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46 - Von den Trauerspielen /

Die Verbindung der Auftritte, welche alle beson dern Handlungen eines jeden Aufzuges mit einander verknüpft, und wovon ich in der Untersuchung des Kammermägdchens geredt habe, ist eine große Zier de eines Gedichts, und hilft durch die Fortwährung der Vorstellung viel zur Fortwährung der Handlung; sie ist aber dem ohngeachtet nur eine Zierde und keine 550 II. P. Corneille dritte Abhandlung, Regel. Die Alten haben sich derselben nicht allezeit unterworfen, obgleich größtentheils ihre Aufzüge nur aus zwey oder drey Auftritten bestehen, welches ihnen diese Verbindung viel leichter machte, als uns, die wir einem Aufzuge oft neun bis zehn Auftritte geben. Ich will nur zwey Exempel anführen, wie nachläßig sie hierinne gewesen sind. Das eine ist in dem Ajax des Sophokles, wo dieMonologe, die er, ehe er sich tödtet, hält, nichtdie geringste Verbindung weder mit dem vorhergehenden noch dem darauf folgenden Auftritte hat. Das andre ist in dem dritten Aufzuge des Evnuchus, wo der Auftritt des Antipho keine Verbindungmit dem Chremes oder der Pythias hat, welche vorher von der Bühne gehen. Die Gelehrten unsresJahrhunderts, die sie in ihren uns nachgelassenenTrauerspielen zum Muster genommen haben, sindnoch viel nachläßiger mit dieser Verbindung, als sie selbst, umgegangen. Hiervon überzeugt zu seyn, darf man nur einen Blick auf die Stücken des Buchananus, Grotius und Heinsius werfen, wovon ich in der Untersuchung des Polyeuct gesprochen habe. Wir aber haben unsere Zuschauer an diese Verbindung so sehr gewöhnt, daß sie keinen unverknüpften Auftritt mehr sehen können, ohne ihn als einen Fehler anzumerken. Auge und Ohr ärgern sich daran, ehe noch der Verstand seine Betrachtung darüber anstellen kann. Eben dieser Fehler macht den vierten Aufzug im Cinna schlechter als die übrigen; und das was vorher keine Regel war, ist es durch den beständigen Gebrauch geworden.


47 - Von den Trauerspielen /

Obgleich die Handlung des dramatischen Gedichts ihre Einheit haben muß, so muß man doch zwey Theiledabey beobachten, die Verwicklung und die Auflösung. Die Verwicklung besteht, nach dem Aristoteles, theils aus dem, was außer der Bühne vor Anfang der Handlung, die man beschreibt, vorgefallen ist, theils aus dem, wasin dem Stücke wirklich vorgeht; das übrigegehört zur Auflösung. Die Veränderung eines Glücks in das andre macht die Theilungdieser beyden Theile. Alles was vor dieser Veränderung vorher geht, gehört zum ersten, und die Verändrung selbst nebst dem, wasdarauf folgt, gehören zum andern. Die Ver von den drey Einheiten. 553wicklung hanget gänzlich von der Wahl und ämsigen Einbildung des Dichters ab, und man kann keine Regeln darvon geben, außer, daß er alles nach dem Wahrscheinlichen und Nothwendigen, wovon wir inder zweyten Abhandlung geredt haben, einrichtenmüsse: diesem füge ich noch einen guten Rath bey;daß er sich mit dem, was vor der Handlung geschehen, so wenig als möglich zu thun machen muß. Die Erzählungen desselben sind gemeiniglich zur Last, weil sie unerwartet kommen, und dem Geiste der Zuschauerallzuvielen Zwang anthun, die ihr Gedächtniß mit dem beschweren müssen, was zehn oder zwölf Jahr vorher geschehen ist, wenn sie das, was jetzo geschehen soll, verstehen wollen. Die Erzählungen abervon dem, was wirklich hinter der Bühne geschieht,thun allezeit eine bessere Wirkung, weil sie mit Neugier erwartet werden, und einen Theil der vorgestelltenHandlung ausmachen. Eine von den Ursachen, diedem Cinna so vielen hohen Beyfall verschafft haben,und ihn über alles, was ich gemacht habe, setzen, ist,daß keine einzige Erzählung von dem Vergangenen darinne vorkommt; denn die Erzählung, die er von seiner Verschwörung der Aemilia macht, ist vielmehr eine Zierde, die den Witz der Zuschauer kützelt, als eine nothwendige Erklärung besonderer Umstände, die sie wissen und behalten mußten, wenn sie das übrige verstehen wollten. Aemilie giebt ihnen in den zwey ersten Auftritten genugsam zu verstehen, daß er ihr zu Gefallen sich wider den August verschworen habe, und wenn ihr Cinna bloß und allein sagte, daß sich die Verschwornen auf Morgen fertig hielten, so würde es für die Handlung eben so viel seyn, als daß er ihr 554 II. P. Corneille dritte Abhandlung, in hundert Versen von dem, was er ihnen gesagt, und von der Art wie sie ihn empfangen, Rechenschaft giebt. Es giebt Verwicklungen, die mit der Geburt des Helden anfangen, wie im Heraclius; allein diese besondern Anstrengungen der Erfindungskraft, erfodern auch eine besondre Anstrengung der Aufmerksamkeit bey den Zuschauern, und matten sie so sehr ab, daß sie oft verhindern werden, das ganze Vergnügen der ersten Vorstellungen zu empfinden.


48 - Von den Trauerspielen /

Obgleich die Handlung des dramatischen Gedichts ihre Einheit haben muß, so muß man doch zwey Theiledabey beobachten, die Verwicklung und die Auflösung. Die Verwicklung besteht, nach dem Aristoteles, theils aus dem, was außer der Bühne vor Anfang der Handlung, die man beschreibt, vorgefallen ist, theils aus dem, wasin dem Stücke wirklich vorgeht; das übrigegehört zur Auflösung. Die Veränderung eines Glücks in das andre macht die Theilungdieser beyden Theile. Alles was vor dieser Veränderung vorher geht, gehört zum ersten, und die Verändrung selbst nebst dem, wasdarauf folgt, gehören zum andern. Die Ver von den drey Einheiten. 553wicklung hanget gänzlich von der Wahl und ämsigen Einbildung des Dichters ab, und man kann keine Regeln darvon geben, außer, daß er alles nach dem Wahrscheinlichen und Nothwendigen, wovon wir inder zweyten Abhandlung geredt haben, einrichtenmüsse: diesem füge ich noch einen guten Rath bey;daß er sich mit dem, was vor der Handlung geschehen, so wenig als möglich zu thun machen muß. Die Erzählungen desselben sind gemeiniglich zur Last, weil sie unerwartet kommen, und dem Geiste der Zuschauerallzuvielen Zwang anthun, die ihr Gedächtniß mit dem beschweren müssen, was zehn oder zwölf Jahr vorher geschehen ist, wenn sie das, was jetzo geschehen soll, verstehen wollen. Die Erzählungen abervon dem, was wirklich hinter der Bühne geschieht,thun allezeit eine bessere Wirkung, weil sie mit Neugier erwartet werden, und einen Theil der vorgestelltenHandlung ausmachen. Eine von den Ursachen, diedem Cinna so vielen hohen Beyfall verschafft haben,und ihn über alles, was ich gemacht habe, setzen, ist,daß keine einzige Erzählung von dem Vergangenen darinne vorkommt; denn die Erzählung, die er von seiner Verschwörung der Aemilia macht, ist vielmehr eine Zierde, die den Witz der Zuschauer kützelt, als eine nothwendige Erklärung besonderer Umstände, die sie wissen und behalten mußten, wenn sie das übrige verstehen wollten. Aemilie giebt ihnen in den zwey ersten Auftritten genugsam zu verstehen, daß er ihr zu Gefallen sich wider den August verschworen habe, und wenn ihr Cinna bloß und allein sagte, daß sich die Verschwornen auf Morgen fertig hielten, so würde es für die Handlung eben so viel seyn, als daß er ihr 554 II. P. Corneille dritte Abhandlung, in hundert Versen von dem, was er ihnen gesagt, und von der Art wie sie ihn empfangen, Rechenschaft giebt. Es giebt Verwicklungen, die mit der Geburt des Helden anfangen, wie im Heraclius; allein diese besondern Anstrengungen der Erfindungskraft, erfodern auch eine besondre Anstrengung der Aufmerksamkeit bey den Zuschauern, und matten sie so sehr ab, daß sie oft verhindern werden, das ganze Vergnügen der ersten Vorstellungen zu empfinden.


49 - Von den Trauerspielen /

Von der Handlung komme ich auf die Aufzüge,deren jeder einen Theil davon enthalten muß, welcheraber eben nicht so gar gleich seyn darf, daß man demletzten Aufzuge nicht mehr als den übrigen, und demersten nicht weniger als den letztern geben könne. Mankann in dem ersten Aufzuge meistentheils nichts thun,als daß man die Sitten der Personen schildert, undanmerkt, wie sie unter einander bey dem Anfange des Stücks stehen. Aristoteles schreibt die Anzahl der Aufzüge nicht vor. Horaz schränkt sie auf fünfe ein, und ob er gleich wenigere zu machen verbietet, so bleiben doch die Spanier bey ihren dreyen, und die Italiener thun oft ein gleiches. Die Griechen unterschieden sie durch den Gesang des Chors, und weil ich in einigen von ihren Stücken finde, daß sie mehr als viermal haben singen lassen, so will ich nicht dafür stehen, daß sie nicht dann und wann mehr als fünf Aufzüge gemacht. Diese Art sie zu unterscheiden war weit unbequemer, als die unsrige ist; denn entweder man hörte auf das was gesungen ward, oder man hörte nicht drauf. Hörte man drauf, so blieb derGeist der Zuschauer allzu sehr angestrengt, und siehatten niemals Zeit sich zu erholen. Hörte man abernicht drauf, so wurde die Aufmerksamkeit des Zu von den drey Einheiten. 557hörers allzusehr durch die Länge des Gesangs zerstreut, und wenn ein andrer Aufzug angieng, so mußte er sich erst lange wieder besinnen, wo die Handlung in dem vorigen stehen geblieben war. Unsre Musik hat keine von diesen Unbequemlichkeiten. Der Geist des Zuschauers erholt sich unterdessen da sie spielen, und denkt über das nach, was er gesehen hat, es entweder zu loben oder zu tadeln, nachdem es ihm entweder gefallen oder misfallen hat: die kurze Zeit aber, die gespielet wird, läßt die Gedanken ganz frisch, daß die Zuhörer sich nicht mühsam besinnen noch ihre Aufmerksamkeit erneuern dürfen.


50 - Von den Trauerspielen /

Noch eines muß ich hierbey nicht zu erinnern vergessen: ob wir gleich die ganze Handlung nothwendigin einen Tag einschränken müssen, so können wir doch,unbeschadet dieser Einheit, durch den Weg der Erzählung oder auch durch noch einen feinern Kunstgriff,von vielen, was der Held in ganzen Jahren gethanhat, Nachricht geben, weil es Stücken giebt, deren 566 II. P. Corneille dritte Abhandlung, Verwicklung von der unbekannten Geburt abhänget, wie zum Exempel im Oedipus. Ich will nicht noch einmal erinnern, daß, je weniger man sich mit denvergangenen Handlungen abgiebt, desto günstiger derZuschauer sey, weil man ihm sehr wenig Zwang aufleget, indem man ihm alles gegenwärtig vorstellet,und sein Gedächtniß mit nichts belästiget, als mit demwas er gesehen hat: dieses aber muß ich nicht anzumerken vergessen, daß die Erwählung eines wichtigen und lange Zeit erwarteten Tages eine große Zierde des Gedichts sey. Man hat nicht immer die Gelegenheit darzu, und unter allen von mir verfertigten Stücken wird man nicht mehr als viere von dieser Art finden: die Horazier, wo eine Schlacht die Herr schaft zweyer Völker entscheiden soll, die Rodogune, die Andromeda, und den Don Sancho. In der Rodogune ist es ein Tag, der von zwey Monarchenzur Schließung der Friedenstractaten zwischen ihren uneinigen Kronen, zur gänzlichen Aussöhnungzweyer Nebenbuhler durch eine Heirath und zurEntdeckung eines zwanzigjährigen Geheimnisses be stimmet ist. Der Tag in der Andromeda und im D. Sancho ist nicht von geringerer Wichtigkeit; wie ich aber gesagt habe, so sind dergleichen Gelegenheiten nur selten, und in meinen übrigen Stücken habe ich keine andre Tage wählen können, als solche die der Zufall, nicht aber die öffentliche Bestimmung, merkwürdig machte.


51 - La Poésie Dramatique /

De quoi s'agiroit-il en effet? De disposer le poëme de maniere que les choses y fussent amenées comme l'abdication de l'empire l'est dans Cinna. C'est ainsi qu'un Poëte agiteroit la question du suicide, de l'honneur, du duel, de la fortune, des dignités & cent autres. Nos Poëmes en prendroient une gravité qu'ils n'ont pas. Si une telle scene est nécessaire, si elle tient au fond, si elle est annoncée & que le spectateur la desire, il y donnera toute son attention, & il en sera bien autrement affecté que de ces petites sentences alambiquées dont nos ouvrages modernes sont cousus.


52 - La Poésie Dramatique /

O Poëtes dramatiques, l'applaudisse- ment vrai que vous devez vous proposer d'obtenir, ce n'est pas ce battement de mains qui se fait entendre subitement après un vers éclatant, mais ce soupir profond qui part de l'ame après la contrainte d'un long silence, & qui la soulage. Il est une impression plus violente encore, & que vous concevrez, si vous êtes nés pour votre Art & si vous en pressentez toute la magie: c'est de mettre un peuple comme à la gêne. Alors les esprits seront troublés, incertains, flottans, éperdus, & vos spectateurs tels que ceux qui dans les tremblemens d'une partie du globe, voient les murs de leurs maisons vaciller, & sentent la terre se dérober sous leurs pieds.


53 - La Poésie Dramatique /

Pour moi, je fais plus de cas d'une passion, d'un caractere qui se dévelope peu-à-peu, & qui finit par se montrer dans toute son énergie, que de ces combinaisons d'incidens dont on forme le tissu d'une piéce où les personnages & les spectateurs sont également ballotés. Il me semble que le bon goût les dédaigne, & que les grands effets ne s'en accommodent pas. Voilà cependant ce que nous appellons du mouvement. Les Anciens en avoient une autre idée. Une conduite simple, une action prise le plus près de sa fin pour que tout fût dans l'extrême, une catastrophe sans cesse imminente & toujours éloignée par une circonstance simple & vraie, des discours énergiques, des passions fortes, des tableaux, un ou deux caracteres fermement dessinés: voilà tout leur appareil. Il n'en falloit pas davantage à Sophocle pour renverser les esprits. Celui à qui la lecture des Anciens a déplu, ne saura jamais combien notre Racine doit au vieil Homere.


54 - La Poésie Dramatique /

N'avez-vous pas remarqué comme moi, que quelque compliquée que fût une piéce, il n'est presque personne qui n'en rendît compte au sortir de la premiere représentation. On se rappelle facilement les événemens, mais non les discours; & les événemens une fois connus, la piéce compliquée a perdu son effet.


55 - La Poésie Dramatique /

Aristote dit en quelque endroit de sa Poétique: soit que vous travailliez sur un sujet connu, soit que vous en tentiez un nouveau, commencez par esquisser la Fable, & vous penserez ensuite aux épisodes ou circonstances qui doivent l'étendre. Est-ce une Tragédie? dites: une jeune Princesse est conduite sur un autel pour y être immolée; mais elle disparoît tout-à-coup aux yeux des spectateurs, & elle est transportée dans un pays où la coutume est de sacrifier les étrangers à la Déesse qu'on y adore. On la fait Prêtresse. Quelques années après, le frere de cette Princesse arrive dans ce pays: il est saisi par les habi- tans; & sur le point d'être sacrifié par les mains de sa sœur, il s'écrie: ce n'est donc pas assez que ma sœur ait été sacrifiée, il faut que je le sois aussi! A ce mot il est reconnu & sauvé.


56 - La Poésie Dramatique /

Tel est, si je ne me trompe, l'effet du discours de Frosine dans l'Avare. Elle s'engage à détourner l'Avare du dessein d'épouser Marianne par le moyen d'une Vicomtesse de Basse-Bretagne dont elle se promet des merveilles & le spectateur avec elle. Cependant la piéce finit, sans qu'on revoie ni Frosine, ni sa Basse-Bretonne qu'on attend toujours.


57 - La Poésie Dramatique /

Ce qu'il y a d'historique dans un drame est connu d'assez peu de personnes; si cependant le poëme est bien fait, il intéresse également tout le monde, plus peut-être le spectateur ignorant que le spectateur instruit. Tout est d'une égale vérité pour celui-là, au lieu que les épisodes ne sont que vraisemblables pour celui-ci. Ce sont des mensonges mêlés à des vérités avec tant d'art, qu'il n'éprouve aucune répugnance à les recevoir.


58 - La Poésie Dramatique /

Dans les piéces compliquées, l'intérêt est plus l'effet du plan que des discours; c'est au contraire plus l'effet des discours que du plan, dans les piéces simples. Mais à qui doit-on rapporter l'intérêt? Est-ce aux personnages? Est-ce aux spectateurs?


59 - La Poésie Dramatique /

Les spectateurs ne sont que des témoins ignorés de la chose.


60 - La Poésie Dramatique /

Je suis si loin de penser avec la plûpart de ceux qui ont écrit de l'Art dramatique, qu'il faille dérober auspectateur le dénouement, que je ne croirois pas me proposer une tâche fort au-dessus de mes forces, si j'entrepre- nois un drame où le dénouement seroit annoncé dès la premiere scene, & où je ferois sortir l'intérêt le plus violent de cette circonstance même.