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1 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Vor Alters hatten sich die Rechtsgelehrten den Namen und die Verrichtung eines Redners angemaßt; weil die Vollkommenheit eines Advocaten die Kenntniß und Erfahrenheit in allen Künsten der Welt erforderte, und sich die Gesetze über alles erstrecken. Wenn man eine jede Kunst so vertheidigen soll, wie sie ihrer Beschaffenheit nach vertheidiget werden muß, so muß man nothwendig von jeder eine besondere Kenntniß haben; daher auch Cicero*) sagt: nemo est in oratorum numero habendus, qui non sit omnibus artibus perpolitus. Weil sie aber sahen, daß es theils wegen der Kürze des Lebens, theils wegen des eingeschränkten menschlichen Genies, unmöglich sey, alle Wissenschaften zu lernen, so gaben sie es näher, und begnügten sich im Falle der Nothwendigkeit damit, daß sie die Erfahrnen in derjenigen Kunst, in welche ihre Vertheidigung einschlug, zu Rathe zogen, und ihnen Glauben zustellten. Auf diese Art die Rechtshändel zu vertheidigen, folgte die Lehre des Evangeliums, welche weit besser als irgend eine andere Wissenschaft von der Beredsamkeit den Menschen hätte können eingeredet werden, weil sie die allergewisseste und wahrhafteste war. Allein Christus befahl dem heil.Paulus ausdrücklich, daß er sie nicht mit künstlichen Worten predigen sollte, damit nicht dieHeiden etwa glauben möchten, sie sey nichts, als eine schöne ausgeputzte Lügen, dergleichen

*) de oratore.

die Redner dem Pöbel durch die Stärke ihrer Kunst einzureden pflegten. Nunmehr aber, da man diese Lehre gänzlich angenommen hat, da so viele Jahre seitdem verflossen sind, ist es ganz wohl erlaubt, nach den Regeln der Beredsamkeit zu predigen, und sich aller Annehmlichkeiten des Vortrags zu bedienen; weil die Ungelegenheit nicht mehr damit verbunden ist, welche damit verbunden war, als der heil. Paulus predigte. Wir sehen ja auch, daß derjenige Prediger, welcher die Eigenschaften eines vollkommenen Redners hat, weit mehr Nutzen stiftet, als ein anderer, und daß sich das Volk mehr um ihn drängt, als um einen andern. Die Ursache davon ist klar: denn wenn die alten Redner, vermittelst der Vorschriften und Regeln ihrer Kunst, dem Volke Lügen für Wahrheiten verkaufen konnten; so müssen christliche Zuhörer ja weit eher überzeugt werden können, wenn man ihnen durch den Beystand der Kunst dasjenige einschärft, was sie schon gehört haben, und zum Theil schon glauben. Da übrigens dieheil. Schrift gewissermaassen alles enthält, so sind zu ihrer Erklärung auch alle Wissenschaften vonnöthen, als worauf der bekannte Spruch zielet:die Weisheit sandte ihre Dirnen aus, zu laden oben auf die Palläste der Stadt. (Sprüche Sal. 9, 3.)


2 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

*) Sprichw. XXI. 1.


3 - /

Dieses ist die Weisheit, welche öffentlich am Wege und an den Straßen ruffet und sich hören läßt, [Sprüch. Sal. VIII. 1]. welche durch alle Sinne in uns eindringt, und uns aller Orten durch alles, was wir sehen und hören, durch Geburth und Begräbniß, durch XIII Hauptst. das Elend Krankheit und Gesundheit, durch Leben und Tod, durch Plagen und Armuth, durch Elend und Eitelkeit, durch alle Veränderungen und Zufälle des Lebens, lehret; daß der Mensch auf nichts anders zu sehen habe, und daß kein andrer Endzweck in der Natur sey, nach welchem er streben müsse, als die Glückseligkeit, die sich einzig und allein auf die Hoffnungen und Erwartungen der Religion gründet.