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Historische Einleitung in die Offenbarung Johanis
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Historische Einleitung in die Offenbarung Johannis.

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Der Kanon sämmtlicher Schriften des neuen Testaments kömmt, wie auf Gerathewohl, ohne allen Plan, durch den Eifer einzelner Glieder zu Stande. Ueble Folge dieser Freyheit. Getheilte Meynungen über verschiedne Briefe. Die Offenbarung Johannis, ein Beweis, wie planlos sich der Kanon des neuen Testamentsgebildet.

§. 1.

[] Man muß sich nicht einbilden, daß der Kanon der heiligen Schriften, so wie wir ihn jezt haben, gleich nach den Zeiten der Apostel auf einmal zu Stande gekommen sey. Die ersten Bücher, welche den Christen bekannt wurden, waren ohne Zweifel die Evangelien, worauf die Briefe, einige früher, einige später, folgten. Die Kirchen, an die sie waren geschrieben worden, theilten sie einander mit; die Römer den Korinthern, die Korinther den Römern; und das mit allen Briefen, so wie sich die Bekanntschaft der christlichen Gemeinden erweiterte. Da war weder Concilium, noch Pabst, noch höchste Gewalt, die den Kanon der heiligen Schriften fest stellte. Es war das bloße Werk der Zeit. Heute kam das eine, morgen ein andres Buch hinzu; und das lediglich, sagt Herr
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Basnage, 1 durch Veranstaltung einzelner Glieder, welche die Schriften, die sie ihrer Erbauung zuträglich befunden hatten, in ihren Kirchen gangbar zu machen wünschten. Sie nahmen sich so gar, sezt er hinzu, dabey so viel Freyheit, daß sie offenbar untergeschobene Schriften zu den kanonischen Büchern zählten. Ganze Kirchen waren darüber eben so verschiedener Meynung, als einzelne Glieder. Das nemliche Buch, das die einen verwarfen, nahmen die andern an. Man untersuchte, man stritt, ehe man annahm. Der zweyte Brief des h. Petrus war anfangs nicht in dem Kanon; aber einige, sagt Eusebius, fiengen an, ihn für nützlich zu halten, und so fieng man an, ihn sorgfältiger zu lesen. Das nemliche meldet er von den Briefen des h. Jacobus und des h. Judas. Nur sehr wenige von den Alten hatten ihrer als göttlicher Schriften gedacht. Doch entschlossen sich einige Kirchen, sie zu lesen. Der Zweifel dauerte lange und endlich fiel er ganz weg. Hieronymus sagt ebenfalls von dem Briefe des h. Jacobus, daß er sein Ansehen nach und nach mit Hülfe der Zeit erhalten habe. Auf die nemliche Weise sind die Briefe an die Hebräer und der zweyte und dritte Brief des h. Johannes kanonisch geworden. Kurz, so und nicht anders kam der Kanon der heiligen Schriften allmälig zu seiner Vollkommenheit; welches besonders sehr deutlich an der Offenbarung erhellet, deren Geschichte, und wie viel Widersprüche sie erdulden müssen, wir jezt erzählen wollen.

§. 2.

[] Von allen Schriften, die unmittelbar auf die Schriften der Apostel gefolgt sind, ist uns nichts übrig als der erste Brief des h. Clemens, nebst einem Fragmente des zweyten. Der vorgebliche Brief des h. Barnabas, der gewiß von einem sehr alten Schriftsteller ist; das Buch des
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Hermas; die Briefe, welche den Namen des Ignatius führen; und der Brief des Polycarpus.

Stillschweigen der Schrifsteller<Schriftsteller>

§. 3.

[] In allen diesen Schriften findet sich nicht die geringste Spur von der OffenbarungJohannis. Freylich aber kann man aus diesem Stillschweigen nichts gegen dieses Buch insbesondre schließen, indem sie eben so wenig der vier Evangelisten und fast aller übrigen Bücher des neuen Testaments gedenken.

Vorgeben des Prochorus. Dessen Charakter.

§. 4.

[] Der falsche Prochorus, welcher sich einen Jünger der Apostel nennt, wußte weit mehr davon, und folgendes erzählt er von dem Leben des h. Johannes. Es habe nemlich dieser Apostel den Christen von Ephesus angezeigt, daß er eine Offenbarung von Jesu Christo gehabt. Diese hätten ihn ersucht, sie schriftlich aufzusetzen, worauf der Apostel sein Evangelium dem Prochorus mitten unter Donner und Blitz und Erdbeben in die Feder gesagt habe. Nachher aber habe der Apostel seine Offenbarung mit eigner Hand aufgeschrieben, als ob er gleichsam aus ihr mehr gemacht hätte, als aus seinem Evangelio. Aber der vorgegebeneProchorus, der sich selbst hier unter die handelnden Personen sezt, war von der Zahl der ehrlichen Christen, die der Leichtgläubigkeit des Publikums spotteten, und, indem sie einen großen Eifer für die Religionvorgaben, ihr Spiel nicht einmal unter der Maske einer heidnischen Aufrichtigkeit verbargen. Sein Buch ist voller Fabeln und Ungereimtheiten. Die Worte Hypostasis und Consubstantia verrathen die Zeit genugsam, in welcher es geschmiedet worden.
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Cerinthus kommt in den Verdacht die Offenbarung geschrieben zu haben.

§. 5.

[] Nach dem Tode der Apostel 2 erschien Cerinthus, der für das weltliche tausendjährige Reich sehr eingenommen war. Diese Meynung schrieb sich ursprünglich von den Juden her, und er war es, der sie unter den Christen ausbreitete. Er gründete sich desfalls auf die Offenbarung, von der er behauptete, daß sie ein Werk des h. Johannis wäre. Er mochte nun aber hiezu viel oder wenig Grund haben: genung, verschiedene Orthodoxen hatten im Verdacht, daß er selbst der Vater dazu sey, weil ihnen schien, daß dieses Werk das tausendjährige Reich zu viel begünstige, wie wir in der Folge mit mehrerem sehen werden.

Andere Ketzer, die gegen die Offenbarungwa waren< waren>. Sonderbare Antwort des Epiphanius.

§. 6.

Indeß erhuben sich andre Ketzer, als nemlich Cerdo und Marcion, nach dem Tertullianus(Hier wird auf die Schrift Gegen Marcion des Tertullian verwiesen. Abauzit verweist explizit in einer Fußnote (S. 252) darauf.) und selbst die Alogi, nach dem Epiphanius gegen die Offenbarung, welche sie dem h. Johannes absprachen, weil, wie sie unter andern Gründen sagten, zu den Zeiten dieses Apostels noch keine christliche Kirche zu Thyatira gewesen sey. Dieses ihnen einzuräumen, fürchtet sich der h. Epiphanius auch im geringsten nicht; er nimmt vielmehr an, daß Johannes, wenn er an eine Kirche zu Thyatira schreibe, ganz und gar nicht von einer damals schon vorhandenen Kirche, sondern im prophetischen Geiste rede.
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§. 7.

[] So stritten also über die OffenbarungKetzer gegen Ketzer, indem sich die Orthodoxen noch ganz von ferne hielten. Wenigstens sind wir in der vollkommensten Ungewisheit, aus welchem Gesichtspunkte sie diesen Streit betrachteten.

Justinus erklärt sich für die Offenbarung zuerst.

§. 8.

[] Der Märtyrer Justinus, der um 170. nach Christi Geburt schrieb, ist der erste von allen Kirchenlehrern, welcher der Offenbarung gedenket; und das merkwürdigste dabey ist, daß er sie dem Apostel Johannes beylegt. In dem Gespräche mit Tryphon fragte ihn dieser Jude, ob er nicht glaube, daß Jerusalem noch einmal wieder hergestellt werden würde. Hierauf antwortet Justinus, daß er seines Theils, so wie jeder rechtgläubige Christ, es allerdings glaube, und sagt:Es hat unter uns einen gewissen Mann, Nahmens Johannes, gegeben, welcher einer von den zwölf Aposteln Jesu Christigewesen. Dieser hat in seiner Offenbarung geweissaget, daß die Gläubigen tausend Jahre in Jerusalem zubringen würden. Das ist das einzigemal, daß Justinus in seinen Werken die Offenbarung anführt; und warum führt er sie an? Das tausendjährige Reich damit zu beweisen.

§. 9.

[] Aus den Worten dieses Kirchenlehrers läßt sich nicht schliessen, daß sie damals von allen und jeden Kirchen angenommen gewesen. Justinus scheint blos anzuzeigen, welcher Meynung er für sich sey: oder höchstens, welcher Meynung diejenigen Christen wären, die in diesem Punkt rechtgläubig dächten, das ist: das tausendjährige Reich glaub-ten. Aber das ist wohl ausser Streit, daß Justinus für seinen Kopf ein falsches Evangelium anführt, wenn er in dem nemlichen Gespräche sagt, daß, als Jesus Christus in den Jordan getreten, sich ein Feuer darinn entzündet, und man vom Himmel die Stimme gehört habe: du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget. Er versichert, daß die Apostel dergleichen Dinge geschrieben hätten, die gleichwohl nur in dem Evangelio der Ebioniten standen.

Sein Charakter.

§. 10.

Allerdings gab sich Justinus Mühe, sich von der Wahrheit geschehener Dinge wohl zu unterrichten. Er war viel gereiset, und zwar nicht als ein gemeiner Mann gereiset, sondern als ein sehr aufmerksamer Antiquar.

1 Histoire de l'Eglise. B. 8.
2 Eusebius K. G. B. 3. Hauptst. 28. und B. 7. Hauptst. 25.

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