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31 - Lettres sur la danse /

Je finirai cette Lettre par une réflexion qui me paroît bien simple. La Danse à ce Spectacle a trop de caracteres idéaux, trop de personnages chimériques & trop d'êtres de fantaisie à rendre, pour qu'elle puisse les repré- senter tous avec des traits & des couleurs différentes; moins de féeries, moins de merveilleux, plus de vérité, plus de naturel, & la Danse paroîtra Lettres dans un plus beau jour. Je serois fort embarrassé, par exemple, de rendre l'action d'une Comete; celle des signes du Zodiaque; celle des heures, &c. Les Interpretes de Sophocle, d'Euripide & d'Aristophane, disent cependant que les Danses des Egyptiens représentoient lesmouvements célestes & l'harmonie de l'Univers; ils dansoient en rond autour des Autels qu'ils regardoient comme le Soleil, & cette Figure qu'ils décrivoient en se tenant par les mains désignoit le Zodiaque ou le cercle des Signes; mais tout cela n'étoit ainsi que bien d'autres choses que des figures & des mouvements de convention, auxquels on attachoit une signification invariable. Je crois donc, Monsieur, qu'il nous seroit plus facile de peindre nos semblables; que l'imitation en Sur la Danse. seroit plus naturelle & plus séduisante; Mais c'est aux Poëtes, comme je l'ai dit, à chercher les moyens de faire paroître des hommes sur le Théatre de l'Opéra. Quelle en seroit l'impossibilité? ce qui s'est fait une fois, peut se répéter mille autres avec succès. Il est sûr que les pleurs d'Andromaque, que l'amour de Junie & de Britannicus, que latendresse de Mérope pour Egiste, que la soumission d'Iphigénie & l'amour maternel de Clytemnestretoucheront bien davantage que toute notre magie d'Opéra. La Barbe-bleue & le petit Pousset n'attendrissent que les enfants; les Tableaux de l'humanité sont les seuls qui parlent à l'ame, qui l'affectent, qui l'ébranlent & qui la transportent; on s'intéresse foiblement aux Divinitésfabuleuses, parce qu'on est persuadé que Lettres leur puissance & toute l'intelligence qu'elles montrent leurs sont prêtées par le Poëte, on n'est nullement inquiet sur la réussite; on sait qu'ils viendront à bout de leur dessein, & leur pouvoir diminue en quelque sorte à mesure que notre confiance augmente. Le cœur & l'esprit ne sont jamais la dupe de ce Spectacle; il est rare, pour ne pas dire impossible, que l'on sorte de l'Opéra avec ce trouble, cette émotion & ce désordre enchanteur que l'on éprouve à une Tragédie ou à uneComédie comme Cénie; la situation où elles nous jettent, nous suivroit longtemps, si les images gaies de nos petites Pieces ne calmoient notre sensibilité & n'essuyoient nos larmes.


32 - Discours historique sur l'apocalypse /

Ein wohl eingerichtetes Ballet ist ein lebendiges Gemählde der Leidenschaften, der Sitten, der Gebräuche, des ganzen Costums aller Völker auf Erden; folglich muß es in allen seinen Gattungenpantomimisch seyn, und sich durch die Augen der Seele verständlich machen. Fehlt es ihm an Ausdruck, an kräftigen Gemählden, an starken Situationen, so ist es nichts, als ein kaltes einförmiges Spektakel. Es leidet durchaus keine Mittelmäßigkeit; es verlangt, wie dieMahlerey, eine Vollkommenheit, die um so viel schwerer zu erreichen ist, je mehr sie der allertreulichsten Nachahmung der Naturuntergeordnet seyn muß; es soll den Zuschauer täuschen, und ihn so täuschen, daß er sich in einem Augenblicke an den wirklichen Ort der Scene versetzt zu seyn glaubet, daß seineSeele eben so gerühret wird, als sie die Handlung selbst rühren würde, von welcher ihm die Kunst eine bloße Nachahmung darstellet. Welche Genauigkeit erfodert es nicht, weder unter dem Gegenstande, den man nachahmen will, zu bleiben, noch sich über denselben zu erheben! Es ist eben so gefährlich, sein Musterschöner, als häßlicher zu machen: beide Fehler streiten mit der Aehnlichkeit; der eine, indem er die Natur verunstaltet, der andere, indem er sie durch Liebäugeleyen, durch Schminke und Schönpflästerchen unkenntlich macht.


33 - Discours historique sur l'apocalypse /

Hierzu kömmt, daß sich das Publikum selbst gern täuschet, sich gern die Schmeicheley macht, sein Jahrhundert übertreffe die vorgehnden Jahrhunderte an Geschmack und Talenten weit; es beklatscht also, wie toll, die Kabriolen seiner Tänzer und die Liebäugeleyen seiner Tänzerinnen. Ich meine damit nicht denjenigen Theil des Publikums, der eigentlich die Seele und die Triebfeder desselben seyn sollte; nicht die gesetzten vernünftigen Leute, die von allen Vorurtheilen der Gewohnheit frey, über die Verderbniß des Geschmaks seufzen, die ruhig anhören und aufmerksam zusehen, die alles wohl überlegen, ehe sie urtheilen, die nur da ihren Beyfall geben, wo sie sich bewegt, gerührt, entzückt fühlen. Alles, auf gut Glück, ohne den geringsten Unterschied, beklatschen, verdirbt die jungen Leute, die sich dem Theater widmen. Der Beyfall, ich weiß es wohl, ist die Nahrung der Künste, aber er höret auf heilsam zu seyn, wenn er nicht mit Einsicht ausgetheilet wird; eine allzu starke Speise, anstatt das Temparament zu stärken, schwächt es und bringt es in Unordnung: die Anfänger auf dem Theater sind wie Kinder, die eine allzu blinde und zärtliche Liebe unvermeidlich verdirbt. Die Fehler und Unvollkommenheiten werden immer merklicher, so wie die erste Täuschung aufhöret und die Bezauberung der Neuheit sich nach und nach verringert.


34 - Discours historique sur l'apocalypse /

Hierzu kömmt, daß sich das Publikum selbst gern täuschet, sich gern die Schmeicheley macht, sein Jahrhundert übertreffe die vorgehnden Jahrhunderte an Geschmack und Talenten weit; es beklatscht also, wie toll, die Kabriolen seiner Tänzer und die Liebäugeleyen seiner Tänzerinnen. Ich meine damit nicht denjenigen Theil des Publikums, der eigentlich die Seele und die Triebfeder desselben seyn sollte; nicht die gesetzten vernünftigen Leute, die von allen Vorurtheilen der Gewohnheit frey, über die Verderbniß des Geschmaks seufzen, die ruhig anhören und aufmerksam zusehen, die alles wohl überlegen, ehe sie urtheilen, die nur da ihren Beyfall geben, wo sie sich bewegt, gerührt, entzückt fühlen. Alles, auf gut Glück, ohne den geringsten Unterschied, beklatschen, verdirbt die jungen Leute, die sich dem Theater widmen. Der Beyfall, ich weiß es wohl, ist die Nahrung der Künste, aber er höret auf heilsam zu seyn, wenn er nicht mit Einsicht ausgetheilet wird; eine allzu starke Speise, anstatt das Temparament zu stärken, schwächt es und bringt es in Unordnung: die Anfänger auf dem Theater sind wie Kinder, die eine allzu blinde und zärtliche Liebe unvermeidlich verdirbt. Die Fehler und Unvollkommenheiten werden immer merklicher, so wie die erste Täuschung aufhöret und die Bezauberung der Neuheit sich nach und nach verringert.


35 - Discours historique sur l'apocalypse /

Wenn unsereKunst, so unvollkommen sie noch ist, gleichwohl die Zuschauer täuschet und fesselt, wenn der Tanz, auch ohne die Zauberey des Ausdrucks, uns manchmal rühret und in unserer Seele einen angenehmen Tumult erreget: welche Gewalt, welche Herrschaft müßte er nicht über unsere Sinnen haben, wenn alle seine Bewegungen durch den Verstand gelenket, alle seine itzt kaum entworfnenGemählde durch die Empfindung ausgeführet würden! Ohnstreitig werden die Ballette den Vorzug über die Mahlerey erhalten, sobald die, welche sie ausführen, mehr als Maschinen, und die, welche sie machen, Männer vonGenie und Gefühl sind.


36 - Discours historique sur l'apocalypse /

Ein schönes Gemählde ist nur eine Kopie derNatur; ein schönes Ballet ist die Natur selbst, durch alle Reitze derKunst verschönert. Wenn mich bloße Bilder bis zur Illusionhinreissen; wenn mich die Zauberkunst der Mahlerey entzückt; wenn der Anblick eines Gemähldes mitleidige Empfindungen in mir erregen kann; wenn Farben und Pinsel, in den Händen eines geschickten Mahlers meine Sinne so zu täuschen wissen, daß ich die Natur selbst zu sehen glaube, sie reden höre, sie verstehe und ihr antworte: wie sehr wird meine Empfindlichkeit zunehmen, wie ungleich stärker werde ich durch den Anblick einer Vorstellung gerührt werden, die sich der Wahrheit noch mehr nähert, durch eine Handlung, die durch meines Gleichen nachgeahmet wird! Welche Herrschaft werden diese lebendige immer abwechselnde Gemählde über meine Einbildungskraft nicht haben! Nichts interessiret die Menschheit mehr, als die Menschheit selbst. Kurz, m. H., es ist schimpflich, daß der Tanz der Gewalt, welche er über unsereSeele haben kann, ensagt, und sich nur den Augen zu gefallen begnüget. Ein schönes Ballet ist zur Zeit nur ein Wesen der Einbildung; ein Phönix, den man überall vergebens sucht.


37 - Discours historique sur l'apocalypse /

Die Farben der Gewänder und Kleider, müssen mit der Decoration abstechen; ich vergleiche sie mit einem schönen Grunde, der ruhig und harmonisch, und von keinen allzulebhaften und glänzenden Farben seyn muß, wenn er die Täuschung des Gemähldes nicht vernichten soll. Die Figuren werden die Rundung nicht haben, die sie haben sollten; nichts wird sich heraus heben, weil nichts mit Kunst ausgesparet ist; der ungewisse Schimmer, der aus dem schlechten Verständnisse der Farben entspringt, wird uns weiter nichts als ein vielstreifiges Tuch zeigen, das man, ohne Geschmack, fein scheckigt und bunt zu machen gesucht hat.


38 - Discours historique sur l'apocalypse /

In Decorationen hingegen, die aus der blossen Idee genommen werden, z. E. ein chinesischer Pallast, ein öffentlicher Platz in Konstantinopel, wo Lustbarkeiten angestellet werden sollen; in dergleichen Decorationen, sage ich, die keinen strengen Regelnunterworfen sind, die so sonderbar, so glänzend an Farben, mit den buntesten Stoffen so behangen, mit Gold und Silber so überladen seyn können, als sie nur wollen: müssen die Kleidungen nach dem Kostume gemacht, aber schlecht und recht, und durchaus von einer Schattirung seyn, die derjenigen, welche sich in der Decoration am meisten ausnimt, gerade entgegen gesetzt ist. Wenn man diese Regel nicht genau beobachtet, so wird, aus Mangel des Schattens und der Opposition, eines das andere vernichten. Auf dem Theater muß alles mit einander harmoniren; und nur alsdenn, wenn die Decoration eben sowohl für die Kleider, als die Kleider für die Decoration gemacht sind, wird die Vorstellung ihre möglichste Täuschung äußern können.


39 - Discours historique sur l'apocalypse /

Nicht weniger sorgfältig muß der Abfall der Taillen in den Augenblicken beobachtet werden, wenn der Tanz ein Theil der Decoration ist. Von dieser Art sind der Olymp oder Parnaß, wo das Ballet drey Viertheile des Gemähldes ausmacht, und deren Vorstellung unmöglich gefallen und täuschen kann, wenn sich der Mahler und der Balletmeister, wegen der Verhältnisse, der Vertheilung und Stellung der Personen, nicht mit einander verstanden haben.


40 - Discours historique sur l'apocalypse /

Ist es in einem so prächtigen und an Erfindung so reichen Schauspiele, als unsere Oper ist, nicht äusserst anstößig und lächerlich, wenn man gar keinen Abfall der Taillen bemerkt: da ihn gleichwohl der Mahler auf den Maschinen beobachtet hat, die doch lange nicht das wesentlichste Stück des ganzen Theatergemähldes sind. Sollte z. E. Jupiter in den Wolken des Olymps, oder Apollo auf der Spitze des Parnasses, nicht eben so viel kleiner scheinen, als näher die übrigen Gottheiten und Musen, die unter ihnen stehen, sich den Zuschauern befinden? Wenn sich der Mahler, der Täuschung wegen, den Regeln der Perspektiv unterwirft, wie kömmt es, daß der Balletmeister, der doch auch eine Art von Mahler ist, wenigstens seyn sollte, ihnen den Gehorsam verweigern darf? Wie kann ein Gemählde gefallen, das nicht wahrscheinlich ist, dem es an den gehörigen Verhältnissen fehlt, das wieder die Regeln sündiget, welche dieKunst, durch Vergleichung der Gegenstände, aus derNatur selbst geschöpft hat? Die ruhigen unbeweglichen Gemählde des Tanzes sind es, wo die Degradation der Taillen am nöthigsten ist; in den veränderlichen, die sich im Tanzen selbst erzeugen, ist sie so wichtig nicht. Ich verstehe unter einem unbeweglichen Gemählde alles, was in der Entfernung eine Gruppe macht; alles, was von der Decoration abhangt, und mit dieser gemeinschaftlich eine grosse und schickliche Maschine formiret.


41 - Discours historique sur l'apocalypse /

Ich versuchte also bey einer Jagd das auszuführen, was ich in dem Schauspiele des Herrn Servandoni vermißt hatte. Die Decoration stellte einen Wald vor, dessen Wege mit dem Parterre parallel liefen. Eine Brücke schloß das Gemählde, jeneseit welcher sich eine entfernte Landschaft zeigte. Ich hatte meine Entree in sechs Klassen getheilet, die alle der Grösse nach von einander abfielen; jede Klasse bestand aus drey Jägern und eben so viel Jägerinnen, welches in allen sechs und dreyßig Figuranten und Figurantinnen ausmachte. Die Taillen von der ersten Klasse hielten sich in dem Wege, der den Zuschauern am nächsten war; die von der zweyten löseten sie ab, und blieben auf dem zweyten Wege; die darauf folgenden von der dritten Klasse auf dem dritten Wege, und so weiter, bis die letzte Klasse, die aus kleinen Kindern bestand und über die Brücke ging, den ganzen Zug beschloß. Die Degradation war so genau beobachtet, daß sich das Auge betrügen mußte; was weiter nichts als die Wirkung der Kunst und des abnehmenden Verhältnisses war, hatte das allerwahrste und natürlichste Ansehen; die Täuschung war so stark, daß das Publicum diese Degradation blos der Entfernung der Gegenstände zuschrieb, und sich einbildete, daß es immer eben dieselben Tänzer und Tänzerinnen wären, welche die verschiednen Wege des Waldes durchliefen. Die Musikbeobachtete in ihren Tönen die nehmliche Degradation, und ward immer schwächer je tiefer sich die Jagd in den Wald zog, der sehr weitläuftig und mit vielem Geschmacke gemahlt war.


42 - Discours historique sur l'apocalypse /

Sehen Sie, mein Herr; einer solchen Täuschung ist das Theater fähig, wenn alle Theile mit einander übereinstimmen, und die Künstler dieNatur zu ihrer Wegweiserinn und zu ihrem Muster nehmen.


43 - Discours historique sur l'apocalypse /

Wenn in einer Decoration, die den Eingang zur Hölle vorstellt, der Balletmeister uns auf einmal, sobald der Vorhang in die Höhe geht, sowohl diesen schrecklichen Ort, als die verschiednen Martern der Danaiden, des Ixion, des Tantalus, des Sisyphus, und die verschiednen Geschäfte der unterirdischen Gottheiten, zeigen will; wenn er uns gern mit dem ersten Anblicke ein bewegliches und schreckliches Gemählde von den Strafen der Hölle darstellen möchte: wie ist es möglich, daß ihm diese augenblickliche Komposition gelingen kann, falls er nicht die Kunst versteht, die Gegenstände zu vertheilen, und einem jeden den Platz anzuweisen, der ihm zukömmt; falls er nicht die Grundidee des Mahlers vollkommen faßt, und seine Ideen gerade da anzubringen weiß, wo ihm dieser Raum dazu gemacht hat? Das Gemählde besteht aus dunkeln und lichten Felsen, aus theils schwarzen und verloschnen, theils glühenden und brennenden Strichen; durchaus herrschet das Fürchterliche und Grause; alles ist schrecklich, alles verräth den Ort der Scene, alles verkündiget die Martern und Schmerzen seiner Bewohner. Diese, so wie sie auf dem Theater vorgestellt werden, müssen also Kleider von so verschiednen Farben haben, als sich in der Flamme nur immer äußern; bald muß der Grund derselben schwarz, bald dunkelroth, bald feuerroth seyn; kurz, sie müssen alle Schattirungen haben, die in der Decoration angebracht sind. Sodann muß der Balletmeister Acht haben, die hellsten und feurigsteu<n> Kleidungen auf die dunkelsten Theile der Decoration zu stellen; auf die lichten hingegen, die aller finstersten und mattesten. Aus dieser weisen Vertheilung wird die schönste Harmonie entspringen; die Decoration wird dem Ballete zur Schattenmasse gleichsam dienen, durch deren Hülfe es bald zurückweicht, bald vorsticht; und das Ballet wird hinwiederum den Reitz der Mahlerey vermehren und sie auf alle Weise fähiger machen, den Zuschauer zu täuschen und zu bewegen.


44 - Discours historique sur l'apocalypse /

Folglich kann ein wohleingerichtetes Ballet die Hülfe der Worte gar wohl entbehren; ich habe sogar bemerkt, daß sie die Handlung kalt machen und das Interesse schwächen. Der Inhalt einer Pantomime, der, um verständlich zu seyn, nothwendig eine Erzehlung, oder ein Gespräch erfordert, taugt nicht viel; und jedes Ballet, das ohne Verwicklung, ohne lebhafte Handlung und Interesse ist, das mir nichts als die mechanischen Schönheiten der Kunst zeigt, das bey seinem schönen Titel mir nichts verständliches sagt, gleichet jenen Bildnissen und Schildereyen, welche die erstenMahler machten, und unter die sie die Namen der Personen und die Auslegung der Handlung schreiben mußten, die sie mahlen und vorstellen wollen; so unvollkommen war die Nachahmung, so übel ausgedrückt dieEmpfindung, so schlecht getroffen die Leidenschaft, so unrichtig die Zeichnung, so unwahrscheinlich das Kolorit. Wenn der Tänzer, von einem innigen Gefühle belebt, sich in tausend verschiedne Gestalten, mit den einer jeden, nach Beschaffenheit der Leidenschaft, gehörigen Zügen, werden zu verwandeln wissen; wenn jeder von ihnen ein Proteus seyn wird, und ihre Physiognomie und ihre Blicke alle Bewegungen ihrer Seele ausdrücken werden; wenn ihre Arme sich aus den engen Schranken wagen werden, die ihnen dieKunst vorgeschrieben hat; wenn sie sich einen weitern Raum erlauben, und sich in diesem mit eben so viel Reitz alsWahrheit zu bewegen lernen werden; wenn sie, durch richtige Stellungen, alle auf einander folgende Regungen einer jeden Leidenschaft werden ausdrücken können; kurz, wenn sie Geist und Genie mit ihrer Kunst verbinden werden: so werden sie in einem ganz andern Glanze erscheinen; alle Auslegungen werden unnütz werden; alles wird sprechen; jede Bewegung wird eine Redensart seyn; jede Stellung wird eine Situation schildern; jede Gebehrde wird einen Gedanken enthüllen; jeder Blick wird eine neue Empfindung ankündigen; alles wird entzücken und täuschen, weil alles wahr ist, weil die Nachahmung aus der Natur selbst geschöpft ist.


45 - Discours historique sur l'apocalypse /

Die Oper ist bloß für die Augen und Ohren, sie soll mehr durch Abänderung und Mannichfaltigkeit vergnügen, als ein Schauspiel für den Verstand und fürs Herz seyn. Man könnte ihr indessen eine interessantere Gestalt und Charakter geben: doch diese Materie ist von meiner Kunst und von dem Gegenstande, den ich behandle, zu entfernt, ich überlasse sie daher solchen Köpfen, die der Monotonie, der Feyerie und der Langenweile abzuhelfen wissen, die das Wunderbare mit sich schleppt, und begnüge mich bloß zu sagen, daß der Tanz in diesemSchauspiele in ein vortheilhafteres Licht gesetzt werden müßte, ja, was noch mehr ist, daß selbst die Oper sein Element sey, und er sich eben da hervorthun und in seinen vortheilhaftesten Lichte zeigen sollte. Aber durch ein Unglück, woran der Eigensinn oder die Unschicklichkeit der Poeten schuld ist, hängt der Tanz mit diesen Schauspielen nicht zusammen, und sagt nichts; er ist in tausend Umständen dem Süjet so wenig angemessen, und so unabhängig vom Drama, daß man ihn ganz weglassen kann, ohne das Interesse zu schwächen, ohne die Fortschreitung der Scenen zu unterbrechen, und die Action kälter zu machen. Die meisten neuern Poeten bedienen sich der Ballette, als eines blossen Zierrahts der Fantasie, die ihrem Werke weder neuen Werth noch Schmuck geben kann; sie sehen, so zu sagen, die Divertissements, damit sich die Acten schliessen, als so viele artig gezeichnete und künstlich gemahlte Streifen an, wodurch sie ohne andre Absicht ihre Gemählde Abtheilen. Welch ein Irrthum! oder um es gerade zu sagen, welch eine Unwissenheit! Ein Drama ist nichts anders, als ein grosses Gemählde, das nach und nach und schnell hinter einander eine Menge kleinerer darstellen soll, ist es nun aber nicht thöricht, dieses grosse Gemählde zu zerschneiden, die Folge desselben zu unterbrechen, den Fortgang der Intrigue zu hemmen, und das ganze und die Harmonie desselben zu zerstören? diese der Handlung fremde Zusätze und Episoden schaden dem Werke; diese wiedersprechende und allemal abgerissene Gegenstände, dieß Chaos von übel verbundenen Sachen theilen die Aufmerksamkeit, und ermüden die Einbildungskraft mehr als sie solche befriedigen: sogleich verschwindet der Plan des Verfassers, der Faden verliert sich und wird zerrissen, die Handlung verschwindet, das Interesse nimmt ab, und das Vergnügen ist dahin. Die Opernballette werden so lange kalt und unangenehm seyn, als sie nicht genau mit dem Drama verbunden werden, und nicht zu seiner Einleitung, zu seinem Knoten und zu seiner Entwickelung das Ihrige beytragen. Jedes Ballet sollte, meiner Meynung nach, eine Scene geben, die den ersten Akt mit den zweyten, den zweyten mit dem dritten u. s. w. auf das allergenaueste verbände und zusammenknüpfte. Diese Scenen die zur Fortschreitung des Drama unumgänglich nöthig wären, würden beseelt und voll Sinn seyn. Die Tänzer würden gezwungen werden, ihren mechanischen Gang aufzugeben und einen gewissen Enthusiasmus anzunehmen, um ihre Rollen mitWahrheit und Richtigkeit zu machen; sie würden gezwungen seyn, auf gewisse weise ihre Füsse und Schenkel zu vergessen, und auf ihre Physiognomie und Gebehrden zu denken; jedes Ballet wäre ein Gedicht das den Akt auf eine glückliche weise schlösse; der Poet müße diese, aus dem Innern des Drama geschöpften Gedichte schreiben, der Musikus sie treu übersetzen, und die Tänzer sie durch ihre Gestus recitiren und sie mit nachdruck vortragen. Auf die Weise würde in den Operntänzen nichts Leeres nichts Unnn<n>ützes, nichts Langweiliges noch Kaltes seyn; alles wäre bedeutend und beseelt, alles zielte auf einen gemeinschaftlichen Zweck ab; alles würde täuschen, weil alles voll Geist wäre, und in einem vortheilhafteren Licht erschiene, alles würde endlich die Illusion befördern und interessant seyn, weil alles zusammenstimmte, und alle Theile, die ein jeder an seinem rechten Ort stünden, sich forthülfen, und sich wechselsweise einander Nachdruck gäben.