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16 - An Essay on Dramatick Poesy /

Roman

17 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Römer

18 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Wenn wir aber zugestehen wollen, daß dieAlten ihre Schauspiele gut angelegt haben, so müssen wir auch bekennen, daß ihre Ausführung nicht schlechter gewesen. Mit dem Menander, unter den griechischen Dichtern, und dramatischen Werken. mit den Cäcilius, Africanus und Varius unter den römischen, haben wir, ohne Widerspruch, einen grossen Vorrath an Witz verloren; Menanders Vortreflichkeit kann man aus den Lustspielen des Terenz abnehmen, der verschiedne von ihm übersetzte, gleichwohl aber noch so weit hinter ihm zurück blieb, daß ihn Cäsar nur den halben Menander nennte; von dem Varius können wir uns aus den Zeugnissen des Horaz, Martial und Vellejus Paterculus einen Begriff machen. Wenn wir dieser ihre Werke wieder finden könnten, so würde, wahrscheinlicher Weise, der Streit auf einmal entschieden seyn. Doch so lange wir den Aristophanes und Plautus noch haben; so lange die Trauerspiele des Euripides, Sophokles und Seneca noch in unsern Händen sind, kann ich keines von unsern neuerlich geschriebenen Schauspielen ansehen, ohne daß sich meineBewunderung der Alten dadurch vermehrt. Dabey aber muß ich noch gestehen, daß um sie so zu bewundern, wie sie es verdienten, wir sie besser verstehen müßten, als es geschieht. Verschiednes scheinet uns, ohne Zweifel, bey ihnen plat, weil der Witz davon von irgend einer Gewohnheit oder Geschichte abhängt, die uns niemals zu Ohren gekommen; oder vielleicht auch von einer Feinheit in ihrer Sprache, die als eine todte, und nur noch in den Büchern vorhandene Sprache, unmöglich volllommen Von Johann Dryden u. dessen von uns verstanden werden kann. Jch habe nur den Macrobius lesen dürfen, wo er die eigenthümliche Bedeutung und Zierlichkeit ververschiedner Wörter des Virgils erklärt, die ich vorher als gemeine Dinge übergangen hatte, um mich zu überzeugen, daß ein gleiches auch wohl bey dem Terenz Statt haben könnte, und daß in der Reinigkeit seines Styls (welcheCicero so hoch schätzte, daß er seine Werke beständig um sich hatte) noch manches zu bewundern seyn möchte, wenn wir es nur erst wüßten. Unter dessen muß ich Sie zu erwägen bitten, daß der größte Mann des nächft<nächst> vergangenen Weltalters (Ben Johnson) nicht anstand, den Alten in allen Stücken den Vorzug zu lassen. Er war nicht allein ein ausdrücklicher Nachahmer des Horaz, sondern auch ein gelehrter Plagiarius aller andern; so daß wenn Horaz, Lucan, Peronius Arbiter,Seneca und Juvenal alle das ihrige von ihm wieder zurück fordern sollten, er wenig ernsthafte Gedanken, die neu bey ihm wären, behalten würde. Sie werden mir also verzeihen, wenn ich glaube, daß der ihre Mode müsse geliebt haben, der ihre Kleider getragen. Weil ich aber sonst eine grosse Hochachtung für ihn habe, und Sie, Eugenius, ihn allen andern Poeten vorziehen, so will ich itzt weiter keine. Gründe, als dieses seinen Exempel anführen Jch will Jhnen ihren Vater Ben mit allen Klei dramatischen Werken dern und Farben der Alten ausgeputzt zeigen, und das wird hinlänglich seyn, Sie auf unsere Seite zu ziehen. Denn Sie mögen nun entweder die schlechten Schauspiele unsrer Zeit, oder die guten der nächst verflossenen betrachten, so werden beyde, die schlechtesten sowohl als besten neuen Dichter, Sie die Alten bewundern lehren.“


19 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

„Bey dem Seneca fährt Eugenius fort, nach einer kurzen Ausschweifung über die harte, unnatürliche Art sich auszudrücken, deren sich unter den englischen Dichtern besonders der Satyricus Cleveland schuldig gemacht,) „finde ich zwar manchen vortreflichen Gedanken; doch derjenige der unter den römischen Dichtern die größten Gaben für das Theater hatte, war, meinem Bedünken nach, Ovidius. Er weis die angenehme Bewunderung und das zärtlicheMitleid, welches die Gegenstände des Trauerspiels sind, so glücklich zu erregen, und die verschiednen Bewegungen einer mit verschiednenLeidenschaften kämpfenden Seele zu schildern, daß, wenn er in unsern Zeiten gelebt hätte, oder er zu seinen Zeiten unsere Vortheile gehabt dramatischen Werken. hätte, ihn niemand hierinn würde übertroffen haben. Jch kann mir auch daher nicht einbilden, daß die Medea, die sich unter den Senecaischen Trauerspielen befindet, sein Werk seyn sollte; denn ob ich sie schon wegen ihres spruchrichen Ernstes schätze, der, wie er selbst sagt, derTragödie vornehmlich zukömmt, Omne genus scripti gravitate Tragoedia vincit: so rührt sie mich doch bey weitem nicht so, daß ich glauben sollte, der Dichter, der in der Epischen Dichtungsart verschiednes dem Drama so nahe kommendes, als die Geschichte von der Myrrha, von Caunus und Byblis, geschrieben, hätte mich da nicht stärker rühren können, wo es auf die Rührung vornehmlich angesehen war. Das Meisterstück des Seneca, halte ich dafür, ist die Scene in den Trojanerinnen, wo Ulysses den Astyanax sucht, um ihn umzubringen; dieZärtlichkeit einer Mutter ist daselbst, in der Person der Andromacha so vortreflich geschildert, daß unser Mitleiden kaum höher steigen kann; es ist auch diese Scene dasjenige, was aus allen alten Trauerspielen den rührenden Scenen im Shakespear und Fletcher am nächsten kömmt. Verliebte Scenen wird man wenige bey ihnen finden; ihre tragischen Dichter machten sich mit dieser sanften Leidenschaft nicht viel zu thun, sondern mehr mit sträflicher Brunst, mit Grausamkeit, mit Rache und Ehrgeitz und deren blutigen Folgen, wodurch sie Von Johann Dryden u. dessen nicht sowohl Mitleiden als Schrecken bey ihrenZuschauern erregten et cetera


20 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Jch komme nunmehr auf Johnson. Wenn wir diesen Mann betrachten, als er noch Er war, (denn seine letzten Stücke sind Träumereyen seines Alters,) so müssen wir ihn für den gelehrtesten und vernünftigsten Scribenten halten, den jemals ein Theater gehabt hat. Er war der strengste Richter sowohl seiner selbst, als anderer. Man kann nicht so wohl sagen, daß es ihm an Witz gemangelt habe, als vielmehr, daß er sparsam damit umgegangen. Jn seinen Werken findet man wenig, was man auszustreichen oder zu ändern Ursach hätte. Witz,Sprache und Humor haben wir in gewissem Maaße bereits vor ihm; allein an Kunst fehlte es dem Drama noch in etwas, bis er sich damit abgab. Er kannte seine Stärke besser und wußte sie vortheilhafter zu gebrauchen, als irgend ein Dichter vor ihm. Man wird wenig verliebte Scenen, oder wo er Affect zu erregen bemüht gewesen wäre, bey ihm finden; denn sein Geist war zu mürrisch und saturninisch, als daß es ihm damit hätte gelingen sollen, und er sahe auch wohl, daß er nach Männern gekommen, die es in beyden zu einer mehr als gewöhnlichen Vollkommenheit gebracht hatten. dramatischen Werken. Humor war seine eigentliche Sphäre, und in dieser war es besonders seine Lust, Handwerksleute und dergleichen vorzustellen. Er war mit den Alten, sowohl Griechen als Lateinern sehr genau bekannt, und borgte von ihnen frey und keck; es ist fast kein einziger Dichter oder Geschichtschreiber unter den römischen Scribenten, aus dem er in seinem Sejanus und Catilina nicht etwas übersetzt hätte. Er begeht aber seine Räubereyen so öffentlich, daß man deutlich sieht, er müsse durchaus keine Verurtheilung der Gesetze befürchten. Er fällt über die Autores wie ein Monarch her, und was man bey einem andern Dichter für Diebstahl halten würde, das ist bey ihm bloß Sieg. Mit der Beute, die er diesen Scribenten abgenommen, stellt er uns das alte Rom, nach seinen Gebräuchen, Ceremonien und Sitten, so vollständig vor, daß wenn einer vor ihm selbst diese oder jene seiner Tragödien geschrieben hätte, wir davon weit weniger bey ihm würden gefunden haben. Wenn er einen Fehler in seinerSprache hatte, so war es dieser, daß er sie allzu dicht und mühsam in einander webte, besonders in seinen Komödien; vielleicht romanisirte er auch ein wenig zu sehr, indem er die Worte, die er übersetzte, beynahe eben so lateinisch ließ, als er sie fand, welches sich für unsere Sprache nicht allzuwohl schicken wollte. Wenn ich ihn mit Shakespearn vergleichen wollte, so Von Johann Dryden u. dessen müßte ich sagen, daß er ein correctrer Dichter,Shakespear aber ein grösser Genie sey. Shakespear war der Homer, oder Vater unsrer dramatischen Dichter; Johnson war der Virgil, das Muster der sorgfältigen Ausarbeitung; ich bewundre ihn, aber ich liebe Shakespearn.“


21 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Musik der Alten war eine Wissenschaft, die einen weit grössern Umfanghatte, als unsre Musik. Heut zu Tagelehret die Musik blos zwey Dinge; die Composition der musikalischen, oder eigentlich so genanntenGesänge, und die Ausübung dieser Gesänge, es sey nun vermittelst der Stimme, oder vermittelst der Instrumente. Bey den Griechenund Römern aber hatte die Musik ein weit grössers Feld. Sie lehrte nicht allein das, was unsere noch lehrt, sondern sie lehrte auch noch weitmehr Dinge, welche unsere nicht lehrt; es seynun, weil man heut zu Tage einen Theil dieserDinge nicht mehr studirt, oder weil man dieKunst, welche den andern Theil dieser Dingelehrt, zur Musik nicht rechnet, und demjenigenalso, der sie treibt, den Namen eines Musicusnicht beylegt. In dem Alterthume war dieDichtkunst eine von den Künsten, welche mitunter der Musick begriffen wurden, und die Musikwar es folglich, welche, Verse von einer jeden du Bos,Art zu machen, lehrte. Die Tanzkunst, oderdie Kunst der Bewegungen, war gleichfalls einevon den Musikalischen Künsten. Diejenigen also,welche die Schritte und Stellungen unsers Tanzens, oder des eigentlich so genannten Tanzenslehrten, welches ein Theil von der Kunst derBewegungen war, wurden Musici genannt. Endlich lehrte auch die Musik der Alten die blosseDeclamation in Noten zu setzen und zu schreiben,welches man heut zu Tage nicht mehr verstehet.Aristides Quintilianus hat uns ein vortrefliches Buch über die Musik, in griechischerSprache, hinterlassen. Er lebte unter der Regierung des Domitianus oder Trajanus, wieMeibom, welcher das Werk, wovon ich rede, mit der lateinischen Uebersetzung drucken lassen,aus guten Gründen schließt. Diesem Aristideszu Folge, erklärten die meisten Schriftsteller,welche vor ihm geschrieben hatten, die Musikals eine Kunst, welche die Stimme zu brauchen, und alle Bewegungen des Körpers mitAnmuth zu machen lehre. (*) Τεχνηπρεποντοςἐνφωναιςκαικινησεσι.


22 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Da man gemeiniglich von der Musik derGriechen und Römer den Begrif nicht hat, denich davon gegeben, und vielmehr glaubt, daßsie mit der unsrigen in gleiche Grentzen eingeschlossen gewesen, so findet man sich in ziemlicher(*) Aristides im ersten Buche. S. 6. MeibomischenAusgabe.von den theatr. Vorstell. der Alten.Verlegenheit, wenn man alles das, was diealten Schriftsteller von ihrer Musik, und vondem zu ihrer Zeit üblichen Gebrauch derselben, sagen, erklären will. Daher ist es gekommen, daß die Stellen in der Dichtkunst des Aristoteles,die Stellen im Cicero, im Quintilian und inandern guten Schriftstellern des Alterthums, woihrer Musik gedacht wird, von den Auslegernübel verstanden worden, weil sie sich eingebildet, daß in diesen Stellen von unserm Tanze undund unserm Singen, das ist, von dem eigentlich so genannten Tanzen und Singen, gesprochenwerde. Die Auslegung, die sie davon geben, taugt fast immer zu weiter nichts, als die Sachenoch dunckler zu machen, und uns von der wahren Art, wie wir uns vorstellen sollten, daß diedramatischen Stücke auf den Theatern der Altenaufgeführet worden, ganz abzubringen.


23 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man kann das Werk über die Musik, welchesAristides Quintilianus ingriechischer Sprache geschrieben, undMeibom ins Lateinische übersetzt hat, als das allerlehrreichste ansehen, welches uns über diese Wissenschaft aus dem Alterthume übrig geblieben ist. Es ist, meinem Bedünken nach, das methodischsteunter allen diesen Werken; und da desselben Verfasser, ein Grieche von Geburth, täglich mit denRömern umging, weil er in den Zeiten lebte, daalle von den Griechen bewohnte Länder denNachfolgern des Augustus unterworffen waren,so konnte er gar wohl den Gebrauch wissen, denman zu Rom und in Griechenland von derMusik machte. Aus seinem Buche also wollenwir den allgemeinen Begrif von der Musik derAlten hohlen. Die Musik der Römer übrigenswar mit der Musik der Griechen, von welchensie diese Wissenschaft gelernt hatten, einerley. Ihr Umfang und ihre Grundsätze waren bey den du Boseinen eben die, die sie bey den andern waren, sodaß man sich, bey Erklärung des Umfangesund des Gebrauchs der Musik der Alten, mitgleichem Rechte bald der griechischen, bald derlateinischen Schriftsteller bedienen kann. Aristides Quintilianus (im ersten Buche) erkläretdie Musik als eine Kunst, aber als eine Kunst,welche die Grundsätze, nach welchen sie verfähret, beweise, und alles lehre, was den Gebrauchbetreffe, den man von der Stimme machenkönne, zugleich auch alle Bewegungen, deren derKörper fähig sey, mit Anmuth zu bewerkstelligen, zeige. Unser Verfasser führet noch einige andereErklärungen von der Musik an, die von derseinigen zwar ein wenig unterschieden sind, überhaupt aber doch durchgängig voraus setzen, daßdiese Wissenschaft den Umfang wirklich gehabthabe, den wir ihr beylegen.


24 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man kann leicht errathen, was das für Unterricht müsse gewesen seyn, den die OrganischeMusik, welche die Instrumente zu spielen lehrte, und diejenige Musik ertheilte, welche die Singekunst genennt wird. Was die hypocritische, oderdie nachäffende Musik anbelangt, die deswegen so hieß, weil sie eigentlich die Musik der Komödianten war, die bey den Griechen gemeiniglich Hypocriten oder Nachäffer hiessen, so lehrte sie die Kunst der Bewegungen, und zeigte, wie man dasjenige nach den Regeln einer festenMethode, und nach gewissen Grundsätzen inAusübung bringen solle, was wir heut zu Tagebloß durch Hülfe des natürlichen Triebes, oderaufs höchste, vermittelst eines Schlendrians verrichten, der sich nur auf wenige Anmerckungenstützt. Die Griechen nennten diese MusikalischeKunst Ορχησις und die RömerSaltatio.


25 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Ich will mich hier unterbrechen, um eine Anmerckung zu machen. Da die Musik der Altenvon so viel Dingen methodische Lehren ertheilte,da ihre Vorschriften den Sprachkundigen ebenso nützlich, als nothwendig den Poeten, und allen denen waren, welche öffentlich zu reden hatten; so darf man sich gar nicht mehr wundern, daß sie die Griechen und Römer (*) für eine nothwendige Kunst gehalten und ihr so viel Lobsprüche ertheilt haben, welche der unsrigen gar nichtzukommen. Man darf gar nicht erstaunen, daßAristides Quintilianus (**) gesagt hat, die Musik sey eine allen Altern des menschlichen Lebensnöthige Wissenschaft, weil sie nicht allein das, was Kinder, sondern auch das, was erwachsenePersonen wissen müßten, lehre.


26 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Römer welche nicht selten die griechischeTerminologie brauchten, wenn sie von der Musik sprachen, kannten ohne Zweifel die Abstammung derselben, und wußten, was ein eingeführter Gebrauch in der eigentlichen Bedeutungdieser Kunstwörter geändert habe. Nun sagtaber der h. Augustinus ausdrücklich, (**) daßman zu seiner Zeit alles mit dem Namen desRithmus belegt habe, was die Dauer bey Ausführung der Composition angegangen. Rithmienim nomen in Musica usque adeo patet ut(*) Arist. libr. pr.(**) De Musica libr. II.von den theatr. Vorstell. der Alten.hæc tota pars ejus quæ ad diu & non diu pertinet, rithmus nominata sit.


27 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Da nun aber, bey den Griechen und Römernjedermann von Kindheit an den Werth einer jeden Sylbe wußte, ohne eine besondere Bemühung darauf verwendet zu haben, so wußte er auchzugleich den Werth einer jeden Noten, weil dieser mit jenem einerley war.


28 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Was die Bewegung des Takts anbelangt, dievon den Alten eben so hoch geschätzt wurde, als von den theatr. Vorstel. der Alten.von dem Lulli, dem la Lande und andernguten französischen Tonkünstlern; so scheint esmir unmöglich zu seyn, daß ihm die Griechenund Römer, so zu reden, in Noten hätten schreiben können, oder daß sie, vermittelst eines gewissen Zeichens, die eigentliche Dauer, welche jederTakt haben sollte, hätten bestimmen können. Siemußten sich ohne Zweifel hierinn, so gut wie wir, auf den Geschmack und die Beurtheilungskraftdesjenigen verlassen, welcher den Takt schlug, auf denjenigen, welcher aus der rithmischen Kunstseine besondere Profession machte. Zwar habeneinige Neuern geglaubt, man könne noch aufeine andre Art, als durch den mündlichen Unterricht, die Dauer, welche eine Arie haben solle, lehren, und also auch der Nachwelt die Bewegung, mit welcher man sie spielen müsse, hinterlassen; allein ihr Geheimniß bestand in dem Gebrauche einer Taschenuhr, durch welche sie zu ihrem Zwecke zu kommen gedachten. Indem sie, zum Exempel bestimmten, wie viel Secundendie ersten zwanzig Takte in der Chaconne desPhaetons dauern sollten, so vermeinten sie dadurch die Bewegung, mit welcher der Takt indiesem Stücke zu schlagen sey, lehren zu können. Doch ohne mich viel in die Untersuchung der Möglichkeit dieses Anschlags einzulassen, will ich bloßanmerken, daß die Alten auf keine Weise darauffallen konnten, weil ihre Uhrmacherkunst viel zuunvollkommen war, sie auf einen solchen Gedandu Bos,cken zu bringen. Sie hatten nicht einmal Uhren mit Rädern, geschweige, daß sie Secundenuhren hätten haben sollen; und es ist ganz bekannt, daß sie ihre Zeit bloß vermittelst der Sonnenuhren, oder der Sanduhren und Wasseruhren abzumessen pflegten.


29 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

„Es geschieht vermöge der Gesetze der Natur,sagt eben derselbe Verfasser, den wir jezt angeführt haben, an einem andern Orte, daßdie Töne und der Takt einen solchen Eindruck auf uns machen. Wenn dieses nicht wäre, wie könnten die Symphonien, bey welchenwir gar kein Wort zu hören bekommen, unsgleichwohl nach ihrem Willen bewegen, so wiesie es wirklich thun? Will man es einem blossenZufalle zuschreiben, wenn an fästlichen Täge gewisse Symphonien die Einbildungskrafterhitzen, und die Geister in Bewegung bringen,anstatt daß andre sie besänftigen und stillen?Ist es nicht augenscheinlich, daß diese Symphonien nur deswegen solche verschiedene Wirkungen hervorbringen, weil jede derselben voneinem besondern Charakter ist? Die einenwurden gemacht, damit sie diese, und die an(*) Instit. lib. I. cap. 12.du Bos,dern, damit sie eine andre Wirckung hervorbrächten. Wenn die Truppen im Kriege anrücken sollen, so spielen die Instrumente einStück von einem ganz andern Charakter, alssie spielen, wenn sie sich zurückziehen sollen. Das Stück, welches unsre militarischen Instrumente alsdenn ertönen lassen, wenn um Gnadegebeten werden soll, gleicht demjenigen gar nicht, welches alsdenn erklingt, wenn der Anfall vorsich geht. (*) Natura ducimur ad modos, neque aliter enim eveniret ut illi quoque organorum soni, quamquam verba non exprimunt, in alios atque alios ducerent motus auditorem. In certaminibus sacris, non eadem ratione concitant animos & remittunt, nec eosdem modos adhibent cum bellicum est canendum, autposito genu supplicandum, nec idem signorumconcentus est procedente ad prælium exercitu, idem receptui canente. Da die Alten keinFeuergeschoß hatten, durch deren Knall die Soldaten wären verhindert worden, während demTreffen, den Klang der Instrumente zu hören,deren man sich in gedoppelter Absicht, Theilsihnen das Kommando dadurch zu wissen zu thun,Theils sie aufzumuntern, bediente; so wendetendie Alten auf diesen Theil der Kriegskunst einebesondere Aufmerksamkeit, und stellten Untersuchungen darüber an, die heut zu Tage völligunnütze seyn würden. Der Knall der Kanonen(*) Inst. lib. IX. cap. 4.von den theatr. Vorstell. der Alten.des kleinen Geschützes verhindert oft, das Zeichenzu hören, welches eine Menge schlagender Tambours, und eben so viele blasende Trompeter mitvereinten Kräften geben. Die Römervornehmlich liessen es sich ganz besonders angelegenseyn, in der militairischen Musik etwas vorzügliches zu leisten.


30 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Livius erzehlet eine Begebenheit, die ungemein geschickt ist, dasjenige, was Quintiliansagt, zu bestärken. Als Hannibal die StadtTarent überrumpelt und den Römernabgenom(*) Inst. libr. pr. cap. 12.du Bos,men hatte, wollte er durch eine Kriegslist verhindern, daß sich die Besatzung nicht in das Castell werfen könne, sondern sich zu Kriegsgefangenen ergeben müsse. Er hatte entdeckt, daßsich die Römer, im Fall einer unversehenenUeberraschung, in dem Theater der Stadt zu versammeln pflegten, und ließ daher eben dasselbeStück blasen, welches von den Römern geblasen wurde, wenn sie sich versammeln sollten. Allein die Soldaten von der Besatzung erkannten gar bald aus der schlechten Art, mit welcherdie Trompete geblasen wurde, daß sie kein Römer blasen müsse; sie vermutheten also eine Listdes Feindes und warfen sich in das Castell, anstatt sich auf den Sammelplatz zu begeben.