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1 - Die Kunst zu lieben /

Im dritten Gesange werden die Eigenschaften beschrieben, die ein Liebhaber haben muß, wenn er gefallen will. Der Dichter fängt mit einer doppelten Allegorie der lasterhaften und nichtigen, und der weisen und dauerhaften Liebe an. Vor allen muß man sich bemühen den Character des geliebten Gegenstandes zu erforschen. Seine Geliebte zu bezwingen, muß man aufmercksam ihr zu gefallen, und von seinem Vorsatze ganz erfüllet seyn; nach ihrem Geiste, nach ihrem Geschmacke muß man sich falten, dencken, lieben, handeln wie sie, und sich ganz in sie verwandeln. Ist sie eine Schülerin der ernsten Weisheit, trägt sie in ihrem Herzen ein langsames Feuer, welches sie bestreitet? Geht nicht allzukühn fort, und schonet ihre Tugend. Vereinigt sie mit der Liebe einen philosophischenGeist? Redet, den Malebranche in der Hand, nichts als Metaphysick. Tadelt sie? Tadelt. Lobt sie? Lobt. Tanzet sie? Tanzet. Singt sie? Singet. Mahlt sie? bewundert ihre Werke. Lieset sie euch ihre Verse? verschwendet die Lobeserhebungen. — — Diese Erforschung der Charaktere muß auf beyden Theilen seyn, und keines muß glauben, der Verstellung berechtiget zu seyn. Wer tugendhaft ist der scheint es, und die Verbergung der wahren Gestalt ist ein gewisser Beweiß von ihrer Häßlichkeit. Man bestrebe sich also durch Verdienste liebenswerth zu werden; aus der Hochachtung entspringt die Liebe; man habe die Gesinnungen und die Aufführung eines Mannes, der die Welt kennet; man trotze nicht auf äusserliche Vortheile, die nur von allzukurzer Dauer sind; man schmücke seinen Geist mit dauerhaftern Reizen; man verbinde mit der Zärtlichkeit des Witzes großmüthige Gesinnungen des Herzens; man fliehe das gezwungene Betragen eines Stutzers; man sey gleichförmig in der Aufführung; man prahle nicht mit Metaphysik und Versen, eine Prahlerey, die der üble Geschmack zu rechtfertigen scheinet; man vermeide den lächerlich kostbaren Ton der Neologisten; man sey kein Lustigmacher, der die geringsten Fehler auch seiner Freunde anfällt; dieWahrheit wohne allezeit auf den Lippen; nie komme ein Ausdruck in den Mund, der die Schamhaftigkeit roth macht und die Unschuld zum Schaudern bringt; man halte sich zu Grossen, deren Umgang die Schule der Tugend und Artigkeit ist. — — Hier ist der Dichter gedoppelt ein Dichter; und die Schmeicheleyen die er diesem und jenen französischen Hofmanne macht, den er mit Namen nennt, sind nicht zu übersetzen. — — Doch die Welt allein bildet einen vollkommenen Menschen nicht. Das Lesen der besten Schriftsteller muß dazu kommen. La Fontaine, Moliere,Racine, Regnard, Nericaut, La Chaussee, Gresset, Chaulieu, Bernis, und wer sie sonst sind, die Mahler, welche Natur und Kunst gebildet hat, die Helden der Gesinnungen, die das edelste Feuer belebt! — — Hiebey vermeide man das französischeVorurtheil, die Nachbarn zu verachten. Es giebt gewisse in ihre Sphäre so eingeschränkte Geister, die nur den Himmelsstrich preisen, unter welchem sie gebohren sind, furchtsam ihren Großältern nachschleichen und nur die Güter loben, die vor ihren Augen wachsen. Für sie ist ausser Paris kein Genie anzutreffen, und das Chaos fängt an, da wo sich Frankreich endet. Leget diesen närrischen Hochmuth, den ihr mit der Milch eingesogen habt, ab. In den wildesten Gegenden giebt es Pilpais. Der abergläubischeSpanier, der selbstmörderischeEngländer haben Sitten und Gaben. Erforschet ihren Geschmack und macht euch der Schätze zu Nutze, welche die Natur andern Ufern vorbehält. — — Dieses sind Lehren, welche klugeFranzosen ihren Landsleuten noch unzähligmal wiederhohlen und unzähligmal umsonst wiederhohlen werden. — — Nunmehr kommt der Dichter auf den Zweykampf, die Frucht des falschen Muths. Er beschreibt alle schreckliche Folgen derselben, und will in einer kleinen Geschichte lehren, wie vermögend ein Frauenzimmer sey, diese Raserey bey Mitbuhlern zu unterdrücken. Auch diese Geschichte will uns im Ganzen nicht gefallen. Wir wollen die Rede eines Frauenzimmers, die in voller Unschuld ihre Liebe entdeckt, daraus hersetzen: Was empfindet man, was will man, wenn man liebt? Belehre mich Zamor, warum mein zitternder Geist, wenn ich mit dir rede, eine ihm sonst unbekannte Verwirrung fühlt. Mein Herz zerfließt, wenn ich dich sehe. Seitdem dich ein Gott in diese Insel führte, begleitet und entzückt mich dein Bild Tag und Nacht. Der zärtliche Eindruck deiner geringsten Reden, wird immer in mir neu, und scheint in mir zu leben. Gestern seufzete ich deiner langen Abwesenheit wegen, als Dorival erschien. — — Ach welcher Unterschied! Ich empfinde das nicht für ihn, was ich für dich empfinde. — — In was für ein Gift würde sich meine Liebe verwandeln, wenn Zamor nicht so sehr liebte, als er geliebet wird.


2 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

* Durch dieses Wort habe ich das Französische Contraſte übersetzen wollen. Wer es besser zu übersetzen weis, wird mir einen Gefallen thun, wann er mich es lehret. Nur daß er nicht glaubt, es sey durch Gegensatz zu geben. Jch habe Abstechung deswegen gewählt, weil es von den Farben hergenommen, und also eben so wohl ein mahlerisches Kunstwort ist, als das franzö sische. Ueb.


3 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

* Der Verfasser zielt hier auf eine Stelle in desRousseauBriefe an Thalien. Sie ist so trocken schön, daß ich sie nicht zu übersetzen wage. Wenn ich mich nicht irre, so ist es eben die, welche der Herr von Voltaire an einem Orte sehr scharf geta= delt hat. Man sehe, ob Rousseau mehr darinne sagt als, daß es mit dem Geschmacke eine kützliche Sache sey, und daß er nothwendig entweder gut oder schlecht seyn müsse.


4 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Hier ist die Schrift des französischen Gegners aus. Ob es nun gleich nicht scheint, daß sie der Hr. Prof. Gellert gekannt habe, so ist es dennoch geschehen, daß er auf die meisten ihrer Gründe glücklich geantwortet hat. Weil sie dem Leser noch in frischem Andenken seyn müssen, so will ich ihn nicht lange abhalten, sich selbst davon zu überzeugen. Nur habe ich eine kleine Bitte an ihn zu thun. Er mag so gut seyn, und es dem Hrn. Prof. Gellert nicht zuschreiben, wann er finden sollte, daß er sich diesesmal schlechter ausdrücke, als er sonst von ihm gewohnt ist. Man sagt, daß auch die bestenUebersetzer Verhunzer wären.


5 - Der natürliche Sohn /

Und ich will nicht bergen, daß ich mich einzig in solcher Hofnung der Uebersetzungdieses Werks unterzogen habe.

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6 - Der natürliche Sohn /

Nicht als ob ich meine Uebersetzung frey von allen Mängeln halten wollte; nicht alsVorrede. ob ich mir schmeichelte, überall, auch da den wahren Sinn des Verfassers getroffen zu haben, wo er selbst in seiner Sprache sich nicht bestimmt genug ausgedrückt hat! Ein Freund zeigt mir nur erst izt eine dergleichen Stelle; und ich bedaure, daß ich in dem Texte von diesem Winke nicht Gebrauch machen können. Sie ist in demnatürlichen Sohne in dem dritten Auftritte des ersten Aufzuges, wo Theresia ihrer Sorgfalt um Rosaliens Erziehung gedenkt. „Ich ließ mir es angelegen seyn, sagt sie, den Geist und besonders den Charakter dieses Kindes zu bilden, von welchem einst das Schicksal meines Bruders abhangen sollte. Es war unbesonnen, ich machte es bedächtig. Es war heftig, ich suchte dem Sanften seiner Natur aufzuhelfen.“ Das es ist in allen vier Stellen im Französischen durch il ausgedruckt, welches eben sowohl auf das vorhergehendeenfant, auf Rosalien, als auf den Bruder gehen kann. Ich habe es jedesmal auf Rosalien gezogen: aber es kann leicht seyn, daß es Vorrede. die beiden erstenmale auf den Bruder gehen, und sonach heißen soll. „Er war unbesonnen, ich machte sie bedächtig. Er war heftig, ich suchte dem Sanften ihrer Natur aufzuhelfen. Ja dieser Sinn ist unstreitig der feinere.


7 - An Essay on Dramatick Poesy /

But if we will allow the Ancients to have contriv'd well, we must acknowledge them to have written better. Questionless we are deprived of a great Stock of Wit in the loss of Menander amongst the Greek Poets, and of Cæcilius, Afranius, and Varius among the Romans. We may guess at Menander's Excellency, by the Plays of Terence, who translated some of them; And yet wanted so much of him, that he was called by C. Cæsar the Half-Menander; and may judge of Varius, by the Testimonies of Horace, Martial, and Velleius Paterculus: 'Tis AnEssayof Dramatick Poesy. probablc that these, could they be recover'd, would decide the Controversy; but so long as Aristophanes and Plautus are extant; while the Tragedies of Euripides, Sophocles, and Seneca are in our Hands, I can never see one of those Plays which are now written, but it encreases my Admiration of the Ancients; and yet I must acknowledge further, that to admire them as we ought, we should understand them better than we do. Doubtless many things appear flat to us, the Wit of which depended on some Custom or Story which never came to our Knowledge; or perhaps on some Criticism in their Language, which being so long dead, and only remaining in their Books, 'tis not possible they shou'd make us understand perfectly. To read Macrobius, explaining the Propriety and Elegancy of many Words in Virgil, which I had before pass'd over without consideration, as common things, is enough to assure me that I ought to think the same of Terence; and that in the Purity of his Style (which Tully so much valued, that he ever carried his Works about him) there is yet left in him great room for Admiration, if I knew but where to place it. In the mean time, I must desire you to take notice, that the greatest Man of the last Age (Ben. Johnson) was willing to give place to them in all things: He was not only a profess'd Imitator of Horace, but a learned Plagiary of all the others; you track him every where in their Snow. If Horace, Lucan, Petronius Arbiter, Seneca, and Juvenal, had their own from him, there are few serious Thoughts which are new in him; you will pardon me therefore, if I presume he lov'd their Fashion when he wore their Cloaths. But since I have otherwise a great veneration for him, and you, Eugenius; prefer him above all other Poets, I will use no further Arguments to you than his Example: I will produce before you Father Ben. dress'd in all the Ornaments and Colours of the Ancients, you will need no other Guide to our Party, if you follow him; and whether you consider the bad Plays of our Age, or regard the good Plays of the last, both the AnEssayof Dramatick Poesy. best and worst of the modern Poets, will equally instruct you to admire the Ancients.


8 - An Essay on Dramatick Poesy /

And one farther Note of them let me leave you: Tragedies and Comedies were not writ then as they are now, promiscuously, by the same Person; but he who AnEssayof Dramatick Poesy. found his Genius bending to the one, never attempted the other way. This is so plain, that I need not instance to you, that Aristophanes, Plautus, Terence, never any of them writ a Tragedy; Æschylus; Euripides, Sophocles and Seneca never meddled with Comedy: The Sock and Buskin were not worn by the same Poet. Having then so much care to excel in one kind, very little is to be pardon'd them if they miscarried in it; and this would lead me to the Consideration of their Wit, had not Crites given me sufficient Warning not to be too bold in my Judgment of it; because the Languages being dead, and many of the Customs, and little Accidents on which it depended, lost to us, we are not competent Judges of it. But tho' I grant, that here and there we may miss the Application of a Proverb or a Custom, yet a thing well said will be Wit in all Languages; and tho' it may lose something in the Translation, yet to him who reads it in the Original, 'tis still the same; He has an Idea of its Excellency, tho' it cannot passe from his Mind into any other Expression or Words than those in which he finds it. When Phædria in the Eunuch had a Command from his Mistress to be absent two Days, and encouraging himself to go through with it, said, Tandem ego non illâ caream, si opus sit, vel totum triduum? Parmeno, to mock the Softness of his Master, lifting up his Hands and Eyes, cries out as it were in admiration, Hui! universum triduum! the Elegancy of which universum, tho' it cannot be rendred in our Language, yet leaves an Impression on our Souls: But this happens seldom in him, in Plautus oftner; who is infinitely too bold in his Metaphors and coyning Words, out of which many times his Wit is nothing; which questionless was one reason why Horace falls upon him so severely in those Verses:


9 - An Essay on Dramatick Poesy /

But the lively Imitation of Nature being in the Definition of a Play, those which best fulfil that Law, ought to be esteem'd Superior to the others. 'Tis true, those Beauties of the French Poesy are such as will raise Perfection higher where it is, but are not sufficient to give it where it is not: They are indeed the Beauties of a Statue, but not of a Man, because not animated with the Soul of Poesy, which is Imitation of Humour and Passions: And this Lisideius himself, or any other, however byass'd to their Party, cannot but acknowledge, if he will either compare the Humours of our Comedies, or the Characters of our serious Plays, with theirs. He who will look upon theirs which have been written 'till these last ten Years or thereabouts, will find it an hard matter to pick out two or three passable Humours amongst them. Corneille himself, their Arch-Poet, what has he produc'd, except The Liar, and you know how it was cry'd up inFrance; but when it came upon the English Stage, though well translated, and that part of Dorant acted with so much Advantage as I am confident it never receiv'd in its own Country, the most favourable to it would not put it in Competition with many of Fletcher's or Ben Johnson's. In the rest of Corneille's Comedies you have little Humour; he tells you himself his way is first to shew two Lovers in good Intelligence with each other; in the working up of the Play, to embroil them by some Mistake, and in the latter end to clear it, and reconcile them.


10 - An Essay on Dramatick Poesy /

As for Johnson, to whose Character I am now arrived, if we look upon him while he was himself, (for his last Plays were but his Dotages) I think him the most learned and judicious Writer which any Theater ever had. He was a most severe Judge of himself as well as others. One cannot say he wanted Wit, but rather that he was frugal of it. In his Works you find little to retrench or alter. Wit and Language, and Humour also in some measure, we had before him; but something of Art was wanting to the Drama, 'till he came. He manag'd his Strength to more advantage than any who preceded him, You seldom find him making Love in any of his Scenes, or endeavouring to move the Passions; his Genius was too sullen and Saturnine to do it gracefully, especially when he knew he came after those who had performed both to such an Height. Humour was his proper Sphere, and in that he delighted most to represent Mechanick People. He was deeply conversant in the Ancients, both Greek and Latin, and he borrow'd boldly from them: There is scarce a Poet or AnEssayof Dramatick Poesy. Historian among the Roman Authors of those Times, whom he has not translated in Sejanus and Catiline. But he has done his Robberies so openly, that one may see he fears not to be taxed by any Law. He invades Authors like a Monarch, and what would be Theft in other Poets, is only Victory in him. With the Spoils of these Writers he so represents old Rome to us in its Rites, Ceremonies, and Customs, that if one of their Poets had written either of his Tragedies, we had seen less of it than in him. If there was any Fault in his Language, 'twas, that he weav'd it too closely and laboriously, in his Comedies especially: Perhaps too, he did a little too much Romanize our Tongue, leaving the Words which he translated almost as much Latin as he found them: Wherein though he learnedly followed their Language, he did not enough comply with the Idiom of ours. If I would compare him with Shakespear, I must acknowledge him the more correct Poet, but Shakespear the greater Wit. Shakespear was the Homer, or Father of our Dramatick Poets; Johnson was the Virgil, the Pattern of elaborate Writing; I admire him, but I love Shakespear. To conclude of him, as he has given us the most correct Plays, so in the Precepts which he has laid down in his Discoveries, we have as many and profitable Rules for perfecting the Stage, as any wherewith the French can furnish us.


11 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Wenn wir aber zugestehen wollen, daß dieAlten ihre Schauspiele gut angelegt haben, so müssen wir auch bekennen, daß ihre Ausführung nicht schlechter gewesen. Mit dem Menander, unter den griechischen Dichtern, und dramatischen Werken. mit den Cäcilius, Africanus und Varius unter den römischen, haben wir, ohne Widerspruch, einen grossen Vorrath an Witz verloren; Menanders Vortreflichkeit kann man aus den Lustspielen des Terenz abnehmen, der verschiedne von ihm übersetzte, gleichwohl aber noch so weit hinter ihm zurück blieb, daß ihn Cäsar nur den halben Menander nennte; von dem Varius können wir uns aus den Zeugnissen des Horaz, Martial und Vellejus Paterculus einen Begriff machen. Wenn wir dieser ihre Werke wieder finden könnten, so würde, wahrscheinlicher Weise, der Streit auf einmal entschieden seyn. Doch so lange wir den Aristophanes und Plautus noch haben; so lange die Trauerspiele des Euripides, Sophokles und Seneca noch in unsern Händen sind, kann ich keines von unsern neuerlich geschriebenen Schauspielen ansehen, ohne daß sich meineBewunderung der Alten dadurch vermehrt. Dabey aber muß ich noch gestehen, daß um sie so zu bewundern, wie sie es verdienten, wir sie besser verstehen müßten, als es geschieht. Verschiednes scheinet uns, ohne Zweifel, bey ihnen plat, weil der Witz davon von irgend einer Gewohnheit oder Geschichte abhängt, die uns niemals zu Ohren gekommen; oder vielleicht auch von einer Feinheit in ihrer Sprache, die als eine todte, und nur noch in den Büchern vorhandene Sprache, unmöglich volllommen Von Johann Dryden u. dessen von uns verstanden werden kann. Jch habe nur den Macrobius lesen dürfen, wo er die eigenthümliche Bedeutung und Zierlichkeit ververschiedner Wörter des Virgils erklärt, die ich vorher als gemeine Dinge übergangen hatte, um mich zu überzeugen, daß ein gleiches auch wohl bey dem Terenz Statt haben könnte, und daß in der Reinigkeit seines Styls (welcheCicero so hoch schätzte, daß er seine Werke beständig um sich hatte) noch manches zu bewundern seyn möchte, wenn wir es nur erst wüßten. Unter dessen muß ich Sie zu erwägen bitten, daß der größte Mann des nächft<nächst> vergangenen Weltalters (Ben Johnson) nicht anstand, den Alten in allen Stücken den Vorzug zu lassen. Er war nicht allein ein ausdrücklicher Nachahmer des Horaz, sondern auch ein gelehrter Plagiarius aller andern; so daß wenn Horaz, Lucan, Peronius Arbiter,Seneca und Juvenal alle das ihrige von ihm wieder zurück fordern sollten, er wenig ernsthafte Gedanken, die neu bey ihm wären, behalten würde. Sie werden mir also verzeihen, wenn ich glaube, daß der ihre Mode müsse geliebt haben, der ihre Kleider getragen. Weil ich aber sonst eine grosse Hochachtung für ihn habe, und Sie, Eugenius, ihn allen andern Poeten vorziehen, so will ich itzt weiter keine. Gründe, als dieses seinen Exempel anführen Jch will Jhnen ihren Vater Ben mit allen Klei dramatischen Werken dern und Farben der Alten ausgeputzt zeigen, und das wird hinlänglich seyn, Sie auf unsere Seite zu ziehen. Denn Sie mögen nun entweder die schlechten Schauspiele unsrer Zeit, oder die guten der nächst verflossenen betrachten, so werden beyde, die schlechtesten sowohl als besten neuen Dichter, Sie die Alten bewundern lehren.“


12 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Und noch eine Anmerkung muß ich zum Schluße über sie machen. Es schrieb damals nicht eine und eben dieselbe Person, ohne Unterschied Tragödien und Komödien; sondern wenn jemand zu dieser oder jener Fähigkeit zu haben glaubte, so gab er sich mit der andern ganz und gar nicht ab. Dieses ist so offenbar, und die Beyspiele davon sind so bekannt, daß ich sie kaum anzuführen brauche; Aristophanes,Plautus und Terenz haben nie ein Trauerspiel geschrieben; Aeschylus, Euripides,Sophokles und Seneca haben sich nie an das Lustspiel gewagt; den tragischen Stiefel, und die komische Socke, war eben derselbe Dichter nicht gewohnt zu tragen. Da sie es also ihre ganze Sorge seyn ließen, nur in der einen Art groß zu werden, so hat man es ihnen um dramatischen Werken. so viel weniger zu verzeihen, wenn es ihnen nicht gelungen ist. Und hier würde ich Gelegenheit haben ihren Witz in Erwägung zu ziehen, wenn mich nicht Crites so ernstlich gewarnet hätte, in meinem Urtheile darüber nicht zu kühn zu seyn; denn da es todte Sprachen wären, und manche Gewohnheit oder kleiner Umstand, von welchem das feinere Verständniß abgehangen, für uns verloren gegangen, so könnten wir, meinet er, keine rechtmäßige Richter darüber abgeben. Doch ob ich gleich zugestehe, daß es uns hier und da an der Anwendung eines Sprichworts, oder einer Gewohnheit, fehlen kann, so muß doch gleichwohl, was in einerSprache Witz ist, es auch in allen seyn; und wenn es auch schon in der Uebersetzung etwas verlieret, so muß es doch für den, der das Original lieset, immer das nehmliche bleiben. Er wird von der Vortreflichkeit desselben einen Begriff haben, ob er ihn gleich in keinem andern Ausdrucke, oder in keinen andern Worten, als in welchen er es findet, von sich geben kann. Wenn Phädria, in dem Evnucho zwey Tage von seiner Geliebten abwesend seyn soll, und sich selbst, diesen Zwang auszuhalten, mit den Worten ermuntert: Tandem ego non illa caream, si opus sit, vel totum triduum? so erhebt Parmenio, um über die Weichlichkeit seines Herrn zu spotten, Augen und Hände, und ruft gleichsam voller Verwunderung aus: Von Johann Dryden u. dessenHui! universum triduum! Die Zierlichkeit dieses universum kann nun zwar in unsrer Sprache nicht aasgedrückt<ausgedrückt> werden, es bleibt aber doch ein Eindruck davon in unsern Seelen zurück. Viele dergleichen Stellen kommen bey dem Terenz nicht vor, mehrere aber bey demPlautus, welcher in seinen Metaphern und neugeprägten Wörtern unendlich kühner ist; in diesen bestehen nicht selten sein ganzer Witz, daher Horaz auch ohne Zweifel ein so strenges Urtheil von ihm gefällt hat:“


13 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Denn da die lebhafte Nachahmung der Natur mit in die Erklärung des Schauspiels gehört, so müssen auch diejenigen, die dieses Gesetz am besten erfüllen, auch vor den andern am meisten geschätzt werden. Wahr ist es, die Schönheiten der französischen Poefie<Poesie> sind von der Beschaffenheit, daß sie die Vollkommenheit, wo sie schon vorhanden ist, erhöhen; allein diese Vollkommenheit, wo sie fehlet, zu verschaffen, das sind sie nicht im Stande. Es sind Schönheiten einer Bildsäule, aber nicht eines Menschen, weil sie nicht durch die Seele der Poesie belebt sind, welche in der Nachahmung der Leidenschaften und Launen bestehet; und dieses wird weder Lisidejus, noch ein anderer, wenn er für ihre Parthey auch noch sehr eingenommen ist, in Abrede seyn können, so bald er die Launen in unsern Lustspielen, und die Charaktere in unsern ernsthaften Schauspielen mit den ih Von Johann Dryden u. dessenrigen vergleicht. Wer die Stücke durchgehen will, die sie ohngefehr seit zehn Jahren geschrieben haben, dem soll es schwer werden zwey oder drey erträgliche Launen darinn aufzutreiben. Was hat Corneille selbst, ihr vornehmster Dichter, in dieser Art hervorgebracht, ausgenommen seinen Lügner, dieses in Frankreich so gepriesene Stück? Und dennoch, als es in einer recht guten Uebersetzung auf die englische Bühne kam, und der Charakter des Dorante auch so gut gespielt wurde, als er in Frankreich nur immer hat können gespielt werden, wollten es keine auch von seinen eifrigsten Lobrednern wagen, es mit irgend einem quten Stücke des Fletchers den Ben Johnsons in Vergleichung zu setzen. Jn den übrigen Stücken des Corneille kömmt noch weniger Laune vor; er sagt uns selbst, seine Gewohnheit sey, zu Anfange ein Paar Liebhaber in gutem Verständnisse zu zeigen, hierauf, gegen die Mitte des Stücks, durch irgend einen Jrrthum, Uneinigkeit und Verwirrung unter ihnen zustistenstiften, und endlich am Ende den Streit zu schlichten und sie wieder mit einander zu versöhnen.


14 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Jch komme nunmehr auf Johnson. Wenn wir diesen Mann betrachten, als er noch Er war, (denn seine letzten Stücke sind Träumereyen seines Alters,) so müssen wir ihn für den gelehrtesten und vernünftigsten Scribenten halten, den jemals ein Theater gehabt hat. Er war der strengste Richter sowohl seiner selbst, als anderer. Man kann nicht so wohl sagen, daß es ihm an Witz gemangelt habe, als vielmehr, daß er sparsam damit umgegangen. Jn seinen Werken findet man wenig, was man auszustreichen oder zu ändern Ursach hätte. Witz,Sprache und Humor haben wir in gewissem Maaße bereits vor ihm; allein an Kunst fehlte es dem Drama noch in etwas, bis er sich damit abgab. Er kannte seine Stärke besser und wußte sie vortheilhafter zu gebrauchen, als irgend ein Dichter vor ihm. Man wird wenig verliebte Scenen, oder wo er Affect zu erregen bemüht gewesen wäre, bey ihm finden; denn sein Geist war zu mürrisch und saturninisch, als daß es ihm damit hätte gelingen sollen, und er sahe auch wohl, daß er nach Männern gekommen, die es in beyden zu einer mehr als gewöhnlichen Vollkommenheit gebracht hatten. dramatischen Werken. Humor war seine eigentliche Sphäre, und in dieser war es besonders seine Lust, Handwerksleute und dergleichen vorzustellen. Er war mit den Alten, sowohl Griechen als Lateinern sehr genau bekannt, und borgte von ihnen frey und keck; es ist fast kein einziger Dichter oder Geschichtschreiber unter den römischen Scribenten, aus dem er in seinem Sejanus und Catilina nicht etwas übersetzt hätte. Er begeht aber seine Räubereyen so öffentlich, daß man deutlich sieht, er müsse durchaus keine Verurtheilung der Gesetze befürchten. Er fällt über die Autores wie ein Monarch her, und was man bey einem andern Dichter für Diebstahl halten würde, das ist bey ihm bloß Sieg. Mit der Beute, die er diesen Scribenten abgenommen, stellt er uns das alte Rom, nach seinen Gebräuchen, Ceremonien und Sitten, so vollständig vor, daß wenn einer vor ihm selbst diese oder jene seiner Tragödien geschrieben hätte, wir davon weit weniger bey ihm würden gefunden haben. Wenn er einen Fehler in seinerSprache hatte, so war es dieser, daß er sie allzu dicht und mühsam in einander webte, besonders in seinen Komödien; vielleicht romanisirte er auch ein wenig zu sehr, indem er die Worte, die er übersetzte, beynahe eben so lateinisch ließ, als er sie fand, welches sich für unsere Sprache nicht allzuwohl schicken wollte. Wenn ich ihn mit Shakespearn vergleichen wollte, so Von Johann Dryden u. dessen müßte ich sagen, daß er ein correctrer Dichter,Shakespear aber ein grösser Genie sey. Shakespear war der Homer, oder Vater unsrer dramatischen Dichter; Johnson war der Virgil, das Muster der sorgfältigen Ausarbeitung; ich bewundre ihn, aber ich liebe Shakespearn.“


15 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Hierauf folgt die Beurtheilung des gedachten Stücks vom Johnson, die ich mir bey einer andern Gelegenheit zu Nutze machen werde. Vor itzo will ich nur die Erklärung mitnehmen, welche Dryden von dem, was die EngländerHumor nennen, giebt. Jch erinnere zugleich, daß ich Humor, wo ich das Wort übersetzen will, durch Laune gebe, weil ich nicht glaube, daß man ein bequemers in der ganzen deutschen Sprache finden wird.