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31 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man sindet bey dem Athenäus, bey demMartianus Capella und bey verschiednenandern alten Schriftstellern, die erstaunlichstenErzehlungen von den wunderbaren Wirkungen,welche die Musik der Griechen und Römergehabt. Verschiedne Neuern, als Meibom undder jüngere Caspar Bartholin, haben diese Erzehlungen in ihren Werken zusammen getragen; jener in der Sammlung alter MusikalischerSchriftsteller, die er herausgegeben und mit Anmerkungen erläutert hat, und dieser in seinemBuche de tibiis veterum. Wenn Herr Tanaquill Faber dieses letzte Buch, ehe er seineAnmerkungen über den Terenz drucken lassen, hätte sehen können; so würde er ohne Zweifel dieschönen lateinischen Verse weggelassen haben, dieer wider die alte Flöte und wider diejenigen gevon den theatr. Vorstell. der Alten.macht hatte, welche die Structur und den Gebrauch derselben zu erklären wagen wollten.


32 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Wir haben oben bey der Eintheilung und derErklärung der musikalischen Künste gesehen,daß bey den Griechen die poetische Musik, inihrem ganzen Umfange genommen, nicht mehrals eine einzige Kunst ausgemacht habe; daß siehingegen bey den Römern in zwey verschiedne von den theatr. Vorstell. der Alten.Künste getheilet worden, deren eine alle Artenmetrischer Verse zu verfertigen, und die andredie Melodie zu componiren lehrte. Von der erstern, nehmlich von den Regeln, nach welchendie Alten ihre Verse machten, habe ich in meinem ersten Theile weitläuftig gehandelt; wir wollen also hier bloß von der andern reden, nehmlichvon der Melopäie, oder von der Kunst, welchedie Melodie zu verfertigen, und diese Melodieauszuführen lehrte.


33 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Dem Verfasser lag also ob, als Redner,die Fabel oder Handlung seines Stücks zu erfinden; als Philosoph, seinen Personen Sitten und anständige Charaktere zu geben, und sienützliche Lehrsprüche vorbringen zu lassen; undals Dichter, wohl abgemessene Verse zu machen, das geschwindere oder langsamere Tempoderselben vorzuschreiben, und die Melodie zucomponiren, von welcher grossen Theils die guteAufnahme des Trauerspiels abhing. Wenn mandarüber, was Aristoteles von der Wichtigkeitder Melopäie sagt, erstaunen wollte; so müßteman gar niemals Tragödien haben vorstellen sehen; und wenn man sich darüber wunder wollte, daß er die Composition der Melodie demPoeten selbst auflegt, so müßte man es schonwieder vergessen haben, was wir oben angemerkt von den theatr. Vorstell. der Alten.und zu beweisen versprochen, daß nehmlich diegriechischen Poeten die Declamation ihrer Stücke selbst componirten, anstatt daß die lateinischenDichter diese Arbeit denjenigen Künstlern überliessen, welche weder Verfasser noch Komödianten waren, sondern bloß Profeßion davon machten, die dramatischen Werke auf das Theater zubringen. Wir haben sogar angemerkt, daßeben aus diesem Grunde Porphyrius aus derVerfertigung der Verse und der Verfertigungder Melodie nicht mehr als eine Kunst macht, welche er die Poetik in ihrem ganzen Umfangenennet, weil er damit auf den Gebrauch derGriechen sahe, anstatt daß Aristides Quintilianus, welcher sich nach dem Gebrauche der Römer richtete, die Kunst Verse zu machen, und dieKunst die Melodie zu machen, für zwey verschiedene Künste zehlet.


34 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Es ist zwar nicht gewiß, daß Aristoteles seineAufgaben selbst aufgeschrieben habe; aber genug, daß dieses Werk wenigstens von seinen Schülern verfertiget worden, und daß man es allezeit als ein Denkmal des Alterthums betrachtethat, welches folglich aus den Zeiten seyn muß,da die Bühnen der Griechen und Römer nochoffen waren.


35 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Verse der Salier haben ihren gewissenGesang; und da die Einsetzung ihres Dienstes, sich von dem Könige Numa herschreibt, so be(*) Trist. lib. 5. El. 7.(**) Instit. libro I. cap. 12.du Bos,weiset dieser Gesang, daß die Römer, so wildsie auch damals waren, gleichwohl schon einigeKenntniß von der Musik gehabt haben.

36 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Wenn Juvenal in seiner siebenden Satyre denQuintilian rühmen will, so sagt er unter andern, daß dieser Redner sehr wohl singe, besonderswenn er vorher sich derjenigen Mittel bedienthabe, deren sich die Römer zur Reinigung derWerkzeuge der Stimme zu bedienen pflegten, undvon welchen wir weiter unten reden wollen. (***)


37 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Römer hatten zu den Zeiten des Donatus vier verschiedne Gattungen der Komödie.Die von der ersten Gattung, welche Togatæ,oder Komödien in langen Röcken, hiessen, waren sehr ernsthaft. Die Tabernariæwaren es schon weniger. Die Atellanæ warendiesen ohne Zweifel hierinne gleich; und die Mimimüssen wahrhafte Possenspiele gewesen seyn.Man darf sich also nicht wundern, daß sich Donatus so insbesondere einläßt, wenn er von denFlöten überhaupt spricht, deren man sich zumAccompagniren in den Komödien bediente.


38 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Kunst alle Arten von Gesängen in Noten zu schreiben, war in Rom schon zu den Zeiten des Cicero sehr alt. Sie war lange vor Eröffnung der Theater daselbst schon bekannt. NachdemCicero von dem Gebrauche gesprochen, welchen die Pythagoriker von der Musik gemacht; nachdem er gesagt, daß der zweyte römische König Numa der Schule des Pythagoras verschiedene Gebräuche abgeborgt, die er hernach in seinem kleinen Staate eingeführet: so beruft er sich, gleichsam zum Beweise seines Vorgebens, aufdie Gewohnheit, das Lob grosser Männer, unter einem Accompagnement von Blasinstrumenten, bey Tische zu singen. Und dieses, setzt derVerfasser hinzu, beweiset, daß die Kunst, dieTöne der Gesänge und die Declamation der Verse in Noten zu bringen, schon damals bekanntgewesen. (*) Morem apud majores tunc epularum fuisse, ut deinceps qui accubarent, canerent ad tibiam clarorum virorum laudes at(*) Quæst. Tuscal. lib. 4.von den theatr. Vorstell. der Alten.que virtutes, ex quo perspicuum est cantustunc fuisse descriptos vocum sonis, & carmina; quamquam id quidem etiam duodecimtabulæ declarant, condi jam solitum esse carmen. Wir haben schon oben erklärt, was dieRömer unter dem Worte carmen verstanden. Auch sagt Cicero in dem fünften Buche seinerTusculanischen Fragen, wenn er von den Vergnügen redet, die auch derjenige noch haben könne, der das Unglück gehabt sein Gehör zu verlieren: wenn dergleichen Unglückliche an schönenGesängen Vergnügen gefunden, so werden sie sienun vielleicht mit mehrerm Vergnügen lesen, alssie sie sonst haben aufführen hören. Et si cantus eos forte delectant, majorem percipi posselegendis his quam audiendis voluptatem.Cicero setzt voraus, daß, überhaupt zu reden, einjeder so viel davon verstehe, daß er wenigstenseinen Theil dieser Gesänge lesen könne; und dieses zeigt deutlich, daß man sie müsse in Notengeschrieben haben.


39 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Unsre (*) Verse führen zwar ihre Abmessungnicht gleich mit sich, wie es wohl die metrischenVerse der Griechen und Römer thun. Alleinman hat mir auch gesagt, daß man im Declamiren den Noten nur die Helfte ihres gewöhnlichenWerths geben könnten. Man könnte einer weissen Note nur den Werth einer schwarzen, undeiner schwarzen nur den Werth einer Achtelnotegeben; und auch den übrigen Noten könnte mannach diesem Verhältnisse ihren Werth bestimmen, so wie sie sich nach demselben angeben liessen.


40 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

(*) Nehmlich die französischen, nicht die deutschen,welche den griechischen und römischen in diesemStücke sehr gleich kommen können. Ueb.

41 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

der Römer gemacht worden. Die Veränderungen

42 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die übereilten Gebehrden dieser Schauspielermußten freylich denjenigen als convulsivische Bewegungen vorkommen, die an eine einfache undlangsame Recitation gewöhnt waren. Eben sowürden Zuschauer, die nichts anders als englische Komödien hätten spielen sehen, das SpielItaliänischer Komödianten für die Declamationunsinniger Leute halten. Die neue Art zu recitiren wird den Römern also Anfangs sehr ausserordentlich geschienen haben; doch werden siesich auch bald daran gewöhnt haben, weil mansich sehr leicht an solche Neuigkeiten gewöhnt, welche mehr Thätigkeit und mehr Leben in dietheatralischen Vorstellungen bringen.


43 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Der jüngere Plinius, welcher des Quintilianus Schüler gewesen war, schreibt an einen seiner Freunde, daß er sich ihm dasjenige, was(*) Quint. Inst. l. 12. c. 3.du Bos,die Redner, die er eben gehört habe, gesprochenund mit was für einer weibischen Verzärtlungder Stimme sie es gesprochen, zu erzehlen schäme. (*) Pudet referre quæ & quam fractapronuntiatione dicantur. Eine Declamation, die man gar zu ausdrückend machen will, mußnothwendig in die zwey entgegengesetzten Fehlerfallen. Manchmal wird sie allzuhochtrabendund mit ausschweiffenden Abänderungen derStimme allzuangefüllt seyn: und manchmalwird die Recitation in das gar zu Kraftlose fallen. Daher wirft auch Plinius der Declamation, die er tadelt, vor, daß sie nicht selten inein Geschrey ausarte; Immodicum insolitumque clamorem. Eben dieser Schriftsteller führtnoch an, daß Domitius Afer, ein in der römischenGeschichte berühmter Redner, der sich ohngefehr dreyßig Jahr nach dem Tode des Cicerozu erst vor Gerichte hören ließ, die neue Art zudeclamiren den Verlust der Beredsamkeit genannt habe. Artificium hoc periit, sagte er, nachdem er einige junge Leute ihre Reden hattehalten hören. Allein die Critik des Afer warvielleicht ein übertriebner Tadel. Wenigstens istso viel gewiß, daß dieser Redner in einem Geschmacke declamirte, der demjenigen, welchen erhier tadelt, ganz entgegengesetzt war, indem eralles sehr ernsthaft und langsam aussprach. Cumapud Centumviros diceret graviter & lente,(*) Plin. Epist. 14. lib. 12.von den theatr. Vorstell. der Alten.hoc enim illi actionis genus erat, sagt Plinius,indem er von dem Afer spricht. Meine Absichtist auch gar nicht, durch Anführung dieser Stellen zu beweisen, daß die Römer unrecht gethan, indem sie ihre Art zu declamiren geändert; sondern ich will nur zeigen, daß sie sie wirklich verändert, und zwar zu den Zeiten des Cicero zuverändern angefangen haben.


44 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Römer theilten oft die thea

45 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Es wird hier nicht undienlich seyn, eine Ausschweifung über die Masken zu machen, womit sich die griechischen und römischen Komödianten, wenn sie spielten, denKopf bedeckten. Sie wird dasjenige, was ich(*) Isid. Orig. lib. 18.von den theatr. Vorstell. der Alten.noch von der zwischen dem Gebehrdenmacherund Sänger vertheilten Declamation zu sagenhabe, besser verstehen helffen. Aeschylus hattediesen Gebrauch in Griechenland eingeführt. Diomedes (*) sagt uns wohl, daß Rosius Galluszuerst eine Maske auf das römische Theater gebracht habe, um den Fehler seiner schielendenAugen zu verbergen, allein er sagt uns nicht, wenn dieser Rosius gelebt habe. Personis verouti primus cœpit Rosius Gallus præcipuushistrio, quod oculis obversis erat, nec satisdecorus in personis, nisi parasitos pronuntiabat. Dieser Gebrauch hat sich zum Theil auchsogar auf den neuern Bühnen erhalten. Verschiedne Personen der italiänischen Komödiehaben Masken vor. Und ob wir gleich niemalsallen unsern Schauspielern Masken gegebenhaben, welches die Alten thaten, so ist esdoch noch nicht lange her, als man sich ihrersehr öfters auf dem französischen Theater beyVorstellung der Komödien bediente. Man bediente sich ihrer auch sogar dann und wann beyVorstellungen der Tragödien; und ob sie gleichnunmehr aus diesen gänzlich verwiesen sind, sosind sie es doch nicht aus jenen.