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Anmerkungen eines unpartheyischen Fremden über die gegenwärtige Streitigkeit zwischen England und Preussen

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Amerkungen eines unpartheyischen Fremden über die gegenwärtige Streitigkeit zwischen England und Preussen; in einem Briefe eines Edelmanns in dem Haag an seinen Freund in London.

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Aus dem Englischen .

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1753

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Vorbericht des Uebersetzers.

Da die obschwebende Streitigkeit zwischen England und Preussen, unter dasjenige gehört, was jetzo die politische Neugierde am meisten beschäftiget, so hat uns gegenwärtiger Brief, wovon uns das auf einem Bogen in 8 gedruckte Englische Original von ohngefehr in die Hände gefallen ist, bekannter gemacht zu werden, wür dig geschienen. Uebrigens haben wir der Uebersetzung die Grundsprache deswegen bey fügen wollen, damit ein jeder, welcher dazu geschickt ist, aus der Schreibart urthei len könne, ob es wahrscheinlicher sey, daß dieser Brief, wie der Titel sagt, von ei nem Holländischen Edelmanne aus dem Haag komme, oder ob er sich nicht vielmehr von einem Engländer selbst herschreibe? An der Sache selbst nehmen wir keinen Antheil.
Mein Herr, [] Da ich mir allezeit eine Ehre daraus mache, Befehle von Jhnen zu erhalten, und allezeit bereit bin, denselben zu gehorchen, so sende ich Jhnen auch jetzt, in möglichster Eil, dasjenige, was mir bey Lesung der Ant wort eingefallen ist, welche ihr Hof dem Preußischen Minister ertheilet, und die sie demjenigen mitzutheilen die Gütigkeit gehabt haben, welcher sich nennt Dero treusten Freund und gehorsa men Diener H — V —. Haag, den 26. Febr. 1753.
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Anmerkungen eines unpartheyischen Fremden et cetera

1.

[] Da das Gesetz der menschlichen Natur, (welche, so viel wir wissen, die ein zige Natur ist, die das Rechtmäs sige von dem Unrechtmäßigen, das Erlaubte von dem Unerlaubten zu unterscheiden vermag) das Recht des Eigenthums einge führet hat; so ist es nach eben diesem Gesetze unrechtmäßig und unerlaubt, sich in eines andern Eigenthum, es sey zu Wasser oder zu Lande, ohne seine entweder stillschweigende, oder ausdrückliche Einwilligung, zu begeben; Denn es ist eben so unerlaubt, das ist, dem Ge setze der Natur eben so sehr zuwider, wenn man in eines andern Schiff zur See, als wenn man auf seinen Grund und Boden, ohne seine Erlaubniß, eindringen will.
[] 2. Zum Nutzen aber und zur Zuträglichkeit für das menschliche Geschlecht überhaupt, sind verschiedene Ausnahmen, mit allgemeiner Beypflichtung, welche dieserwegen das Völ kerrecht genennet wird, eingeführet worden. Zum Exempel:
[] 3. Da man beständig zur See der Gefahe, von Seeräubern angefallen zu werden, aus gesetzt ist, so giebt das Völkerrecht den Kriegs schiffen, auch so gar in Friedenszeiten, die Freyheit, jedes Schiff, das ihnen zur See aufstößt, zu visitiren, das ist, zwey oder drey Mann an Boord desselben zu schicken, mit dem Befehle, zu sehen, ob es ein recht mäßiges Schiff, oder ob es ein Seeräuber ist; dasjenige Schiff folglich, welches sich ei nen so freundschaftlichen Besuch anzunehmen
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weigert, kan man, der Vermuthung gemäß, daß es vielleicht ein Seeräuber sey, angreifen, um mit Gewalt der Waffen in dasselbe zu dringen, ohne daß dieses Verfahren als eine Verletzung des Natur= oder Völkerrechts, oder als eine demjenigen Volke widerfahrne Beleidigung, welchem das Schiff zugehört, kan angesehen werden. Jch habe gesagt, man könne zwey oder drey Mann an Boord schicken, weil nie mand nöthig hat, vielweniger aber verbunden ist, eine Menge Leute an den Boord seines Schiffs zu lassen, welche sich sowohl seiner als seines Schiffs zu bemächtigen vermögend wä re; wann er aber gezwungen wird, es sich gefallen zu lassen, gesetzt auch, daß er nichts darunter leidet, so kan das Volk, unter welches er gehöret, dieses Verfahren als eine Beleidi gung ansehen, und auf Genugthuung dringen.
[] 4. Ferner giebt zu Kriegszeiten, das ist, wenn irgend zwey Völker untereinander in Krieg verwickelt sind, das Völkerrecht den Kriegsschiffen beyder Völker die Freyheit, jedes Schiff, welches ihnen zur See begegnet, auf eben die Art zu visitiren, um nicht nur zu sehen, ob es ein rechtmäßiges Schiff, oder ob es ein Seeräuber ist, sondern auch, ob es einer neutralen Nation, oder ob es dem Fein de zugehöret; denn wenn es ein feindliches Schiff ist, und auch die ganze Ladung dessel ben dem Feinde zustehet, so ist sowoht<sowohl> das Schiff, als die Ladung eine rechtmäßige Prise, und gehöret, nach allen festgesetzten unwider sprechlichen Gesetzen des Krieges, demjenigen Capitain zu, der es aufgetrieben hat. Wenn es aber ein neutrales Schiff ist, oder wenn die ganze Ladung eines feindlichen Schiffes, oder auch nur ein Theil derselben Freunden zugehöret, so entstehen verschiedene Fragen, welche zu verschiedenen Zeiten und von ver schiedenen Völkern verschiedentlich sind ent schieden worden; und folglich ist, in An
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sehung dieser Fragen, dasjenige nicht leichte zu bestimmen, was dem Völkerrechte gemäß ist. Denn Grotius selbstsagt, daß er bey eini gen von diesen Fragen genöthigt sey, seine Zu flucht zum Rechte der Natur zu nehmen, weil er in dem Völkerrechte nichts festgesetztes da von antreffe; und daher, spricht er, senden die in Krieg verwickelten Völker gemeinig lich den neutralen Völkern gewisse Erklärun gen, wie sie sich in diesem oder einem andern Falle zu verhalten haben. Et has ob cauſas folent a bellum gerentibus publicæ ſignifi- cationes fieri ad alios populos, tum ut de jure cauſæ, tum etiam ut de ſpe probabili juris exequendi appareat. Hanc autem que- ſtionem ad jus naturæ ideo reculimus, quia ex hiſtoriis nihil comperire potuimus ea de rejure voluntario gentium eſſe conſtitutum. Grotiusde jure belli & pacis, lib. 3. cap. 1. ſect. 5. No. 4. & 5.
[] 5. Man muß also bey allen solchen Zwei feln das Naturgesetz zu Hülfe nehmen, und dabey in Erwegung ziehen, was für das menschliche Geschlecht überhaupt am zuträg lichsten seyn würde: Denn ein Verfahren, welches nicht nur dem Gesetze der Natur zu wider ist, sondern auch mit der allgemeinen Zuträglichkeit für das menschliche Geschlecht streitet, kan unmöglich durch den Gebrauch dem Völkerrechte gemäß werden; eben so wenig als die Vielweiberey, oder die Sodomi terey dem Gesetze der Natur gemäß werden kan, ob schon beyde unter manchen Völkern öffentlich und ohne Scheu getrieben werden.
[] 6. Nach diesen vorausgeschickten Sätzen lasset uns die Frage untersuchen, über welche jetzo zwischen Preussen und England ge stritten wird: Ob ein neutrales Schiff an seiner vorhabenden Fahrt verhin dert und in den Hafen kan gebracht werden, weil man die Vermuthung
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oder den Verdacht hat, daß es dem Feinde zuständige Güter an Boord habe, und ob diese Güter Prisen sind, wenn man nicht beweisen kan, daß sie irgend einem Freunde eigenthümlich zugehören.
[] 7. Man muß gestehen, daß in allen Fällen von dieser Art, die Krieg führenden Natio nen sich grosse Freyheiten genommen haben, besonders gegen solche Schiffe, die einem neu tralen Staate zugehörten, welcher das ange thane Unrecht zu ahnden nicht vermögend war; doch da diese Freyheiten dem Gesetze der Natur zuwider sind, und mit der allgemeinen Zuträglichkeit für das menschliche Geschlecht nicht bestehen können, so können sie nimmer mehr als ein Gesetze des Völkerrechts festge setzt werden.
[] 8. Da es nun aber dem Gesetze der Na tur zuwider ist, mich in das Eigenthum eines Mannes, welcher mit mir in Frieden stehet, zu dringen, oder ihn aus seinem Eigenthume zu setzen, wann es auch nur auf einen Augenblick seyn sollte; so ist es auch folglich offenbar wider das Gesetz der Natur, wenn man zur See in das Schiff eines solchen Mannes dringt und sich desselben bemächtiget. Sein Schiff ist sein Eigenthum, es mag sich befinden wo es will, und ich kan unter dem Vorwande mich der darauf befindlichen Güter des Fein des zu bemächtigen, eben so wenig in dasselbe dringen, als ich in einen neutralen Hafen oder auf ein neutrales Gebiete kommen, und daselbst die Güter oder das Schiff meines Feindes wegnehmen darf. Jn dem letzten Falle ist vielmehr das Gesetz der Natur durch das Gesetz und die Gewohnheit der Völker so festgesetzt worden, daß wenn ich ein feindli ches Schiff verfolge, und dieses in einen neu tralen Hafen fliehet, es eine Verletzung der Neu
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tralität feyn<seyn> würde, wenn man mich in den Hafen lassen und mir erlauben wollte, mich des verfolgten Schiffs in diesem Hafen zu be mächtigen. Grotius sagt daher ausdrücklich, daß eine neutrale Macht mir verwehren kön ne, mich auf ihrem Gebiete der feindlichen Güter zu bemächtigen. Lib. 3. cap. 6. ſect. 26. No. 2.
[] 9. Betrachtet man überdieses den Nutzen und die Zuträglichkeit für das menschliche Ge schlecht überhaupt, so ist es gewiß, daß die Freyheit des Handels und der Schiffahrt, dem menschlichen Geschlechte über haupt nützlich und zuträglich ist; da hingegen die Maxime, sich der feindlichen Güter am Boorde neutraler Schiffe zu bemächtigen, alle Nationen, so vie len Antastungen, und so manchen Strei tigkeiten bloß stellet, daß wenn sie durchgän gig angenommen würde, nicht die geringste Freyheit des Handels oder der Schiffahrt Statt finden könne, so oft zwo Nationen in der Welt mit einander Krieg führen. Die Unbequemlichkeit dieser Regel ist daher von den handelnden Nationen in Europa so lebhaft empfunden worden, daß die meisten von ihnen die entgegen gesetzte Regel, nehmlich: Daß ein freyes Schiff auch die Güter frey machen soll, durch ausdrückliche Tractate festgesetzt haben; und da die allgemeine Nütz lichkeit und Zuträglichkeit für das menschliche Geschlecht der einzige feste Grund des ganzen Völkerrechts ist, so sind diese Tractaten für nichts weniger, als eine Ansnahme<Ausnahme>, anzusehen, sondern beweisen vielmehr offenbar, daß die dadurch festgesetzte Regel ein Gesetz des Völ kerrechts sey, und von allen Nationen beob achtet werden müsse.
[] 10. Und in der That kan keinem Volke mehr daran gelegen seyn, als den Engländern, daß diese Regel als ein allgemeines Gesetz des Völkerrechts angenommen werde; denn was
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würde aus ihrem Handel auf dem Mit telländischen Meere werden, wann die Türken oder Mohren sich jedes Schiffs, das ihnen auf diesem Meere aufstößt, unter dem Vorwande, daß es Spaniern zugehörende Güter an Boord habe, bemächtigen und so lange aufhalten wollte, bis man aus England Zeugnisse herbey geschaft habe, daß die Güter Engländern eigenthümlich zugehörten; oder wenn auf der andern Seite die Spanier, unter dem Vorwande, daß sie Türken oder Mohren zugehörende Güter am Boord hät ten, mit ihnen also verfahren wollten? Was würde aus ihrem Handel auf dem Balti schen Meere, zur Zeit, wann eine von den an diesem Meere liegenden Mächten in Krieg verwickelt ist, werden? Was würde aus ih rem Handel nach Spanien und Portugall werden, wenn diese beyden Reiche mit einan der, oder Frankreich mit einem von den selben Krieg führte? Kurz, was würde aus ihrem ganzen Handel, nach Ost= oder West Jndien, und nach jedem andern Theil der Welt werden, wenn etwa Holland und Spanien mit einander Krieg hätten, und beyde Theile ihre Schiffe, unter dem Vor wande, daß sie dem Feinde zugehörende Gü ter am Boord führten, anhalten wollten? Denn es ist etwas sehr leichtes, einigen Grund zum Verdachte zu finden, und oftmahls ste het es nicht in der Macht des Capitaines oder des Schiffspatrons, eidlich bestärken zu kön nen, wem die Güter zugehören, indem sie vermöge seiner Frachtzettel oft der Ordre des jenigen gemäß sollen ausgeliefert werden, der sie an Boord gebracht hat; oder durch Briefe eine solche Einrichtung zwischen dem, welcher sie eingeschift hat, und dem, welcher sie em pfangen soll, gemacht werden kan, daß die Güter auf Gefahr des letztern, als sein Eigen thum, zu laufen scheinen, da sie doch in der
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That des ersten Eigenthum sind, und auf seine Gefahr lauffen; oder umgekehrt.
[] 11. Die Regel also, daß ein freyes Schiff auch die Güter frey machen soll, ist nicht allein dem Völkerrechte gemäß, sondern auch England findet seinen Vortheil dabey, wenn sie durchgängig angenommen wird; nur mit der einzigen Ausnahme der Contrabandgüter, und des feindlichen See hafens, welcher von Kriegsschiffen bloquirt wird. Da nun auch England mit ver schiedenen Mächten diese Regel wirklich durch Tractaten festgesetzt hat, so ist es nach aller Gerechtigkeit verbunden, sie auch mit allen andern fest zu setzen, die sich anheischig ma chen, sie ihrer Seits zu beobachten, weil alle neutrale Nationen das Recht haben, eine gleich gute Begegnung und eine gleiche Nach sicht in Ansehung der Freyheit des Handels zu fordern. Die Engländer würden auch gewiß in dem letzten Kriege so verfahren ha ben, wenn sie nicht ein fremder Vortheil ver leitet hätte, für ihre heimlichen Feinde ei nige auswärtige Mächte anzusehen, die doch niemals ein weiteres Absehen gehabt, als sich wider die Ungerechtigkeit derjenigen zu schützen, die unter dem Vorwande der Alliance, allezeit so gehandelt haben, als ob sie Herren von England wären.
[] 12. Nun ist unter allen Nationen, wel che diese Regel angenommen haben, ausge macht, daß die Güter eines Freundes, wann sie am Boorde eines feindlichen Schiffs ge funden werden, als rechtmäßige Prisen anzu sehen sind, und dem Capitaine, der es auf getrieben hat, gehören; eben so wie unter den Nationen, welche die gegenseitige Regel an genommen haben, ausgemacht ist, daß die Güter eines Freundes, welche am Boorde eines feindlichen Schiffs weggenommen wer den, keine rechtmäßige Prisen sind, sondern
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den Eigenthümer wieder zugestellt werden müssen, sobald er sein Eigenthum erwiesen hat, wie aus der Anmerkung über die vorher angezogene Stelle des Grotius, nämlich aus dem lib. 3. cap. 6. ſect. 6. erhellet.
[] 13. Jn den letzten Kriege aber scheint es, als ob die englische Regierung bald der ei nen und bald der andern von diesen Regeln gesolgt<gefolgt> sey, nachdem es nehmlich dem Vor theile ihrer Caper am gemässesten gewesen; denn wenn sie einige Güter am Boorde eines neutralen Schiffs fanden, die dem Feinde zu zugehören schienen, so erklärten sie dieselben als rechtmäßige Prisen, wenn man nicht klar beweisen konnte, daß sie einem Freunde zu gehörten; eben so verfuhren sie auch mit allen Gütern, die sie auf feindlichen Schiffen fan den, und erklärten sie für rechtmäßige Prisen, ob man sich gleich zu erweisen erboth, daß sie Freunden, ja wohl gar ihren eignen Landsleu ten, zugehörten. Wenn dieses Verfahren in dem Völkerrechte gegründet wäre: so würde es, in der That, den Capern, oder allen Kriegs schiffen, welche als Caper kreutzen, ungemein vortheilhaft seyn; wie viel Antastungen und Verdrüßlichkeiten es aber den Kauffarthey schiffen aller Nationen zu Kriegszeiten verur sachen würde, fällt zu deutlich in die Augen, als daß es einer weitern Erklärung bedürffe. Wie weit aber die Engländer entfernt sind, ein gleiches Verfahren bey andern zu billigen, erscheint aus ihren Handlungstractaten mit andern Nationen; indem sie überhaupt in denselben ausmachen, daß ohnerachtet eines gegenwärtigen oder zukünftigen Krieges zwi schen der contrahirenden, und einer jeden an dern Nation, ihren Schiffen erlaubt seyn soll, mit den Feinden einen freyen Handel zu füh ren, und folglich von denselben eine Fracht zu nehmen, wenn sie dieses auch in Friedens zeiten zu thun, gewohnt gewesen sind. Alle
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diese Tractaten führen, wie ich schon oben ge sagt habe, gar nichts neues oder etwas von dem Völkerrechte unterschiedenes ein, sondern bestätigen vielmehr eine offenbare Regel dessel ben, welche auch ohne solche Tractaten beob achtet werden muß: Denn es wird gewiß nie mand sagen, daß Mord und Diebstahl deßwegen nicht im Gesetze der Natur verbo then wären, weil sie von den bürgerlichen Ge setzen einer jeden Gesellschaft, die Gesellschaften der Seeräuber, der Strassenräuber und Diebe ausgenommen, verbothen und bestraft würden.
[] 14. Aus allen diesem muß ich schliessen, daß des gegenseitigen Verfahrens einiger Na tionen ungeachtet, besonders in den Zeiten, da man den allgemeinen Vortheil einer freyen Handlung noch nicht so vollkommen einsahe, es eine in dem Völkerrechte gegründete Regel sey: ein freyes Schiff macht auch die Güter frey, und alle Güter am Boorde feindlicher Schiffe wer- den zu rechtmäßigen Prisen: weil vermittelst dieser Regel alle Streitigkeiten we gen der Ladung gehoben werden, und eine jede Nation, welche nicht in den Krieg verwickelt ist, in Absicht auf alle Waaren, welche nicht contrebande sind, und in Absicht auf jeden Hafen, welcher von Kriegsschiffen nicht blo quiret wird, in dem Genusse einer freyeu<freyen> Handlung so lange bleibt, so lange sie al lein ihren eignen Handel treibt, ohne sich in etwas einzulassen, was den Handel für die Feinde würklich treiben heißt. Denn alsdenn würde sie nicht als eine neutrale Macht, sondern als ein Bundsgenosse und als ein Beystand des Feindes handeln, und würde, wenn sie es, nach geschehener geziemender Warnung, nicht zu thun unterliesse, verdienen, daß man ihr, als einem Feinde, begegne.
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[] 15. Weil aber, sowohl wegen dieses Puncts, als auch wegen Bestimmung derjenigen Waa ren, welche contraband sind, und welche es nicht sind, Streitigkeiten entstehen können, und weil die zum Grunde gelegte Regel, wie viele andre, in den vorigen Zeiten nicht alle zeit ist beobachtet worden; so liegt es, wie Grotius sagt, jeder Nation ob, bey ent standenem Kriege an alle neutrale Mächte Bekanntmachungen und Erklärungen zu sen den, wie sie sich während des Krieges zu ver halten haben, welches sie gegen diejenigen noch mehr zu thun schuldig sind, die mit ih nen in keinen besondern Tractaten stehen.
[] 16. Diese Erklärungen hat die englische Regierung, wie es scheint, den neutralen Mächten, zu Anfange des Krieges und bey desselben Fortwährung, zu schicken verabsäumt. Allein der König von Preussen , welcher allezeit für das Wohl und die Glückseligkeit seiner Unterthanen ein wachsames Auge hat, hatte die Sorgfalt, dieser Verabsäumung ungeachtet, eine solche Erklärung zu fordern, welche er auch von den englischen Mini stern, und zwar anfangs mündlich, hernach aber schriftlich, erhielt. Nach dieser nun will ich die von dem Lord Carteret [] gegebene Er klärung, und die hernach geschriebenen Briefe des Grafen von Chesterfield betrachten, welche beyde Stücke ich in eben den Ausdrü cken abgefaßt annehme, nach welchen sie sich in dem Berichte befinden, der dem Briefe der Herzogs von Newcastel beygefügt ist.
[] 17. Man giebt es zu, daß die mündliche Erklärung des Mylord Carterets [] [] in diesen Worten abgefaßt gewesen: Daß von dem, was man am Boord preußischer Schiffe finden würde, nichts wegge nommen werden solle, es müßte den contrabande seyn. Heißt dieses nicht so deutlich, als es nur die Worte zulassen wollen,
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sagen, daß man die Regel beobachten werde: ein freyes Schiff macht die Waaren frey, wann es nur nicht contrabande sind. Und wenn der Lord Carteret [] hinzu setzt, daß man den preußischen Schiffen nach eben dem Fusse begegnen werde, wie man andern neutralen Mächten begegnet, so konnte er bloß solche neutrale Mächte ver stehen, mit welchen man diese Regel fest ge setzt hat; denn sonst würde der letzte Theil seiner Erklärung mit dem ersten streiten.
[] 18. Doch da die mündlichen Erklärungen mißgedeutet werden können, so laßt uns die jenige untersuchen, welche von dem Grafen von Chesterfield schriftlich ist gegeben wor den. Die Worte sind diese: „Sr. königl. preußischen Majestät kan nicht unbekannt seyn, daß Commercientracta ten vorhanden sind, in welchem Großbri tannien mit einem gewissen neutralen Staate würklich stehet, und daß vermittelst förmlicher durch diese Tractaten auf beyden Seiten voll zogner Verpflichtungen, alles was die bey derseitige Treibung ihres Handels betrift, gänzlich regulirt und entschieden ist. Es er hellet zwar nicht, daß ein solcher Tractat zwi schen Sr. Majestät und dem Könige von Preussen vorhanden sey, oder jemals sey vorhanden gewesen: gleichwohl aber hat die ses nicht verhindert, daß den preußischen Unterthanen, in Ansehung ihrer Schiffahrt, von den Engländern nicht eben so wohl sey begegnet worden, als andern neutralen Na tionen. Dieses aber vermuthet Se. Maje stät nicht, daß der König Euer Herr Ausnah men, oder wohl gar Vorzüge, zum Vortheile seiner Unterthanen, in diesem Stücke verlan gen sollte.“ Wird denn in dieser Stelle nicht durch das Wort gleichwohl der folgende allgemeine Ausdruck neutrale Nation, auf solche
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Nationen gezogen, mit denen Se. Maje stät in Commercientractaten stehet, durch welche die Treibung des Handels zu Kriegs zeiten regulirt werden? Wie lächerlich würde es seyn, wenn damit so viel sollte gesagt werden: gleichwohl hat dieses nicht verhindert, daß den preußischen Unterthanen, in Ansehung ihrer Schiffahrt, von den Engländern nicht eben sowohl sey begegnet worden, als andern neutralen Nationen, mit welchen keine dergleichen Tractaten vorhanden sind? Sieht nicht ein jeder ein, daß alsdenn das Wort gleichwohl sich ganz und gar hier her nicht geschickt hätte, ja gar lächerlich ge wesen wäre?
[] 19. Aus diesen Erklärungen erhellt also un widersprechlich, daß die Preussen mit Recht die Beobachtung der Regel verlangen können, daß ein freyes Schiff auch die Güter frey macht, und daß alle am Boorde eines feind lichen Schiffs befindliche Güter zu rechtmäßi gen Prisen werden. Und es ist klar, daß sie diesen Grundsatz als eine unter den zwey Na tionen festgesetzte Regel angesehen haben, weil sie sich sorgfältig gehütet, ihre Güter am Boord französischer Schiffe einzuladen, oder wann sie es ja gethan, dieselben doch nie mals wieder gefordert, wann die Schiffe von den Engländern weggenommen worden.
[] 20. Allein man giebt vor, erstlich, daß weder die englischen Capers, noch die Ad miralitätsgerichte von diesen Erklärungen das geringste hätten erfahren können. Wann die ses sich in der That also verhalten, woran man aber zweifelt, so hätten die englischen Ministers dem preußischen Minister davon Nachricht geben sollen; denn alsdann würde Se. königl. preußische Majestät ganz ge wiß auf einen förmlichen Handlungstractat gedrungen haben, welchen die Engländer, zu der Zeit, unerachtet der damals zwischen
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dem Könige von Preussen , und einem be nachbarten Churfürsten obschwebenden Eyfer sucht, gewiß nicht würden abgeschlagen haben. Zweytens sagt man, daß die Verbindung nicht beyderseitig gewesen, weil die Preus sen, wann sie in einen Krieg wären verwickelt worden, nicht würden gehalten gewesen seyn, eben dieselbe Regel in Ansehung des engli schen Handels zu beobachten. Hierauf aber wird geantwortet, daß sie allerdings dazu würden verbunden gewesen seyn, weil es eine wahrhafte in dem Völkerrechte, zum Nutzen der Handlung, gegründete Regel ist; daß sie aber nicht durch Verträge fest gesetzt gewesen, daran haben die englischen Ministers Schuld, weil sie auf eine Gegenerklärung von Preussen hätten dringen, oder die ganze Sache in einen förmlichen Tractat verwan deln sollen, den man auf beyden Seiten ge nehm gehalten hätte.
[] 21. Es ist daher unwidersprechlich, daß die Preussen ein Recht haben, eines jeden preus sischen Schiffs wegen, welches unter dem Vorwande, als habe es französische Güter am Boord, angehalten worden, und wegen des geringsten auch nur eines Schillings wer then Gutes, das ihnen eigenthümlich gehöret, und nicht wieder erstattet worden, Genug thung und Vergeltung zu fordern. Was noch mehr ist, so haben sie sogar das Recht ein gleiches in Ansehung der französischen Gü ter, die sie an ihrem Boord gehabt, bis auf den geringsten Schilling zu verlangen, welches sie aber, wie es scheint, nicht gethan haben, indem sie für das Schiff die Zwillinge, welches das 2te auf der Liste A. ist, keine Er stattung, sondern blos eine Schadloshaltung we gen Deternirung des Schiffs fordern, obgleich die Ladung confiscirt worden. S. Anfüh rung der Bewegungsursachen Absch. 38. Sie scheinen auch nicht das geringste
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für die Fracht derjenigen Güter zu verlangen, welche unter dem Vorwande, als ob sie dem Feinde zugehörten, weggenommen worden; ob sie es schon zu thun befugt gewesen wären, und zwar nach eben dem Grundsatze des Völ kerrechts, auf welchen die Engländer drin gen. Grotiusde jure belli & pacis lib. 3. cap. 1. ſect. 5. No. 4. annot.
[] 22. Was die preußischen Güter anbe langt, welche am Boorde anderer neutralen Schiffe von den Engländern weggenommen worden, so will ich vor das erste anmerken, daß sie nach der Regel, welche ich als ein wahr haftes Gesetz des Völkerrechts erwiesen habe, nicht einmal französische, gefchweige<geschweige> preus sische Güter, am Boorde solche Schiffe hät ten anhalten und wegnehmen sollen; und die grosse Unterbrechung, welche die englischen Capers allen neutralen Nationen, während letzten Krieges, in ihrem Handel verursacht haben, dienet zur Bestätigung der von mir festgestellten Regel. Hernach will ich anmer ken, daß wenn es aus den Briefschaften des Schiffes nicht erhellt, wem die Ladung zuge hört, die gewisse Vermuthung diese ist, daß sie dem Eigenthümer des Schiffs zustehe, so wie die Güter in einem Hause, allezeit für das Eigenthum des Besitzers angenommen wer den. Wenn man also auch zugeben wollte, daß feindliche Güter am Boorde neutraler Schiffe weggenommen werden könnten, so darf doch kein neutrales Schiff aufgehalten und deterniret werden, wenn es nicht aus den Briefschaften des Schiffs, oder aus dem frey willigen Bekänntnisse des Capitains oder des Supercargo erhellt, daß die Ladung, oder ein Theil derselben, dem Feinde zugehöre. Allein die Engländer scheinen, nach was für einem Gesetze weiß ich nicht, als eine Re gel angenommen zu haben, daß wenn es nicht aus den Briefschaften eines neutralen Schiffs
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wem die Ladung zugehöre, die Vermuthung diese sey, daß sie dem Feinde zustehe, und also weggenommen werden könne, wenn man nicht beweise, daß ein Freund Eigenthümer davon sey. Und dieses ist in der Thnt<That> eine Regel, von welcher ich gewiß weiß, daß sie kein fremder Staat zulassen kan, weil sie die Handlung allzusehr unterbricht, und nur all zuhäuffige Gelegenheit zum Meineide giebt, dem die Häupter einer jeden Republik vor bauen müssen, indem es ihre Pflicht ist, über die Sitten der ihnen anvertrauten Völkern zu wachen. Und auch aus diesem Grunde ist klar, daß man es als eine Regel annehmen müsse: alle Güter am Boorde feindli cher Schiffe werden zu rechtmäßigen Prisen.
[] 23. Was aber das Recht der Entscheidung anbelangt, ob das Schiff oder die Güter rechtmäßige Prisen sind; so ist gewiß, daß die Eigenthümer nicht nothwendig verbunden sind, an die Admiralitätsgerichte desjenigen Regen ten zu appelliren, unter welchen der Capitai ne, der es angehalten hat, gehöret. Sie kön nen sich bey ihrem eignen Regenten beklagen, welcher durch seinen Minister den kürzesten Weg nehmen kan, ihnen Genugthuung zu verschaffen, welches alsdann sehr oft zu ge schehen pflegt, wenn die Beleidigung allzu frevelhaft ist, oder wenn diese Admiralitäts gerichte in solchen Fällen die Gerechtigkeit ver sagt haben. Jn ordentlichen Fällen ist es zwar, in der That, gewöhnlich, daß die Ei genthümer sich mit ihren Foderungen an die Admiralitätsgerichte desjenigen Regenten wenden, unter welchen der Caper gehört; doch wenn sie es thun, so sind sie deswegen noch nicht verbunden, es bey dem Ausspruche dieser Gerichte bewenden zu lassen. Denn wenn ihnen die Gerechtigkeit versagt wird, oder wenn sie von diesen Gerichten unbilliger
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Weise allzusehr aufgehalten werden, so konnen<können> sie sich bey ihren eignen Regenten beklagen, welcher auf ihre Klage eine Untersuchung an stellen, und nach befundenem Grunde eine Schadloshaltung verlangen, und darauf drin gen kan. Dieses muß von einem jeden zuge standen werden, welcher nur das geringste von dem Völkerrechte und desselben Anwen dung verstehet. Sobald also die Admirali tätsgerichte in England, die Regel zum Grunde legten, daß alle Güter am Boor de neutraler Schiffe, welche von Spanien und Frankreich kommen, oder dahin gehen, für rechtmäßige Prisen erklärt werden sollen, wenn nicht aus den Briefschaften des Schiffs, oder aus beschwornen Zeugnissen erhellet, daß die Gü ter Freunden eigenthümlich zugehören und auf ihre Gefahr laufen; sobald konnten die Preus sen, wenn etwa der Schiffscapitaine, oder derjenige, welcher die Waaren an Boord ge schift, einen Fehler begangen hatte, auf keine andere Art einige Erstattung erwarten, als wenn sie sich bey ihrem eignen Regenten des wegen beklagten; weil sie keine geschworne Zeugnisse aufweisen konnten, wenn sie sich nicht dadurch der von den englischen Ad miralltätsgerichten zum Grunde gelegten Re gel unterwerfen wollten, welche gleichwohl dem Völkerrechte und der ausdrücklichen Er klärung der englischen Minister zuwider ist.
[] 24. Da die Engländer während des letz ten Krieges auf der See eine so überlegene Macht hatten, so konnten sie vielleicht vorge ben, daß sie die Königreiche Spanien und Frankreich gänzlich bloquirt hielten, und also berechtiget wären, eine jede neutrale Na tion zu verhindern, ihnen das geringste zur See zuzuführen, was sie in den Stand setzen kön ne, den Krieg besser auszuhalten und zu ver längern. Allein in diesem Falle hätten die
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Engländer allen neutralen Nationen davon Nachricht geben, und mit allen nach eben dem selben Fusse verfahren sollen; denn der einen neu tralen Nation, unter dem Vorwande eines vorhandenen Tractats, eine Freyheit in dem Handel vergönnen, und eben diese Freyheit einer andern neutralen Nation, welche bereit ist, einem gleichen Tractate beyzutreten, ver sagen, heißt der letztern eine offenbare Unge rechtigkeit zufügen, welche sie zu ahnden be rechtiget ist.
[] 25. Da also die Gerechtigkeit der Preußi schen Forderungen erwiesen ist, so will ich nun mehr anmerken, daß in allen Unterhandlun gen zwischen unabhängigen Nationen, der König oder die Regierung und die Untertha nen der Nation als una & eadem perſona, als eine und eben dieselbe Person, an gesehen werden; dasjenige folglich, was dem Könige oder der Regierung einer Nation muß gethan werden, oder ihnen zu thun obliegt, muß auch den Unterthanen dieser Nation ge than, oder von ihnen gethan werden; und was den Unterthanen einer Nation gethan wer den muß, oder ihnen zu thun obliegt, muß auch dem Könige oder der Regierung dieser Nation gethan, oder von ihnen gethan wer den. Dieses gründet sich auf die Gesetze der Billigkeit sowohl, als auf die Gesetze des Völ kerrechts, wie in der Anführung der Bewegungeursachen, Abschn. 52. 53. völlig erwiesen worden. Und in der That ich glaube nicht, daß jemals ein vernünftiger Mann den geringsten Zweifel dawider gemacht hat. Was derohalben den preußischen Unterthanen von den englischen Capers und Unterthanen, in Ansehung der wider rechtlichen Wegnehmungen, zugefügt worden, ist von dem Könige von England dem Könige von Preussen zugefügt worden, und was der König von Preussen den engli
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schen Unterthanen, in Ansehung des schlesischen Darlehns, thut, thut er dem Könige von England . Hieraus nun folgt nothwendig, daß von dem Augenblicke an, da der König von England dem Könige von Preussen mit der erstern Schuld verhaftet wurde, die Schuld mit welcher der König von Preussen dem Könige von England ver haftet war, nach Proportion getilget ward, und dieses zwar vemöge der Natur der Com pensation, welche von allen Nationen gebilli get wird: Cum alter alteri pecuniam ſine uſuris, alter uſurariam debet, conſtitutum eſt a Divo Severo, concorrentis apud utrum- que quantitatis uſuras non eſſe præſtandas. Digeſt. lib. 16. tit. 2. lege 11. Und nach den römischen Gesetze, konnte nicht allein jede rechtliche Schuld, sondern auch jede Schuld, wozu man nur aus Billigkeit verbunden war, durch die Compensation vergütet werden: Etiam quod natura debetur venit in com- penſationem. Digeſt. lib. 16. tit. 2. leg. 6. Von der Zeit also an, da die Ersetzung, we gen der widerrechtlichen Wegneh mungen, dem Könige von Preussen schul dig zu werden anfing, fing dieser an, in Anse hung des schleßischen Darlehns, nicht mehr schuldig zu seyn, als so viel der Ueber schuß dieses Darlehns über jene Forderung betrug; und wann er diesen Ueberschuß be zahlt hat, oder wenn er ihn nur zu bezahlen bereit ist, so hat er seinen in dem Breßlauer Tractate gethanen Versprechen völlige Gnüge gethan; denn Compensation ist allezeit so gut als Bezahlung: Si conſtat pecuniam invi- cem deberi: ipſo jure pro ſoluto compen- fationem haberi oportet ex eo tempore, ex quo ab utraque parte debetur, utique quoad concurrentes quantitates, ejusque ſolius, quod amplius apud alterum eſt, uſuræ de- bentur, ſi modo petitio earum ſubſiſtit.
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Cod. lib. 4. tit. 31. lege 4. Und Grotius , wann er von der Compensation spricht, sagt: Idem dicendum erit, ſi qui promiſſum ur- get non contraxerit, ſed damnum dederit, lib. 3. cap. 19. ſect. 17. Und weiter unten in der 19.ſect. No. 3. sagt er: Obſervan- dum tamen ut inter easdem perſonas fiat compenſatio, ac ne jus tertii cujusquam lædatur; ita tamen ut ſubditorum bona pro eo quod civitas debet jure gentium ob- ligata intelligantur.
[] 26. Wir sehen also nunmehr, daß es nicht sowohl als eine Art von Repressalien, son dern als eine Compensation anzusehen ist, wenn der König von Preussen ein Recht zu haben verlangt, so viel von dem schlesischen Darlehne in seinen Händen zu behalten, so viel seine Schuldforderung, wegen der wi derrechtlichen Wegnehmungen, aus macht. Auch können die an diesem Darlehne Theil habenden Gläubiger, nichts von ihrem Gelde verlieren, weil sie berechtiget sind, das Rückständige von dem Könige und der Re gierung von England zu fordern. Und man muß gestehen, daß der König von Preus= sen sehr großmüthig gehandelt hat, indem er nur 5 pro Cent für die Wegnehmungen ver langt hat; denn da die Jnteresse von 7 pro Cent wegen des schlesischen Darlehns von dem Augenblicke an aufhörte, als die Com pensation Statt finden konnte, so hätte er we gen der Wegnehmungen mit allem Rechte 7 pro Cent fordern können. Ferner muß man zugestehen, daß unter allen Völkern in der Welt die Engländer das wenigste Recht haben, sich wider diese Art von Bezahlung zu setzen; denn als das Parlement, kurz nach dem Antritte des vorigen Königs, eine Sum me Geldes, die England den Holländern schuldig war, verwilliget hatte, so stellte es, an statt zu befehlen, daß man ihnen die ganze
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Summe auszahlen sollte, eine Untersuchung an, wie viel die Officiers der zwey schotti schen Regimenter, welche die Holländer in ihren Diensten gehabt, hernach aber ab gedankt hatten, zu fordern hätten; und nachdem nach man angestellter Untersuchung die Sum me gefunden hatte, so befahl das Parlement sie unter diese Officiers auszuzahlen, und bloß den Ueberrest den Holländern abzutragen.
[] 27. Allein man macht die Einwendung, daß dem Könige von Preussen keine Compensation zu gute kommen könne: Erstlich weil das schle sische Darlehn, dem Contracte gemäß, schon im Jahre 1745. hätte sollen bezahlt werden. Wenn er folglich nicht wider diesen Contract gehandelt hätte, so würde dieses Geld nicht mehr in seinen Händen gewesen seyn, als seine Schuldforderung, wegen der widerrechtli chen Wegnehmungen, anfing. Hierauf aber ist zu antworten: Wenn man Geld auf ei ne Verschreibung borgt, oder auf einen Con tract, dieses Geld auf einen bestimmten Tag wieder zu bezahlen, und zwar mit so und so vielen jährlichen Jnteressen bis zur völligen Abtragung; so kan es als keine widerrechtliche Uebertretung des Contracts angesehen werden, wenn die Bezahlung nicht den bestimmten Tag erfolgt, zumal wenn der Gläubiger nicht dar auf dringt, weil die fortlaufenden Jnteressen gleichsam die Belohnung für die Nachsicht sind, und des Gläubigers unterlassene Anhaltung zur Bezahlung ein Beweis ist, daß er das Capital für diese Belohnung dem Schuldener lassen will. Nun aber hatten die Gläubiger des schlesischen Darlehns nichts weniger im Sinne, als auf die Bezahlung zu dringen; sondern es würde ihnen vielmehr sehr angenehm gewesen seyn, wenn man ihr Geld für eben dieselben Jnteres sen auf immer hätte behalten wollen.
[] 28. Zweytens wendet man ein, daß die Com pensation deswegen nicht Statt finden könne, weil das schlesische Darlehn eine transportable Schuldferderung<Schulförderung> sey, und sich jetzt in der Aus länder Händen befinden könne. Allein ist es denn nicht eine bekannte Regel in dem Gesetze, daß der, welchem etwas cediret worden, an der Stelle desjenigen sey, der es ihm cedirt
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hat, und daß man alles, was man wider diesen klagen kan, auch wider jenen zu klagen befugt ist? Zwar ist es wahr, daß man zum Besten der Handlung eine Ausnahme in Ansehung der Wechsel gemacht hat, allein eine solche Ausname ist zum Besten der Wuchrer oder Actienhändler niemals gemacht worden, und darf auch niemals gemacht werden. Was aber das Betragen der Franzosen und Engländer in Ansehung der Eigenthümer ihrer öffentlichen Fonds, betrift, so hat dieses mit der gegenwärtigen Streitigkeit gar keine Verwandtschaft, noch weniger ist eine andre Nation auf irgend eine Weise verbunden, ein gleiches Betragen zu beobachten, oder das ihr nach den Kriegsgesetzen zukommenden Recht fah ren zu lassen, vermoge dessen sie sich des Eigen thums der Feinde bemächtigen kan, wann sie es in ihrem eignen Gebiete findet: weil sowohl die Franzosen als Engländer ganz eigne und be sondere Ursachen haben, sich auf solche Art zu be tragen. Denn diejenigen Engländern, welche einen Antheil an den französischen Fonds haben; sind gemeiniglich solche, welche der französischen Krone ergebner sind, als der in ihrem eignen Va terlande jetzt errichteten Regierung; und was die Glieder der englischen Regierung selbst anbe langt, so wissen sie wohl, daß sie jetzt keinen Krieg aushalten können, ohne zu diesem Ende jährlich Gelder zu borgen, weswegen sie sich denn wohl in Acht nehmen müssen, nichts zu thun, was sowohl die ausländischen, als Nationalwuchrer ab schrecken könne, auf ihre alten, oder auf etwa neu anzulegende Fonds, wann sie anders der gleichen ausfündig zu machen fähig sind, Gelder vorzustrecken.
[] 29. Drittens wendet man ein, daß die Kö nigin von Ungarn , vermöge des Contracts, gehalten gewesen, das Schlesische Darlehn ohne Aufschub, Ausnahme, Abzug oder ir gend eine andre Verringerung, zu bezahlen; und daß also der König von Preussen , wel cher an ihre Stelle getreten, eben dieselben Ver bindungen habe. Die Antwort hierauf ist klar und leicht; denn da die Abrechnung, Bezahlung ist, und allezeit dafür ist gehalten worden, so hat derjenige, welcher einen Theil seiner Schuld, durch Abrechnung, und den ganzen Ueberrest,
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sobald als es gefordert wird, in baaren Gelde bezahlt, die ganze Summe ohne Aufschub, Ausnahme, Abzug oder irgend eine andre Verringerung bezahlt. Und wenn die Köni gin von Ungarn in dem Besitze von Schle sien geblieben wäre, und die Regierung oder die Unterthanen von England ihr, oder ihren Unterthanen mit einer Schuld wären verhaftet worden, so würde sie das Recht gehabt haben diese Schuld auf das schlesische Darlehn zu schlagen, und würde sie wahrscheinlicher Weise auch gewiß darauf geschlagen haben; denn bis jezt haben die Engländer noch niemals einen Alliirten gefunden, welcher Lust gehabt hätte ihnen die Bezahlung eines einzigen Schillings, den er mit Recht fordern zu können geglaubt, zu erlassen, oder deswegen Nachsicht zu haben, ob sie gleich ihrer Seits noch so großmüthig verfahren sind, indem sie einzig und allein zum besten derjenigen, die sie ihre Alliirten zu nen nen belieben, Schlachten gehalten und Kriege geführt haben.
[] 30. Die übrigen Gründe, deren man sich in der Antwort bedient, sind so seichte, daß ich sie nicht für werth halte, mich darüber einzulassen. Es ist, zum Exempel, lächerlich, daß man des pflichtmäßige beschwohrne Zeugniß des Meister Peter Trapauds beygefügt hat, weil ja erhellet, daß das darinnen erwehnte Schiff zu zweymalen ist weggenommen worden, und der Capitain ihm nichts für die Detenirung in Rechnung ge bracht hat. Jch will also schliessen, und nur noch anmerken, daß man der Streitigkeiten zwischen England und Spanien entweder gar nicht, oder nur ganz oben hin hätte gedenken sollen, weil diese in der That auf einen ganz andern Grunde beruhen; und es ist eben so unmöglich, alle For derungen der Spanier zu rechtfertigen, als es unhöflich gegen die Engländer seyn würde, wenn man es zu thun versuchen wollte.
FINIS.

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