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31 - Der natürliche Sohn /

Ich lese ohne Verstand.


32 - Der natürliche Sohn /

Nach langen Verdrießlichkeiten, ist die Einsamkeit so reitzend! Man athmet in ihr freyer. Ich genoß meiner selbst. Ich genoß meines vergangnen Elendes. Es schien mir meinen Verstand geläutert zu haben. Lesen, spatzieren, mit meinem Bruder mich unterhalten, das waren die Beschäftigungen meiner immer unschuldigen und manchmal recht süssen Tage. Clairville sprach mit mir ohne Unterlaß von seinem strengen und erhabnen Freunde. Mit welchem Vergnügen hörte ich ihm zu! Wie begierig ward ich, einen Mann kennen zu lernen, den mein Bruder liebte, den er so viel Ursache zu verehren32 hatte, und der in seinem Herzen die ersten Keime der Tugend entwickeln helfen!


33 - Der natürliche Sohn /

Verläßt Sie denn ganz ihr Verstand, Mademoiselle? Itzt, da wir alle Augenblicke einem Vater entgegen sehen! Itzt, den Tag vor ihrer Vermählung! Ich wiederhohle es: verläßt Sie denn ganz ihr Verstand?


34 - Der natürliche Sohn /

(bleibet ein wenig erstaunt und sagt hierauf)Ist das also die Ursache dieser Seufzer, dieses Stillschweigens, dieser Thränen? -- O nunmehr, nunmehr mögen die Mannspersonen nur immer sagen, daß wir nicht wohl gescheut sind; daß wir uns heut in einen Gegenstand vernarren, den wir morgen tausend Meilen von uns zu seyn wünscheuwünschen. Mögen sie doch nun von uns sagen, was sie wollen; ich will des Todes seyn, wenn ich ein Wort darwider einwende. -- Sie haben doch wohl nicht gehoft, Mademoiselle, daß ich diesen Eigensinn billigen würde? -- Clairville liebt sie außer Maassen; über alles. Sie haben keine Ursache, sich über ihn zu beklagen. Hat sich jemals ein Frauenzimmer schmeicheln können, eines zärtlichen, getreuen, rechtschaffnen Liebhabers gewiß zu seyn; sich einem Manne von Verstande, von Bildung, von Sitten ergeben zu haben: so sind Sie es. Einem Manne von Sitten, Mademoiselle, von Sitten! -- Es hat mir nie in den Kopf gewollt, daß man aufhören könne zu lieben; noch weniger, daß man ohne Ursache43 aufhören könne. Dahinter muß etwas stecken, was über meine Begriffe geht.


35 - Der natürliche Sohn /

Aber auch nichts wahrscheinlich genug. Sehen Sie denn nicht, wie viel Zeit man braucht, eine solche Menge von Umständen zu verbinden? Die Künstler mögen sich wegen ihrer Gabe, dergleichen Zufälle zu bereiten, immerhin glücklich schätzen. Ich werde ihnen Erfindung zugestehen, aber keinen wahren Geschmack. Je einfacher der Verlauf eines Stücks ist, desto schöner ist es. Ein Dichter, der diesen Theaterstreich und die Stellung in dem fünften Aufzuge erdacht hätte, wo ich zu Rosalien trete, und ihr Clairvillen zu hinterst in dem Saale, auf 148 einem Canapee, in der Fassung eines verzweifelnden Menschen zeige, würde wenig Verstand beweisen, wenn er den Theaterstreich dem Gemälde vorzöge. Jenes ist beynahe ein Kinderspiel. Dieses ist ein Zug des Genies. Ich rede ohne Partheylichkeit davon. Ich habe beydes nicht erfunden. Der Theaterstreich ist eine wahre Begebenheit. Das Gemälde ist ein glücklicher Umstand, der sich von ohngefehr eräugnete, und den ich zu nutzen wußte.


36 - Der natürliche Sohn /

Ich möchte gar zu gern (sagte er gleich anfangs) diese furchtsamen Geister, die sich außer dem, was sie wirklich vor sich haben, nichts einbilden können,überreden, daß wenn die Sachen ganz anders wären, sie doch nichts weniger damit zufrieden seyn würden; daß sie alsdenn, da das Ansehen der Vernunft bey ihnen nichts gilt, dasjenige billigen würden, was sie itzt tadeln, so wie sie oft gnug das 178 getadelt haben, was sie vorher billigten. -- In den schönen Künsten richtig zu urtheilen, muß man verschiedne seltene Eigenschaften verbinden -- Ein grosser Geschmack setzet einen grossen Verstand voraus, eine lange Erfahrung, eine rechtschaffne undempfindliche Seele, einen erhabnenGeist, ein etwas melancholisches Temperament, und feine sinnliche Werkzeuge. --


37 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

d. i. Diejenigen, welche zuerst Profession davon gemachthaben, die Declamation der theatralischen Stücke zu componiren, und sie auf der Bühne aufführen zu lassen, haben sehr weislich daran gethan, wenn sie festgesetzt, daß jeder Gestus miteinem Verstande anfangen, und sich mit demselben auch zu gleicher Zeit schliessen solle. Siehaben Grund gehabt, diese Regel vorzuschreiben,denn beydes ein Gebehrde zu machen, ehe mannoch den Mund aufgethan, und die Gebehrdenoch fortzusetzen, wenn man schon zu reden aufgehört hat, ist gleich unanständig. Es ist wahr, unsre Künstler, weil sie gar zu sinnreich habenseyn wollen, haben sich darinne geirret, wenn siefestgesetzt, daß die Dauer der Aussprache vondrey Worten, auch die Dauer einer Gebehrdeseyn solle. Dieses geschieht natürlicher Weisenicht, und es gehörig in Ausübung zu bringen, kann auch keine Kunst lehren. Doch unsreKünstler haben geglaubt, daß sie nothwendig, (*) Inst. lib. XI. cap. 4.du Bos,es möge aunch kosten, was es wolle, eine Methode vorschreiben müßten, durch die das Maaßeines Gestus bestimmt werde, welcher beydemal, sowohl wenn er zu langsam, als wenn er zuübereilt geschieht, gleich sehr mißfällt; und derGrundsatz, welchen sie deswegen festgesetzt haben, ist das beste, was sie haben erdenken können.

38 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Ich will diese Antwort auch noch mit einerAnmerkung unterstützen. Mit dieser nehmlich,daß sich die Alten ganz andrer Instrumente bedienten, wenn sie die Chöre accompagnirten, und ganz andrer, wenn sie es den redenden Personen thaten. Dieser Gebrauch, bey diesem gedoppelten Accompagniren verschiedene Instrumente zu brauchen, beweiset etwas. Quandoenim chorus canebat choricis tibiis, id estchoraulicis, artifex concinebat. Iis canticisautem Pythaules Pythicis respondebat, sagtDiomedes. (*) Doch dem sey wie ihm wolle; denn wenn es auch wahr wäre, daß der Ausdrucksingen, wenn von dem Gesange desChors die Rede ist, eigentlich zu verstehen sey, so würde doch daraus nicht folgen, daß manauch bey den Reden dieses Wort in eben demsel(*) De Arte Grammatica lib. 3.du Bos,benVerstande nehmen müsse. Unsere Beweisebleiben demohngeachtet noch überzeugend genug.


39 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Allein, wird man mir einwerffen, ihr scheinetdie alten Schauspieler einer Sache wegen zu loben, die für einen Fehler gehalten wird. Dennwenn man von einem Schauspieler sagt, er singe, so glaubt man ihn zu tadeln. Ich antworte hierauf, daß unserm Gebrauche nach dieser Ausdruckwirklich ein Vorwurf ist; allein er ist es bloßwegen des eingeschränkten Sinnes, in welchemwir das Wort singen zu nehmen gewohnt sind, wenn wir uns seiner bey der theatralischen Declamation bedienen. Es ist eingeführt, daß mandem Schauspieler nur alsdenn das Singen vorwirft, wenn er zur Unzeit singt, wenn er sichohne Verstand in Ausruffungen verirret, die sichzu dem, was er sagt, gar nicht schicken; undwenn er durch rauschende hochtrabende Töne voller Nachdruck, den die Verse gar nicht verlangen, in seine Declamation das falsch Pathetischebringt, welches allezeit lächerlich ist. Hingegensagt man nicht, daß ein Schauspieler singe, wenner die Seufzer, die scharfen und gelinden Accente, und alle die abwechselnden Töne niemals anders als zur rechten Zeit brauchet; und nur indenjenigen Scenen, wo es der Verstand erlaubet, eine Declamation hören läßt, die dem musikalischen Gesange nahe kömmt. Man hat niemals du Bos,der Schauspielerin, welche noch jezt dann undwann die Rolle der Phädra in dem Trauerspieledes Racine zu spielen die Gewogenheit hat, vorgeworffen, daß sie diejenige Rede, die sich mitden Worten: Juste ciel! qu'ai-je fait aujourd'hui? anfängt, singe, obgleich ihre Declamation alsdenn von einem musikalischen Gesangeweiter in nichts, als darinn unterschieden ist,daß die Töne, welche eine Person im Declamirenhören läßt, nicht so einzeln und abgesondert heraus gebracht werden, auch ihre Vollkommenheitnicht in eben denselben Theilen der Sprachgefässe erhalten, als die Töne, welche eine Personim Singen hören läßt.


40 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Allein, wird man mir einwerffen, ihr scheinetdie alten Schauspieler einer Sache wegen zu loben, die für einen Fehler gehalten wird. Dennwenn man von einem Schauspieler sagt, er singe, so glaubt man ihn zu tadeln. Ich antworte hierauf, daß unserm Gebrauche nach dieser Ausdruckwirklich ein Vorwurf ist; allein er ist es bloßwegen des eingeschränkten Sinnes, in welchemwir das Wort singen zu nehmen gewohnt sind, wenn wir uns seiner bey der theatralischen Declamation bedienen. Es ist eingeführt, daß mandem Schauspieler nur alsdenn das Singen vorwirft, wenn er zur Unzeit singt, wenn er sichohne Verstand in Ausruffungen verirret, die sichzu dem, was er sagt, gar nicht schicken; undwenn er durch rauschende hochtrabende Töne voller Nachdruck, den die Verse gar nicht verlangen, in seine Declamation das falsch Pathetischebringt, welches allezeit lächerlich ist. Hingegensagt man nicht, daß ein Schauspieler singe, wenner die Seufzer, die scharfen und gelinden Accente, und alle die abwechselnden Töne niemals anders als zur rechten Zeit brauchet; und nur indenjenigen Scenen, wo es der Verstand erlaubet, eine Declamation hören läßt, die dem musikalischen Gesange nahe kömmt. Man hat niemals du Bos,der Schauspielerin, welche noch jezt dann undwann die Rolle der Phädra in dem Trauerspieledes Racine zu spielen die Gewogenheit hat, vorgeworffen, daß sie diejenige Rede, die sich mitden Worten: Juste ciel! qu'ai-je fait aujourd'hui? anfängt, singe, obgleich ihre Declamation alsdenn von einem musikalischen Gesangeweiter in nichts, als darinn unterschieden ist,daß die Töne, welche eine Person im Declamirenhören läßt, nicht so einzeln und abgesondert heraus gebracht werden, auch ihre Vollkommenheitnicht in eben denselben Theilen der Sprachgefässe erhalten, als die Töne, welche eine Personim Singen hören läßt.


41 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man kann sich ganz wohl vorstellen, wie esdie Pantomimen müssen gemacht haben, umeine Handlung deutlich zu bezeichnen, und durch(*) Sidon. Car. 23. ver. 268.(**) Sirm. in not. ad Sidon. p. 157.von den theatr. Vorstell. der Alten.Gebehrden in ihrem eigentlichen Verstande genommene Worte zu verstehen zu geben, als derHimmel, die Erde, der Mensch; wohin ich auchdie Zeitwörter rechne, die eine Handlung odereine leidende Beschaffenheit bedeuten. Wie aberkonnten sie, wird man fragen, die Worte zuverstehen geben, die in figürlichem Verstande genommen werden, und die in der poetischenSchreibart so häufig sind? Vors erste will ichhierauf antworten, daß man manchmal aus demSinn der ganzen Redensart den Verstand dieserfigürlich genommenen Worte schliessen konnte.


42 - Histoire toute véritable. /

L'aînée de ces deux sœurs peut être citée pour belle, & la cadette est très-jo-lie: l'une est faite pour causer de l'admiration, l'autre est plus propre à donner de l'amour: l'aînée que je nommerai Lucille, a du merveilleux dans l'esprit; Marianne sa cadette se contente d'avoir du naturel & de l'enjouëment; elle joint à cela un bon cœur, & beaucoup de raison: Lucille a aussi de la raison, mais elle a un fond de fierté & d'amour pour elle-même, qui l'empêche d'aimer les autres. Marianne aimoit sa sœur tendrement, quoique cette aînée méprisante prit sur elle certaine supériorité, que les femmes graves croient avoir sur les enjoüées. Lucille s'avantçoit à pas lents vers le bout de la terasse qui regarde la mer; elle étoit triste depuis quelques jours; Marianne la plaisantoit, sur ce que leur Pere vouloit la marier par interêt de famille, à un Gentil-homme voisin, qui n'étoit ni jeune ni aimable. Ce mariange ne vous convient guéres, lui disoit Marianne en badinant, vous étiez née pour épouser à la fin d'un Roman, quelque Cyrus, ou quelque Orondate.


43 - Eine Geschichte /

Die älteste von diesen zwey Schwestern ist schön; die jüngste ist sehr artig; die eine erweckt Bewunderung, die andre Liebe. Die älteste, welche ich Lucile nennen will, liebt das Abentheuerliche; Marianne ihre jüngere Schwester begnügt sich natürlich und aufgeweckt zu seyn, womit sie ein gutes Herz und viel Verstand verbindet. Lucile hat auch Verstand; zu viel spröde Gesinnung und Eigenliebe aber, andre ausser sich zu lieben. Marianne liebte ihre Schwester zärtlich, die sich gleichwohl, aus Stolz, eine Art von Herrschaft über sie anmaßte, welche ernsthafte Frauenzimmer über aufgeweckte zu haben vermeinen.Lucilenäherte sich mit langsamen Schritten dem Ufer des Meeres. Sie war seit einigen Tagen traurig. Marianne zog sie damit auf, daß sie der Vater, aus eigennützigen Absichten, an einen benachbarten Edelmann, welcher weder jung noch liebenswürdig war, verheyrathen wollte. Diese Heyrath ist gar nicht für dich, sagt Marianne scherzend zu ihr. Du bist gebohren, am Ende eines Romans, einen Cyrus oder einen Orondates zu heyrathen.


44 - Examen de in genios para las Sciencias /

sabiendo por experiencia, que enseñar co sas delicadas a hombres de baxo entendimien to, era gastar el tiempo en vano, quebrarse la cabeça, y echar a perder la dotrina. Lo segun do que hazia

45 - Examen de in genios para las Sciencias /

porque par a dar Dios a un angel mas grados de gloria, y mas su bidos dones, le da primero mas delicada natu raleza. y preguntando a los Theologos, de que sirve est a naturaleza tan delicada, dizen, que el Angel que tiene mas subido entendimiento, y mejor natural, se convierte con mas facilidad a Dios, y usa del don con mas efficacia