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46 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Das dramatische System, nach seinem ganzen Umfange wäre also dieses: Die lustigeKomödie, welche das Laster und das Lächerliche zum Gegenstande hat; die ernsthafte Komödie, welche die Tugend und die Pflichten des Menschen zum Gegenstande hat; dasTrauerspiel, das unser häußliches Unglück zum Gegenstande hätte; und die Tragödie, welche zu ihrem Gegenstande das Unglück der Großen und die Unfälle ganzer Staaten hat.


47 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Nur die Tugend und die Tugendhaften muß man zu seinem beständigen Augenmerke haben, wenn man schreibt. Sie, mein Freund, Sie ruffe ich mir zu Sinne, wenn ich die Feder ergreiffe; Sie stelle ich mir vor Augen, wenn ich handele. Sophien, Sophien will ich gefallen. Haben Sie mir zugelächelt, hat sie eine Thräne vergossen, lieben Sie mich beide darum so vielmehr: so bin ich belohnt genug.


48 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Nur die Tugend und die Tugendhaften muß man zu seinem beständigen Augenmerke haben, wenn man schreibt. Sie, mein Freund, Sie ruffe ich mir zu Sinne, wenn ich die Feder ergreiffe; Sie stelle ich mir vor Augen, wenn ich handele. Sophien, Sophien will ich gefallen. Haben Sie mir zugelächelt, hat sie eine Thräne vergossen, lieben Sie mich beide darum so vielmehr: so bin ich belohnt genug.


49 - Von der dramatischen Dichtkunst /

kann nichts beweisen. Und wenn Sie das einförmige Gespräch von Tugend nicht durch einige lächerliche und wohl gar, wie es mehrere gethan haben, durch ein wenig übertriebene Charaktereunterbrechen: so fürchte ich sehr, ihre ehrbare und ernsthafte Gattung, Sie mögen davon sagen was Sie wollen, wird zu nichts als frostigen und unscheinbaren Scenen, zu einer langweiligen und traurigen Moral, zu einer Art von dialogischen Predigten verhelffen.

50 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Schauplatz ist der einzige Ort, wo sich die Thränen des Tugendhaften und des Bösen vermischen. Hier läßt sich der Bösewider Ungerechtigkeiten aufbringen, die er selbst begangen hätte; hier hat er bey Unglücksfällen Mitleiden, die er selbst veranlaßt hätte; hier ergrimmt er gegen Personen von seinem eigenen Charakter. Aber der Eindruck ist geschehen, und er bleibt, auch wider unsern Willen; der Böse gehet also aus dem Schauplatze weit weniger geneigt, übels zu thun, als wenn ihm ein ernster und strenger Redner eine Strafpredigt gehalten hätte.


51 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Dichter, der Romanenschreiber, der Schauspieler dringen verstohlner Weise ans Herz, und treffen es um so viel gewisser und stärker, je weniger es den Streich vermuthet, je mehr Blösse es folglich giebt. Die Unglücksfälle, durch die man mich rühret, sind erdichtet: was thut das? Sie rühren mich doch. Jede Zeile in dem Ehrlichen Manne, der sich der Welt entzogen, im Dechant von Killerine, im Cleveland, erregt in mir ein zärtliches Theilnehmen an den Unglücksfällen der Tugend, und kostet mich Thränen. Könnte es eine unseeligere Kunst geben, als die, die mich zum Mitschuldigen des Laster haften machte? Aber wo ist auch eine schätzbarereKunst als die, die mich unvermerkt für das Schicksal des rechtschaffnen Mannes einnimmt, die mich aus der ruhigen und süssen Fassung, in der ich mich befand, reisset, um mich mit ihm umher zu treiben, mich in die Höhlen zu versetzen, in die er flüchten muß, mich zum Mitgenossen der Unfälle zu machen, durch die es dem Poeten beliebt, seine Beständigkeit auf die Probe zu stellen.


52 - Von der dramatischen Dichtkunst /

O wie sehr ersprießlich würde es für die Menschen seyn, wenn sich alle Künste derNachahmung einen gemeinschaftlichen Gegenstand wählten, und sich einmal mit den Gesetzen dahin verbänden, uns die Tugend liebenswürdig und das Laster verhaßt zu machen! Des Philosophen Pflicht ist es, sie dazu einzuladen; er muß sich an den Dichter, an den Mahler, an den Tonkünstler wenden, und ihnen auf das nachdrücklichste zuruffen: O ihr von höhern Fähigkeiten, warum hat euch der Himmel begabt? Wird er gehört, so werden gar bald die Mauern unsrer Palläste nicht mehr von Gemählden der schändlichsten Wollust bedeckt seyn; unsere Stimmen werden nicht länger die Verkündigerinnen des Lasters seyn, und Geschmack und Tugend werden dabey gewinnen. Glaubt man denn wirklich, daß die Aetion zweyer blinden Eheleute, die einander noch im hohenAlter suchten, die sich mit thränenden Augen zärtlich die Hände drückten, die sich, so zu reden, an dem Rande des Grabes noch liebkosten, nicht eben so viel Geschicklichkeit erfordere, mich nicht weit mehr rühren würde, als der Anblick der heftigen Wollust, in der sich ihre noch ganz neuen Sinne in der Jugend betaumelten.


53 - Von der dramatischen Dichtkunst /

O wie sehr ersprießlich würde es für die Menschen seyn, wenn sich alle Künste derNachahmung einen gemeinschaftlichen Gegenstand wählten, und sich einmal mit den Gesetzen dahin verbänden, uns die Tugend liebenswürdig und das Laster verhaßt zu machen! Des Philosophen Pflicht ist es, sie dazu einzuladen; er muß sich an den Dichter, an den Mahler, an den Tonkünstler wenden, und ihnen auf das nachdrücklichste zuruffen: O ihr von höhern Fähigkeiten, warum hat euch der Himmel begabt? Wird er gehört, so werden gar bald die Mauern unsrer Palläste nicht mehr von Gemählden der schändlichsten Wollust bedeckt seyn; unsere Stimmen werden nicht länger die Verkündigerinnen des Lasters seyn, und Geschmack und Tugend werden dabey gewinnen. Glaubt man denn wirklich, daß die Aetion zweyer blinden Eheleute, die einander noch im hohenAlter suchten, die sich mit thränenden Augen zärtlich die Hände drückten, die sich, so zu reden, an dem Rande des Grabes noch liebkosten, nicht eben so viel Geschicklichkeit erfordere, mich nicht weit mehr rühren würde, als der Anblick der heftigen Wollust, in der sich ihre noch ganz neuen Sinne in der Jugend betaumelten.


54 - Von der dramatischen Dichtkunst /

die Probe der Tugend

55 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Das sind die einzigen Contraste, die mir gefallen. Uebrigens giebt es unter den Charakteren drey Arten des Contrasts. Einen Contrast der Tugend, und einen Contrast des Lasters. Wenn eine Person geitzig ist, so kann eine andere mit ihr, entweder vermittelst der Sparsamkeit oder vermittelst der Verschwendung contrastieren; und sowohl der Contrast der Tugend, als der Contrast des Lasters, kann entweder wirklich oder nur verstellt seyn. Von dieser letzten Art wüßte ich kein Exempel: ich muß aber auch gestehen, daß ich das Theater wenig kenne. Mich dünkt, daß er in der lustigen Komödie keine unangenehme Wirkung haben müßte; aber nur einmal. Ein dergleichen Charakter wäre mit dem ersten Stücke abgenutzt. Ich möchte wohl so einen Menschen sehen, der von einem ganz entgegengesetzten Charakter als ein anderer, nicht wirklich wäre, sondern sich nur zu seyn stellte. Er würde ein Original seyn, dieser Charakter; ob er aber neu seyn würde, das weis ich nicht.


56 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Das sind die einzigen Contraste, die mir gefallen. Uebrigens giebt es unter den Charakteren drey Arten des Contrasts. Einen Contrast der Tugend, und einen Contrast des Lasters. Wenn eine Person geitzig ist, so kann eine andere mit ihr, entweder vermittelst der Sparsamkeit oder vermittelst der Verschwendung contrastieren; und sowohl der Contrast der Tugend, als der Contrast des Lasters, kann entweder wirklich oder nur verstellt seyn. Von dieser letzten Art wüßte ich kein Exempel: ich muß aber auch gestehen, daß ich das Theater wenig kenne. Mich dünkt, daß er in der lustigen Komödie keine unangenehme Wirkung haben müßte; aber nur einmal. Ein dergleichen Charakter wäre mit dem ersten Stücke abgenutzt. Ich möchte wohl so einen Menschen sehen, der von einem ganz entgegengesetzten Charakter als ein anderer, nicht wirklich wäre, sondern sich nur zu seyn stellte. Er würde ein Original seyn, dieser Charakter; ob er aber neu seyn würde, das weis ich nicht.


57 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Für den Dichter ist nichts heilig; nicht einmal die Tugend; auch die wird er lächerlich machen, sobald es die Person und der Augenblick erfordern. Er ist weder gottlos, wenn er ergrimmte Blicke gen Himmel kehret, und in seiner Wuth wider die Götter redet; noch fromm, wenn er sich vor ihre Altäre niederwirft, und ein demüthiges Gebet an sie ergehen läßt.


58 - Von der dramatischen Dichtkunst /


Zu Tugenden erhöhn; auch wollen sie der Welt

59 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Zu dem einen sagt er: Wo bleibt die Standhaftigkeit? Die Weisheit? DieTugend? — Zu dem andern: Deswegen schickte ich die Weiber weg. Zu allen: Was haben wir nun Anytus und Melitus Böses thun können? — Wir werden uns wiedersehen, meine Freunde. — Wenn ihr euch so betrübt, so müßt ihr daran zweifeln.


60 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Wahrheit und Tugend sind die Freundinnen der schönen Künste. Wer ein Schriftsteller, wer ein Kunstrichter werden will, der fange erst an, ein ehrlicher Mann zu werden. Was kann man sich viel von dem versprechen, der sich selbst nicht stark genug zu rühren weis? Und was kann mich stärker rühren, alsWahrheit und Tugend, diese zwey mächtigsten Dinge in der Natur.