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1 - Die Kunst zu lieben /

Fünfter Gesang. Ein geheimer verliebter Umgang hat seine Reize; doch weit mehr Vergnügen geniessen Verliebte, die sich für den Augen der Welt lieben. Dazu zu gelangen, muß man sich einen freyen Zutritt bey seiner Geliebten zu verschaffen suchen, unter dem Titel eines Freundes; man muß die Charaktere derjenigen zu erforschen suchen, die um ihr sind, und von welchen sie in etwas abhanget. Hierunter gehören vornemlich die Vormünde. Predigt er, in einen Lehnsessel gekrümmt, schwach und kolsternd, voller Galle gegen die jetzige Zeit, wider die Jugend und ihre ausserordentliche Verschwendung? Setzt er seine Ehre und sein höchstes Gut in das Gold, in welchem er schwimmt ohne es zu geniessen? So rühmt seinen jetzigen und zukünftigen Reichthum, und heimlich beklagt seine wirkliche Armuth. Oft bestimmt so ein Wütherich den Gegenstand unserer Liebe dem Kloster, diesen dem ewigen Verdruß gewidmeten Mauern, den Gräbern, welche eine rasende Schwärmerey gehölet hat, welche die Reue, der Irrthum, die Tyranney bewohnen. Doch dieser Aufenthalt ersticket die Heftigkeit der Leidenschaft nicht, und die Beständigkeit des Liebhabers erlangt ihren Zweck. — — Bey vielen, weil sie allzugewiß sind; daß sie geliebet werden, erkaltet die Liebe. Der zuversichtliche Medor verläßt sich auf seinen Sieg und wenig bewegt von der Unruhe seiner Geliebten, betrachtet er mit einem heutern Auge sein Glück. Als ein ruhiger Beherrscher eines ihm unterthanen Herzen trotzt er ihrem Argwohne, und lacht über ihre Beängstigung. Er höret ihre Klagen nicht, er sieht ihre Thränen nicht. Bey ihr ist er abwesend; und redet sie mit ihm, so ist er zerstreut; er betrachtet einen Ring oder ein Bild, er ruft seinen Hund, er spricht mit ihm und streuchelt ihn. Aus seiner umwölkten Stirne leuchtet eine stolze Verachtung; und wenn die Geliebte ganz Feuer ist, so ist er ganz Eis. — — Doch muß man auch nicht seine Liebe durch Ausschweifungen der Eifersucht zu beweisen suchen; wohl aber kann man sich auf kurze Zeit entfernen, um die Beständigkeit der Geliebten auf die Probe zu stellen. Eine allzulange Abwesenheit ist das traurigste Unglück für Verliebte. Es zu lindern schencke man sein Bildniß der Geliebten, und suche das ihre dafür zu erhalten. Die Liebe so wohl als die Freundschaft erlaubt den Gebrauch der Geschencke; diese aber müssen gewehlt seyn, und man muß mehr die Empfindlichkeit der Schönheit als ihr Glück dabey zu Rathe ziehen. Erhält man zum Gegengeschencke ein von ihren Haaren geflochtenes Armband; welches kostbare Pfand der zärtlichsten Liebe! Das sicherste Mittel ohne Nebenbuhler geliebt zu werden, ist eine gleiche ungetheilte Liebe gegen die, von welcher man dieses Glück begehrt. Hier haben beyde Geschlechter gleiches Recht; und dieses so wohl als jenes kann sich über die Untreue des andern beklagen. Wie schädlich aber ist dabey eine stürmende Eyfersucht! Nimmermehr wird diese ein Herz wieder zurück bringen, welches nur durch Gefälligkeit und Anmuth von neuen gewonnen wird. Diesen Satz erläutert der Dichter durch das Exempel des ersten Franciscus Königs von Frankreich und der zwey Herzoginnen von Etampe und von Valentinois.


2 - Virginia. A tragedy. /


Have turn'd his visionary brain.

3 - Virginia /

Alter und wahnwitzige Träume von Rom und Ehre, haben ihm das schwärmerische Gehirn verrückt.


4 - Der Hausvater /

Das war das Gelübde, welches ich für dich und für mich that. Es ist mir nie aus den Gedanken gekommen. Ich habe dich nicht der Sorge eines Miethlings übergeben. Ich habe dich selbst gelehret reden, denken, und empfinden. So wie du an Jahren zunahmest, habe ich deine Neigungen ausgeforscht; diesen gemäß habe ich den Plan deiner Erziehung entworffen, und ihn ohn Unterlaß befolgt. Wie viel Mühe habe ich mir gegeben, um dir Mühe zu ersparen? Ich habe dein künftiges Schicksal, deinen Fähigkeiten und deinem Geschmacke zu Folge, festgesetzt. Ich habe nichts versäumet, dich mit so vielen Vorzügen, als möglich, in die Welt einzuführen. Und da ich mich endlich dem Augenblick, die Früchte meiner Sorgfalt einzusammeln, nähere; da ich mir schon Glück wünsche, einen Sohn zu haben, der seiner Geburt, die ihn zu den besten Verbindungen bestimmt, der seinen persönlichen Eigenschaften, die ihn zu wichtigen Aemtern ruffen, eutspricht: soll eine unsinnige Leidenschaft, soll eine plötzliche, schwärmrische Entzückung, alles zu nichte gemacht haben? Ich soll sehen, daß seine schönsten Jahre verloren gehen, daß er seines Glückes verfehlt, daß meine Erwartung betrogen wird; das soll ich sehen, und es zugeben? Wie hast du dir so etwas einbilden können?


5 - /

A remarkable degree of a rational enthusiasm for the interests of learning, liberty, religion,virtue, and human happiness, which animated him at all times, was a distinguishing part of his character: he was visibly moved by some of these noble principles in whatever he said or did. They had such an ascendency over him as gave a peculiar cast to his whole conversation and behaviour, and formed in him a public spirit of a very extensive kind. Public spirit in him was not a vague and undetermined kind of ardor, for somethingunknown or not distinctly understood; but it was an enlightened and universal zeal for every branch of human happiness, and the means of promoting it. His love of valuable knowledge, his unabating activity in pursuing it and spreading a taste for it, fitted him, in a PREFACE.xxvii very singular manner, for that station which Providence had assigned him. And perhaps very few men, even in similar stations, have discovered equal zeal, or had equal success, in promoting a taste for true literature: but his zeal was not confined to what peculiarly belonged to his own profession, but extended to every thing that could contribute to the improvement of human life. When he spoke, you would have imagined that he had been employed in almost all the dif ferent stations in society, so clearly did he appear to understand the interests of each, and such an earnest desire did he express for promoting them. His benevolent heart took great delight in planning schemes for rectifying something amiss, or improving something already right, in the different orders and ranks of mankind. These schemes were not airy and romantic, but such as were practicable, and might have deserved the attention of those whose power and influence in society could have enabled them to carry them into execution. This warm zeal for public good appeared uppermost in his thoughts not only in his more serious, but also in his gayer hours. But while he abounded in projects for the interests of others, none xxviii PREFACE. ever heard of one which centered in himself. It has already been observed, that in the earlier part of life, when the taste for external enjoyments is commonly strongest, he did not listen to proposals which offered prospects of rising to wealth and preferment: in a more advanced age, but when he was still in such a vigorous state of health, as he might have hoped for many years longer of life, he had offers made of removing him to the University of Edinburgh, to be Professor of Moral Philosophy there, which might have been a more lucrative place to him, and given him better opportunities of forming connections with people of the first rank and distinction in this country, but he was contented with his present situation, and discouraged all attempts to change it.


6 - /

Mit einer Art von vernünftiger Schwärmerey, die ihn immer begeisterte, und den vornehmsten Theil seines Characters ausmachte, nahm er sich der Vortheile der Gelehrsamkeit, Freyheit, Religion, Tugend und der menschlichen Glückseligkeit an. Aus allem, was ersagte und that, konte man wahrnehmen, daß er die edle Absicht hatte, sie zu befördern und auszubreiten. Sie vermochten so viel über ihn, daß sie einen Einflus auf sein ganzes Betragen hatten, und ihm einen allgemei nen Geist, von dem weitesten Umfange, mittheilten. Das, was wir in ihm einen allgemeinen Geist nennen, bestand nicht in einer unbestimmten Begierde nach allem demjenigen, was wir nicht wissen, oder nicht vollkommen verstehen; sondern in einem erleuchteten und uneingefchränkten<uneingeschränkten> Eifer für die Glückseligkeit der Men schen, und die Mittel sie zu befördern. Seine Liebe zur wahren Gelehrsamkeit, seine unermüdete Sorgsalt<Sorgfalt>, sie zu erlangen, und den Geschmack an ihr auszubreiten, machte ihn zu dem Amte, welches die Vorsicht ihm angewiesen hatte, ausserordentlich geschickt. Und viel leicht haben wenige Leute, in gleichen Aemtern, mit glei chem Glück und Eifer, den Geschmack an der ächten Lite ratur ausgebreitet. Allein sein Eifer blieb nicht in den Gränzen seines eigenen Lehramts, sondern derselbe erstreckte sich auf alles, was im menschlichen Leben Vortheil und Nutzen schaffen kan. Wenn er sprach: so 24 Vorrede. glaubte man, er hätte fast allen wichtigen Bedienungen vorgestanden; so sehr verrieth er, daß er die Vortheile einer jeden verstand, und sich ernstlich angelegen seyn lies, zur Beförderung derselben etwas beyzutragen. Sein gutartiges Herz fand die gröste Freude daran, die Mittel aufzusuchen, wodurch in den verschiedenen Ständen der menschlichen Gesellschaft dasjenige, was von den Regeln der Ordnung abwich, mit denselben in Uebereinstimmung gebracht, oder dasjenige, was mit denselben schon übereinkam, zu mehrerer Vollkommenheiterhöht werden könte. Die von ihm hierzu gemachten Entwürfe gründeten sich auf keine leere Einbildungen, sondern sie waren der Ausführung fähig, und hätten die Aufmerksamkeit aller derjenigen verdient, welche Gewalt und Ansehen in der Gesellschaft, in den Stand setzten, sie zur Ausführung zu bringen. Dieser Eifer für das gemeine Beste zeigte sich beständig in seiner Art zu den ken, und nicht nur in seinen ernsthaftern, sondern auch in sei nen heitern und vergnügten Stunden. Er war an Entwür fen, die den Vortheil anderer angiengen, unerschöpflich; doch niemals hat er an einen gedacht, der seine eigenen Nutzen betroffen hätte. Wir haben schon angemerkt, daß er in seiner Jugend, zu einer Zeit, da man an Glückseligkeiten, die in die Augen fallen, den meisten Geschmack zu haben pflegt, niemals auf Vorschläge ge hört hat, die ihm eine Ausficht<Aussicht> in Reichthümer und An sehen eröfneten. In seinem reifen Alter, da aber der gute Zustand seiner Gesundheit ihn noch hoffen lies, viele Jahre zu leben, wurde ihm der Antrag gethan, auf der Universität zu Edimburg Professor der philosophischen Sittenlehre zu werden. Ungeachtet er in dieser Stelle mehrere Einkünfte und bessere Gelegenheit gehabt haben Vorrede. 25 würde, mit den vornehmsten und angesehensten Personen bekant zu werden: so war er doch in seinem gegenwärti gen Stande vergnügt, und gänzlich abgeneigt, ihn je mals zu ändern.


7 - /

But as it is certain from the indolence, and the ne-The civil power should appoint proper instruct- ors for the peo- ple.cessary avocations of multitudes, that scarce one in 312 OfCivil LawsBook III. an hundred will ever exercise this right of privatejudgment vigorously; the far greater number, by ad- miration of some favourite characters, will always fol- low such as make high pretensions to superior wis-dom. It is therefore the interest of the magistrateand his duty to the state in general to take care thatwise and good men be provided and supported totake the leading of such as will be led by some per-son or other. And by this means, if the magistratesscheme of religion be tolerable, he may always havea vast majority to follow these leaders he has appoint-ed, and thus prevent the influence of dangerous en-thusiasts or rogues. It must indeed be a vile unna-tural perversion of his office if he attempts a leadingabout useless and disputable trifles, which are of nomoment to form in his subjects dispositions of piety,love and resignation to God, of temperance towardthemselves and just and beneficent dispositions to-ward their fellows. But it must naturally belong tosuch as are vested with power, and entrusted with ma-naging any funds for the general interest of a peopleaccording to their prudence, to take care that suchprinciples as lead to these most useful virtues be fully explained and inculcated upon their people.


8 - /

II. As to direct Atheism, or denial of a moral pro-The publishing of Atheism or principles direct- ly immoral is pu nishable.vidence, or of the obligations of the moral or socialvirtues, these indeed directly tend to hurt the state in its most important interests: and the persons who di- rectly publish such tenets cannot well pretend any o- bligation in conscience to do so. The magistrate may therefore justly restrain them by force, as he might any deluded fool or enthusiasts who pretended con-science in invading the rights or properties of others.The magistrate has a right to defend the state andits members against whatever hurts them, let the pre- 314 OfCivil LawsBook III. tences of the authors be what they will; and thus hasa right to restrain such as would by any sophistry cor-rupt the weak into sentiments inconsistent with their duty to their fellows, or such as are destructive of thepublick happiness, by taking away the most power-ful incitements to all good offices and restraints frominjury. But as there is little danger that such tenetswill ever prevail in a civilized nation where knowledgeand arts are encouraged, and as punishments inflictedby publick authority, beside moving the compassionof men, sometimes give an air of importance to thesilly ravings of an empty fool, and raise in the weaksome suspicions of such strong reasons on that side asno reason on the other can answer; some have look-ed upon it as a piece of prudence in magistrates, wherethere is no manifest danger of the spreading of suchopinions, to let them alone to the common senseof mankind to be confuted and despised: giving notrust to such men as renounce all bonds of conscience,but only punishing when the principles are discoveredby wickedactions.


9 - /

Weil es nun von der grossen Nachsicht und Abhaltung des Volks herrührt, daß kaum einer unter hunderten sich des Rechts, eine Privatmeinung zu hegen, bedienet; so wird der grössere Haufen allezeit denjenigen folgen, die den Schein einer vorzüglichern Weisheit haben. Es erfordert dahero das Jnteresse der Obrigkeit und ihre Pflicht gegen den Staat, davor zu sorgen, daß weise und gute Männer bestellt und unterhalten werden, die alle diejenigen, welche sich wollen anweisen lassen, unterrichten können. Wenn die Obrigkeit einen erträglichen Religionsplan hat, so hat sie auf diese Weise ein grosses Vorrecht, den öffentlich gesetzten Lehrern zu folgen, und die Einführung gefährlicher Schwärmereyen zu verbieten. Hingegen würde es ein sehr unnatürlicher Misbrauch ihres Amtes seyn, wenn sie bey unnützen und zweifelhaften Kleinigkeiten, die in ihren Unterthanen keine Furcht, Liebe und Vertrauen zu Gott, keine Mässigkeit geund ihrer Beobachtung. 935Neunter Abschnitt.gen sich selbst und keine gerechten und mitleidigen Gesinnungen gegen ihren Nächsten hervorbringen können, eine Unterweisung vornehmen wollten. Es gehöret aber natürlicher Weise vor diejenigen, die mächtig sind, und zum gemeinen Besten des Volks gewisse Güter verwalten, daß sie davor Sorge tragen, daß solche Grundsätze, die zu den nützlichsten Tugenden führen, dem Volke gehörig erkläret und eingeschärft werden.


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II. Die offenbare Atheisterey oder Verleugnung einer moralischen Vorsorge, oder der Verbindlichkeit zu moralischen Tugenden, zielet geradesweges dahin ab, dem Staate in seinen wichtigsten Absichten Schaden zuzufügen; und die Personen, die solche Lehren bekant machen, können in ihren Gewissen keine Verbindlichkeit haben, so zu handeln. Die Obrigkeit mus ihnen dahero mit Gewalt Einhalt thun, so wie sie mit einem Narren oder Schwärmer, der sich in seinem Gewissen vor verbunden hält, die Rechte oder das Eigenthum anderer anzugreifen, verfahren würden. Die Obrigkeit hat ein Recht, den Staat und seine Glieder wider alles, was ihnen nachtheilig ist, zu vertheydigen, die widriggesinnten mögen sagen was sie wollen. Dieses Recht erstreckt sich auch auf diejenigen, welche den schwächern, durch ihre falschen Schlüsse, solche Meinungen beybringen, die mit derPflicht gegen ihren Nächsten nicht bestehen können, oder der öffentlichen Glückseligkeit schädlich sind, indem sie die stärksten Antreibungen zu guten Diensten und die Sicherheit vor Jnjurien aufheben. Jedoch da es nicht leicht zu befürchten ist, daß solche irrige Lehren bey einer gesitteten Nation, wo die Wissenschaften und Künste zunehmen, die Oberhand behalten werden, und hingegen die öffentlichen Beund ihrer Beobachtung. 937Neunter Abschnitt.strafungen ausser dem allgemeinen Mitleiden der Menschen, einen Narren in seinem Aberwitze und Unsinn bestärken, und bey schwachen Gemüthern den Verdacht erwecken werden, daß die Gründe auf dieser Seite stärker als auf jener seyn; so haben es einige vor eine obrigkeitliche Klugheit angesehen, wo keine offenbare Gefahr bey der Ausbreitung solcher Meinungen ist, sie der Beurtheilung des ganzen menschlichen Geschlechts zu überlassen, solchen Leuten, die allem Gewissen entsagt haben, nichts anzuvertrauen, und nur alsdenn zu strafen, wenn die Grundsätze durch böseHandlungen sich an den Tag legen.


11 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Der Anfang seiner vorgegebnen Sendung war ausserordentlich stürmisch. Die Einwohner von Mecca, unter welchen er seine Schwärmerey ausbreiten wollte, erklären sich wider des Verfassers. ihn, und drohen ihm mit nichts geringern als mit dem Tode. Da er die Flucht zu ergreiffen genöthiget wird, um sich den Nachstellungen seiner Feinde zu entziehen, so flieht er nach Medina, und predigt daselbst viel ungescheueter, als vorher. Die Verfolgung, die man zu Mecca wider ihn erregt hatte, feuert ihn an, und er weiß auf eine geschickte Art sich ein Verdienst daraus zu machen. Damit das Andenken der mißlichen Umstände, in welchen er sich damals befand, auf ewig erhalten werde, so machen seine Anhänger eine berühmte Epoche daraus, welche noch bis jetzt in einem grossen Theile der ganzen Welt, wo man der Lehre dieses vorgegebnen Propheten folgt, bestehet. Diese Epoche heißt Hegire, welches Wort in dem Arabischen die Flucht bedeutet. Ich werde weiter unten in dieser Vorrede davon reden, und zeigen, wie man sie mit der christlichen Zeitrechnung vergleichen könne.


12 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Othman wird ermordet. Ali gelangt endlich zur Regierung, und erlangt ein sehr grosses Ansehen, welches aber mehr auf die Schwärmerey seiner Anhänger, als auf ein wirkliches Verdienst gegründet ist. Die Perser, zum Exempel, und einige andere Völker, haben gegen diesen Califen eine besondere Ehrerbietung. Sie betrachten ihn als den einzigen wahrhaften Nachfolger des Mahomets, und wollen folglich die drey ersten Califen nicht erkennen. Sie lassen sich in die übertriebensten Lobeserhebungen dieses Regenten aus, und halten ihn für einen der allergrößten Fürsten, welche die Araber in ihrer Monarchie gehabt haben.


13 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Hierauf will ich einen Auszug aus dem Leben des berühmten Mahomets, des Stifters ihrer Monarchie, mittheilen. Man wird sehen, wie er unter ihnen gebohren wird; wie er den verwegnen Vorsatz faßt, sein Vaterland sich unterwürfig zu machen, und dessen Grenzen zu erweitern; wie er sich zum Haupte einer neuen Religion macht; wie er die unumschränkte Oberherrschaft fest setzt, und sie seinen Nachfolgern hinterläßt; und wie er allen seinen Fortgang niemanden zu danken hat, als derSchwärmerey und seinem Degen.


14 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Die Kenntniß, die er von dem Genie seiner Nation hatte, versprach ihm bey der Ausführung seines Unternehmens einen glücklichen Fortgang. Er wußte, daß die Araber von Natur lebhaft und für alle Neuigkeiten eingenommen wären. Ueber dieses machte sie der hitzige Himmelsstreich, unter welchem sie wohnten, geschickt, die Täuschungen der Schwärmerey leicht anzunehmen. Er hatte den Beweis davon an den verschiednen Secten vor den Augen, die sich unter diesen Völkern eingeschlichen hatten, bey welchen man eine närrische Vermischung von Juden und Christen aller Arten wahrnahm, die aber gleichwohl nur eine sehr geringe Zahl, in Vergleichung mit dem Heidenthume ausmachten, welches damals die herrschende Religion zu seyn schien.


15 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Cadhige, welche entweder betrogen war, oder sich stellte, als ob sie es wäre, streute überall aus, ihr Mann habe Eingebungen, und sey ein Prophet. Eine so besondre Neuigkeit fand anfangs nur in seinem Hause, und unter Leuten von der niedrigsten Sorte, Glauben. Diesen machte die Freygebigkeit des Mahomets Muth; sie wurden also gar bald die eyfrigsten Jünger dieses neuen Apostels. Ihre erhitzteEinbildungskraft, machte, daß sie alles glaublen<glaubten>, was sie gehört hatten; die Gemeinschaft des Mahomets mit dem Himmel ward unter ihnen zur unwidersprechlichen Wahrheit, und seine epileptischen Anfälle wurden als die offenbarsten Beweise seiner Eingebungen angesehn. Es währte nicht lange, so eignete man ihm gar Wunder zu. Der unwissende Pöbel, welcher allezeit für das Wunderbare und Neue eingenommen ist, nahm alles, was man ihm ausserordentliches erzehlte, mit der größten Begierde auf, und endlich wuchs die Anzahl der Schüler des Mahomets unmerklicher Weise so sehr, daß die Obrigkeit in Mecca sich mit ihrem Ansehen darein zu legen beschloß, um der Schwärmerey zu steuern.