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1 - Die Kunst zu lieben /

Das einzige Denkmahl, woraus man sich einen Begrif von der Artigkeit der alten Römer, von ihren feinern Sitten, dem Geschmacke in ihren Ergötzungen, dem Tone ihrer Gesellschaften, der Wendung ihrerzärtlichen Gesinnungen, machen kan, ist des OvidsKunst zu lieben. Hundert Werke werden uns jene Beherrscher der Welt als grosse, mächtige und tugendhafte Geister schildern, dieses allein schildert sie uns als Geister, welche empfunden, ihre Empfindungen geläutert und die Natur zur schönen Natur ausgebildet haben.


2 - Die Kunst zu lieben /

Von dieser Seite ist dieses Gedichte unschätzbar. Es hat eine andere Seite, die es weniger ist, diejenige nemlich, auf welcher es seinem Titel widerspricht. Lehrte Ovid die Kunst zu lieben, er würde der liebenswürdigste und unschuldigste Dichter seyn. Die schamhafteste Jugend würde ihn lesen, und jener Trieb der Natur würde ein Führer zur Tugend werden, da er bey denen, die ihn nicht zu ordnen wissen, ein Verleiter zu den unsaubersten Ausschweifungen wird. Allein Ovid lehret die Wollust, jene sinnliche, die ohne Zärtlichkeit des Herzens vom Genuß zum Genusse schweift, und selbst in dem Genusse schmachtet.


3 - Die Kunst zu lieben /

Verschiedene Neue scheinen den Widerspruch, welcher bey dem römischenGedichte zwischen dem Titel und der Ausführung ist, eingesehen zu haben. Wie schwer ist es dasjenige gut zu machen, was ein Ovid schlecht gemacht hat! Jeder von seinen Nacheifrern hat sich ein besonder Lehrgebäude von der Liebe gemacht. Des Italiäners Pietro Michelearte degli amanti ist eine Sammlung süsser Grillen und wortreicher Tändeleyen. Kan auch ein Italiäner von der Liebe schreiben ohne zu platonisiren? Die Maximen der Liebe des Grafen von Bussy sindlächerlich ernsthafte Stoßgebetchens, und was die kalte Frau von Lambert von dieser feurigen Leidenschaft sagen will, sind metaphysischeGrübeleyen, die nach dem Hotel de Rambouillet schmecken. Wo hin und wieder ein Deutscher die Liebe zu seinem Gegenstande gehabt hat, da wird man schwerlich mehr als schulmäßige Declamationes finden, welche die Ohren füllen, und dem Leser nichts zu fühlen geben, weil die Verfasser nichts gefühlt haben.