und breit scheinen deine Herrlichkeiten!
Wer ermißt, wie fern dein Reich, und dein Herrschen sich ausbreiten!
Wie Natur, so Wunderwerke, schreiben sich von dir nur her;
Von dir kommt so Fall, als Schicksal: nichts geschicht von ungefehr.> Derohalben wende ich mich unmittelbar zu dir, und entsage allem Schrecken und Vertrauen, das vom Himmel oder Erden ausser dir entstehen kan.
Nicht vom Staub entspringt mein Kummer, nicht von Erden meine Freud:
Was mein Geist erheblich achtet, das betrift die Ewigkeit.
Laßt auch alle Unglücks - Stern ihre Flüche auf mich drehen,
Will ich sie doch allesamt als vergeblich nur verschmähen.
|| [0014.01]

Wann mich nur der ewge König, und der Herr der Seligkeit,
Durch das trüb Gewölk anblicket, und mit seiner Huld erfreut. Wann er mich segnet, so werde ich gesegnet seyn; gesegnet ohne Ausnahme oder Einschränkung; gesegnet in meinem Ausgang und Eingang; in meinem Niedersitzen und Aufstehen; gesegnet in Zeit und gesegnet in alle Ewigkeit. Der Segen von deinen Lippen wird in die ganze Schöpfung einen Einfluß haben, und mich begleiten, wo immer ich bin. Er wird als ein Leitstern für mir vorher gehen, und mir als mein Schutz-Engel folgen. Wann ich mich niederlege, wird er mich bedecken, ich werde unter dem Schatten des Allerhöchsten ruhen, und in seinem geheimen Zelt sicher wohnen. Dein Reich herrschet über alles, o Herr, und du thust nach deinem Willen unter denen Heerscharen des Himmels, und denen Einwohnern der Erde: ich erkenne, und bekenne deine Vorsehung. Die Wege des Menschen stehen nicht in seiner eigenen Gewalt, sondern alle seine Gänge sind von dir geordnet; alle Ausgänge stehen in deiner Hand, und du allein kanst seine Hofnung fördern oder zernichten. Wann du auf sein Vorhaben bläsest, so wird ewig nichts daraus; wenn du Segen dazu gibst, so kan weder Erde noch Hölle dessen Fortgang hindern: Dessentwegen wende ich mich unmittelbar zu dir; dann auch alle Geschöpfe können mir durch ihre vereinte Kräfte ohne dich doch nicht helfen.
|| [0015.01]

Weg von mir! o weg, ihr Götzen! die ihr voller Eitelkeit,
Und sonst nichts als leere Töne, und nur blosse Nahmen seyd.
Meine Zunge frohnt nicht mehr Zufall, und Natur und Lügen:
Dann Geschöpfe ohne Gott können mich doch nicht vergnügen. Nicht die gesamte Macht der Menschen auf Erden, noch der Engel, noch der Heiligen im Himmel, kan mir in der geringsten Bedürfniß Hülfe oder Erleichterung schaffen, wenn mein Gott sich verbirgt, und ferne von mir stehet. Die zweyte Ursachen stehen alle unter deiner Regierung, und können mir nicht helfen, bis sie von dir beordert werden.
Herr! wenn mein erstaunt Gemüthe
Deine Weisheit, Macht und Güte,
Voller denken überlegt:
Wenn es Feur und Luft betrachtet,
Und auf Erd, See, Sterne, achtet,
Nennt es alle deine Knecht.
Wenn mein Vater will und redet,
Heilet Gift, und Balsam tödtet:
Alles dient ihm in die Wett.
Frühlings-Strahlen, sanfte Lüfte,
Tödten durch erhizte Düfte,
Pflanzen, die der Winter rett.
Können Winde und Planeten,
Wohl von andern Kräften reden,
Als die jeder von ihm nimmt?
|| [0016.01]

Sonne wird zu Finsternissen,
Hitz Frost, Frost Hitz werden müssen,
Wenn er Zeit und Stund bestimmt. Auf deinen Befehl hören Natur und Nothwendigkeit auf; alles ist Gott gleich leicht: sprich du nur ein Wort, so werden meine Begierden erfüllet: Sag, es werde Licht, so wird es Licht werden. Dein Anblick kan mich in Friede setzen, wenn die unruhige Gedanken inwendig einen Sturm erregen. Heisse meine Seele stille seyn, so wird alle ihre Ungestümme dir gehorchen. Ich verlasse mich nur auf dich allein: wenn du mich nur freundlich ansiehest, so mag die ganze Welt mir ein sauer Gesichte machen: Förderst du meine Sachen, so werde ich keine Hinderniß von Erde oder Hölle befürchten. Nur du allein bist der Vorwurf meiner Furcht, und alle meine Begierden gehen auf dich. Menschliche Dinge haben ihr Wesen und ihre Nahmen verlohren, und verschwinden in Nichts vor dir; sie sind nur Schatten und Larven, die wirksame Gottheit zu verhüllen. O! laß mich durch alle diese Schiedwände hindurch brechen, und die grosse, die herrschende Ursache sehen und bekennen. Laß keinen Schein von geschaffenen Dingen, so scheinbar er auch seyn mag, dich vor mir verbergen: laß mich durch alles auf dich schauen, und keinen Blick der Liebe oder Hofnung auf etwas niedrigers, als dich werfen. Laß mich den weiten Umfang der Schöpfung als in der Fläche deiner Hand liegend ansehen, und ein jedes Wesen im Himmel und auf Erden als unbeweglich, auch durch die mächtigste Ursache in der
|| [0017.01]
Natur betrachten, biß ihm von dir befohlen werde, mir Gutes, oder Schaden zu thun. O laß deine Hand bey mir seyn, mich vor Uebel zu bewahren, und laß mich unter dem Schatten des Allmächtigen wohnen: ich werde sicher seyn in deinem Gezelt. Zu dir fliehe ich, um Schirm vor allen den Uebeln der Sterblichkeit.

V. Gott eine schleunige Hülfe, und im mer nah.

Du liessest dich von mir finden, o mein Gott, da ich dich nicht suchte, und du willt<willst> vor mir fliehen, da ich dich suche? Laß ich meinen Athem in den Wind, und meine Bitten in die Luft? Ist es vergebens, Gott anzuruffen, und ist es umsonst, zu dem Allmächtigen zu schreyen? Bist du ein Gott, der ferne und nicht nahe bey der Hand ist? Ist irgend ein Ort leer von deiner Gegenwart? Ist einige Ferne, da mein Schreyen nicht zu dir hindringen kan! Kan mich einige Finsterniß vor deinen Augen verbergen? oder ist irgend ein Winkel der Schöpfung, wo du nicht hinkommest? Füllest du nicht Himmel und Erde, und bin ich nicht von deiner Unermeßlichkeit umgeben? Sind meine Begierden dir unbekant? oder ist ein Gedanke in meinem Herzen vor dir verborgen? Hörest du nicht, du, der das Ohr gebildet? Kanst du das Werk deiner eigenen Hände vergessen? Oder kanst du, weit entfernet in denen Himmeln, voll dei
|| [0018.01]
ner eigenen Glückseligkeit, deine Schöpfung dem Elend und der Verwirrung hülflos und ohne Hofnung lassen? Stehen die Wege des Menschen in seiner eigenen Gewalt, und werden seine Steige nicht von dir regiret? Hilft den lebendigen Gott anrufen, nicht mehr, als einen stummen Götzen verehren? Kanst du, wie sie, deine Anbeter betrügen oder spotten? Ist dir unbekannt, wie weit sich deine eigene Macht erstrecket, daß du mehr versprechen soltest, als du ausführen kanst? oder bist du, wie ein Mensch, daß du lügen soltest; oder ein Menschen-Kind, daß es dich gereuen solte? Ist deine Treue ungewiß, und deine Gewalt entlehnet? Sind die Vollkommenheiteneingebildet, um welcher willen dich die Menschen anbeten, und sind deine gnädige Namen nichts bedeutende Titel? Setzen die Menschen- Kinder vergeblich ihr Vertrauen unter den Schatten deiner Flügel? Bist du nicht eine augenblickliche und unverzügliche Hülfe zur Zeit der Trübsal, und ist man nicht sicher an dem geheimen Schirmplatz des Höchsten? wo soll ich demnach hinschauen in meiner Drangsal? an wen soll ich mein Gebet richten? Von wem soll ich Erleichterung erwarten, wenn bey Gott keine Hülfe für mich ist? Haben wohl meine Väter und Vorfahren jemals eine Ungerechtigkeit an dir gefunden? Kan ich dich einer Unbilligkeit beschuldigen? oder dir eine Verletzung der Wahrheit, oder einen Mangel der Barmherzigkeit vorwerfen? Läßt sich aus denen Verzeichnissen deiner Handlungen irgend ein Bruch der Treue darthun? Bist du nicht meine einige Hofnung, und meine durch lange Erfahrung befestigte
|| [0019.01]
Stütze? Habe ich jemals von Creaturen Hülfe gefunden, wenn du mich verlassen hast? Habe ich eine grössere Gewißheit, oder kan ich eine grössere haben als dein Wort, um mich darauf zu verlassen? Kan einige andere Gewalt mich schützen oder retten wie du? du bist ein Fels, und dein Werk ist vollkommen, denn alle deine Wege sind Recht: Ein Gott der Wahrheit, und ohne Unbilligkeit, gerecht und recht bist du? Mein lezter Athem soll deine Wahrheit und Treue bezeugen, und deine Güte denen Menschen-Kindern verkündigen.

VI. Gott ein allgenugsames Gut, und meine einige Glückseligkeit.


Warum ist doch mein Herz so fern von dir,
Mein Gott, mein allerhöchst Vergnügen?
Warum must du nicht Tag und Nacht doch mir
Mehr in dem Sinn und Herzen liegen?
Warum schwärmt doch mein thörichtes Gemüth?
Wo ist was, das mich so erlabe,
Als was ich schon in deiner Lieb und Güt,
Gefunden und gekostet habe? Wo kan ich mir solche Freude versprechen, dergleichen mir deine Gnaden - Blicke verschaffet haben? Wo kan ich ein so lauteres und unvermischtes Vergnügen finden, wenn ich das Licht deines Angesichts genossen und deine Liebe empfunden habe? Ist nicht meine ganze Seele erfüllet worden? Habe ich einen Mangel oder Leere gefunden? Ist irgend
|| [0020.01]
ein Platz zum Verlangen, oder eine weitere Hofnung, als der vollkommenere Genuß meines Gottes, übrig gelassen worden? Sind nicht alle die Herrlichkeiten der Welt dunkel, schwarz und häßlich geworden? wie armselig, wie verächtlich haben sie geschienen? oder sind sie nicht vielmehr ganz und gar verschwunden als Träume und Schatten an dem Mittag und bey dem Glanz der Sonnen-Strahlen. Ich habe niemals einiges Vergnügen ausser Gott gefunden; warum denn kehre ich mich von ihm? Warum verlasse ich den Brunnen des lebendigen Wassers um löcherichter Cisternen willen? Warum verlasse ich das volle Meer seichter Ströhme halber? Wie kan ich eine solche Thorheit verantworten? Ich kan mir von der Creatur nichts versprechen; dergleichen Hofnung soll mich nicht mehr betrügen. Du, mein Gott, du bist der einige Vorwurf meiner Hofnung und Begierden; du allein kanst mich glückselig machen. Wenn du ungnädig bist, so bin ich ein Fluch: dein Zorn ist die Hölle mit allen ihren Schrecken. Laß mich nur den niemals fühlen, so spotte ich alles andern, indem es mich nicht elend machen kan. Ich scheine von der ganzen Natur unabhänglich zu seyn; zu dir allein wende ich mich. Erhöre mich, du gütigster Urheber meines Wesens, du Stütze meines Lebens, zu dir richten sich meine Wünsche, diejenige Begierden, welche du genehm halten wilst, indem ich nur um diejenige Glückseligkeit flehe, zu deren Genuß ich erschaffen worden. O binde alle meine Hofnung fest an dich, und befreye mich von dieser Leichtsinnig- und Unbeständigkeit.
|| [0021.01]

Ewge Gnade, schau herab, schaue auf mich mit Erbarmen:
Fasse mich mit deiner Huld und mit deinen Liebes-Armen.
Ach wie gern wär meine Seele, und wie gern mein Herze dein:
Laß durch deine Macht und Stärke meine Lieb umgränzet seyn. Laß mich nimmer von dir abweichen: eine solche Einschränkung würde süsser als die Freyheit seyn: Dein Joch ist sanft und deine Last ist leicht. Ich werde die Kette, welche mich an dich bindet, selig preisen. O gib mir einen solchen Blick deiner Schönheit, der mein flüchtiges Herz ewig figiret; einen solchen Blick, der alle seine Bewegungenbestimmet, und stets überzeuget, wie unvernünftig es sey, von dir ewig wegzulaufen. Ist etwas das mich ergötzet als deine Liebe? O nein! Ich berufe mich auf dich selbst, der du nicht kanst betrogen werden, und die innerste Geheimnisse meiner Seelen weist: du weist, wo die Waagschale meines Herzens sich hinlenket, und daß meine Vergehungen nicht fürsetzlich sind; daß ich dich nicht durch eine angestellte Wahl verlasse. Ich beklage, ich beseufze meine Thorheit; soltest du mir gleich vergeben, so kan ich doch selbst mir nicht vergeben, denn ich weiß, daß sie unverantwortlich ist. Es mangelt mir nichts, wenn ich dich besitze; ohne dich gebricht mir alles. Du bist der Ruhepunct aller meiner Leidenschaften; ich habe keine Hofnung als deine, keine Freude, als welche von dir herfliesset: meine gröste Furcht ist, dich zu verlieren; meine
|| [0022.01]
innigste Sorge ist, deine Gnade mir zu sichern. Dis ist die Ursache meiner tiefsten Angst: Ein jeder Seufzer, den ich hole, endet sich mit deinem Namen, und der beliebte Name allein mäßiget alle Bangigkeit meiner Seele, und stillet ihre wildesten Stürme. Von deiner Gnade und Ungnade entstehet alle meine Freude und Betrübniß; deine Ungnade kan mich ewig elend, deine Gnade unendlich glückselig machen. Ich kan der Hölle spotten, und dem Tode ins Angesicht lachen, wenn ich dich mein nennen kan. Mein Gott! laß mich noch den Ton selig preisen, und lieber auf alles verziehen, als meinen Antheil an dir aufgeben; laß mich darauf halten bis an meinen lezten Athem, und auch im Sterben darnach seufzen. Wenn ich deiner versichert bin, so kan nichts meine Seele schrecken; alles ist ruhig und heiter inwendig; ewige Liebe und unsterbliches Vergnügen: die Einbildungs-Kraft stehet hier still, und alle meine Wünsche verlieren sich in einem ewigen Ueberfluß - -. Mein Gott! mehr kan man nicht fordern, und mit wenigen würde ich unendlich elend seyn. Die Reiche des Himmels könten meinen Antheil an dir und deiner Liebe nicht bezahlen: die Seligkeit aller Creaturen ist hier vollkommen; denn Gott ist in sich selbst selig in alle Ewigkeit.
Ach was kan ich weiter sprechen? alle Worte sind zu schwach:
Liebe, die vom Himmel stammet, mahlet keine Redner-Sprach.
Keine Menschen-Zunge taugt, etwas mehrers fürzutragen:
Nur die grosse Ewigkeit kan und wird, was übrig, sagen.
|| [0023.01]

VII. Ein Bund mit GOtt.

Unbegreifliches Wesen, daß das Herz erforschet, und die Nieren der Menschen-Kinder prüfet, du weist meine Aufrichtigkeit, und meine Gedanken sind dir alle unverdeckt; ich bin mit deiner Unermeßlichkeit umgeben; du bist ein gegenwärtiger, obschon unsichtbarer Zeuge der feyerlichen Sache, worinnen ich so eben begriffen bin. Ich ergreife nun deine Stärke, daß ich Friede mit dir machen möge, und ich laß mich mit dem allmächtigen Gott in ein Bündniß ein: Dieses sind die glückseligen Tage, welche schon lang vorher verkündiget worden, da einer sagen wird, ich bin des Herrn, und ein anderer sich mit dem Namen Israel nennen, und ein dritter sich mit seiner Hand dem Herrn unterschreiben wird; und ich will ihr Gott seyn, und sie werden meine Söhne und meine Töchter seyn, spricht der Herr Jehovah. Mit der allerdankbaresten Aufrichtigkeit ergreife ich diesen Bund, wie er in deinem Evangelium von Jesus Christus völliger offenbaret und erkläret worden; ich nehme deine Vorschläge demüthig an, und verpflichte mich dir durch eine geheiligte und ewige Verbindung. Durch eine freye, und wohl bedachte Handlung bestätige ich hiermit das Bündniß, welches bey meiner Taufe in dem Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes errichtet worden; ich widme und weyhe mich deinem Dienste, und unterwerfe mich gänzlich deiner Führung. Ich entsage denen Herrlichkeiten und Eitelkeiten der Welt, und
|| [0024.01]
wähle dich für meine Glückseligkeit, für meine höchste Seligkeit, und ewiges Theil. Ich bedinge mir sonst nichts von dir aus: versage oder gib mir, was du willst; ich werde mich niemals mißvergnügt bezeigen, so lang mein fürnehmster Schatz mir gesichert ist. Dieses ist mein vorbedachter, mein freyer und aufrichtiger Entschluß; ein Entschluß, den ich durch deine Gnade niemals zurück ziehen werde. O! du, durch dessen Kraft allein ich zu stehen vermag, lege deine Furcht in mein Herz, daß ich nimmer von dir abweiche; laß nicht die Welt, mit allen ihren Liebkosungen, noch Tod, noch Hölle, mit allen ihren Schrecken, mich dieses geheiligte Gelübde zu brechen, zwingen. O laß mich lebenslang dich nie verlassen, noch einen Athem einziehen, um dich, gottloser Weise zu verleugnen. Und nun lasset die umstehende Engel Zeugen für mich abgeben, daß ich feyerlich alle die Kräfte und Vermögen meiner Seelen, deinem Dienst widme. Und wenn ich irgend einen, der mir von dir ertheilten Vortheile, vermessener Weise zum Nachtheil deiner Ehre gebrauche, so laß sie wider mich zeugen, und meine eigene Worte mich verdammen. Elisabeth Rowe. So habe ich denn gnädige Bedingungen unterschrieben, und mich verpflichtet, des Herrn zu seyn: und nun mag die Bosheit der Menschen, und die Wut der Teufel sich wider mich verbinden, ich kan alle ihre listigen Ränke verlachen; denn GOtt selbst ist mein Freund geworden, JEsus ist mein allgenugsamer Heyland, und der Geist GOttes wird, wie ich das
|| [0025.01]
glaubige Vertrauen habe, mein Heiligmacher und Tröster seyn. O glückseliger Tag! entzückender Augenblick! die fürnehmste und helleste Zeit meines Lebens! der Himmel mit alle seinem Lichte lachet dich an: was für ein Sterblicher, wäre seine Herrlichkeit auch noch so groß, könte mich zur Mißgunst bewegen? was könte mir die ganze Schöpfung fürlegen, um mich zum Ehrgeitz zu verleiten? Laßt Ehre und Herrlichkeit mir mit einer erhabenen Stimme zurufen; laßt Vergnügen mich durch eine zärtlichere Beredsamkeit locken; die Welt in alle ihrem Glanz, kommt mir als eine nichtswürdige Kleinigkeit vor, indem der unendliche Gott mein Theil ist. Er ist mein durch eine so gewisse Versicherung, als die ewige Wahrhaftigkeit geben kan. Das Recht ist unläugbar, die desfalls gemachte Verfügung und Schenkung unveränderlich. Die Berge werden weichen, und die Hügel vergehen, ehe die ewige Verbindung wird zernichtet werden.

VIII. Eine Danksagung für die seligmachen de Gnade.

P reise den Herrn, o meine Seele, und alles was in mir ist, preise seinen heiligen Namen: preise den Herrn, und vergiß nicht alle seine Wohlthaten, der dein Leben vom Verderben errettet, und dich krönet mit liebreicher Güte, und zarter Barmherzigkeit; der dich aus dem Koth und Schlamm gezogen, und deine Füsse auf einen Felsen gestellet; der deine Fesseln zerbrochen,
|| [0026.01]
und dich von der elenden Dienstbarkeit der Sündebefreyet hat. Ich war ein armseliger Sclave, hatte Gefallen an meinen Ketten, und Vergnügen an meiner Gefangenschaft, ich war unglückseliger Weise verblendet und verlohren, bis die Liebe, die allmächtige Liebe, mich erlöset. Gesegnete Wirkung unverdienter Gnade! Ich werde ewig ein herrliches Exempel deiner unumschränkten Barmherzigkeit seyn: derselben muß ich gänzlich mein Heyl zuschreiben, und die ganze Ewigkeit hindurch werde ich die Wunder der erlösenden Liebe erzehlen, und denen aufhorchenden Engeln sagen, was er an meiner Seele gethan.
Von den Wundern jener Lieb, so unendlich, will ich singen,
Und in alle Ewigkeit sie in hohe Lieder bringen. Mein preiswürdiger Schöpfer, warum lag ich dir im Sinne, ehe ich ein Wesen hatte? Warum war mir von Ewigkeit her die Unsterblichkeit zugedacht, und meine Geburt in einem Lande bestimmet, das mit denen Strahlen des heiligen Lichts erleuchtet ist? Ich hätte, an statt den allmächtigen Gott zu verehren, die Kräfte der Höllen mit abscheulichen Gebräuchen anrufen können. Aber, da viel tausend in solcher Verblendung verlohren gehen, warum werde ich so gnädig mit Unterschied angesehen? An statt in den schändlichenLastern gottloser Eltern gebohren, und ein Erbe ihres Fluches zu seyn, warum ist mir der Segen gottseliger Vorfahren zu Theil geworden? Warum war ich, da ich keiner Wahl fähig war, dem Gott gewidmet, der Bund hält, und Barmherzigkeit erweiset bis in das tausendste Glied dererjenigen, so ihn fürchten?
|| [0027.01]
Warum erhieltest du mich, da ich dich nicht kante? Und, o! warum hast du so lang meine Undankbarkeit ertragen, da ich dich erkannt, und mich wider dich empöret habe? Warum hat mich deine wachsame Vorsehung stets umgeben, und, alle die Wege, die ich mir zum Verderben eingeschlagen, verleget? Warum wurden mir nicht meine selbsteigene Wünsche zum Fluch, und ich dem ruhigen Besitz derjenigen Eitelkeiten überlassen, worinnen ich mich ergötzte; dem nichtswürdigen Tand, den ich, thörichter Weise, allen denen Schätzen deiner Liebe fürgezogen habe? Warum hast du mir mit der Anerbietung deiner Gnadenachgesetzet, da ich mit solcher Abneigung von dir geflohen, und ewig von dir geflohen wäre, wenn du mich nicht zurück zu kehren genöthigt hättest? Warum stritte dein Geist so lang mit einem hartnäckigen Herzen, welches allen seinen Bewegungen widerstrebet, und deine Gedult und Langmuth in Zorn und Schuld verkehret? Warum gereichen mir die angenehmen Stricke nicht zum Verderben, in welchen ich so viele verblendete Tröpfe umkommen sehen? Gleich ihnen verachtete ich den unerforschlichen Reichthum deiner Gnade; mit ihnen hätte ich mich an dem elenden Theile und Vergnügen dieser Welt begnüget, wann du mich hättest gehen lassen, und ich würde niemals nach dir gefraget haben; aber du liessest dich finden, von einem, der dich nicht gesucht? Ach warum, als weil du gnädig seyn willst, wem du gnädig seyn wilt. Derohalben schaue ich nochmals mit Erstaunung und Vergnügen auf die Wege deiner Gnade zurück; und ich betrachte mich nochmalen als verlohren
|| [0028.01]
in dem Abgrunde der Sünde und des Elendes; da kein Auge war, das Mitleiden mit mir hatte, und keine Hand war, die mir helfen konte, als die Deinige, da hast du die Zeit der Liebe ersehen. Keine Gnade war ja so frey und erstaunens würdig, als die Deinige; kein Herz war noch so hartnäckig als das meinige; und keine Liebe jemals so unüberwindlich als die Deinige. Wie herrlich und preiswürdig hat sie über meine aufrührische Kräfte triumphiret? Wie freywillig hat sie alle meine Schuld getilget? Hätte ich mir das geringste Verdienst anmassen, oder etwas von dir fordern können, so wäre die Gutthat nicht so erhaben worden; wäre nur der mindeste Anlaß zu menschlichem Hochmuth da gewesen, so würde sich mein verdorbenes Herz dessen gleich bedienet, und dich deiner Ehre beraubet haben, in dem es das rühmliche Werk der Stärke meiner eigenen Vernunft, oder einem natürlichen Trieb zur Tugend zugeschrieben hätte; aber hier wird meinem eitlen Hochmuth in Ewigkeit der Mund gestopfet. Ich verliere mich in dem unendlichen Abgrunde. O Höhe! O Tiefe! O Länge und Breite, so unermeßlich! wie unerforschlich sind deine Wege, o allmächtige Liebe, und unergründlich deine Pfade! Laßt mich hier meinen ewigen Lobgesang anfangen, und Heyl und Ehre, Herrschaft und Majestät zuschreiben dem, der auf dem Thron sitzet, und dem Lamme ewiglich, der mich geliebet, und mit seinem Blute erkaufet hat; der mich erkaufet aus einer freywilligen Dienstbarkeit, aus der schmählichsten, und aller Hofnung beraubten Gefangenschaft, einer Gefangenschaft, von der nichts, als das unschätzbare Lösegeld uns hätte erlösen können.
|| [0029.01]

Unendliche Liebe, allmächtige Gnade!
Bewundert ihr Himmel, wie sie mich belade! Bringet eure himmlische Harfen her, ihr huldreiche Wesen, die ihr mitten in eurer hohen Glückseligkeit eine gütige Achtung für den Menschen bezeiget: Lehret mich die Sprache des Paradieses, die Red-Art der Unsterblichkeit. Doch, o! es ist alles zu schwach, selbst die Seraphinen können mit ihrer Zunge nicht aussprechen, was ich meinem Erlöser schuldig bin: von was für einem Elend hast du, mein verehrenswürdiger Heyland mich erlöset; von Irrthum, von Sünde, von Stricken und Tod, von höllischen Ketten, ewigen Schrecken, und der schwarzen Finsterniß für immer und ewig. Und auch hierbey hat es mein ruhmwürdiger Gutthäter nicht bewenden lassen; sondern that noch mehr, um den Reichthum seiner Gnade zu verherrlichen, und schenkte mir das Recht mich zu einem unendlichen Erbtheil, und einer unsterblichen Krone; zum Genuß GOttes und der unaussprechlichen Freude, welche aus seiner Gegenwart fliessen.
Höchst geheimnißreiche Tiefen einer unermeßnen Lieb,
Füllen, Herr, mich mit Verwundrung, und mit einem gleichen Trieb.
Könte ich doch dich verklären auf die allerhöchste Weiß;
Doch dein Name steht erhaben über meinen höchsten Preiß.
|| [0030.01]

IX. Gewißheit lauterer Liebe zu GOtt.

Liebe ich dich nicht, mein hochgelobter Gott, so weiß ich nicht, was ich liebe: wann ich dessen ungewiß bin, so bin ich meiner eigenen Wirklichkeit ungewiß: dafern ich dich nicht liebe, was bedeuten denn diese Nachdrucks-volle Ausdrücke: Mein Gott! Mein Alles! du Ursprung meines Lebens, und Quelle meiner Glückseligkeit! mein grosser Lohn, und meine ausnehmende Freude; der ewige Vorwurf meiner Liebe, und höchste Glückseligkeit meiner Natur! Ist mein Herz nicht immer bey meinen Lippen in allen diesen Reden? Wie kan dieses möglich seyn, wenn meine Seele dich nicht liebet? O, mein Gott! so ich dich nicht liebe, was bedeutet denn diese beständige Unzufriedenheit über deine Abwesenheit? Woher kommt diese bange Angst des Gemüths wegen deiner Liebe, und alle diese heftige, diese unruhige Begierden nach dir? Warum sind alle die Ergötzlichkeiten des Lebens unschmackhaft ohne dich? Was ist mir Reichthum und Ehre, und Vergnügen, ohne meinen Gott? Ich würde den Besitz der Welt nur für eine nichtswürdige Kleinigkeit, oder vielmehr für meinen ewigen Schaden halten, wenn er mit dem Verlust deiner Gunst muß erkaufet werden. Deine Güte ist besser denn Leben, und die Augenblicke, in welchen ich eine Empfindung deiner Liebe geniesse, sind die einzige glückselige Stunden meines Lebens. Alsdenn lebe ich; alsdenn bin ich wahrhaftig selig: alsdenn schaue ich mit Verachtung herab auf den schlechten Zeitvertreib der Welt, und
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bedaure diejenigen, welche keinen Geschmack haben an diesen hohen Ergötzungen. Wie stille, wie ruhig sind zu solcher Zeit alle die Gegenden meiner Seele! ich habe genug, ich begehre nichts mehr. Können diejenigen nach dem Strohm schmachten, welche an der überlauffenden Quelle trinken? Ich habe die ganze Welt, und noch mehr, ich habe den Himmel selbst in dir: in dir bin ich vollkommen und gewiß selig, und kan die Bosheit von Erde und Hölle getrost herausfordern, den Grund meiner Glückseligkeit zu erschüttern, dieweil du meine Seele deiner Liebe versicherst. O selige Standhaftigkeit des Herzens! o hohes Vergnügen! Hast du mir nicht gesagt, daß du mein seyst durch eine unverbrüchliche Verbindung, da meine Seele sich dir aufrichtig gewidmet hat? Versichert mich nicht dein Wort, daß die Berge weichen, und die Hügel vergehen werden; aber deine Güte wird nicht weichen, und der Bund deines Friedens nicht gebrochen werden. Hast du nicht, o Herr, meine Wünsche mit dir begränzet, und meine herumschweifende Begierden fest gesetzet? Ist es um Reichthum, oder Ehre, oder Länge der Tage, oder Vergnügen, warum ich dich täglich mit Ungestümmigkeit angehe? du weist, daß diese nicht der Inhalt meiner unermüdeten Bitte sind: lege ich jemals diesen Kinder-Tand mit deiner Gunst auf die Waagschale? O nein! Ein Gnaden-Blick von dir verdunkelt alle ihre Herrlichkeit. Wenn du meine abgesonderte Andacht mit deiner Gegenwart begnadigest, so kan ich alle geschaffene Schönheit, als schwarz und widrig ansehen. Wenn ich dich in mei
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nen einsamen Betrachtungen finde, wie verächtlich schaue ich auf die klein werdende Welt zurück.
Ach wie schön ist deine Schönheit, und wie göttlich deine Pracht;
Und wie dunkel scheint die Erde gegen deinen Glanz betrachtt! Wie abgeschmackt sind alle ihre Ergötzungen gegen dem Vergnügen mit dir umzugehen? O bleibe, rufet in solchen glückseligen Augenblicken meine begnügte Seele aus:
Bleibe bey mir, mein Geliebter, bleib doch hier mein Seelen-Freund,
Bis der schöne Morgenstern, und das Licht der Welt erscheint!
Bleib doch bis die Dunkelheit, und die Schatten ganz verstreichen,
Und vor dem erleuchten Aug des erwünschten Tages weichen. O! bleibe, bis die finstere Nacht des Lebens vergangen, und meine Seele die Ewigkeit anbrechen siehet. Es ist nichts an diesem öden Ort, das mich aufhielte, wenn du dich entzogen: Ich kan an nichts hierunten einen Geschmack finden nach diesen himmlischen Mahlzeiten. So ich dich nicht liebe, was bedeutet denn dies ungedultige Verlangen, bey dir zu seyn. Meine Seele verlanget, ja schmachtet nach den Vorhöfen des Herrn; wenn werde ich dahin kommen, und vor dir erscheinen? O hätte ich die Flügel einer Taube; denn alsdann wolte ich hinweg fliegen und ruhen.
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X. Versicherungen des Heils in Christus JEsus.

Ich habe meinen Schatz, mein unsterbliches Theil in deine Hände gestellet, o! mein theurer Erlöser, und soll der Raub dem Mächtigen entrissen werden? Soll eine Seele, welche dir gewidmet, der Hölle anheim fallen? Mein hochgelobter Gott, bin ich nicht dein? und soll der Tempel deines Geistes entheiliget, und die Lippen, welche dir so oft Herrschaft, und Ruhm und Majestät zugeeignet, mit höllischer Gotteslästerung und den Flüchen der Verdammten beflecket werden? Sollen die Funcken göttlicher Liebe erlöschen, und eine ewige Feindschaft erfolgen? und soll ich, die ich ehedem mit deiner Gunst begnadiget war, ein Vorwurf deines Zorns und Grimmes werden? Sollen alle die grossen Dinge, und Thaten, welche du für meine Seele gethan hast, vergessen werden? Sollen alle meine Gelübde, und deine eigene heilige Verbindungen zernichtet werden? Das ist ganz unmöglich; denn du bist nicht wie ein Mensch, daß du lügen soltest; noch wie ein Menschenkind, daß es dich gereuen solte. Du bist durch deinen eigenen Ehrfurchts vollen Namen zu meiner Sicherheit verbunden: Mein Gott, und meines Vaters Gott, von Geschlecht zu Geschlecht, bist du unsere Wohnstätte und Schirm gewesen. Ich wurde dir in der Taufe durch die feyerliche Gelübde meiner gottseligen Eltern gewidmet: von meiner frühen Kindheit an, erhub ich meine Hände zu
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dir, und ich lernte bald den Gott meiner Väter kennen, und erkennen. Ich habe mich wirklich dem Herrn mit meiner Hand unterschrieben, und ich bin dein durch die freywilligste und vorsetzlichste Verbindungen. Das Theil Jacobs ist meine frohe Wahl, und ich darf nicht besorgen, es zu verlieren, alldieweil dein Wort so fest stehet als die Himmel.
Der Himmel Erd und See gemacht,
Und was sie in sich fassen:
Wird nimmer, was er zugesagt,
Noch seine Treu verlassen. Dafern ich mich auf mich selbst verliesse, so wäre ich verlohren: Die erste Versuchung würde meinen Entschluß umkehren; ich würde den unschätzbaren Reichthum deiner Liebe für das nichtswürdigste Ding verkaufen, und für eine augenblickliche Freude thörichter Weise unsterbliche Ergötzungen verscherzen; ein scheinbares Blendwerk würde mich verführen, und mich um alle meine Hofnung einer künftigen Herrlichkeit bringen. Ich muß ein Opfer meiner eigenen Thorheit werden, und unvermeidlich zu Grunde gehen, so du mich verlässest: Aber die Stärke Israels ist meine Hofnung, und der Mächtige Jacobs mein Schutz. Du bist der Fels der Ewigkeit; die feste und unbewegliche Gottheit ist meine hohe Burg, und meine Zuflucht, mein Erlöser und allmächtiger Heyland. Dieses waren die gesegneten und herrlichen Titel, wodurch du zuerst meine zweiflende Seele versichert hast: Dieses waren die entzückenden Namen, womit ich dich erkannt und benennet; und du hast dich in allen Ver
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änderungen meines Lebens, denenselben gemäß erwiesen. Ich war frühzeitig deiner Vorsorge angelegen; du hast meine hülflose Kindheit unterstützet, und bist der wachsame Führer meiner unbeständigen Jugend. Wo ich mich nun hinwende, geniesse ich deine Barmherzigkeit, und erblicke deine Fürsehung; und so lang ich lebe, will ich deine Wohlthaten aufzeichnen, und auf deine Wahrheit trauen; diejenige Wohlthathaten, welche mir stets nachgefolget, und die Wahrheit, welche mich nie betrogen, und sich verpflichtet hat, mich nimmer zu verlassen. O eine entzückende Versicherung! Was für eine Sicherheit kan ich weiter begehren? Was für eine Sicherheit kan ich über die ewige Wahrhaftigkeit wünschen? Die Berge werden weichen, und die Hügel entfliehen, aber deine Güte wird nicht weichen, und der Bund deines Friedens nicht gebrochen werden; der Bund, welcher mit dem Blute des Sohnes Gottes versiegelt worden, zu dessen Bekräftigung ich in dem heiligen Sacrament das Pfand deiner Liebe empfangen habe. Du hast mich gnädigst zu solcher Gemeinschaft eingeladen, und bist mir da mit ganz unverdienter Huld begegnet. Fürchte dich nicht, sprachest du, arme bebende Seele, denn ich bin dein Erlöser, und dein mächtiger Heiland, die Hofnung Israels, und in meinem Namen sollen alle die Völker der Erden gesegnet werden: Ich bin gnädig und barmherzig, langmüthig, und überfliessend von Güte und Treue: Dieses sind die Titel, wodurch ich mich den Menschen offenbahret habe; ich kam als der erwartete Meßias, der
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Stern Jacobs, und die Ehre der Heyden. Ich kam von der Fülle unaussprechlicher Herrlichkeit, in der Gestalt eines Menschen, um das Geschlecht Adams zu erlösen. Ich bin willig, und vermögend zu retten, und wer zu mir kommt, den will ich keineswegs hinaus stossen. Fürchte dich nicht, ich war von Ewigkeit her gütig gegen dich gesinnet, und durch diese sichtbare Zeichen meines Leibes und Blutes versiegele ich deiner Seelen meine Liebe: Nimm hier das Pfand des Himmels, die Versicherung der ewigen Glückseligkeit. Es ist genug, versetzte meine entzückte Seele; theile die Welt aus, wie du wilt, andere mögen unbeneidet ihre Herrlichkeit geniessen; deine Liebe ist alles, was ich mir erflehe. Ich bin selig mit der Versicherung, ich bin umgeben mit der Freude des Paradieses; ein jeder Ort ist ein Himmel, alldieweil mein Geliebter mein ist, und ich sein bin.
Wenn gleich alle die Monarchen, deren Macht die Reich der Welt,
Und die weite Erdenkugel unter ihrer Herrschaft hält,
Sich erböten ihre Kron, und ihr Gold mir zu gewähren,
Wolte ich doch deine Güt nicht für allesamt entbehren.
Diesen Tand der Welt und Erde seh ich mit Verachtung an,
Wenn ich dich nur meine Haabe, und mein eigen nennen kan. Lasset Gott und Engel für mich bezeugen, daß ich der Welt absage, und deine Liebe zu meinem Theil er
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wähle; bezeugen, daß ich meine beliebte Busems- Sünden dir aufopfere, und von diesem Augenblick an mich feyerlich zu deinem Dienst widme. So habe ich mich verpflichtet, des Herrn zu seyn, und so hast du gnädig geruhet, die Vorrechte des neuen Bundes meiner Seelen zu versiegeln. Und, o laß diesen feyerlichen Vertrag nimmer vergessen werden; laß ihn in die Bücher der Ewigkeit eingeschrieben werden; laß ihn denen Tafeln des unveränderlichenSchicksals eingepräget werden: da laß die heiligen Artickel aufgezeichnet stehen, und in ewigem Andenken bewahret werden.

XI. Du bist mein GOtt.

O Gott, du bist mein Gott: du bist deine eigene Seligkeit, der Ruhepunkt meiner eigenen Begierden, und die unermeßliche Quelle deiner eigenen Glückseligkeit. Du bist unveränderlich, und unendlichvollkommen, und darinnen bestehet deine Seligkeit und Herrlichkeit: Aber, daß du mein GOtt bist, daher fliesset alle mein Trost: dieses herrliche Vorrecht ist meine Würde und Ruhm, du bist mein Gott, und ich will dich preisen; meines Vaters Gott, und ich will dich erheben; der Herr lebet, und hochgelobet sey mein Fels, und der Gott meines Heils werde erhöhet, deine Güte ist besser denn Leben, deswegen sollen dich meine Lippen preisen. Wenn ich dich besitze, so habe ich alles; ich finde keinen Mangel, keine Leere von innen; meine Wün
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sche sind erfüllet, und alle meine Begierden gestillet, wenn ich mein Recht zu deiner Gunst sicher glaube. Was für Stürme sich auch erheben, was für Finsterniß mich umgibt, so bist du doch mein Gott; ich schreye, so legen sich die Stürme, und die Dunkelheit verschwindet. Ich finde mich in meiner Hofnung von der Welt betrogen, meine Freunde falsch, und das Vertrauen auf Menschen eitel. Aber, du bist mein GOtt, meine unbetrügliche Zuversicht, mein Fels, mein ewiges Erbtheil. Tod und Hölle richten ihre Pfeile auf mich; aber in einer himmlischen Ruhe rufe ich aus: du bist mein GOtt: ich wohne in der Höhe, mein Schirm ist die Feste der Felsen.
Du, o Herr! bist meine Zuflucht, Burg, und
Schirm, und Schild, und Hort:
Meine Hofnung gründt sich feste auf dein unbetrüglich Wort. Was hab ich zu fürchten, dieweil du mein bist? Kan die Allmacht überwunden werden? Kan der allgewaltigen Stärke widerstanden werden? wenn das möglich ist, alsdenn, und nicht eher als sodenn, wird es mir an Sicherheit fehlen; alsdenn, und nicht eher als sodenn, wird mein Vertrauen wanken, und meine Hofnung zu Schanden gemachet werden. Du bist mein Gott: Laß mich den herrlichen Ton wiederholen, und den angenehmen Schall noch einmal hören. Laß mich ihn viele tausendmal wiederholen; er ist ganz entzückend, und voller Lieblichkeit: was könten die Harfen der Engel, und ihre Zungen, anmuthigers singen oder spielen? Was gibt
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aller ihrer Freude den Nachdruck als diese entzückende Worte? Hierbey halten sie sich auf, das ist ihre ewige Materie: Du bist mein Gott. Ein jeder Seraphin rühmet sich, wie ich, des herrlichen Eigenthums, und schreibet seine Glückseligkeit diesen wichtigen Worten zu: darinnen liegen unermessene Freuden, das Paradies selbsten, und der ganze Himmel ist hier beschrieben; alles, was von der himmlischen Seligkeit kan gesagt werden, ist hierinne enthalten:
Mein Herr und Gott, mein allgenugsam Gut,
Mein Theil und Wahl, und meine Habe.
Du bists, in dem mein weites Herze ruht,
Woran ich alle Kräfte labe. Mein Gott, mein Triumph, und mein Ruhm, laß andere sich rühmen, was sie wollen, und mit menschlichen Stützen prangen; laß sie ihr Vertrauen auf ihren Reichthum, und ihre Ehre auf zahlreiche Freunde setzen: ich entsage allem irdischen Vertrauen, und rühme mich nur in meinem Gott.
Von ihme ganz allein soll meine Freud entstehn,
Und einen steten Kreiß und ewgen Zirkel gehn:
Dort über den Bezirk, wo Stern und Himmel gläntzen,
Und über allen Raum von den geschaffnen Gräntzen. Wenn mir der Tod alle andere Stützen entziehen, und mir das Liebste hierunten entreissen wird, so werde ich in meinem Gott ein unveränderlich Eigenthum haben: Diese Verbindung wird fest bleiben,
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wenn ich alles andere Vergnügen verliere; wenn alle menschliche Dinge auf ewig verschwinden; so werde ich ihnen mit Freuden gute Nacht sagen, und meinen Geist mit diesem triumphirenden Ausspruche aufgeben: du bist mein Gott, mein Erbtheil, mein ewiger Besitz: weder Tod, noch Hölle, sollen mich ja von deiner Liebe scheiden. Du bist mein Gott. Laß mich die Ausdehnung meiner Glükseligkeit betrachten: Laß mich meinen weiten Besitz in Augenschein nehmen: Laß mich seinen Umfang erwegen; o Höhe! o Tiefe! o Länge und Breite, so unermeßlich! Ich habe alles, was besitzenswürdig ist; du bist mein Gott. Aber was habe ich ausgesagt? darf ein Sterblicher diese kühne Worte sprechen? Können schnöde Menschen so herrliche Anforderungen machen? Du selbst kanst nicht mehr geben: du, der du deine eigene Seligkeit, und die Freuden-Quelle aller deiner Geschöpfe bist; bey dir sind die Ursprünge des Vergnügens, und in deiner Gegenwart ist die Fülle der Freuden: UnsterblichesLeben und Glückseligkeit fliessen von dir, und diejenigen müssen nothwendiger Weise selig seyn, welche mit deiner Gnade umgeben; du bist ihr Gott, und du bist mein GOtt in die Ewigkeiten.
Wie die Erde, so die Freuden, die sie in sich fasset, fliehn,
Ihre Stricke und Versuchung, die so lustig, sind dahin.
Kein Geschöpfe kan nicht mehr, weder Seyn, noch Wesen zeigen,
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Flüsse, Ströhme, Hügel, Thal, Wälder und Gebüsch verstreichen.
Sonne, Sternen, und die Felder, welche voll des schönen Lichts,
Sind vor meinem Aug verschwunden in ein immerwährend Nichts.
Aber Gott, mein Fels beharret, und ist alles und in allem etc.

XII. Bekenntniß der Sünde, mit Hofnung und Vergebung.

Brich, brich, o unempfindliches Herz! Laß Beschämung mich bedecken, und Finsterniß, die so schwarz, als meine eigene Schuld, mich umgeben. Herr, was für ein Ungeheur bin ich geworden? Wie verhaßt bin ich mir selbsten, daß ich dich beleidiget? Wie viel verabscheuenswürdiger dir, den ich beleidiget habe? Warum habe ich den Gott erzürnet, von welchem mein Wesen jeden Augenblick abhanget? den Gott, welcher mich aus nichts zu einer vernünftigen und unsterblichen Natur erhaben, und mich einer ewigen Glückseligkeit fähig gemacht? den Gott, dessen Güte sich durch mein ganzes Leben geäussert, der mich in tausend Gefahr erhalten, und mich selbst vor dem Verderben, das ich gesucht, bewahret, und eben, da ich über seine Fürsehung gemurret, errettet hat. Wie oft hat er mich dem ewigen Elend entrissen, und von dem äussersten Rand der Hölle zurück
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gebracht, da nur ein sterbendes Aechzen, nur ein schwacher Seufzer zwischen mir und dem ewigen Verderben war? da alle menschliche Hülfe gebrach, und meine traurende Freunde ihren lezten Abschied nahmen; da mich alle erfreuliche Hofnung verlies, und die Schrecken des Todes mich umgaben, schrie ich zu Gott aus denen Tiefen des Elends und der Verzweifelung; ich schrie, und er lies sich erbitten, und errettete mein Leben von dem Verderben: Er riß mich aus dem schlammichten Koth, und sezte meine Füsse auf einen Felsen. Tausend Proben seiner Güte könte ich anführen, und alle zu meiner eigenen Beschämung. Könte ich dich als meinen Feind betrachten, so könte ich mir noch verzeyhen; aber wenn ich dich ansehe als meinen besten Freund, meinen zarten Vater, als den Erhalter meines Lebens, und Urheber meiner Glückseligkeit, ach wie ungeheuer, und abscheulich scheine ich sodann, daß ich wider dich gesündiget habe? Könte ich dich einer Schärfe beschuldigen, oder deine Gesetze streng und ungerecht nennen, so hätte ich einige Entschuldigung; aber meine eigene Vernunft heisset mich desfals schweigen, und überzeuget mich, daß alle deine Gebote gerecht und heilig sind. Aber meine Schuld zu vermehren, habe ich die heiligeRegeln, die ich gut heisse, übertreten: ich habe die Gerechtigkeit, so ich fürchte, erzürnet, und die Heiligkeit, die ich verehre, beleidiget. Doch sind noch grössere Beschwerungen meiner Ungerechtigkeit, und was mich auf das äusserste beschämet, ist, daß ich wider die unumschränkte Liebe und Güte gesündiget habe: Erschröckliche Undank
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barkeit! Hierin bestehet eben die Grösse meiner Thorheit und meines Elends; könte ich nicht sagen, die Empfindung dessen quälet mich so sehr, als die Schrecken der Hölle, oder die Furcht, den Himmel zu verlieren? deine Liebe und zartes Mitleiden, welche ohnlängst die Ergötzung meiner Gedanken gewesen, sind solchergestalten mein Schrecken geworden. Die Benennungen eines Feindes und eines Richters fallen meinen Ohren kaum schmerzlicher, als die Namen eines Freundes und Wohlthäters, welche meine Schuld so schauerlich vergrössern: Diese geheiligte Namen beschauren und erschrecken meine Seele, weil sie meinem Gewissen die allerempfindlichsten Verweise an die Hand geben: Die Gedanken, daß ich eine solche Güte mißbrauchet, und eine solche Gnade beschimpfet habe, kommen mir fast eben so unerträglich vor, als die Betrachtung deines Zorns und deiner Strenge. O! wo soll ich mich hinwenden? ich darf nicht aufwärts sehen; die Sonne und Sterne bestrafen mich alda; schaue ich niederwärts, so nehmen die Felder und Quellen ihres Schöpfers Parthey, und Himmel und Erde vereinigen sich, meine Sünden zu vergrössern: diese allgemeine Gutthaten sagen mir, wie sehr ich deiner Güte verbunden sey: Aber, o Herr, wenn ich an deine besondere Gnaden-Bezeigungen gedenke, so bin ich ganz beschämet; wie unzehlich viel könte ich erzehlen? und ohnerachtet meiner abtrünnigen Empörung hat sich der Brunnen deiner Gnade noch nicht verstopfet; denn ich athme noch, und habe noch das Leben, um Gnade zu erflehen: der Himmel ist noch offen, und der Thron Gottes noch zugänglich. Aber ach! mit was für Zuversicht kan ich hinzu na
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hen? Was für Bewegungs-Gründe kan ich anführen, als solche, die zu meiner eigenen Verurtheilung gereichen? Soll ich deine ehemalige Barmherzigkeit und Nachsicht anführen? dies wäre wider mich selbst reden: und doch ist deine Gnade, die Gnade, welche ich mißbrauchet habe, der beste Grund, den ich bringen kan; deine Gnade und Gütigkeit, wie sie offenbaret ist in Jesus, dem Sohn deiner Liebe, dem hochgelobten Versöhner Gottes und der Menschen. O! wo hat mich meine Thorheit hingebracht? Mit was für Worten soll ich dich anreden? Verzeihe mir, o Herr, meine Ungerechtigkeit, denn sie ist groß: Ein wunderbarer Schluß und Beweggrund! doch wird dieses deine Güte verherrlichen, und mir einen ewigen Anlaß geben, dich zu preisen: es wird allen meinen Dank-Liedern einen Nachdruck, und meiner Harfe eine ewige Lieblichkeit geben. Die Erlöseten des HErrn werden sich mit mir vereinbaren, dieweil dieser herrliche Beweisthum deiner Gnade sie zur Bewunderung, und mich zur unendlichen Dankbarkeit dringet: so wird dein Ruhm erhöhet werden. Herr, mein Gott! erlaube einer armen, nichtswürdigen Creatur, ein wenig mit dir zu rechten; was wird dir meine Zerstöhrung für Ehre bringen? was für Nutzen, was für Triumph wird dem Allmächtigen aus meinem Verderben erwachsen? Gnade ist deine am hellesten glänzende Eigenschaft, sie gibt dir alle deine Lieblichkeit, und machet deine Schönheit aus. Durch die Namen der
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Gütigkeit und Gelindigkeit hast du dich denen Menschen zu offenbaren beliebet: durch die zärtlichsteBenennungen hast du dich meiner Seele bekannt gemacht; Benennungen, welche dir noch nicht zuwider, sondern noch immer mitleidig und zu verzeyhen bereitwilligst sind. Aber daß du mir vergeben hast, oder willt, o mein Gott, das macht meine Schuld schwerer. Und willt du mir wirklich verzeyhen? Willt du mir das schwarze Verzeichniß nachlassen, und das Vorrecht, so ich verscherzet, wieder zuwenden? O bewundernswürdige Liebe! o erstaunliche Güte! laß mich die Zeit meines Lebens meine Undankbarkeit nicht wiederholen; laß mich Lebenslang meine busfertige Gelübde nicht mehr brechen; laß mich viel lieber sterben, als den unglückseligen Augenblick erleben.

XIII. Die Abwesenheit Gottes auf Erden.

Was ist die Hölle? was ist die Verdammniß, als eine Ausschliessung von deiner Gegenwart? Ihr Mangel ist es, welcher die Gegenden der Finsterniß so schrecklich macht. Was ist der Himmel? Was ist das Vergnügen der Engel, als das Schauen deiner Herrlichkeit? Was ist der Grund ihrer ewigen Entzückung, als deine Gnaden-Blicke und Freundlichkeit? Was für ein Vortheil ist mein Daseyn ohne das Licht deines Angesichtes? Was kanst du selbst mir geben, den unendlichen Verlust zu er setzen? Könte
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der Reichthum, die eitele Ehre und unschmackhafte Lust der Welt mich dafür belohnen? Ach nein! die ganze Schöpfung, so mannigfaltig sie auch ist, könte mir kein Genügen geben, wenn ich deiner beraubet wäre. Laß die Ehrsüchtige, Wollüstige und Geitzige diesen nichtswürdigen Tand unter einander theilen; er ist kein Vergnügen für meinen niedergeschlagenen Sinn. Es war eine Zeit (aber ach! diese glückliche Zeit ist vorbey, und diese selige Augenblicke sind dahin), da ich mit einer bescheidenen Versicherung dich meinen Vater, meinen allmächtigen Freund, meinen Schutz, meine Hofnung, und meinen ausnehmend grossen Lohn nennen konte: aber diese herrliche Vortheile sind verlohren, diese entzückende Blicke haben sich mir entzogen, und meiner zitternden Seele kommst du nicht anders mehr für, denn als ein verzehrendes Feuer, eine unzugängliche Majestät, mein strenger Richter, und als ein allmächtiger Feind von mir; und wer soll mich aus deinen Händen erretten? Wo werde ich einen Schirm finden für deinem Zorn? Was für Schatten können mich für deinem allsehenden Auge bedecken?
Ein einger Blick von dir, ein einger Gnaden-Strahl
Vertrieb die Finsterniß und Schatten allzumal.
Der Vorhang dunkler Nacht kan nicht vor dir bedecken,
Noch uns vor deinem Aug, so alles forscht, verstecken.
Die schwarze Mitternacht stellt sich vor dir so klar,
Als das erhöhte Licht des hellen Mittags dar.
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Aber wird der Herr für ewig verstossen? will er nicht mehr gnädig seyn? Hat Gott seine Güte wirklich vergessen? Will er mein Gebet ewig ausschliessen? und soll ich meinen Schöpfer nimmermehr sehen? Sollen mir diese Gnaden-Blicke nicht mehr gegönnet werden, welche die Einwohner des Himmels mit unaussprechlicher Freude erfüllen? Jene holden Blicke, welche die himmlische Gegend erleuchten, droben einen ewigen Tag machen? So haben denn diese unglückselige Augen das Licht vergeblich erblicket; und ich besitze vergebens vernünftige Kräfte, und ein unsterbliches Grundwesen: ach wozu wird es mir dienen, als zu einem ewigen Fluch, wenn ich das Angesicht Gottes nimmermehr schauen soll?
Ists ein Traum und blos Gedichte, oder aber hör ich jezt
Jene angenehme Stimme, die mein Ohr so sehr ergözt?
Sieh ihn dort auf jenem Berg, sieh ihn dort auf jenen Höhen,
Springend und in schnellem Lauf über Fels und Klippen gehen.
Nunmehr ist er ähnlich Rehen, die geschwinder als der Wind,
Und ist schneller als die Hirsche, die erhizt und flüchtig sind. Ich habe auf dich geharret, wie diejenige, so auf den Morgen warten, und deine Wiederkunft ist erfreulicher, als das aufgehende Licht des Tages nach dem Schrecken einer finstern Nacht;
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erfreulicher als Genesung dem Kranken, als Wasser dem Durstigen, und Ruhe dem müden Wandersmann. Wie unglückselig war ich ohne dich? Vergeblich suchte mich die Welt zu ergötzen bey deiner Abwesenheit: alles, was sie mir anbieten konte, war wie Scherz und Spiel denen Sterbenden, oder wie Erquickung denen Verdammten. Auf deine Gnade allein beruhet meine Ruhe; wäre ich der beraubet, so würde ich mitten in dem Paradies nach der Glückseligkeit seufzen: Deine Güte ist besser denn Leben, und wenn nur ein Vorschmack deiner Liebe so entzückend ist, was für Entzückungen werde ich erfahren, wenn ich trinken werde die Fülle von den Ströhmen der Seligkeit, die von deiner Rechten immer und ewig fliessen? Aber
Ach wenn kommt der selge Tag, da dich meine Seele schauet,
Da sie völlig zu dir naht, und entzückt mit dir sich trauet?
Wenn, ach wenn wird meine Seele dich in voller Klarheit sehn,
Ohne dies Gewölk und Vorhang, welche nun dazwischen stehn.
Zwar werd ich in deinem Mahl, dich als gegenwärtig innen,
Aber dennoch bleibest du stets verdeckt für meine Sinnen.
Diese, obschon grosse Gnade ist doch kein vollkommnes Glück,
Da ich für die blosse Gottheit ihren Schatten nur erblick.
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Meine Seele schwüng sich gern dort zu jenen obern Höhen,
Deine Pracht und Majestät in dem höchsten Glanz zu sehen.

XIV. Ewige Abgeschiedenheit von Gott.

W eichet von mir, ihr Verfluchten: o laß mich niemals deine Stimme diese erschreckliche Worte aussprechen hören. Mit was für Schrecken würde dieser Ausspruch mein Herz durchdringen, wenn sein Donner in meinen Ohren erthönete? Ach! verwandle mich vielmehr in mein ehemaliges Nichts, und mache durch ein mächtiges Wort meinem Wesen ein Ende. Wer kan das unerträgliche Gericht ausstehen, von dir geschieden und mit der Unsterblichkeit gestrafet zu werden?
O höchst betrübter Stand! der ganz Verzweiflungs-voll,
Daß ich dich meinen Gott so ferne sehen soll!
Ach weh, ach wehe mir! daß er mich hin verwiese,
Wo ich ihn nimmer find, noch seine Lieb geniesse, noch das Licht deines Angesichtes jemals erblicke. O unaussprechliches Weh! die Hölle kan nichts anders seyn. Trennung von Gott ist das allertiefste und gröste Elend. Schwarze Finsterniß und ewige Nacht muß nothwendig eine Seele, so von deiner Gegenwart ausgeschlossen, umgeben. Was für Freude, was für Leben, was für Hofnung ist zu finden, wo du nicht bist? Es fehlet mir an Worten, meine Gedanken von diesem betrübten Stand abzu
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bilden. O laß mich nimmermehr die erschreckliche Erfahrung erleben. Laß vielmehr deinen Zorn aus, und zernichtige mich in einem Augenblick. Von dir weichen! o wo solte ich hingehen von dir? In die äusserste Finsterniß? das vermehret gar nicht das Elend des Unglückseligen, der von deinem Angesicht verbannet ist. Nach dem fürchterlichen Richter-Spruch würde ich ungezwungen Schatten suchen, die so finster dann die Hölle, als die meiner Verzweiflung am gemässesten, und in den Schrecken ewiger Nacht den unendlichen Verlust beweinen. Das Angedenken an solche verlohrene Glückseligkeit würde den himmlischen Tag unerträglich machen. Das Licht des Paradieses könte mich nicht ohne deine Gunst erfreuen: Die Gesänge der Engel würden meine Betrübniß nur vermehren, und mich mit einer Glückseligkeit quälen, welche ich nimmer geniessen soll. Der Anblick deiner Günstlinge, und die Herrlichkeit deines Hofes würde nur Mißgunst bey mir erwecken, und mich mit Wuth erfüllen, wenn ich mich selbst als den Gegenstand deines ewigen Zorns betrachtete: und die ganze Harmonie des Himmels könte nicht den Schrecken solcher Betrachtung mildern. Die Seufzer der Verdammten, und die Finsterniß der Höllen würde sich besser zu meiner Traurigkeit schicken. Da könte ich dem Schreyen gequälterGeister und dem Getösse ewiger Stürme meine ungestümme Klagen beyfügen, und den Verlust einer unendlichen Glückseligkeit beweinen, und meine eigene Thorheit verfluchen: Aber alle Plagen hierunten,
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wenn ich meine dermalige Gedanken eröfnen darf, würden mir keine Lästerung der göttlichen Eigenschaften auspressen; denn ich weiß, ich verdiene ewiges Elend, und selbst in der Hölle, deucht mich, würde ich deine Gerechtigkeit bekennen. Deine so lang erfahrene Huld solte gewißlich bey mir immerhin alle Schmähung hemmen, und dir in alle Ewigkeit keine Grausamkeit durch irgend einen Tadel aufbürden lassen. Aber ach was für Angst würde die Erinnerung deiner ehemaligen Gnade erwecken? was für schmerzliche Beklemmung würde es mir im Gewissen machen, an die glückselige Augenblicke zu gedenken, da du meine abgeschiedene Andacht mit deiner Gegenwart gesegnet? wie bitter würden mir die Hefen deines Zorns seyn, nachdem ich solches göttliche Vergnügen gekostet. Wohin würde mich deine Ungnade versenken, nachdem ich das Licht deines Angesichts genossen? Muß ich deine Gunst verlieren, o so laß mich vergessen, was solches Wort in sich fasset, und lösche aus meinem Gedächtniß ewig die Freude aus, welche die Empfindung deiner Liebe verursachet hat: laß keine Spur von solchen heiligen Entzückungen in meiner Seele übrig bleiben. Aber muß ich von dir in das ewige Feuer scheiden? Gedoppelter und erschrecklicher Fluch! und doch würden unauslöschliche Flammen und Ketten der Hölle (wenn ich in diesem Leben von einem so schreckensvollen zukünftigen Stand urtheilen kan) weit nicht so schrecklich seyn, als die Empfindung solcher verlohrnen Freude. Diesem Verlust dörfte ich
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nicht nachdenken; die Erwegung desselben würde ewig mir unerträglich fallen; die Zeitläufte der E wigkeit könten die ausnehmende Bekümmerniß nicht mindern; er würde immer neue und unaussprechliche Bangigkeit erregen, und mich mit unendlicher Verzweiflung peinigen. Hochgelobter Gott! habe Mitleiden mit einer Seele, welcher kein Schrecken so entsetzlich ist, als der Spruch ewig von dir zu weichen. Ziehe meinen Geist in die heiligste und innigste Gemeinschaft, so nur möglich ist, mit dir, dieweil sie in diesem Fleisch wohnet, und den höchstvergnüglichen Aufenthalt und Umgang mit Gott anfangen, den weder Tod noch Gericht jemals stöhren, noch die Länge einer Ewigkeit je endigen wird.

XV. Die Herrlichkeit Gottes in seinen Werken, der Schöpfung, Fürsehung und Erlösung.

Mein Wesen fliesset unmittelbar von dir, und solte ich meinen allmächtigen Schöpfer nicht preisen? Ich empfieng den lezten Athem, so ich geholet, von dir, du erhältst mein Leben in dem jetzigen Augenblick, und der nächste hanget gänzlich von deinem Belieben ab. Es ist die Würde meiner Natur, meinen grossen Ursprung zu kennen, und meine Glückseligkeit, ihn zu preisen und anzubeten. Aber, o du allerhöchstes Wesen, wie soll dich ein sterblicher Mensch erheben? Ich sage zu der Verwesung, du bist
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mein Vater, und zu den Würmen, ihr seyd meine Brüder; meine Tage sind einer Hand breit, und mein Leben ist nichts vor dir; aber du bist stets derselbige, und deine Jahre nehmen nie ab: von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott, die unbegreifliche, unveränderliche Gottheit. Die Sprache des Paradieses und himmlische Beredsamkeit können deine Vollkommenheiten nicht ausdrücken; die Erstgebohrene des Lichts selbst verlieren sich in seliger Erstaunung über deine Vortreflichkeiten; Sie selber verehren dich mit stiller Entzückung, dieweil du mit unaussprechlichem Glanz umhüllet.
Die selge Gottheit ganz allein
Sieht sich und ihre Tiefen ein. Wer kan fassen, wie weit sich die Macht erstrecket, welche aus Nichts Stoff zu einer entstehenden Welt herfür gebracht, und aus einem finstern Chaos das schöne Weltgebäude erscheinen geheissen.
Die Verwirrung hörte gleich seine Stimme und Gedanken,
Und der unbeschränkte Raum trat in die bestimmte Schranken. Auf dein Wort wurden die Säulen des Himmels gemacht, und seine schöne Bögen aufgerichtet: dein Odem entzündete die Sterne, zierte den Mond mit silbernen Strahlen, und gab der Sonne ihren funkelnden Glanz. Du hast denen Wassern ihr geraumes Bett bereitet, und durch deine Macht den tobenden Wellen Gränzen gesetzet: durch dich wurden die Thäler mit ihrem blumichten Schmuck gekleidet, und die Berge mit Wäldern gekrönet. In allen den
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wunderbaren Wirkungen der Natur verehren und bekennen wir deine Macht; du äusserst deine Stimme durch Donner, und breitest deinen Blitz aus; du fährest auf den Flügeln des Windes, die Berge rauchen, und die Wälder zittern über dein Herannahen; der Sommer und Winter, die schattigte Nacht, und das helle Tages-Licht kommen von dir.
Dies sind deine grosse Werke, Vater! des, so gut und recht,
Deine Allmacht schuf die Erde, und die Welt ist dein Gemächt.
Sind nun sie so wunderbar, und so voller Treflichkeiten,
O wie schön must du dann seyn, Ursprung der Vollkommenheiten. Aber ach! wie muß deine wesentliche Majestät und Schönheit seyn, wenn du so herrlich in deinen Werken bist? wenn die Entdeckung deiner Macht und Weisheit so ergötzend ist, wie entzückend muß nicht die Offenbarung deiner Güte seyn? von dir empfängt alles, was da lebet, seinen Odem; und durch dich werden alle Dinge im Leben erhalten. Deine Fürsehung erstreckt sich auf das geringste Thierlein, denn du bist gut, und deine Sorgfalt erdehnet sich auf alle deine Werke. Du speisest die Raben, und lässest den jungen Löwen ihren Raub zukommen: du streuest deine Güter mit einer milden Hand über die ganze Schöpfung aus; der Mensch, der undankbare Mensch geniesset deine Güte reichlich. Du lässest deinen Regen fallen, und deine Sonne über Böse und Undankbare scheinen; denn du bist gut, und deine Güte währet ewiglich.
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Als Schöpfer und Erhalter der Menschen hast du dich herrlich erwiesen; aber o wie viel herrlicher hast du dich offenbaret als einen Gott, der undankbare Feinde durch das Blut seines ewigen Sohnes mit sich selbst versöhnet? Hier zeiget sich deine Güte in ihrem hellesten Glanz: Hier entdeckest du völlig deine prächtigste Namen, Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig, langmüthig und überfliessend in Güte: wie unerforschlich sind deine Wege, und unergründlich deine Pfade? Unendliche Tiefen der Liebe, die keine menschliche Sprache jemals ausdrücken kan; und würde der Mensch schweigen, so würden die Steine selbst reden, und die stumme Creatur eine Stimme bekommen, ihm wegen seiner undankbaren Thorheit einen Verweis zu geben.

XVI. Verlangen nach der Ankunft Christi.

Komme, Herr Jesu, komme bald; ach komme, damit nicht meine Hofnung schwach, und ich müde werde, und über deinen langen Verzug murre. Ich bin dieser Eitelkeiten überdrüßig, und die Welt wird mir von Tag zu Tag unangenehmer und unschmackhafter; sie hat nun alle ihre Reizungen verlohren, und findet mein Herz gegen alle ihre Lockungen unempfindlich. Mit Kaltsinnigkeit und Verachtung schaue ich diese vergängliche Herrlichkeiten an, indem mir der Glaube etwas edlers und grössers zu hoffen gibt. Ich sehe das Land der Verheissung, und ein jeder Tag bringt mich dem Besitz meines himmlischen Erbtheils näher. Alsdenn werde ich Gott schauen und
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leben, und meinen triumphirenden Erlöser von Angesicht zu Angesicht sehen.
Denn werd ich in seiner Gunst ewges Licht und Wonne finden;
Eilt ihr Stunden und ihr Tag, eilet eilends zu verschwinden;
Eilt ihr Monat, und ihr Jahre (wenn mir solche zuerkannt
Hier in dieser wilden Wüste, und in diesem öden Land)
Möchtet ihr mit schnellem Lauf und behenden Umgang fliehen;
Mich verlangt mit Ungedult von der Erde wegzuziehen. Ich habe allhier nichts, das mich aufhielte; meine Hofnung, meine Ruhe, mein Schatz, und meine Freuden sind alle droben; meine Seele schmachtet nach den Vorhöfen des Herrn in einem trockenen und dürren Land, wo keine Erquickung ist. Wie lang soll ich in Mesech wohnen, und in den Hütten Kedars bleiben? wenn wird die müde Reise des Lebens geendiget seyn? wenn werde ich meine ewige Heimath erreichen, und in meinem himmlischen Vaterland ankommen? Mein Herz, meine Wünsche sind bereits allda: ich habe keine Verbindungen, welche meinen Abschied verzögerten, nichts, das mich hier aufhielte; sondern ziehe umher als ein unbekannter Pilgrim, ein Fremdling und Verlassener, ferne von meiner Geburts-Stätte. Meine Freunde sind voran gegangen, und triumphiren nun in dem Himmel, ihre Eroberung ist gesi
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chert, und sie besitzen die Belohnung des Sieges. Sie überschauen das Schlacht-Feld, und sehen mit Vergnügen auf die ferne Gefahr zurück: Tod und Hölle, so ewig überwunden, lassen sie in dem Besitz einer unendlichen Ruh und Freude; da ich mittlerweile mit tausend Stricken umgeben bin, und von steter Arbeit müde, den Platz mit Unbeständigkeit behaupte, bis der wirksame Glaube zu Hülfe kommt, mich des Sieges versichert, und mir die unverwelkliche Krone zeiget. Der Glaube ist es, welcher mir sagt, daß Licht denen Gerechten gesäet, und Freude denen, so aufrichtigen Herzens: er versichert mich, daß mein Erlöser lebe, und daß er am jüngsten Tage auf dem Staube stehen werde; und, obschon die Würmer nach meiner Haut diesen Leib zerfressen, daß ich doch in meinem Fleische GOtt schauen werde; welchen ich selbst sehen werde, und nicht ein anderer; und diese Augen sollen ihn schauen, obgleich meine Nieren in mir verzehret sind. Amen, ja komme, HErr JEsu. Dies soll die Sprache meiner Seele seyn, bis du erscheinest, und dies mein ungedultiges und sehnliches Seufzen nach dir. Mein Herz, und mein Fleisch werden nach dem lebendigen GOtt schmachten, bis ich dein Heyl sehe. Verleihe mir, o GOtt, als ein Tagelöhner mein Tagewerk zu vollbringen; verkürze die Zeit, und laß sie nur voll Wirken seyn. Es ist wenig daran gelegen, wie wenig diese kleine Zirkel von Tagen und Stunden, wann sie nur mit gottseliger Andacht, und allen gehörigen Pflichten erfüllet sind.
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XVII. Suchen GOttes, so abwesend.

Zürne nicht, o HErr! wann ich, so nur Staub bin, rede: Warum entziehest du dich, und lässest mich dir vergebens nachjagen? Wofern ich mit deiner Unermeßlichkeit umgeben, warum spüre ich dich so wenig? Warum finde ich dich nicht, wann du allenthalben gegenwärtig? Ich suche dich in dem Tempel, wo ich dich öfters angetroffen; allda habe ich die Spuren deiner Majestät und Schönheit erblicket; aber meinen Augen wiederfähret das Glück solcher heiligen Erscheinungen nicht mehr. Ich suche dich in meiner geheimen Abgeschiedenheit, wo ich deinen Namen angerufen, und oftmals deine Stimme wispeln gehöret; der himmlische Umgang hat öfters meine Seele gerühret und entzücket, aber ich geniesse die tröstliche Herablassung und Gnaden-Bezeigungen nicht mehr; Ich horche, aber ich höre diesen sanften Ton nicht mehr. Ich schmachte vor Sehnsucht, aber du fliehest vor mir; ich lechze immer in deiner Abwesenheit, wie eine matte Pflanze nach der sie wieder belebenden Sonne. O! wann wirst du diese betrübte Finsterniß zerstreuen? wann werden die Schatten von dir fliehen? wann wird deine Gnade in ihrer frohen Herrlichkeit herannahen, und ihr Licht in meinem Gemüthaufgehen? Ich werde durch deinen Schein wieder Leben bekommen; meine Lebens-Geister werden deine Gegenwart bezeigen; Traurigkeit und Angst werden vor dir verschwinden, und ewige Freuden meine Seele umgeben.
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Wo du bist, da folget Himmel und Glükseligkeit nach; Hölle und Verdammniß füllet die Brust, wo du abwesend bist. Wann sich Gott zurück ziehet, werde ich mit Finsterniß und Verzweiflung umringet; die Sonne und Sterne scheinen ohne vergnügenden Glanz; das Angesicht meiner Freunde wird mir verdrießlich; die Holdseligkeit der Engel könte meinen niedergeschlagenen Geist nicht aufrichten. Die Ruhe wird mir unbekannt; Friede und Freude sind mir leere Töne und nichts bedeutende Worte. Sagt mir nichts von Herrlichkeit und Ergötzung, es gibt keine, ohne meinen GOtt; wann er sich entziehet, was für Vergnügen kan dieser nichtswürdige Tand geben? Alles, was die Menschen ergötzet, ist nur ein Traum der Glückseligkeit, nur ein Schatten und eingebildeter Schein: Was können sie statt eines unendlich entwichenen Guts geben? Die ganze Natur kan meinen Verlust nicht einbringen: Himmel und Erde würden ihre Schätze vergebens darbieten; nicht die sämtliche Reiche dieser Welt, noch die Thronen der Erz-Engel könten mir einen abwesenden Gott ersetzen. Ach! wo kan meine Betrübniß Hülfe und Trost finden? Woher kan ich Vergnügen schöpfen, wann die Quelle der Freuden ihre Ströhme versiegelt? Mein Kummer ist ohne Hofnung, bis er wiederkehret; ohne ihn wird meine Nacht keinen Tag jemals erblicken, sondern sich in eine immerwährende Finsterniß ausdehnen: Freude und Zufriedenheit werden meiner Brust ewig fremd seyn. Hätte ich alles in der Welt mich zu ergötzen, seine Ungnade würde das ganze Vergnügen zernichten: wann ich nicht mit GOtt ver
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söhnet bin, würde meine Seele ewiglich mit ihr selbst uneinig seyn. Auch selbst anjetzo, da ich deine Herrlichkeit nur in einer vorbeygehenden Dunkelheit verborgen glaube, da ich auf deine Wiederkunft, wie auf den Anbruch des Tages harre, stehet meine Seele unaussprechliche Noth aus, wegen dem Verzug; die Minuten scheinen sich in Tage, und die Tage in Jahre und lange Zeiten zu verwandeln: Aber, o Herr! wie viel banger würde mir seyn, wann ich dächte, deine Gegenwart hätte mich gänzlich verlassen, wann ich mir einbildete, deine Herrlichkeit solte nimmermehr in meiner Seele aufgehen? Ich sinke in Ohnmacht, wenn ich mirs fürstelle; ich kan nicht daran gedenken, wie erschrecklich es sey, wenn mein Gott ewig gewichen. Ist es nicht die Hölle in ihrer fürchterlichsten Gestalt? Ewige Finsterniß, der niemals sterbende Wurm, unendliches Verderben, und unersetzlicher Schaden? Was wären alle Plagen, so die Erde drohen, oder die Hölle erfinden kan in Vergleichung dessen? Was ist Verachtung, Armuth und Schmerz? Was sind alle wirkliche oder eingebildete Uebel, so die Sterblichen fürchten? Sie sind nichts, in Vergleich mit dem Schrecken, welchen der Gedancke, meinen Gott zu verlieren, verursachet. O du, der du mein unermeßlicher Schatz, mein unendliches Vergnügen, mein Alles, mein unaussprechliches Theil bist, kan ich dich lassen? Ich könte eher ohne Licht sehen, und ohne Luft athmen, als ohne meinen Gott selig seyn. Glückseligkeit ausser dir, wäre ein Widerspruch, eine Unmöglichkeit, (wann ich so reden darf) für die Allmacht selbst. Ich empfinde eine
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Flamme, welcher das herrlichste, so nur geschaffen, kein Genügen thun; eine Leere, welche nichts als unendliche Liebe füllen könte. Ich muß dich finden, oder mich mit einem immerwährenden Verfolg deiner, nach dir ermüden. Nichts soll mich in dem ewigen Suchen stöhren, keine Hinderniß soll mich abschrecken, keine Reitzung mich zurück halten, nichts soll meiner Ungedult schmeicheln, oder mich darinnen erleichtern, meine Glückseligkeit, mein Himmel, mein Alles hanget davon ab. Zeige mir, wo du bist, o mein Gott, bringe mich in deine Gegenwart, und laß deine Liebe mich ewig darinnen halten.

XVIII. Berufung auf GOtt, wegen der vorzüg lichen und höchsten Liebe zu ihm.

OGott! wann ich aufhöre, dich zu lieben, und zu preisen, so laß mich aufhören zu athmen und zu leben; wann ich dein vergesse, so laß mich den NamenGlückseligkeit vergessen, und laß alle nur angenehme Denk-Bilder aus meinem Gedächtniß ausgelöschet werden. Wann du nicht mein höchstes Vergnügen bist, so laß mich alles andere sonst betrügen; laß mir Friede unbekannt werden, und mich vergeblich Ruhe suchen: Laß meine angenehmste Hofnung zu nichte werden, und meine Begierden kein Genügen finden, bis sie sich alle in dir endigen. Wann ich die Ergötzung deiner Liebe vergesse, o, mein Gott, so laß Vergnügen meiner Seele fremd werden; wann ich dieselbe nicht meiner fürnehmsten Freude fürziehe, so laß mich in Ansehung alles Vergnügens unempfind
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lich seyn: Wann deine Güte mir nicht lieber und theurer ist dann Leben, so laß mir das Leben zur Last und Quaal werden. Erforsche das innerste meines Herzens, und wann du irgend einen Mitwerber daselbst findest, so nimm die beliebte Eitelkeit weg, und tilge alle Namen, ausser deinem, aus meiner Brust. Laß mich nichts als leeres Wesen in dem Geschöpfe finden, wann ich den allgenugsamen Schöpfer verlasse; schneide die Bächlein ab, wann ich abweiche, und die Quelle verlasse. Laß mich hülfloß seyn, wann ich aufhöre, mich auf dich zu verlassen. Laß meine Lippen ewig schweigen, wann sie sich weigern, deine Wohlthaten zu erkennen, und dir nicht das höchste Lob bringen. Laß keinen frohen Schall zu meinen Ohren eingehen, wann dein Name nicht der angenehmste Ton ist, den sie meinem Herzen zuführen können. Ich habe schwere Flüche über mich selbst ausgesprochen, wann deine Liebe nicht mein fürnehmstes Gut ist; jedennoch, o mein theuerstes Gut, mein Theil, und meine einzige Glückseligkeit, dürfte ich nicht noch weiter gehen, und so gar die unendliche Freude auf die Aufrichtigkeit meiner Liebe zu dir wagen? Hochgelobter Herr, halte einer sterblichen Zunge diese gefährlichen Versuche zu gut, indem sie die blosse Ausbrüche einer inbrünstigen Liebe sind. Ich dürfte selbst alle meine Hofnung und Anforderung auf die zukünftige Glückseligkeit darauf setzen, (und ach laß mein Herz mich nicht betrügen), mich deucht, ich könte sie alle wagen, ob du selbst nicht der Gegenstand meiner grösten Hofnung, und das Licht deines Angesichtes die Höhe solcher verhoften Glückseligkeit ist.
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Wann ich irgend etwas im Himmel, oder auf Erden, in Vergleichung deiner, begehre, so wolte ich fast sagen, verbanne mich ewig von dem Lichte des Paradieses: auch selbst das Paradies würde eine betrübte Finsterniß ohne dich, und der dunkelste Winkel der Welt, so mit deiner Gegenwart begnadiget, würde angenehm seyn. Ach! wo könte ich ferne von dir, glückselig seyn? Was für ein eingebildetes Gut könte deine Abwesenheit ersetzen? Sage, o, mein Gott! ob ich dich nicht liebe? Soll ich die heiligen Engel zu Zeugen nehmen? soll ich Himmel und Erde zu Zeugen nehmen? wird nicht Gott der Allerhöchste, der Besitzer Himmels und Erden selbst geruhen, die Inbrunst und Aufrichtigkeit deiner Liebe zu bezeugen? Mit was für Vergnügen denke ich an die Verbindungen, wodurch ich mich dir gewidmet? Meine Seele sammlet sich, und ergibt dir mit einer völligen Uebereinstimmung alle ihre Kräfte: ich möchte mich dir gern verpflichten über alle Bänder, so Sterblichen bekannt. Ihr Diener des Lichts, gebt mir eure Flammen, und lehret mich euere himmlische Weise; laßt alles edel, nachdrücklich, und feyerlich seyn, wie euere eigene unsterbliche Gelübde, so will ich sie alle freudigst durchgehen, mich meinem Gott ewig zu verbinden. Saget nun ihr Himmel und Erde, saget ihr heilige Engel, und du, o allwissender Gott, sag, ob ich dich nicht liebe?
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XIX. Eine Andachts-volle Entzückung, oder un aussprechliche Liebe zu Gott.

Du glänzende Sonne, du Mond, und alle ihr funkelnde Sterne, wie gern möchte ich euer angenehmes Licht verlassen, das Antlitz Gottes zu schauen? Ihr crystallene Ströhme, ihr mit Blumen gezierte Triften, so mein unschuldiges Vergnügen, wie freudig könte ich euch für jene selige Aussicht dahin geben? Ihr liebliche Angesichter meiner Freunde, ich möchte euch alle diesen Augenblick verlassen, um den zu sehen, welchen meine Seele liebet; und zwar so liebet, daß ich keine Worte finden kan, die unaussprechliche Inbrunst auszudrucken: Nicht, wie der Geitzhals seinen Reichthum, noch der Ehrsüchtige seine Hoheit liebet: Nicht wie ein Wollüstiger seine Ergötzlichkeit, oder ein Großmüthiger seinen Freund liebet: dieses alles sind schlechte Gleichnisse, eine solche heftige Liebe, wie die meinige, zu beschreiben. Nicht wie einer, der in einem brennenden Fieber liegt, nach einem kühlenden Trunk verlanget; nicht wie sich ein müder Wandersmann nach der sanften Ruhe sehnet; meine unruhvolle Begierden gestatten keine richtige Vergleichung mit solchen. Ich liebe meinen Freund; mein Lebens-Athem, und das Licht des Himmels sind mir theuer: aber wenn ich sagte, ich liebe meinen Gott so wie diese, so würde ich diese geheiligte Flamme verleugnen, als welche sich nach der Unendlichkeit bestrebet. Du bist es demnach einzig und allein ausser allem andern, o
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unerschaffene Schönheit, so ich liebe, in dir endigen sich meine Wünsche; in dir, als ihrem seligen Ruhepunct vereinigen sich alle meine Begierden, und da müssen sie ewig haften: du allein must meine ewige Glückseligkeit ausmachen. Wenn die Harfen der Engel schwiegen, so würde die sanfte Stimme deiner Liebe mir zu einer Harmonie dienen: wenn die Felder des Lichtes verdunkelt würden, so würden deine Gnadenblicke mir einen ewigen Tag machen; die Betrachtung deines Antlitzes wird meine Augen an sich anziehen, und mich in Ewigkeit keinen Blick auf andere Vorwürfe thun lassen, als nur so weit Gott in seinem Geschöpfe zu sehen. Alle ihre Strahlen von Anmuth, Freude und Herrlichkeit kommen von der ewigen Sonne her, und verdienen meine Aufmerksamkeit nur in sofern, als sie dein Bildnißzeigen, oder deine Fürtreflichkeiten offenbaren. Selbst in dieser Entfernung, da ich mit dem Schatten des Todes und Nebeln der Finsterniß umgeben, in diesen kalten und traurigen Gegenden, wenn ein Strahl deiner Liebe in meine Seele bricht, wenn ich nur einen schwachen Blick durch die Wolken thun kan, so verdunkelt solches alle menschliche Herrlichkeit, und bringt mir eine Verachtung bey gegen alles, womit die Sterblichkeit prangen kan. Was für Wunder wird denn das aufgedeckte Schauen deines Antlitzes wirken, wenn ich es in einem so hohen Grad geniessen werde, daß weder die Herrlichkeit des Himmels meinen Blick, noch der Umgang der Engel meine Gedanken von dir abziehen wird. Meine Aufmerksamkeit wird ewig auf dich gerichtet seyn, und meine Glückseligkeit würde überfliessen, wann ich
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nichts hätte mich zu ergötzen, als die unmittelbare Gemeinschaft mit der unendlichen Gottheit. Laufe geschwind, o alte saumselige Zeit, und schüttele deinen schweren Sand; machet einen kurzen Kreis, ihr umlaufende Planeten; wann wird euer bestimmter Lauf vollendet werden? du nie stillstehende Sonne, wie lang wilt du die himmlische Bahn laufen? wann wird der beorderte Engel dich in deinem Fortgange aufhalten, und seine Hand aufheben und schwören bey dem unaussprechlichen Namen, daß keine Zeit mehr seyn werde? O glückseliges Ende der Zeit! meine Seele sehnet sich mit Ungedult nach dir, und läßt die zaudernde Tage und Monate und Jahre weit dahinten. Eile, mein Geliebter, und gleiche einem Reh oder jungen Hirsch auf Bergen von Specereyen. Ich vergehe, ich sterbe für Verlangen, dein Angesicht zu schauen; o ziehe die Decke weg, zerwehe die dazwischenstehende Wolke; löse diese Hütte auf, zerbrich die Seulen, und laß den Vorhang der Sterblichkeit fallen. O laß ihn nicht mehr zwischen mir und meiner vollkommenen Seligkeit stehen. Ich empfinde jene Flammen göttlicher Liebe, welche unauslöschlich sind, wie die Lichter des Himmels, der Tod selbst wird diese heilige Brunst nicht löschen. Ihr Diener des Lichts, ihr Schutz-Engel der Gerechten, stehet und gebt Zeugen ab von meinen Gelübden; und darf ich nicht in einem demüthigen Vertrauen auf deine Gnade, o JEsu, diese deine flammende Diener wider mich zeugen, und mich am jüngsten Gericht anklagen heissen, wann ich meine Liebe verändere? darf ich nicht zu ihnen allen sagen, tretet zu
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meinem Schrecken auf, und macht kundbar meinen Meineyd, wann ich untreu werde.
Dann ihr habt mir zugehöret, wie ich seinen heilgen Nam,
Der den ganzen Himmel rühret, und entzündt mit Liebes-Flamm,
Ihr, ihr hörtet es, wie ich ihn auf meiner Zung geführet,
Und wie er zu Mitternacht mein Gedicht und Lied gezieret.
Höchst glückselig war die Stunde, und die Zeit verstrich geschwind,
Weilen meine beste Kräfte sich in heilger Lieb entzündt.
Selbst der Himmel zeigte sich, und entdeckte voller Güte,
Alle seine Herrlichkeit meinem gierigen Gemüthe.
O verweile, rief ich öfters, selger Augenblick, verzeuch,
Daß mit deiner Flucht und Eile, nicht auch mein Vergnügen weich,
Ich begehr und wünsch nicht mehr, einen Morgen zu erleben;
Sterblichen und ihrem Wahn sey nun gute Nacht gegeben, Diese Himmel und diese Erde sind Zeugen gewesen von meinen Gelübden: die heiligen Engel sind Zeugen gewesen, und alle werden mich sämtlich mit einander verdammen, wann ich meine Treue breche. Stärke und befestige Sie, o mein Heyland, und mache ihre Bänder unsterblich.
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Wann ich nur hievon reden und schliessen solte, so dürfte ich sagen, was für einen Beweggrund könte die Erde, was könte die Hölle, was könte der Himmel selbst mir fürhalten, meine Seele zur Veränderung ihrer Liebe zu verleiten? Was könten sie gegen ein unendliches Gut in die Waagschale legen? Was könte darauf gethan werden, das der Gunst Gottes das Gleichgewichte hielte? Frage die glückseligen Seelen, welche wissen, was das Licht seines Angesichtes ist, welche aus seinen Gnaden-Blicken Freude über Freude und Unsterblichkeit schöpfen, frage sie, wie hoch sie ihre Ergötzung schätzen; frage sie, was doch wohl im Himmel oder auf Erden einen Augenblick ihrer Seligkeit zuwege bringen oder erkaufen könte; frage einen strahlenden Seraph mitten in der Inbrunst seiner Entzückung, wie theuer er seine Glückseligkeit achte, und wann dieser den Werth wird genennet haben, so laß Erde und Himmel versuchen den meinigen zu wägen. Laßt sie darlegen ihre Lockspeisen, welche die verblendete Menschen zum Verderben verleiten; laßt Reichthum, Ehre, Schönheit und bezaubernde Lust in allen ihren Reitzungen erscheinen, samt dem sinnlichen Vergnügen der gegenwärtigen und vergangenen Zeiten, der Niedlichkeit der Perser und Pracht der Römer; laßt sie die güldenen Minen aufthun, und den glänzenden Rubin herfürnehmen; laßt sie die Adern von Sapphir öfnen, und den in seinem Felsen schimmernden Demant zeigen; leget sie alle in die Waagschale; ach! ihr Gewicht ist zu wenig, und zu leicht - -. Setzet den betrüglichen Schein des Staates, Kayserliche Titel und Zeichen der Majestät hinzu; füget bey alles, was ein unbeschränkter eitler Sinn erdichtet,
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oder ein ausschweifender Ehrgeitz begehret, Kronen und Scepter, Königlichen Schmuck, und güldne Thronen - -. Die Waagschale steiget noch immer - -. Werft die ganze Welt hinein - -. Es ist nichts wesentliches und leicht, wie leere Eitelkeit. Ist dieses dein höchstes Gepräng, o verblendete Welt? - - Ihr Knechte der Finsterniß, habt ihr nichts anders anzubieten? Sind dieses eure äusserste Vorschläge? Ersetzen diese die Gunst GOttes? Ach! das unumschränkte Wort deutet etwas an, das sie alle weit überwieget: Unendliches Vergnügen, unbegreifliche Freuden werden damit ausgedruckt; das Licht seines Angesichtes will mehr sagen, als Engel beschreiben, oder Sterbliche sich fürstellen können: Und soll ich alles, was ein ewiger Himmel in sich faßt, für leere und blosse Schatten dahin geben? Gehet, ihr abgewiesene Versucher, gehet hin, und bietet euren Kinder- Tand Unsinnigen und Thoren an; er verschwindet völlig für meiner Verspottung, und kan meinen sich erhebenden Gedanken, nicht das geringste Vergnügen geben. Die Sonne in ihrem ganzen weiten Bezirk hat nichts, das meine Wünsche versuchen könte. Diese gewölbte Himmel in ihrem geraumen Umfange enthalten nichts, das meinen Begierden gleich wäre; mein Ehrgeitz hat weit andere Absichten, und Hofnung für sich; nichts, so geringer als die Lust der Engel kan mich begnügen. Laßt mich die Welten des Lebens und der Schönheit auskundigen, und einen Weg zu den schimmernden Wohnungen des Allerhöchsten ausfindig machen; laßt mich an der Haupt-Quelle des Vergnügens trinken, und alles, was ich verlange, aus der ur
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sprünglichen und unerschaffenen Fülle und Glückseligkeit schöpfen. O göttliche Liebe! laß mich in deine erfreuliche Tiefen ausfahren, und von dir verschlungen werden: laß mich auf einmal mich die unsterbliche Freude versenken, und in dem unermessenen Meer der Glückseligkeit verlieren. Bis dahin schmachte ich nach meinem himmlischen Vaterlande, bis dahin halte ich ein murmelndes Gespräch mit denen Winden und Flüssen, und sage den einsamen Schatten meinen Kummer. Die Wälder wissen meine Klagen, und Mond und Sterne hören mein Seufzer; bey ihrem stillen Schein erzehle ich meine himmlische Angelegenheiten, und lasse meine Begierden in der Sprache der Sterblichen aus; denn schaue ich aufwärts voller Ungedult, die Milch- Strasse, den Sitz der Freude und Unsterblichkeit zu erreichen.
Komm, o Liebe, komm, o Leben, komme höchstbeglückter Tag,
Komme doch, o mein Verlangen, daß ich mich erfreuen mag.
Komm, o Tag, da ich ihn seh, da sich seine Güt ergiesset,
Und mein schmachtend Herze dich, Quelle aller Lust, geniesset. O komme, rufe ich, du, den meine Seele liebt: ich wolte gern fortfahren, aber es fehlet mir an Ausdrücken, und ich bemühe mich vergebens, unaussprechliche Gedanken an den Tag zu legen. Sagt mir, o ihr Söhne des Lichts, die ihr die Kraft dieses himmlischen Feuers fühlet, in was für
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einer Sprache bildet ihr diese geheiligte Inbrunst ab? oder stammeln die Zungen der Seraphinen? Mangelt es hier der Sprache des Paradieses an Nachdruck, und ist die himmlische Beredsamkeit unhinlänglich? In Wahrheit, eure Glückseligkeit ist weit vollkommener, als alle euere Beschreibungen davon: der Himmel gibt einen Wiederschall von euren lieblichen Tönen, so weit sie sich erstrecken; weil die göttliche Liebe, so nur der Inhalt eures Gesangs, unendlich ist, und weder in ihrer Dauer noch Graden Schranken hat. Jedennoch wolte ich gern sagen, es komme ein holder Geist von euch, und lehre mich eure Kunst; leihet mir eine göldene Harfe, und leitet mich in der heiligen Flucht; laßt mich eure Andachts-volle Lieder nachsingen, und eure Harmonie nachmachen, und dann
Eine Anzahl jener Schaar, jener schönen Himmels-Chören,
Wird voll Wunderns mich umringen, weilen mein Gesang erklingt,
Um mit Freude und mit Lust, und Vergnügen anzuhören,
Daß die Sterbliche den Namen, welchen sie so liebt, besingt. O selige und unsterbliche Geschöpfe, ich verlange sehnlich, in eurer himmlischen Weise der Anbetung und Liebe, mich mit euch zu vereinen; mich verlanget sehnlich euren entzückenden Gottesdienst und Freude zu lernen in einer Sprache, so Sterblichen unaussprechlich, und die göttliche Liebe meiner Seele darzuthun in Worten, welche sich nun nicht ausdrucken lassen.
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XX. Selbstbestrafung wegen Trägheit.

Ist es möglich, daß ich einen Tag fast in den dritten Himmel entzücket werde, und, nachdem kaum einige Wochen verflossen, ich mich wieder unter den Würmern der Erden kriechen, und fast eben so niederträchtige Geschäfte treiben sehe, als sie? Kan die göttliche Liebe, welche mich kürzlich zu flammenden Entzückungen erhoben, so weit abnehmen und in mir erkalten? Kan sie mich so träg lassen, wie ich mich nun finde? Was soll ich thun, mein Gewissen durch Bestrafung zu beschämen, und die Flamme gottseligen Eifers und Munterkeit zu erwecken? Ach leider! wie verdammet die Geschäftigkeit der Menschen in denen geringen Sachen des menschlichen Lebens mich wegen meiner Nachläßigkeit in Dingen von ewiger Folge? Bestrebet sich ein Verliebter mit solcher Angst und Ungedult nach dem Gegenstande seiner Wünsche, und soll nicht die göttliche Schönheit und unendliche Liebenswürdigkeit meine Seele zu einer edlern Höhe anflammen, und meine matte Andacht ermuntern? Sind die Ehrsüchtigen so unruhig, und besorgt, sich groß zu machen, und die Hochachtung von Thoren zu erwerben? Machen sie so grosse Anschläge, und trachten sie ihre Absichten mit solcher Müh und Schwierigkeit zu erlangen, um blossen Scheins nichtswürdiger Kleinigkeiten willen; und soll ich so, die ich um den Himmel werbe, und nach ausgehaltener Probe, seine Krone bekommen soll, meine Anforderung aus Mangel des Fleisses verlieren? Soll ich in einem so
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edlen Kampfe erliegen, da Gott und Engel mir beyzustehen bereit sind, und die Arbeit eines jeden Augenblicks mit Ewigkeiten von Ruh und Triumph sollen belohnet werden? Siehe, siehe, die Augenblicke fliehen, die Arbeit verkürzet sich, und die unermeßliche Belohnung nahet heran; die Sieges-Palmen, die Sternen-Krone sind vor den Augen; die glückseligen Reiche und Felder des Lichts ergötzen mich mit ihrem herrlichen Aussehen. Raffe dich auf, meine Seele, diesen Glückseligkeiten mit dem grösten Fleiß nachzujagen: erwecke alle deine rege Kräfte, und laß dir nimmer, nimmer vorwerfen, daß die Munter- und Heftigkeit deiner Arbeit, deinem vorgegebenen Verlangen ungleich seyn; oder daß dein heiliger Eifer so viel geringer werde, als die Brunst der Triebe, welche du in einer andachtsvollen Stunde unaussprechlich genennet hast. O Herr! wie veränderlich ist der Mensch? was für eine Gebrechlichkeit zeiget sich in diesem Fleisch und Blut, und wie sehr beschweret sie unsere besten Kräfte? die Gnade, die göttliche Gnade allein kan den unsterblichen Funken in uns lebendig erhalten, der zuerst vom Himmel gekommen, und unsere Herzen zuerst sich erheben, und aufwärts schwingen gemacht. Erhalte und vollführe dein eigen Werk, o allmächtige Gnade.

XXI. Eine freudige Betrachtung des heran nahenden Todes.

O Tod, wo ist dein Stachel, wo dein so gerühmter Sieg? der Sieg ist mein: ich werde trium
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phirend durch deine finstere Herrschaft ziehen, und durch die Gnade des Sohnes Gottes meines göttlichen Führers werde ich daselbst nicht als ein Gefangener, sondern als ein Sieger erscheinen. O König des Schreckens, wo ist dein fürchterliches Ansehen? ich sehe nichts schröckliches in deinem Anblick? Du erscheinest mit keinen Zeichen des Hohns, noch kommst du mit Befehlen von einem strengen Richter; sondern mit freundlichen Einladungen von meinem hochgelobten Erlöser, welcher in seinem Weg zu seinem Thron voller Ehren durch dein Gebiet gegangen. Willkommen, und abermal willkommen, du gütiger Bote meiner Freyheit und Glückseligkeit! tausendmal willkommener, als ein Jubelfest einem Missethäter: ich gehe von Finsterniß und Gefängniß zu unermeßlichem Licht und vollkommener Freyheit; von diesen ungestümen Gegenden, zu jenen stillen und friedensvollen dort oben: von Schmerzen und Kummer, zu ewiger Ruhe und Stille. Vor die Arbeit der Tugend werde ich unverzüglich ihren grossen Lohn empfangen, und für die Nachrede der Narren, die Ehre und das Lob der Engel. In wenig Minuten werde ich höher seyn, als jene Sterne, und heller glänzen als sie. Ich werde durch den unermeßlichen Himmel fahren, und die balsamichte Luft des Paradieses einathmen. Ich werde fortan meinen preißwürdigen Schöpfer sehen, und meinem erhöhten Erlöser stets Hallelujah singen. Und nun kommet, ihr glänzende Schutz-Engel der Gerechten, führet mich durch den unbekanten und unwegsamen Luft-Himmel; denn ihr gehet diese
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himmlische Strasse immer hin und her; ihr habt Befehl mich nicht zu lassen, bis ich auf dem Berg Sion, in dem himmlischen Jerusalem, der Stadt des lebendigen Gottes anlange; bis ich zu der unzehlbaren Gesellschaft der Engel und den Geistern der vollendeten Gerechten komme. Halte aus, o Glaube und Gedult; es ist nur um eine kleine Weile zu thun, so wird euer Werk ein Ende haben; es sind nur noch wenig Augenblicke, so werden diese Seufzer und Wehklagen in ewige Hallelujah verwandelt werden; nur noch einige müde Schritte, so wird die Reise des Lebens geendiget seyn. Noch einen Versuch mehr, so werde ich die Spitze der ewigen Hügel erreichen, und von jenem hellen Gipfel auf die vielfältige Gefahr, der ich in meiner Pilgerfahrt durch die Wüste entrunnen, sogleich zurück schauen. Laufet geschwinder, ihr zaudernde Minuten; je näher meine Freuden, desto ungedultiger bin ich darnach; wie begierig werde ich nach diesem mühsamen Kampf aus dem Strohm der ewigen Ruhe und des unsterblichen Vergnügens trinken? Verziehet euch, ihr dicke Wolken, weichet, ihr verhaßte Schatten, und laßt mich die Herrlichkeit sehen, die ihr verberget: laßt mich das verheissene Land sehen, und die glückseligen Gegenden überschauen, die ich sogleich besitzen soll. Wie lange wollet ihr euch zwischen mich und meine helle Sonne stellen? zwischen mich und das unbewölkte Angesicht Gottes; schaue auf, meine Seele, siehe, wie angenehm diese belebende Strahlen herfürbrechen? wie sie die Finsterniß zerstreuen, und den Schatten des Todes vergulden und erhellen!
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O selige Ewigkeit! was für einen frohen Glanz bringt dein Anbruch meiner Seele? Mit dir kommt Freyheit, und Friede, und Liebe, und unendliche Glückseligkeit; Kummer hingegen und Schmerzen, und Unruh, und Tod, und Finsterniß verschwinden für dir ewiglich. Ich befinde mich so eben an den Ufern dieses seligen Reiches, wo ein ununterbrochener Tag und immerwährender Frühling wohnet: dort sind die vergnügenden Hügel und anmuthigen Thäler, welche stets von den Gesängen der Engel erthönen. Dort liegen die grünenden Felder der Glückseligkeit, und die unvergänglichen Wälder; wie prächtig aber siehest du aus, o du Stadt Gottes, von welcher man so herrliche Dinge spricht? In dir wird keine Nacht, noch Sonne oder Mond mehr nöthig seyn; denn der Thron Gottes und des Lamms ist in deiner Mitte, und die Völker, so erhalten werden, werden in deinem Lichte wandeln, und die Könige der Erden ihre Ehre und Herrlichkeit in dich bringen, da wird uns der Herr der Ehren ein Schirmplatz, und ein Ort von Ströhmen und breiten Flüssen seyn, und die Stimme der Freuden und das Jauchzen des Triumphs wird ewig in dir gehöret werden.
Dorten halten heilge Seelen einen steten Sabbat-Tag,
Dorten fragt man weder Speise, noch dem Schlaf mehr etwas nach:
Dorten sieht man Kränz des Lichts angelangte Heilgen krönen,
Unter der Trompeten-Schall, und der süssen Harfe Thönen.
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Angeflamte Seraphinen singen heilige Gesäng,
Und entzückte Cherubinen fügen sich zu ihrer Meng. Meine Augen werden da den König in seiner Schönheit sehen, und o! wie entzückend werden seine Liebes-Blicke seyn? Was für unaussprechliche Entzückungen werde ich empfinden, wenn mir die Gnaden-Bezeigungen angedeyhen, welche den Himmel erleuchten, und alle die himmlische Gegenden in Freude setzen? wenn ich die selige Herrlichkeit ohne eine dazwischen kommende Wolke in Ewigkeit schauen werde? wenn ich an der Quelle der Freuden die Fülle trinken, und mich an denen Ströhmen des Vergnügens, so immerdar von seiner rechten Hand fliessen, ewig ergötzen werde.

XXII. Eine andachtsvolle Uebergabe seiner selbst an die göttliche Macht und Güte.

Mein allgenugsamer Freund, mein Schild und mein sehr grosser Lohn! ich habe genug, ein unumschränkter Geitz kan nichts über dich begehren; die Seele, welcher du nicht genügest, verdienet ewig arm zu seyn. Du bist meine höchste Glückseligkeit, meine freywillige Auswahl: ich nahm deine Liebe allein zu meinem Schatz an dem glückseligen Tag, da ich mich in einen Bund mit dir eingelassen, und dein geworden bin: ich habe mir von dir nicht ausbedungen die Freundschaft, Ehre, und Lust der Welt, sondern ihnen allen feyerlich abgesagt, deine
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Gunst für mein einziges Erbtheil erwählet, und die Leitung meines Lebens dir gänzlich überlassen. Dies war mein Gelübde, und dieses habe ich öfters erneuert; und soll ich nun solche heilige Verbindungen zurück ziehen, und eine so billige und vernünftige Wahl ändern? das sey ferne, o gnädiger Gott! laß mich nimmer so unsinnig handeln: die Welt hat mich oftmals in meiner grösten Hofnung betrogen, aber du niemalen. In allem meinem Elendfande ich dich als eine sichere Zuflucht, mein Schild, meine Festung, meine hohe Burg, mein Erretter, mein Fels, und derjenige, auf den ich traue. Wenn niemand war, der mich erlöste, hat mich deine mächtige Hand befreyet; du hast mir meine Beschwerden abgenommen, und meine Furcht zerstreuet; du hast mir aus der Dunkelheit Licht gebracht, und meine Finsterniß in Tag verwandelt. Wenn mir die Welt nichts als Unruhe und Ungestümme verschaffen konte, habe ich stille und ungestörte Ruhe bey dir gefunden. Du bist meine durch lange Erfahrung bewährte Zuflucht, meine unfehlbare Zuversicht, und ich überlasse dir mit festem Vertrauen meine künftige Führung. Ich kan nicht irre gehen, wenn ich von der unendlichen Weisheitgeleitet werde; ich muß sicher seyn in den Armen der ewigen Liebe, welcher ich mich demüthigst übergebe. Laßt mich Reichthum oder Armuth, Ehre oder Spott haben; ich werde alles dankbar annehmen, was nur immer von deiner Hand kommt. Ich mag keine Stimme hören, als die deine, und will keinen Schritt thun, als nur dir zu folgen. Wenn du für mich selbst wählen liesest, überlies
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ich dir die Wahl wieder, ich fürchte nichts mehr, als von meinen eigenen blinden Begierden geführet zu werden; ich erzittere, wenn ich nur an eine solche unglückselige Freyheit gedenke: verhüte, o gnädiger Gott, diese elende Freyheit. Du siehest alle Begebenheiten vorher, und durchschauest mit einem einzigen Blick ewige Folgen; bestimme du demnach alle meine Umstände, und ordne sie nicht zum Behuf meiner unbändigen Begierden, sondern zur Beförderung deiner Ehre. Du hast ein unläugbares Recht, nach Belieben mit mir zu schalten und zu walten; ich bin dein durch nothwendige Bänder und freywillige Verbindungen, welche ich mit Dankbarkeit erkenne und feyerlich erneue; ich übergebe mich vorsetzlich und gänzlich in deine Hände: was ich nur in der Welt habe, das opfere ich dir auf, und überlaß deiner Verfügung meine liebste Ergötzlichkeiten, und erkenne deine Leitung für meine gröste Glückseligkeit. Herr, was ist der Mensch, daß du sein gedenkest? daß du, der du höchst selig, und unabhänglich glückselig bist, dich um die Dinge der Menschen bekümmerst, und für unsern Mangel dergestalt zu sorgen geruhest, als wenn das Elend der Sterblichen dich berühren, und deine unvergängliche Seligkeit unterbrechen könte. Du woltest uns deine Huld unter den zärtlichsten Gleichnissen zu verstehen geben: die gütige Sorgfalt eines Vaters schildert die deinige nur einiger massen ab, und alles, was wir von menschlichenMitleiden fassen können, kommt deiner Barmherzigkeit nicht bey. Du scheinest an unsern Trübsalen Antheil zu nehmen, und in aller unserer Trau
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rigkeit dich mit uns zu betrüben. Kein Freund erweiset sich halb so eilfertig uns zu helfen, als die Liebe dich machet, noch kan es dir jemals an Wegen und Mittel fehlen, diejenige zu erleichtern, so auf dich vertrauen. Deine Fürsehung findet oder macht sich einen Weg durch allen Widerstand: die Flüsse werden eher zu ihrer Quelle zurück kehren, die Sonne stille stehen, und der Lauf der Natur eher umgekehret werden, als dir Mittel fehlen, deinen Vorsatz zu vollführen. Keine Hinderniß hemmet deine Absichten, oder hintertreibet sie. Dein Wille ist es, so Natur und Nothwendigkeit machet: Wer kan deine Hand zurück halten, oder zu dir sagen, was thust du? dein Anschlag wird bestehen, und du wirst alles, was dir beliebet, verrichten. Nichts ist dir zu erfüllen unmöglich; wo ich meine Augen nur hinwende, sehe ich Proben deiner Macht: die ausgedehnte Veste des Himmels, die Sonne und Sterne sagen mir, was du zu thun vermagst; sie bezeugen deine Allmacht, und bestrafen meinen Unglauben. Die ganze Schöpfung redet für dich, und verdammet mich wegen meiner Untreue. Allgewaltiger Gott! verzeihe mir mein Mißtrauen, indem ich bekenne, daß es höchst unverantwortlich ist. Deine Hand ist nicht verkürzet, noch die Quellen deiner Güte verstopfet; deine ehemaligeWunder haben deine Stärke nicht erschöpfet, noch hat beständige Gutthätigkeit dich arm gemacht; deine Macht bleibet unvermindert, und deine Barmherzigkeit währet ewiglich. Diese prächtige Eigenschaft umgibt mich mit entzückender Herrlichkeit: Wo ich mich nur hinwende, werde ich auf das klärste überzeu
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get: ich kan mich nicht eines Tages von meinem verstrichenen Leben besinnen, der nicht merkliche Zeichen deiner Güte getragen.
Ach wer hat wohl deine Huld mehr, o Herr, als ich genossen?
Wem ist sie in grösserm Maas, oder öfter zugeflossen?
Wo ich meinen Fus nur setze, und wohin mein Aug nur sieht,
Seh ich immer sich vereinen deine Herrlichkeit und Güt. In allem, was du mir verliehen, oder versaget hast, hat deine Gütigkeit gewaltet; du hast nicht mit mir gehandelt nach meinen Thorheiten, noch meine Sünden mit Strenge geahndet; sondern bist eingedenk gewesen, was für ein Gemächte ich bin, und bist mir mit der grösten Huld begegnet. Preiß und Ehre sey deinem Namen ewiglich!

XXIII. Erlösende Liebe.

Allmächtige Liebe, die du der Inhalt aller himmlischen Gesänge! Unendliche Gnade, du Wunder der Engel! verzeihe, daß eine sterbliche Zunge dich zu preisen sich unterfänget; und doch, so der Mensch schwiege, würde die stumme Schöpfung eine Stimme bekommen, um ihn zu bestrafen. Aber ach! in was für einer Sprache soll ich reden? Mit was fnr<für> einem Umstand soll ich den Anfang machen? Soll ich in den Büchern der Ewigkeit zu
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rück schlagen, und anfangen mit dem preiswürdigen Vorsatz, welcher die Erlösung des Menschen bestimmet, ehe noch die Geburt der Zeit, und die Gränzen der Schöpfung fest gesetzet waren.
Unzählbare Jahre her, eh die Tage angegangen,
Oder eh die Himmel noch ihren Umlauf angefangen. Soll ich überhaupt von allen den Völkern der Erlösten sprechen? Oder soll ich, um meine Dankbarkeit zu erwecken mich, mich nichtswürdige Creatur selbst, betrachten, als von einem ewigen Rathschluß, in die Anzahl dererjenigen eingeschlossen, welche den Namen eines Erlösers hören, und solches unermeßlichen Vorrechts theilhaftig werden solten? Ehe der Grund der Hügel geleget worden, war der gnädige Entschluß gefaßt, und der selige Entwurf gemacht, ehe der Himmel ausgebreitet wurde. Herr! was ist der Mensch? was bin ich? was ist das ganze menschliche Geschlecht, daß es so angesehen wird? O enge Gedanken, und noch engere Worte! Hier bekennet eure Mängel; dieses sind Tiefen, so ihr nicht erreichen könnet. Verehrenswürdige Anschläge der unendlichen Huld! Unerforschlicher Reichthum der Gnade! Mit was für Erstaunen betrachte ich euch! Ich werde verschlungen, und verliere mich in der herrlichen Unermeßlichkeit. Wohlan, alle ihr göttlichen Geheimnisse, ihr preiswürdigen Wege der unerforschlichen Gottheit! laßt mich euch anbeten, ob ich euch schon nie ausdrücken kan. Jedoch, wann ich schwiege, so würden Himmel und Erde, ja die Hölle selbst mich bestrafen: die Ver
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dammten selber würden mich undankbar nennen, wann ich ermangelte, die Gnade Gottes zu preisen, deren Verlust sie immerhin beweinen; ein Verlust, der sie ewig verzweiflend und verlohren läßt. Diese Gnade ist es, so die Harfen des Himmels stimmet, und ihnen unendlichen Stoff gibt zur Harmonie und Lobpreisung. Die Geister der vollendeten Gerechten bleiben hier mit ihren Betrachtungen stehen; sie verehren das herrliche Geheimniß, und, indem sie die Wunder der erlösenden Liebe besingen, schreiben sie dem hohe und lebendige Ehre zu, der auf dem Throne sitzet, und dem Lamme ewiglich. Und unendlich würdig bist du, o Herr! das Opfer der Dankbarkeit zu empfangen: Wer soll nicht deinen Namen preisen und verherrlichen? wer solte dir die gebührende Ehre abschlagen? Aber ach! was kan dir ein sterblicher Mensch bringen? Was kan dir das Nichts und die Eitelkeit geben? Wir murmeln aus dem Staube, und suchen dich zu preisen aus den Tiefen des Elends; doch geruhest du gnädig, unsern gebrochenen Ton anzuhören, und zu bemerken; mitten unter denen Hallelujah der Engel steigen unsere Seufzer zu dir auf, und unsere Klagen kommen vor dich: von der Höhe deiner Glückseligkeit, und Erhabenheit deiner ewigen Herrlichkeit, siehest du auf den Menschen, den armen und elenden Menschen! Du nimmst sein Opfer mit Vergnügen an; seine Lobpreisung vermenget sich mit der Harmonie der Engel, und unterbricht die heilige Einstimmigkeit nicht. Diese Abkömmlinge des Himmels, diese Morgensterne singen miteinander in ihrer himmlischen Seligkeit, und lassen sich nicht zu wider seyn, wann die Kinder der Erden, und Sterblichkeit mit
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ihnen, JEsu, ihrem und unserm Herrn, lobsingen: Ihm seyn alle Zungen geheiliget, und alle Geschöpfe preisen ihn immer und ewiglich. Amen.

XXIV. Flehen um Vergebung und Heiligkeit.

Ewiger Brunn des Lebens, du Quelle alles Wesens, der Erste und der Letzte, ohne Anfang der Tage und Ende der Jahre, ehe die Himmel geschaffen worden, warest du, und wirst unverändert bleiben, wenn sie veralten und abnehmen. Du bist unendlich selig in dir selbst, deine Herrlichkeit gestattet keinen Zusatz; das Lob der Engel kan deine Glückseligkeit nicht vermehren, noch die Lästerung der Hölle sie vermindern. Du kanst alles thun, und deine Macht findet keine Hinderniß. Du schufest Himmel und Erde, das Meer, und die Quellen des Wassers, du thust nach deinem Willen unter den Heerscharen des Himmels, und den Einwohnern der Erde; du hältst die Wasser in der Fläche deiner Hand, und missest die Himmel mit einer Spanne: du fassest den Staub der Erde in ein Maaß, und wägest die Berge und Hügel in einer Waagschale: du umhüllest dich mit Licht als einem Kleid, und bist umgeben mit unzugänglichem Glanz: Du bist herrlich in Heiligkeit, und schrecklich in Preis; die Himmel sind nicht rein vor dir, und an denen Engeln selbsten findest du Thorheit: Was ist demnach der Mensch, der Ungerechtigkeit wie Wasser trinket? Was ist der Mensch, daß du sein ge-
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denkest; oder ein Sohn des Menschen, daß du ihn so heimsuchest? Das ist allein die Ursach, weil du gut bist, und deine Gnade ewig währet; Barmherzigkeit ist deine herrschende Eigenschaft. Du bist mitleidig, und unendlich gnädig, und hast deine Liebe und Güte dem menschlichen Geschlechte in der herrlichen Weise unserer Erlösung, von ewiger Knechtschaft und Tod, durch deinen Sohn JEsus offenbaret. Derohalben will ich mich mit der tiefsten Ehrerbietigkeit und demüthigsten Dankbarkeit vor dir niederwerfen, immassen ich es für meine gröste Ehre und unverdientes Vorrecht halte, zu dem Herrn zu nahen, und mich vor dem erhabenen Gott zu beugen; ich, so unwürdig bin, deinen schrecklichen Namen auszusprechen, oder meine Augen einmal gen Himmel aufzuheben. Zu meiner eigenen Beschämung bekenne ich hier, daß ich die Gnade, welche ich nun anflehe, mißbrauchet, und die Güte und Langmuth, zu welcher ich mich nun richte, durch meine Sünden beleidiget habe. Ich habe die Güter verscherzet, warum ich nun bitte, worauf ich mich berufen muß: ich kan kaum einen Beweggrund brauchen, der nicht zu meiner eigenen Verdammung gereichet. Soll ich deine Barmherzigkeit bey den gnädigen Bedingungen des neuen Bundes, so mit dem Blute deines ewigen Sohnes versiegelt, anflehen? ach leider! den Gnaden-vollen Bund habe ich gebrochen, und seine heilige Regel verunehret: ich habe wider das helleste Licht und die zärtlichste Proben der Liebe gesündiget: ich habe nicht nur meine Verpflichtung gegen dich, als meinen Schöpfer, gebrochen, sondern auch die noch stärkere
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Verbindung gegen dich, als meinen Vater, nemlich das herrliche Vorrecht, in dein Geschlecht aufgenommen, und unter die Kinder Gottes gezehlet zu werden. Aber eben diese Umstände, die meine Schuld vergrössern, erhöhen deine Barmherzigkeit; hier wird sich deine Gnade in ihrer Freyheit und Herrlichkeit zeigen; hier wirst du dem huldreichen Namen eines Vaters, und was er nur zärtliches in sich faßt, ein Genügen thun; ich habe keine Sünden, welche einer unendlichen Gnade zu groß zu vergeben. Du bist Gott, und nicht ein Mensch; und so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch sind die Wege deiner Barmherzigkeit über alle menschliche Weisen. Ich darf deine Güte nicht einschränken, noch sagen, so weit, und nicht weiter erstreckt sich deine Gedult. Du hast mir zu oft Vergebung und deine Gunst wieder angedeyhen lassen, als daß ich nun verzagen solte: meine bußfertige Seufzer sind nie verschmähet worden, noch meine demüthige Bitte unerhört geblieben. Ich habe den Himmel allezeit offen, und den Thron Gottes durch das Blut des Erlösers zugänglich gefunden. Um seines Kampfes und blutigen Schweises, um seines Creutzes und Leidens, um seines schmerzhaften Todes und seiner herrlichen Auferstehung willen erflehe ich deine Vergebung: er hat eine völlige Versöhnung zuwege gebracht, und die göttliche Gerechtigkeit wird keine weitere Genugthuung fordern. Von ihm zeugen alle Propheten, daß ein jeder, so an seinen Namen glaubt, durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfahen wird.
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O hochgelobter Jesu! die Hofnung der Heyden, das Heyl der Enden der Erde; der grosse Meßias, der verheissene Heyland, der du diese herrliche Namen in ihrer äussersten Bedeutung erfüllest; zu dir, meiner sichern, meiner durch die Erfahrung bewährten Zuflucht, fliehe ich: o Sohn Gottes, erhöre mich; o Lamm Gottes, welches die Sünden der Welt wegnimmt, erbarme dich meiner. O ewiger Geist, du verheissener Tröster, komme mit alle deinem heiligen Trost! komm, und sey wie ein Thau den welken Blumen, und wie ein Regen der ausgedorrten Erde; ach! komme mit deinem belebenden Lichte, und vertreib die Finsterniß, so meine Seele verdunkelt: brich herein, wie die Sonne nach einer schwarzen Nacht; ein Strahl von dir würde dieses gefrorene und verhärtete Herz zerschmelzen, und in meiner Seele ein Feuer heiliger Liebeanzünden; blase meine kalte Begierden an, und mache sie zu einer geheiligten Flamme. O Herzenskündiger, vor welchem nichts verborgen, dessen durch dringende Augen die Heucheley in ihrer dunkelsten Larve entdecken; du weist das Verlangen meiner Seele, und bist mein unpartheyischer Zeuge, daß ich hier nicht bitte um Reichthum und Ehre der Welt; daß ich dich nicht um Länge der Tage oder Wollust anflehe; sondern daß ich das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suche. Laß mich mein Theil nicht mit den Reichen und Grossen haben, sondern gib mir mein geringes Loos mit deinen Kindern; laß mich Spott und Verachtung ertragen, und mit dem Volke Gottes lieber Schmach leiden, als die Lust der Sünde, welche nur zeitlich, geniessen.
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Deine Gunst ist das Ziel aller meiner Wünsche, der stete Inhalt meines Gebets. O! du, dessen Ohren denen Bedürfnissen aller deiner Geschöpfe offen stehen, der du die jungen Raben erhörest, wenn sie aus ihren Nestern zu dir schreyen, der du den Menschen der Welt die vergänglichen Dinge gibst, so sie wählen, willst du mir die Begierden versagen, welche du selber eingibst und gut heissest? ach! laß mich erfüllet werden mit der Gerechtigkeit, wornach ich hungere und durste, und kleide mich mit deinem Bilde. Es kan dir nichts abgehen, was für Vollkommenheiten du auch deinem Geschöpfe mittheilest; eine unendliche Freygebigkeit könte dich nicht arm machen. Ich verlange keine Vorrechte über die Fähigkeit meiner Natur, noch strebe ich nach den Vollkommenheiten der Engel; ich flehe nur, daß ich diejenige Höhe der Heiligkeit und göttlichen Liebe erreichen möge, welche Seelen, die mit einem sterblichen Leibe, wie der meinige, umkleidet, und mit eben den menschlichen Leidenschaften beschweret gewesen, erlanget haben. Aber ich bemühe mich vergebens die herrlichen Beyspielenachzuahmen, so du mir dargestellet hast, ohne deinen Beystand werden alle meine Bemühungen vergeblich seyn. Du weist, wie gebrechlich meine Natur, und wie groß die Schwierigkeiten, so ich zu bestreiten: ich habe nicht nur die Reitzungen der Welt zu bekriegen, sondern auch alle die List der Hölle, und ein betrügliches Herz in mir, so mich zur Sünde und ewigem Verderben zu verleiten sucht; ach laß meine Schwachheit und Gefahr dich zum Mitleiden bewegen. Gedenke an deine vorige Güte, o Herr! und laß solche dich vermögen, mir ein neues Maas der Gnade
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zu verleihen, durch welche allein ich siegen werde. Deine Mildthätigkeit gegen die Werke deiner Hände, muß allezeit aus der Güte deiner eigenen Naturherfliessen; denn welches Geschöpf kan mit Recht sagen, daß es etwas von dir verdiene? Ich verlaß mich auf nichts, als deine unendliche Barmherzigkeit, wenn ich dich bitte, daß du mich nicht verlohren gehen lässest, nachdem du so wunderbar an meiner Seele gethan; nach allen den Versicherungen, so du mir von deiner Liebe gegeben, laß meine Thorheiten dich nicht reitzen, mich zu verlassen; sondern gedenke an deinen Bund, und seine gnädige Bedingungen, und handle nach deiner unaussprechlichen Güte, welche der preiswürdige Beweggrund aller Gunst gewesen, so ich von dir empfangen habe.

XXV. Eine Dankbarkeits-volle Entzückung vor seligmachende Gnade.

Ich preise den Tag tausendmal glückselig, da der erste Strahl des himmlischen Lichts in meine Seele gebrochen, da der Aufgang aus der Höhe mich besuchet, und das himmlische Licht angefangen zu tagen. Ich bewillkommete seinen frohen Glanz, und fühlte den geheiligten Einfluß; die Flammen der heiligen Liebe entstunden, und heilige Freude wurde angezündet. Die Erde, und alle ihr Gepräng, verschwande wie Wolken vor der Sonne des Morgens: die Herrlichkeit des Paradieses eröfnete sich - -, seraphisches Vergnügen und unaussprechliche Wonne: seyd ge
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grüsset, schrie ich, ihr unbekannte Freuden, ihr in das Herz nie gekommene Ergötzungen! was ist alles, was ich bisher gekostet in Vergleichung eurer? was ist irdischeSchönheit und Harmonie? was ist alles, so Sterbliche erfreulich und reitzend nennen? ich lebte nie, bis jetzo: ich wußte bisher nicht mehr, als den Namen der Glückseligkeit: ich habe geträumet während den Tagen meiner Thorheit und Eitelkeit; nun aber erwache ich zu dem Leben der aus dem Himmel stammenden Geister, und koste die Freuden der Engel.

XXVI. Ungestümes Anhalten um die Wiederkehr Gottes zu der Seele.

Du grosses und herrliches, du unsichtbares und allgemeines Wesen, darf man nicht näher zu dir nahen? oder suche ich dich vergebens? Ist ein Winkel der Welt, den du nicht besuchest, oder irgend ein Plätz, wo du nicht zugegen? Ich gehe deinen Fußstapfen nach durch Himmel und Erde, aber ich kan dich nicht erreichen.
Ach, warum such ich dich immer, wo doch deine Stätt nicht ist?
Oder was find ich dich nirgends, da du aller Orten bist? Sage mir, o mein Gott und mein Alles, sage mir, wo du zu finden; denn da ist mein Ruheplatz. Was für ein ersinnliches Gut kan deine Abwesenheit ersetzen? Wenn ich deiner beraubet, so würde alles, was mir die Welt anbieten könte, wie ein Schertz- Spiel einem sterbenden Menschen seyn, und nur einen
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Abscheu und Widerwillen bey mir erregen. Es ist Gott, den ich suche:
Meine Wünsche schreiben sich, nicht von einem niedern Stamme;
Du, du selber hast entzündt diese ewge Liebes-Flamme;
Diese Flamm, die immer brennet, welche keine Zeit vertreibt,
Weil ihr Grund unendlich währet, und ihr Zunder ewig bleibt. Gute Nacht, gute Nacht, alle irdische Dinge! laßt mich meinen Gott, das Ziel aller meiner Wünsche finden: Warum hältst du das Angesicht deines Thrones zurück? Warum verbirgt dich eine Wolcke und heilige Finsterniß?
Deine Stimme bracht herfür Himmel, Erde und die Seeen,
Hieß Planeten Lichter seyn, und die Wellen sich erhöhen:
Aber in dem ganzen Umfang, und dem ausgedehnten Reich,
Deiner so verschiednen Werken ist doch nicht dir selber gleich. O du, der du schöner bist, als alle die Werke deiner Hände, wilt du dich immer für einer Creatur verbergen, welche dich mit so heftiger Begierde liebet und suchet? Ich frage dich, o Herr, ist mein sehnliches Seufzen nach dir nicht ganz herzlich und ungefärbt? Schmachtet meine Seele nicht nach dir mit einer Inbrunst, so nicht ausgelöschet, und mit einer Aufrichtigkeit, so nicht verstellet werden kan?
|| [0092.01]

Nach dir schmachtet meine Seele, und vergehet fast für Pein,
So wie matte Blumen schmachten nach dem holden Sonnenschein. Wie sehnet sich mein Geist nach dir! Keine Gleichnisse können die Heftigkeit meiner Begierden ausdrücken: Reichthum und Ehre, Freunde und Vergnügen verlieren ihre Namen, wann sie mit dir verglichen werden. Dir zu folgen, wolte ich sie alle dahinten lassen; ich wolte die ganze Schöpfung verlassen, und den Feldern und glänzenden Firmament gute Nacht geben. Laßt Himmel und Erde vergehen, dieweil du immer bleibest, fehlet es mir nicht an einer Stütze. Mein Wesen selbst, mit aller seiner Glückseligkeit, hanget gänzlich von dir ab. Setze mich ferne von den Gräntzen der ganzen Welt, weit weg von allem Wesen, als nur deinem eigenen nicht; laß mich in solcher unaussprechlichen Einsamkeit mich verlieren, laß mich da ewig herumgehen, laß mich unendliche Zirkel der Seligkeit durchlaufen; - - aber ach! ich schmeichle mir vergebens mit Fürstellungen einer Glückseligkeit, so nicht zu erreichen. Ich will dich demnach suchen, wo ich dich hoffe zu finden. Ich werfe meine Augen auf jene lichte Gegenden droben, und beneide fast die glückselige Wesen, so dein Angesicht unverhüllt schauen: ich suche dich in den Blumen-reichen Wiesen, und horche auf dich unter den rauschenden Quellen: alsdenn suche ich dich stille und abgezogen von menschlichen Dingen, in heiliger Betrachtung. Aber es ist alles vergebens: weder Felder, noch Fluthen, noch Wolken, noch Sterne entdecken dich.
|| [0093.01]
Ihr glückseligen Geister, die ihr seine Huld geniesset, und seine Stimme höret, weiset einen Traurigen, so in der Irre herumgehet, zurecht, da ich den suche, welchen meine Seele liebt, da ich seufze und wehklage, und meine schmachtende Augen auf jene glückselige Wohnungen werfe; ich möchte gern durch das Sternen-Zelt dringen, und durch das dazwischen stehende Firmament hinschauen: ach, daß du die Wolken theiletest, daß du die Himmel spaltetest, und mir einen Blick von deiner Herrlichkeit gäbest. Daß du mir deine Schönheit zeigtest, und mitten in dieser ergötzenden Eitelkeit, nur einen Augenblick himmlischer Seligkeit gönnetest!
Nur ein Ton von deiner Stimme, nur ein Gnadenblick von dir,
Gehet ungemeßnen Zeiten fleischlichen Vergnügens für.
Würde mir das weite Meer samt der Erde angetragen,
Dächt ich sie für eine Stund bey dir, in den Wind zu schlagen. Wann die Dinge gehörig erwogen, und richtig beurtheilet würden, so wolte ich sagen, daß die ganze Welt ein viel zu geringer Preis nur für einen Augenblick dieses Vergnügens wäre: wie freudig wolte ich alles für eine solche Seligkeit dahin geben. Gute Nacht, ihr menschlichen Dinge; laßt mich meinen Gott, das Ziel aller meiner Wünsche finden: er ist es, den ich suche, er allein kan meine unendliche Begierden begnügen. Ach! warum entweichst du? warum verbirgst du dich so lang? warum ziehest du dich zu
|| [0094.01]
rück? Weder Erde noch Himmel geben eine Antwort auf meinen wiederholten Zuruf. Laß mich dich anrufen bey allen deinen gnädigen Namen, mein Gott, und meiner Väter Gott: von einem Geschlecht zum andern bist du unsere Zuflucht gewesen; das Recht ist von einem Zeitlauf auf den andern gekommen: du hast deinen Bund mit uns errichtet, und deine Treue bleibet unbefleckt. Ach vergiß nicht deinen Bund, vergiß nicht den wie ein Erbgut auf mich gebrachten Segen; vergiß nicht das Gebet und die Thränen, mit welchen meine gottselige Vorfahren deine Gnade mir zugezogen; vergiß nicht ihre Gelübde, da sie mich dir feyerlich gewidmet? ach gedencke an deine ehemalige Gunst, und erneuere deine vorige Güte einem Geschlechte, welches viele Zeitläufte hindurch dein gewesen. Laß mich dich nun mit einer nähern Zueignung anreden: mein Bundes-Gott, mein Vater und mein Freund! wann ich dich jemals unter allen diesen zärtlichen Benennungen erkannt habe, so vergiß mein nicht. Bey diesen heiligen Verbindungen, o Herr, flehe ich um deine Wiederkunft. Wann alle deine vormalige Gunst-Bezeugungen wirklich, wann alles eine wahrhafte Glückseligkeit, und nicht ein süsses Blendwerk gewesen, ach, so schenke mir meinen Himmel wieder. Leben meiner Seele, Licht meiner Augen, kehre wieder; komm, und bringe alle deinen heiligen Trost; laß mich noch einmal die heilige Freude erfahren, welche deine Gegenwart verleihet; laß mich noch einmal deine Stimme hören, und noch einmal die Glückseligkeit deiner Huld geniessen.
|| [0095.01]

Erschein mit deinem Licht, wornach meine Auge schmacht,
Komm bald, sonst sincke ich in eine ewge Nacht. Hochgelobter Heyland! in dir sehen wir das Angesicht Gottes, als eines versöhnten Vaters; und entziehest du dich? o wie angenehm wird deine Wiederkunft seyn? deine Gegenwart wird mich wie der Anbruch des ewigen Tages erfreuen? wie theuer werde ich meine Glückseligkeit schätzen? wie besorgt werde ich seyn in allem, was dich beleidigen möchte? wie frölich in der seligen Entdeckung und Besitzung deiner Liebe? Ich wolte meine Glückseligkeit denen zuhörenden Flüssen und Wäldern erzehlen:
Ich schnitt unsre Lieb und Leiden überall den Rinden ein,
Und ein jeder Baum verwundet solte deren Zeuge seyn;
Solte Tropfen wie von Blut, und ein geistlich Merkmahl tragen,
Daß mein Jesus für mich starb, und den Tod ans Creutz geschlagen.
Alle Hirten auf den Feldern, werden voll Verwundrung stehn,
Wann sie Gruften eingegraben, Höhlen eingeschrieben sehn,
Daß der Himmel selbst geblutt, daß er selber wollen sterben,
Nur um eines Sterblichen Herz und Liebe zu erwerben. Warum aber schmeichle ich mir mit diesen angenehmen Vorstellungen? ich finde dich immer abwe
|| [0096.01]
send: ich traure und klage wie jemand, so kein Mitleiden findet: Was ist das Leben, wann du weg bist? o kehre wieder, und gönne mir deine Gegenwart, der du meine Noth siehest, und meine geheime Sorgen weist. Du, der du ein Zeuge von meinen mitternächtlichen Seufzern, und anhörest, wann ich mit dem Anbruch des Tages zu dir rufe; doch gibst du mir nie keine Antwort, und scheinest taub zu seyn gegen mein Gebet. Es ist wahr, ich bin eine nichtswürdige Creatur; aber so gering ich bin, so hast du aus unermeßlicher Barmherzigkeit mich in deinen Bund aufgenommen: Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.
Er ist dennoch meine Sonne, hält er schon sein Licht zurück,
Scheint er schon sich zu entfernen einen kleinen Augenblick.
Ewig, sagt mein Glaube mir, werd ich ihm am Herzen liegen,
Und hingegen ist auch er, ewig meiner Brust Vergnügen. Nichts kan die heilige Vereinigung auflösen; hätte ich dies Vertrauen nicht, so wäre ich hin; hätte ich diesen Strahl der Hofnung nicht, so wäre ich verlohren in ewiger Finsterniß. Warum bist du unruhig, o meine Seele, und warum bist du niedergeschlagen in mir? Hoffe auf GOtt, dann ich werde ihn noch preisen für das Licht seines Angesichts. Ich werde seine Wiederkunft noch bewillkommen, ich werde seine ergötzende Stimme noch hören, und seine Gnadenblicke und Huld geniessen.
|| [0097.01]
Aber warum, o mein GOtt, währet diese Ungewißheit so lange? warum wird mein Herz von einer so langen Nacht und Finsterniß gequälet? Wilt du mir eine Gnade und Glückseligkeit versagen, die so leicht zu geben? ich begehre nicht mehr, als einem Sterblichen zu wünschen erlaubet ist: ich verlange nicht das Schöne der Engel hierunten; noch die Seligkeit der vollendeten Geister; ich begehre nur, was du mir hast heissen suchen, und zu erlangen mir Hofnung gemacht: ich fordere nicht die heilige Gemeinschaft, die unaussprechliche Vereinigung, womit du deine Heiligen begnadigest. Ach laß mich die himmlischen Worte hören, welche ihnen den Vorschmack unsterblichen Vergnügens geben: Laß mich die göttliche Besuchungen empfinden, welche himmlische Brunst in der Seele entzünden. Sende mir Strahlen zu, die alle sterbliche Schönheit verdunkeln: Laß mich bey dieser irdischen Entfernung die Gnaden-Bezeugungen geniessen, so die Seligkeit der Engel im Himmel ausmachen. Ob es gleich dunkel, und von ferne ist, so laß mich doch ihren Einfluß fühlen; solches wird das Leben erheitern, es wird mich durch seine Labyrinthe führen, und die rauhen und finstern Wege hell machen. Es wird die Flammen heiliger Liebe erregen, es wird den göttlichen Grund in mir erwecken, und alle meine Kräfte damit erhitzen. Ich werde die Eitelkeiten hierunten verlassen, und vergessen, und die Herrlichkeit der Welt wird vergehen. Aber so lang du, o mein GOtt, dein Antlitz verbirgst, verliere ich meine Sonne, ich verschmachte und sterbe; doch will ich zu dir meine Augen aufheben, zu dir schwinget sich meine Seele auf.
|| [0098.01]

HErr komme doch, und weich nicht mehr von mir,
Die Welt ist eine finstre Stätte:
Was fünde ich für Lust und Freude hier,
Wann sich dein Licht entzogen hätte?

XXVII. Seufzen nach GOtt und Ueberdrüßig keit der Welt.


Es ist keine niedre Schönheit, die mein Aug und Herz begehrt,
Meine Wunde ist viel edler: was ich lieb, ist nicht auf Erd. Wann Worte die Höhe der Liebe und Dankbarkeit erreichen können, so laß mich die geheime Inbrunst meiner Seele ausschütten; ach laß es deiner Grösse nicht zuwider seyn, wann Staub und Eitelkeit dich verehret und liebet. Hättest du mir andere Fähigkeiten gegeben, und etwas meinen Wünschen gemässeres geschaffen, so hätte ich etwan eine niedrigere Glückseligkeit gefunden, und wäre mit etwas, so geringer als die unendliche GOttheit, zufrieden gewesen; aber die dürftige Schöpfung hat nichts, mich zu begnügen, und ich folge dir aus einem göttlichen Triebe, und einer blossen Nothwendigkeit der Natur. Mein Leben ist unnütz, und mein Wesen bedeutet nichts ohne dich: meine Vernunft hat keine gehörige Beschäftigung; Liebe, die edelste Leidenschaft meiner Seele, hat keinen ihrer Würde geziemenden Gegenstand. Ich werde in die äusserste Armuth gesetzet; meine Natur gehet gänzlich zu Grunde, ich bin hin, ewig hin, verlohren, der Verzweiflung übergeben,
|| [0099.01]
wann ich deiner beraubet bin. Ein unendlicher Verlust ist unersetzlich: nichts kan meiner Seele an GOttes statt seyn. Ich habe willig allen andern Dingen um deinetwillen abgesaget: alle Triebe der Zärtlichkeit und Lust, so meine Seele je gegen einen irdischen Vorwurf empfindet, ist mir ganz gleichgültig, wann ich sie mit meiner Liebe zu dir vergleiche; und sie verwandelt sich in Haß, wenn solcher Gegenstand eine gleiche Anforderung mit dir macht. Dieses ist die obsiegende und herrschende Flamme, welche alle andere Neigungen meiner Natur verschlinget. Meine Verbindungen mit allen irdischen Dingen sind getrennet; die Namen, Vater, Bruder, oder Freund, wollen nichts mehr sagen: ausser dir geben mir diese zeitliche Benennungen weder Zutrauen noch Freude, und bedeuten nichts, als nur in so fern du ihnen einen Nachdruck gibst; sie sind ganz und gar nichts ohne dich; und mit dir, was kan für ein unendliches Gut beygefüget werden?
Unser Geist kan nicht mehr fassen, und die Seele hält nicht mehr:
Dann ist GOtt der HErr nicht alles? und wer ist so groß als er?
Er alleine ist im Stand, unsre weite Kraft zu stillen,
Und nur er allein vermag unermeßnen Raum zu füllen. Du bist mein GOtt, und ich habe genug; meine Seele ist vergnüget. Ich ruhe vollkömmlich. Theile die eitlen und vergänglichen Dinge unter die elenden Tröpfe, so kein ander Theil begehren; laß sie unbe
|| [0100.01]
neidet die Ehre, und Reichthum, und Lust der Welt besitzen; theile sie in reichem Maas aus: alles dieses ist nur wie der Staub in der Waage einer glückseligen Seele, welche weiß, was an dem Lichte deines Angesichtes ist. Nach solchem kan man unmöglich einen Geschmack mehr haben an den schlechten Ergötzungen der Sterblichkeit.
Wann mir deine hohe Gnade, deine Liebe angedeyht,
Welcher Mensch kan mich bewegen, daß ich wohl sein Glück beneid? Ihr unaussprechliche Vergnügungen göttlicher Liebe, laßt mich keine andere Lust mehr haben, als an euch. Mein GOtt, der seine Herrlichkeit und Gnade in JEsus Christus, seinem Sohne, offenbahret, ist gnugsam zu meiner ewigen Ergötzung. Was wäre es, wann alle vorige Denk-Bilder von sichtbaren Dingen aus meiner Seele ausgelöschet würden? Was wäre es, wann ich keine Einbildungs- Kraft, kein Gedächtniß, kein Merkmahl von etwas mehr übrig hätte, als der Freude so ich in deiner Gegenwart, und der Versicherung deiner ewigen Gunst, gefunden? Nur dieses sind die verstrichenen Augenblicke, woran ich mit Vergnügen gedenke, und ach, laß die weite Ewigkeit, so vor mir, in dieser Wonne zugebracht werden! Verschwindet, ihr irdischen Dinge! fliehet dahin ihr eitelen Vorwürfe der Sinnen! ich sage ab allen diesen armseligen eingeschränkten Kräften, womit ihr genossen werdet; laßt mich gegen alle euere Eindrücke unempfindlich seyn, wofern sie mich nicht zu meinem GOtt führen. Laßt alles sich wieder in ein Chaos
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verwandeln, und das schöne Angesicht der Natur völlig seine Gestalt verlieren: Laßt ihre glänzende Schönheiten alle verschwinden, und die göttlichen Merkmahle, so sie trägt, ausgelöschet werden, ich werde dennoch glückselig seyn; der GOtt der Natur, und das Urbild aller Schönheit ist mein GOtt. Wann gleich die Sonne am Himmel erlöschte, und alle himmlische Lichter mit ihren güldenen Flammen ausgiengen, so werde ich doch hellen und ewigen Tag haben, dann, mein GOtt wird ewiglich bey mir seyn. Wann die Wälder nicht mehr grünen, noch die Felder und Thäler mit ihrem blühenden Schmucke prangen werden; wann alle diese untere Himmel, und diese Erde in den allgemeinen Untergang hingerissen worden, und die körperliche Bilder von Dingen verschwunden; so werde ich neue Gegenden der Schönheit, und des Vergnügens in dem göttlichen Wesen, mit allen ihren ursprünglichen Herrlichkeiten sich eröfnen sehen. Aber, o wie mannigfaltig, wie unumschränkt, wie entzückend wird die Aussicht seyn? Ach! wann werde ich Schein und Blendwerk gute Nacht geben, und mit ewiger Wesenheit zu thun haben? Wann werde ich aus der Urquelle wesentlichen Lebens und wahrer Seligkeit trinken?
Und o, was wird dann geschehen? aber frage Menschen nicht:
Dann kein Engel kan es sagen: da es hier an Wort gebricht.
Gnug! o meine Seel, du selbst wirst vollkommne Freud empfinden,
Und sie ewig unerschöpft, ewig unverändert finden.
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Ach! zerbrich meine Fesseln, dann ich muß fort. - - Führe meine Seele aus dem Kerker; ich bin beklemmt; die ganze Schöpfung ist zu enge für mich; ich werde krank in dieser Gefangenschaft, und seufze, und schmachte nach der Freyheit. Wie süß sind die Gedanken von einer Versetzung in das Geraume? Meine Seele ist bereits auf den Flügeln, und fliehet bereits in ihrer Einbildung: mich deucht, ich erreiche den Himmel der Himmel, wo Gott selber wohnet. Es ist gut, hier zu seyn. - -
Aber ach! wie bald entsteht ein Gewölk von düstren Sinnen,
Und wie bald pflegt diß Gesicht, das so lieblich, zu zerrinnen? Ach! was thue ich hier, in dieser öden und fürchterlichen Wüste? dieser betrübten Gegend, wo unser Vergnügen verschwindet, und selbst der Glast künftiger Glückseligkeit, den wir geniessen, so geschwind verdunkelt, und mit wirklichem Schrecken umgeben wird? Ach, was thue ich hier, indem ich den Athem, der mir den unendlichen Schöpfer zu loben und zu preisen gegeben worden, mit steten Seufzern und unaufhörlichen Klagen verzehre? Ach, was thue ich hier, unter Fremden und Feinden, in diesem wilden unbewohnlichen Orte, ferne von meiner Heimath, und allen den Vorwürfen eines gründlichen Vergnügens?
Meine Wünsche und Gedanken, meine Lust und Herz und Sinn,
Meine Lieb und edlen Triebe gehn nur nach dem Himmel hin. Was thue ich hier in der Herrschaft des Todes und der Sünde, in dem Gebiet und Bezirk der Macht
|| [0103.01]
der Finsterniß? Hier spreiten sie ihre Netze, und legen ihre tödtlichen Stricke; aber, o Herr! was haben sie an mir zu fordern? Ich habe den Mächten der Finsterniß, in deiner Kraft, Trotz geboten, und meinen Antheil an den Eitelkeiten der Welt, aufgegeben, ich bin ein Unterthan von einem andern Reiche, und darf mich in keine Friedens- und Freundschafts-Bedingungen einlassen, mit den unversöhnlichen Feinden Gottes und meiner Seele, welche diese verrätherische und sündliche Gegenden bewohnen. Die Freundschaft dieser Welt, ist eine Feindschaft mit Gott. Tod und Verderben sind bey ihren freundlichen Blicken; ich stehe auf meiner Hut, und schwebe alle Augenblick in Gefahr überfallen zu werden: Ach! wann wird meine Erlösung von obenher kommen?
Wann, ach! wann, o meine Seele, füget es des Himmels Schluß,
Daß das Fleisch, so dich beschweret, daß dein Kerker fallen muß?
Was für eine selge Stund wird dich in die Freyheit bringen,
Und wann kanst du dich erwünscht in die Welt der Geister schwingen? Was für eine ausnehmende Herrlichkeit wird sich zeigen, wann diese sterbliche Scheidewand fällt, wann diese Mauren von Thon wanken und in Staub sinken? O ihr Wasser des Lebens, ihr Ströhme unendlichen Vergnügens! wie heftig werdet ihr auf mich zufliessen, und alle Kräfte meiner Natur, so einer Freude fähig, erfüllen? Ein jedes Vermögen wird sodann voll werden, und ein jeder Wunsch sich in einen
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unaussprechlichen Genuß endigen. Wann ich erwache zum unsterblichen Licht, werde ich satt werden, nach deinem Bilde. Diese Begierden, so nicht auszudrücken, werden in ewige Entzückungen ausgehen: Hofnung nebst schmachtenden Harren, wird aufhören; aber gegenwärtige, vollkommene, und unumschränkte Wonne wird mich umgeben. Mein Gott, mein Gott selbst wird meine unendliche, meine unaussprechliche Freude seyn: Alle Zugänge zu dem Vergnügen werden mir offen stehen, samt allem, was schön und ergötzend ist. Immerwährend Freude wird über meinem Haupte schweben, und Kummer und Seufzen ewiglich fliehen. Traurigkeit wird keine Statt mehr finden, noch auch Sünde; Sünde, das unerträgliche Uebel, die schlimmste und schwereste Last: Diese ist es, was mich so schmerzlich, und bis in den Tod drucket: dieses hänget als ein Gewicht an aller meiner Freude: aber meinem Gott sey Dank, ich kan sagen, ich hasse und verabscheue aufrichtig diese ärgste Sclaverey, diese fluchvolle Knechtschaft des Verderbens; mich verlangt nach der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes; ich seufze unter dieser Last der Sünde, dieser Bürde des Fleisches, diesem Leibe des Todes. Aber verleihe, o Herr, daß ich mit Gedult in Gutesthun beharren, und zuletzt Ehre und Unsterblichkeit durch meines Erlösers Gerechtigkeit erlangen möge. Heilige mich durch dein Wort der Wahrheit, gedenke an diese Bitte meines hochgelobten Fürsprechers.
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XXVIII. Ein Gebet um schleunige Heiligung.

OHerr! Gott, groß und heilig, allgenugsam und voll Gnade, wann du mir einen Wunsch thun, und, was ich nur im Himmel oder auf Erden verlangte, wählen hiessest, so würden es nicht die Reiche dieser Welt, noch die Kronen der Könige seyn: nein! auch würden es nicht die Kränze der Märtyrer, noch die Thronen der Erz-Engel seyn: Meine erste Bitte ist, geheiliget zu werden; dieses ist mein höchstes Anliegen. Hebe die Unordnung, welche die Sünde in meine Seele gebracht, und erneuere dein Bild darinnen. Laß mich satt werden nach deinem Gleichniß. Du hast in allen andern meine Wege mit deiner Barmherzigkeit umgeben, und ich bin mit nichts, als meinem eigenen Herzen unzufrieden, weil es dem Bilde deiner Heiligkeit so ungleich, und in deine unmittelbare Gegenwart so untüchtig ist. Laß mich hier ungestüm seyn, o hochgelobter Gott! und gestatte mir meine flehentlichen Wünsche; laß mir eine gnädige und schleunige Antwort werden, dann ich sterbe, dieweil ich rede: selbst der Athem, womit ich dich anflehe, nimmt ein Theil meines Lebens hinweg: diese Zunge, welche dich nun anrufet, muß in kurzem im Grabe stille schweigen: diese Knie, welche sich nun beugen, dich zu verehren, und diese Hände, welche nun aufgehaben<aufgehoben> zu dem Allerhöchsten, um Gnade, müssen in kurzem, durch die Verwesung, in ihren ursprünglichen Staub zurück kehren. Diese Augen, welche nun zu deinem Throne um Segen aufschauen, werden bald durch den Tod zugeschlossen
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werden. Ach komme den flüchtigen Stunden mit deiner Barmherzigkeit zu vor, und laß deine Gunst den schnellen Augenblicken vorgehen. Du bist unverändert, dieweil hineilende Zeitläufte verstreichen; ich aber nehme ab, mit einem jeglichen Odem, den ich hohle; meine ganze mir zur Vorbereitung auf den Himmel anberaumte Zeit, ist nur ein Punkt, wann sie mit deiner unendlichen Dauer verglichen wird. Die Kürze und Eitelkeit meines gegenwärtigen Seyns, und die Wichtigkeit meiner ewigen Wohlfahrt erfordern sämtlich meine äusserste Sorgfalt, und beleben meine wärmsten Wünsche. Ehe ich alle meine jetzige Begierden fürbringen kan, ist vielleicht die schnell dahin eilende Gelegenheit vorbey, die güldene Minute verschwunden, und die Gnadenzeit ewig verstrichen. O Gott der Zeitläufte, höre mich schleunig, und gestatte mir meine Bitte, indem ich noch rede; meine gebrechliche Dürftigkeit erlaubet keinen Ver zug, erhöre mich nach der Kürze meiner Dauer und Erforderung meiner Umstände. So wichtig mein Geschäfte ist, so ist es doch an das gegenwärtige Nun, den vergehenden Augenblick gebunden, denn alle die Kräfte auf Erden können mir den nächsten nicht versprechen. Laß demnach meine dringende Ungestümigkeit dir nicht zuwider seyn; meine Glückseligkeit, meine ewige Glückseligkeit, ja mein ganzes Wesen hanget an dem glücklichen Ausschlage: so hoch der Genuß Gottes selbst zu halten, so viel kommt darauf an. Du weist, o Herr! was für Eigenschaften mich zu deinem Anschauen tüchtig machen; du weist, was
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mir fehlet; du kanst meine Seele in einen Augenblick zubereiten, um in deine heilige Wohnung einzugehen: ich athme, aber den nächsten Augenblick macht vielleicht der Tod mit meinem Leben ein Ende. Laß doch den mißlichen Augenblick nicht kommen, ehe und bevor ich zubereitet bin. Die nemliche Schöpfers- Stimme, welche gesagt: Es werde Licht, und es war Licht, kan auf eben die Weise meine Seele reinigen und zieren, und mich zu deiner Gegenwart geschickt machen; und meine Seele verlanget so gereiniget und geschmücket zu werden. O Herr! verzeuch nicht, dann ein jeder Augenblick ist für mich ein Verlust, und vielleicht ein unaussprechlicher Verlust. Dein Verzug kan dir nicht zum geringsten Vortheil gereichen; deine Macht und Güte sind diesen gegenwärtigen Augenblick so vollkommen, als sie den nächsten seyn werden, und meine Zeit eben so flüchtig, und meine Mängel eben so dringend. Gedenke, o ewiger Gott! meine verlohrene Zeit ist ewig verlohren, und meine verschwendete Stunden werden nimmer wiederkommen, meine versäumte Gelegenheiten können nimmermehr zurückgeholet werden; für mich sind sie ewig dahin, und nicht zu ersetzen; aber du kanst meine sündhafte Seele durch ein Wort heiligen, und mich auf den Weg zur ewigen Besserung und Wohlfahrt bringen. Laß deinen Geist, o Herr! sich nicht zurückhalten, sondern segne mich nach der Fülle deines Wesens, nach dem Reichthum deiner Gnade in ChristusJEsus, nach deiner unendlichen, unbegreiflichen Liebe, so sich offenbahret in der herrlichen Gabe deines geliebten Sohnes, worinnen die Fülle der Gottheit enthalten
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war: durch sein Verdienst und Vermittelung erwarte ich demüthigst allen den unermeßlichen Segen, den mei ne Dürftigkeit erfordert, und ich erflehe.

XXIX. Dankbarkeit für frühzeitige und beson dere Gnade.

Laß mich deine Gnade, o mein Gott! von dem ersten anbrechenden Morgen des Lebens nach suchen, und dich preisen für die Vortheile meiner Geburt, daß sie nicht war in den Ländern der Finsterniß, wo kein Strahl von dem Evangelium jemals sein Licht hingeworfen; wo der Name eines Erlösers mir nie zu Ohren gekommen, und die höchstangenehme Zeitung der Erlösung vom ewigen Verderben meiner Seele niemals angediehen wäre. Aber wie soll ich meine Dankbarkeit ausdrücken für die Gnade, so mein Loos verordnet in diesem glückseligen Lande, einer von denjenigen Insuln, wovon längst vorher prophezeyet worden, daß sie deine Herrlichkeit sehen, und auf deinen Namen trauen würden? Gott hat Japhet, nemlich die Insuln der See erweitert, und ihn in den Hütten Sems, in dem Erbtheil Abrahams wohnen lassen. Ich stamme von den Heyden her, welche ehemals fremde waren von dem Bunde der Gnade, entfernet von der Bürgerschaft Israels; aber nun nahe geworden durch das Blut der Besprengung. Jesus [], der grosse Friedemacher, hat sie beyde Gott, und sich einander nahe gebracht. Ich preise dich mit allen meinen Kräften für das
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verliehene Vorrecht, indem du mich von gottseligen Vorfahren herkommen lassen; du bist ihre Zuflucht gewesen von Geschlecht zu Geschlecht, und hast deine Güte nicht von ihren Saamen genommen, noch deine Treue entzogen. Du hast deine Barmherzigkeit auf mich die geringste und letzte von meines Vaters Hause, so unwürdig dem geringsten der Diener meines Herrn die Füsse abzuwischen, ausgedehnet; und doch bin ich durch eine unumschränkte Handlung der Güte in dein Geschlecht gebracht, und den Kindern Gottes zugezählet worden. So hat es dir gut gedeucht in deinen Augen, der du gnädig bist, wem du gnädig seyn wilt. Ich hätte ein Gefäß des Zorns, ein Sieges-Zeichen deiner Gerechtigkeit, statt eines Denkmahls deiner Barmherzigkeit seyn können: wie unerforschlich sind deine Wege; wie ungebunden und frey? Du sahest mich in meinem niedern Stande, in mehr dann meiner angeerbten Schuld und Elend; dann ich hatte den bösen Grund vermehret, und war nicht nur ein natürlicher, sondern auch freywilliger Sclave der Sünde und des Todes gewesen. Aus dieser Schmach-vollen Sclaverey hast du, mein grosser Erlöser, mich erlöset, und in die herrliche Freyheit der Kinder Gottes gebracht: ich war fremd, und du nahmest mich auf; nackend, und du hast mich gekleidet mit den unbefleckten Kleidern deiner eigenen Gerechtigkeit; ich war hungerig, und du hast mich gespeiset; durstig, und du gabest mir zu trinken aus dem Brunnquell des Lebens. Was bin ich, o Herr! und was ist meines Va
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ters Haus, daß du so gnädig mit mir gehandelt, in Errichtung eines ewigen Bundes, so unterzeichnet und versiegelt, ja meiner Seele merklich versiegelt worden durch das Zeugniß deines Geistes? Herr, warum bin ich es vielmehr, als viele, so meine Gesellen in den Eitelkeiten und Thorheiten der Jugend gewesen? Wie viele sind vorbey gegangen, welche dir hätten mehr Dienste thun können, und für deine unterscheidende Gnade erkenntlicher gewesen wären? Ihr Geister der vollendeten Gerechten, ihr erlösten Völker, so droben triumphiren, lehret mir die Kunst der himmlischen Beredsamkeit; sagt mir, auf was Weise einer heiligen Harmonie ihr eure Dankbarkeit gegen diesen glorwürdigen Erlöser ausdrucket, wenn ihr in erhabenen Entzückungen dem singet, der euch geliebet, und in seinem Blut gewaschen, und euch zu Königen und Priestern GOttes gemacht.

XXX. Sehnen nach dem Schauen GOttes im Himmel.

I ch bitte dich, zeige mir deine Herrlichkeit: es war ein Sterblicher, in einem Stande der Gebrechlichkeit und Unvollkommenheit, so diese kühne, aber gottselige Bitte gethan; ich wiederhole dieselbe, aber mit einem andern Beding: da niemand dein Angesicht lebendig sehen kan, so laß mich sterben, um es zu schauen. Dieses ist die einzige Bitte so ich zu thun habe, und hiernach will ich trachten, daß ich die Schönheit des Herrn schauen möge, nicht so, wie ich sie hier
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unten in deinem Heiligthum gesehen; sondern in vollem Glanze und Vollkommenheit, wie dich die Seraphinen und Cherubinen, Engel und Erz-Engel, und die Geister der vollendeten Gerechten schauen. O, mein Gott! verzeihe mir mein ungestümes Flehen: du hast mir befohlen, dich von ganzem Herzen, von ganzer Seelen, mit allen meinen Kräften zu lieben, und hast durch deinen Geist die heilige Flamme in meiner Brust angezündet: hieraus entstehet meine gegenwärtige Ungedult; hieraus entspringen meine brünstigen Begierden. Kan ich dich lieben, und bey dieser Entfernung von dir zufrieden seyn? Kan ich dich lieben, ohne sehnliches Verlangen, dich in vollkommener Herrlichkeit und Schönheit zu schauen? Ist es eine Sünde, mich vorwärts nach dem Ziel zu strecken, wozu ich erschaffen worden? Alle meine Wünsche und Hofnung der Glückseligkeit endigen sich in dir. Schmachtet nicht ein durstiger Wandersmann nach einer erquickenden Wasser-Quelle? Verlanget nicht einen Müden nach der Ruhe, oder einen armen Gefangenen nach der Freyheit? Und solte sich nicht meine durstige, müde, gefangene Seele nach Erquickung, Freyheit und Ruhe sehnen? Ich bin nur ein Fremdling, ein Pilgrim hier, und habe keine bleibende Stätte; dieses ist nicht mein Ruheplatz, meine Heimath; und doch, so du einiges Geschäfte für mich hast, ob es gleich das geringste in deinem Hause, so weigere ich mich nicht zu bleiben. Aber, o Herr! du hast keinen solchen unnützen Dienst, dergleichen ich dir leisten kan: deine Engel sind Geister, deine Diener Feuer-Flammen; tausend und abermal tausend stehen vor dir, und Millionen die
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nen dir; sie warten auf deinen Befehl, und fliehen auf dein Gebot. Ach, befreye mich von dieser Bürde der Sterblichkeit, so will ich dir mit eben so reinem und geschäftigem Eifer, wie sie, dienen. Ich kan vor den Menschenkindern auf eine sehr unvollkommene Weise von deiner Güte sprechen; alsdenn aber will ich, um dich zu preisen, dem himmlischen Chor beytreten, und vor den Ohren der Engel erzehlen, was du an meiner Seele gethan. Hier habe ich tausend Hindernisse, so mich an dem angenehmen Werke stöhren; tausend kalte und finstere Zeiten, da mein Herz und meine Zunge unbequem sind; tausend nothwendige Zerstreuungen, welche von dem Elende der Sterblichkeit herrühren; aber wann dieser Wechsel von Traurigkeit und Sünde aufhören wird, so wird meine Seele in Ruhe wohnen, und sich ewig freuen, und unendlich über deinem Heyl frolocken.

XXXI. Uebergabe der Seele an GOtt.

Befiehl mir, o Herr! was du willst, gib mir nur Kraft, dir zu gehorchen; deine Bedingungen mögen noch so streng seyn, so laß uns doch nie getrennet werden. Ich übergebe dir meinen Willen, meine Freyheit, und meine Wahl; ich bin von der Welt los, und verlange nur deine Liebe zu meinem Erbtheil. Gib, oder versage mir was du willst, ich befehle alle die Umstände meiner künftigen Zeit in deine Hände: Leite mich, o Herr! immerdar; hier bin ich, handle mit mir, wie es dir gut deucht in deinen Augen, nur sage nicht: du habest kein Wohlgefallen an mir.
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Laß mich nicht leben, dich zu verunehren, oder deinem Namen Schmach zu verursachen, das Blut des Sohnes Gottes zu entheiligen, und den Geist der Gnade zu betrüben. Ach nimm deine Güte nicht von mir, und entziehe nicht deine Treue. Du hast bey deiner Heiligkeit geschworen, und wirst dem Saamen deiner Knechte nicht lügen; du hast geschworen, daß das Geschlecht der Gerechten gesegnet seyn soll; kleide mich mit Gerechtigkeit, o mein Gott, und erfülle diese Verheissung an einer unwürdigen Creatur.

XXXII. Zuversicht und Vertrauen auf die gött liche Verheissungen.

Ach laß mein ungestümmes Flehen dir nicht zuwider seyn, denn es ist eine Ungestümmigkeit des Glaubens: mein standhafter Glaube ist es, der mich beharren macht: dein Wort und dein Eyd, die zwey Stücke, so nicht wanken, in welchen es Gott unmöglich ist zu lügen, geben mir starken Trost. Dieses beweget mich zu deinem Thron hinzudringen, und mit Zuversicht deine Stärke, deine Weisheit, deine Treue, deine Güte und zärtliche Barmherzigkeit zu ergreifen; jene preiswürdige Eigenschaften, welcher halben die Menschen-Kinder ihr Vertrauen unter dem Schatten deiner Flügel setzen. Es ist dein Ruhm, die Zuflucht der Ende der Erden zu seyn, und es ist schon lang vorher geweissaget worden, daß die Heyden auf deinen Namen vertrauen würden.
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Helfer, der im Himmel wohnt, holder Schützer aller Dingen,
Welchem alle Sterblichen ihr Gelübd und Opfer bringen - -! Wir verehren und erheben durch Glauben und Zuversicht auf dich deine unendliche Vollkommenheiten auf das höchste. Ich weiß, daß du bist, und glaube, daß du ein Vergelter seyest derer, so dich fleißig suchen. Ich will deine Verheissung nimmer aus meinen Händen lassen, darauf gründe ich meine Hofnung: ich will nicht ein Pünctlein nachgeben, noch das geringste von dem herrlichen Schatz fahren lassen. Ich lebe der demüthigen Hofnung, ich habe eine rechtmäßige Forderung; du bist mein Gott, und der Gott meiner gottseligen Voreltern, der Gott meiner Mutter, der Gott meines frommen Vaters: da er starb, hat er mich mit seinem lezten Athem deiner Vorsorge übergeben, mich in deine gnädige Arme gelegt, und in deinen Schutz empfohlen. Er sagte mir, du würdest mich nie verlassen noch versäumen; er triumphirete in deiner lang erfahrnen Treue und Wahrheit, und sein lezter Athem war ein Zeugniß von dir. Und nun, o Herr, Gott meiner Väter, dessen Gnade von einem Zeitlauf auf den andern gekommen, dessen Wahrheit unbefleckt und unverlezt geblieben, und dessen Liebe unveränderlich ist, o Herr, Gott treu und wahrhaftig, der Bund und Gnade hält, bis in das tausendste Glied, laß mich den Schutz und Segen finden, den das Gebet meines sterbenden Vaters mir erflehet: Sey mir nun zur Zeit meiner Trübsal eine gegenwärtige und schleunige Hülfe; und wo du
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mich dis einzigemal erretten wirst, so sollst du allein meine künftige Zuversicht, mein Rathgeber, und meine Hofnung seyn; zu dir will ich mich unmittelbar wenden, und die gesamte Kraft der geschaffenen Natur als ohnmächtig ansehen. Dir will ich alles das Gute, so du mir schenken wirst, meine Zeit, mein Leben, und meine ganze Haabe in dieser Welt widmen; was du mir nur zu meinem Loos gnädigst zuerkennen wirst, das soll gewiß des Herrn seyn. Ach merke auf die Gelübde meiner Trübseligkeit, und um deiner eigenen Ehre willen rette mich aus dieser Noth, welche du weist, und offenbare mir den Ueberfluß der Gnade und Wahrheit. Mein Vertrauen auf diese Verheissung und Treue war es, so mich in diese Dürftigkeit gebracht; ich zweifelte nicht aus Unglauben an deinen Verheissungen, sondern wagte es kühnlich auf dein Wort hin: ich hielte es für meine Sicherheit, und kan es den starken Israels gereuen? Kanst du deinen Bund brechen, und was aus deinem Munde ausgegangen, ändern? O du Gott Abrahams, Gott Isaacs, und Gott Jacobs, dies ist dein Name ewiglich, und dies ist dein Denkzeichen bey allen Geschlechtern; der Gott, vor dem meine Väter gewandelt, der Gott, so mich mein ganzes Lebenlang bis auf diesen Tag ernähret, und der Engel, der mich von allem Uebel erlöset, segne mich. Der Gott Jacobs sey meine Hülfe, der Allmächtige segne mich; Die Segen meines Vaters gehen über den Segen seiner Voreltern, zu den äussersten Gränzen der ewigen Hügel.
|| [0116.01]
Segne mich nach deiner eigenen Grösse, nach dem unerforschlichen Reichthum deiner Gnade in Christus Jesus []; Er ist der Grund aller meiner Hofnung, in welchem alle die Verheissungen Gottes Ja und Amen sind: er ist der treue und wahrhaftige Zeuge, und hat die göttliche Wahrhaftigkeit durch seinen Tod versiegelt, und ist Bürge geworden für die Ehre und Treue Gottes, des Höchsten. Diesem gibt auch der heilige Geist, der Geist der Wahrheit Zeugniß. O grosser Jehovah, Vater, Sohn und heiliger Geist, Herr allmächtiger Gott, erhöre und bewillige meine Bitte zum Preis deines mächtigen Namens, des Namens, welchen die Heiligen und die Engel lieben und loben: laß deine Vollkommenheiten den Menschenkindern kund werden; laß sie sagen, es ist ein Gott, der auf Erden richtet; laß sie bekennen, daß du deinen Bund haltest dem Saamen deiner Knechte, daß deine Gerechtigkeit für und für währen, und deines Heyls kein Ende seyn soll; laß sie sehen und bekennen, daß die Furcht des Herrn eine starke Zuversicht sey, und seine Kinder einen Ort der Zuflucht haben.
Standhaft, wie der heilge Hügel, und so fest, wie Berge sind,
Fest, wie Felsen ist die Seele, die, o Herr, auf dich sich gründt. Zur Nachricht. Diese Handlung des Glaubens an Gott wurde vollkommlich erhöret, und ich hinterlasse mein Zeugniß, daß der Name des Herrn eine starke Burg sey,
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und er diejenigen kenne, so ihr Vertrauen auf ihn setzen.

XXXIII. Zuflucht zu der göttlichen Treue und Wahrheit.

So groß und Hofnunglos auch meine gegenwärtige Noth vor menschlichen Augen seyn mag, warum solte ich den Allmächtigen einschränken? oder warum solte ich dem Heiligen in Israel selbst ein Ziel setzen? Natur und Nothwendigkeit stehen unter dir; du sprichst nur ein Wort, so geschiehet es; keine Hinderniß kan sich der Allmacht deines Willens widersetzen, noch dein Vorhaben zunichte machen. Ist deine Hand verkürzet seit der herrlichen Zeit, da deine mächtige Gewalt und ausgestreckter Arm Himmel und Erde gemacht; da dieses weite Firmament auf deinen Befehl ausgebreitet, und diese schwere Erdkugel auf Luft-Säulen gestellet worden?
Du hast einst den Erden-Bau auf so festen Grund geführet,
Und den Himmel so geschickt, und so herrlich ausgezieret. Und diese werden veralten, wie ein Gewand, wie ein Kleid wirst du sie verändern, und sie werden verwandelt werden: würdest du aber gleich diesen vergehen, was wäre die Hofnung dererjenigen, so auf dich trauen? Wenn deine Vollkommenheiten nicht zu allen Zeiten einerley wären, was für Trost könte das menschliche Geschlecht aus
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den alten Verzeichnissen deiner wunderbaren Werke schöpfen? warum wird uns gesagt, daß du das Meer getheilet, um deinem Volke einen Weg durch die mächtige Wasser zu machen; daß du Brod vom Himmel regnen liessest, und aus Steinfelsen crystallene Bächlein herfürgebracht, dein auserwähltes Volk zu tränken. Du bist es, der Noa bey der allgemeinen Sündfluth mit besonderer Gnade angesehen, und die schimmernde Arche mitten in den Winden und Regen, und ungestümmen Wellen erhalten hat. Deine beschützende Vorsorge war es, so Abraham von seinen Anverwandten und seinem Vaterland geführet, und sicher in das verheissene Land gebracht. Du hast Jacob auf seiner Reise nach Padan-aram begleitet, und du gabest ihm Brod zu essen, und Kleider anzuziehen, bis er zu grossem Vermögen gekommen: er kam wieder in seines Vaters Haus, er rang um den Segen, er kämpfte mit dem Allmächtigen, und hat obgesieget. Du giengest mit Joseph in Egypten, und hast ihn aus allen seinen Widerwärtigkeiten erlöset, bis er seine Drangsalen und alle die Mühseligkeiten von seines Vaters Hause vergessen. Du gedachtest an dein Volk in der Egyptischen Dienstbarkeit, und sahest mit jammernden Augen ihren Jammer an; und nach vierhundert und dreyßig Jahren auf eben den Tag, da du es versprochen, hast du sie errettet, und mit Triumph und Wunderwerken ausgeführet. Deine Gegenwart begleitete sie des Tages in einer Wolken-Säule, und des Nachts
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mit einem beschirmenden Feuer: dein siegender Arm trieb grosse und mächtige Völker aus, und gab ihnen den völligen Besitz von dem ihren Vätern verheissenen Lande: noch hast du es im geringsten ermangeln lassen an irgend einem Guten, so du zugesagt. Welch eine Wolke von Zeugen stehet aufgezeichnet? Josua und Gideon, Jephta und Simson, so durch Glauben die Verheissungen erhalten. Du gebotest den Raben, den heiligen Propheten zu speisen; und auf das Wort eines Propheten hast du das Haus der Witwe mit einer Hand voll Mehl erhalten. Du giengest mit den drey Hebräern in den feurigen Ofen: du warest bey Daniel in der Löwen- Grube, ihn zu retten, weil er auf dich getrauet. Wenn ist das Gebet des Glaubens verworfen worden? wo wurden die Gerechten verlassen? Wer kan Gott beschuldigen, ohne ihm thörichter Weise Schuld zu geben? Was für Ungerechtigkeit hat sich je an dem Richter der ganzen Erde gefunden? Seine herrlichen Namen sind von Geschlecht zu Geschlecht untadelhaft geblieben; noch kan irgend eine seiner Vollkommenheiten nicht abnehmen, oder verlaufende Jahre bey dem Alten der Tage eine Veränderung machen. Sind nicht seine Worte klar und deutlich ohne einige Zweydeutigkeit, oder den geringsten Betrug? Sind sie nicht so beschaffen, daß sie mein Vertrauen gehörig sichern können? So beschaffen, daß sie mir genügen würden aus dem Munde des Menschen, des unbeständigen Menschen, dessen Odem in seiner Nase, und dessen Grund in dem Staube, der unstet wie
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Wasser, und vergänglich wie ein Schatten? Und kan ich Bedenken tragen, den Worten des Allerhöchsten Beyfall zu geben? Soll ich dem ohnmächtigen Menschen trauen, der weder Weisheit, noch Kraft besitzet, seine Anschläge zu vollbringen, der den nächsten Odem oder Bewegung nicht sein eigen nennen, noch sich von allem Zukünftigen nur einen einzigen Augenblick versprechen kan? Kan ich auf diesen schwachen Stützen ruhen, und dennoch zittern und zagen, ohnerachtet ich die Wahrhaftigkeit des ewigen Gottes zu meiner Sicherheit und Unterstützung habe? Ich weiß er wird seinen Bund nicht brechen, noch etwas an seiner Treue ermangeln lassen: ich darf es vor Himmel und Erde bezeugen; ich darf alles in Zeit und Ewigkeit auf diese herrliche Wahrheit wagen; eine Wahrheit, welche die Hölle nicht tadeln, noch alle ihre Bosheit läugnen kan. Aeussert euch, ihr Kräfte der Finsterniß, bringet her euern Beweis, sammlet euere Exempel, fanget von den ersten Geschlechtern an, seit dem die Welt bevölkert, und der Name des Herrn angeruffen worden; wenn haben sie vergeblich geruffen? wenn lies der Heilige in Israel die Hofnung eines demüthigen und zerschlagenen Geistes zu schanden werden? Zeiget mit der schwärzesten Schrift, so ihr nur könnt, die betrübte Zeit, da der Name des Herrn nicht mehr eine Zuflucht war denen, so auf ihm vertrauet? Laßt die Hölle ihre Jahrbücher weisen, laßt sie den schrecklichen Tag bemerken, und ihn mit ewigem Triumph bezeichnen. Allein ihr suchet vergebens; denn weder Himmel, noch Erde, noch Hölle haben jemals die geringste
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Abweichung von der Wahrheit oder Gerechtigkeit darthun können. Der Allmächtige scheinet in untadlicher Herrlichkeit, zur Beschämung der Hölle, und zum Trost derer, so ihr Vertrauen auf ihn setzen. Auf deine ewige Wahrheit und Ehre verlasse ich mich gänzlich; bin ich betrogen, so bin ich betrogen; die Engel und Erzengel sind es auch; sie erwarten, wie ich, ihre Unsterblichkeit und Seligkeit nur von deiner Wahrhaftigkeit; sie gründen alle ihre Hofnung auf deine Güte und Unveränderlichkeit; wenn die fehlet, so verschwindet das himmlische Paradies, und alle seine Herrlichkeiten sind dahin; die güldenen Palläste sinken, und die Thronen der Seraphinen müssen wanken und fallen. Wo sind euere Kronen, ihr auserwählte Geister? Wo sind euere Gesänge und Triumph-Lieder, wenn die Treue Gottes fehlen kan? Eine blosse Möglichkeit dessen würde die Felder des Lichts verfinstern, und die liebliche Stimme der Freuden in Traurigkeit und Wehklagen verwandeln. Was für Zagen würde selbst in den Gegenden der Seligkeit entstehen? Was für Furcht und Mißtrauen würde aller ihrer Einwohner Herz einnehmen, was für Leyd sie alle überfallen, wenn das Wort Gottes des Höchsten zernichtet werden könte? Die Säulen des Himmels würden sodann beben, und die ewige Berge sich beugen, die Grundfeste des Himmels könte sich aus ihrer Stätte bewegen, und das edelste Gebäu der Hände Gottes ein Chaos und ewige Leere werden. Aber ewig gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, o du König der Heiligen; selig
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sind alle die, so ihr Vertrauen auf dich setzen; denn du bist eine sichere Zuflucht am Tage der Trübsal, und unter dem Schatten deiner Flügel will ich frölich seyn. Meine Seele soll sich des Herrn rühmen, und in seinem Heyl triumphiren: ich habe ihn in meiner Noth angerufen, und er hat mich von aller meiner Furcht befreyet - -. Hallelujah.
Hier legt sich mein fleischlich Hoffen, alle meine Wünsche bey,
Ich entsage dem, was sterblich, daß mein Gott mein Alles sey.

XXXIV. Lobpreisung Gottes für die Erlösung durch Jesus, und sein Blut.

Laßt mich Gott die Ehre geben, ehe ich sterbe, und mir selbsten Schmach und Schande beymessen. Ich schreibe mein Heyl der freyen und unumschränkten Güte Gottes zu. Nicht durch die Kraft der Vernunft, oder einige natürliche Neigung zur Tugend, sondern durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin. Dein, o mein Erlöser, sey der Sieg, und dein sey die Ehre. Ich erwarte das ewige Leben und Glückseligkeit von dir, nicht als eine Schuld, sondern als eine freye Gabe, als eine aus lauter Güte herrührende Verheissung. Wie armselig würde meine Hofnung seyn, wenn ich nur nach denen Werken belohnet zu werden gedächte, welche meine eitele Einbildung, oder die Partheylichkeit anderer gutgenen
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net haben, und die, wenn sie die göttliche Reinigkeit untersucht, nur scheinbare Sünden seyn würden? Ich sage ihnen ab als solchen: verzeihe mir sie, o Herr der Gnaden, so will ich nichts mehr bitten: und ich darf mir auch keine Hofnung darauf machen, als durch die Genugthuung, welche der göttlichen Gerechtigkeit für die Sünden der Welt geleistet worden. O Jesus, mein Heyland, welch eine Lieblichkeit liegt in deinem Namen! himmlische Freude, und unsterbliches Leben findet sich in dem Ton.
Süsser Nam, in welchem ich tausend Seligkeit geniesse,
Berg von Myrrhen und Gewürz und zehn tausend Paradiese. Laß die Engel diesen Namen auf ihren güldenen Harfen preisen; laßt die Erlösten des Herrn ihn ewig verherrlichen! O mein gnädiger Erlöser! was bliebe mir für Hofnung, wenn ich dich nicht hätte? wie verzweiflungsvoll, wie unglückselig wären meine Umstände? Ich sehe mich auf alle Weise, worin ich mich nur betrachten kan, mit Verachtung an. Ich war gebohren in einem Stande der Sünde und des Elendes, und in meinem besten Zustand bin ich lauter Eitelkeit. Ueber die äussersten Vortheile, deren ich mich rühmen kan, erschrecke ich, und zittere vor der unbefleckten und heiligsten Majestät zu erscheinen. O du, auf dessen Namen die Heyden trauen, sey meine Zuflucht in solcher erschrecklichen Stunde. Zu dir komme ich, als meiner Zuversicht und Hofnung. Laß das Blut der Besprengung, laß das Siegel des Bundes an mir seyn. Reinige mich von meiner angeerbten Befle
|| [0124.01]
ckung und der mir zugezogenen Unreinigkeit, und ziere mich mit den Kleidern deiner Gerechtigkeit, in welchen ich allein vor der unendlichen Gerechtigkeit und Lauterkeit gerechtfertiget zu stehen hoffe. Ach gehe nicht ins Gericht mit mir, dann die beste Handlungen meines Lebens können deine Untersuchung nicht aushalten; ein verborgen Fehl hat allen meinen Ruhm beflecket. Mein Gottesdienst ist mit Leichtsinnig- und Unehrerbietigkeit, meine Liebe zu Menschen mit Hochmuth und Prahlen vermengt gewesen. Ein heimlicher Fehler hat sich bey meinen besten Handlungen gefunden, und selbst diejenigen Dinge, welche vielleicht von Menschen hochgeschätzet worden, haben vor Gott Verachtung verdienet.
Wann ich das Creutz betracht, woran voll Wunden starb
Der Fürst der Herrlichkeit, der mir das Heyl erwarb,
Pfleg ich mein gröstes Glück als Schaden zu betrachten,
Und allen meinen Pracht als Koth und Nichts zu achten.
Fern, ferne sey von mir, daß ich in was, als Ihm,
In ihme, meinem GOtt, und Christus Creutz mich rühm.
Was meine gröste Freud, was hier mein einzig Leben,
Das will ich für dein Blut, das theurste Kleinod, geben.
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XXXV. Uebersehung und Erwegung der göttlichen Barmhertzigkeit und Treue. April. 30. 1735.

Ich bekräftige nun mit meinem Siegel, daß Gott treu ist, und hinterlasse dieses als mein letztes Zeugniß von der göttlichen Wahrhaftigkeit. Ich kan aus vielfältiger Erfahrung seine Treue bestätigen, und die Gewißheit seiner Verheissungen bezeugen. Das Wort des Herrn ist bewährt, und er ist ein Schild allen denen, so ihr Vertrauen auf ihn setzen. O kommet alle, die ihr den Herrn fürchtet, ich will euch erzehlen, was er an meiner Seele gethan; ich will meinem Schöpfer Gerechtigkeit beylegen, und es aufgezeichnet hinterlassen für ein Volk, so noch nicht gebohren, damit das künftige Geschlecht aufstehen, und ihn preisen möge. In was für Noth nur seine weise Fürsehung mich gebracht, habe ich den Herrn angerufen, und er hat mich erhöret, und von aller meiner Furchtbefreyet; ich vertrauete auf Gott, und er hat mich errettet. Ach! laßt meine Erfahrung denenjenigen zu einem Zeugniß dienen, die auf seine Barmherzigkeit hoffen; laßt sie dem Herrn zum Preis und Ruhm gereichen. Ich weiß nicht, wo ich die Erzehlung deiner zahlreichen Gnaden-Bezeigungen anfangen soll. Du hast mich in deinem geheimen Zelt vor dem Hochmuth der Menschen, und dem Zank der Zungen verborgen,
|| [0126.01]
wann ich durch tausend Thorheiten Schmach verdienet: du hast mich gnädiglich beschützet, wann die Eitelkeit meiner Freunde, oder die Bosheit meiner Feinde meinen Ruf hätte beflecken können: du hast mich mit deinen Fittigen bedecket, und unter deine Flügel hatte ich mein Vertrauen: deine Wahrheit ist mein Schild und Wehr; dir habe ich den reinen und unbefleckten Namen zu verdanken, und nicht meiner Aufführung, noch der Partheylichkeit meiner Freunde - -. Dir, o Herr! sey Ehre. Du hast mich durch tausend Labyrinthe geführet, und meine Finsterniß erleuchtet. Wann mich Schatten und Verwirrung umgeben, brach dein Licht aus der Dunkelheit herfür, und meine Finsterniß wurde in Mittag verwandelt. Du bist mein Führer und Vater gewesen. Wenn ich nirgends Rath zu holen wußte, gabst du mir einen unfehlbaren Rath: Das Geheimniß des Herrn war bey mir, und er hat mir seinen Bund gezeiget. In wie viel sichtbaren und unsichtbaren Gefährlichkeiten hast du mich errettet? wie enge war meine Dankbarkeit eingeschränkt? wie weit war deine Barmherzigkeit? wie unzehlbar sind deine Gedanken der Liebe? wie unendlich die Proben deiner Güte? wie hoch sind sie über die Wege und Gedanken der Menschen? Wie oft hast du meinem Mangel abgeholfen, und durch deine Güte meinen Unglauben beschämet? Deine Wohlthaten haben mich zu gröster Verwunderung überfallen, und mich wegen meines Mißtrauens bestrafet; mein Glaube hat oftmals gefehlet, aber deine Güte niemals. Die Welt und alle ihre Schmei
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chelungen haben gefehlet, mein eigen Herz und Hofnung hat gefehlet, aber deine Gnade währet ewiglich, deine Treue hat nie gefehlet. Die Stärke Israels hat mich niemals betrogen, noch mich in meiner Zuversicht zuschanden gemacht. Du warest nie ein betrüglicher Bach, oder wie Wasser, so meiner Seele fehlen. In Güte, aus Wahrheit, ja Treue, hast du mich betrübet: wie unwillig schienest du mich in Bekümmerniß zu setzen? Mit wie viel Nachsicht und Gnade war deine Strafe vermischt? Liebe zeigte sich in einem jeden Blicke anscheinender Ungnade. Ihre Strahlen schimmerten durch die dunkelste Nacht; durch ein jedes Leid hast du mich immer näher zu dir gezogen, und mir meine fleischliche Stützen entrissen, damit ich mich desto gewisser und zuversichtlicher auf den ewigen Fels verlassen möchte. Deine Liebe war mein Leitstern von den ersten mißlichen und schlüpfrichen Tritten des Lebens: die ersten unbedachtsamen Wege, so ich betrat, waren von deiner wachsamen Liebe bezeichnet und verwahret; ach! wohin hätte mich sonst meine Sünde und Thorheit verleitet? Wie oft habe ich deine Huld erfahren, und mein Gebet unverzüglich erhöret gefunden? du hast dein Wort öfters nach dem Buchstaben, und auf das genaueste erfüllet. Ich habe wieder eine frische Probe deiner Treue: du hast mich in deiner Güte triumphiren gemachet, und mir ein neues Zeugniß von der Wahrhaftigkeit deiner Verheissungen gegeben. Und dessen ohngeachtet, was für eine Undankbarkeit, was für eine Unempfindlichkeit regieret bey
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dem allen in meinem Herzen? Ach tilge sie durch das Blut des Bundes: reute diesen abentheurlichen Unglauben aus, der nach der vollkommensten Beweisung deiner Wahrheit immer wiederkommt. Du hast gnädiglich geruhet, mich in meiner eigenen Zeit und Weise zu erhören, und dennoch zweifle ich wieder an deiner Treue und Vorsorge. Herr, erbarme dich meiner, ich glaube, ach, hilf meinem Unglauben. Stehe mir weiter bey, verzeihe mir ferner, und besiege endlich mein Mißtrauen. Laß mich hoffen wider Hoffnung, und in der grösten Noth Gott die Ehre geben, und glauben, was ich aus eigener Erfahrung so oft wahr gefunden - -. Daß der Starke in Israel nicht lüge; noch wie der Mensch sey, daß es ihm gereuen solte. Dieweil ich ein Gedächtniß und Gedanken habe, soll meine Seele seiner Güte gedenken. Laßt mich nicht die Tiefen meines Elends, die Angst und Ungestümigkeit meiner Gelübde vergessen: da alle menschliche Hülfe fehlte, und alles Finsterniß und Noth war, da war Gott mein Trost und Zuflucht. Da kante ich keinen Namen, als Seinen, und er allein kante meine Seele in Widerwärtigkeit. Lobe den Herrn, o meine Seele, und vergiß nicht alle seine Wohlthaten.
Weil ich athme, soll mein Sinnen, und mein Zweck dahin nur gehn,
Deinen Namen, Gott der Liebe, der mein König, zu erhöhn:
Und in jener lichten Welt, und in jener Höhe droben,
Soll mein Werk und Freude seyn, dich auch ohne End zu loben.
|| [0129.01]
Ich habe noch tausend und abermal tausend Erlösungen anzuführen, und viel tausend unerbetene Gutthaten zu erzehlen: Kein Augenblick meines Lebens war ohne deine Vorsorge; Kein Zufall ereignete sich, da nicht dein wachsames Auge mich bewahret, oder deine Fürsehung gewaltet. Du hast dich öfters finden lassen, wann dich mein undankbares Herz nicht gesucht, und deine Wohlthaten haben mich mit grossen und unverhoften Vortheilen verwundernswürdig überfallen: Du hast mich genöthiget das Gute anzunehmen, so mein thörichter Sinn verachtet, und mein verdorbener Wille gern würde ausgeschlagen haben. Du hast deine Ohren verstopfet vor den Begierden und Bitten, so mich in das Verderben gebracht hätten, da du mich billig meiner eigenen Wahl überlassen können, zur Strafe meiner mannigfaltigen Sünden und Thorheiten. Wie groß ist meine Schuld! wie unendlich deine Barmherzigkeit! Bis hieher hat Gott geholfen, und hier richte ich seiner Güte ein Denkmahl auf, als die mich niemals der Bosheit und List meiner höllischen Feinde überlassen, noch menschlichen Arglistig- oder Gewaltthätigkeiten übergeben. Seine ruhmwürdige Fürsehung hat sich öfters an mir bezeuget, wann ich in dicker Finsterniß gewandelt. Mit einer mächtigen Stimme sprach er: Es werde Licht, und es war Licht. Er ließ seine Güte vor mir vorher gehen, und seinen Namen mit lautem Schall ausrufen: Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig. Ihm sey Ehre ewiglich, Amen.
|| [0130.01]

XXXVI. Einige tägliche Erfahrungs-Proben der gnädigen Fürsehung Gottes, an mir, der geringsten und unwürdigsten Magd meines Herrn.

Erste Woche.*

I.

Täglich bestrafet die Erfahrung meinen Unglauben, und gibt mir einen neuen Beweis von deiner Treue. Du hast meine Furcht vertrieben, und zur Beschämung meiner geistlichen Feinde die Stimme meiner Noth erhöret. Vor wenig Stunden zitterte und zweifelte ich, ob du auch wahrhaftig ein Gott wärest, der Gebet erhöret; und nun habe ich eine frische Probe deiner Güte, so ich mit dankbarem Herzen hier melde. Möchten deine Wohlthaten meiner Seele in ewigem Andenken seyn. 1
|| [0131.01]

II.

Deine Güte ist alle Morgen neu; du hast mir einen abermaligen Beweis von deiner Wahrheit gegeben: ich habe auf Gott getrauet, und er hat mich erlöset; ich will den Herrn lieben, weil er die Stimme meines Flehens erhöret hat: derohalben will ich ihn anrufen, so lang ich lebe.

III.

Gottes Weg ist vollkommen, das Wort des Herrn ist bewähret: er ist ein Schild aller derer, so auf ihn vertrauen. Er hat sein Wort, worauf ich mich verlassen, vollkömmlich erfüllet. Lobe den Herrn, o meine Seele.

IV.

Deine Güte folget mir unermüdet auf dem Fusse nach; die Sprache ist zu schwach, deinen Ruhm auszudrücken: Keine Beredsamkeit ist zulänglich. Mein Herz ist warm von der heiligen Betrachtung; ich schaue aufwärts, und lege stillschweigend an den Tag die unaussprechliche Dankbarkeit, so meine Seele durchdringet und erfreuet: Ich zweifelte aus Unglauben an deiner Verheissung, und doch hast du dein Wort gnädiglich erhalten. Ob schon zuweilen unser Glaube zweifelt oder strauchelt, so bleibt doch er treu in seinen Verheissungen.
|| [0132.01]

V.

Mit dem Licht des Morgens erneuert sich meine Gesundheit und Friede: der ermunternde Einfluß der Sonnen, und die noch weit angenehmere Strahlen der göttlichen Gnade bescheinen mein Gezelt - -. Herr, warum mich? warum bin ich ein erkaufter, und mit Vergebung begnadigter Sünder? - - Warum freue ich mich unter den Exempeln unumschränkterGnade, und unermessener Huld?

VI.

Ich habe mich deiner Wahrheit gerühmet, und du hast mich nicht lassen zu schanden werden: meine höllische Feinde sind beschämet, da mein Glaube mit erwünschtem Ausgang gekrönet wird.
Wer hat von deiner Huld, so viel als ich genossen?
Und wem ist deine Güt wohl öfters zugeflossen?

VII.

Wie die Woche angefangen, so endiget sie sich mit einer Reihe von Wohlthaten: Sprache und Zahlen fehlen deine Gunstbezeigungen zu zehlen, aber dieses soll meine ewige Beschäftigung seyn.
Wann sich einsten die Natur, und mit ihr die Zeit entziehet,
Wann man weder Tag noch Nacht, mehr an deinen Werken siehet,
|| [0133.01]

Soll mein immer dankbar Herze auf dem festen Schluß bestehn,
Deine unermeßne Güte, voll Verehrung zu erhöhn.

Zweyte Woche.

I.

I ch habe gesehen die Gänge GOttes, meines Königs in dem Heiligthum: aber, ach wie vergänglich war die Betrachtung! Meine Sünden hielten deine Gütigkeit ab, nnd<und> doch kan ich die Wunder der vergebenden Gnade preisen.

II.

Was für Dank bin ich dir schuldig, o du grosser Erhalter der Menschen, für den sanften und ruhigen Schlaf, für die Nächte, so keine Schmerzen noch Angst beschweren:
Du bist immer um mein Bette, und bewachest mich dein Schaf,
Deine Augen stehen offen, weilen meine in dem Schlaf. Kein Augenblick streicht vorbey, da mich dein gnädiger Schutz nicht bewahret.

III.

Gott sey Dank, der du mir den Sieg gegeben hast durch den Herrn Jesus Christus. Du hast mich errettet von dem Stricke des Jägers, der List
|| [0134.01]
und Bosheit der Höllen, und mich vor Sünde wider dich behütet: dein sey der Sieg und Preis. Hallelujah.

IV.

O Herr! Gott Israels, glückselig ist der Mensch der sein Vertrauen auf dich setzet. Ich warf meine Last zu deinen Füssen, und du hast mich unterstützet; Meine Sorgen sind vertrieben, meine Bitten erhöret. O wer ist ein Gott, gleich dir, nahe allen denen, die dich anrufen?

V.

Deine Stärke offenbahret sich in der Schwachheit: Nicht mir, o Herr! sondern dir sey alle Ehre.
Ewig will ich meine Zunge deinem theursten Namen weyhn,
Jesus und sein Heyl soll einzig meiner Lieder Inhalt seyn. Dieses wird meine Beschäftigung seyn in Ewigkeit: darnach allein läßt sich meine Dankbarkeit abmessen. Der Herr Jehovah ist meine Stärke und Heyl, er soll auch mein Lied seyn.

VI.

Die Erfahrung eines jeden Tags bestätiget meinenGlauben, und bringet mir einen frischen Beweisthum von deiner Güte. Du hast meine Furchtvertrieben, und zur Beschämung meiner geistlichen Feinde die Stimme meiner Trübsal erhöret.
|| [0135.01]

VII.

Ich will den Herrn lieben, der mein Flehen erhöret. Ich rühmte mich seiner Treue, und er hat alle meine Hofnung erfüllet.

Dritte Woche.

I.

Meine letzte Bedürfniß wird der Beschluß meines Lebens seyn. Ach gedencke meiner sodann, mein Gott. Du, der mich bisher geführet, verlaß mich nicht zuletzt. Sey meine Stärke, wann die Natur weicht und die Flamme des Lebens so eben ausgehet; laß deine Gnaden-Blicke diese finstere Stunde heiter und froh machen. Ach laß alsdann deine holde Stimme meiner Seelen Friede und unaussprechlichen Trost einsprechen.

II.

In sechs und sieben Trübsalen hast du mich errettet, und bist eine Bedeckung vor dem Sturm, und ein Schirm vor dem Wind gewesen: Bis hieher hat der Herr geholfen, und ich habe in Sicherheit gewohnet; und hier lasse ich ein Denckmahl zu deinem Preis, ein Zeugniß gegen alle mein künftiges Mißtrauen auf deine Treue und Wahrheit.

III.

Ein jeder Tag meines Lebens vermehret die
|| [0136.01]
Summe deiner Wohlthaten; die auf- und untergehende Sonne in ihren beständigen Wechsel kan die Erneuerung deiner Güte bezeugen; Du warest gnädig zugegen in bevorstehender Gefahr; du hast meine Gebeine ganz erhalten, und mich meinen Fuß nicht wieder einen Stein anstossen lassen.

IV.

Lobe den Herrn, meine Seele, und alles was an mir ist, preise seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn meine Seele, und vergiß nicht alle seine Wohlthaten; der deine Gebrechen heilet, und alle deine Sünden vergibt. O du, welcher der grosse Arzt wie meines Leibes, so auch meiner kranken Seelen, du hast mich wiederhergestellet, und von Tod und Hölle erlöset. HochgelobterJesus, du hast meine Schwachheiten auf dich genommen, und meine Krankheit getragen; die Züchtigung meines Friedens lag auf dir, und durch deine Striemen werde ich geheilet.

V.

Ich bekräftige deine Wahrheit, o Herr; ich bezeuge sie zum Trotz der Bosheit und allen Eingebungen der Hölle, so mein Herz zum Mißtrauen und Unglauben verleiten wollen, auch so gar gegen wiederhohlte Erfahrung, und gegen den vollkommensten Beweis der göttlichen Wahrhaftigkeit.
|| [0137.01]

VI.

O du, der du niemals schlummerst, noch schläfest, diese Nacht hat mich deine wachsame Sorgfalt vor einer drohenden Gefahr behütet. Deine Augen waren offen, dieweil ich sicher schlief unter der Bedeckung deiner Flügel.

VII.

Eine andere und grössere Erlösung hat den Tag gekrönet; Ich habe deine Gnade genugsam und zureichend befunden in der Stunde der Versuchung, deine Stärke offenbahrte sich in meiner Schwachheit. Dein war der Sieg; dein sey die Krone und der Ruhm ewiglich. Durch dich habe ich triumphiret über die List der Höllen; nicht mir, sondern deinem Namen, o Herr! sey die Ehre.

Vierte Woche.

I.

Nicht eine von tausend deiner Wohlthaten kan ich sagen; aber ich habe die Ewigkeit vor mir, und diese unbeschränkte Dauer soll angewendet werden die Wunder deiner Gnade zu erzehlen. Alsdann will ich dich preisen in der grossen Versammlung, ich will deine Treue verkündigen, und vor den Engeln sagen, was du gethan hast an meiner Seele, ja an mir, der geringsten in deinem Hause, so unwürdig, die Füsse dem geringsten der Knechte meines Herrn abzuwischen.
|| [0138.01]

II.

Wie unzehlbar sind die Gedanken deiner Liebe gegen meine Seele! wann ich sie zehlete, so sind sie mehr als der Sand am Ufer des Meers. Du hast meinen Unglauben wieder bestrafet, und mich von neuem überzeuget, daß meine ganze Hofnung auf dir beruhe: daß zweyte Ursachen nichts sind, als so fern du ihnen Kraft gibst; die ganze Natur gehorchet dir, und richtet sich nach deinem Befehl.

III.

O mein Gott, ich stehe wieder im Begriff, ein Mißtrauen in dich zu setzen, und deine Treue in Zweifel zu ziehen. Ach wie tief ist dieses Verdammungs-würdige Unkraut des Unglaubens in meiner Natur eingewurzelt! aber du kanst es ausreuten.

IV.

Ich muß abermal die Erzehlung deiner Wohlthaten anfangen, die sich niemals endigen wird; dann du erneuerst die Proben deiner Güte gegen einen armen undankbaren Sünder. Du hast das Versprechen auf das genaueste erfüllet, worauf ich mich verlassen: du hast mir die Bitte meiner Lippen gewähret, und mich auf ebener Bahn geleitet, daß ich nicht angestossen und gestrauchelt.

V.

Heute habe ich eine unverhofte Gnade empfan
|| [0139.01]
gen: ich zweifelte zwar an erwünschtem Fortgange, aber du hast meinen Unglauben liebreich bestrafet, und mich überwiesen, daß dir alle Dinge möglich sind, und daß die Herzen der Menschen-Kinder in deiner Hand stehen.

VI.

Du magst mich mit Gnade ansehen oder betrüben, so freue ich mich über die Herrlichkeit deiner Eigenschaften, wie du sie auch beweisest. Wann nur deine Ehre befördert wird, es geschehe durch Gütigkeit oder Gerechtigkeit: ich muß immer die Billigkeit deiner Wege behaupten, und meinem Schöpfer Gerechtigkeit beylegen. Doch laß mich mit dir reden, o mein Gott! da Gnade deine liebste Eigenschaft ist, so laß sie nun erhöhet werden. Handle nicht mit mir nach Strenge, sondern Gelindigkeit. Dann so du ahndest, was Unrecht ist, wer kan vor dir bestehen?

VII.

Du heilest meine Krankheiten, und erneuerst mein Leben; du beschützest mich schlafend und wachend. Ehre sey meinem Gott, dessen Augen niemals schlummern.

Fünfte Woche.

I.

Du weist mein geheimes Anliegen, wo mein Schmerz sich befindet, und worin mein Zweifel
|| [0140.01]
und Schwierigkeiten bestehen. Nach deiner gewöhnlichen Gnade, o Herr! vertreibe meine Finsterniß; überlaß mich nicht einer unglückseligen Verblendung, in einer Sache von ewiger Wichtigkeit. Dieses ist die Stunde, so mir zur Unterweisung und Ausübung gegeben: in dem Grabe läßt sich kein Fehler mehr bessern; wie der Baum fällt, so muß er ewig liegen.

II.

Deine Güte folget mir immer unermüdet nach, o himmlischer Vater! neue Proben deiner Treue verweisen mir meinen Unglauben: ich habe meine Bitte aufsteigen lassen mit einem zweiflenden Herzen, und du hast gnädig geruhet, meinen schwachen und unbeständigen Glauben aufzurichten, der oftmals gewanket und gefehlet, auch selbst, wann er den klärsten Beweis deiner Macht und Wahrheit vor sich gehabt.

III.

Es scheinet, du seyest entschlossen, meinen Unglauben ohne Entschuldigung zu lassen, indem du die herrliche Ueberzeugung von deiner Gnade und Wahrheit erneuerst. Ach laß nicht die Unwürdigkeit des Gegenstandes deine Güte von ihrem natürlichen Laufe abziehen.

IV.

Wie manche unvermerkte Wohlthaten sind mit meinen flüchtigen Augenblicken in Gedanken-loses Stillschweigen und lange Vergessenheit gegangen?
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Wie geneigt ist mein undankbares Herz deine Gutthaten zu vergessen, oder (ach, der erstaunenden Schuld!) sich undankbar zu erweisen?

V.

Ach laß mein falsches Herz nimmer wieder in Unglauben und Mißtrauen verfallen; du hast meine Thorheit bestrafet, und einen neuen Lobgesang in meinen Mund gelegt: Laß mir höllische Eingebungen aus dem Sinne kommen, so je wider die oft erfahrne Wahrheit Einwürfe machen wolte. Auch hierüber wolte ich triumphiren, und alle die Bosheit der Hölle verspotten. Es wird eine Zeit kommen, da du in deinen Heiligen herrlich seyn wirst, da deine Wahrheit und Treue in vollem Glantze erscheinen wird, da die Schönheit deiner Eigenschaft wird geoffenbahret und gerechtfertiget werden von allem Tadel, so die Gottlosigkeit der Menschen, oder die Bosheit der Teufel an deiner höchstgerechten Fürsehung gefunden.

VI.

Laßt mich annoch behaupten, daß die Wege Gottes vollkommen gerecht und wahrhaft sind: ich habe eine frische Probe deiner Güte zu rühmen, und doch will mein undankbares Herz auch jetzo so gar ein Mißtrauen fassen. Herr, vermehre meinen Glauben. Laß deine erneuerte Gnaden Bezeigungen meinen Unglauben hemmen, zu zeigen, daß der Herr aufrichtig: er ist mein Fels, und es ist keine Ungerechtigkeit in ihm.
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VII.

Lehret mich euere Sprache, ihr Diener des Lichts, auf daß ich meine Verwunderung und Dankbarkeit ausdrucken möge. O du, der du den geheimen Sinn meiner Seelen erklären kanst, nimm hin den Preis, den menschliche Worte nicht ausdrucken können; nimm an diese unaussprechliche Bemühungen, dich zu loben.

Sechste Woche.

I.

Laß mich fortfahren, o Allerheiligster! deine Treue und Wahrheit zu melden; laß sie ewig in Felsen gegraben; laß sie meiner Seelen unauslöschlich eingepräget werden - -. Was für ein Kunstgriff der Höllen ist es, der mich so oft zum Mißtrauen gegen dir versucht, und samt meiner angebohrenen Verdorbenheit deine Wahrheit in Zweifel zu ziehen trachtet.

II.

Ach möchte ich diese merkwürdige Errettung nimmermehr vergessen: Deine sanfte Hand unterstützte mich, und ich ruhete auf den ewigen Armen. Du hast alle meine Gebeine bewahret, kein eintziges derselben ist gebrochen: Deine Barmherzigkeit trug mich, auch selbst, da sie meine Unempfindlich- und Undankbarkeit vorher sahe. Wie erhöhet meine Schuld deine Gnade? Wie wunderbar ist deine Gedult, o Herr! und deine reiche
|| [0143.01]
Gnade, die mich nur gelind bestrafet, da du meine Sünden nach der Strenge hättest rächen können?

III.

Ich muß wieder die Erzehlung deiner Liebe anfangen. Du hast meinen Schmerz gemildert, meine Furcht vertrieben, und meine Tage verlängert: Ach möchte mein Wesen dir geheiligt seyn: Laß meine Wiederherstellung zu einem merklichen Dienst gereichen.

IV.

Ich finde deine Güte mit meinen flüchtigen Tagen erneuert, und sie zu verkündigen, soll meine freudige Beschäftigung seyn. Ich habe dir meine geringe Sachen anvertrauet, und du hast geruhet, einen glücklichen Fortgang zu verleyhen. Herr, was ist der Mensch, daß du ihn so gnädig ansiehest? Selbst meine Sünden, so dich stündlich zum Zorne reitzen, können den Lauf deiner Güte nicht hemmen; sie sieget fort gegen allen Widerstand meiner Undankbarkeit und Unglauben; und hast du nicht verheissen, o Herr! daß sie meinem Leben gleich laufen, und meinen Tagen gleich währen soll?

V.

Jesus, meine nie fehlende Zuversicht, ich habe deinen Namen angerufen, und du hast meine Hofnung völlig erfüllet: Laß meine Zunge deinen Ruhm stets verkündigen, laß mich bis zu meinem letzten Athem von deinem Namen sprechen. Du
|| [0144.01]
hast meine Furcht zerstreuet, und deine Gnade hat alle meine Hofnung überstiegen; mein schwaches und zweifelmüthiges Gebet ist nicht verworfen worden; aber ach! wie langsam bin ich zu deinem Preis, wie saumselig in meiner Erkenntlichkeit?

VI.

Ich habe dir niemals vergeblich vertrauet; Herr, vermehre meinen Glauben; stärke ihn, durch eine fortgesetzte Reihe deiner Wohlthaten: füge diese den übrigen bey, denn Glaube ist ein Geschenk Gottes, eine Gabe über die Vernunft oder Natur. Ich harre nun auf die Erfüllung einer Verheissung! ach erweise an mir deine Barmherzigkeit und Treue, thue diese einzige Probe noch zu den übrigen, und stopfe der Hölle und meinem eigenen Unglauben ewig den Mund.

VII.

Wie tief eingewurzelt ist dieses abscheuliche Grund-Wesen des Unglaubens, das nach so vielen aufgezeichneten Exempeln deiner Liebe, doch noch ein Mißtrauen in dich setzen kan? Wie lange wird es anstehen, ehe meine wankende Seele gänzlich auf dein Heyl trauen wird! o mein Gott, erbarme dich über meine Schwachheit, gib meinem Glauben neue Kraft, und laß mich ewig in dir ruhen. Ende.

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Gottgeweihte Herzens-Gespräche der Frau Rowe

in reimlosen Versen verfasset und in ungebundene Reden übersetzet aus ihren vermischten Werken.

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I. Herzens-Gespräch.

Wo bin ich? Fürwahr in dem Paradiese? Meine Seele, meine Empfindung und Sinne sind voll von deiner Vollkommenheit. Was die Natur immer schönes und prächtiges hat; was der blühende Frühling nur von Anmuth besitzet, sehe ich vor mir; und in dir geniesse ich alle die vergnügendste Lieblichkeiten. Ich weiß nicht, was ich sagen, oder wie ich mich ausdrücken soll? dann menschliche Worte verlieren alle ihre Kraft, Stärke und Nachdruck, und werden ganz unnütz, wann ich von dir rede, o du höchste Fürtreflichkeit, du GOtt der Götter: So hoch auch die Sprache dieser Götter, dieser gekrönten himmlischen Machten; so stark, so lieblich, oder laut sie auch seyn mag, so ist sie doch ganz unhinlänglich für dich; ob sie gleich so angenehm und reitzend wäre, daß sie auch selbst die Hölle in Freude, und durch ihre Anmuth die unbezähmte Verzweiflung, Zwietracht, und die völlige Verwirrung selbst in eine unbewegte Aufmerksamkeit, Ruhe, und Ordnung setzte. Wann wirst du doch dieses mißgünstige Gewölke vertreiben, und mir alle die schimmernde Scenen inwendig zeigen? Jene Himmel von Schönheit, und
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wesentlicher Herrlichkeit; jene Dinge, die noch nie irgend ein sterbliches Auge gesehen, noch ein Ohr gehöret, noch die kühneste Gedanken gefasset haben. Was werden dieses für Wunder seyn? Wie werden meine Kräfte, so weit sie auch sind, mit Entzückung und Liebe erfüllet werden? Wie werde ich ewig umher gehen in diesen ergötzungs-vollen Gegenden, diesen Pfaden, wo unaussprechliche Freude mit ihrem erfreulichen Gefolge wandelt, und die frölichen Stunden beflügelt. Kommet, ihr triumphirende Augenblicke! Komme heran, o du herrliche Zeit! wo meine Augen hinstarren; um welcher willen ich allstündlich der Sonne, dem Monde, und zauderenden Sternen ihren langsamen Lauf vermehre. Du Ende aller meiner Betrübniß; du glückseliges Ziel, der Sorge und Quaal, und alles menschlichen Uebels!

II. Herzens-Gespräch.

Entledige mich der mühseligen Sterblichkeit, und laß mich nun das göttliche Leben anfangen. Ich bin krank vor Sehnsucht, in das Geraume zu kommen - -. Was hindert es? dein Geist ist nicht eingeschränkt, du kanst dein Geschöpfe so hoch erheben, als du wilt. Ganz unverdient haben die höchsten Chöre droben ihre Flamme und Reinigkeit von dir empfangen. Ich darf dem Allerhöchsten keine Bedingungen fürschreiben, noch mich irgend worinnen rühmen, als meines Mangels und meiner Dürftigkeit. Laß mich arm, bedürftig, und niedrig, oder was es wolle seyn,
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damit du mögest verherrlichet werden. Soll ich mich rühmen, so laß mich darinnen Ruhm suchen, daß ich keinen Anspruch machen, und keine Belohnung fordern kan. Deine Güte sey ganz frey! gib auf eine dir geziemende göttliche Weise, und laß deine eigene Herrlichkeit die Fürschrift seyn! dein unendlicher Vorrath bleibet unvermindert, und eine ewige Freygebigkeit kan ihn nicht verringern. Warum soltest du dir selbst die Hände binden, und deiner eigenen ruhmwürdigen Natur Einhalt thun; als welche nichts dann überfliessende Liebe und lauter Gutthätigkeit ist. Es ist dein Vergnügen und Ruhm, Seelen, die nach dir dursten und schmachten, Schätze von Weisheit, Leben und himmlischer Liebe auszutheilen. O du kanst deinen reichen Vorrath nimmer verthun! Die Sonne, so von ihrer glänzenden Höhe herab schauet, und die ganze Natur mit Segen erfreuet, und auch dem geringsten Wurme ihre Strahlen nicht enthält, die Sonne ist nur ein schwaches Bild von dir. Millionen seliger Geister schöpfen aus deiner Gnade Leben und Vergnügen; und doch fliessen die Quellen, die frischen und immer quillende Brunnen der Freude unabläßig ohne Abnahme. - - Du, o herrlichstes Wesen, bist dir selbst allgenugsam, du bist der Inbegriff und die Fülle deiner eigenen Seligkeit; und kanst du nicht geschaffenen Geistern, so weit auch ihre Wünsche gehen mögen, ein Genügen leisten?
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III. Herzens-Gespräch.

Lasset Gott, auf den ich mich berufen darf, lasset Gott, meinen grossen Richter hier Zeuge seyn! Decke du meine Seele in ihrem innersten Grunde auf, so wirst du keinen Mitbuhler, kein Bild, als dein eigenes finden. So gewiß liebe ich dich, daß ich meine Unsterblichkeit und ewige Wohlfahrt auf diese hohe Wahrheit setzen dürfte. Ist dieses mein Daseyn wirklich, oder nur ein Traum? Ist das Licht, ist das Leben, oder ist der geheiligte Name der Tugend etwas theures? Liebe ich die Glückseligkeit? Ja! gewißlich! und o! eben so gewiß liebe ich auch meinen Gott. Wann dieses keine ausgemachte Wahrheit ist, so habe ich weder Athem, noch Hofnung, noch Furcht; so weiß ich nicht wo, und weiß nicht, was ich bin, sondern schwebe in Ungewißheit und Zweifel. Ist das nicht wahr, warum habe ich dann meine Augen vor aller Schönheit der Welt zugeschlossen? Warum habe ich meine Ohren vor allem Zuruf die Ehre und Wollust verschlossen? Warum fliehe ich der Lustbarkeit? Warum verschmähe ich die Freude und Ergötzlichkeiten der Gesellschaft, so, daß ich mit Entsagung alles dessen meine Stunden, und alle meine Gedanken dir aufopfere? Gebt mir, rufe ich, meinen Gott, den Schatz meiner Seele, gebt mir nur meinen Gott, so liegt mir nichts an der Welt! Alle mein Vergnügen bestehet in deiner Liebe. Weder Erde, noch Himmel, noch der höchste Himmel droben, kan mir ausser dir eine Seligkeit gewähren, die diese unendliche Begierden begnügte: nein, du bist
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aller Trost meines Lebens; wann du nur sagtest, du habest kein Gefallen an mir, siehe! hier bin ich - - aber ach! das elendeste und unglückseligste Geschöpfe, so nur die Schöpfung nennen kan. Dann ich muß dich dennoch lieben, wie du auch mit mir handelst; ich muß dich dennoch immerhin lieben, um deiner eigenen Vollkommenheiten willen, und nach dir schmachten in - - Ewigkeit.

IV. Herzens-Gespräch.

Kan ein Verliebter, den die reitzende Kraft sterblicher Schönheit besieget, Gebüsche, Felder, Flüsse und alle die schimmernde Sterne, zu Zeugen seiner unwandelbaren Treue und Liebe anrufen; da doch der schwache Gegenstand seiner gerühmten Treue, gleich einer bunten Blume verwelket und vergehet; und soll mein Herz, das mit himmlischer Liebe angeflammet, Zweifel hegen, dieweil ich der ersten Fürtreflichkeit und göttlichen Schönheit eine ewige Treue angelobet? Soll ich mit Bedingung sprechen? soll meine Zunge mit Vorbehalt reden, und nur einen halben Beyfall geben? Nein; laßt mich die nachdrücklichste Art ausfindig machen; über alle den Menschen bekante Verpflichtungen, und alle menschliche Verbindungen; so feyerlich, als wann ein mächtiger Engel seine Hand gen Himmel aufhebet, und mit einem Eyde bey dem lebendigen Gott schwöret. So laßt mich meine Seele verpflichten - - und o! gebt Zeugniß, ihr himmlischen Diener, (denn ihr umringet und heiliget den Ort, wo heilige Gelübde
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gen Himmel aufsteigen,) gebt Zeugniß, wann wir an den Ufern der Unsterblichkeit, wie es bald geschehen wird, zusammen kommen; seyd ihr meine Zeugen! dann die feyerliche Stunde nahet heran, da ich entweder mit triumphirender Freude, oder gröster Bestürzung euer freundliches Lob, oder gerechte Bestrafung hören werde: euere gerechte Bestrafung, wann ihr mich falsch befindet; wann dieses zärtliche Herz, durch irdische Reitze bestricket, untreu werden, und seine heilige Gelübde, und reine Flamme beflecken solte. O du! vor dessen allsehenden Auge meine Seele ganz blos lieget, auf dich darf ich mich berufen: wann du nicht meine höchste, meine einige Freude bist, so laß den geheiligten Frieden immerhin meine Brust fliehen, und die Ruhe ewig davon weichen. Es müsse kein lieblicher Schall meine Ohren ergötzen, wann dein geliebter Name nicht der süsseste Ton, und die anmuthigste Musik für sie ist. Laßt meine Augen keine Schönheit mehr sehen, benimm ihnen die Sonne, und was nur ihre Strahlen angenehmes zeigen, wann ich jemals an der Natur etwas schönes ausser dir finde. Laß alle meine Hofnung und Freude zu nichts werden, wenn sie nicht auf dich gerichtet. Ja! ich wolte fast noch kühnere Ausdrücke gebrauchen, und sagen, du soltest mir alle künftige Hofnung zur himmlischen Seligkeit abschneiden, wann deine entzückende Huld nicht das Hauptwesen und Gewichte von aller dieser Seligkeit ist.

V. Herzens-Gespräch.

Ich liebe dich - -. Hier hat die Sprache mit allen ihren prächtigen Ausdrücken eine Ende, und
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läßt die unaussprechlichen Gedanken unausgedruckt zurücke; Die Beredsamkeit der Menschen, die Kunst der Musen, ihre liebliche Zusammenstimmung und anmuthiger Sylbenklang weichen. Was für Namen von Zärtlichkeit und Liebe, was für heilige Verbindung die Natur immer weiß, sind alle zu schwach, ein himmlisches Feuer zu beschreiben. Aber o! darf ein athmender sündhafter Staub von Liebe und heisser Inbrunst mit dir sprechen? mit dir dem Allerhöchsten, der du in den Höhen der Herrlichkeit thronest, wohin kein menschlicher Gedanke reichen kan? Soll ein elender Mensch, der in dem Staube wohnet, der die Verwesung für seinen Ursprung erkennet, und wie Graß verwelket, solle er sich unterwinden, mit Herz und Lippen, so ungeheiligt, über Dinge zu reden, woran die heiligen Seraphinen selbst mit ihren Lauten stehen bleiben; und mit einem angenehmen Stillstande bekennen würden, ihre Herrlichkeit sey zu groß für Worte, und auch Unsterblichen durch ihre Beredsamkeit auszudrucken unmöglich. Doch muß ich nach unendlichen Dingen trachten; dann o! mein von Liebe krankes Herz ist voll von dir. Getümmel, Einsamkeit, Feld, Tempel, alle Oerter sind gleich heilig, wann meine Zunge deinen Namen demüthig anrufet, und sich in jedem zärtlichen Seufzer mein Leben, meine Seele, ja mein ganzes Herz zu dir ausläßt.

VI. Herzens-Gespräch.

Laß, o Brunnquell der Liebe, meine entzückte Seele ewig deine ergötzende Ströme geniessen, und sich
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in den weiten Abgrund, die Fülle der Freuden einsenken; wo alle diese unermessene, und unendliche Begierden sich in einem ewigen Ueberflusse und vollkommenen Genuß verlieren werden. O mein liebster Gott! habe ich eine eintzige Freude, oder nur einen Gedanken von einer Glückseligkeit ausser dir? Begnüge ich mich? ob du gleich meine Jahre mit erfreulichem Ueberflusse und lauterem Friede gekrönet hast. Setze ich nicht die Freude und den Trost meines Lebens gänzlich in deine Huld, und allein in deine Liebe? Was tauget mir diese eitele, und eingebildete Scene sterblicher Dinge? Meine Gedanken sehnen sich weit über die Gräntzen umlaufender Kugeln. Die Welt ist mir gekreutziget und ertödtet, und ich bin allen ihrem leeren Scheine todt; Aber o! nach dir schmachtet meine Seele mit brünstigen und unbeschränkten Wünschen: für dich erwecket sie ihre gesamten Kräfte. Was nur ein Verlangen erregen, oder Vergnügen geben, oder allen Wünschen ein völliges Genügen thun kan, das findet sich in dir, du unendlicher Abgrund von Entzückung und Leben? Wie gehet meine Seele in diesen weiten und unermeßlichen Freuden umher? Wie entfallen mir alle Gedanken ausser dem deinigen, so daß ich auch meiner selbst vergesse, ja alles vergesse ausser dir, dem herrlichen und ewigen Gegenstande meiner Beschäftigung. Du wirst, und sollst meiner Seele eingepräget und gegenwärtig bleiben bis in den Tod; und nach dem Tode werde ich, so lange nur mein Wesen dauert, in alle Ewigkeit meine ganze Aufmerksamkeit unver
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wendet auf deine prächtige Vollkommenheitenrichten.

VII. Herzens-Gespräch.

Ach zerwehe diese Wolken, und laß mich jene ferne Herrlichkeit sehen, die der Magnet meiner Liebe ist. Es muß mir ein Genügen geschehen, diese Sehnsucht muß gestillet werden, und diese unendliche Begierden müssen entweder einen Gegenstand finden, oder du hast dein edeldestes Werk vergebens gemacht. Die Thiere sind glückselig; sie erreichen das ihnen nach dem Laufe der Natur gesezte Ziel; sie erlangen, was ihre Sinnen begnügen kan, und suchen und hoffen keine höhere Seligkeit; in dem sie nichts wissen von dir, dessen mächtiges Wort ihre mancherley Stämme aus dem leeren Nichts herfür gerufen; dann da sie weder deinen Namen, noch ein höheres Gut kennen, so sind sie zufrieden. Aber der Mensch, der einer unsterblichen Seligkeit fähig, strebt, obwol ungesehen, nach einem unendlichen Gegenstande; und kan nur da die Ruhe finden, welche er suchet.

VIII. Herzens-Gespräch.

Mein grosser Erlöser lebet! ich weiß, er lebet! Ich fühle diese heilige und entzückende Wahrheit sich freudenvoll in meiner Seele regen: Er lebt, meine Sache droben, so unwürdig ich auch bin, zu treiben. Er erscheinet daselbst, Fürbitte für mich zu thun.
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Mein Bürge ist in der Höhe, und der hochgelobte heilige Geist, gibt inwendig ein huldreiches Zeugniß; Eine göttliche Stimme, und ganz himmlische Wahrheit! Ich stimme ihr freudigst bey; triumphirende Hofnung und himmlischer Trost erfüllen meine Seele. Ich muß, und ich will frolocken; Gott selbst ist meine überschwengliche Freude: Seine Gnadenblicke erfreuen Himmel und Erde; und alles Gewölke, das die mir im Gewissen bewußte Schuld über meine bebende Seele ausgespreitet, verschwindet vor diesen gnädigen Augen, woraus nichts als Versöhnung blicket. Ihr Kräfte der Finsterniß, wo sind alle euere Drohungen? Sagt euere Anklagen frey heraus, und leset die schwarze Beschuldigungen her; ich gestehe, es ist ein erschreckendes, und entsetzliches Verzeichniß; aber wer kan verdammen, wann Gott rechtfertiget? wer wird beschuldigen, wann er frey losspricht? Er nennet mich selig, und was für eine übelgesinnte Kraft kan den ausgesprochenen Segen hemmen, und die Seligpreisung zernichten? - - Weder Leben, noch Tod, weder unergründliche Tiefe unten, noch unendliche Höhe droben, soll mich von seiner ewigen Liebe scheiden.

IX. Herzens-Gespräch.

Wo ist das Großsprechen der Natur? Wo ist ihr Ruhm, wann die Vernunft mit einem demüthigen Blicke einwärts schauet, und ein heiliges Urtheil meine Aufführung nach den vollkommenen Gesetzen Gottes abmisset?
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Aber ach! laß meine Missethaten nicht zum Andenken vor dir stehen, und ziehe mich nicht zur Rechenschaft, du gerechter Richter; denn wer kan die Antwort geben? Kan ein sterblicher Mensch gerecht seyn? Kan derjenige wohl rein seyn, der in dem Fleische wohnet? Wann du meine verborgene Schuld untersuchen soltest, so bin ich verlohren; aber wo du mir die unzehlbare Menge meiner Sünden verzeihest, so wird die Ehre dir zugeschrieben werden, als dessen Güte keine Gränzen hat; dann du bist ungebunden, und unumschränkt in allen deinen Wegen; keine Fürschrift setzt dir Schranken, als deine eigene vollkommene Natur. Ich vergehe, dieser eitele Schatten leistet dir die schuldige Verehrung, und verschwindet in Nichts, dieses ist mein Theil; ich bin zufrieden, wann du nur verherrlichet wirst! deine Gnade ist frey, deine Gunst unbeschränket: was auch mein Ehrgeitz sich rühmen möchte, so kan doch meine Gerechtigkeit dir niemals nutzen - -. Die Heiligen droben, die höchsten Engel sind nicht untadelhaft und ohne Fehl in deiner herrlichen Gegenwart. Ach bemerke meine so häufige Mißhandlungen nicht genau, und frage nicht, was mir gebühre, sondern was deinem hohen Namen, deiner Herrlichkeit, deiner Huld, und mildreichen Eigenschaften gezieme: Handle nach den Höhen der göttlichen Gnade, damit die Ehre und das Heyl dir allein zugeeignet werde.

X. Herzens-Gespräch.

Wann wird doch die Reise ein Ende nehmen?
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wann wird dieser müde Lauf, diese verdrießliche Pilgrimschaft aus seyn? Es ist nichts als Sünde, Schuld, Irrthum, Schatten und Finsterniß! Die Hölle leget Stricke für einen jeden Schritt, und ich werde straucheln, fallen, und zu Grunde gehen; wann du nur einen Augenblick dein grosses Amt unterlässest, und mich mir selbst übergibst, so wird mein verrätherisches Herz alle die zukünftige unermessene Freuden, die Gunst Gottes, und die Entzückungen seiner Liebe für Tand, Nichtswürdigkeiten, Schlacken und eitele Träume dahin geben. Meine Feinde sind wachsam, mein thörichtes Herz, das allzuleichtfertig, unverwahrt, und sicher ist, läßt sich von der tödtlichen Arglistigkeit dieser höllischen Kräfte, die meinen Untergang suchen, leichtlich beykommen. Aber du kanst die Stricke zerreissen; und bis hieher hat der Herr geholfen: Dir allein sey die Ehre! ach laß mich nicht zuletzt deinen heiligen Wegen Unehre oder Schmach zuziehen. Du kennest meine Thorheit, Ohnmacht und Schuld, und du weist, wie verdorben meine edlere Kräfte sind, und wie sehr sich dieser sterbliche Theil widersetzet, wann meine Gedanken sich erheben, und auf dich richten wollen. Ach führe meine Seele aus diesem verhaßten Kerker in die Freyheit, so soll dich meine Zunge preisen.

XI. Herzens-Gespräch.

Komme zu meiner sehnsuchtsvollen Seele, damit ich meine Vereinigung mit dir in unsterblicher Liebe erkennen möge: Dieses ist die geheime Spra
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che meines Herzens. Ich darf dich zum Zeugen nehmen, mein grosser Richter, dessen Augen meine innerste Gedanken durchdringen; du bist mein erstes Verlangen, und mein stärkster Wunsch: diese unaufhörliche Bewegungen, diese wiederholte Seufzer gehen alle auf dich; auf dich zielen diese unvollkommene Schwunge, diese aufwärts gerichtete Betrachtungen, diese öftern Blicke nach den entfernten Sternen; ich wolte gern über jenen blauen Vorhang hinaus sehen, und die entzückende Herrlichkeit inwendig schauen. Löschet euer schnödes Licht aus, ihr umlaufende Kugeln! könte ich nur jene hellere Welten darüber sehen, so wolte ich freudigst der Sonne und den Sternen, samt allen den Schönheiten, so ihre Strahlen entdecken, gute Nacht sagen. Ich bin müde, ich bin krank und überdrüßig aller dieser nichtswürdigen Dinge, dieses leeren Scheins, und dieser eiteln Lustbarkeiten der Welt; du bist meine einzige Freude; meine Seele bezeuget nochmals ihre erste, frühzeitige, und herrliche Wahl, unter Bekräftigung mit meiner Hand, (siehe, mein gegenwärtiger Richter, dann du bist hier ein Zeuge meiner Wahrhaftigkeit,) unter Bestätigung mit meiner Handschrift, nehme ich dich für mein Loos, für meine gegenwärtige Seligkeit und alle meine künftige Hofnung. Ich verschmähe alle geringere Güter, und sehe die vergänglichen Dinge mit Verachtung an; theile sie aus, wie, und wem du wilt; du selbst, deine Huld, und der vollkommene Genuß deiner Liebe ist es, wornach meine schmachtende Seele trachtet: die gesamte
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Herrlichkeit und Wonne des Himmels, könte mich ausser dir nicht selig machen, oder diese weite Begierden füllen.

XII. Herzens-Gespräch.

Die Stunde, die letzte bedenkliche Stunde muß kommen, o laß mich ihr mit Hofnungs-voller Freude entgegen eilen! Laß den König des Schreckens nicht fürchterlich aussehen, noch meiner Seelen eine unangenehme Zeitung bringen? Wenn alle die Quellen des Lebens abnehmen, und schnell zum Tode versiegen; wann die Natur ganz ermüdet, zitternd und schwach durch das finstere Thal tappet, und menschliche Hülfe nicht die geringste Unterstützung gewähren kan; so müsse alsdann die ewige Liebe meine Seele mit göttlichem Labsal stärken; dann schaue der mich gnädig an, dessen Huld die Schatten der Hölle mit Wonne erheitern, und alle ihre Dunkelheit vertreiben kan. Vergiß meiner nicht in der höchstwichtigen Stunde; gedenke an diese ernstliche Seufzer, und betrachte gütigst das lange Denk-Register demüthiger Gebeter, die zu deinem Gnaden-Thron hinauf geschicket worden: Du, der du auf einmal das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige siehest, gib eine geneigte Antwort in dem traurigen Augenblicke, wann alles andere fehlen wird. - - Kein Freuden-Schall, keine Schönheit, keine Anmuth wird etwas helfen; weder die Sonne, noch funkelnde Sterne, werden einen holden und freundlichen Strahl geben, um die Dunkelheit des Todes zu erhalten, oder die Seele zu erfreuen.
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Alsdann müsse die Sonne der Gerechtigkeit mit ihrem aufklärenden Lichte aufgehen, und die Aussicht jenseit des betrübten Schlundes helle seyn; laß mir Strahlen der Herrlichkeit entgegen kommen. - - - Trotz der Hölle, an jenem Triumph-Tage; o laß mich zum Beschlusse die Hölle mit ihrer Wuth heraus fordern, und dem Lamme ewig Heyl singen.

XIII. Herzens-Gespräch.

Du liebenswürdiger Vorwurf meiner äussersten Hofnung, so viel auch meine Seele nach ihrer grossen Weite von Glückseligkeit fassen kan! Ich möchte gern diesen Augenblick alles irdischen Vergnügens los seyn, und in Gott allein meine Freude haben. Hier möchte ich immer in das Reich der unermessenenGlückseligkeit ausgehen, und aus dem Brunnen des lautern Lebens bey der reinen ursprünglichen Quelle trinken. O du, der du meine Seele durch ein sanftes, aber gewisses Band der ewigen Liebe gezogen hast; ziehe mich ferner an, bringe mich dir nahe, und laß uns nimmermehr von einander scheiden! - - wie erschrecklich wäre das Gericht, das meiner Seelen alle ihre Seligkeit benähme? Unglückselige Trennung! ach daß dieses mir nie wiederfahren möchte! Laß die dunkele Vergessenheit diesen schwachen Funken des Lebens auslöschen: Tilge, aus Barmherzigkeit tilge lieber mein Wesen, als daß du meinen Namen aus dem Buche des Lebens tilgest! Was für Angst, was für Noth würde mich befallen, wann ich leider! von dir scheiden müßte; die
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Wuth der Höllen, ein ewiges Feuer würde die zarte Empfindung, und das rege Gefühl meiner Seelen ewig nagen. - - Recke vielmehr deine mächtige Hand aus, und zermalme mich in nichts; zum wenigsten lösche dein Bild aus meinem Herzen, jene Züge einer göttlichen Fürtreflichkeit: O peinlicher Anblick! wann ich niemals dazu gelangen soll, so laß mich dich und mich selbst vergessen: laß mir alle deine vorige Gunst-Bezeugungen aus dem Sinne, und jene selige Stunden mir nicht mehr ins Gedächtniß kommen, die ich in einer süssen Gemeinschaft, und vergnügten Umgange mit meinem Gott zugebracht habe. Stellten sich diese entzückende Scenen meinem Gemüthe wieder dar, so würde ich gewiß mir fluchen und den Heiligen Hohn sprechen, die in deinem Tempel wohnen, und dein Angesicht schauen. Vielleicht würde diese Zunge (o Weh alles Wehes! die tiefste Tiefe, und das schrecklichste von der Verdammniß!) vielleicht würde diese Zunge, durch höllische Wuth getrieben, deinen Namen mit ruchlosen Lästerungen verletzen; den theuren, verehrenswürdigen, entzückenden Namen, den Namen der in das innerste meiner Seelen eingepräget, und nun alle meine Freude, und letzte Hofnung ist.

XIV. Herzens-Gespräch.

Ziehe mich, ach ziehe mich! so werde ich alsdann eilfertigst und unermüdet die heilige Bahn, welche dein Wort weiset, laufen; aber wann ich nicht von dir in Bewegung gebracht werde, so mag ein unbeseelter Erden-Klumpe eben so leicht aufsteigen, und
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sich nach dem hohen Himmel senken; diese kalte, und gefühllose Steine mögen eben so leicht rege werden, eben sowol eine lebendige Stimme bekommen, und dich Vater nennen. Ich lebe, ich webe, aber so fern deine belebende Kraft sich äussert, und mein Wesen beseelet; so lange, als du mich ziehest, kan ich mich bewegen, und nicht länger. - - Dann ich bin schwach und eitel, meine Natur ist aus ihrem ersten Stande der Heiligkeit und Gnade gefallen, und ist hülflos, und mangelt alles Guten: Aber solchergestalt verlasse ich mich demüthigst auf dich, und erflehe dich um gnädige Hülfe; um Weisheit, der Arglist meiner höllischen Feinde zu entrinnen, die allstündlich wachsam meine Tritte beobachten, um mich in tödtliche Stricke und Labyrinthe der Finsterniß zu verleiten. - - Nimm mich bey der Hand, und leite mich gütigst auf dem gefährlichen Pfade des sterblichen Lebens dieser dunkeln Pilgrimschaft: wo du, mein grosses Licht, und sicherer Leitstern, dich entziehest, so gerathe ich in die Irre, und gehe unvermeidlich zu Grunde. Und ach! es ist ein tiefes Verderben, und ein ewiger Untergang; ein Verlust (o bestürzender Gedanke!) ein Verlust, der in alle Ewigkeit nie zu ersetzen; der Verlust Gottes, und aller der unermeßlichen Freuden, der unsterblichen Entzückung, die seine Gegenwart verursachet.

XV. Herzens-Gespräch.

Meine Augen haben dich nie gesehen, noch mein Herz die Wunder deines Angesichtes gefasset; und ob du gleich unsichtbar, so ziehest du mich doch
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an, und erregest in mir die brünstigste Liebe. Ich lebe in dir, in dir allein bin ich selig; du bist mein liebster Gedanke; meine Seele hüpfet vor Freuden, sie rühmet sich in dir, und triumphiret den ganzen Tag. Daß du glückselig bist, gibt mir ein vollkommenes Vergnügen; ich ruhe in dir. - - Lasset Königreiche untergehen, du verordnest ihren Fall; oder laßt sie entstehen, so geschicht dein Wohlgefallen. - - Sey du ungebunden und vollkommen frey! - - Ich stimme freudigst ein mit allen den Engeln, die fußfällig vor deinem Throne liegen; dein Wille geschehe ohne Anstand! dann o! er ist billig, und alle deine Wege sind gerecht. Man verehre dich ewig in den Höhen der Majestät! deine Hoheit und Grösse macht mich aller Herrlichkeit der Erde verachtend; daß du schön bist (o wie göttlich schön) ergötzet und entzücket meine Seele mit frischer und immerwährender Wonne. - - Wie freuet es mich, zu finden, daß du alle Vergleichungen übertreffest, und an Fürtreflichkeit allem weit vorgehest, was deine Hände schönes gemacht haben: selbst die Seraphinen in ihrer unvergänglichen Blühte, jene Morgensterne, die erstgebohrne Lieblinge und Krone des Himmels, wo man sie einmal mit dir vergliche, so würde ihr hellester Glanz und stärkester Reitz vergehen, und bey deinem Anblicke verschwinden.

XVI. Herzens-Gespräch.

Ich werde dich nicht lassen; heisse mich nicht fortgehen, weise mich nicht ab, dann ich werde keine abschlägige Antwort annehmen. So wahr du lebest,
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will ich dir immer nachjagen, und dich nimmer von mir lassen: dieses ist mein unwandelbarer Schluß, mit dir zu kämpfen, bis ich den Segen erlange. Es kan mir nicht versaget werden; dein Wort ist da, es ist versiegelt, und mit deiner Genehmhaltung befestiget; du bist verbunden, verpflichtet, ja gezwungen durch deine selbst eigene Güte, und untadeliche Wahrhaftigkeit, meinem bittlichen Schreyen ein gnädiges Gehör zu geben. Ich komme, ich dringe durch die Kraft des Glaubens in das Heiligthum; durch das Blut der Versöhnung liege ich auf meinen Knien, und flehe mit demüthigster Verehrung vor deinem Stuhle, meine grosse Bitte und Ansuchung ist, durch das Verdienst meines Erlösers deine Gnade zu erhalten: hier ist der Weg, wodurch ich zu deinem Throne nahen möchte. Ach laß mir es nie fehl schlagen, wenn ich dich bey dem herzerquickenden Namen anrufe, jenem Namen, den ich auf deinen eigen Befehl gebrauche; es kan auch nicht vergebens seyn. - - Du hast dein Wort gegeben; du kanst dich auch nicht anderst besinnen, oder dich verleugnen, noch deinen Vorsatz ändern, gleich dem schnöden und leichtsinnigen Menschen. Die Erde wird ihre Gestalt verwandeln, die glänzenden Himmel ihr Licht verlieren, und in Schatten verschwinden, aber nicht ein Tipflein deines heiligen Worts wird denen fehlen, die auf dich vertrauen. Weiche, o gottlose und unglaubige Furcht! Ich bin, wie ich es frey bekenne, eine Sünderin, die nicht die geringste Achtung von dir verdienet; dir wird eine unsterbliche Ehre zuwachsen, wann eine solche nichtswürdige Creatur, wie ich, durch ein Urtheil des höch
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sten und unumschränkten Willens vor deinem Angesichte freygesprochen wird; nachdem ich gereinigt worden von meiner Schuld durch eines Erlösers Blut, den Balsam, der alle innere Wunden heilet. - - - Meine Lippen sollen nach himmlischer Art erzehlen, was deine Gnade gethan, Ewigkeiten hindurch soll dich meine frohe Zunge darüber preisen; eine unendliche Dankbarkeit wird meine Seele rühren, und alle ihre edlern Kräfte erweitern.

XVII. Herzens-Gespräch.

Verschwindet ihr Zweifel, und laßt mich dem Höchsten, die seinem ewigen Namen schuldige Ehre geben, durch standhafte Treue, Hofnung gegen Hofnung, und Glaube über Glauben! dann der, so es gesagt, kan es auch erfüllen: sein Wort zernichtet, was ist, und schaffet, was nicht ist; er kan seine ewige Vorraths-Kammern aufthun, und unermessenen Segen über mich ausschütten. Warum soltest du dich selber einschränken? warum soltest du den heiligen Trieb deiner glorreichenNatur hemmen? dann du bist die höchste Liebe, die wesentliche Liebe, und meine Unwürdigkeit selbst kan dir nicht widerstehen. Soll sich der sündhafte Mensch durch seine Sünde groß machen, und den Lauf deiner allmächtigen Gnade hintertreiben? Soll Staub und Eitelkeit den Fortgang deiner Allmacht hindern, und der freyen unumschränkten Güte ihren Ruhm abschneiden? Liebe ist dein Leben in seiner überschwenglichen Höhe, und höchsten Vollkommenheit. Dein ewiger
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Sinn in seiner unergründlichen Weisheit hat sie zum Ziel aller deiner herrlichen Werke gesetzt: und sie wird siegen und triumphiren über alle Hindernisse, die ihren Lauf zu hemmen scheinen. In dieser entzückenden und lieblichen Gestalt, der Huld und Zierde deiner Natur, laß mich deine Gnaden-Bezeigungen sehen und nehmen: hier kan ich triumphiren, hier erhebt sich meine Hofnung hoch; sie weiß von keinen Schranken, sondern faßt, als unendlich frey, die selige Ewigkeit in ihrem ganzen Umfange.

XVIII. Herzens-Gespräch.

OGott der Ewigkeiten! betrachte mein Leben, das kaum einer Hand breit, siehe, was für ein kurzes Ziel du ihm gesetzet! wie mein eiteles Daseyn, und schnödes Wesen gleich einem Schatten und dahinfahrenden Wolke fliehet! Doch hanget meine ganze unermeßliche Hofnung und künftige Wohlfahrt für unendliche Zeiten von dieser engen Spanne, diesem kleinen Bächlein der Zeit ab: und ach! wie schnell läuft der schiessende Strohm! Nichts hält ihn zurück in seinem immerwährenden Laufe; so eben streichen meine Augenblicke schleunigst vorbey; ewig, ewig sind sie dahin! Ich sterbe mit jedem Athem-Hauche. Nicht der geringste Theil meiner schnöden Dauer läßt sich zurücke holen, was dahin, ist unersetzlich. - - Aber ach! es beruhen Dinge von ewiger Wichtigkeit darauf: diese Spanne des Lebens, diese mir zuerkannte kurze Spanne ist alles was mir für eine unsterbliche
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Seele, auf ihre Gefahr hingegeben worden; himmlische Kronen und Reiche werden fürgehalten, und ach! wann sie einmal verscherzet, so sind sie nicht mehr zu erlangen. Dieses Nun, dieses vergängliche flüchtige Nun, das jetzo zugegen, begreift mein Alles in sich; doch gehet meine Seele leichtsinnig über diese erschreckliche Wahrheit hin, und läßt ihre matte Kräfte kaum zu einiger Wirksamkeit dadurch reitzen. Doch muß eine genaue Rechnung abgelegt werden, wann der grosse Tag, der Tag der Rechenschaft kommt: die feyerliche Stunde nahet heran, und mein Gerichte schlummert nicht; es wird bald meinen ewigen Stand entscheiden, und dabey muß es in alle Ewigkeit verbleiben.

XIX. Herzens-Gespräch.

Odu! dessen herrliches, und allsehendes Auge alle die mißlichen Wege, so ich vor mir habe, bemerket; der du von Mutterleibe an mein Führer gewesen, und mich durch die mannichfaltigen Abwechselungen des Lebens geleitet, verbirg dich nun nicht in dunkeln Schatten, sondern laß mich deinen heiligen Willen deutlich wissen, damit er mir in der Irre und Ungewißheit des sterblichen Lebens zu einer Richtschnur diene, und die Hölle mich nicht betrüge, dann ich bin ganz dein; du weist, ich habe mich deinerFurcht gewidmet; dann diese meine Seele, deren Geheimnisse du sagen kanst, berufet sich auf dich. O! du siehest die ferneste Absichten meiner Gedanken, und bist mein grosser Zeuge, wie aufrichtig, wie vollkommen mein Wille dem Deinigen ergeben.
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Siehe mich hier auf deine Befehle warten, mit demüthiger Unterwerfung, ach! siehe mich hier ganz aufmerksam auf deine Stimme, in tiefer Stille merke ich auf den Ton, und erwarte deine heiligen Befehle. - - Ach, verordne und bestimme alle meine Schritte, und bezeichne meinen Pfad! dann ich bin blind, und zur Eitelkeit geneigt. Die Kräfte der Hölle verbinden sich mit meinem eigenen Herzen, mich in Sünde und tödtliche Stricke zu verleiten: aber verlaß mich nicht in den letzten finstern Gängen, beym Beschlusse. Laß ihn ganz heiter seyn; Laß ihn in Werken der Liebe und Lobpreisung zugebracht werden, um mich zu den Entzückungen im Himmel vorzubereiten. Wie die aufsteigende Sonne an neuem Pracht zunimmt, bis sie am hellen Mittage in völliger Vollkommenheit scheinet; so laß mich den höchsten Gipfel der Tugend erreichen, den die schwache Sterblichkeit erlangen kan: alsdann laß mich in Herrlichkeit und Freude untergehen. Laß mich Triumph- Lieder singen: Dein sey die Krone, dein allein, o erlösende Gnade, sey der Preis!

XX. Herzens-Gespräch.

Ich habe dein Wort, du kanst es nicht zurücke ziehen, ich habe deinen Eydschwur, bey deinem eigenen grossen Namen bezeuget und bekräftiget. - - Herr! es ist genug. Meine unglaubige Furcht ist ganz überwunden. Gott meiner frommen Väter! der du ihnen deine Liebe zugewandt, und ihre unwürdige Nach
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kömmlinge, ja mich, die geringste in deinem ganzen Hause, erwehlet, um deine sonderbare Gnade zu verherrlichen: dann deine Wahl ist frey, und dein Wille ungebunden; was deinem unfehlbaren Rathe gefallen, hast du gethan. Ach denke an alle deine gütige und gnädige Worte; und was dein Mund gesprochen, das laß deine Hand in allen Stücken erfüllen, damit nichts fehle! dann du bist reich an Gnade, ob ich schon arm an Verdienste bin, und nichts rechtmäßig von dir fordern kan. Ich darf es nicht als eine Schuld begehren; doch hast du geschworen, ja geschworen bey der Ehre deiner Heiligkeit, daß du mich keineswegs betrügen wilt. Es ist dir alles möglich, auch selbst meine Unwürdigkeit kan dich nicht hindern, noch dir im Wege stehen. Es kommt nicht darauf an, was ich bin, sondern was du bist, und was dein gnädiger Einfluß ausrichten kan. Kan Staub und Asche etwas vor dir verdienen? die höchste Heiligkeit und Majestät kan keine Verdienste sehen in dem Thon, den sie gebildet. Aber ach! was für Gränzen hat die unendliche Güte? Was für Schranken sollen die allmächtige Liebeeinschränken? die in allen Dingen nach ihrem Rathe wirket, und durch ihre eigene Gütigkeit beweget wird; die Quelle, die ewige Quelle, woraus alle die herrliche Grund-Risse, und kluge Entwürfe entstanden, welche die Liebe nach ihrer Allmacht machen konte. Ihr unaussprechliche Höhen, ihr wunderbaren Wege, ihr glorreichen Geheimnisse, ihr unerforschlichen Pfade des grossen Herrn von Himmel und Erden; was ich nur bin, und was ich alle die künftige
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Zeiten hindurch hoffe von Seligkeit, das muß aus der freyen, unumschränkten Gnade, als der einzigen Quelle entspringen.

XXI. Herzens-Gespräch.

Siehe! hier stehe ich von der Welt entblöset? ich schlage ihre eitele Herrlichkeit in den Wind: mit Verlassung alles dessen, wornach Sterbliche allhier trachten, komme ich zu dir, und bezeuge bey deinem grossen Namen, daß du allein in dir selbst meine Hofnung, und vollkommenes Vergnügen, unter Verleugnung alles andern seyest. Laß mich an einen entfernten Ort verbannet werden, wo nichts geschaffenes mich erfreuen könte; wann ich nur daselbst süsse Gemeinschaft mit dir habe, wann ich nur da deine holde Liebe verspüre, jene immer blühende Wonne, und die unsterbliche Musik, und göttliche Anmuth in deiner entzückenden Stimme höre: dieses sey mein Loos, die lachende Welt mag ihre eitle Lustbarkeit dahin nehmen! Wie arm, wie leer ist alle ihre Freude, in Vergleichung jener hohen und erhabenen Wonne, die meine Seele erfüllet, wann du sie gnädig anblickest. Die Zeit wird kommen (ach beschleunige den seligen Tag!) da ich dein liebliches Angesicht aufgedeckt schauen werde; da ganz göttliche Gesichte, und das entzückende Licht der ungeschaffenen Herrlichkeit diese glückselige Augen ergötzen wird. Aber nun liebe ich dich, ob du schon ferne und unsichtbar bist: ich spüre eine Flamme, welche diese geschaffene Dinge in aller ihrer Pracht und ausge
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sonnenen Zierde nie begnügen könten; nähmen sie auch die Annehmlichkeiten des Himmels, und den höchsten Grad unsterblicher Anmuth, und unvergänglichen Lebens an, so sind doch diese nicht mein Gott. Wann auch Engel die ewige Sinnen öfneten, und ich dieselbe vor meinen sie bewundernden Augen in aller ihrer Pracht von Glanz und Vollkommenheitaufgedeckt stehen sehe: oder wann über ihnen noch etwas fürtreflichers, unbekannte, und Menschen nicht offenbarteSchönheiten befindlich, auch wo sich die Schöpfung endigt, ist es noch unendlich weit von dem, wornach ich strebe und schmachte.

XXII. Herzens-Gespräch.

Wo gehen meine Wünsche hin? was für weite und hohe Aussichten beleben meine erhabene Hofnung? Was für unermessene Absichten heget mein Ehrgeiz? Es ist Gott selber, der grosse ewige Gott, der die Himmel ausgebreitet, und alle die Lichter in der Höhe angezündet; er ist alle meine Seligkeit! meine erhabene Gedanken können kein niedriger Ziel haben, nur dorthin streben meine kühne Begierden. Ihr unbegreifliche Herrlichkeiten, ihr unbekannte Freuden, ihr von Menschen unerforschte Gesichter, ach wann werdet ihr euch meiner Seele in eurem schimmernden Glanze und entzückender Schönheit darstellen? Diese geringe Schöpfung gewährt mir kein Vergnügen, die herrlichsten Vorwürfe fallen meinen Sinnen verdrüßlich; die erfreulichen Strahlen der Sonne und Sterne sind vergeblich; vergebens
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schüttet der schöne Frühling seine liebliche Annehmlichkeit für mich aus; vergebens zeigt er seine prächtige Mannichfaltigkeit und bunten Schönheiten: nichts kan meine matte Gedanken erquicken, oder die unermessene Leere inwendig füllen. Wann werde ich meine Augen für sterblichen Dingen schliessen, und dieser finstern Gegend und sündhaften Wohnung gute Nacht sagen? und wann werde ich durch diesen Kerker brechen, diese verhaßte Fesseln abwerfen, und mit völliger Erweiterung und vollkommener Freyheit zu meinem Gott gehen?

XXIII. Herzens-Gespräch.

Die feyerliche Stunde nahet heran, da ich stehen muß vor dem heiligen und erschrecklichen Richter der ganzen Erde, dessen scharfes und allforschendes Auge alle die dunkeln Winkel meiner Seelen durchschauet; das da siehet die verborgene und unergründliche Tiefen, die menschlichen Augen unbekannt, die heimliche Verstellung, die scheinbare Schmeicheleyen, die durch ihre liebkosende List und verblendenden Schein meine Gedanken hintergehen. Ich weiß nicht, was ich bin; irrige Betrachtung, und partheyliches Urtheil verbergen mich vor mir selbsten. O du, der du mein Herz kennest, schliesse seine Tiefen auf; nimm die scheinbare, betrügliche Larve weg, und offenbare mich mir selber. Ich bin verlohren, wann ich mich hierinne durch leere Hofnung und eitele Einbildung einnehmen, blenden, und verführen lasse: ein solches Versehen würde ewiges Ver
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derben, und unheilbare Verzweiflung nach sich ziehen. - - O gnadenreicher Herr! wende diese betrübte Prophezeyung, und traurige Zweifel ab; und laß mich nicht in dieser trostlosen Ungewißheit. Wann ich dein herrliches Antlitz im Friede schauen, wann ich dein seliges Licht geniessen, und jenes prächtige Gesichte gantz aufgedeckt sehen soll, wann solche herrliche Hofnung nicht ein eitles Blendwerk ist, so versiegele die selige und entzückende Wahrheit mit einer heiligen Gewißheit an meiner Seele; vertreibe diese grausame, peinigende Zweifel durch einen holden Strahl! dann ach! meine Angelegenheit ist von grossem Gewichte; es beruhet darauf die weite Ewigkeit, und unendliche Herrlichkeit. Ach wüßte ich doch, daß mein unwürdiger Name unter den Auserwehlten stehet: daß die ewige Liebe, und unbeschränkte Gnade mein herrliches Loos (o entzückender Gedanke!) in das Buch des Lebens aufgezeichnet! Was du für Seegen und Gutes gibst, ist alles frey, und unverdient; dann wer von jenen gläntzenden Reihen, die um deinen Thron sind, kan sich einiges Verdienst anmassen? Wer ist dir mit Wohlthun zuvor gekommen, daß er stolzer Weise eine Belohnung fordern könte?

XXIV. Herzens-Gespräch.

Osüsser Name JEsus! in dessen Sylben die lebendige Kräfte der Harmonie, und die Seele des Wohlklangs befindlich; dich will ich auf dem ewigen Saiten-Spiele, den güldenen Harfen des Him
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mels mit den lieblichsten Liedern besingen. - - Meine eintzige Hofnung! Ich habe keine andere Zuflucht vor dem Sturme, keinen Felsen zum Schirme, keinen erquickenden Schatten, keine lebende Stille für meine müde Seele. Du Heyland des sündhaften menschlichen Geschlechtes, um welches willen du herab gestiegen von der Höhe der Herrlichkeit, von himmlischen Gesängen, Triumph, Lobgethöne und Jauchzen unzehlbarer Heere, als deiner herrlichen Verehrer; um welches willen du alles dieses zu verlassen, und die Gestalt der glänzenden Gottheit in eine Wolke des Fleisches einzuhüllen geruhet hast. Allein hast du die Mühe und Arbeit deiner Seelen; hast du die Erwerbung und Wirkung deines Blutes gesehen? oder ist dieses Blut (o erschreckliche Gedanken!) entheiliget, deine Gnade verworfen, und deine Liebe verschmähet worden? Warum scheinet die Sonne? warum leuchten die Sterne mit unverschlossenem Lichte? warum schüttet der Mond seine gütige und holde Strahlen aus, um die Schatten der Mitternacht aufzuklären? warum hält der Frühling seine jährliche Ordnung, und gönnet seine belebende Anmuth, und Lieblichkeit einem abtrünnigen, undankbaren, und unheiligen Geschlechte? das sich erfrechet den verehrenswürdigen Gott der Natur und Gnade zu lästern.

XXV. Herzens-Gespräch.

Wie langsam beweget sich die Sonne? wie träg sind die Räder der Natur? Laufet geschwind,
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ihr Planeten, machet kürzere Kreise, um meinen Tag, diesen verdrüßlichen Tag, diese mühselige und Jammer-volle Zeit abzumessen. Ich warte sehnlich, und beobachte den Himmel, wie diejenigen, so mit Ungedult auf den anbrechenden Morgen harren. Diese Welt hat nichts, das nur des geringsten Gedankens würdig wäre. Ich habe hier keinen Schatz, er ist aller droben, und dahin ist mein Herz mit unverwandter Aufmerksamkeit gerichtet. Mit gerechter Verachtung werfe ich einen matten Blick um die schnöde Schöpfung herum; dann werde ich mißvergnügt, und heisse fast die mancherley Werke bös, die doch Gott selbst gebilliget und gut genannt; doch ohne die höchste Seligkeit, und ausser ihr, gewähren sie mir keinen Trost noch Ruhe. Was habe ich allhier, das meine Seele von dir abhielte? das mich nur eine kurze und schnell dahin fliehende Stunde vergnügte? ich habe keinen Freund auf Erden, und will auch keinen haben? ich bin hier fremd geworden, mein Herz will von keiner Bekanntschaft allhier etwas wissen; diese eitele Welt machet mich krank, ihre verdrüßliche Wiederholungen gereichen mir zur Last; das helle Auge der Sonnen siehet in seinem ganzen Umfange kein dir gleiches Vergnügen, keines, das mein Herz in diesem unwohnbaren Reiche zurück hielte. Allein muß ich als ein Fremdling hier bleiben, so geruhe doch diese Stätte zu besuchen, und sprich öfters zu meiner Seele: laß mich mit dir umgehen, und deine Stimme hören; wann ich von der Welt abgezogen, in einer öden Einsamkeit lebte, so würde ich meine Stunden angenehm zubringen, und keine
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Ergötzung als die himmlische Wonne suchen; da könte ich in Ruhe, und über allen Wechsel menschlicher Dinge hinaus seyn. Diese Augen würden die gottlosen Wege der Menschenkinder nicht mehr sehen; diese Ohren würden die verwegenen Lästerungen nicht mehr hören, die überlaut wider die vermittelnde gnädige Macht wüten, welche die rachübende Donnerkeile von ihrem Haupte abhält. Ach laß mich in Frieden sterben und von hinnen gehen! ich bin nur ein Gast und Pilgrim hier; und wandele durch finstere Wege und dunkele Wüsten, umgeben mit höllischen Stricken, und oft verführet durch ein betrügliches und verrätherisches Herz von innen: durch die stete Mühe und Arbeit ermüdet, werfe ich meine Augen auf jene Friedens-volle Welten, und sehne mich nach der Ruhe.

XXVI. Herzens-Gespräch.

Odu! dessen Weisheit die unzehlbare Menge der Sternen in ihrer beständigen Ordnung erhält, und der glänzenden Sonne ihren jährlichen Lauf setzet! die ganze Natur erkennet dein Gesetze; die tobenden Winde und schäumenden Wellen fahren in ihrem aufgeschwollenen Stoltze zurück, und legen sich auf den Befehl deiner Stimme. Aber ich falle dir mit demüthiger Huldigung zu Fusse, und unterwerfe meinen Willen gehorsamst deinem Scepter. Ich habe keine Wahl, keine Einrichtung, keine Absicht, keinen zweifelhaften Wunsch, den ich mein eigen nennen könte; dann ich bin ganz und
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vollkommen dein: wie ein Töpfer den beugsamen Thon ziehet, so bin ich in deinen bildenden allmächtigen Händen. Du kanst einen jeden Gedanken bilden, meine Leidenschaften lenken, und aus mir machen, was dir beliebt; deine Hand kan göttliche Züge machen, und meiner Seelen himmlische Schönheit einprägen. Schaffender Geist, sprich das mächtige Wort aus, es werde Licht! so wird gleich ein unbewölkter Tag entstehen: Zerstreue die Wolken der Unwissenheit und Sünde; vertreibe, was sich dem Endzwecke deiner Liebe und Gnade widersetzet, und führe deinen Willen frey und ungebunden aus. Wann ich dir, der vollkommensten Harmonie, gleichförmig bin, wird meine Seele die ergebenste Seligkeit finden. Gäbe es keine künftige Hölle, keine Strafen, deine gerechte Gesetze zu verwahren; wäre kein Himmel, keine Kronen der Herrlichkeit, die Frommen zu belohnen; so würden meine Gedanken doch deine richtige Gebote gut heissen, und das höchste Vergnügen an der Fürschrift finden, die dein heiliges Wort gibt. Könte ich nur die Heiligkeit, die ich mir wünsche, erlangen! denn indem ich dir diene, empfange ich vollen Lohn, und erreiche den ersten grossen Zweck, wozu ich erschaffen worden: dein Befehl gab mir Athem; und es ist meine Ehre und Ruhm dir zu leben.

XXVII. Herzens-Gespräch.

Unterstütze mich, mein Gott, in jener dunkeln Stunde, wann die Natur sinket, und der bevor
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stehende Schatten des Todes mit trauriger Finsterniß über meinem Haupte schwebet; wann Ehre, Wollust, Reichthum und sterbliche Freunde nur leere Namen und nichtsbedeutende Worte, und betrügliche Stützen meiner wankenden Seele seyn werden; dieweil die Hölle mit gesamter Wuth ihren letzten Versuch thun wird, meinen Frieden zu stöhren. Bestrafe alsdann den Sturm, und laß deine Stimme ihn durch ihren lieblichen Ton stillen; und wirf einen Strahl der Herrlichkeit auf meine Seele, wann sie zitternd an dem finstern Rande des Lebens bebt bey dem ersten ungewissen Tritte den sie thut auf die fremde Küste der Ewigkeit; wo alles neu, bestürzend und unbekannt ist, und noch von keinem menschlichen Gedanken, mit aller seiner Stärke und lebhaftesten Vorstellung gefasset worden. Es mag sodann das Ufer finster oder hell seyn, worauf der von den irdischen Banden befreyete Geist seinen Fuß setzen wird, um seinen Richter entgegen zu gehen, dessen Gericht genau, unpartheylich und gerecht, und ach! wann es vollzogen, fest und unveränderlich seyn wird. O Ewigkeit! - - erschrecklich und entsetzliches Wort! o Ewigkeit! - - vergebens würde ich deine ferne Gränzen erforschen; meine verirrte Gedanken verlieren sich, ich weiß nicht, wo ich still stehen soll, es ist alles Verwirrung.

XXVIII. Herzens-Gespräch.

Allmächtige Liebe! du grosses Geheimniß! welcher Mensch, so beredt er auch ist, kan von dir spre
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chen? welcher Gedancke hat deine ewige Tiefen ergründet, oder deine Länge ermessen? welcher Engel hat mit seinen Flügeln deine Höhe erreichet? Welcher Seraphin kan durch seinen fliessenden Gesang, und alle die Kräfte der himmlischen Zusammenstimmung deine Herrlichkeit schildern, und der entzückten Seele deine Schönheiten in ihrem natürlichen Lichte entdecken? Du bist der Glanz des göttlichen Antlitzes, die Seligkeit der Engel, die Ergötzung der Heiligen, das Leben, der Triumph und die Glückseligkeit desjenigen, in welchem die Quellen der Freude bleiben. Ach wann wirst du meine entzückte Seele bescheinen mit unaussprechlicher Huld, mit Gnaden-Blicken, die ewige Entzückung und Leben bringen, und allen den Frieden des Paradieses aufschliessen? wann werde ich deinen belebenden Einfluß geniessen, und jene Herrlichkeit ganz aufgedeckt sehen? die schönsten Bilder deiner schaffenden Macht, woran deine geschickte Hand die Schönheit in ihrer himmlischen Pracht mit ausnehmender Kunst geschildert, werden vor dem Glantze deines Angesichtes verschwinden.

XXIX. Herzens-Gespräch.

Was soll ich sprechen? wie soll ich deinen Namen verherrlichen? was soll ich für eine Sprache gebrauchen, um meine Dankbarkeit darzuthun? die stärksten Worte würden die innere Empfindung und Erfahrung meiner Seelen unhinlänglich ausdrücken.
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O wie heftig ziehest du meine Sinnen und Gedanken an? wie unempfindlich bin ich gegen alles Vergnügen, als das nicht, so aus deiner Liebe entspringet? wie eitel ist diese Welt? wie leer sind alle ihre Ergötzungen gegen jene göttliche, reine und erhabene Freude, die meine Seele geniesset, wann du ihr deine Huld angedeyhen lässest. Und doch sehe ich nur durch eine dunkele Wolke, und fasse einen schwachen Strahl mit begierigen Augen; indem du die vollkommene Herrlichkeit zurücke behältst, und den heiligen Glanz deines Thrones verbirgest. Ach ziehe den Vorhang weg? ich kan ja nur sterben: laß dein Licht herfürbrechen, und seinen Schimmer die Kräfte der Natur überwältigen. - - So würde und möchte ich verscheiden, und meinen Geist in Entzückung aufgeben. Wird mir aber dieses versaget; so komme doch, o mein Herr! und laß mich allhier solche Gemeinschaft mit dir haben, als die Heiligen in gottseliger Entzückung geniessen; Solche Gemeinschaft, die das göttliche Leben anzünden, das Bild deiner Heiligkeit einprägen, und die himmlische Flamme unterhalten möge; bis ich den Sinnen und allen Reitzungen der Welt erstorben, in dir allein vollkommen selig lebe.

XXX. Herzens-Gespräch.

Ach laß mich vor dir zu nichts werden, und den Ruhm der Natur zu deinen Füssen hinlegen? Alle meine Ehre werde bis in den tiefsten Staub er
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niedriget; allda liege alles, was mein eitler Hochmuth schätzbar nennt! Verderben, Elend und Schuld, ist alles, was ich von mir rühmen kan; dieses ist in Wahrheit mein eigen, meine rechtmäßige Forderung, und gehöriges Erbtheil. Aber daraus wird dir Ruhm entstehen und Herrlichkeit zuwachsen: meine Dürftigkeit wird deinen Triumph auf das höchste erhöhen. Ein wunderbahrer Beweisthum der vergebenden Liebe, in ihrem göttlichen Glantze! ich werde ein ewiges, ja ewiges, und unendliches Denkmahl der freyen, unumschränkten Gnade seyn, als die eine armselige Creatur, wie ich bin, erwehlet, ihre Macht zu zeigen; welche durch ihre eigene siegreiche Stärke über allen Widerstand der Höllen triumphiret. Wie wunderbar sind deine Wege, o allmächtige Liebe! wie weit übersteigen sie die enge Gedanken der Menschen? Warum, o Herr! geschiehet dieses an mir, an mir, die ich so gering, so sündhaft, und deiner Gnade so unwürdig bin? da viele tausend ungehindert dem Verderben zueilen; ach warum werde ich so gnädiglich zurücke gehalten? Du, du hast es gethan, durch dein unbeschränktes Recht und unendliche Barmherzigkeit, und wer darf dich fragen warum? Was kan ich sagen? ich muß hier die Hand auf meinen Mund legen, oder voller Verwunderung, unvollkommene Töne fürbringen; doch liß meine Gedanken, die Dankbarkeit, und den Preis, den ich dir gerne abstatten möchte. - - Dann die menschliche Sprache gebricht, und hat hier ein Ende.
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XXXI. Herzens-Gespräch.

Hochgelobter Jesus! Auf deinen Namen gründet sich meine edelste Angelegenheit und höchste Hofnung; du bist eine Zuflucht vor dem Sturme, und ein Schirm vor den schwarzen Donner-Wettern des rächenden Zornes! ich sehe die Grösse meiner Schuld, aber das vermehret die Schuld der Dankbarkeit und Liebe, ich sehe meine Schuld, aber ich sehe sie als getilget durch dein erlösendes Blut. O entzückender Gedanke! wie soll ich meine Freude ausdrücken? wie soll ich die Entzückung beschreiben? O daß du möchtest auf das höchste verherrlichet und verehret werden! ja verehret werden auf der Erde, wie in den höchsten Himmeln! Ich füge meine dankbare Stimme dem Frolocken der unzehlichen Heerschaaren bey, die um deinen Thron stehen. - - Ihr gläntzenden Heere, nehmet eine hierunten streitende Sterbliche in euren triumphirenden Chor auf. Mit euch will ich den Namen meines grossen Erlösers preisen, - - O entzückender Name! er ist in mein Herz eingepräget, er ist tief eingegraben; der Eindruck ist unsterblich, weder Leben noch Tod, noch die Hölle mit alle ihren Kräften, soll ihn daselbst auslöschen. Du Freude der Engel, du Verlangen der Völker, du Hofnung, du herrliche Hofnung des ganzen menschlichen Geschlechtes! was soll ich reden, was für eine Sprache, die lieblich genug, brauchen, wann du mein zärtlicher entzückender Vorwurf bist? Selbst die Zungen der Engel können meine liebreiche Gesin
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nungen gegen dich nicht feyerlich und kräftig genug ausdrücken. Wie theuer, wie kostbar du meiner Seelen seyest, kanst du alleine sagen. - - O du, der du weit schöner, als alle deine wunderschöne Werke! wie fürtreflich ist dein Bild? deines Vaters Ebenbild, die Fülle und der Glanz seiner Herrlichkeit. Die Beredsamkeit des Himmels reichet deinem Werthe weit nicht zu, denn du bist die unendliche Vollkommenheit. Die Fülle der Gottheit wohnet in dir. Dein ist die Kraft, das Reich und die Herrlichkeit; alles, ja alles ist dein in den höchsten Himmeln droben, in der Höhe, auf Erden, und in der Tiefe. - - Gesegnet sey ein jede Zunge, die dich segnet, und indem sie dich segnet; möchten sich Ströhme des Segens auf diejenigen ergiessen, die deine Sache führen; Beglücke ihre wirksame Frömmigkeit und geschäftigen Eifer; stärke ihre Hände, befestige ihre Herzen mit heiligem Troste und göttlichem Frieden! Laß sie glänzen und scheinen wie die muntere Sonne, wann sie von der Höhe des hellesten Mittags das weite Firmament mit Herrlichkeit erfüllet; so laß es ihnen wohl gehen, und gelingen; und hingegen deine Feinde sich mit demüthigem Gehorsam als überwundene unter deine Füsse beugen! Es müsse sich dein grosses Reich von einem Meere zu dem andern ausbreiten, und die äusserste Insuln deine Herrlichkeit sehen; alsdenn werden die Könige von Morgen ihren Weyhrauch bringen, und Arabien die liebliche Specereyen opfern.
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XXXII. Herzens-Gespräch.

Schaue mitleidig herab, o gütigster Herr, schaue gnädigst herab von den unermessenen Höhen deiner Glückseligkeit, auf mich elende, aber demüthigst flehende Sünderin. Deine Zeit ist immer, aber meine wird bald verstrichen und ermessen seyn; dahingegen deine stets unverändert bleibt. Du wohnest sicher in unbeschränktem Leben, und unverminderter Seligkeit; dieweil geschaffene Dinge in steter Bewegung sind, und jeden Augenblick ihre vergängliche Gestalt verwandeln. Ach verweile nicht zu hören! meine Zeit hat Flügel, siehe, wie sich meine Sonne neiget! sie eilet zu ihrem Untergange, und erstirbt in Finsterniß; die Nacht ist nahe, die traurige Nacht des Todes, da ich unwirksam in dem düstern und dunkeln Grabe schlafen werde. Dieses ist die bedenkliche Stunde, die Stunde da Gnade und Leben angeboten wird; die Seligkeit hanget daran. Ach laß dir mein ungestümes Flehen nicht zuwider seyn; ich muß nun, nun! oder nimmer eilen; dieser Tag, diese Stunde, dieser flüchtige Augenblick ist mehr, als ich mir anmassen, oder in Wahrheit mein eigen nennen kan; nun fliehet er wirklich - - er ist vorbey - - er ist ewig dahin. Aber ach! die genaue Rechnung, die ich ablegen muß, bleibt ungetilget; die Vergebung ist vielleicht noch nicht versiegelt, oder mir noch nicht vergewissert. Siehe meine Angst an, da ich flehentlich um Barmherzigkeit, oder ein Zeichen deiner Liebe schreye. Laß
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doch meine sehnsuchts-volle Seele ein Pfand ihrer zukünftigen Seligkeit empfangen!

XXXIII. Herzens-Gespräch.

Möchtest du allein verherrlichet werden! - - Hegt jemand einen günstigen Gedanken gegen mich, so sey er ganz dem Herrn geheiligt. Möchte dein Name in aller Herzen hoch angeschrieben stehen, ob gleich der meine in finsterer Dunkelheit gänzlich verlohren geht. - - Werde du verkläret! dieses ist meine edelste, meine höchste Absicht, mein grosser Endzweck, und meine ewige Angelegenheit. Ach laß nur deine Sache ungekränkt, und deine Ehre gesichert stehen. Was für Gewölke auch meinen künftigen Stunden bevorstehen mag, achte ich es doch nicht, sondern übergehe alles; dein heiliger Wille geschehe! Ich bin mir selbst von keiner Wichtigkeit; werde du allein groß! Meine ganze Seele beuget sich vor deiner Hoheit, und opfert dir einen jeden Gedanken von Liebe, Ehre, Freundschaft und Hochachtung auf; wo nur irgend einem Herzen eine geneigte Gesinnung gegen mich eingepräget, die sey dein! Alle Ehre falle dir zu! sie gebühret dir von rechtswegen. Die meinige ist nur von deiner gnädigen Hand entlehnet; mein Licht ist nur ein schwacher Wiederschein von dir seiner heiligen Quelle. - - Ach möchte es meine Seele mit beständiger Kraft zu dir leiten. Du bist mein Ruhm, mein Schatz, und meine Freude! an dir begnüge ich mich ruhigst in einsamen
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Schatten, und suche nicht die eitle Lust, so die Welt geben, oder mit betrüglichen Schein und verführenden Blendwerke meiner Hofnung versprechen kan. Meine Augen haben nie geschauet, noch mein Herz je gefasset die Wunder deines Antlitzes; und ob ich schon dich nicht gesehen, so ziehest du mich an mit der heftigsten Liebe; die Ursache ist ganz göttlich, und übersteiget den höchsten und kühnsten Begriff der Vernunft.

XXXIV. Herzens-Gespräch.

Odu schönster unter zehen tausend, ja allen! dessen gnädige Huld den Himmel erleuchtet, und das Paradies in allen seinen seligen und entzückenden Scenen eröfnet, gönne mir nur einen kurzen und vorbeygehenden Strahl deines schönen Antlitzes, wann ich nicht mehr erlangen kan. Verzeihe mir die zärtliche Ungedult meines Herzens, das auf dich gerichtet ist, und keine andere Freude, kein anderes Vergnügen in dieser einsamen Welt hat! Es ist mir alles betrübt und leer. Weg alle ihre Wolken, ihr trennende Schatten, die ihr sein schönstes Angesicht verberget! Ihr Tage und Stunden beschleunigt euren Lauf, damit wir balde zusammen kommen. Gehe auf du schimmernder Morgenstern, der du die Freude des Himmels, die Schönheit und Zierde des Paradieses, die Wonne der Engel, und ihr ewiger Vorwurf, dessen Huld sie entzückt geniessen. Ich muß fort reden, der herrliche Gegenstand erwärmt und erweitert meine Seele; ich fühle un
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sterbliches Leben, und koste die Freude des Himmels. - - Du bist mein Himmel, das Land des Lichts und der Liebe, meine volleste Hofnung! Ich habe keine andere Hofnung während dem ganzem Umlaufe unendlicher Jahre. Du hast aus dem Schoose des Morgens immer den Thau, den lieblichen Thau der Jugend; eine ewige Blühte zieret dein Angesicht; der Himmel öfnet sich in dem Glanze deiner Augen, und quillet in Ströhmen von unendlichem Lichte. Deine Stimme ist die Anmuth selbst und die Harmonie in ihrer entzückenden Lieblichkeit. - - Ihr güldene Harfen, welche die Engel rühren, schweiget ewig stille. Laßt mich nur hören die holde und süsse Stimme meines Herrn, die meiner Seelen himmlischen Trost, und unaussprechlichen Frieden, ja den Frieden Gottes einspricht.

XXXV. Herzens-Gespräch.

OJesu! laß deinen entzückenden Namen ewigen Preis empfangen; laß alle Zungen zusammen stimmen, im Himmel und auf Erden, dort oben, und hierunten, so weit sich die Gränzen der Schöpfung erstrecken; laß sie mit mir sich vereinen zu preisen, meinen König, meinen Herrn, mein Leben, meinen gnädigen Auslöser! der mich um den hohen Preis seines heiligen Blutes aus der Hölle erkaufet hat; welch eine erstaunliche Liebe! o eine unaussprechlicheGnade! hier laß meine Seele entzückt sich ewig verwundern. Laß mich von dieser glückseligen Stunde an ganz dein seyn. Laß dein geliebtes Bild mir immer
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hin gegenwärtig seyn; laß meine Gedanken alle dich zum Gegenstande haben, und meine Zunge durch die himmlische Materie geheiliget werden. Bleibe auf meinen Lippen, o du theurester und süssester Name! bleibe auf meinen Lippen, bis zu dem allerletzten Athem! alsdann laß mich sterben, und den lieblichen Ton triumphirend gen Himmel tragen. - - Dann will ich dich auf eine andere Weise in einer ganz göttlichenSprache preisen; indem sich bey Betrachtung der Liebe eines Erlösers die ganze Gottheit aufschliesset. Hier laß mich starr schauen, ewig schauen; die prächtige Mannichfaltigkeit wird ewige Freude und Verwunderung bringen. Laß mich von diesem glückseligen Augenblicke an ganz dein seyn. Fliehet von meiner Seelen alle ihr Bilder der Sinnen, damit ich in der Stille meinen Herrn geniesse: mein Leben, mein Vergnügen, meine Stärke, mein grosses Heyl, und meine Hofnung fliesset von ihm alleine her. Dein Name ist meine ganze Zuversicht. - - O göttlicher Name! werde du in das innerste meiner Seelen eingegraben, und laß mich dich bis an meinen letzten Odem bekennen, ja bekennen gegen allen Schrecken, den der drohendeTod, oder die boshafteHölle erregen kan, bis nach Ueberwindung aller ihrer Macht meine Seele zum Beschlusse der höllischen Wuth Trotz bieten, und dem Lamme ewig Lob singen wird. Ihm meinem grossen Erlöser will ich singen; ihm soll mein Herz dankbarlichst die Sieges-Krone, als sein unläugbares Recht, zuschreiben: und Engel werden aufmerksamst zuhören, wann ich erzehle die Wunder seiner Liebe, die unerhörte Wirkung seiner
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erstaunenden Gnade. - - Entzückende Materie! wo soll ich mein Lied anheben? Schlaget die Bücher der weiten Ewigkeit nach, - - gehet immer weiter zurücke, und blättert sodann noch weiter fort, und durchsuchet das prächtige Verzeichniß. - - Wo soll ich den herrlichen Anfang, und merkwürdigen Tag finden, da die ewige Liebe meine Seligkeit beschlossen hat?

XXXVI. Herzens-Gespräch.

Du, der du eine Bahn durch das Meer machen, und einen Weg mitten durch die ungestüme Wellen finden; du, der du weit aufthun kanst, ohne daß jemand zuzuschliessen vermag; öfne die eiserne Thore! zerbrich alle die Riegel des Widerstandes! laß die Berge sinken, und alle Thäler sich in Ebenen verwandeln! laß die Finsterniß zu Lichte werden, und die liebliche Sonne der Gerechtigkeit, den glänzenden Morgenstern in allen den Herrlichkeiten der Gottheit aufgehen. Brich herfür, und laß die heitere Strahlen deine stolzesten Feinde überzeugen, und diejenigen in ihrer Hofnung stärken, die dich lieben, und zwar ungesehen lieben; die mit verwundeten Ohren die laute Lästerungen deiner spottenden Feinde ertragen, und denen das Herz blutet über der grossen und vielfältigen Entehrung deines Namens. Ach zerspalte den Himmel! theile das Firmament! reisse nieder die so lang stehende, und alte Säulen der Erde! Laß die Hügel erzittern! laß die Wälder flammen, um deine Grösse kund zu machen!
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laß alles dich bekennen! offenbare dich in deiner völligen Gottheit! und laß den Umsturz der Naturdeine Gnade verherrlichen! Thue die ewige Thore weit auf! Ihr himmlischen Bögen hebt euch empor, und laßt den Herrn der Herrlichkeit in seiner unaussprechlichen Pracht und Majestät herabsteigen. Dann werden dich die Völker für ihren Gott erkennen, und alle Zungen dich bekennen, als den allmächtigen Richter. Wann werden diese Augen den erwünschten Tag, jene herrliche, glückselige, und lang erwartete Zeit sehen? Wann wird sich meine Stimme mit dem allgemeinen Frolocken der erlösten Völker und Sprachen, und erkauften Stämme vereinigen? Wann werde ich sehen den Triumph jenes Tages, da du in der Höhe der Herrlichkeit die Sonne verdunkeln, den hellesten Stern beschämen, und in dem Glanze der Gottheit prangen wirst als das vollkommene Ebenbild deines Vaters. Dann wird das laute und allgemeine Freuden- Geschrey: Es ist vollbracht! durch die weite Schöpfung und ganze Welt ertönen; und nichts als Triumph und Hallelujah erschallen, und alles singen: Die Herrlichkeit und Herrschaft ist des Herrn, und Gott der Allmächtige wird ewig herrschen.

XXXVII. Herzens-Gespräch.

Dein Wort ist da, schaue diese heilige Zeilen an; hier, o grosser Gott! sind die Zeugnisse deiner Wahrheit, deiner ehemaligen Werke, die herrlichen
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Denkmale deiner Macht und Liebe verzeichnet; zu deiner unsterblichen Ehre, und zur Freude aller Heiligen stehen sie hier gesammelt. Bestätige deine Gnade, welche ich zu meinem Ruhme, meinem Triumphe, und meiner besondern Hülfe gemacht habe. Ach laß mich nicht zu Schanden werden! denn ich habe mit unerschrockener Zuversicht für deinen Namen, deine Ehre, und bewährte Wahrhaftigkeit gesprochen. Und nun komme ich ganz beklemmt, und sehe mich umsonst nach menschlicher Hülfe um; diese betrügliche Stützen erwecken Verachtung bey mir, und ich schaue sie mit Verschmähung an. Rath und Weisheit, die liebliche Stimme der Freundschaft ist etwas unhinlängliches. Unter dem Himmel darf ich keinen Schutz und Leitstern suchen; auf dich allein, und nicht auf den betrüglichen Menschen vertraue ich: ach leite meine Schritte gütigst in den Pfaden der Gerechtigkeit und des Friedens! In dir allein, dem ewigen Felsen, in dir allein ruhe ich; meines Vaters Gott, meiner Mutter frühzeitige Zuversicht, auf dich schaue und traue ich. Ach laß meine Seele sich freuen, ja sich freuen in Gott, sich rühmen in seiner Wahrheit, und immer triumphiren in seinem allmächtigen Namen, und seiner gnädigen Hülfe! Seine Wahrhaftigkeit und Treue sey mein steter Lobgesang. Hierunten ist keine Hülfe, und keine Zuversicht; aber wer sich auf deinen allmächtigen Arm verläßt, der wird einen sichern Schutz finden; wer auf dein Wort fest vertrauet, der wird nie betrogen werden. Kan es den Allerhöchsten gereuen? kan er seinen heiligen Eydschwur zurücke ziehen, und seine Ver
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heissung zernichten? ach das sey ferne von dir, der göttlichen Wahrheit, der ewigen Treue und Gerechtigkeit, deren Zusage fester stehet, dann die Grund- Säulen der Erden, und wann ihre starke Pfeiler in den tiefsten Grund sinken, und vor Alter aus ihren crystallenen Kreysen fallen werden, wirst du unvermindert und unwandelbar in ewiger Gerechtigkeit, unbefleckter Wahrheit, und unendlicher Herrlichkeit scheinen.

XXXVIII. Herzens-Gespräch.

Ihr zaudernde Monathe, und saumseligen Jahre, fliehet geschwinder, und bringet den verheissenen Tag, da alle meine Hofnung wird erfüllet werden; da das glänzende Antlitz, welches jene umhüllende Wolken verbergen, mit ewiger Gnade anbrechen wird; mit Gnade und Huld, die unsterbliches Leben und unvergängliche Freude gewähret. O selige Zeit! warum wirst du so lange aufgeschoben? ich breite deine scheinende Flügel aus, und lasse die träge Minuten in ihrem verdrießlichen Laufe dahinten. Ich rufe vergeblich: die Stunden müssen erfüllet, und alle ihre Zirkel mit ihren Krümmungen ermessen werden; in Traurigkeit und bittern Klagen muß ich auf den Tag harren, und meinen Kummer den Winden entdecken; ich muß als verlassen in den dunkeln Wäldern irren, und den murmelnden Ströhmen meine Zärtlichkeit offenbaren; die Wälder und Flüsse wissen schon meine Bekümmerniß, und hören oft meine traurige Erzehlung an; dieweil der blasse Mond in stiller Majestät die Mitternacht beherrscht,
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und alle die Sterne in feyerlicher Ordnung seinen Staat bemerken. Du Mond, rufe ich, und alle ihr zaudernde Sterne, wie lange müßt ihr diese verdrüßliche Zirkel gehen! Wann wird der grosse befehlichte Engel euren glänzenden Lauf aufhalten und mit aufgehabener Hand bey dem erschrecklichen, unaussprechlichen Namen schwören, daß es keine Zeit mehr seyn werde? Dann werdet ihr nicht mehr das umlaufende Jahr, noch den blühenden Frühling, noch den reichen Sommer mit seinem mannigfaltigen Vorrathe bringen; Die grosse Natur wird alsdann mit allen ihren verschiedenen Werken verwandelt werden, und diese schnöde Erde und Himmel nicht mehr wie vorhin, noch die nemliche seyn! eine prächtigere Scene folget nach, und das Paradies in aller seiner Schönheit erneuert, kommt zum Vorschein; aber der selige Stand ist weit verbessert, und bequem für Geister, welche der grosse Schöpfer sein herrliches Angesicht aufgedeckt und mit ewiger Liebe angefüllet wird schauen lassen. O unendliches Vergnügen! meine begierige Seele eilet der verheissenen Freude entgegen, und kostet ihren Himmel zum voraus. Die Felder des Lichts, die selige Wälder stehen vor meinen Augen; die Lob-Lieder der Engel, und ihre silberne Lauten ergötzen mich, indem sie den Allmächtigen besingen, und sich bey seinem herrlichen Namen aufhalten, aber Liebe, unumschränkte Liebe belebt den Gesang; dieses ist ihr beliebter Vorwurf und edelste Materie. Hier laßt meine entzückte Seele ewig stehen bleiben, hier laßt mich starr schauen, und nicht den geringsten Blick mehr auf jene verhaßte Welt werfen; hier laßt mich
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volle Züge der Wonne nehmen, und mich in unermessenen Fluthen der Freude baden; hiermit laßt mich immer umgehen. Aber es kan nicht seyn! die Sterblichkeit findet sich wieder ein. Gute Nacht, ihr Sternen-Welten, ihr selige Scenen und angenehmen Gänge des Paradieses! Ich muß meinen Tag vollführen, und auf die Stunde harren, die mir ewige Freyheit und Ruhe bringet. Doch erlaubet mir, o ihr schönen Reiche, dieweil <ich>ch in dieser dunkeln Wüsten walle, und die ungewisse Bahn des Lebens mit müden Schritten betrete, erlaubet mir, euch oft zu besuchen, und euere Freude zu betrachten. Es sey nun mein Theil auf dieser grossen Schaubühne freudig oder traurig, so laßt die herrliche und höchsterfreuliche Hofnung der ewigen Ruhe meiner Seelen gegenwärtig seyn, meine Freude durch ihre Einmischung beleben, und alle meine Betrübniß besänftigen.

XXXIX. Herzens-Gespräch.

Ich werde dich nicht lassen, du habest mich dann gesegnet; bey deinem grossen Namen betheure ich, dich nicht zu lassen, bis ich dein Wort nach meinen Wünschen erfüllet sehe, bis du deine verheissene Gnade meiner Seelen mit völliger und unbewölkter Gewißheit offenbahrest. - - Siehe meine Seufzer an, und mein geheimes Sehnen, nahe bey dir zu seyn! Wilt du ewig vor meiner so ernstlichen Nachsuchung fliehen, mein Gebet verschmähen, und in dieser schmerzlichen Entfernung bleiben? Welches ist die betrübte Hinderniß, die unglückse
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lige Scheidewand, welche meine Seele von aller ihrer Freude abhält? Es ist die Sünde, die abscheuliche Sünde! daher entstehen diese trennende Wolken, diese düstre Schatten, die dein Angesicht verbergen, und alle die Hofnung meiner Seligkeit verdunkeln. Aber du, o schöner und heller Morgenstern kanst mit deiner strahlenden Herrlichkeit diese Schatten vertreiben, und die dicke vermehrte Nacht unterbrechen. Durch grosse Vergebung wirst du deinen Namen verherrlichen, und wann du mir viel vergiebst, werde ich dich viel lieben, und ein herrliches Denkmahl deiner Gnade seyn; wo die Sünde überfliesset, da wird auch ihr Glanz überfliessen; mein erkenntliches Herz und dankbare Zunge wird zu deinem Lobe gestimmet werden, und entzückt die unbegreifliche Höhen der Liebe, Weisheit und erlösenden Gnade erzehlen. O Jesu! meine einzige Hofnung, mein Fürsprecher und gnädiger Mittler! ach beschütze meine bebende schuldige Seele vor alle den Stürmen des göttlichen Zorns! sey du ein Schirm, ein Schutz vor dem Winde, und eine sichere Zuflucht vor alle den Schrecken der rächenden Macht und unendlichen Gerechtigkeit! dein Blut kan meine tiefste Flecken tilgen, und meine Seele von aller ihrer angebohrenen und sich zugezogenen Schuld reinigen: in dem reinen Brunnen des unsterblichen Lebens laß mich gewaschen, und durch und durch geheiliget werden; ich komme als eine hülflose, elende Sünderin, und werfe mich und alle meine künftige Hofnung auf die unendliche Barmherzigkeit; ach, verwirf mich nicht, du Heyland des sündhaften menschlichen Geschlechtes!
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Uebergabe an den dreyeinigen Gott.

O mein Gott! Mein Herz, Sinn und Gemüthe richtet sich zu dir. Ich komme zu dir, ja! zu dir allein. Kein Mensch, kein Geschöpfe in der Welt, ja auch kein Engel, oder sonst etwas hat mich gemacht. Keine Creatur hat mich erlöset, noch mir helfen, oder nach dem kläglichen Sündenfalle mich wieder aufrichten, und zu der verlohrenen Gerechtigkeit und Herrlichkeit bringen können. Es kan und wird mich auch keine vor deinem Richter-Stuhle lossprechen, noch mir meine Sünden vergeben, und mich aus den Händen deiner Straf-Gerechtigkeit erretten. Keine wird meiner Seele zu einem völligen und vollkommenen Heyl und Theil seyn. Keine kan dem unendlichen Verlangen meines unsterblichenGeistes mit Zuwendungen einer hinlänglichen, d. i. ewigen und unermeßlichen Glückseligkeit ein Genügen thun. Es ist mir nicht unbewust, was sie versprechen, und was sie leisten können. Ich habe ihnen bisher zu viel getrauet, und zu lange gefolget. Ach wäre es doch weniger geschehen! Ob ich gleich zu deinem Preise mit gröster Dankbarkeit bekennen muß, daß mir deine Barmherzigkeit zeitig ihre Betrüglichkeit entdecket, und mein nachforschend und begieriges Gemüthe zu dir gezogen hat. Dir übergebe ich mich demnach, denn ich bin dein eigen. Dir unterwerfe ich alle die Kräfte des Geistes, Seelen und Leibes, dann du bist mein rechtmäßiger Herr. Von dir empfange ich mit
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verbindlichstem Danke alle die Wohlthaten und Erquickungen meines Lebens. Von dir allein erwarte ich meine wahre Glückseligkeit und vollkommene Vergnügung. Dich zu erkennen, dich zu lieben, in dir mich zu belustigen, muß entweder meine Seligkeit seyn, oder ich muß gar keine bekommen. Der geringe Vorschmack dieser Süßigkeit, welchen meine durstige Seele gehabt hat, sagt mir und überzeuget mich, daß keine andere wahre Freude zu finden. Ich fühle, daß du mein Gemüthe gemacht hast, dich zu erkennen; ich empfinde, daß du mein Herz gemacht, dich zu lieben, meine Zunge dich zu preisen, meinen Mund, dich zu loben, meinen Geist, dich im Geiste anzubeten, und alles, was ich bin und habe, dir zu dienen. Selbst an den schmachtenden Begierden und Bewegungen meiner Seele merke ich, daß du, ja, du allein ihr Ruhepunkt bist. Und obgleich meine Liebe noch weit von ihrem Ziel, von ihrer Vollkommenheit und dem höchsten Grade der Liebe entfernet, so ersehe ich doch was ihr Zweck sey, und wo sie gerne seyn möchte. Sie befindet sich ausser ihrem Elemente, und es wird ihr nicht eher wohl seyn, bis sie näher zu dir komme, bis sie dich besser erkenne, und dich mehr liebe. Sie liebet sich selbst, aber nur um deinet willen, und nur in so weit billiget sie die Selbstliebe, als sie dich zum Anfang, Mittel und Ende hat. Sie ist ihrer selbst überdrüßig als einer beschwerlichen Bürde, und toden Sache, wann sie keine sehnsucht-volle Triebe nach dir verspüret. Wärest du in der einsamsten Wüste zu finden, so würde sie dich aufsuchen oder an den äussersten Theilen der Erde, so würde sie dir nachgehen. Deine Gegenwart erfüllet den schlechtesten Ort mit
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Wonne und Herrlichkeit. Dein Umgang machet ein geheimes Zimmer, oder einsamen Wald und Feld zu einer freudenreichen und himmlischen Wohnung, eine Einöde zu einem Eden. Die Creatur wäre todt, wann du nicht ihr Leben wärest; sie wäre häßlich, wann du nicht ihre Schönheit wärest; sie würde nichts zu bedeuten haben, wann du ihr nicht die Bedeutung gäbest. Diejenige Seele ist verstellet, welche ohne dein Ebenbild ist, diejenige ist leblos, welche nicht in Liebe zu dir lebet, wann nicht die Liebe ihr Puls, und Gebet und Lobpreisung ihr beständiger Athem ist. Dasjenige Gemüth ist ungelehrt, welches nicht deinen Namen auf der ganzen Welt lieset, und nicht auf einer jeden Creatur diese Aufschrift siehet: die Heiligkeit des HErrn. Der ist nicht bey sich selbst, der an deinem Wesen, oder deinen Vollkommenheiten zweifelt; er solte eher an sich selbst und allem andern zweifeln, oder vielmehr zweifeln, ob er zweifle. Derjenige träumet, der dir nicht lebet. O laß mich kein ander Theil haben! keinen Verstand, keine Vernunft, keine Liebe, kein Leben, ausser was dir gewidmet, mit dir beschäftiget, so hier, als dort, und das sich dir zu Ehren rege und bewege, so lange es eine fürwährende Dauer hat. Auf dem heiligen Altar, den dein liebster Sohn durch seine eigene Hand und Vermittelung aufgerichtet, opfere ich dir in tiefster Demuth dieses Herz auf. O daß ich doch mit Beystimmung des Gewissens, lebendigen und innigstem Gefühle sagen könte; dieses höchstbegierige, dieses Liebes- und Sehnsucht-volle, und brennende Herz! Aber das heilige Feuer, welches dieses Opfer anzünden muß, muß von dir kom
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men, sonst wird es nicht zu dir aufsteigen. So laß es denn die Schlacken verzehren, damit der edlere Theil davon geschieden, und zur seligen Ewigkeit bequem werde. Alles was ich sagen kan, es dir zur geneigten Aufnahme anzupreisen, ist dieses: ich hoffe, es befinde sich etwas daran, so dir eigenthümlich zugehöret, und die Kraft deines theuren Blutes sey nicht ganz vergebens daran gewesen. Es schauet sich immer nach dir um; es seufzet nach dir, es eilet dir nach, und will sich nicht mehr mit den Scheingütern dieser Welt, oder etwas, das geringer, als du, begnügen lassen. Es liegt an deiner Thür, und will entweder eingelassen seyn, oder sonst nicht ruhen. Es will entweder dich, oder gar nichts haben. Ob es schon dich nicht liebet, wie es gern wolte, so sage ich doch frey, es begehret dich zu lieben, und es möchte dich gar gerne lieben. Es suchet und wünschet sich keine grössere Glückseligkeit als vollkommene und unendliche Liebe gegen einander. Es ist dir gewidmet, und zwar dir allein, und will sich nimmermehr mit Schatten abweisen lassen. Es ist fest entschlossen, sich bis in den Tod zu grämen, wann du nicht seine Ruhe und Freude seyn willst. Es hasset sich selbst, weil es dich nicht mehr liebet, und hält keinen Mangel, keine Häßlichkeit, keine Schande und Pein für ein so grosses und schweres Leiden. Deinetwegen, o glorwürdigster und hochgelobter GOtt, komme ich zu JEsu Christo. Wann er nicht meine sündhafte Seele mit dir versöhnete, und sie die himmlische Kunst und Uebung der Liebe lehrete, durch die süsse Mittheilungen deiner Liebe, so könte er mir
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nicht ein Heyland seyn. Du bist mein eintziges Ende. Nur einen Führer und Weg zu dir hat meine bedrängte Seele ängstlich gesuchet, und niemand kan mich recht lehren, dich zu erkennen, dich zu lieben, dir zu leben, als du Selber. Soll mich ein Lehrer zu dir führen, so muß er mir von dir zugesandt werden. Ich habe mich lange in der Welt umgesehen, ob etwan eine hellere Gegend zu finden, woher dein Wille und Herrlichkeit besser zu erkennen, als diejenigen, worinnen mir mein Loos gefallen. Aber kein Reisender, so mir zu Gesichte gekommen, kein Buch, das ich durchgelesen, keine Creatur, die ich erblicket, sagt mir mehr, als JEsus Christus, und dein Wort. Ich finde keinen Weg, der meiner Seelen so füglich, keine Arzeney, die meiner Krankheit so tauglich, keinen Blasebalg so bequem, die Liebe anzublasen, als Glaube in Christo, den Spiegel und Gesandten deiner Liebe. Ich sehe keine Lehre so göttlich und himmlisch, als diejenige, so das Bild und die Ueberschrift Gottes führet, noch irgend eine, die von deiner Allmacht so herrlich und unläug bar bestätiget worden, noch auch eine, die dich so verkläret, und die Seele von ihr selbst und der Eitelkeit abziehet, die ihre Sünden verurtheilet, sie davon reiniget, und so gerade zu dir führet. Und ob mir wohl viele Dinge in deinem Worte verborgen, so hast du mir doch auch öfters einen hellen Strahl daraus zuschiessen lassen, wodurch mir etwas davon bekannt worden. Wann mein Gemüthe in Zweifel gerathen, und schwere Versuchungen über mich gekommen, so, daß mich Satan ganz verwirren und wankelmüthig machen wollen, hast du aus unendlicher Barmherzigkeit doch die Wurzel des Glaubens immer erhalten, und die
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Liebe zu dir und der Heiligkeit, welche der Feind auslöschen wollen, immer wieder angezündet und vermehret. Ich habe dir oft entrinnen wollen, aber du hast mir Wege und Stege verzäunet, und mich dergestalt mit Fesseln der Liebe gebunden, daß ich sie nicht zerreissen können. Ich bin oft von dir gelaufen, aber du hast mich allemal wieder zurücke geholet. Du hast den unendlichen Reichthum deiner Gnade recht an mir erwiesen, und wie kan ich dich in die Ewigkeit der Ewigkeiten genugsam dafür preisen. Dir demnach, mein theurester Heyland, überlasse ich diese meine Seele; mit dir und deinem HeiligenGeiste erneuere ich meinen Bund; ich weiß keinen andern, ich habe keinen andern, und kan kein andern Heyland haben, als dich selbst. Dir weyhe ich daher diese Seele, die du erlöset hast: nicht in der Absicht, um ihr zu den Gütern, Ehren und Ergötzlichkeiten dieser Welt zu verhelfen; sondern sie davon zu befreyen, von der Sünde los zu machen und zu GOtt zu bringen; sie zu erretten von der gegenwärtigen bösen Welt, welche der Unglaubigen und Gottlosen Theil ist; sie in deinem Blute zu waschen, mit deinem Geiste zu erleuchten, beleben und stärken; sie zu leiten auf den Wegen der Heiligkeit und Liebe, und sie zuletzt vor dem Vater der Geister, gerecht, heilig, und ohne Tadel darzustellen, und in den ewigen Genuß deiner versprochenen Herrlichkeit zu setzen. O gnadenreicher Heyland, der du eine solche kräftige Arzeney zur Reinigung befleckter Seelen bereitet, laß doch nicht diese unwürdige Seele in ihrer Schuld und Befleckung; du, der du den Vater kennest, und seinen Willen weist, und ihme am nächsten und liebsten bist, lehre
|| [0203.01]
mich auch in meinem Orte und Maas den Vater erkennen. Thue mir so viel von seinem Willen kund, als ich zu Beobachtung meiner Pflicht, und zur Aufmunterung nöthig habe. Laß doch nicht meine Seele in der Finsterniß herum tappen, da du die Sonne und der HErr des Lichts bist. Aendere meine von GOtt entfremdete Gedanken. Ist er mein Licht, mein Leben, und meine ganze Hofnung? Muß ich immer und ewig bey ihm wohnen? und soll ich ihn doch nicht besser erkennen als so? Soll ich nicht mehr lernen, da ich einen solchen Lehrer habe? und soll ich nicht näher zu ihm kommen, da mein Heyland und Haupt so nahe bey ihm ist? O gönne doch meinem Glauben einen hellern Blick, und Aussicht in jene bessere Welt, und laß mir doch den Ort nicht so unbekannt seyn, wo ich ewig bleiben soll. Wie du einen Himmel vor heilige Seelen bereitet hast, so bereite auch zum Himmel diese noch so ungerüstete Seele, welche nicht lange auf der Erde zu bleiben hat. Und wann ich sie im Tode in deine Hände übergebe, so nimm sie als dein Eigenthum, und vollende das in ihr angefangene Werk, und versetze sie zu den seligen Geistern, welche mit dem Anschauen und der Liebe GOttes erfreuet und erfüllet werden. Ich vertraue dir im Leben, laß mich dir auch im Tode vertrauen, und mich in meinem Vertrauen nimmer zu Schanden werden. Und dir, o Heiliger Geist, der du von Ewigkeit her von dem Vater und Sohne ausgehest, als die sich mittheilende Liebe, der du dich herunter lässest, die Glaubigen und Auserwählten GOttes vollkommen zu machen, dir empfehle und überliefere ich diese finstere und unvollkommene Seele, sie fernerweit zu erneuern, befestigen und vollenden, vermöge des heiligen Bun
|| [0204.01]
des. Ach würdige sie doch deiner Einwohnung und Bewürkung. Belebe sie mit deinem Leben, bestrahle sie mit deinem Lichte, und heilige sie in deiner Liebe und Wahrheit. Laß sie deine heilige Würkungen, rein, lauter, kräftig und beständig geniessen. Und obgleich die Art und Weise dieses heiligen Einflusses alle menschliche Vernunft und Fassung übersteiget, so laß mich doch ihr würkliches Wesen, und ihre heilsame Kraft erkennen, durch diese selige Würkungen. Du bist der Seelen mehr, als die Seele dem Leibe, als das Licht denen Augen. O laß doch nicht meine Seele, als einen todten Leichnam, der deines Lebens ermangelt. Laß sie nicht ohne deine Bewegung fühllos, wie ein Stock und Block. Wann ich bedenke, was ich ausser dir gewesen bin, so besorge ich sehr, ich möchte deine Gnade verlieren, und dir Anlaß geben, sie mir zu entziehen. Ach leider! ich fühle, ich fühle täglich, daß ich zu allem Guten todt, und alles Gute mir todt seye, wann du nicht das Leben von allem bist Lehren und Bestrafen, Wohlthaten, Ahndungen, ja das Evangelium selbst, und die besten Bücher und Predigten sind mir wie todt, weil ich ihnen todt bin. Ja GOtt selbst kommt mir so vor, als wäre er nicht GOtt, Christus, als wäre er nicht Christus, und der Himmel, als wäre er nicht der Himmel, und die klärsten Beweisthümer der heiligen Schrift, als zweifelhaft und ungegründet, wann du sie nicht in ihrer Kraft, und in ihrem Lichte meiner Seelen fürstellest; eben, wie alle Herrlichkeit der Welt ausser ihrem Lichte, wodurch sie gesehen wird, nichts zu seyn scheinet. O du, der du angefangen, und mir diese himmlische Regungen und Bewegungen, und Begierden, welche Fleisch und Blut nicht geben kan,
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geschenket hast, laß doch nicht zu, daß meine Thorheit diese Funken ersticke, oder mein thierisches Fleisch dich vertreibe, noch die Kräfte der Höllen einen solchen himmlischen Saamen unterdrucken. Verzeihe mir doch die vorsetzliche Thorheit und Hartnäckigkeit, welche deiner Gnade schnöder Weise widerstrebet, und weiche nicht von einer undankbaren und sündhaften Seele. Ich erinnere mich mit Schaam und Schande, und mit einiger Reue und Schmerzen, wie ich deine Bewegungen oftmals mit Wissen und Willen gehemmet habe. Ach, strafe mich nicht mit Verlassung, und übergib mich nicht mir selbsten, oder dem bösen Feinde. Stehest du nicht im Bunde mit mir, als mein Heiligmacher, mein Helfer, mein Tröster? Ich habe dieses grosse Werk nicht vor mich selbst unternommen, sondern mit dem Bedinge, daß du es in mir würken soltest. So stehe mir dann kräftig bey, und führe meine Sache wider alle meine Feinde. Sey du der Urheber meiner Gebeter, der Geist meiner Kindschaft, das Siegel GOttes, und das Pfand meines Erbes. Laß meine Nächte nicht so lange, und meine Tage nicht so kurz seyn, noch die Sünde diejenigen Strahlen verfinstern, welche meine Seele öfters erleuchtet haben. Ohne dich sind die Bücher sinnlos, das Studiren ein Traum, die Gelehrsamkeit ein Zündwurm, und Witz eitel Thorheit und Geprahl. Schreibe die heilige Wahrheiten und Gesetze der Schrift in mein Gemüthe, gieß deine Liebe reichlich in mein Herz, damit es von Liebe leben, und einen Strohm von Buß-Thränen vergiessen möge. Lehre mich das Werk, das ich im Himmel treiben muß. Erquicke meine Seele mit den Ergötzlichkei
|| [0206.01]
ten eines heiligen Lebens, und der Freude, die aus der glaubigen Hofnung der ewigen Freude entstehet. Uebe mein Herz und Zunge in dem Preise GOttes, und seiner Vollkommenheiten. Stärke mich im Creutz und Leiden, und hilf mir die Schrecken des Todes und der Hölle besiegen. Mache mich desto himmlischgesinnter, je näher und geschwinder ich zu dem Himmel eile, und laß meine letzten Gedanken, Worte und Werke auf Erden, denen am nächsten kommen, und gleichesten werden, die ich zuerst in dem Stande der herrlichen Unsterblichkeit haben werde, wo GOtt alles und in allem seyn wird, von welchem, durch welchen, und zu welchem alle Dinge sind: und wo ich ihm mit den himmlischen Heerschaaren ein ewiges Hallelujah anstimmen, und freudenvoll ausrufen werde: Preis und Ehre, Ruhm und Herrlichkeit sey dem dreyeinigen GOtt, der mich geschaffen, erlöset, und verherrlichet in die Ewigkeit der Ewigkeiten: Amen! Amen! Amen!
So steht nun ewig fest, daß du der meine heißt,
Und ich dein eigen bin, GOtt Vater, Sohn und Geist!
|| [0207.01]

Aus D. Watts vermischten Gedanken.

Entfernung von GOtt, welcher unser Alles ist.

Mein GOtt, und mein Schöpfer! ich habe dich zu meinem allgenugsamen Theil und ewigen Gut erwählet. Wann ich dich betrachte, so stehe ich erstaunet über deiner Grösse: deine Weisheit, deine Macht, deine Segens-Fülle setzen meine Seele in Verwunderung und heiliges Stillschweigen. In solchem - - glückseligen Augenblicke rufet meine Seele aus: was sind die Geschöpfe in Vergleichung mit dir anders, als blosse Schatten von Wesen, und ein schwacher Wiederschein deines Lichts und deiner Schönheit? Und doch bin ich so thöricht, daß ich meine Augen gleich von GOtt abwende, und den ganzen Tag lang auf deine Geschöpfe hinrichte, als ob sie Schönheit und Licht ursprünglich von sich hätten. Was sind sie alle, o mein GOtt, als leere Cisternen, welche einer durstenden Seele keine Labung geben können, wann du ihr nicht obenher Ströhme zufliessen lässest? und dennoch dringen wir uns um diese Cisternen herum, und kleben daran, als ob sie unfehlbare Quellen und Brunnen unserer Glückseligkeit wären? Jeder Athem, den wir schöpfen, ist eine neue und
|| [0208.01]
unverdiente Gabe vom Himmel? von GOtt, der unser Leben, und die Länge unserer Tage; und doch begnügen wir uns unser Leben ferne von dem Himmel und von GOtt zuzubringen, und weit von ihm entfernet zu wohnen, mitten in dem Bezirke der Sterblichkeit und des Todes: wir kriechen beständig in diesem Lande der Gräber, als ob wir aus Erden- Schollen unsterbliche Vortheile ziehen könten. Unsere wahre und ewige Wohlfahrt beruhet mehr auf deiner alleinigen Gunst, als der gesamten Freundschaft der ganzen Schöpfung. Und dennoch entfernen wir thörichte Schwärmer uns von unserm GOtt, und schweifen weit und breit herum, um bey schwachen, eitlen, betrüglichen und quälenden Geschöpfen Vortheile und Freundschaft zu suchen. Wie sehnlich trachten wir nach einem Wort oder Blick von einem etwas erhabenen Wurm? wie schmeicheln wir ihnen? wie bewerben wir uns um ihre Liebe, ohngeachtet wir Tugend und Wahrheit, und so gar die Gunst GOttes unsers Schöpfers darüber verscherzen? und doch sind sie nichts ohne GOtt, aber er ist unser Alles, und uns vollkommen genugsam ohne sie. Wann mich Vater und Mutter, und alle meine sterblichen Freunde verliessen, und alle gute Engel von mir flöhen, wann diese Himmel und diese Erde, samt der unzehlichen Menge aller ihrer Einwohner auf einmal verschwänden, und in ihr ehemaliges Nichts zerfielen, so ist mir doch deine Gegenwart allgenugsam. Deine Hand würde mein Wesen unterstützen, und deine Liebe würde eine Ewigkeit von Leben, und eine dir gleichewige Glückseligkeitaus
|| [0209.01]
machen. Warum hänge ich mich dann so fest an meine sterbliche Freunde, als ob die Scheidung von ihnen mich unfehlbar in Elend stürzte? Warum stütze ich mich ganz und gar auf Geschöpfe, als ob mich sonst nichts stützen könte? Ach, mein GOtt! ich bin überzeugt, daß ich mehr und weit wichtigere Dinge mit dir auszumachen habe, als mit allen deinen Geschöpfen, und doch schwätze ich immer mit ihnen, und rede wenig mit meinem GOtt: oder wann es hoch kommt, so grüsse ich ihn des Morgens oder Abends, und das vielleicht noch mit einer kaltsinnigen Gewohnheit. Wen habe ich im Himmel oder auf Erden als dich, der allen meinen Mängeln abhelfen, und was nur von meinem Herzen leer, erfüllen kan? und wie sind dessen ohnerachtet meine Gedanken und Stunden so beschäftiget Vergnügen zu suchen unter glänzenden Stricken, oder wenigstens bey dem schmeichlenden Unfug der Welt! ob mir gleich eine jede neue Erfahrungs-Probe zeiget, daß sie alle unhinlänglich dazu seyen. Finde ich von ungefehr etwas hierunten, dessen du dich als eines Canals bedienest, um mir einen Segen von deiner Hand zuzuflössen, wie geneigt bin ich einen Abgott daraus zu machen, und es in die Stelle meines GOttes aufzusetzen? Wie sehr, leider! vertraue ich auf Speise, mich zu nähren, und auf Arzeney mich zu heilen! Bist du es doch allein, der mir Ruhe, Nahrung und Gesundheit verleyhen kan, dieweil ich in dieser Hütte von Fleisch und Blut wohne. Laßt die Heilungs-
|| [0210.01]
Mittel vergeblich seyn, und die Aerzte ganz Hofnunglos mich dem Tode übergeben; ein Wort von dir kan dem Grabe seinen Rachen schliessen, die blühende Stärke der Jugend erneuern, und der abnehmendenNatur wieder aufhelfen. Wenn du deinen belebenden Einfluß entziehest, so zehret mein Fleisch aus, und erstirbt mitten in dem Ueberfluß eines reichen Tisches, und unter den Vorschriften der gelehrtesten Aerzte; und du allein kanst mir eine selige Wohnung verschaffen, wann diese elende niedergefallen. Vater, in deine Hand befehle ich meinen Geist, wann er dieser sterblichen Hütte<Hülle> entledigt; und warum solte ich ihn nicht immer nahe bey dir behalten, da ich jeden Augenblick in Gefahr stehe, aus dieser Wohnung vertrieben, und nackend als ein Fremdling in die unbekannte Welt der Geistergesandt zu werden? Ich habe nur noch ein paar Tage und Nächte mit Sonne, Mond und Sternen zu thun; in kurzer Zeit wird alle meine Gemeinschaft mit dieser sichtbaren Welt aus seyn; aber ich habe Geschäfte von ewiger und unendlicher Wichtigkeit mit dem grossen GOtt auszumachen. Vor deinem Richterstuhl muß ich stehen als dem letzten Richter aller meiner Thaten, dessen Entscheidung unveränderlich und unumstößlich; und doch, wie sehr bestrebe ich armseliger mich nach dem Beyfall der Creaturen, deren Meynung und Ausspruch nur ein leeres Nichts ist! Auf dein Urtheil muß ich stehen, oder ewig fallen. Die Worte deiner Lippen werden mir entweder immer
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währendes Wohl oder ewiges Weh zusprechen. Warum solte dann ich, der ich ein geringer Wurm, und gleichsam nur ein Sonnen-Stäublein von Wesen bin, mich bekümmern um das Gefallen oder Mißfallen meiner Mitwürmer, die gleichfalls solche Stäublein, wie ich? können alle ihre Lobes-Erhebungen, oder ihr Tadeln nur das geringste wägen in der göttlichen Waag-Schaale, jener heiligen und erschrecklichen Waag-Schaale der Gerechtigkeit, auf welcher alle meine Handlungen, ja meine Seele selbst sollen gewogen werden? Laßt alle Creaturen oben und unten, hoch und niedrige, mich sauer und verächtlich ansehen, wenn nur mein Schöpfer mich gnädig anblicket, so bin ich glückselig, und alle ihre Abgeneigtheit kan meine vollkommene Freude nicht mindern. Verzeihe, o gnadenreicher GOtt, verzeihe einem sündhaften Wurme die vorige Thorheiten und Abweichungen, von dir, dem höchsten und besten aller Wesen. Ich erstaune selbst über meine eigene Unbesonnenheit, daß ich so lange und so weit von dir entfernet leben können, da mein ewiges Wohl und allgemeine Hofnung von dir abhanget. Und wie viel weniger bin ich zu entschuldigen, daß ich meinen GOtt vergessen, da er seinen eigenen Sohn, sein schönstes Ebenbild, Fleisch und Blut annehmen lassen, um mich an meinen Schöpfer zu erinnern, und zu lehren, was mein GOtt ist? Wer mich gesehen hat, sagt er, der hat den Vater gesehen. Ich und der Vater sind eins. Wir sind zwar zu spät gebohren, um sein Angesicht zu sehen, aber sein immerwährendes Evangelium gibt uns die Abschrift
|| [0212.01]
seines Herzens, die wahre Abschilderung seines Lebens, und die eigentlichen Züge seiner Seelen. Dort können wir JEsum lesen, dort können wir den Vater lernen. O möchte ich die kurze Frist meiner übrigen Tage in der Gegenwart meines GOttes zubringen, und wann ich mit Geschöpfen umgehen muß, so laß mich eingedenk seyn, daß ich unendlich mehr mit meinem Schöpfer zu thun habe, damit ich meine Rede und Geschäfte mit ihnen dergestalt abkürzen möge, daß ich Zeit gewinne, desto länger mit dir umzugehen. Laß mich dich in allem sehen, laß mich deinen Namen allenthalben lesen, Töne, Gestalten, Farben, Bewegungen, und die sichtbaren Dinge insgesamt, alle diese laß mir einen unsichtbaren GOtt zeigen. Laß mich die Geschöpfe nicht anderst ansehen, als Bücher die du mir geliehen hast, um mich deine Macht, Weisheit und Liebe zu lehren. Fürnemlich aber laß mich diese Wissenschaft in dem Umgange mit meinem hochgelobten Erlöser lernen, und möchte ich doch in dieser göttlichen Schule ein so weiser Schüler seyn, daß ich täglich neuen Unterricht schöpfe. Erziehe und unterweise mich unter deinen sichtbaren Werken, und in deinem Worte, o mein himmlischer Vater, durch die huldreiche Herablassung deiner Gnade und Fürsehung, bis ich entbunden und entwöhnet bin von allem so niedriger, als GOtt ist, und alsdann gönne mir einen herrlichen Eingang in jene selige Welt der Geister, wo ich GOtt näher und unmittelbar schauen, und da ich aus Empfindung GOtt vollkömmlich als das Leben der Seelen erkennen werde.

|| [0213.01]

Einsame Gespräche des Herzens mit sich selbst

in gebundener Rede aus den vermischten Wercken der Frau Rowe.

|| [0214.01]

I.


Ewger Schöpfer! sey gelobet, sey gepriesen, ewge Macht!
Du erschufest Erd und Himmel, und zugleich auch Tag und Nacht.
Stoff, Gestalt und Möglichkeit sind aus deiner Kraft entsprossen,
Und, o grosser GOtt, von dir, als der Quelle hergeflossen.
Da noch ein vermischter Klumpe unbewegt und leblos lag,
Gab dein Kraftstrahl ihm Bewegung, und was sonsten noch gebrach.
Chaos, Nacht und Finsterniß hörten deine Stimm ertönen,
Und die Ordnung, und das Licht eilten deine Werk zu krönen.
Wann du dein Gesicht verbirgest, traurt sogleich die Creatur;
Aber Leben, Lust und Wonne kömmt ihr wieder, blickst du nur.
Deine Huld und Gnade ists, welche die Natur erfreuet,
Die ihr Trost und Hofnung gibt, und die ihre Furcht zerstreuet.
Bey der Erde und den Himmeln findt ein schnöder Wechsel statt,
Aber du, HErr, dessen Wesen weder End noch Anfang hat,
Kanst in alle Ewigkeit niemals keine Abnahm spüren,
Wann sich alle Dinge sonst mit der schnellen Zeit verlieren.
Deine Hand regiert und treibet jene Kugeln in der Höh,
So, daß jede durch den Luftkreis in vollkommner Ordnung geh.
|| [0215.01]

Alles, was hierunten schön, was nur rein und auserlesen.
Fließt unmittelbar von dir, und aus deinem lautern Wesen.
Grosser Ursprung alles Lebens! sind von dir nicht insgesamt
Alle Ränge aller Geister, alle Wesen hergestammt?
Ja, du bists, der uns gemacht, dem wir uns verpflichtt erkennen;
Wie wir dann dein Recht gestehn, und dich unsern Vater nennen.

II.


Liebe, die vom Himmel stammet, mein beliebtes Lied allhier!
Liebe, o du liebster Name! tausend Segen folget dir.
Ist die GOttheit nicht der Grund, wo dein ewger Ursprung lieget?
Findet doch der Höchste selbst sich von deiner Macht besieget.

Saget, o ihr holden Engel, wie die Lieb den Schöpfer treibt:
Aber ach! wo ist die Sprache und die Zung, so dies beschreibt?
Ihr habt ihn erstaunt gesehn, von des Himmels Throne steigen,
Und den HErrn der Herrlichkeit gnädig sich zur Erde neigen:
Ihn gesehn gebohren werden, ihn gehöret, da er rief,
Ihn gesehen, da er weinte, da der Welt-Beschützer schlief.
Ihn gesehen voller Schmach alle Herrlichkeit vermissen,
Ohne einen Ruheplatz für sein theures Haupt zu wissen.
Ihr bemerktet, wie er kämpfte, und wie sich sein Herz betrübt,
Und wie sich der Fürst des Himmels für die Erd zu Tod geliebt:
Wie er für die Menschen litt, und die ganze Welt gestorben,
Und durch seinen Tod und End Leben ohne End erworben.
Liebe, die du triumphirest, o wie groß ist deine Macht!
Und wie groß der Sieg und Ehre, so dir jene Stund gebracht!
|| [0216.01]

Sonne, Sterne und der Mond, haben insgesamt empfunden,
Und bezeugt, die GOttheit sey von der Liebe überwunden.

Rührt ihr Engel eure Harfen, stimmet Lobgesänge an,
Und verkündet was die Liebe, und was ihre Kraft gethan.
Ihr, o Menschen, kommt zugleich, eure Stimme ihr zu weyhen:
Freue dich erkaufte Schaar, und tritt gleichfalls in den Reihen.
Euch, o ihr erlösten Stämme, euch gebührt insonderheit,
Sie zu preisen, ihr zu danken bis in alle Ewigkeit.
Fangt die ewgen Lieder an, jauchzet, singt und triumphiret:
Dem der ehmals litt und starb aber ewig nun regieret:
Dem, der uns so sehr geliebet, und nach seinem Liebes-Rath,
Gott zu Köngen und zu Priestern durch sein Blut erwehlet hat:
Dann das einst erwürgte Lamm ist höchstwürdig von der Erden,
Und dem Himmel hier und dort ewiglich gerühmt zu werden.

III.


Was auch nur mein sterblich Leben für Verändrung je begleitt,
Sey es nun vergnügter Friede, oder Widerwärtigkeit.
Lasset frohen Sonnenschein oder Glücke mich anlachen,
Oder finsteres Gewölk meine Tage dunkel machen.
Meine Zung soll GOttes Lobe unverrückt ergeben seyn,
Und sein Preis mich stets ergötzen, und mich immerdar erfreun.
Dann er ist allein der Ruhm, welchen ich mir auserkohren,
Und es gehe jeder Nam ausser seinem mir verlohren.
Seine Allmacht ist alleine meine ganze Zuversicht,
Und ich weiß sonst keinen Namen, keine andre Hülfe nicht.
Ich will mich in GOtt erfreun, und in meinem Heyland leben,
Und ihm meiner Pflicht gemäß Lob und Dank und Ehre geben.
Seine Engel, ja er selber, ist um Fromme immerdar,
Und er schützet die Gerechten, und die Heilgen vor Gefahr.
|| [0217.01]

Sehet, kostet und erfahrt, wie hoch selig die zu schätzen,
Welche ihrer Hofnung Grund nur auf seine Gnade setzen.
Er ersetzet ihre Mängel, seine Güte sorgt für sie,
Und er leidet ihre Schritte, und sein Aug verläßt sie nie.
Seine Ohren sind bereit, sich zu ihrem Flehn zu kehren,
Und voll Mitleid und geneigt, ihre Seufzen zu erhören.
Wann sie in dem finstern wandeln; zagen sie in Dunkelheit,
Ist er ihr getreuer Führer, der sie sichre Stege leitt.
Wahrheit und Barmherzigkeit durch ein freundlich Band vernimmt,
Ist, was mit erhöhtem Glanz stets aus seinen Wegen scheinet.
Lasset mich doch ewig singen von den Wunden seiner Lieb,
Welche ihn wie gegen Menscheu<Menschen>, so auch gegen Engel trieb.
Engel, Menschen, Himmel, Erd werden alle mit Vergnügen,
Trachten ihre Lobgesäng meinen Liedern beyzufügen.

IV.


Meine Lieder sind zu niedrig, mein Gesang ist zu gering,
Daß er dich nach Würden rühme, und dein hohes Lob besing.
Dennoch laß mein schlechtes Lied was von meiner Wehmuth sagen,
Und in tiefster Traurigkeit über deiner Ferne klagen.
Ach erlaube, daß ich ächzend meine zarte Sorg berühr,
Und mein niedriges Gedichte doch mit deinem Namen zier.
Flüsse, Ströhme, Erd und Luft, will ich seine Anmuth lehren,
Und es soll, was um mich her, ihn aus meinem Munde hören.
Nymphen, durch den Schall erwecket, und durch meine Brunst gerührt,
Sollen eine Flamme lernen, die was edlers bey sich führt.
Hirten sollen sich nicht mehr nach was Sterblichem bestreben,
Sondern ihr Gelübde dir, und ihr Herz dem Himmel geben.
|| [0218.01]

Berge, Thäler, Felder, Triften, wie auch Wälder, Büsch und Hayn,
Sollen Sitz von reinster Freude, und von ewger Liebe seyn.
Ja die Engel werden sich von der Höh herab begeben,
Um mit Menschen umzugehn, und nun auf der Erd zu leben.

V.


Durch Gelübde und durch Seufzer, und durch Wehmuthvolle Klag,
Legen sonst verliebte Herzen ihre Leiden an den Tag.
Worte, welche ausgesucht, Gleichniß, die sich füglich schicken,
Pflegen ihre Traurigkeit, oder Freude auszudrücken.
Aber ach! was sind wohl Worte? o wie eitel, o wie schnöd,
Eine Liebe zu entdecken, die so himmlisch, und erhöht?
Ist die Sprache, Sterblicher, wohl bequem zu jenen Dingen,
Welche die Unsterbliche, ja die Engel selbst besingen?
Lehrt mich doch ihr Seraphinen eure Kunst und süsse Sprach,
Daß ich so die zarten Triebe meines Herzens schildern mag:
Daß ich sprech und rede von - - dann nur ihr allein könt sagen,
Was Gemüther, die entzückt, für ein Feuer in sich tragen.
Ihr empfindet diese Flamme, wenn ihr eure Harfen spielt,
Und ihr starret, liebt, und sprechet, was kein Mensch begreift und fühlt,
Und der angenehme Schall pfleget alles durchzudringen,
Und so weit der Himmel geht, nichts als Liebe zu erklingen.

VI.


Rede doch! so wird die Anmuth deiner Stimme mich erfreun,
Und mir ein erwünschter Vorschmack jener ewgen Freude seyn.
Ihre Wonne wird mein Herz und Gemüthe überschwemmen,
Und den unbezähmten Reitz der verführten Sinnen hemmen.
Kunst, Natur und ihre Kräfte würden sich umsonst bemühn,
Jene Wollust zu erreichen, die dadurch mir angediehn.
Laß sich doch auf meine Bitt deine Gnade zu mir kehren,
Und mich deinen süssen Mund, wär es auch nur wispelnd, hören:
|| [0219.01]

Jenen Ton, dergleichen niemals noch kein sterblich Ohr entzückt,
Jene Stimme, so die Seele in der Stille so erquickt,
Wann sie von der Welt getrennt, und von allem abgekehret,
Mit Gehorsam und Begier, auf den Ruf des Höchsten höret:
Jene Stimme, welche sucht uns von schnöden Eitelkeiten,
Zu der unbeschränkten Lust, und der ewgen Ruh zu leiten:
Jene Stimme, welche süsser, als der Engel Lieblichkeit,
Wann sie einen Geist begleiten, welcher von der Erde scheidt:
Der mit Lächeln auf den Tod und auf seinen Anzug siehet,
Und frolockend und entzückt, in sein selges Heimath ziehet.
Wann wirst du doch einmal reden, und mir sagen, du bist mein!
Ach wie wünsch ich dies zu hören! siehe doch in Gnaden drein!
Wann die freudenreiche Wort einmal meine Ohren rühren,
Werden alle Sorgen fliehn, und mein Kummer sich verlieren.
Eilt, ihr Tage, und ihr Stunden, eile, o gemeßne Zeit,
Und befördert und beschleunigt die erwünschte Ewigkeit.

Bis dahin zu jenem Tag sollen die gesamte Sphären,
Und die ganze weite Welt, meine Lieb und Sehnsucht hören.
Zeugt, was euch bekannt, ihr Ströhme, Wälder, Schatten, Einsamkeit,
Die ihr die vergnügte Wohnung und der Sitz der Liebe seyd:
Zeugt von meinen Flammen all, dann ihr wißt den theuren Namen,
Der sie in mir angezündt, und ihr wißt, woher sie kamen,
Eure angenehme Antwort, euer süsser Wiederschall,
Tönte öfters in den Triften, und erfüllte Berg und Thal.
Du, o frohe Morgenröth, und ihr sanfte Abendwinde,
Ihr, o Grüfte, und auch ihr in der Erd verborgne Gründe:
Du, o Mond, und ihr, o Sterne an dem hohen Himmels-Zelt,
Deren Silberschein die Schatten schwarzer Mitternacht erhellt,
Du auch, schönes Licht des Tags sollst ein treues Zeugniß geben,
Von der Inbrunst meiner Lieb, und von ihrem steten Streben.
|| [0220.01]

Wie der Himmel, so die Erde hörten oft mein sehnlich Schreyn,
Und der Himmel und die Erde können dessen Zeuge seyn.
Ihr, o Engel, dann ihr könnt, meiner Andacht fromme Klagen,
Und die in der Mitternacht aufgeschickte Seufzer sagen.
Ihr empfindet diese Flamme, so das Himmels-Glut erregt,
Und ihr preißt mit mir den Namen, welcher mich entzückt bewegt:
Zeugt von meiner reinen Brunst, zeugt, wie meine Seele schmachtet,
Und nach eurer Lieder Höh, und nach eurer Flamme trachtet.

Doch, mein Leben, meine Hofnung, und mein Licht, dem nichts versteckt,
Dir allein sey meine Inbrunst und mein Wunsch und Herz entdeckt.
Dir alleine wieß ich gern meine zarte Sorg und Grämen,
Und dich selber möchte ich nur zu meinem Zeugen nehmen.
Du, der meine ganze Seele, ihr geheimstes Dichten sieht,
Der von allem, was verborgen, und verhüllt, den Vorhang zieht,
Du, mein grosser Richter selbst, dem mein Denken, Thun und Leben,
Meine Treu und Lieb bekannt, sollst mir ewig Zeugniß geben.

VII.


O Geschenke aus dem Himmel, das kein Mensch durch sich erreicht,
Was für Thaten, was für Wunder hast du schon der Welt gezeigt?
Deine heilige Gewalt muß der Himmel folgsam ehren.
Und, wann du befiehlst, Natur sich in ihrem Laufe kehren.
Auf dein mächtiges Gebieten stunden Mond und Sonne still,
Voller Ehrfurcht vor der Stimme, welche es so haben will.
Sprichst du nnr<nur>, so legt sich gleich die erzürnte Wuth der Winde,
Und die Wellen theilen sich, und gehorchen dir geschwinde.
|| [0221.01]

Dein Befehl zertheilt die Felsen, und macht dichte Marmorstein,
Wasserreiche Quellen werden, und erwünschte Ströhme seyn.
Auf dein kräftiges Gebet und dein Nachdruck-volles Segnen,
Muß den Sterblichen zu gut Manna von dem Himmel regnen.
Deine weite Kraft-Befehle schränken keine Gränzen ein:
Was nur je der Allmacht möglich, muß auch dir wohl möglich seyn.

VIII.


Ach warum läßt doch die Sonne, und ihr holder Schein nicht nach?
Ach warum doch gönnt sie Bösen immerhin den frohen Tag?
Bösen, deren Stolz nur trachtt, jene Schönheit zu beflecken,
Und der ewgen Sonne Glanz selbst durch Sünde zu verdecken.
Warum schimmern doch die Sterne in der schatten-vollen Nacht,
Da der schwarze Dampf der Hölle stets den Himmel dunkel macht?
Haltet ein und höret auf, euer Licht herab zu senden,
Und es einer andern Erd, welche heilger, zuzusenden.
Lasset doch, ach! laßt mich weinen in entlegner Einsamkeit,
Und in weit entfernten Schatten, welche nie kein Licht erfreut:
Wo kein Labsal und kein Trost, meine bange Wehmuth lindern,
Und mich in der Traurigkeit und gerechten Klage hindern.
Würde doch der Zorn des Höchsten durch mein Schreyen ausgesöhnt,
Und die allgemeine Rache auf mein Flehen abgelehnt.
Aber seht, sie kommet schon : Drohungs-volle Stürm entstehen,
Und ein schreckendes Gewölk läßt sich schon am Himmel sehen.
Ewge Langmuth! ist es möglich, ach so schau und warte doch,
Und verschone dein Geschöpfe, deiner Hände Werke noch?
|| [0222.01]

IX.


Nur von dir, mein GOtt, entspringet meine allerhöchste Lust:
Der Gedanke deines Wesens labet immer meine Brust.
O wie pfleget meine Seel, wann sie dort auf jenen Höhen,
Erde, Welt, und ihre Lust so verächtlich zu verschmähen.
Voll von heiliger Entzückung schwingt sich mein behender Geist,
Ueber alles, was geschaffen, bis zu dem, was himmlisch heißt.
Was nur prächtig, was nur schön, und was göttlich anzusehen,
Seh ich, o der Herrlichkeit! gegenwärtig vor mir stehen.
Möchte ich doch stets so leben! hörte, wüßt, und säh ich nicht,
Was bey Sterblichen, die rasend, in der Raserey geschicht.
Laß mich doch nur deinen Trost, der das Herz erquickt, gewahren:
O so laß ich gern die Welt und all ihr Gepränge fahren.
Dich, o du betrüglich Blendwerk, schlag ich ewig in den Wind,
Weil mein Geist ein edler Glücke und gemässer Labsal findt.

X.


Wann ich jemals den Geliebten meiner Seelen wieder findt,
Will ich ihn mit Fesseln binden, so wie zarte Liebe bindt:
Und eh ich den theuren Schatz wieder aus der Hand will geben,
Gäb ich lieber alles hin, laß ich lieber dieses Leben:
Dieses Licht, das mir gewißlich ohne meinen GOtt zur Bürd,
Ohne Hofnung, ihn zu finden, unerträglich werden würd.
O du, dessen Feur und Glut meine Brust und Herz entzünden,
Ich muß sterben, weil ich such, oder aber muß dich finden.
Ach die Welt zeigt mir vergeblich ihre Pracht und Herrlichkeit;
Alles, was sie kan verleyhen, gibt mir keine Ruh und Freud.
Laß mich ihren schnöden Tand, und was sie verheißt, verschmähen,
Meine ganze Seligkeit muß in dir allein bestehen.
Hier soll meine Seele ruhen, eitles Trachten halte ein:
Hier soll ewig mein verbleiben, ewig meine Wohnung seyn.
|| [0223.01]

XI.


Keine Zeit, noch Ort, noch Wechsel ändert meinen festen Sinn:
Nichts soll dem mein Herz entziehen, dem ich alles schuldig bin.
Nicht die Schmeicheley der Welt, noch von ihr erdachte Weisen,
Sollen je sein theures Bild mir aus meinem Herzen reissen.
Brauchte gleich die ganze Hölle alle ihre Kraft und List,
Löschte sie doch nicht die Flamme, die so hoch und göttlich ist.
Weder ihre stoltze Wuth, noch ihr Reitz und Schein-Versprechen,
Sollen jemals meinen Schluß und gefaßten Vorsatz schwächen.
Wollust soll mich nicht bethören, Herrlichkeit, die noch so schön,
Ehr und Reichthum soll vergeblich mir vor meinen Augen stehn.
Der Verfolger grimmer Zorn soll mir keine Furcht erwecken,
Noch das Ungeheur, der Tod, und sein gräßlich Bild mich schrecken.
Laßt ihn mit den schärfsten Pfeilen mich zu treffen sich bemühn,
Nähme er gleich diesen Athem, und zugleich mein Leben hin:
Wird doch diese heilge Flamm fliegend in die Höh sich schwingen,
Und unausgelöscht dorthin, wo sie hergekommen, dringen.
Dieses Feuer, das vom Himmel, muß auch wieder aufwärts gehn,
Sich zu seinem Ursprung nahen, und mit ewger Kraft erhöhn.

XII.


Lauf, o zauderhafte Sonne, träge Stunden nehmt die Flucht,
Daß ich endlich den noch finde, den ich schon so lang gesucht.
Kommt, ihr selge Augenblick, meine Seele zu erquicken,
Laßt mich doch die frohe Zeit, das erwünschte Ziel erblicken.
|| [0224.01]

Ach wozu sind doch die Tage, und was hilft ihr unnütz Licht,
Wann es mir nicht bringt und zeiget das entzückende Gesicht.
Auf dem ganzen Erdenkreis läßt sich keine Schönheit finden,
Deren Reitz vermögend wär, mein Gemüth und Herz zu binden.
Die Fürtreflichkeit des Himmels ist es, so mein Aug bewegt,
Und in meiner Brust ein Feuer, ein unsterblich Feur erregt.
Schönster Vorwurf meiner Lieb, welchem nichts hierunten gleichet,
Du nur bists, nachdem mein Sinn, und mein ganzes Herz sich neiget;
Meine höchste Wünsch und Hofnung, meine reinste Flamm und Freud,
Meiner Inbrunst stärkste Triebe sind dir allesamt geweyht.

XIII.


Ihr beglückt und selge Geister, die ihr in der Höhe wohnt,
Und ein Reich besitzt, wo Wonne ohne Maaß und Ende thront:
Die ihr jene ewge Flamm, und unsterblich Feur empfindet,
Und die Seligkeit genießt, welche meinen Wunsch entzündet,
Die ihr jene Pracht und Klarheit aufgedeckt und bloß betrachtt,
Die nur einmal anzublicken, mich so gerne sterben macht.
Ich beschwör euch bey der Freud, die ihr fühlet, meine Plagen,
Meine Sorg und Zärtlichkeit, meinem Liebsten fürzutragen.
Macht ihm meine starke Neigung, meinen Sehnsuchts-vollen Stand,
In der hocherhabnen Sprache, wie ihr selber sprecht, bekant;
In der ungemeinen Weiß, wie ihr jene Flamm beschreibet,
Die in euerm Busen herrscht, und die eure Herzen treibet,
Wann ihr voll von froher Liebe seliger Unsterblichkeit,
Und auf jenen lichten Höhen himmlischer Entzückung seyd.
Sagt dem Vorwurf meiner Lieb, welche meine Seele schätzet,
Ueber dieses frohe Licht, dessen Schein das Aug ergötzet.
|| [0225.01]

Ueber meine werthe Freunde, oder so was theurer ist,
Ueber den so süssen Athem, über meines Lebens Frist.
Ueber alles, was nur schön und ergötzend hier zu nennen,
Ueber die vergnügtste Freud, welche Sterbliche nur kennen:
Ueber alles, alles dieses, saget ihm, daß ich ihn lieb;
Sagt ihm, wie sich meine Seele voller Kummer für ihn üb.
Saget ihm, wie ich die Zeit, saget ihm, wie ich die Stunden,
Seines Aufschubs und Verzugs so betrübt und lang gefunden.
Saget ihm nur sein Verweilen nehm mir alle meine Ruh,
Und die Grausamkeit des Eifers quäl noch meine Brust dazu.
Sagt, daß meine Hofnung sich ihn zu ihrem Ziel erkohren,
Und daß ohne seine Lieb ich für immerhin verlohren.
Saget ihm, daß nichts den Schaden, und nichts den Verlust ersetzt,
Und die Seele unterstütze, auszustehn, was sie verletzt;
Nichts erfolgt, als Herzeleyd, Schmerzen, so nicht zu ertragen,
Ja! Verzweiflung, Marter, Tod, Höll und alle ihre Plagen.

XIV.


Bleibe doch, o mein Geliebter, und entferne dich noch nicht
Meinen Sehnsuchts-vollen Blicken, welche starr auf dich gericht.
Laß dein lieblich Antlitz doch sich nicht meinem Aug entziehen,
Bleibe, bis die Mitternacht, und die schwarze Schatten fliehen.
Bleib doch, bis der helle Schimmer, und des Morgensternes Licht,
Die vergüldte Röth verkündet, und den nahen Tag verspricht.
Bleibe, bis der Sonnenschein und ihr Glanz die Nacht verdringen,
Und die Vögel voller Freud ihre frohe Lieder singen.
|| [0226.01]

Komm doch wieder, o mein Leben, oder ziehe mich nach dir,
Dann die Erd weiß kein Vergnügen, und ich keinen Trost allhier.
Ausser dir wird keine Lust, keine Hofnung sonst gefunden:
Du bist meine Seligkeit, und mein ganzes Glück hierunten.

XV.


Komm, o angenehmer Tod, komm, die Seele loszuwinden,
Von den Fesseln, welche Sie so an Leib und Erde binden.
Keiner, der von Arbeit müde, neigt sich so dem Abend zu,
Als sich meine Seele sehnet, dort nach jener süssen Ruh.
Seufzen ist mein Zeitvertreib, Thränen sind mein Brod und Speise,
Hier in diesem Jammerthal, wo ich als ein Pilgrim reise.
Komm, erwünschter Friedens-Bote, komm, ach komme bald herbey,
Kein Gefangner säh sich lieber von dem bangen Kerker frey.
Kan ein armer Sclave mehr unter seinem Elend zagen?
Kan er seine Sclaverey mit mehr Ach und Weh beklagen?
Sey willkommen, frohe Stunde, die den Geist in Freyheit setzt,
Ist wohl etwas auszudenken, welches mich so sehr ergötzt?
O wie freudig, o wie gern, wolte ich von hinnen gehen,
Und die Herrlichkeit der Welt voll Verachtung übersehen?
O wie würde meine Seele so behänd und muthig fliehn,
Und in einem Augenblicke jenes Lusthaus dort beziehn?

XVI.


Laßt mich in das kalte Zembla, oder heisse Libyen,
Laßt mich in die weite Wüsten immer mich verbannet sehn:
Setzt mich in ein wildes Land, oder abgeschiedne Höhle,
Ferne von Lebendigen, wo kein Mensch und keine Seele,
So betrübt und dunkel immer auch ein solcher Ort mag seyn.
Laß mich nur dein holdes Antlitz, deinen Anblick da erfreun.
|| [0227.01]

O so wird die Wüsteney, und der wildste Platz der Erden,
Mir zu einem Paradies, und zu einem Himmel werden.
Einsamkeit, Gefahr und Nächte, und was sonst erschrecklich ist,
Flieht und schwindet unverzüglich, wo nur du zugegen bist.
Liebe, Schönheit, Majestät, Wonne und gehäufte Freuden,
Sind Gefehrden und Gefolg, so dich ungetrennt begleiten.
Ein unendlich während Leben, eine Lust so stets beharrt,
Und ein Tag der himmlisch glänzet, fließt aus deiner Gegen wart.
Gute Nacht, o schöne Sonne, gute Nacht, o Mond und Sterne,
Ich will euern Strahl nicht mehr, und miß euern Schimmer gerne:
Dann das Licht der Ewigkeiten bricht mit seinem Glanz herein,
Und gewähret meiner Seele eines ewgen Tages Schein.

XVII.


Schweigt, ihr angenehmen Kräfte, Harmonie und Lieblichkeit,
Und ihr Anmuth-vollen Töne, welche die Natur verleyht:
Was die Kunst, so weit sie auch, für Ergötzung nur kan hegen,
Was die Singkunst nur erdacht, um die Seele zu bewegen,
Seye ewig stumm und stille, weil nun mein Gemüthe hört,
Jene Stimm, an deren Schalle sich auch selbst die Hölle kehrt:
Die vermögend, ihre Angst, ihre stärkste Quaal zu schwächen,
Ihre Pforten aufzuthun, ihre Bande zu zerbrechen.
Jene nachdrucksvolle Stimme, deren Ton, Gewalt und Macht,
Alle Sphären in Bewegung, und in ihren Kreis gebracht.
Lasset doch die süssen Tön aus der Höh herunter steigen,
Und des Himmels Harmonie sich herab zur Erde neigen.
Ewge Freude und Ergötzung fliessen meiner Seele zu:
Ach der unbeschränkten Wonne, und der unermeßnen Ruh!
|| [0228.01]

O ihr Engel, nun will ich nicht von euerm Chor mehr wissen,
Und gern eure güldne Leyr, o ihr Seraphinen, missen.

XVIII.


Hört die Engel droben rufen: hört, sie rufen mich dorthin,
Und sie heissen mich in Eile in das Reich der Liebe ziehn.
Meine Seele hört entzückt, und ich eile zu den Todten:
Ja! ich folge, ja ich komm, o ihr angenehme Boten!
Selge Diener jener Höhen, deren Harf so lieblich klingt,
Laßt mich ihre Anmuth hören, wann der Tod mich zu sich schlingt:
Sie wird alle bange Furcht, und erregte Sorgen stillen,
Und den Sitz der Traurigkeit mit vergnügter Wonne füllen.
Meine Seele durch der Lauten angenehmen Ton erquickt,
Wird die Kunst des Himmels lernen, und wann sie dazu geschickt,
Heiliger Entzückung voll, und mit himmlischem Vergnügen,
Sich zu jenem frohen Chor dorten in der Höhe fügen.
Ob ich schon noch nicht das Feur, und die heilge Flamm empfind,
Und die hohe Lieb verspüre, welche euer Lied entzündt,
Fühle ich doch schon in mir einge Funken hier auf Erden,
Die in jener selgen Welt ewig sich vermehren werden.
Wann einst diese dunkle Schatten, dieses trüb Gewölk vergeht,
Und die Herrlichkeit des Höchsten völlig offenbahret steht,
Werde ich sodann dich sehn, und wann du dich mir wirst weisen,
Mich in deiner Gegenwart ewgem Lichte selig preisen:
Dann werd ich die Schätz der Weisheit blos und aufgedecket stehn,
Und dich, o du höchste Schönheit in vollkommner Klarheit sehn.
Voller Glanz und Majestät, so wie Engel dich verehren,
Und dich alle Welt erkennt als den allgemeinen HErren.
|| [0229.01]

XIX.


Tiefe Seufzer, zarte Klagen, die in meiner Brust entstehn,
Eilet in die ferne Himmel, und die Höh hinauf zu gehn.
Euer herzbewegend Flehn möchte durch die Wolken dringen,
Und den Vorwurf meiner Lieb, meinen Allerliebsten zwingen,
Daß er meinen herben Kummer, daß er meine Wunden heil,
Und mir das, so ich verlohren, GOtt, der meine Ruh ertheil.
Aber was, ach was für Wort, was für zarte Liebes-Klagen,
Können meine Traurigkeit, meine Noth und Wehmuth sagen?
Welcher Schmerz verliebter Herzen, was für ein Bekümmerniß,
Kan wohl meinen Schmerzen gleichen, wann ich dich beklagend miß?
Ohne dich ist keine Lust, ohne dich muß ich vergehen,
Und ich sterb, läßt du mich nicht wieder meine Wonne sehen.
Zeig mir doch dein holdes Antlitz, das mein traurig Herz erfreut,
Und vertreibe diese Schrecken banger Nacht und Dunkelheit.
Laß mein theurer Heyland doch, dein so zartes Herz dich rühren,
Und mich alle deine Huld, deine vorge Liebe spüren.
Du hast meine zarte Kindheit deines Namens Ton gelehrt,
Und die erste Glut entzündet, und mein junges Herz bekehrt.
Denke doch an deine Güt, und die liebesvollen Triebe,
Da ich mich an dich ergab, und zuerst mich dir verschriebe.
Da schon fühlte ich dein Feuer, deine Kraft und göttlich Licht,
Meines Herzens jüngste Triebe waren all auf dich gerichtt.

XX.


Selges Eden, so verlohren! ach wie schmerzlich nagst du mich!
Ich beklage deine Schönheit, und gedenke stets an dich.
Doch nicht bunter Blumen Schmuck, und nicht Pflanzen, welche grünten,
Noch auch Lauben, Büsch und Ströhm, welche zur Ergötzung dienten,
|| [0230.01]

Sind es, was mein Herz beneidet; diese gäb ich gern dahin;
Noch auch selbst der Baum des Lebens schwebt mir schmerzend in dem Sinn.
Auch nicht mit den Engeln selbst eine hohe Freundschaft pflegen,
Ist es, was mich seufzen macht, ist es, was mir angelegen.
Ich betraure ein Vergnügen, ich vermisse eine Lust,
Welche seit erblichner Unschuld Sterblichen nicht mehr bewust.
Was ich mir von Eden wünsch, ist den Schöpfer selbst zu sehen,
GOtt zu sprechen als ein Freund, und mit ihm so umzugehen.
O der Pracht des Paradieses! wo man, was nur schön hieß sah;
Die Natur war voller Freuden, und der Himmel selber da.
O du höchstbeglücktes Paar! wie erhaben war dein Glücke,
Und wie ungleich und betrübt dein darauf erfolgt Geschicke!
Hochbegünstigt! riefen Engel, und es riefe Himmel, Erd,
Hochbegnadigt! wenn der Höchste eine solche Gnad gewährt!
Kehr, o selge Zeit zurück, komme wieder, holde Sonne,
Und bring jene Herrlichkeit, jene höchsterwünschte Wonne.

XXI.


Nur zu deinem hohen Preise öfnen meine Lippen sich,
Und es zeigen keusche Lieder meine Liebe gegen dich.
Lichte Quell, aus deren Grund diese reine Himmels-Flammen,
Diese helle Liebes-Glut und erhabne Triebe stammen,
Laß mich ganz entzückt besingen deinen Namen, der so mild,
Deinen Namen, der so huldreich alle meine Sorgen stillt.
Der den unbezähmten Sturm wilder Leidenschaften hemmet,
Und mein Hertz mit Ruhe füllt, und mit Friede überschwemmet.
Meiner Sehnsucht Brunst und Grösse ist alleine dir bekannt,
Und mein Sinnen und mein Trachten immerhin auf dich gewandt.
Du nur bist der Gegenstand meiner Hofnung, meiner Freuden:
O wie schön, wie schön bist du gegen alle Herrlichkeiten!
Zeigst du mir dein holdes Antlitz, labet mich dein Anblick nur,
So erbleichet all Gepränge, alle Schönheit der Natur.
|| [0231.01]

Und gesetzt die Schöpfung weich, und die ganze Welt verschwinde,
Hab ich dennoch schon genug: weil ich hier GOtt selber finde.

XXII.


Meine Stille sey geweyht zu Gelübden, HErr, für dich:
Nichts soll kommen, nichts sich stellen zwischen meinen GOtt und mich.
Keine tadelhafte Freud, und kein irdisches Vergnügen,
Und kein Bild als deines soll sich in mein Gemüthe fügen.
Frey von allem Reitz der Sinnen, los von allem, was allhier,
Soll mein Geist sich nur erheben, höchstes Wesen, hin zu dir.
Auf! mein Herz, du must dich nun von der ganzen Schöpfung neigen;
Seye nur, ich bitt nur dies, du, o grosser GOtt, mein eigen.
Du sollst meine Seele füllen, und auf dich, auf dich allein,
Soll mein Herz und meine Sehnsucht unverwandt gerichtet seyn.
Seye du mein ewig Loos, und das, so mir zugemessen,
Und laß mich sodann die Welt, und was ihr gehört, vergessen.
Laß mich in erwünschter Stille ferne vom Getös und Schein,
In des Himmels ewge Freuden ungestöhrt versenket seyn.
Zeig mir jene Seligkeit, stelle mir in deinem Lichte,
Die gesamte Lust und Freud jener Welt vor mein Gesichte.
Flösse mir doch aus der Höhe Ströhme deiner Gnade ein,
Und versichre mein Gewissen, daß du selber ewig mein.

XXIII.


Du, vor dem der reinste Engel, welcher noch so schön gebildt,
Mit den Flügeln seine Schönheit gleichsam voller Schaam verhüllt:
Du bist meiner Wünsche Ziel; du nur bist mein einzig Leben;
Für dich will ich herzlich gern, was mir hier am liebsten, geben.
Für dich will ich gern vergessen aller Freundschaft Süssigkeit,
Und das sämtliche Vergnügen, so die Erde nur verleyht.
|| [0232.01]

Ziehe doch den Vorhang weg, der dein Angesicht bedecket,
Und der deine Herrlichkeit noch vor meinem Aug verstecket.
Laß, ach laß dir meine Sehnsucht, die so groß, zu Herzen gehn,
Und mich deine Majestät aufgedeckt und offen sehn.
Wann, nachdem nur kurze Zeit, und nur wenig Tag verzehret,
Und nachdem der schwache Leib wieder in den Staub gekehret,
Du sodann mir wilt erscheinen, in dem allerhöchsten Licht,
Und alsdann mir klar wilt zeigen dein so schönes Angesicht:
Warum wilt du mich doch nicht hier nur eine Stund erfreuen,
Und nur einen frohen Strahl mir in dieser Nacht verleyhen?
Ach! vergib doch meiner Seele, GOtt, der du so groß von Huld,
Ihre durch die Glut und Liebe angezündte Ungedult.
Sie ist nur auf dich gerichtt, und hat sonsten keine Freuden,
Hier in dieser öden Welt, diesem Sitz der Eitelkeiten.
Alles ist mir hier zu wider, alles ist mir hier verleydt;
Alles ist mir eine Wüste, und betrübte Einsamkeit.

XXIV.


Ob ich gleich dein lieblich Antlitz, schönster Geist! noch nie erblickt,
Obschon deine Stimm zu hören, meinem Ohr noch nie geglückt;
Dennoch kennt mein Herz dich wohl, und entdeckt dir alle Freuden,
Alle Sorgen, alles Leid, alle seine Heimlichkeiten.
Vater, Ehgatt, Freund, sind Namen, die mir manche Freud gemacht;
Doch verschwindet ihr Vergnügen, wann ich dich, o GOtt, betracht.
Mitten in der grösten Lust, die nur Zeit und Erde geben,
Schwingt sich meine Seele auf, und ergreifet dich, ihr Leben,
Nennt dich ihre einge Zuflucht, und ihr Theil und Schutz und Wehr,
Und weiß weder was von Zweifel, noch von Furcht und Schrecken mehr.
|| [0233.01]

Laß auch die Natur vergehn, Finsterniß die Sterne füllen:
Und in schwarze Dunkelheit sich die Sonne selbst verhüllen:
GOttes Wahrheit währt unendlich: seine Treu beharrt und steht,
Und verbleibet unverändert, wann auch alles untergeht.
Dieses ist mein fester Trost: diesen laß ich mir nicht rauben:
Hierauf will ich sicher ruhn, und mit unbewegtem Glauben.
O du allgenugsam Wesen! welches unermäßlich ist;
Wie bin ich so reich und selig, wann du selbst mein eigen bist!
Ein geneigter Blick von dir, o du Liebling meiner Seelen,
Bringt mehr Reichthum und mehr Lust, als viel tausend Welten zählen.
Du bist selbst mein Paradiese, du bist meine höchste Freud,
Ja du bist mein ewger Himmel und vollkommne Seligkeit.
Kan ich schon dich hier nicht sehn, hab ich doch ein süß Vertrauen,
Dein entzückend Angesicht dorten ohne End zu schauen.
*    *    *

XXV.


Weg! ihr, die ihr am Parnassus, oder Helicon euch findt,
Und, den Schläfen Kränze flechtet, die verwelk- und sterblich sind!
Die ihr einen Liebenden, oder Helden lügend singet,
Und das keuscheste Gemüth von dem Pfad der Tugend bringet!
Lang genug, ach! nur zu lange, habe ich durch euch verführt,
In den Feldern und den Schatten euch zum Lob die Leyr gerührt!
Ach zu lang war ich verblendt, eurer Gottheit nachzugehen,
Aber da ich jetzo seh, will ich nun euch nicht mehr flehen;
Sondern euch ihr Himmels-Musen, die ihr in der Höhe thront,
Und mit ewgem Licht gekrönet, an dem Bach des Lebens wohnt:
|| [0234.01]

Die ihr längst dem selgen Strohm unnachahmlich himmlisch singet,
Und auf deren Laute stets ein unsterblich Loblied klinget;
Gönnet ihr mir euern Beystand, da ich mich nun allzukühn,
Jene ewge Herrlichkeiten zu verkünden will bemühn;
Da ich mich nun unterwind, und mich nun will unterstehen,
Den, der aller Wesen Grund, der die Allmacht, zu erhöhen.
Dann von ihme schreibt mein Leben, wie auch eures, sich nur her,
Und er ists, den ich als Ursprung meiner Wirklichkeit verklär.
Kan ich gleich nicht mit der Schaar, die auf jenen selgen Auen,
Ihn in seinem vollen Glanz und in seiner Klarheit schauen:
(Dann wie darf ein Aug das sterblich, doch wohl so verwegen seyn,
Die verborgne Herrlichkeiten, die so heilig, zu entweyhn?)
Seh ich doch im Wiederschein seine ausgestreute Strahlen,
Und es müssen seine Werk alle eine Gottheit mahlen.

Die verschwenderischen Flüsse, welche um mich, stellen mir,
Durch ihr angenehmes Rauschen ihn aufs allerlieblichst für,
Wann sie sanft, dem Himmel gleich, über die bemahlten Wiesen,
Bald wie eine weite See, bald wie kleine Insuln fliessen;
Wann die schimmerreiche Sonne ihre Fläche übergüldt,
Und daselbst zurücke prallend sich gedoppelt prächtig bildt;
Wann sie heimlich und verdeckt durch gedichte Schatten streichen,
Und den Ufern mittlerweil murmelnd ihre Klag bezeugen.
Die mit grün gezierte Wiesen, die geraume Ebenen,
Wann sie in dem höchsten Schmucke, und in ihrer Schönheit stehn:
Das gekrümmte niedre Thal, und die Berge nebst den Klüften,
Und die Felsen voller Mooß, und die Wälder samt den Triften,
|| [0235.01]

Die bey Hitz erweckte Winde, welche sanft und lieblich wehn,
Und die süsse Abend-Stille, und der Vögel holde Tön,
Alle, alle stimmen ein, daß du über sie zu preisen,
Und für allen liebenswehrt, und für allen schön zu heissen.

Auch der Mond in seinem Laufe breitet deine Ehre aus,
Und dich preisen jene Lampen Nachts an ihrem finstern Haus.
Dich verklärt der Morgenstern, der mit seinem Ringe gläntzet,
Der den Tag zum Anbruch treibt, und zugleich die Nacht begräntzet.

Dich verherrlicht auch die Sonne, wann sie aus dem Meere steigt,
Oder wann sie von der Höhe wieder sich herunter neigt,
Von dem Oste bis zum West, bis sich ihre Gränzen scheiden,
Sucht sie deine Herrlichkeit, unablässiig<unablässig> auszubreiten.

Du, o HErr der wilden Winden, fährst auf ihrem Rücken hin,
Und wann deine Stimme rufet, müssen gleich die Stürme fliehn.
Deine Wohnung und Gezelt ist dort oben aufgestecket,
Und mit einer Dunkelheit voller Majestät bedecket.

Deine starke Hand erreget und regiert den schnellen Blitz,
Und erschüttert durch den Donner den so festen Erden-Sitz.
Deine Ankunft macht Gebüsch, machet Wälder Flammen fassen,
Und die Felsen und die Berg zitternd ihre Stätt verlassen.
Auf dein mächtiges Gebote müssen Flüsse vorwärts gehn,
Und auf es zurücke weichen, und auf es auch stille stehn.
Auf dein Schelten müssen sich die erschrockne Wellen theilen,
Und behend und ungesäumt hin zu ihrer Quelle eilen.

Dir sind alle Dinge möglich, und wann dein Befehl erschallt,
Hört so gleich Natur und Schicksal, und gehorchet alsobald.
|| [0236.01]

Die Gesetze und der Bund dichter Elementen weichen,
Einer Ewgen GOttheit Kraft voller Ehrfurcht zu bezeugen.

Dieses sieht des Menschen Auge, durch ein unbetrogen Licht:
Aber, was noch über dieses, und was höher kennt es nicht.
Seine Mühe ist umsonst jener Tiefen Grund zu finden:
Dann wer kan die Ewigkeit, und in ihr dich selbst ergründen?

Tod.


Dir, o Tod! strebt meine Zeit, ungesäumt sich zuzuwenden:
Und in dir muß sich der Sturm meines bangen Lebens enden
Flüsse gehn und kommen wieder aus dem allgemeinen Meer,
Aber o! aus deinem Reiche gibt es keine Wiederkehr.
Lassen sich schon an der See stete Ebb und Fluthen sehen,
Muß doch jener Lebens-Strohm unaufhörlich vorwärts gehen.

Verlangen nach dem Tode.


Ach wie freudig wolte ich meine müden Augen schliessen!
Und wie gern im Frieden ruhn, und das Grab zum Bett erkiesen.
Deine Stille, süsser Tod! und dein angenehmer Schatten,
Wird mir eine lange Ruh, die kein Wechsel stöhrt, gestatten.
Eine Ruhe, von dem Jammer, und der schnöden Eitelkeit,
Welche alles, was hierunten, auf dem Erdreich, stets begleitt.

Der Wunsch.


Ich erkennte dies mein Herze nimmer vor das meine mehr,
Wann nicht alle seine Liebe ganz auf dich gerichtet wär.
Was die grobe Sinnen rührt, mag wohl ihre Lust erregen,
Aber mein erhabner Geist läßt sich nur von dir bewegen.
|| [0237.01]

Schränkten sich auf meinen Willen unbezähmte Kräfte ein,
O so würde jede Sünde eine Thränen-Fluth bereun.
Nichts ergötzte meine Brust, nichts erquickte mein Gemüthe,
Als die Labung deiner Gunst, und der Anblick deiner Güte.
Meine früh entzündte Andacht würde von dem Eifer glühn,
Wann ich in dem Heiligthume, grosser GOtt, vor dir erschien.
Meine Seele solte dir, so wie dort die Engel singen,
Und den Seraphinen gleich himmlische Gesänge bringen.
Nahte ich zu deiner Tafel, würde da mein Durst gestillt,
Und mein Herz mit heilger Liebe und Entzückung angefüllt.
Deine Speis, so nicht vergeht, solte meiner Hofnung Leben,
Meiner Seelen ewge Kraft, und unsterblich Labsal geben.
Meine dir geweyhten Lieder stiegen mit der Sonnen auf,
Und ich liefe voller Freuden, gleich ihr, den bestimmten Lauf.
Strahlte sie so fort herab von den steilen Mittags-Höhen,
Solte mein Gesang hinauf ihrem Strahl entgegen gehen.
Brächen dann die düstren Schatten von dem grauen Abend ein,
Würde ich zu deinem Preise annoch unermüdet seyn.
Deine Werke und dein Nam müßten mich des Tags begnügen,
Und sich bey der stillen Nacht auch in meine Träume fügen.
Himmlische Gesicht und Bilder würden meinen Schlaf erhöhn,
Und die Engel um mein Bette, als erwünschte Wächter stehn.
Ein dir stets ergebner Sinn, der sich immer unvergessen,
Und nicht Monat oder Jahr müßten meine Zeit abmessen.
Deine Ehre wär mein Endzweck, wann ich etwas unternimm,
Und ich merkte, und ich gienge nur auf deinen Ruf und Stimm.
Auf dein Wort und dein Gebot, wolte ich die Welt verschmähen,
Und nie auf den Eigennutz oder nur mich selber sehen.
Für dich gäb ich gern und freudig meinen liebsten Freund dahin,
Und ich löschte alle Namen, ausser deinem, aus dem Sinn.
|| [0238.01]

Deine Lieb, woher allein so mein Seyn, als Wohlseyn stammen,
Solte stets in meiner Brust und in meinem Hertzen flammen.
Kein Monarch, so groß er immer, würde je von mir beneidt,
Wann, o allerhöchster König, deine Huld mir angedeyht.
Alle Herrlichkeit der Welt wäre meinem Wunsch zu schlechte,
Wann ich deine Lieb genöß, und an ihren Vorzug dächte.
Alles, was nur reitzend wäre, jeder Vorwurf, so nur schön,
Liesse mich dein herrlich Antlitz, obwohl nur im Bilde sehn,
Keine Schönheit fände sich, so mein Urtheil würdig hiesse,
Als die mich hinauf zu dir, ihrem schönsten Ursprung wiese.
Nichts gefiele meinen Ohren, nichts erweckte ihnen Freud,
Als nur deiner holden Stimme unerhörte Lieblichkeit.
Nicht das güldne Sonnen-Licht, dessen Glanz die Erd erhellet,
Nicht des Monden Silber-Schein, der auf sie zurücke prellet,
Nicht die ganze Pracht und Anmuth, welche sich im Frühling findt,
Nicht die sanfte Morgen-Lüftlein, nicht ein kühler Abendwind.
Nicht ein Bach, der lieblich rauscht, nicht beblümt und bunte Felder,
Nicht ein angenehmes Thal, nicht an Schatten reiche Wälder,
Nichts von allem, was man nennte, nichts allhier vergnügte mich,
Nichts genügte meiner Seelen, mein Geliebter, ohne dich.
Ich erkennte keine Lust, und empfände kein Belieben,
Als, o seligst Gut, an dir, und an reinster Andacht Trieben.
Gerne wolt ich mehr noch sprechen; aber ach! ich bin zu schwach:
Eine Liebe, welche himmlisch, schildert keine Kunst und Sprach:
Noch vermögen Sterbliche mehr durch Worte fürzutragen:
Doch die weite Ewigkeit, wird dereinst, was übrig, sagen.
|| [0239.01]

Gedanken eines sterbenden Christen.


Ja! ich komm, ich komme eilends, und begrüsse meine Gruft,
Und gehorch der Stimme willigst, welche mich von hinnen ruft.
Freudenvoll will ich dem Tod, dieses ihm bestimmte Leben,
Diesen schnöden Athem-Hauch zum verlangten Opfer geben:
O willkommen Streich und Wunde, so mich in die Freyheit läßt,
Weit willkommner, als Gefangnen das erwünschte Jubelfest.
Gute Nacht, o eitle Welt! dorten seh ich Zions Höhen,
Jenes hochgelobte Land schon vor meinen Augen stehen.
Wolken, Sturm und Noth verschwinden, und mit ihnen die Gefahr,
Und die stillen Himmels-Ufer stellen sich mir endlich dar.
Meiner Hofnung Gegenstand ist mir völlig im Gesichte,
Länder voll von selger Lieb, und von unerschöpftem Lichte:
Ströhme, die von Wonne fliessen, welche unaussprechlich süß;
Schönste Ebnen, reichste Felder, und das stolze Paradies.
Bäum des Lebens, ewge Frucht, Auen, die der Augen Weyde,
Eine ganze Welt von Lust, und ein Himmel voller Freude.
Ich genieß schon Salems Anmuth, hör der Engel Lob-Gesäng,
Und mein Herz ist für die hohe und so grosse Freud zu eng.

Trauer-Gedicht der Frau Elis. Rowe über das Absterben ihres Mannes.


Wie? red ich zart genug, und wie erklär ich mich,
Wann ich von dir, ach dir! o mein Alexis sprich?
Gönnt, holde Musen doch, gönnt ihr mir eure Triebe,
Und lehret mich die Sprach der Wehmuth-vollsten Liebe.
Allein, was brauch ich euch um Beystand anzuflehn?
Ich darf nur auf mein Herz und seine Regung gehn.
|| [0240.01]

Und wer ihn nur gekannt, wird sich mit mir vereinen,
Und einen solchen Mann mit bittrer Klag beweinen.
Denn, wem sein Werth bewußt, der wird, ja muß gestehn,
Daß keine Traurigkeit um ihn zu weit kan gehn.
Sein Leben war mit Ruhm und Tugend ausgezieret,
Und dennoch ohne Ruhm und ohne Kunst geführet.
Was ja sein Sinn gedacht, was ja von ihm geschehn,
Ließ sich vor aller Welt, vor GOtt und Menschen sehn.
Die Tugend, die sein Thun und Leben abgemahlet,
Hat mit erhöhtem Glanz an ihm herfür gestrahlet.
Wann Treu, Beständigkeit, wann Eifer Freunde ziert,
So wurde alles diß, ja mehr, an ihm verspürt.
Doch dieses dringet mir noch nicht so nah zu Herzen,
Es ist ein zartes Band, das bringt mir ewge Schmerzen.
Es ist mein zarter Mann, der mich so sehr geliebt,
Um den sich meine Seel so grämt und so betrübt.
Was einem hohen Geist, von solchem Werth gebühret,
Und was die stärkste Lieb vor Triebe bey sich führet,
Hab ich vor dich gefühlt: mein Sorgen, meine Freud,
Mein Flehn und mein Gebet war einzig dir geweyht.
Es war nichts kalt und Schein, wann ich vor GOtt getreten,
Und ihn um Segen, Heil und Wohl für dich gebeten,
Mein Seufzen für dich war aus Inbrunst hergeleitt,
Und Liebe stets vermischt mit lautrer Frömmigkeit.
Nur du, du warst mein Ruhm, mein Schmuck und meine Zierde,
Der, so im Zweifel mich auf sichern Wegen führte.
Mein Ehrgeitz wandte sich nur deinem Lobe nach,
Und dachte nur auf das, was dir gefallen mag.

Warum doch mußt mein Herz von solcher Liebe brennen?
Warum doch wolte GOtt diß Band so bald zertrennen?
Warum doch war ein Mann mit solcher Huld erfüllt?
Warum war meine Seel zur Liebe nur gebildt?
Warum doch mußte ich an ihm so viel gewahren,
Und eine solche Treu, die wenig sonst erfahren?
|| [0241.01]

Hier schützt die Tugend nicht mit Frey- und Sicherheit,
Wo so viel Liebreitz, Werth, so viel Beredsamkeit.
Sein Reden konte Herz und Ohren ganz entzücken,
Und mit der süßsten Freud und Harmonie erquicken.
Wann seine Zunge sprach, wann seine Muse sang,
So spürte man so gleich den allerschönsten Klang.
Wann ich ihm zugehört, so schwanden meine Sorgen,
Und flohen wie die Nacht vor dem erwünschten Morgen.
Die Zeit vergieng in Freud, so daß man ihr vergaß,
Und sie nur nach der Lust und dem Vergnügen maß.
Ich kan den holden Mund noch immer sprechen hören,
Und mein Gemüth noch stets mit seiner Anmuth nähren.
Ich seh noch immerfort, wie er von Honig fließt,
Und sich ein Strohm der Lust aus seiner Füll ergießt.
Ich seh noch stets wie sich die muntre Trieb vereinen,
Und mit vereinter Kraft aus seinen Augen scheinen.
Mein Sinn hält mir noch stets das schöne Bildniß für,
Allein das schönste Bild, er Selbsten flieht vor mir.
Er flieht und eilt davon, und meine Seel bedecken,
Bestürzung, Wehmuth, Gram und unerhörte Schrecken.
Fürwahr, so lang ich denk, so lang ich leb und bin,
Kommt mir sein Ebenbild und Tod nicht aus dem Sinn.
Ich fühl noch seine Angst, voll Angst und voller Zagen,
Und hör ihn noch zuletzt sehr herzbewegend sagen:
Mein Weib! mein theurer Schatz! der mir am Herzen liegt,
Auf den mein Augenmerk und letzte Sorg gerichtt:
Ich weiß der Höchste wird sich huldreich zu mir kehren,
Und was ein sterbend Herz für dich gefleht, erhören.
Mein Glaube bindet dich der ewgen Fürsicht ein,
Die wolle, wann ich todt, dein Schutz und Alles seyn.
Der Himmel lasse sich durch meine Bitt bewegen,
Und krön dein werthes Haupt mit tausendfachem Segen.
Denk stets an dein Gelübd: gedenke ewig mein:
Und laß dir meine Ehr und mich empfohlen seyn.
Ich hab mich nun allhier von allen losgewunden,
Als nur nicht von dem Band, das mich mit dir verbunden.
|| [0242.01]

Wie herzlich ich dich lieb, weiß dein verwundtes Herz,
Das jetzt mit meinem fühlt, was Scheiden vor ein Schmerz.
Doch eile eilend nach, nach jenen Lust-Revieren,
Wo frohe Liebes-Trieb unendlich triumphiren.
Hier schloß sich nun sein Mund: sein Geist fieng an zu fliehn,
Und gab dem blassen Tod ein blühend Opfer hin.
Allein, wer spricht wohl aus? wer ist wohl, der ergründet,
Was diß für Bangigkeit in meiner Brust entzündet?
Warum riß man mich doch von deinem Leichnam weg?
Ich weinte noch dabey, bis mir mein Auge bräch!
Jedoch, o holder Geist, mein einzig Wohlgefallen,
Du magst nun wo du wilt, in Edens Gegend wallen,
Hör einen Augenblick noch meine Wehmuth an,
Und nimm das Zärtlichste, das Lieb geloben kan.
Für dir soll keine Lust mein Leben mehr versüssen;
Für dich soll stets mein Herz und meine Augen fliessen.
Für dich will ich mich jetzt in Still der Welt entziehn,
Und ein vergeblich Feur zu hegen mich bemühn.
Dein Bild soll unversehrt in meinem Herzen bleiben,
Und weder Zeit noch Tod es je daraus vertreiben.
Wie du mein zartes Herz zur Liebe angeführt,
Daß es nun ihre Glut, und edle Flammen spürt,
So will ich sie auch dir, nur dir, mein Engel, weyhen,
Und ewig mein Gelübd, und meine Treu erneuen.

E. Rowe Gespräche Zwischen der Seele, dem Reichthum, der Ehre und Wollust.

Der Reichthum.


Komm, verblendter Mensch, besiehe, komm, betrachte meine Füll,
Weil ich alle meine Schätze deinem Auge zeigen will;
|| [0243.01]

Mein ist beyder Indien Gold samt den unschätzbaren Steinen,
Welche in des Orients Kleinodreichen Gruben scheinen.
Für mich stellen kühne Menschen sich dem wilden Meere dar,
Für mich spotten sie mit Großmuth aller Mühe und Gefahr.
Für mich wird ihr Land verkauft, Treu und Glaube umgekehret,
Dann wer war wohl je, der nicht auf den Eigennutz gehöret?

Die Seele.


Dennoch muß ich dein Erbieten, das Versuchungs-voll verschmähn,
Und kan Dinge, die so nichtig, ohne Wunsch und Rührung sehn.
Dann wann jene Sternen dort, und ihr Reitz mein Aug entzünden,
Muß dein Gold, und was du rühmst, gleich vor ihrem Glanz verschwinden.
Mein erhabenes Gemüthe schwingt sich über deinen Tand,
Und sucht hohe Königreiche, und sein herrlich Vaterland.
Dorten hoft mein Glaube einst Himmels-Kronen zu erlangen,
Die nicht mit verfälschtem Schein, sondern wahrem Schimmer prangen.

Die Ehre.


Gar kein Wunder! daß der Reichthum, der so schnöd, nicht dein Gemüth,
Das ein höhrer Trieb beherrschet, durch Versuchung an sich zieht.
Aber ich verleyhe was, welches deiner würdig wäre;
Meine Hände reichen dir Ansehn, Namen, Ruhm und Ehre.
Diesem stehn die gröste Seelen auf der Erde brennend nach;
Seelen, wo ein himmlisch Feuer durch Verstand und Willen brach.
Seelen, die kein Reichthum hält, keiner Schönheit Stricke zwingen,
Wagen alles muthig dran, einen Namen zu erringen.

Die Seele.


Und doch bist du, was du immer, nur ein bloses Wahn-Gedicht,
Welches einem edlern Geiste keine wahre Freud verspricht.
|| [0244.01]

Würde ich auch nach dem Tod durch ein prächtig Grabmahl leben,
Und der Menschen Beyfall mir einen ewgen Namen geben;
Was für Nutzen, was für Vortheil gäb mir solche eitle Ehr,
Wann ich zu der tiefen Höllensteten Schmach verdammet wär?
Decken Engel, decket GOtt mein Gesicht mit ewger Schaame,
O wo bleibt sodann der Ruhm, und der mir versprochne Name?
Aber so ich ihren Beyfall, und ihr hohes Lob erlang,
Und die Herrlichkeit und Krone, welche nie verwelkt empfang,
Kan ich dann mich recht geehrt, und in Wahrheit glücklich achten,
Und die Gleißnerey der Welt als verspottens-werth betrachten.

Die Wollust.


Doch, wo Reichthum und wo Ehre weder Kraft noch Eingang hat,
Findet wohl die Zauber-Stimm der beliebten Wollust Statt.
Bös und Gute lassen gern sich von mir in Bande legen;
Keine Brust ist so verwahrt, die nicht meine Reitz bewegen.
Was nur Menschen je vergnüglich, findet sich gehäuft bey mir;
Anmuth, Lieblichkeit und Liebe, Schönheit und der Jugend Zier.
Ich verschaffe Freuden-Tag, und versüsse Zeit und Stunden;
Meine Steige werden sanft, und mein Weg vergnügt befunden.

Die Seele.


Aber diese deine Pfade führen ins Verderben hin;
Dorten muß dein sanftes Blendwerk bald für nun und immer fliehn.
Dein bestreuter Rosen-Weg leitet zu der Hölle Schlünden,
Dort, wo alle deine Knecht eine ewge Nacht empfinden.
Zwar die Tugend-Bahn ist rauher, und nicht so geraum und breit,
Aber o! sie bringt die Seele in die ewge Seligkeit.
Und dort über jenem Pfad, der den Fuß mit Dornen ritzet,
Sieht mein Blick das Reich des Lichts, das mit schönstem Glanze blitzet,
Helle Felder, Wollust-Ströhme, Hütten der Ergötzlichkeit,
Samt belaubter Bäume Schatten, und was Aug und Herz erfreut.
Diesen selgen Sitz, wo Ruh, Liebe, Lust und Wonne thronen,
Werd ich bald nach Wunsch beziehn, und in Ewigkeit bewohnen. *    *    *    *    *

|| [0245.01]

Anhang Poetischer Stücke

von Milton, Dryden, Prior, Addison, Pope, Watts, Young, und andern.

|| [0246.01]

Pope.

Der sterbende Christ an seine Seele.


Lebens-Funke, der entzündt von des Himmels holder Flamme,
Laß dies sterbliche Gebäu, und verein dich deinem Stamme.
Zitternd, hoffend, zaudernd, fliehend, lege diese Hütte hin;
O wie schmerzlich ists zu sterben! o wie selig fortzuziehn!
Laß, begierige Natur, laß doch dein so ängstlich Streiten,
Und mich siechen durch den Tod in das Leben überschreiten.
Horch! sie wispeln; Engel rufen, komm, o anverwandter Geist:
Was ist dies, so mich verschlinget, und mich völlig in sich reißt?
Das mir meine Sinnen nimmt? welches mein Gesicht verschliesset?
Meine Geister wie ersäuft, und sich über mich ergiesset?
Das den Athem mir entziehet, und das mir so ungemein?
Sag mir doch, o meine Seele, sag, kan dies der Tod wohl seyn?
Ja! die Erde weicht und schwindt, und ich seh den Himmel offen,
Hör der Seraphinen Stimm, und mein Wunsch ist eingetroffen:
Leiht, ach leiht mir eure Flügel, dann ich steige auf und flieg,
Nun, o Tod, wo ist dein Stachel, und, o Grab, wo ist dein Sieg?
|| [0247.01]

Auf Popens Begräbniß.


Ist der Leib nun ohne Leben? klingt die Harfe nimmermehr?
Ach wer stellt doch dieser Leyer wieder Ton und Leben her?
Selbst die Engel in der Höh stiegen aus Begier hernieder,
Voll Verwundrung, daß ein Mensch sang so engelgleiche Lieder.
Weil sie aber gleich ersahen, daß so Sterbliche als Erd,
Keines so erhabnen Liedes, und nicht solcher Ehre werth,
So verstimmten sie die Leyer, und entbanden ihre Sayten,
Und nunmehro sind dahin alle ihre Lieblichkeiten.
In dem Staub nun soll sie liegen, und nun schweigen immerhin,
Bis der Höchste sie dereinsten wird von neuem überziehn:
Bis an jenem grossen Tag, der, so HErr von Tod und Leben,
Dort zu einem höhern Lied ihr auch höhern Stoff wird geben.
Dann, wann einst der Himmels-Chören anmuthreiche Lauten gehn,
Wird auch diese unter ihnen ihren süssen Schall erhöhn.

Popens allgemeines Gebet.


OVater, der mit Recht von allem Vater heißt,
Den, was man wild und weiß, und heilig nennet, preist:
O grosse Ursprungs-Quell, die du so hoch erhöhet,
Daß Menschen Witz von dir das wenigste verstehet;
Was mein Gemüthe weiß, wann es sich recht besinnt,
Ist dieses, daß du gut, ich selbsten aber blind,
Und seh ich etwan noch, was gut und bös zu nennen,
So muß ich dir allein die Ehre zuerkennen.
Indem du die Natur in Banden eingeschränkt,
Hat deine grosse Huld die Freyheit mir geschenkt.
Pflegt das Gewissen nun, was gut ist fürzuschreiben,
Und zeigt es, was von mir soll unterlassen bleiben,
So lehre du mich dies mehr als die Höll zu fliehn,
Und wie dem Himmel selbst dem ersten nachzuziehn;
|| [0248.01]

Verleyhe mir die Gnad den unverdienten Segen,
Den deine Huld mir gibt, gebührend anzulegen.
Wie dieses dann der Dank, den du dir selbst erkiest,
Daß man das Gute nur, wie du es schenkst, genießt.
Gib, daß dein grosser Ruhm nicht an die kleine Erde,
O unumschränkte Güt, von mir gebunden werde.
Behüt mich für dem Wahn, daß du nur HErr der Welt,
Da so viel tausend noch um diese hergestellt.
Laß nicht, verwegne Rach in meinem Herzen flammen,
Um die vermeynte Feind von dir, HErr, zu verdammen.
Geh ich den rechten Weg, so leite mich, mein Hort,
Mit deinem klugen Stab denselben immerfort.
Und wann ich mich verirr, wollst du die Hand mir reichen,
Und mir die rechte Bahn zum ewgen Wohlseyn zeigen.
Bewahr mich gleicherweiß vor schnöd- und stolzem Sinn,
Daß ich nicht undankbar und unzufrieden bin,
So deine Weisheit mir dies weislich abgeschlagen,
Und deine Gütigkeit das gütigst zugetragen.
Laß mich des Nächsten Fehl gedultig übersehn,
Und andrer Noth und Weh mir tief zu Herzen gehn.
Du wollst Barmherzigkeit, o GOtt, an mir beweisen,
Wie ich mich auch zu thun an andern will befleissen.
Sieh meinen Zustand an, und leite du doch mich
Durch Leben und durch Tod, mein Schöpfer, gnädiglich.
Es werde mir anheut nur Kleidung, Brod und Frieden,
Von dir, o treuer GOtt, zu meinem Theil beschieden.
Was du sonst dienlich findst für deine Creatur,
Das stell ich dir anheim: dein Will geschehe nur.
Ich wünsche mir nichts mehr, als deinen Rath und Willen,
In Zeit und Ewigkeit vollkömmlich zu erfüllen.
Dir, dem der weite Raum zu einem Tempel dient,
Und dessen Rauch-Altar Erd, See und Himmel sind,
Dir müsse die Natur nebst allen andern Dingen,
Stets mit gesammter Hand Lob, Preis und Weyhrauch bringen.
|| [0249.01]

Addison.


Wann ich, o mein GOtt, erwege, alle deine Gnad für mich,
Füllt mich Liebe, Preis und Wunder, und mein Geist verlieret sich.
Was für Worte legen dar, wie mein Herz und ganzes Wesen
Ganz entzückt von Dankbarkeit; doch du kanst sie drinnen lesen.
Deine Vorsicht reichte Leben, und was sonsten mir gebrach,
Da ich in der stillen Mutter, da ich an den Brüsten lag.
Auf mein Schreyen hat dein Ohr gnädig sich zu mir geneiget,
Ehe noch mein schwacher Sinn sich durch ein Gebet gezeiget.
Deine Vorsorg hat mir Güter ohne Maas und Zahl gesandt,
Eh mein junges Herz noch faßte, wer mir solche zugewandt.
Da ich sorglos lief den Pfad, wo die leichte Jugend gleitet,
Hat dein Arm mich unversehrt bis ins Alter hingeleitet.
Du, du halfest mir durch Nöthen, Tod, verborgene Gefahr,
Ja das süsse Garn des Lasters, so noch mehr zu fürchten war.
Wann oft Krankheit mich verzehrt, hat mich deine Hand geheilet,
Und wann Sünde mich beklemmt, Gnad und Leben mir ertheilet.
Du erfülltest meinen Becher, daß der Segen überfloß,
Und in einem treuen Freunde ich ein doppelt Maas genoß.
Tausend, ja viel tausend Guts, ließst du täglich mir erspriessen,
Und dabey ein frohes Herz, es mit Freude zu geniessen.
Hier auf Erden werd mein Loblied einzig deiner Güt geweyht,
Und sodann in jenen Welten wieder nach dem Tod erneut.
Wann sich einsten die Natur, und mit ihr die Zeit entziehet,
Wann man weder Tag noch Nacht mehr an deinen Werken siehet,
Soll mein immer dankbar Herze auf dem festen Schluß, bestehn,
Deine Güte, Huld und Gnade, HErr, unendlich zu erhöhn.
Ewig, soll sich mein Gesang freudigst deines Lobs befleissen:
Ist doch selbst die Ewigkeit, noch zu kurz, dich gnug zu preisen.
|| [0250.01]

Pope.


Himmel! der mit gleichem Aug siehet als ein GOtt von allen,
Einen Helden untergehn, oder einen Sperling fallen:
Dem es gleich, ob nur ein Stäublein, oder eine ganze Welt,
Ob nur eine kleine Blase, oder grosse Erd zerschellt.
*    *    *
Mensch bekenne nur die Wahrheit, und gestehe GOtt zum Preis,
Daß du selber gänzlich albern, aber er vollkommen weiß.
*    *    *
Schreib nur Mensch, der ewgen Weisheit, Regeln zu regiren vor,
Alsdann gehe in dich selbsten, und gesteh daß du ein Thor.

Young.


Sag, warum ist unser Leben nur ein schwerer Augenblick?
Und das Ziel von unsrer Sehnsucht ein unendlich Wohl und Glück?
Unser Wunsch die Ewigkeit? Unser Heimath in dem Grabe?
Ists nicht, weil des Himmels Güt Menschen dies zu hoffen gabe?
Wer ein ewig Leben wünscht, der beweist zugleich dabey,
Daß, was er sich wünscht, gegründet, und unfehlbar künftig sey.
Warum sucht man eine Ruh, welche man doch nie erreichet,
Da doch die Natur sich nie, zu dem blossen Nichte neiget?
Daß wir aber sie nicht finden, zeigt es seye ihr Gezelt,
Nicht allhier auf dieser Erde, sondern dort in jener Welt.
|| [0251.01]

J. Watts.


Ewge Wahrheit! ewge Weisheit! Leben meiner Sehn-Begier!
Steig geneigt herab vom Himmel, und geselle dich zu mir.
Mein Gehör ist Hörens müd, und mein Auge müd zu lesen,
Aber niemals müd zu sehn, dich, o allerschönstes Wesen!
Komm, und sprich zu meiner Seelen: sprich und rede du allein,
Du allein bist unbetrüglich: du nur solt mein Leitstern seyn.
Schweig Natur und Creatur, daß ich nur der Wahrheit Lehren,
Daß ich nur der Weisheit Stimm mög in meinem Herzen hören.
Zieh dich ab, o meine Seele, und geh in dich selbsten ein:
Weg von den betrognen Sinnen, und von allem äussern Schein!
Laßt nun meinen edlen Geist sein Gesicht gen Himmel drehen,
Und die Erde und die Welt unter seinen Füssen sehen.

* * * Watts.


Laß mein Herz, ach! laß doch fahren, was hierunten auf der Erd,
Stirb der Freud und Sorg, die sterblich, und die dir den Tod gebährt.
Schließt euch, meine Augen, zu, und verstopft euch, meine Ohren,
Vor der Sinnen schnöden Lust, die nur eine Lust für Thoren.
Nunmehr seye aufgekündet dem, was Fleisch und Blut gefällt,
Und der schönen Frucht vor Sünder, die ihr Wahn für schätzbar hält.
Ihr beliebtes Paradies soll mein Auge nie betrachten,
Als nur einzig in dem Zweck, es mit Großmuth zu verachten.
Was für Freuden auf der Erde, überwiegen allzumal,
Berge von betrübtem Kummer, und von Jammer-voller Qual,
Und wo ist wohl eine Lust, und wo ist wohl ein Vergnügen,
Wo nicht auch zugleich dabey Stricke zum Verderben liegen?
|| [0252.01]

Weich dann immer, was vergänglich: gute Nacht, du eitle Erd,
Die du nur ein Maulwurfs-Haufe, und nicht meiner Achtung werth.
Engel schwingen sich empor zu den hohen Himmels-Thronen,
Würmer mögen auf der Erd, und bey ihres gleichen wohnen.
Komm, o Himmel, und erfülle meine weite Sehnbegier:
Nach dem höchsten Gut, so dorten, strebt nur meine Seele hier;
Mußte nicht ein himmlisch Feur ihr den Grund und Ursprung geben?
Ey, wie kan sie dann von Speis, welche viel geringer, leben?

Watts.

Ausfahrt in die Ewigkeit.


Herzhaft war das Unterfangen, und der Mensch in Wahrheit kühn,
Welcher sich am ersten wagte, schiffend durch das Meer zu ziehn:
Der sein werthes Vaterland mit dem Rücken angeschauet,
Und sein Leben unverzagt wilden Winden anvertrauet.
Aufgethürmte Wellen toben, und mich deucht, ich sehe ihn,
Wie er unerschrocken streichet, über tausend Schlünde hin:
Wie er Schiff und Segel richtt, und sie so geschicklich drehet,
Und zuletzt nach tapfrem Lauf, siegreich in den Hafen gehet.
Siehe hier ein Bild der Seelen, welche diese Erd und Zeit,
Ohne Graus und Furcht verlässet, wann ihr grosser HErr gebeut.
Tod und Sterben ist der Sturm: lächelnd hört sie sein Erbosen:
Ja, sie heißt ihn noch so gar eilends sie vom Land zu stossen.
Dann ergreift sie keck das Ruder, segelt weislich durch die Fluth,
Und ist bey der Wuth der Stürmen unbesorgt und wohlgemuth.
|| [0253.01]

Der dem Tod zu starke Glaub macht sie ihre Flügel schwingen,
Und dieweil sie steurt und führt, stet und unaufhörlich singen.
Ihr entfernt Gesicht verlieret nach und nach die Sterblichkeit,
Und wie sich die Ufer mindern, so vermehrt sich ihre Freud.
Die vertobte Wellen ruhn, und der tolle Sturm vergehet,
Und die weite Ewigkeit ists, was ihr vor Augen stehet.
Voll von unermeßner Wonne wird sie nun erwünscht gewahr,
Seeen, welche immer ruhig, Himmel, welche immer klar.

Young.

Ueber die Ewigkeit.


Laßt mich rühmen in dem Vortheil, in der Auswahl, die ich hab:
Wen doch solte ich besingen, als den, der die Stimme gab?
Dieser Vorrath daurt und bleibt, wann Homers wird müssen weichen,
Wann es aus mit Künsten, Krieg, Königen und Königreichen.
Kan es, o ihr ewgen Kräfte, kan es immer möglich seyn,
Daß diß hohe Amt behalten, mir, der ich dafür zu klein?
Wie auch dieser neue Trieb, diese Kühnheit aus mag schlagen,
Will ich in die Ewigkeit, die so weit und groß, mich wagen.
Ich versuch es unerschrocken, und ich weiß den Musen mehr,
Als wohl die gelehrte Schwestern jemals noch gesehn vorher.
Ihre Lieder pflegten sie engen Schranken einzuzwingen,
Einen Hirten zu erhöhn, oder König zu besingen.
Ich erstreck mich auf das Ganze, weil die Theile mir zu eng;
Ich erhebe meine Stimme, und ich singe einer Meng.
Ich sing GOtt, dem grösten All, wie auch jenen Himmels-Chören,
Deren höchster Ruhm es ist, nur des Höchsten Ruhm zu mehren.
|| [0254.01]

Ich sing Menschen, ich sing Engeln, und die Engel fügen bey,
Ihre GOtt geweihten Lieder: weil der Inhalt einerley.

Young.


Wann des Himmels Seligkeit auf die Erd hernieder käme,
Fände sie nur einen Ort, wo sie ihre Wohnung nähme,
Einen nur, der ihr ersetzte, das, was sie verlassen hat,
Nemlich eines Freundes <Busen>Busem, welcher ihr an Himmels Statt.
Auch der reichste ohne Freund, wär der ärmste, den ich wüßte,
Massen er das gröste Gut, das ist, einen Freund vermißte,
Einen Freund mir zu erwerben, gäb ich eine Welt dahin:
Ist doch eine Welt zu wenig, wann ich einen Freund gewinn!

Milton.

Adams Abschied von dem Engel.


Ist es demnach so beschlossen, ist es bey dir fest gestellt,
Nun so geh und steige wieder auf zu jenem Sternen-Zelt.
Geh erwünschter Himmels-Gast, Bote von dem HErrn der Heere,
Dessen hohe Gütigkeit ich in tiefster Ehrfurcht ehre.
Deine Gunst und Huld, und Demuth, die so groß und ungemein,
Sollen mir mit Dank und Achtung ewig im Gedächtniß seyn.
Bleib den Menschen stets geneigt; laß dich freundlich mehr hernieder,
Und besuche künftighin, werther Gast, uns öfters wieder.

Dryden.


Ueberschau ich unser Leben, ist es gänzlich ein Betrug:
Doch der Mensch bethört durch Hofnung, hegt ihn noch, und wird nicht klug.
|| [0255.01]

Ja! er hoffet fort, und denkt es wohl morgen zu erreichen;
Morgen kommt, und pfleget sich noch viel falscher zu bezeigen;
Trügt noch mehr, und weil er schmeichlend eine neue Lust verspricht,
Reißt er weg, was wir besassen, und macht alle Freud zu nicht.

Prior.


Wie vergeblich ist die Hofnung, und wie ängstlich Muth und Sinn!
Von der allerersten Kindheit bis ins letzte Alter hin!
Wie beschwerlich jeder Schritt! und wie trüb doch alle Zeiten?
Ist nicht eine stete Folg von Gedräng und Eitelkeiten?
Müde in dem Feld des Lebens hoff ich voller Glauben nun,
Ewig in den stillen Schatten des so süssen Tods zu ruhn.
Schrecken, Furcht und Traurigkeit werden alle schnell verschwinden,
Und ich in dem sichern Grab bey den Todten Freyheit finden.

Pope.


Laster ist ein Ungeheur, dessen Ansehn so voll Grauen,
Daß man, um ihm gram zu seyn, es nur recht braucht anzuschauen.
Fällt uns aber dieses Bildniß allzuoft ins Aug hinein.
Wird es nach und nach demselben so bekannt und so gemein,
Daß man es zuerst nur dult, und mit gröster Müh verträget,
Dann aus Mittleid es bedaurt, und zuletzt umarmt und heget.
*    *    *
Eine Seele voller Weisheit, ein Gemüth das tugendhaft,
Ist das edelste Gemächte, welches nur der Himmelschaft.
|| [0256.01]

Milton.

Even Fall.


Als sie dieses ausgesagt, streckte sie zur bösen Stunde,
Die verwegne Hand zur Frucht, nahm und aß mit kühnem Munde.
Die Natur empfand die Letzung, und die ganze Erde schien,
Seufzend und voll Weh zu zeigen, daß hiemit nun alles hin.

Milton.

Adams und Even Morgen-Gesang.


Dies sind deine grosse Werke, Vater deß, so gut und recht,
Du erschufst dies Welt-Gebäude: dann es alles dein Gemächt.
Ist es nun so wunderschön, und so voller Treflichkeiten,
O wie must nicht du erst seyn, Fülle der Vollkommenheiten!
Hoch und unaussprechlich Wesen! das entweder unsichtbar,
Oder nur aus seiner Händen niedern Werken halber klar!
Dennoch weisen diese auch einem merkendem Gemüthe,
Eine unumschränkte Macht, eine unermeßne Güte.
Sprecht, ihr Söhn des Lichts, ihr Engel! die ihr es am besten könt,
Weil euch ihn und seine Klarheit unverhüllt zu sehn vergönt:
Die ihr Tage sonder Nacht seinen Thron gedrängt umringet,
Und ihm ewig Freuden-voll heilig, heilig, heilig singet.
Alles, was im Himmel dorten, und was hier auf Erden ist,
Rühm dich, der du ohne Ende Anfang, Mitt und Ende bist.
Du, o allerschönster Stern! so der letzt der Nacht zu schätzen,
Wann du nicht vielmehr der Röth von dem Morgen beyzusetzen.
Sichrer Vorbot von dem Tage, der die frohe Demmrung ziert,
Mit dem schimmerreichen Ringe, den er um sein Antlitz führt?
|| [0257.01]

Preis ihn dort in deiner Sphär, lobe ihn mit stillem Munde,
Zu des Morgens erster Zeit, und der angenehmsten Stunde.
Und du Sonn, du Aug und Seele dieser so geraumen Welt,
O erkenne ihn für grösser, als der dich, und alles hält,
Preise ihn mit ewgem Laufe, beydes wann du aufwärts steigest,
Und wann du auf deiner Spitz, und wann du dich wieder neigest.
Und auch du, o Mond, der balde mit der frühsten Sonne reist,
Bald der fest genannten Sternen schnellem Kreiß Gesellschaft leist?
Auch ihr andre fünf, die ihr euch in schöner Ordnung reget,
Und nicht ohne lauten Klang, und nicht ohne Schall beweget;
Die ihr mit geheimem Tanze, an dem Firmamente irrt,
Und doch niemals eure Strasse, niemals euren Weg verliert,
Lasset ewig dessen Ruhm, ewig dessen Preis erschallen,
Dem es aus der Finsterniß Licht herfür zu ziehn gefallen.
Ihr auch, o ihr Elementen, ältste Kinder der Natur!
Die ihr ins gevierte laufet auf verborgner Bahn und Spur;
Die ihr alles mischt und nährt, lasset, ohne aufzuhören,
Eure stete Aenderung stets des höchsten Lob vermehren.
Ihr, o Nebel, und ihr Dünste, die ihr in die Höhe geht.
Und von Hügeln oder Sümpfen, dunkel oder grau entsteht,
Bis die lichte Sonne kommt, eure Schatten aufzuklären:
Sucht dem grossen HErrn der Welt auch sein Opfer zu gewähren.
Decket ihr den blauen Himmel mit bewölkter Dunkelheit,
Oder wird die truckne<trockne> Erde mit euch triefend überstreut,
So bemüht euch ihm die Ehr, welche ihm gebührt, zu geben,
Und ihr steiget, oder fallt, seinen Namen zu erheben.
Preiset ihn auch, o ihr Winde, die ihr von vier Theilen weht,
Lobt ihn immer, wann ihr lispelnd, oder wann ihr sausend geht.
Trachtet ihr auch gleicher Weis, stolze und erhabne Fichten,
Und ihr Pflanzen, und ihr Ström, eure Schuld ihm zu entrichten,
|| [0258.01]

Tretet sämtlich bey, ihr Thiere, alles trete bey, was lebt;
Und ihr Vögel, die ihr singend euch zur Himmels-Thür erhebt,
Traget seinen Ruhm empor auf den ausgedehnten Schwingen,
Und was schwimmt, und kriecht, und schreitt, müsse alles ihn besingen.
Zeug, o Morgen, oder Abend, zeuget ihr, wofern ich schweig,
Bergen, Thälern, Bäumen, Feldern, und dem ganzen Erdenreich:
Als die alle öfters mich, und mein Loblied angehöret,
Und die mein erhöhter Ton seines Namens Ruhm gelehret.
Allgemeiner Welt-Beherrscher! sey uns ferner hold und gut,
Und beweise nichts als Liebes, du der überschwenglich thut:
Und so etwan diese Nacht, was dir Widriges erzeuget,
Ach so gib, daß es nun weich, so wie sie dem Tage weichet!

Addison.


Die so weite Himmels-Feste, jenes so gezierte Haus,
Rufet seinen grossen Ursprung, und sein schönes Urbild aus.
Auch die Sonne unermüdt zeiget ihres Schöpfers Stärke,
Und verkündigt jedem Land, daß sie einer Allmacht Werke.
Dringen dann die düstren Schatten durch die ofne Abend-Pfort,
Führt der Mond an seinem Orte eifrig die Erzehlung fort,
Und eröfnet Nachts der Erd, wie, und wo er her entstanden,
Und durch wessen Gütigkeit er in seiner Höh vorhanden,
Und das ganze Heer der Sternen stimmet Mond und Sonne bey,
Und es schallt von Pol zu Pole, daß GOtt rühmens würdigst sey.
Und gesetzt, sie schwiegen ganz, und bewegten so sich alle,
Um den dunkeln Erden-Ball, ohne Laut und sonder Schalle,
Und gesetzt, daß ihre Sprache, und ihr Mund verschlossen wär,
Und es käm auch keine Stimme, oder Ton von ihnen her;
|| [0259.01]

Hört sie dennoch die Vernunft, in den allerhellsten Weisen,
Und mit angestrengter Kraft, scheinend ihren Schöpfer preisen:
Hört ihr Ohr sie immer singen: o wie göttlich ist die Macht,
Und wie mächtig sind die Hände, welche uns herfürgebracht!

Watts.


GOtt sprach, und das Welt-Gebäude hörte seines Schöpfers Schall,
Und sprang aus dem leeren Nichts eilends in diß schöne All.
Alles läuft nun immerfort, und verrichtet ohne Frage,
Was der HErr HErr ihm gebot, an dem grossen Schöpfungs-Tage.

Eben derselbe.


Schließt nur, o ihr Gotts-Verleugner, schliesset eure Sinnen nur,
Um nicht einen Gott zu sehen aus dem Baue der Natur.
Könt ihr eure Augen wohl, auf so viel Geschöpfe lenken,
Ohne an die Gütigkeit ihres Schöpfers zu gedenken?

Milton.

Even Klage über die Ausstossung aus dem Paradiese.


Dein unverhofter Unfall, gegen den der Tod noch süß!
Muß ach! muß ich so verlassen, dich, o liebstes Paradies!
Dich, o Stätte der Geburt! diese selige Gäng und Schatten!
Diesen Ort, wo Götter selbst ihre Lust und Einkehr hatten!
Wo ich hofte zuzubringen, ruhig, obwohl hoch betrübt,
Den beraumten Rest des Tages, den der Tod uns beyden gibt!
|| [0260.01]

Prior auf Sherlock über dessen Buch von dem Tode.


Theurer, und von GOtt begabter, und bewunderns werther Mann,
Dessen Arbeit, Sünd und Hölle Kraft und Wuth benehmen kan!
GOttes Langmuth wolte dich, als den andern Täufer senden,
Daß auf deiner Stimme Ruf Sünder sich zur Busse wenden.
Selbst die Jugend wird nun sehen, daß, was ihr die Erde gab,
Nur ein gegenwärtig Futter, und allein ein künftig Grab.
Sie wird auf die arme Welt, gleich wie jener Sieger sehen,
Und mit Thränen, und mit Weh bang um eine neue flehen.
Deine Schrift ist gleich der Leiter, welche Jacobs Traum er schien,
Die sich von der Erden streckte bis zu denen Sternen hin.
Sie ist allgemeines Heil, Arzeney für alle Kranken,
Von so ausgedehnter Kraft, daß die Würkung ohne Schranken.
Ja! sie ist ein himmlisch Manna, das so nährt, als Labsal gibt,
Eine Land- und Völker-Speise, jedem, was ihm nur beliebt.
Hemm doch den schon nahen Tod; rett ein Land, so auf der Neige;
Bleibe noch, daß unser Wunsch seines Sehnens Ziel erreiche.
Leb, ach lebe, bis daß Menschen, so noch von Geburt entfernt,
Erst von dir die Kunst zu sterben, und den Lebens-Pfad gelernt.
Dann so magst du, grosser Hirt, wann dein Haupt voll grauer Haaren
In vollkommner Heiligkeit zur verheißnen Wonne fahren.
Deine Asch sey unbeschädigt, dein Begräbniß unversehrt,
Alldieweil dein Ruhm sich immer dort bey den Gerechten mehrt:
|| [0261.01]

Bis die letzte Schreck-Posaune ihren Laut erschallen machet,
Und Gericht und Richter ruft, und Natur vom Tod erwachet.
Bis die längst zerstreute Asche mitten durch die tiefste See,
Und die weite End der Erden die bestimmten Wege geh,
Und in ungesäumter Eil die verwandte Seele kleide,
Und ihr einen ewgen Leib, und unsterblich Haus bereite.
Dann begleite, treuer Führer, der den Streit so wohl verrichtt,
Die so deine Treu gewonnen, auf zu jenem Freuden-Licht,
In den Himmel, der ob dir, grosser Hirt, und deiner Heerde,
Deren Menge ohne Zahl, ewig voll Frolocken werde!

Garth.

Ueber den Tod.


Niemand als gemeinen Seelen kan der Tod so schrekhaft seyn:
Alles Uebel, so wir fühlen, schaffet unsre Furcht allein.
Sterben ist beglückter weiß an dem stillen Ufer länden,
Da sich wilder Wellen Wuth, da sich alle Stürme enden.
Eh der sanfte Streich empfunden, ist er über allbereit.
Weise stärket desfalls Denken, Thoren Unempfindlichkeit.
Er ists, was ein böser fürcht, aber Fromme höchst vergnüget:
Das, wornach ein Armer seufzt; was ein tapfer Herz besieget.
Er erleichtert Lieb-erfüllte; er auch macht Gefangne frey,
Und er bietet an die Freyheit, ob er gleich voll Tyranney.
|| [0262.01]

Watts

Frömmigkeit am Hofe. An Philomele.

Madame! Ich weiß nicht, was für eine Verknüpfung von Denkbildern mich diesen Morgen verleitet habe, diesen Zeilen nachzusinnen, die ich vor vielen Jahren irgendwo gelesen:
Gleicht der Hof nicht einem Zirkel von vergüldt doch schwarzem Rand;
Ueber dessen Zauber-Ranfte hundert Teufel unerkant,
In crystallener Gestalt die verhaßte Unschuld kränken,
Und von ihrem Mittelpunkt, nemlich von der Tugend lenken? Diese Beschreibung eines Hofes gab Anlaß zu folgender Untersuchung:
Ist noch eine theure Seele, die so göttlich und so rein,
Ihren grossen Theil verrichte, und so lebe, und so schein
Hier auf diesem reitzenden und verführerischen Grunde,
Ohne daß sie ihren Ruf, oder Tugend je verwunde?

Gibt es annoch eine Seele, die so wohl und edel denkt,
Daß sie kein Gepräng ergötzet, und kein Schein und Blendwerk lenkt?
Daß sie voller Großmuth sich immerhin gen Himmel schwinget,
Und den schnöden Erden-Tand, und was sie versucht, bezwinget?
|| [0263.01]

Gibt es annoch eine Seele, deren Auge ganz entzückt,
Mit der allerstärksten Sehnsucht dorten nach den Sternen blickt?
Die durch güldene Gewölb ihr Gesichte aufwärts drehet,
Und der Liebe üppig Feur als ihr zu gering verschmähet?

Ist am Hof noch eine Seele, deren Lust die Einsamkeit,
Wo man an den Himmel denket, und ihm seine Triebe weyht?
Die, wann sie daran erscheint, und sich ihm gezwungen gönnet,
GOtt und ihr Gewissen doch, stets als ihre Freunde kennet?

Habt ihr sie nicht angetroffen, o ihr Engel, da sie flog,
Und beflügelt von der Andacht nächtlich in die Höhe zog?
Nennet ihr Eusebien, und verewigt ihren Namen:
Dann ihr wart es welche dort, ihr so oft entgegen kamen.
Alldieweil in einer Sprache, welche eurer eignen gleicht,
Philomela ihre Siege Sterblichen auf Erden zeigt,
Müsse dorten Raphael ihren Ruhm im Himmel singen,
Und ihr täglich neues Lob, und ein neues Lied erklingen!
Laßt sie Gabriel begleiten, weil sie hier im Kampf-Gefild:
Und Barmherzigkeit und Gnade sey ihr steter Schutz und Schild,
Mittlerweil sie unbefleckt mit Gefahr und Feinden ringet,
Und durch dieses Lebens Nacht, in das ewge Licht-Reich dringet. Ich bin versichert, Madame, sie werden einsehen, daß diese Fragen als sehr richtig und gerecht, sich in einem Namen vereinigen, der aller Nachfor
|| [0264.01]
schung ein Genügen thut. Eusebie verwahret immer ihre Bescheidenheit dermassen, daß diese Zeilen von meiner Hand nicht vor ihr erscheinen dörfen. Alethine befand sich unter einigen vertrauten Freunden, da man diesen Brief so weit lase; allein hier unterbrach sie das Lesen aus einer freundschaftlichen Ungedult, solches zu bekräftigen. Ich kenne Eusebien Demuth, sagte sie, und eine so tugendsame Person wird leicht erröthen: doch deucht mich nicht, als wann der Schreiber ihr Bildniß verfehlet hätte. Meines Erachtens ist es billig und aufrichtig: Ihr ganzer Umgang ist sich gleich : ihre öffentliche und geheime Stunden sind einerley. Sie zeigt viel Christenthum in ihrem Hause und Zimmer, und verleugnet am Hofe dieses herrliche Bekenntniß im geringsten nicht. Es sind mir einige Früchte ihrer stillen Betrachtungen zu Gesichte gekommen, und wie ich schon lange mit ihr bekannt zu werden das Glücke gehabt, so darf ich wohl sagen, sie lebe dem gemäß, was sie schreibt. Gegenwärtig füget es sich, daß ich Ihnen einen Geschmack von ihrer Gottseligkeit, wie auch von ihrer Bekanntschaft mit den Musen geben kan; dann mir erlaubet worden, drey oder vier Abschriften zu nehmen, welche mich sehr ergötzet; und ich zweifle nicht, Sie werden mir vor das Ihnen dadurch verursachte Vergnügen Dank wissen. *    *    *
|| [0265.01]

Von Eusebien.

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I. Betrachtung auf dem Lande.


Hier im anmuthreichen Walde, und in dem beblühmten Feld,
Wo Natur mit tausend Schönheit, tausend Lust uns unterhält,
Können wir das Tausendschön, und die Himmels - Schlüssel sehen,
In gemahltem hellen Weiß, oder güldner Röthe stehen,
Die mit Grün gezierte Aufsicht, die so voller Lieblichkeit,
Hüllt das Aug mit stiller Wonne, und mit unvermischter Freud.
Die im Wald verborgne Gäng, und zu Ernst bequeme Schatten,
Und die Triften und die Flüß, die sich mit den Auen gatten,
Flössen sämtlich unsrer Seelen eine heilge Ehrfurcht ein,
Und erheben die Gedanken bis dort zu der Sternen-Schrein,
Hin zu dem, der droben thront, der mit Majestät gekrönet,
Der den Himmels-Bau gewölbt, und die Feste ausgedehnet:
Dessen Wort die Silber-Themse in den Lauf und Strohm gebracht,
Und die Hügel hocherhaben, und die Thäler tief gemacht:
Der die Nachtigall gelehret, ihre süsse Lieder singen,
Und die Himmels-Lerche hieß lobend in die Höh sich schwingen,
Welcher macht, daß sich der Ochse, und die Kuh geschmeidig weißt,
Und wie jener auf dem Felde, die im Stall Gehorsam leist,
Der die rauhe See bezähmt, und die Wuth der Winde stillet,
Und die Leidenschaften zäumt, und das Herz mit Ruhe füllet,
|| [0266.01]

II. Buß-Gedancken.


Drückt mich Nothbedrängter Kummer, schmerzt mich ihre Traurigkeit,
Und kan ich voll Wehmuth trauren über andrer Herzeleyd?
Sag, kan alle fremde Noth mich zu zartem Mitleid treiben,
Und ich doch so ungerührt über meine eigne bleiben?
Kan mein Herz bey andrer Drangsal gleich dem Schnee und Wachse seyn,
Aber gegen meine eigne härter, als ein Demantstein?
Kan ich sehen, wie die Sünd mich so durch und durch verkehret,
Wie sie Gottes Ebenbild und sein Reich in mir zerstöret?
Kan, ach! kan ich alles dieses ohne eine weiche Thrän,
Ohne Seufzer, ohne Mitleid über meinen Jammer sehn?
Dringt es mich nicht, mich nach Hülf aus der Höhe zu bestreben,
Da mich Satan, Welt, und Lust, und ihr Reitz, und List umgeben?
Gebt mir, o ihr Wasserquellen, alle eure Ströhme her,
Daß ich immer weinen möge, bis ihr samt dem Auge leer;
Das ich meinen Untergang nicht so unempfindlich sehe,
Und, gleich einem der gebannt, stets auf einem Flecken stehe.
Gebt mir, o ihr sanften Winde, euern Balsam-vollen Hauch,
Daß ihn meine Brust zur Lindrung, und zu steten Seufzern brauch,
Lehrt, ihr Tauben in dem Wald, lehrt mich eure Trauer-Klagen,
Um voll Wehmuth meinen Fall, und mein steinern Herz zu sagen:
Daß ich meinen starren Willen, und gehärten Sinn bereu,
Und ein jedes Wort und Zeichen meines Kummers Merkmal sey.
Ferne vom Getös der Welt, und der Lust und eiteln Ehren,
Wünsch ich sehnlich meine Tag in der Stille zu verzehren,
|| [0267.01]

Bis der Sturm der Leidenschaften, und sie allesamt besiegt,
Und sich meine Seele gänzlich unter GOttes Scepter schmiegt;
Bis in seinem Wollen sich alle meine Wünsch vereinen,
Und ich nicht mehr darf, o Welt, über deine Fesseln weinen.
Bis das einzige Geschäfte meines Lebens Loben ist,
Und mein Herz von reiner Liebe, und vom Himmel überfließt:
Bis sich aller Schönheit Reitz, und geschaffner Glanz verlieret,
Und GOtt selber alles wird, und er unumschränkt regieret.

III. Mitternachts-Gesang.


Dir, o allerherrlichst Wesen, ewig hochgelobte Macht!
Weyh ich diese stille Stunde der geheimen Mitternacht.
Mitlerweil die Finsterniß Erd und Himmel angefüllet,
Und sich alles sorgenlos in den Schlummer eingehüllet,
Gib, daß ich doch unermüdet deinen heilgen Namen preiß,
Und ein jeglicher Gedancke sich dir treu und danckbar weiß,
Vor dir unermeßne Gnad, welche deine Hand mir schencket,
Als die mir Gesundheit gibt, und mein Herz mit Trost bedencket.
Die mir wieder mein Verdienen, die mich über meine Bitt,
Ueber mein Verstehn mit Gutem, und mit Segen überschütt.
Möchte doch mein wachend Flehn bis zu deinem Throne steigen,
Und dir obwol ein gering, doch beliebtes Opfer reichen!
Und wan deine Fügung einsten meine müde Augen schließt,
Und mein Leichnam in dem Sarge eine sanfte Ruh genießt,
Ach so laß der Engel Wacht über meinem Grabe sitzen,
Und mit ihren Fittigen, mich vor dem Versucher schützen.
Sende mir doch einge Strahlen deines ewgen Lichtes zu,
So zu Heilgung meiner Träume, als Gesegnung meiner Ruh.
|| [0268.01]

IV. Hofnung eines sterbenden Christen.


Wann ich allbereits erliege, und schon sincke, und mit Müh,
Und mit banger Angst des Hertzens den beklemmten Athem zieh,
Ach! so laß doch meinen Geist durch erwünschten Vorschmack, wissen,
Daß du mich der Höllen-Noth, und dem ewgen Weh entrissen.
Laß die Hofnung eines Retters alle finstre Furcht zerstreun,
Und Gedancken, diesen ähnlich, das verzagte Herz erfreun:
Wären meine Sünden schon mit dem Scharlach zu vergleichen,
Müssen sie doch Jesu Blut, und desselben Allmacht weichen.
Wären sie so viel und zahlreich, als die Sternen in der Höh,
Oder gleichen sie dem Sande an der unermeßnen See,
Ist doch ihre Anzahl nichts gegen seiner Güt zu heissen,
Als die überschwenglich mehr, und unendlich hoch zu preisen:
Dann er siehet meine Seele voller inngen Mitleid an,
Und bemerckt die bange Seufzer, so ich je nach ihm gethan.
Er erkennt die Schwäche wohl, und er weiß die Leidenschaften,
Die in jedes Menschen Brust, und dem leichten Sinne haften:
Und um seines Sohnes willen, wegen seinem Tod allein,
Will er meine Sünden alle allergnädigst mir verzeyhn.
Und auf diesem ewgen Trost, dieser Hofnung kan ich stehen,
Und allstündlich meinen Tod unverzagt sich nähern sehen:
Dann so wie mein Leben sincket, wird mein Glaube sich erhöhn,
Und mein letzter Athem preisend und voll Lob gen Himmel gehn. Die ganze Gesellschaft wurde nicht wenig ergötzet durch die ungezwungene Gottseligkeit und Andacht, welche aus diesen Oden durchgängig herfürleuchtet, und sprachen die Feder, welche Eusebien abgeschildert, von aller Schmeicheley ganz ledig, da ihr Leben dergleichen heiligen Gedichten gemäß, und in den Ohren Gottes und aller Einwohner des Himmels die lieblichste Harmonie machet.
|| [0269.01]

Watts.


Komt, ihr liederreiche Vögel, zu den grauen Schatten her,
Unsre Töne zu vereinen, zu des grossen Schöpfers Ehr.
Jene Hand, die euch geziert mit so schön bemahlten Schwingen,
Gab auch mir die edle Kraft, seinen Namen zu besingen.
Schöne Sänger, laßt uns singen, daß hier dieser heilige Wald,
Von dem rühmenswerthen Namen des gemeinen HErrn erschallt,
Menschen lassen dessen Werk, Macht und Liebe unberühret,
Dessen Arm den Wunderbau ihres Leibes aufgeführet.
Ich such am gedrängten Hofe, gehe durch die volle Gaß,
Laufe hin und her im Lande, spüre nach auf jeder Straß:
Doch mein Suchen ist umsonst, dann wohin ich nur mich kehre,
Findt sich alles voll von Welt, und von Gott und Himmel leere.
Wie vermag ich meine Tage, bey den Menschen auszustehn:
Ihr gefallet mir am besten, unschuldsvolle Vögelgen!
Gott verlieh euch eure Stimm nur zu seinem hohen Preise,
Und es preißt ihn eure Brust auf die fürgeschriebne Weise.
Komt dann, o ihr süssen Zwitschrer! regt die muntre Zungen all;
Laßt uns unsre Lieder fügen zu der Engel Chören Schall:
Unser niedriger Gesang strebe ihrem nachzuahmen,
Gleicht es schon bey weitem nicht, ihrem Ton und ihren Flammen.
Hätt ich tausend Herz und Stimmen, müßten sie nur dir allein,
Dir, mein Gott, o meine Liebe, allesamt gewidmet seyn.
Wo die Brust von Liebe brennt, wird der Mund sogleich gerühret,
Noch soll je ein Lied vergehn, das Gott selbst zum Inhalt führet.

|| [0270.01]

Abschied der Lady Johanna Gray von dem Lord Guilford Dudley, und dieses hinwiederum von jener, in zwey Briefen

aus der Fr. Rowen Werke, betitult Freundschaft in dem Tode.

|| [0271.01]

Lady Gray an Lord Guilford Dudley.


Mit Leyd, das keine Kraft den stärksten Worten sagt,
Sag ich, mein Dudley, dir, nun traurigst gute Nacht.
Ließ minder Wehmuth mich von deiner Seite scheiden,
Könt ich dem nahen Tod getrost entgegen schreiten:
Dieß grauensvolle Bild, nähm Herz und Sinnen ein,
Und ließ von zarter Freud kein Merkmal übrig seyn.
Allein du stehst und schwebst mir immer für den Augen,
Und was für Widerstand mag da zur Schutzwehr taugen?
Dein Liebreitz zwingt mich stets, und macht durch steten Sieg,
Daß ich dir stets im Arm und Schoose seufzend lieg.
Ach Guilford! nicht die Lieb zu einem armen Leben,
Schaft mir so vielen Gram, so schweres Widerstreben.
Nicht, was die Jugend reitzt, und schmeichlend an sich zieht,
Nicht schnöde Herrlichkeit, worauf sie lüstern sieht;
Nicht ein versprochnes Reich: nicht meines Landes Thränen:
Für dich nur lebt ich gern: auf dich nur geht mein Sehnen.
Für dich nur nahm ich an die angetragne Kron,
Für dich bestieg ich nur den unglückselgen Thron.
Kein Ehrgeitz hat mein Herz, daß ohne Schuld, beschmützet:
Indem ein sanfter Trieb die edle Brust erhitzet.
Mit dir hätt ich gewählt entfernt von eitlem Staat,
Die stille Einsamkeit, der kein Gepräng sich naht.
Wie sorgloß, wie vergnügt, vertrieb ich meine Stunden,
In schattenreichen Gäng- und Lauben angebunden:
Entzückt bey murmelndem und sanftem Wasser-Fall,
Bey einem Brunn, der gleich dem hellesten Crystall.
Dort wolte ich mit dir im bunten Grase liegen,
Und meine Stimm erhöht zur süssen Laute fügen.
Dort suchte Liebe nur, wie dich ihr Ton erquick.
Und Wald und was darin ergänzte die Musick.
Allein, wo denk ich hin? ich muß mich deß entschlagen.
Herr! hilf mir noch dem letzt- und liebsten abzusagen.
|| [0272.01]

Verzeih den schwachen Sinn, den zarten Jugend-Trieb,
Die Thränen eines Weibs, die tadelhafte Lieb.
Du weist, ich kaufte nicht des Guilfords theures Leben,
Und dörft ich auch dafür nur eine Lüge geben.
Nicht was der Himmel selbst, so weit er, in sich hält,
Vermöchte mich, daß ich die Wahrheit je verstellt.
Trotz Welt! und trotz der Höll, und ihrer stolzen Rache!
Trotz ihrer Flammen Qual! trotz ihrer Pein und Plage!
Viel tausend traten schon für sie als Zeugen auf,
Und druckten ihr zur Steur ihr Blut und Siegel drauf.
Du grosser Held und Fürst von den verklärten Schaaren,
Die einst, als Märtyrer für dich ertödtet waren,
In deiner Helden-Kraft bestreit ich voller Muth,
Die äusserste Gewalt von der Verfolger Wuth.
So Mensch- als Engeln sey mein ganzes Herz entdecket,
Und von der Wahrheit nicht das mindeste verstecket!
Die ruhmerfüllte Sach, die meine Brust belebt,
Und welche ich bißher zu treiben mich bestrebt,
Will ich mit Freudigkeit und heilgem Sieg bezeugen;
Bezeugen unverrückt, bis Geist und Athem weichen.
Doch etwas traurigers verhüllet meinen Sinn,
Und die Natur besiegt sinkt vor Bestürzung hin;
Daß mich die härtste Prob, und schwerste Kreutz beschwerten,
Sollst du zuerst der Wuth ein blutend Opfer werden.
Wie überlebt dein Weib, dein armes Weib den Streich?
Nur eine Stunde mehr ist hundert Jahren gleich.
Doch Guilford bleibe nur der Wahrheit treu gesonnen,
So ist mein ewig Wohl so viel als halb gewonnen.
Ihr heilge Jungfraun dort! die der Tyrannen Macht,
Mit frecher Grausamkeit in ihrer Blüth geschlachtt:
Die ihr dem Christen Glaub zum höchsten Ruhm gestorben,
Und euch die Marter-Kron auf gleichem Weg erworben:
Ermannt des Jünglings Brust zur herben Leidens-Zeit,
Und stellt euch ihme dar in eurer Herrlichkeit.
Zeigt ihm die prächtige und ausgezierte Kronen,
Die dorten beygelegt, besondre Treu zu lohnen.
|| [0273.01]

Schließt auf das Rosen-Zelt, den Sitz der Seligkeit,
Die Gärten und die Still, wo eure Lust sich weidt:
Wo lieblichster Geruch und sanfter Wind erspriessen,
Und Freuden-Quellen sich in ewge Ströhm ergiessen:
Erquicket ihn mit Trost, erscheint ihm im Gesicht,
Und haltet seinen Muth bey Zweifel aufgerichtt.

Lord Dudley an die Lady Johanna Gray.


Der starken Engel Schaar, die treue Wächterin,
Schütz dich, mein liebstes Weib, und schönste Prinzessin!
Für dich pfleg ich mit Flehn gen Himmel anzudringen,
Und voll Verdruß und Gram die Stunden zuzubringen.
Wär ich von aller Welt, nur nicht von dir, getrennt,
So wär diß schon genug, daß ich mich glücklich nennt.
Der Kerker würde mich mit seiner Maur bedecken,
Vor allem Ungemach, so Grosse mir erwecken.
Verdammter Hochmuth, weich! weich nur du Höllen-Brand,
Zur Höll, wo deine Feind, und was dir anverwandt.
Könt ich, o Schönste, nur mich wieder dein erfreuen,
So wären Reich und Kron mir nichts als Tändeleyen.
Ich kostete im Wald, wo ich verborgen blieb,
Vergnügt die stille Freud der ungestöhrten Lieb.
Warum doch mußtest du von alten Köngen kommen?
Ach da hat unser Weh den Anfang hergenommen!
Die Liebe hatte dir was sanfters zugedacht,
Und zur gemeinen Sorg nicht dein Gemüth gemacht.
Dein ganzes Herz war nur von Liebe angeflammet,
Und zarter Unschuld Trieb hat nur darin gestammet.
Und dennoch, wolt es nur der Himmel zugestehn,
Stünd, deucht mich, eine Kron dir unvergleichlich schön.
Aus deinem Angesicht und angenehmen Minen,
Hat Huld und Majestät mit hellem Glanz geschienen.
Was schön, was königlich, das hat aus dir geblickt,
Ich sah dich halb erstaunt, und war darob entzückt.
|| [0274.01]

Ich hab dir tausendmal die schöne Hand gedrücket,
Und ausgesagt, daß sie sich für ein Zepter schicket.
Doch alle diese Lust ist nun für stets vorbey,
Gleich einem Nachtgesicht der blossen Phantasey.
Was mein Vergnügen war, das ist dahin geflogen,
Und hat mir Herzeleyd und Wehmuth zugezogen!
Ach stillte doch mein Tod den Zorn der Königin!
Ach wär der Wuth genug, wann ich geschlachtet bin!
Ich wolte unverzagt die Stürme übernehmen,
Und mich getrost zum Tod, so grösser auch, bequemen.
Allein was schrecket mich? dein Leben hier im Leib!
Was red, was sag ich nur, mein liebst und schönstes Weib?
Was kan dein armer Mann für einen Rath dir geben?
Ach spar und schone nur dein allertheurstes Leben!
Vergib mir doch, daß ich so feig und zaghaft bin:
Ich widerruf beschämt und ändre meinen Sinn.
Wohin soll mein Gemüth, daß so bestürzt sich neigen?
Wann Himmel, Wahrheit, du, sich an dem Ziel bezeigen?
Ach solte ich wohl dich in ewigs Elend ziehn,
Und um die Marter-Kron zu kürzen mich bemühn?
Nein! Nein! das seye fern! ich will dich froh begleiten,
Und weder Noth noch Tod soll unsre Seele scheiden.
O Tod! wo ist dann nun dein so gerühmter Sieg?
Dein Schrecken, dein Triumph, die Frucht von deinem Krieg?
Kein Engels Angesicht, so schön es, gleicht dem Deinen,
Wo nichts als Lieblichkeit, und süsse Lust erscheinen.
Ach was für Freuden stehn in meinem Herzen auf?
Komm, meine Schöne, komm, sie rufen uns hinauf!
Viel schönster Schönen sind, in ihrer Blüht gestorben,
Nachdem sie sich ein Lob, so ewig grünt, erworben.
Wie viele haben nicht beherzt und unbewegt,
Für ihren heilgen Glaub ihr Leben dargelegt?
Mit den und allen sonst, die je berühmt gewesen,
Wird man auch deinen Ruhm, du Zier der Britten, lesen.
|| [0275.01]

Watts. Tod und Himmel. Auf das Ableben der Serena. In fünf Oden.

I. Ode.

Abschied des Geistes von dem Leibe nach einer langen Krankheit.

1.


Wie lang muß ich Gefangener
Noch diese bange Fesseln tragen?
Wie lang soll ich, mein GOtt und HErr,
Annoch in diesem Kerker zagen?
Dieß sterblich Band gebiehrt mir Leyd;
Dann alles, was allhier auf Erden,
Ist eine nur gekürzte Freud,
Wo nicht ein Inhalt von Beschwerden.

2.


Ach wann erscheint die Wunderzeit,
Der Tag, der mir mein Heyl verheisset?
Der mich von Finsterniß befreyt,
Und dieß Gefängniß niederreisset?
|| [0276.01]

Wann komm ich doch zu jenem Licht,
Wo keine Wolken, keine Decken,
Mir meines GOttes Angesicht,
Wie hier, in Kedar, mehr verstecken?

3.


Zu guter Nacht! du schwache Hütt,
Du Fleisch, ihr Ohren, und ihr Augen,
Die allesammt nur mein Gemüth,
Mit Ketten zu beschweren taugen.
O GOtt, an dessen Macht ich glaub,
Halt diesen Leib im Grabe dorten,
Bis alle Asche, aller Staub,
Zur Herrlichkeit gereinigt worden.

4.


Du, der du unser Heyland bist,
Der unsere Natur ergänzet,
Bild einen Leib, der herrlich ist,
Und prächtig, wie der deine glänzet.
So wird er, wann er so bestellt,
Dem Geist ein besser Hauß gewähren,
Und dich in jener fremden Welt,
Durch Werk des Preises stets verklären.

II. Ode.

Der Augenblick des Scheidens, oder abwesend vom Leibe.

1.


Vom Fleisch getrennt! o welch ein Glück!
O Eingang in die Seligkeiten!
Was bringt mir dieser Augenblick,
Für hoh und unbekante Freuden?
|| [0277.01]

Befreyt von allem Ungemach,
Und was die Sünde eingeführet;
Befreyt von Thränen, Schmerz, und Ach,
Und Quell, wo solche her gerühret.

2.


Vom Fleisch getrennt! o grosser Tag!
Der mich wird mit Verwundrung füllen!
O mit Triumph verknüpfter Schlag,
Und Streich nach meinem Wunsch und Willen!
Der diese schwache Leimen-Hütt,
Und diesen Kerker niederreisset,
Und als Erlöser mir damit,
Von meinen Banden Rettung weiset.

3.


Vom Fleisch getrennt! o Seele fort!
Erhebe dich zu jenen Reichen!
Zu jenem Friedensvollen Ort,
Wohin kein Fuß noch Flügel steigen.
Dort über jener Sternen-Höh,
Die sich bald da, bald dorthin lenken,
Und auch zugleich so wohl und Weh,
Als Leyd und Freud der Zeit beschränken.

4.


Ich fahre in die Herrlichkeit,
Wo GOtt sich ewiglich verklähret,
Da seine Gegenwart mir Freud,
Und einen ewgen Tag gewähret.
Was an mir sterblich, sey dem Grab!
Weg aus dem Land der Eitelkeiten!
Dann Uriel wart, und hohlt mich ab,
Um mich nach Salem hinzuleiten.
|| [0278.01]

III. Ode.

Eingang in das Paradies, oder gegen wärtig bey dem HErrn.

1.


Ist diß der Himmel? bin ich da?
Da kaum mein Flug sich angefangen?
Wie ist das Paradieß so nah?
Wie schleunig kan man hingelangen?
Was ich nur bin, und was an mir,
Ist alles Auge, Ohr und Leben:
Mein JEsus selber ist allhier,
Der meiner Seele Lust und Weben.

2.


Ist dieß der himmlisch-treue Freund,
Der mich mit ewger Lieb umpfangen;
Der sich mit solcher Noth vereint,
Und blutend an dem Kreutz gehangen?
Den Paul verkündet, David sang?
Der wie für sie, so mich gestorben?
Und weilen er den Tod bezwang,
Uns ein unendlich Heyl erworben.

3.


Wie schön, wie herrlich bist du nicht?
Du Bild von GOttes Angesichte!
Du, der in seinem Schoose liegt,
Du Abglanz von dem ewgen Lichte!
Dein Tod gewann uns diese Wonn,
Und deine Lebensvolle Strahlen,
Dein Glanz, o selge Himmels-Sonn,
Dient ihn mit Zierrath zu bemahlen.
|| [0279.01]

4.


Sieh ihn dort vor dem Thron, um mich,
Der sonst ein Eigenthum der Höllen,
Aus tiefstem Mitleid gnädiglich,
Ganz ohne Tadel darzustellen.
Dort herrscht die GOttheit ewiglich,
Voll Friede durch des Sohns Versöhnen:
Auf, meine Stimm, erhebe dich,
In himmlischer Gesänge Tönen!

IV. Ode.

Das Anschauen GOttes im Himmel.

1.


GOtt, Schöpfer, o unendlich Licht!
Allmächtige Quelle guter Gaben!
O Wunder-Meer, erwünscht Gesicht!
O Dinge, so die Seele laben!
O Schönheit, Glanz, und allerhand,
So mir bishero unbekannt!

2.


Dein Wesen, Gnade und Natur,
War meines Geistes Aug benommen:
Kaum seh ich dunkel deine Spur,
Im Lande, wo ich hergekommen:
Allwo mir kaum so viel geglückt,
Daß ich noch deinen Glanz erblickt.

3.


Ich bin in einer fremden Welt,
Wo alles neu ist, und worunter
Ich selbst, mein GOtt, dieß Freuden-Feld;
O eine Menge selger Wunder!
|| [0280.01]

Was je mein Herz gewünschet hat,
War nicht ein Schatten dieser Gnad.

4.


So setze dich mein Geist so gleich,
Um GOtt unendlich zu verehren;
Ihr rege Sinnen, bindet euch,
Von ihm euch nicht mehr abzukehren.
Hemmt, niedre Kräfte, euern Trieb,
Und macht nur Raum der Freud und Lieb!

V. Ode.

Eine Leichen-Ode, bey der Beerdigung des Leibes. Im Namen der Traurenden.

1.


Eröfne dich, o treues Grab!
Den neuen Schatz nun einzuschliessen.
Nimm ihn von unsern Händen ab,
Und laß ihm deinen Schirm geniessen.
Hüll diesen heilgen Leichnam ein,
Und laß ihn in den stillen Gründen,
Und deines Busens kühlen Schrein,
Im Staube einen Ruhplatz finden.

2.


Kein Schmerz und keine Traurigkeit,
Kein Angst- und Kummer-volles Leiden,
Kein Schrecken, keine Furcht und Leyd,
Soll deine Gränzen je beschreiten.
Kein zeitlich Kreutz, kein sterblich Weh,
Noch was, so fähig, Qual zu machen,
|| [0281.01]

Berührt allhier die Schlafende,
Für deren Ruhe Engel wachen.

3.


So schlief der Fürst des Lebens dort,
Und ordnete die Grabes-Stätte,
Den Sterbenden zur Lebens-Pfort,
Und Müden zum erwünschten Bette.
So ruhe nun, o Selige!
Bis dir sein Thron den Morgen bringe,
Und Er, der Aufgang aus der Höh,
Die Schatten, und den Tod verdringe.

4.


Komm, komm herbey, o frohe Zeit!
Brich an, du wunderbarer Morgen!
Hör, Erde, was dein HErr gebeut,
Und gib, was du so lang verborgen.
Laß eine herrliche Gestalt,
Aus deinem treuen Schoos entftehen<entstehen>:
Muß sie nicht, wann der Ruf erschallt,
Dem, der ihr Haupt, entgegen gehen?

Watts.


Was die Erde zeugt muß sterben: die Verwesung raffet hin,
Alles was auf diesem Balle, und verheert, und ändert ihn.
Unser Leben weicht der Zeit, der sich alle Dinge beugen;
Aber wie ihr alles weicht, so muß sie dem Himmel weichen.
Dorten singen Engel ewig; dorthin schaue, dorthin richt,
Meine hochgebohrne Seele, immerdar dein Angesicht.
Dort findt Tugend vollen Lohn; ewge Wonne, stolze Freuden,
Die auf Erden unbekannt, müssen da die Seele weiden.
|| [0282.01]

Dieser Grund, der unser Grabe, dieses glänzend Sternen-Heer,
Gibt dem merkenden Gemüthe eine allgemeine Lehr.
Wie die Sonne einsten lief, läuft sie, ohne aufzuhören,
Alldieweilen Zeiten fliehn, und einander selbst verstöhren.
Weil so mancher Held vergessen, in dem Staub vermodern muß,
Strahlt der Morgenstern noch immer, blitzt noch stets ein Syrius.
Leben, Licht, und ihre Quell herrscht in jenen obern Reichen,
Weil die Menschen, Würmern gleich, kriechend auf der Erde schleichen.
Und dieweil der Geist den Himmel, seine Vaterstadt, vergißt,
Ihre Ferne nicht beklaget, auch nicht auf dem Heimweg ist.

Eben derselbe.


Der Himmel ist mein Vaterland,
Und ich muß meine Flügel brauchen,
Und mit hinauf gewandten Augen,
Die Welt verschmähn mit ihrem Tand.
Der grosse Schöpfer aller Wesen,
Hat mich zu einem Königreich,
Dem keines auf der Erden gleich,
Für Ewigkeiten auserlesen.

Eben derselbe.


Ach wo finden Adams-Kinder doch das allerhöchste Gut,
Welches einem ewgen Geiste ewig ein Genügen thut?
Zeigt, ihr Weisen doch, woher süsses Lebens-Wasser fliesset,
Und wo der erwünschte Brunn des Vergnügens her entspriesset?
Sagt, wird wohl ein Stoisch Herze, das so hart, als Felsenstein,
Fliessen, und der Seele Schmachten einen Trank, der labt, verleyhn?
|| [0283.01]

Konte wohl ein Plato je die verborgne Spur ergründen,
Und in seinem Wahn-Gesicht, oder Traum dergleichen finden?
Doch mein Fragen ist vergeblich: dann die Kräfte der Natur,
Reichen nicht bis hin zum Sterben, sondern trügen alle nur.
War es nicht ein schwacher Trost, den ihr arm Vermögen gabe,
Für die bange Todes-Furcht, und die Schrecken von dem Grabe?
JEsu, der du unser Goel, und der Fürst der Seligkeit,
Der mit Majestät und Blute, als ein GOtt und Mensch gekleidt,
Du bist unsre Lebens-Quell, und in dir soll uns auf Erden,
Ein allhier genügend Theil, und im Himmel alles werden.

Eben derselbe in Krankheit.


Komm, o Arzt, der allgenugsam, höre doch mein klagend Flehn,
Laß dir eines Wurmes Krümmen in dem Staub zu Herzen gehn.
Komm zu mir Verlassenen, steig herab von jenen Höhen,
Angethan mit Macht und Lieb, und befiehl mir aufzustehen.
O du Menschgewordne Güte, send, ach sende mir zur Freud,
Deinen Einfluß doch herunter in diß Land der Sterblichkeit.
Wo du ehmals selbst gewohnt, und in schwaches Fleisch gekleidet,
Hast gelernt voll Mitleid seyn, und dir solchen Ruhm bereitet.
Heil doch meine lange Trübsal, und mein schmerzerfülltes Leyd;
Tausend Preiß, und tausend Lieder sind dir schon dafür bereit.
|| [0284.01]

Davids dir geweyhte Harf soll von deinem Namen klingen.
Und ich will dir neue Ehr für die neue Gnade bringen.

Streit im Himmel.


An dem Hof des ewgen Friedens wurde eine Frag erregt,
Welche einen Streit erwecket, der sich nimmer endt noch legt:
Wer von der erlößten Schaar doch die allerhöchste Ehre,
Und den allergrößten Ruhm wohl der Gnade schuldig wäre?
Kinder, die ein frühes Sterben, aus der Wiege hingeraft,
Glauben sich dazu für andern ein gegründter Recht verschaft,
Als die bald die Herrlichkeit, und das Land der Freud gefunden,
Welches sie doch nie gesehn, und das sie auch nie verstunden.
Andre, die ein reifer Alter, und ein weiter Ziel erreicht,
Ehe sie sich von der Erde zu den Todten hingeneigt,
Denken wohl die Gnade werth, desto mehr erhöht zu werden,
Als sie Sünd - und Flecken wusch, welche Zeit und Tage mehrten.
Ich, spricht einer, ich für allen, bin der Gnade hoch verpflicht,
Die an mir so grosse Thaten, ihr zum ewgen Ruhm verricht;
Solte der sich nicht bemühn, so der größte aller Sündern,
Sie aufs höchste zu erhöhn unter selgen Menschen-Kindern?
Haltet ein, ruft dort ein andrer, haltet ein, und weichet mir:
Seht, ich bin das gröste Wunder, unter allen die allhier;
Ich, ach! ich von deren Zahl, die der Höllen-Bahn erkiesen.
Diesem tritt sogleich ein andrer mit gereitztem Eifer bey,
Eben so mit Ruhm erfüllet, und nicht minder Ehrfurcht frey,
|| [0285.01]

Rufend, laßt den Vorzug mir; dann ich darf für allen fragen,
Hat wohl einer so viel Dank, als ich schuldig, abzutragen?
Will dann keiner zugestehen, in dem ganzen Himmelreich,
Daß ihm einer seiner Bürger irgend an Verbindung gleich;
Nun so laßt uns allesamt, in den allerhöchsten Weisen,
Den, der aller Lob verdient, mit vereinten Kräften preisen.

Young.


Odu, der mit seiner Waage das Gewicht der Berge wägt,
Und auf dessen Winck und Wille wilder Meere Wuth sich legt,
Welcher jene Wasserwelt kan in lauter Flammen kehren,
Und darauf die Flamm in Sturm, und den Sturm sodann verstöhren,
Der geringste aller Menschen wirft sich zitternd dir zu Fuß,
Und erflehet deine Gnade voller tiefstgebeugter Buß;
Laß doch deine Huld und Güt, welche über alles reichen,
Sich zu einem Sterblichen, und zu Staub und Asche neigen.

Sencke die vergangne Sünden alle in die Tiefe ein,
Und gib meine Missethaten schnellen Winden zu zerstreun.
Laß mich immer deine Macht, aber meine Schwachheit schauen,
Und dir meine Seele weyhn, und dir solche anvertrauen.
Herrsche über meinen Willen; meine Lust und Leidenschaft,
Reg sich nur auf dein Gebote, und sonst keine andre Kraft.
Reizt mich Zorn, so laß ihn gleich einen gleichen Trieb erregen,
Und mich nur zu heilgem Grimm gegen alle Sünd bewegen.
Meine Liebe seye brünstig, den beklemmten beyzustehn,
Und Gedruckte zu erleichtern, welche unter Drangsal flehn.
|| [0286.01]

Möchte mein Verstand doch stets jenes grose Buch dort lesen,
Jenes Buch, so du gemacht, o du weißlichst schaffend Wesen!
See, und Land, und Erd, und Himmel, und was je mein Auge sieht,
Alles führ den ewgen Schöpfer mir beständig zu Gemüth.

Wann das Meer mit Brausen tobt, und uns Blitz und Donner schrecken,
O so laß es uns ein Bild deiner strengen Rach erwecken.
Wann die Erde in der Blüthe, und der Sternen Glantz erhöht,
So verehre meine Seele ihres Gottes Majestät.
In dem Frieden, in dem Krieg, was für Wechsel nur im Leben,
Wie bey Mangel, so auch Fülle, sey dein Ruhm nur mein Bestreben.

Gib, daß ich an jedem Morgen, meiner ersten Pflicht getreu,
Dir den Tag bey frühem Strahle mit Gebet und Flehen weyh.
Laß sich meine Seele dann, Herr, zu deinem Preiß erheben,
Und so wie die Sonne steigt, auch hinauf gen Himmel streben.
Und es müsse sich mein Eifer gleich ihr immer fort bemühn,
Und von einer heißen Inbrunst angeflammter Liebe glühn.
Und wann sie auch untergeht, und zu scheinen auf muß hören,
Sollen doch mein Herz und Mund unaufhörlich dich verehren.

Ach verleyhe, Herr, doch gnädig, daß die Nacht und Dunckelheit,
Uns zu heiliger Betrachtung jenes lichten Tages leit;
Wann sich diese Welt verschließt, und sich Schreck-Planeten zeigen,
O so ruf und heiß sodann uns zu dir gen Himmel steigen.
|| [0287.01]

Stärcke alsdann unsre Seelen durch ein herrlicher Gesicht,
Daß wir die Natur erblicken in erwünschtem mildern Licht.
Laß sich der Gedancken Sturm, und der Sinnen Unruh legen,
Und sie eine tiefe Still, und vergnügte Ruhe hegen.
O wie göttlich! o wie selig! dorten jenen Milchweg hin,
In das Reich der ewgen Sonne zu dem Herrn des Tags zu ziehn!
Seinen Hof dort zu beschauen, und um seine Gunst zu flehen,
Oder mit den Heiligen in ein Bündniß einzugehen,
Weil sie aus der Höh betrachten die im Schlaf versunckne Welt,
Da indessen meine Seele deren Stifter Wache hält.

Du, der du die Erde machst in dem tiefsten Grunde beben,
Mach auch meinen starren Sinn sich an deine Macht ergeben.
Du, als der des Meeres Toben durch sein Drohen stillen kan,
Halte doch auch meines Blutes unbezähmte Regung an.
Lehre mich mit gleichem Muth so den Anfall banger Plagen,
Als den angenehmen Reitz süsser Wollust zu ertragen.
Seye du das Ziel von allem, was ich wünsche und begehr,
Daß ich so mit starckem Glauben dieses heilge Feuer nähr,
Gib, daß meine Seele sich immer nach dem Kleinod strecket,
Welches in der Ewigkeit ihrer Hofnung aufgestecket.
Laß mich an dem grosen Tage der Vergeltung muthig stehn;
Und das Buch von meinem Schicksal ohne Schrecken öfnen sehn,
Daß ich dann hinauf zu dir in die selge Wohnung dringe,
Und in alle Ewigkeit dir ein danckbar Loblied singe:
Daß ich da mein Licht und Leben, meinen GOtt und Heyland seh,
Und zusamt und gleich den Engeln himmlisch deinen Ruhm erhöh.
|| [0288.01]

Eben derselbe.


Odu grosser Herr und Richter, über Leben, Tod und Zeit,
Unbeleibte ewge Sonne, Ursprung aller Wesenheit!
Dessen allbelebender mächtger Strahl mich ohnlängst riefe,
Aus der schwangern Finsterniß, wo ich vormals lag, und schliefe,
Viel geringer, und viel niedrer, als das allerniedrigste,
Als die Würme auf der Erden, und der Staub, worauf ich geh,
Mit erhabner Stirn den Geist von dem güldnen Licht zu hauchen,
Und die frohe Wircklichkeit triumphirend zu gebrauchen:
Den kein andrer Grund getrieben, als nur meine Seligkeit,
Ja! der du geneigt verordnet Wachsthum in Vollkommenheit:
Mit der Freude, mit der Lust, die ein Patriarch empfande,
Folg ich willigst deinem Ruf in ein unbekantes Lande.
Du nur bists, auf den ich einzig mit des Glaubens Auge schau;
Herr; auf dich allein vertrau ich: und ich weiß, auf wen ich trau:
Tod, und Leben ist mir gleich: keines kan die Wagschal heben:
Was sie zieht, ist dieses nur: Laß, ach! laß mich dir doch leben!

Eben derselbe.


Alldieweil der Herr allmächtig: weil GOtt allgenugsam bleibt,
Fehlt es uns auch nicht an Stärcke, so wir ihm nur einverleibt.
Durch der Andacht glaubig Flehn können wir von ihm entlehnen,
Und so unsre schwache Kraft fast biß hin zur Allmacht dehnen.
|| [0289.01]

Ein inbrünstiges Gebete dringet durch des Himmels Thür,
Und zieht aus der Menschen Ohnmacht Stärcke und Triumph herfür.

Eben derselbe.


Es ist eines Christen Ruhm durch ein göttliches Bestreben,
Ueber die Unmöglichkeit der Natur sich zu erheben,
Zu verlachen ihre Ohnmacht, wie auch die vergebne Müh,
Und das eitle Lobgepränge prahlender Philosophie.

Eben derselbe.


Unsrer Freuden ist sehr wenig, weil das Leben annoch jung,
Und alljährlich fällt und schwindet unsere Belustigung,
Und wann wir die Mittags-Höh unsrer Lebens-Zeit besteigen,
Und hernach uns niederwärts in das Thal des Alters neigen,
Fliehn und weichen sie geschwinde, theils durch Abnahm der Natur,
Theils durch wiederwärtig Glücke, theils auch durch den Wechsel nur,
Bis wir ganz davon entblößt, und dagegen voller Grämen,
Seufzend nach dem Tode flehn, und zum Grabe Zuflucht nehmen.

Grabschrift auf Newton.


Schau herunter auf das Grab, und dann nach des Himmels Höhen,
Um das Maas von seinem Leib, und von seinem Geist zu sehen.
|| [0290.01]

Gay.

Auf sich selber.


Das Leben ist ein Schertz, und alles zeiget diß,
Ich dachte ehmals so, und weiß es nun gewiß.

Pope.

auf Gay .


In den Sitten voller Sanftmuth, Leidenschaften nach gelind:
Im Verstand und Witze männlich, in der Einfalt wie ein Kind.
Eines schertzenden Gemüthes, dem sich strenge Tugend fügte;
Welcher unsre Zeit bestraft, aber doch zugleich vergnügte.
Der in einem niedern Stande über die Versuchung hin,
Und auch selbsten unter Grossen stets von unverkehrtem Sinn,
Ein Geselle, und ein Freund, der es immer treu gemeynet:
In dem Leben ohne Fehl, und in seinem Tod beweinet!
Dieß ist die verdiente Ehre, die du von den Guten kriegst,
Nicht daß du bey grossen Köngen, oder tapfern Helden liegst,
Sondern daß die Würdigen, die Verstand und Tugend haben,
Werden voller Wehmuth stehn; sagend: hier ist Gay begraben.
|| [0291.01]

Lord Orrery an Pope.

auf das Vorgehende.


Obgleich Gayen kalte Asche hier bey hohen Köngen liegt,
Wird ihr doch ein edler Denkmahl, durch, o Pope, dich errichtt:
Deine Muse um sich stets ihrem Freunde treu zu weisen,
Wagt es, Höfen selbst zum Trotz, seine Tugend anzupreisen.
Werde nun, betraurter Dichter, ob vergangnem Leid versöhnt;
Schau herab, und siehe endlich dein Verdienst mit Ruhm gekrönt.
Kan wohl größre Ehre seyn, als von Popen auf der Erden,
In dem Leben hoch geschätzt, in dem Tod beweint zu werden?

Johnson.

Auf eine junge Dame.


Unter diesem Steine liegt ein Gefäß von so viel Tugend,
Als nur jemals sterben konnt, so an Alter, als an Jugend:
Welchem, alldieweil es lebte, so viel Zierde beygewohnt,
Und das so viel Tugend hegte, als nur immer sterben kont.
|| [0292.01]

Pope.

Vermuthlich auf sich.


Weg, ihr Helden, weg ihr Könge, weichet und entfernt euch nun,
Und laßt einen armen Dichter stille in dem Frieden ruhn:
Einen Dichter, dessen Lied eures Gleichen nie geheuchelt;
Werdet schamroth, o Horaz, und Virgil, die ihr geschmeichelt!

Eben derselbe.


Ist, o Mensch, noch eine Zukunft, o so hoffe Demuthvoll,
Auf den Tod, den grossen Lehrer, der dich alles lehren soll.
Schwing dich zitternd in die Höh, so du dich hinauf wilt kehren,
Und bestrebe dich nur, GOtt, als die Weisheit zu verehren.
*    *    *
Unsers Lebens enges Ziel läßt uns kaum noch Zeit erwerben,
Uns auf Erden umzusehn, und zu legen und zu sterben.
|| [0293.01]

Von einem Unbekannten.


Laß geschehn, daß unsre Hütt, dieses Haus von Thon und Erde,
Der Gebühr und Schuld gemäß, in dem Grab zu Aschen werde.
Ists nur, neugebildt zu werden, und damit für immerhin
Einen Leib, der rein und herrlich, und unsterblich anzuziehn.

Eben derselbe.


Wisse Tod, der du die Menschen durch entlehnte Macht verzehrst,
Und mit ungebundnen Händen, siegreich ihr Geschlecht verheerst,
Wisse, du must untergehn, und dir selbst den Herzstich geben,
Massen du ersterben wirst, aber sie einst wieder leben.

Duck.


Holde Einsamkeit, o Stille! die der Weisen höchste Freud!
Welche Worte, welche Ausdrück zeigen deine Lieblichkeit?
Erst gebohrne stille Nymph! die das ältste ist auf Erden,
Ja! die wie die Ewigkeit, ohne je erzeugt zu werden.
|| [0294.01]

Nur die Zeugen in dem Himmel wissen deines Anfangs Ziel;
Eh noch Michael gestritten, und der Engel Rotte fiel;
Da noch alles leer von Licht, da nichts war, als ernste Schatten,
Wolte sich der ewge GOtt nur mit dir alleine gatten.
Als er seinen ersten Anschlag auf die Schöpfung hingewandt,
Und bey sich die künftge Welten in dem Bild entstehen fand,
Hat er, selge Still, in dir, ihren grossen Riß erdichtet,
Und in dir den Wunderbau auf das Klügste eingerichtet;
Hat er ausgedacht, wie Erdkreyß, welche auf der Luft nur stehn,
Das sich wälzend Jahr zu machen, solten stete Zirkel gehn:
Wie sich solten Stern auf Stern, Kugeln über Kugeln winden,
Und was in dem Ganzen sich solten für Gesetze finden.
Du bist jetzt noch nicht geringer, sondern von Verändrung frey:
Dein Ergötzen, deine Reitze sind noch immer einerley.
In dir kan ein edler Geist sich von Welt und Thoren trennen;
In dir lernt er die Natur, und ihr heimlich Ziel erkennen.
In dir hör ich voll Vergnügen, wie der Vögel Stimme klingt;
In dir überschaut mein Auge, was der Frühling schönes bringt:
Wann die Aeste sich von Laub, und von Blüth und Früchten neigen,
Und die Felder in dem Flor uns ein Bild von Eden zeigen.
|| [0295.01]

Eben derselbe.


Die verjagte Wahrheit pfleget nun entblößt einher zu gehn.
Und sie läßt sich nur von Weisen, und von tugendhaften sehn.
Fern von Städten und von Hof, wo nur Laster-Saaten blühen,
Sucht sie fliehend sich zurück in die Einsamkeit zu ziehen,
Um so ungestöhrt zu leben, in dem Walde oder Feld,
Wo die Stille und Beschauung ihren Sitz und Wohnung hält.

Eben derselbe.


Weil der Sünd ergebne Seelen mit beklemtem Weh verhüllt,
Und die annoch künftge Strafe ihre Brust vorher erfüllt:
Alldieweil sie ihre Pein und Verdammniß zu erhöhen,
Auf dem Weg zur grossen Höll schon die kleine auszustehen,
Stehen Fromme unerschrocken, herzhaft, kühn und aufgericht;
Dann wie sie kein Uebel hegen, fürchten sie auch keines nicht.
Tugend pfleget ihrer Brust einen sichern Schild zu schmieden,
Und bewafnet mit sich selbst, wandeln sie in stetem Frieden.
So wie wann bey Sturm und Wettern, und des Firmamentes glühn,
Fürchterliche Donner krachen, und gehäufte Blitze fliehn,
|| [0296.01]

Königliche Adler sich immer unverzagt erheben,
Und nicht vor dem Donner-Keil, noch des Feuers Drohung beben;
Da indessen klein Geflügel zaghaft unten sich verbirgt,
Und die Streiche oftmals fühlet, die es flieht, und zitternd fürcht.

Eben derselbe.


Ihr, die ihr bey vollem Tische in vergnügter Ruhe seyd,
Heget Mitleid mit den Schnittern, deren Schweiß es euch bereitt. *
Täglich häuft sich neue Last, neue Arbeit, neue Plage,
Und man läßt uns kaum noch ruhn, am zur Ruh bestimmten Tage.
Denkt, wie mühsam unser Leben, was es täglich auszustehn:
Morgens muß man frühe wachen, Abends spät zu Bette gehn.
Auch der Schlaf, der sonst erquickt, labet doch nicht unsre Glieder:
Dann wir treiben auch sodann die gewohnte Arbeit wieder. 2
|| [0297.01]

Unsrer Phantasey Bemühen ruht auch in dem Schlafe kaum:
Und das, was wir wachend schaffen, das verrichtet sie im Traum.
Hartes Schicksal! unsre Last ist sogar im Schlaf vorhanden;
Schwerlich hat ein Herkules solchen Jammer ausgestanden!

Blackmore.


Höchster König und Monarche! Abgrund unermeßner Macht!
Lichtes-Vater, Quell der Freuden, ohne Grund, und ohne Nacht!
Ursach, von sich selbst, die sich aller Wesen Ursprung nennet;
Unerschaffen ewger Herr, der nichts über sich erkennet!
Eh das Licht noch himmlisch süsse aus dem leeren Nichte drang,
Und der Tag sich aus den Fesseln von dem schwarzen Chaos rang,
Eh des Aethers weites Feld, und der Raum zum Vorschein kamen,
Und die Sterne ihren Platz an dem blauen Himmel nahmen,
Ehe noch die Zeit gesegnet ihre ältste Frucht gebahr,
Und Natur im grünen Schmucke jugendlich zu sehen war,
Warst du längsten, und vertriebst unbeschränckte Ewigkeiten,
In nie unterbrochner Ruh, und der Fülle aller Freuden.

Da du die so weite Welten alle durch dein Wort gemacht,
Werde dir von ihnen allen des Gehorsams Schuld gebracht!
|| [0298.01]

Laß der Sternen stoltzes Heer in den ihm gesetzten Kreisen,
Sämtlich, dich, o grosser HErr, an dem hohen Himmel preisen.
Auch die dünne Luft, so Töne webend zu dem Ohre leit,
Zeig in ihrer ganzen Sphäre deiner Hand Geschicklichkeit.
Laßt die Winde, welche sich in der Höh vernehmen lassen,
Ihre Lüftgen, so zu Land, als zur See zusammen fassen,
Und so dann vereint in einem schallenden Triumphe gehn,
Und mit lauten Lobgesängen sämtlich ihren GOtt erhöhn.
Weilen Vögel, die gemahlt, deine grosse Thaten sagen,
Und dein ausgedehntes Lob auf behenden Flügeln tragen,
Lasset Adler, deren Großmuth, durch hinaufgekehrte Flucht,
Diese niedre Erd verachtend, obre Ort, und Sonnen sucht,
Dienen, dein berühmt Gerücht, und dein Lob auf ihren Schwingen,
Voller Eifer in die Höh biß zu deinem Thron zu bringen.

Laßt des starcken Löwen Brüllen, und sein alles schreckend Schreyn,
In der Wüsteney mit Lobe, und mit Danck erfüllet seyn.
Laßt der Donner-Wolken Heer, das von Pol zu Pole ziehet,
Dich begrüssen, wann es knallt, dich verklären, weil es fliehet,
Ihr erboßte Meeres-Wellen, Ungeheur der wilden See,
Rauscht und brauset dem zu Ehren, dessen Wohnung in der Höh.
Hagel, Regen, Dünste, Blitz, Feuer-Zeichen, die erscheinen,
Müssen mit verknüpfter Hand sich zu deinem Preiß vereinen.
|| [0299.01]

Laßt die Cedern samt den Fichten, die auf Bergen sich erhöhn,
Vor dir, o du grosser König, mit gebücktem Haupte stehn.
Jeder Baum von Holder-Frucht, oder süssen Specereyen,
Müsse seinen Weyrauch dir, dir auch seinen Balsam weyhen.

Und du, der ins Himmels Namen, Herr auf diesem Erden-Kreyß,
Zeig in diesem selgen Wercke einen weit erhabnern Fleiß.
Brauch die Strahlen der Vernunft, um dich selber zu besehen,
Und den Schauplatz der Natur, die so voll ist, durchzugehen:
Dann verehr des Schöpfers Weisheit, welche alles ausgedacht,
Und erheb mit lauten Liedern, ganz entzündet seine Macht.

Menschen, die sich ausgeartt, und im blinden Irrthum liegen,
Mögen immer ruchloß seyn, und den Himmel selbst bekriegen,
Weil sich noch in meinen Adern ein belebend Feuer regt,
Und die Luft noch unverschlossen diese meine Brust bewegt,
Will ich voller Danckbarkeit, voller Andacht mich erheben,
Und dem singen, dem beliebt mir dazu die Kraft zu geben.

Eben derselbe.


Da die Welt sich nicht genugsam, muß es folgen, daß sie hab,
Einen der ihr, wie das Daseyn, so auch die Bewegung gab:
|| [0300.01]

Diese Ursach ist es nun, die wir ehrend GOtt bekennen,
Und für aller Wesen Grund, und den höchsten Geist erkennen,
Dessen unermeßne Weisheit, kluge Sorg, und Gütigseyn
Unzählbare Welten zeigen mit vereinter Simme Schreyn.

Eben derselbe.


Wer kan bey dem Wunderbau unsers Körpers sich entbrechen,
Voll Verwundrung und entzückt dorten mit Galen zu sprechen?
Sieh hier einen GOtt von Weisheit, einen GOtt, der alles kan:
Dem gehorch und diesen bete mit der tiefsten Ehrfurcht an,

Eben derselbe.


Ist es möglich, daß wohl Menschen, die sich rühmen scharf zu sehn,
Und die von der Weisheit Höhen Gotts-Verehrer schnöd verschmähn,
Ein so stolzes Luft-Gebäu, das von solcher Schwere, bauen,
Ohne sich nach einer Stütz, die es hielte, umzuschauen?
|| [0301.01]

Eben derselbe.


O wie dunckel, o wie finster ist der menschliche Verstand?
Und wie eitel ist Gelahrtheit, Witz, und was damit verwandt?
O wie schwach ist seine Kraft, wann er sich will unterwinden,
Der verborgenen Natur tiefe Wege zu ergründen?
Wann er nicht dabey die Augen hin auf ihren Schöpfer lenckt,
Der ihr alle ihre Triebe, und Bewegung eingesenckt;
Welcher sein gesamt Gemächt mit geheimer Kunst regieret,
Jede Ursach weislich lenckt, und zu ihrem Ende führet.
Diese Spuren suchen Forscher, aber finden solche nie;
Dann ist ohne GOtt wohl Weisheit, ohne ihn Philosophie?

Eben derselbe.


Du, Religion, nur bist es, die des Todes Pfeile bricht;
Du nur bists, die ihn entwafnend, allen Biß und Gift zernicht:
Du nur kanst das gräße Bild, das so fürchterlich, bezähmen,
Und was an ihm schreckend ist, ihm durch deine Kraft benehmen.
Unser Herz hört unerschrocken diese Schreckens-Stimme an,
Und betritt getrost die sichre, obwol etwas dunckle Bahn,
Die uns zu dem Leben führt, und zum Sitz der Selgen leitet,
Wo der Geist, entzückt, an GOtt, den er hier bekant, sich weidet.
|| [0302.01]

Dryden.


So dunkel Wanderern der Sternen düstrer Schein,
So dunkel pflegt Vernunft auch unserm Geist zu seyn.
Und wie sie samt dem Mond nur bloß den Himmel zeigen,
Die Erde aber nicht mit hellem Glanz bestreichen;
So goß der Höchste auch den blassen Glanz und Schein
Der leuchtenden Vernunft in unsre Seele ein,
Nicht eine sichre Bahn sich selber zu bereiten,
Nein! sondern uns hinauf zu besserm Licht zu leiten.
Und so wie jener schwindt bey angebrochner Sonn,
So flieht auch die Vernunft vor der Religion:
So weicht ihr Schimmer auch, so wird ihr Glanz zu nichte,
Und finds verliehrend sich in GOttes höherm Lichte.

Thomson.


Hohe Gottheit! deren Wege stets gerecht und gütig sind,
Fügs mit mir, wie deine Weisheit es für mich am besten findt.
Was mein Looß auch immer sey: hab ich Thal und Dunkelheiten,
Oder in dem Gegentheil lichte Höhen durchzuschreiten,
So verleyhe mir ein ruhig, stet und lächlendes Gemüth,
Wo die ewge Weisheit wohnet, und die Freude immer blüht.

Eben derselbe.


Was sich meine Wünsche suchen, ist die dunkle Einsamkeit,
Um daselbsten abzuschütteln diese Lebens-Last und Leyd,
|| [0303.01]

Dieß Getümmel von der Meng; in der Stille da zu merken
Auf die süsse Friedens-Stimm, und so meinen Geist zu stärcken.

Cowly.


Weil das Leben mich nicht läßt, will auch ich euch nimmer lassen,
Sondern, liebste Namen! euch, als die allersüßte fassen,
Euch, o Musen, Bücher, Stille, Freyheit, Ruhe, Einsamkeit,
Quellen, Flüsse, Flur und Felder, als die ihr mein Labsal seyd,
*    *    *
Schenke mir, o edle Tugend, deine so gegründte Freud;
Schenke mir die Seelen-Wonne, die von dir uns angedeyht,
Jene Wonne, welche sich nur bey dir alleine findet,
Die kein Zufall je zerstöhrt, und mit keinem Wechsel schwindet.

Daniel.


O wie kurz sind unsre Tage, und wie enge ist die Spann,
Welche daß so kurze Leben albrer Menschen messen kan?
Eingebildte Süßigkeit pflegt die Seele zu entzücken,
Eitle Hofnung zu erhöhn, und den Menschen zu berücken;
Er genießt bereits die Freud, hat schon das, wornach er trachtt,
Und er träumt von hohen Titeln, und was ihn erhaben macht.
|| [0304.01]

Was, so weit und groß es auch, pflegt sein Wahn nicht zu beginnen?
Und wie sucht er nicht so klug, alle Anschläg auszusinnen?
Aber, wenn die Freud verschwunden, die er Morgens sich versprach,
Folgt zuletzt an deren Stelle der betrübte Abend nach;
Da der Tod, wie ein Tyranne, einen schnellen Boten sendt,
Und in einem Augenblicke Herrlichkeit und alles endt.

Prior.


Der graue Thor, der manchen Tag
Gekämpft mit Kummer, Angst und Sorgen,
Hoft immerhin, und läßt nicht nach,
Und tröstt verblendt sich stets auf Morgen.
Der Morgen komt, wie auch die Nacht,
Und dieser Tag hat nichts gebracht;
Doch harrt er muthig fort auf Morgen,
Bis ihn die Todes-Nacht in ihren Schlund verborgen.

Herbert.


Was wohl hab ich auf der Erden, daß ich blieb und seufzete?
Ist doch schon von mir das meiste längst gen Himmel in die Höh?
Mein Gemüth und meine Freud, ist schon alles hingegangen,
Dorten meine alte Freund und Bekannte zu erlangen.
Zeig, o HErr, dich selbst doch mir,
Oder nimm mich auf zu dir!
E N D E.
|| [0305.01]
|| [0306.01]
|| [0307.01]
|| [0308.01]

1 * Die von der gottseligen Verfasserin dieser Betrachtungen gemachte Abtheilung in Sieben, scheinet anzudeuten, daß solches geheiligte Gedanken waren von Sechs Wochen ihres Lebens.
2 * Der Englische Verfasser redet hier aus eigener Erfahrung, angesehen er selbst als ein Schnitter in dem Taglohn gearbeitet, und sich sehr mühsam und kümmerlich durchgebracht hat, bis er durch hohe Gutthäter in bessere Umstände gesetzet worden, wie solches Herr Spence, Professor der Dichtkunst zu Oxford, in der, zu Stephen Ducks Gedichten, verfertigten Vorrede meldet.

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