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46 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Masken waren also dazu gut, daß mankeinen Schauspieler mit einem verfallenen altenGesichte, die Person eines verliebten und geliebten Jünglings durfte spielen sehen. Hyppolit, Herkules und Nestor erschienen also niemals anders auf der Bühne als mit einen Kopfe, dersich zu ihrem bekannten Charakter schickte. DasGesichte, mit welchem der Schauspieler erschien, kam allezeit mit seiner Rolle überein, und mansahe niemals einen Komödianten die Rolle einesehrlichen Mannes mit der Gesichtsbildung einesvollkommenen Betriegers spielen. Die Componisten der Declamation, sagt Quintilian, von den theatr. Vorstell. der Alten.wenn sie ein Stück auf das Theater bringen,wissen sogar aus den Masken das pathetische zuziehen. In der Tragödie erscheint Niobe miteinem traurigen Gesichte, und Medea verkündiget uns gleich durch ihre wilde Gesichtsbildung ihren Charakter. Stärke und Stolz sindauf der Maske des Herkules gemahlt. DieMaske des Ajax ist das Gesicht eines ausser sichselbst gesetzten Menschen. Auch in der Komödie haben die Masken der Bedienten, der Sklavenhändler, der Schmarutzer, der Soldaten, der alten Weiber, der Buhlschwestern, der Person von groben Sitten, alle ihren besondernund eignen Charakter. Man kann aus derMaske den strengen Alten von dem nachsehendenAlten unterscheiden, gesetzte und weise Jünglinge von ausschweiffenden und lüderlichen; einjunges Mädchen von einer ehrwürdigen Matrone. Wenn der Vater, auf dessen Zufriedenheit es besonders in der Komödie ankömmt, manchmal vergnügt und manchmal verdrießlichseyn soll, so ist eine von den Augenbraunenauf seiner Maske gerunzelt, und die andre istglatt, da er denn alle Aufmerksamkeit anwendet,den Zuschauern diejenige Seite seiner Maske zuzeigen, die sich zu seiner gegenwärtigen Stellungschickt. Auf diese Weise erklärt Herr Boindin (*) die letzten Zeilen in der Stelle des Quin(*) In einer Abhandlung, die er der Akademie derschönen Wissenschaften übergeben. du Bos,tilians, indem er nehmlich annimt, daß derSchauspieler, welcher diese Maske getragen, sich bald auf diese, bald auf eine andre Seite gewendet, um allezeit nur diejenige Seite des Gesichts zu zeigen, welche mit den Umständen, inwelchen er sich befand, überein kam; und dieseszwar in denjenigen Scenen, in welchen er seineGemüthsverfassung verändern mußte, ohne daßer abgehen und hinter dem Theater seine Maskeumtauschen konnte. Wenn zum Exempel dieserVater vergnügt auf die Scene kam, so zeigte ergleich Anfangs diejenige Seite seiner Maske, aufwelcher die glatte Augenbraune war; wenn er aberseine Gemüthsverfassung änderte, so wußte erauf dem Theater eine so geschickte und ungezwungene Wendung zu machen, daß die Zuschauerdie andre Seite, mit der gerunzelten Augenbraune zu sehen bekamen, indem er nur immerden halben Theil des Gesichts gegen die Zuschauer wandte. Die römischen Komödiantenwendeten auf diesen Theil des Spiel eine ganzbesondre Aufmerksamkeit. (*) Itaque in iisquæ ad scenam componuntur fabulis, artificespronuntiandi a personis quoque affectus mutuantur, ut sit Niobe in tragœdia tristis, atroxMedea, attonitus Ajax, truculentus Hercules. In Comœdiis vero præter aliam observationem qua servi, lenones, parasiti, rustici, milites, vetulæ, meretriculæ, ancillæ, senes(*) Quint. Inst. lib. XI. cap. 3.von den theatr. Vorstell. der Alten.austeri ac mites, juvenes severi ac luxuriosi,matronæ, puellæ inter se discernuntur; paterille cujus præcipue partes sunt, quia interimconcitatus, interim lenis est, altero erecto, altero composito est supercilio. Atque id ostendere maxime Latinis Actoribus moris est, quodcum iis quas agunt partibus congruat.Pollux sagt in seinem unten (*) anzuführenden Werkeetwas, das mir die sinnreiche und vernünftigeMuthmassung, die ich eben jetzt angeführt habe,bestätigen zu können, scheinet. Indem er nehmlich von den Masken der Charaktere redet, sagter, daß derjenige Alte, welcher in der Komödiedie erste Rolle spiele, von einer Seite verdrießlich und von der andern heiuter seyn müsse. Desgleichen sagt er auch, wenn er von den charakterisirten Masken der Tragödie spricht, daß dieMaske des Thamiris, dieses berüchtigten Wagehalses, welchem die Musen das Gesicht nahmen, weil er sie zum Wettstreite aufzufordernwagen durfte, zwey verschiedne Augen, ein blauesund ein schwarzes haben müsse.


47 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Wie aufmerksam die Alten auf alles gewesen, wovon sie glaubten, daß es zur Anmuth undLeichtigkeit bey Vorstellung der theatralischenStücke etwas beytragen könne, kann man daraus schliessen, was uns Vitruvius (**) von derArt die Echæa anzubringen saget, welches eherne(*) Solin. Ed. Salmas. c. 37.(**) Vitr. lib. 5. cap. 5.von den theatr. Vorstell. der Alten.Gefässe waren, die anstatt der Echos dienten.Wenn dieser Verfasser von der Architectur derSchaubühnen redet, so läßt er sich in eine langeund methodische Untersuchung über die Gestaltdieser Gefässe ein, welche, wahrscheinlicher Weisenichts als grosse und einwenig concave ehernePlatten waren, die an gewisse Orte gestellt wurden, damit die Stimme der Schauspieler wohlüberein klingende Echos finden könne. Ita hacratione vox a scena velut a centro profusa secircum agens tactuque feriens singulorum vasorum cava, excitaverit auctam claritatem &concentu convenientem sibi consonantiam.Wenn Vitruvius sagt, daß alle diese Gefässevon verschiednen Tönen seyn müßten, so sagt eruns deutlich genug, daß ihre Concavität und ihreübrigen Dimensionen nicht immer einerley seynmüßten; und da noch dazu diese Gefässe in verschiedner Entfernung von den Schauspielern gestellet wurden, so mußten sie nothwendig Echosmachen, die leichter oder schwerer zu erschütternwaren, wenn sie gleichförmig wiedertönen sollten. Vitruvius beklagt sich, daß die Römer zuseiner Zeit, diese Echäa in ihren Theatern anzubringen sehr versäumten, und hierinne denGriechen gar nicht nachahmten, welche in diesemPuncte sehr sorgfältig waren. Ohne Zweifelmachten sich die Römer die Erinnerung des Vitruvius nach der Zeit zu Nutze, denn Pliniusbeklagt sich, daß diese Gefässe, und die Schwibdu Bos,bögen, worein man sie stellte, die Stimme derSchauspieler verschlängen. Er behauptet, daßsie eine eben so üble Wirkung verursachten, alsder Sand des Orchesters, oder des Platzes, welcher zwischen dem Theater und den entferntestenZuschauern war. (*) In Theatrorum Orchestris scobe aut arena super injecta, vox derotatur & in rudi parietum circumjectu doliisetiam inanibus. Andern Theils sagt Caßiodorin dem funfzigsten Briefe seines ersten Buchs,daß die Stimme der Tragödienspieler durch diegedachten Concavitäten so sehr gestärcket würden, und einen solchen Schall von sich gäben, daßman kaum glauben könnte, daß er aus der Lunge eines Sterblichen käme. Tragœdia ex vocisvastitate nominatur quæ concavis repercussionibus roborata, talem sonum videtur efficere, ut pene ab homine non credatur. Diese Concavitäten konnten nichts anders als die Echæaund die <Sprachröhre>Schrachröhre in den Masken seyn. Ausallen diesem kann man also sehen, ob die Altendas geringste versäumt haben, durch schicklicheErfindungen ihre theatralische Masken eine solche Wirkung thun zu lassen, daß sie nach demAulus Gellius den Namen Persona verdienenkonnten.


48 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Sobald man einmal einen Begriff von dergetheilten Declamation auf den Bühnender Alten hat, so findet man auch die Beweisedavon in mehr als einem Buche, wo man sievorher nicht wahrnahm, ehe man einige Kenntniß von diesem Gebrauche hatte. Man verstehet zum Exempel nunmehr die Stelle deutlich, wo Sveton sagt, daß Caligula das Singen undTanzen so sehr geliebt habe, daß er sich auch beyöffentlichen Schauspielen nicht enthalten, mitdem recitirenden Schauspieler zugleich zu singen,und mit dem andern, welcher die Gebehrdenmachen mußte, zugleich die Gebehrden zu machen, um diese Gebehrden entweder dadurch zubilligen, oder auch etwas daran zu verbessern. (*)Canendi ac saltandi voluptate ita efferebatur,ut ne publicis quidem spectaculis temperaretquominus & Tragœdo pronuntianti concineret, & gestum Histrionis quasi laudans velcorrigens palam effingeret. Man wird bemerkt haben, daß Svetonius hier die Wortesingen und aussprechen, als gleichgeltendeWorte in der Sprache des Theaters braucht,(*) Suet. in Caio Cæsare.von den theatr. Vorstell. der Alten.und daß er sich auf gleiche Weise der AusdrückeTanzen und Gebehrden machen bedienet. Er thut damit weiter nichts, als daß er den Namen der Gattung der Art beylegt; denn bey denAlten, wie wir schon gesagt haben, war die KunstGebehrden zu machen, eine von den Gattungen,in welchen sich die Kunst zu tanzen theilte. UnserTanzen war gleichfalls nur eine von den Gattungen der Kunst, welche die GriechenΟρχησιςund die RömerSaltatio nennten. Weil aberdie Uebersetzer diese zwey Worte durch Tanzengeben, so sind durch diese Zweydeutigkeit eineMenge falscher Begriffe entstanden. Wir wollensehen, was man hiervon wissen kann.


49 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Das was Quintilian sagt, wenn er beweisenwill, wie nothwendig es sey, die Kinder in dieSchulen zu schicken, wo sie die Kunst der Saltation lernen könnten, könnte allein hinreichendseyn, zu beweisen, daß die Kunst der Gebehrdender vornehmste Theil derselben gewesen sey.Man muß sich nicht schämen, sagt dieser Schriftsteller, dasjenige zu lernen, was man einmalausüben muß. Uebrigens, fügt er hinzu, ist dieChironomie, welches die eigentliche Kunst derGebehrden bedeutet, eine Kunst, welche schonseit den heroischen Zeiten bekannt ist. Die größ(*) Libr. secundo Hist.du Bos,ten Männer Griechenlands, <und>nndSokrates selbst, haben sie gebilliget. Sehen wir nicht noch ausder alten Stiftung der tanzenden Priesterdes Mars, daß unsere alten Römer diese Kunstnicht für unanständig müssen gehalten haben?Und ist dieser Gebrauch nicht bis auf uns, ohnejemals getadelt zu werden, fortgepflanzet worden? Doch aber muß man den Lehrmeister hierinne nicht länger behalten, als die Jahre derKindheit hindurch, und sich von dieser Uebungnichts natürlich machen, als die Anmuth unddas leichte Tragen des Körpers. Die Gebehrden des Redners müssen von den Gebehrden desTänzers sehr unterschieden seyn. (*) Et certequod facere oporteat non indignum est discere, cum præsertim hæc Chironomia, quæ est, utnomine ipso declaratur, lex gestus, & ab illisheroicis temporibus orta sit, & a summis Græciæ viris & ab ipso etiam Socrate probata —Neque id veteribus Romanis dedecori fuit.Argumentum est sacerdotum nomine duransad hoc tempus, saltatio. Cujus etiam disciplinæ usus in nostram usque ætatem sine reprehensione descendit. A me autem non ultrapueriles annos retinebitur, nec in his ipsis diu. Neque enim gestum Oratoris componi ad similitudinem saltatoris volo, sed subesse aliquidex hac exercitatione.


50 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Aufführungen und die Schriften der Römer bezeugen zur Gnüge, daß sie kein unsinnigesVolck waren. Als sich die Römer zu der Artvon Declamation entschlossen, bey der die Gebehrden und die Rede unter zwey verschiedneSchauspieler getheilt wurden, kannten sie schonseit mehr als hundert und zwanzig Jahren dienatürliche Art zu recitiren, welches unsre Art ist. Und gleichwohl vertauschten sie sie mit jener, dieweit zusammen gesetzter war.


51 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Rede, welche Cicero für eben diesen Roscius hielt, rechtfertiget das Vorgeben des Plinius und Macrobius sehr wohl. Der vornehmste(*) Horat. Sat. I. II. 10.(**) Plin. lib. 7. c. 39.du Bos,Punct des Processes, welchen Roscius hatte, betraf einen Sklaven, welchen Fannius zu demRoscius gegeben zu haben behauptete, damiter bey ihm Komödie spielen lernen solle, woraufRoscius und Fannius diesen Sklaven verkauffen und die dafür gelösete Summe unter sichtheilen wollen. Cicero will von dieser Verbindung nichts wissen, und behauptet, Panurgus,so hieß der Sklave, müsse dem Roscius, der ihnunterrichtet habe, ganz allein zugehören, weil derWerth des Komödianten den Werth der Persondes Sklaven bey weiten übertreffe. Die Persondes Panurgus, sagt Cicero, ist nicht dreyßig Pistolen werth, allein der Sklave des Roscius istzwanzig tausend Thaler werth. Wenn derSklave des Fannius des Tages kaum achtzehnSols hätte verdienen können, so kann er jetztals ein von dem Roscius unterrichteter Komödiant, achtzehn Pistolen verdienen, Ist es wohlglaublich, sagt Cicero an einem andern Orte, daß ein so uneigennütziger Mann als Roscius,sich, mit Verlust seiner Ehre, einen Sklaven, derkaum dreyßig Pistolen werth ist, zueignen würde; er, der uns seit zwölf Jahren umsonst Komödiespielt, und durch diese Großmuth zwey Millionen, die er hätte gewinnen können, ausgeschlagen hat? Ich schätze, fügt Cicero hinzu, dieBesoldung, welche Roscius bekommen habenwürde, nicht sehr hoch. Wenigstens würde manihm nicht weniger gegeben haben, als man der von den theatr. Vorstell. der Alten.Dyonisia giebt. Wir haben von dieser Schauspielerinn bereits gesprochen. Nun urtheile man, wie die römische Republick ihre Komödiantenbezahlte. Macrobius erzehlt, (*) Julius Cäsarhabe dem Laberius zwanzig tausend Thalergegeben, um diesen Dichter dahin zu vermögen, daß er in einem Stücke, welches er verfertigethatte, selbst mit spielte. Unter den andern Kaysern finden wir auch noch andere Verschwendungen. Endlich setzte der Kayser Marcus Aurelius, (**) welcher sehr oft Antoninus Philosophusgenennet wird, fest, daß den Komödianten, welche in den Schauspielen, die gewisse Obrigkeitliche Personen dem Volke geben mußten, spielenwürden, nicht mehr als fünf Goldstücken für eineVorstellung fordern sollten, und daß derjenige,welcher die Unkosten dazu hergebe, ihnen nichtmehr als noch einmal so viel geben dürfe. DieseGoldstücke waren ungefehr mit unsern Louis,deren dreyßig auf das Mark gehen, und für vierund zwanzig Francken ausgegeben werden, voneinerley Werth. Titus Livius schließt seine Erzehlung von dem Ursprunge und dem Fortgangeder theatralischen Vorstellungen zu Rom, mitdieser Betrachtung, daß ein Vergnügen, welches Anfangs sehr wenig betragen habe, in soprächtige und kostbare Schauspiele ausgeartetsey, daß kaum die reichsten Königreiche den(*) Macrob. Sat. lib. 2. cap. 7.(**) Capit. in M. Aur.du Bos,Aufwand dabey würden ausgehalten haben. (*)Quam ab sano initio res in hanc vel opulentisregnis vix talerabilem insaniam venerit. Dadie Römer beynahe fast alle selbst Declamatoresund Gebehrdenmacher geworden waren, so darfman sich nicht wundern, daß sie aus den Komödianten so viel machten. Seneca, der Vater,sagt in der Einleitung zu dem ersten Buche seinerControversen, daß die jungen Leute seiner Zeitaus diesen zwey Künsten ihre ernsthafteste Beschäftigung machten. Malarum rerum industria invasit animos. Cantandi saltandiquenunc obscæna studia effœminatos tenent.


52 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Ich muß hier erinnern, daß ich bey Vergleichung der römischen Münze mit Französischender Berechnung des Budäus (**) nicht gefolgtbin, ob sie gleich, zu der Zeit, als sie dieser gelehrte Mann machte, sehr richtig war. Alleindas Mark Silber, welches zu des BudäusZeiten, noch nicht zu zwölf Franken an gangbarerMünze, gerechnet wurde, galt sechzig Franken, gangbaren Schlages, als ich meine letztere Berechnung machte. (***) Hierauf müssen die Uebersetzer und Ausleger der alten SchriftstellerAcht haben; wie sie denn auch die Summen, vonwelchen ihr Schriftsteller redet, Metall für Metall berechnen müssen, weil das Verhältniß zwischen Gold und Silber nunmehr ganz anders ist, als es zu den Zeiten der römischen Republik war.Zehn Unzen fein Silber galten damals eine Unze(*) Ammian. Marcell. Hist. lib. 14.(**) Unter Francisco I.(***) Im Jahr 1718.du Bos,fein Gold, und wenn man jetzt in Frankreicheine Unze fein Gold bezahlen will, so muß manwohl funfzehn Unzen fein Silber dafür geben.Es giebt so gar in Europa Staaten, wo dasGold noch theurer ist.


53 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Wir wollen nunmehr die Person der Pantomimen betrachten. Der Verfasser des Werks(*) Dio lib. 54.von den theatr. Vorstell. der Alten.wider die Schauspiele der Alten, welches wirunter den Werken des h. Cyprianus haben, beschreibt einen Pantomimen, als ein Ungeheuer, welches weder Mann noch Weib sey, deren Manieren weit geiler wären, als die Manieren irgend einer Hure, und dessen Kunst darinn bestehe, daß er mit seinen Gebehrden reden könne. Gleichwohl, fügt er hinzu, wird die ganze Stadtin Bewegung gesetzt, ihn die schändlichen Ausschweifungen des fabelhaften Alterthums, durchGebehrden vorstellen zu sehen. Huic dedecoricondignum dedecus super inducitur, homofractus omnibus membris, & vir ultra muliebrem mollitiem dissolutus. Cui ars est verbamanibus expedire, & propter unum nescioquem nec virum nec fœminam, commoveturcivitas, ut desaltentur fabulosæ antiquitatislibidines. Die Römer mußten sich vielleicht inden Kopf gesetzt haben, daß ihre Pantomimen,wenn sie sie zu Verschnittenen machten, einegewisse Geschmeidigkeit des ganzen Körpersbehalten würden, welche Männer nicht haben könnten. Dieser Gedanke, oder wenn man lieberwill, diese Grille war Ursache, daß sie an denKindern, welche zu dieser Profeßion bestimmtwurden, eben die Grausamkeit verübten, welche man in einigen Ländern noch jetzt an den Kindern ausübt, die ihre Stimme nicht verlierensollen. Der h. Cyprianus sagt in dem Briefe, in welchen er dem Donatus von den Ursachen du Bos,Rechenschaft giebt, die ihn die christlicheReligion anzunehmen bewogen, daß die Schauspiele, welche einen Theil des heidnischenGötterdienstes ausmachten, voller Unzucht und Grausamkeit wären. Nachdem er die Abscheulichkeiten des Amphitheaters angeführt, fügt er, indemer von den Pantomimen spricht, hinzu, daß mandie Mannspersonen aus ihrem Geschlechte herabsetze, um sie zu einer so ehrlosen Profeßion geschickter zu machen, und daß man von demjenigen Lehrmeister, welchem es am besten gelungen, einer Mannsperson das Ansehen einer Frau zugeben, rühme, daß er die besten Schüler habe.Evirantur mares, omnis honor & vigor sexusenervati corporis dedecore emollitur, plusqueillic placet quisquis virum in fœminam magisfregerit. Wie viel Ungemach, sagt Tertullianus in seinem Werke wider die Schauspiele, mußein Pantomime an seinem Körper ausstehen, wenn er ein Künstler in seiner Art werden will? Quæ denique Pantomimus a pueritia patiturin corpore, ut artifex esse possit.


54 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die zwey ersten Erfinder dieser Kunst warenalso Pylades und Bathyllus, die ihre Namenin der römischenGeschichte so berühmt gemachthaben, als es in der neuern Geschichte der Nameeines Angebers irgend einer Stiftung nur immerseyn kann. Pylades hatte die Sammlung seinerGebehrden, so zu reden, aus den drey Samm(*) Zos. Hist. lib. pt.du Bos,lungen der Gebehrden gezogen, von welchen wirbereits gesprochen haben, und die für die Tragödien, für die Komödien und für dasjenige dramatische Gedicht gehörten, welches die AltenSatyren nannten. (*) Pylades hatte die Kunstder Pantomischen Gebehrden ἰταλικην ὀρχησινdas italiänische Tanzen, genennt. Nach denZeiten des Pylades hatte man also vier Sammlungen der theatralischen Gebehrden. Die Emmelie, deren man sich zur Tragödie bediente; den Kordax, den man zur Komödie brauchte;die Sikinnis für die Satyre und die italiänische Art für diejenigen Stücke, welche von denPantomimen aufgeführet wurden. Calliachius, welcher im Jahr 1708 als Professorder schönen Wissenschaften zu Padua starb, (**)behauptet, die Kunst der Pantomimen sey älterals Augustus; allein er beweiset seine Meinungschlecht. Er nimmt für die Kunst der Pantomimen, welche darinn bestand, daß sie ein Stückoder eine aneinander hangende Scene, ohne zureden, vorstellen konnten, das, was Livius (***)imitandorum carminum actum nennet, dieKunst irgend eine Leidenschaft nach Gutbefindentanzend anszudrücken, welche freylich älter alsAugustus war.


55 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Unter den nordischen Völkern Europens würdedie Kunst der Pantomimen einen solchen Fortgang bey weiten nicht haben, weil dieser ihre natürliche Action nicht sehr beredt und auch nichtso merklich ist, daß man sie gleich wieder erkennen könne, wenn man sie, ohne die Rede dabeyzu hören, sieht, mit welcher sie gemeiniglich verbunden ist. Die Nachbildung ist allezeit weniger lebhaft als das Original. In Italien aber, wie wir schon angemerkt haben, sind alle Unterredungen mit weit mehr Bezeigungen angefüllt, und reden den Augen, wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf, weit mehr, als in unsernGegenden. Wenn ein Römer einmal den Ernstseines gezwungenen Betragens ablegen und seinernatürliche Lebhaftigkeit den Zügel lassen will, soist er an Gebehrden und Bezeigungen, die fastalle ganze Redensarten bedeuten, ungemeinfruchtbar. Seine Action macht Dinge verständlich, die unsre Action nimmermehr würdeerrathen lassen, und seine Gebehrden nehmen sichso sehr aus, daß man sie so gleich wieder kennt, wenn man sie sieht. Wenn daher ein Römervon einer wichtigen Sache mit einem Freundein geheim reden will, so ist es ihm nicht genug,wenn er nur von andern nicht kann gehört werden, sondern er braucht die Vorsicht, daß ihnandre auch nicht einmal sehen können, weil er mitRecht befürchtet, seine Gebehrden und die Bewegungen seines Gesichts möchten das, was ersagt, verrathen.


56 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man muß hierbey nur merken, daß eben dasselbe Feuer der Einbildungskraft, welches, vermöge einer natürlichen Bewegung, lebhafte, mannichfaltige und ausdrückende Bewegungenmachen läßt, auch die Bedeutung derselben leichtbegreiffen hilft, wenn es darauf ankömmt, daßman die Gebehrden eines andern verstehen soll; denn eine Sprache, die man selbst redt, kannman leicht verstehen. Allein die Sprache derStummen des Großsultans, welche ihre Landsleute ohne Mühe verstehen, und die ihnen einedeutlich articulirte Sprache zu seyn scheinet, würde den nordischen Völkern Europens nur einverwirrtes Gebrumme zu seyn scheinen. Wennman mit diesen Betrachtungen noch eine sehrgewöhnliche Anmerkung verbindet, daß es nehmlich Völker giebt, deren Naturel viel empfindlicher ist, als das Naturell andrer Völker; sowird man ohne Mühe begreiffen können, wiestumme Komödianten die Griechen und Römer,deren natürliche Action sie nachahmten, gleichwohl so ungemein haben rühren können.


57 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

So viel ist gewiß, die Kunst der Pantomimen bezauberte die Römer gleich bey ihrem erstenAnfange; sie durchdrang aus der Hauptstadtdie allerentferntesten Provinzen des Reichs, undblühte so lange, als das Reich bestand. DieGeschichte der römischen Kayser redet öftrer vonberühmten Pantomimen, als von berühmtenRednern. Die Römer waren für die Schauspiele sehr eingenommen, wie man aus dem Buchevon der Musik sehen kann, welches sich unterden Werken des Plutarchus befindet. Alledie, welche sich mit der Musik beschäftigen, ergeben sich besonders der theatralischen, als der angenehmsten. Nun(*) Herr Mouret.du Bos,aber zogen die Römer die Vorstellungen derPantomimen allen Vorstellungen andrer Komödianten vor.


58 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Einige Jahre darauf mußte man die Pantomimen aus Rom verjagen. Der ausserordentlicheGeschmack, den das Volk an ihren Vorstellungen fand, gab Gelegenheit zu Cabalen, um dem einen mehr Beyfall als dem andern zuverschaffen, und diese Cabalen wurden zu Meutereyen. Wir sehen sogar aus einem Briefedes Cassiodorus, (**) daß die Pantomimen, zuNachahmung derjenigen, welche in den Rennspielen des Circus die Wagen führten, verschiedneLivreen gewählt hatten. Einige hiessen dieBlauen; und andre die Grünen. Das Volktheilte sich also seiner Seits gleichfalls, und alle(*) Tacit. Ann. lib. pr.(**) Variar. Epist. libr. pr. ep. 20.von den theatr. Vorstell. der Alten.die Zusammenrottungen des Circus, deren so oftin der römischenGeschichte gedacht wird, nahmensich gewisser Banden von Pantomimen an. Diese Zusammenrottungen wurden nicht seltenzu Partheyen, die auf einander so ergrimmt waren, als es vielleicht nur jemals die Welfen undGibelliner unter den deutschen Kaysern gewesensind. Man mußte also zu einem Entschlusseschreiten, der zwar der Regierung, welchebloß das Volk bey gutem zu erhalten suchte,indem es ihm Brod austheilen und Schauspieleanstellen ließ, sehr verdrießlich fiel, gleichwohlaber durchaus nothwendig geworden war; nehmlich alle Pantomimen aus Rom zu verjagen.


59 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Zwey Gründe bewegen mich zu glauben, daßbey dem Gebrauche, von welchem hier dieRede ist, mehr Vortheil als Unbequemlichkeitgewesen, und daß den Römern die ErfahrungAnlaß gegeben, die componirte Declamation derwillkührlichen vorzuziehen. Erstlich verhinderteder Gebrauch der Alten, daß die Schauspielerden Versen, die sie recitirten, keinen falschen Sinngeben konnten, welches auch sonst bey denen nichtunterbleibt, die noch die mehrste Ensicht haben. Zweytens gab ein geschickter Componist der Declamation den Schauspielern Ausdrücke undSchönheiten an die Hand, die sie nicht immervor sich selbst zu erfinden fähig waren. Sie waren nicht alle so gelehrt als Roscius. Diesesist das Beywort welches ihm Horaz giebt.


60 - Examen de in genios para las Sciencias /

Las lenguas dize Aristoteles (Lib. 4. de hist. animal. cap. 9.) que no se pueden sacar por razon, ni consisten en discurso ni ra Examentiocinio: y assi es necessario oyr a otro el vocablo, y la significacion que tiene, y guardarlo en la memoria: y con esto prueva que si el hombre nace sordo, necessariamente a de ser mudo, por no poder oyr a otro el articulacion de los nombres, ni la significacion que los inventores les dieron. De ser las lenguas un placito y antojo de los hombres, y no mas, se infiere claramente, que en todas se pueden enseñar las sciencias; y en qualquiera se dize y declara, lo que a la otra quiso sentir. Y assi ninguno de los graves autores, fue a buscar lengua estrangera, para dara entender sus concep tos: antes los Griegos, escrivieronen Grie go: los Romanos, en Latin: los Hebreos, en Hebrayco: y los Moros, en Arabigo: y assi hago yo en mi Español, por saver mejor esta lengua, que otra ninguna. Los Romanos (como señores del mundo) viendo que era necessario aver una lengua comun, con que todas las naciones se pudiessen comunicar, y ellos oyr y entender a los que venian a pedir justicia, y cosas tocantes a su governacion, mandaron que vuiesse escuela en todos los lugares de su imperio, en la qual se enseñasse la lengua Latina; y assi a durado hasta el dia de oy.