Suchbegriff: poes
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16 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Um von einer Geburt des Geistes richtig zu urtheilen, muß man sie nicht gegen eine andere halten. Das war der Fehltritt, den einer von unsern ersten Kunstrichtern that. Er sagte: die Alten haben keine Opern gehabt, folglich ist die Oper eine Gattung, die nichts taugt. Wäre er vorsichtiger, oder besser unterrichtet gewesen, so hätte er vielleicht gesagt: Die Alten hatten bloß eine Oper, und folglich kann unsere Tragödie nicht gut seyn. Hätte er hingegen eine richtigere Logik inne gehabt, so würde er weder so, noch so geschlossen haben. Es mögen Muster vorhanden seyn, oder nicht, daran ist nichts gele gen. Es giebt eine Regel, die älter als alles ist; und die poetischen Gründe waren, ehe noch Poeten waren: denn wie hätte man sonst von dem ersten Gedichte urtheilen können? War es gut, weil es gefiel? Oder gefiel es, weil es gut war?


17 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Dichter, der Romanenschreiber, der Schauspieler dringen verstohlner Weise ans Herz, und treffen es um so viel gewisser und stärker, je weniger es den Streich vermuthet, je mehr Blösse es folglich giebt. Die Unglücksfälle, durch die man mich rühret, sind erdichtet: was thut das? Sie rühren mich doch. Jede Zeile in dem Ehrlichen Manne, der sich der Welt entzogen, im Dechant von Killerine, im Cleveland, erregt in mir ein zärtliches Theilnehmen an den Unglücksfällen der Tugend, und kostet mich Thränen. Könnte es eine unseeligere Kunst geben, als die, die mich zum Mitschuldigen des Laster haften machte? Aber wo ist auch eine schätzbarereKunst als die, die mich unvermerkt für das Schicksal des rechtschaffnen Mannes einnimmt, die mich aus der ruhigen und süssen Fassung, in der ich mich befand, reisset, um mich mit ihm umher zu treiben, mich in die Höhlen zu versetzen, in die er flüchten muß, mich zum Mitgenossen der Unfälle zu machen, durch die es dem Poeten beliebt, seine Beständigkeit auf die Probe zu stellen.


18 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Hieraus läßt sich schliessen, daß der Roman, aus welchem man ein gutes Drama machen kann, darum nicht schlecht ist; daß es aber kein gutes Drama giebt, aus welchem man einen vortrefflichen Roman machen könnte. Die Regeln sind es, durch die sich diese zweyGattungen der Poesie unterscheiden.


19 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Hieraus sieht man, daß eine Tragödie in Prosa eben so wohl ein Gedicht ist, als eineTragödie in Versen; daß es mit der Komödie und mit dem Roman gleiche Bewandtniß hat; daß aber die Absicht der Dichtkunst weit allgemeiner ist, als die Absicht der Geschichte. Man lieset in der Geschichte, was ein Mann von dem Charakter Heinrichs des vierten, gethan und gelitten hat. Wie viel Umstände aber sind möglich, in welchen er auf eine seinemCharakter gemässe und weit wunderbarere Art hätte handeln können, als uns die Geschichte meldet; und diese wunderbarere Art eben ist es, welche die Poesie erdichtet.


20 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Fragt man mich aber, was jener Contrast der Gesinnungen oder Bilder ist, den ich in der Epopee, in der Ode und einigen andernGattungen der höhern Poesie liebe, so antworte ich: daß es eines von den deutlichsten Kennzeichen des Genies ist; daß es die Kunst ist, die Seele mit ganz verschiedenen und widrigen Gesinnungen zu erfüllen, sie von entgegengesetzten Seiten zugleich zu erschüttern, und ein von Unlust und Vergnügen, von Widrigkeit und Anmuth, von Behäglichkeit undSchrecken vermischtes Gefühl in ihnen hervorzubringen.$


21 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Ein anderes ist die Wahrheit in der Poesie, ein anderes in der Philosophie. Um wahr zu seyn, muß der Philosoph seine Rede mit derNatur der Gegenstände übereinstimmend machen; der Dichter, mit der Natur seinerCharaktere.


22 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Die Poesie verlangt etwas Ungeheuers, Barbarisches und Wildes.


23 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Alsdann wenn die Wuth des bürgerlichen Krieges, oder des Fanatismus, die Menschen mit Dolchen bewafnet, und Blut in Strömen fliesset, alsdann treibet und grünet der Lorbeer des Apollo. Mit Blut will er begossen seyn. Er verwelkt in den Zeiten des Friedens und der Musse. Das güldene Weltalter hätte vielleicht ein Lied, oder eine Elegie hervorgebracht. Die epische und dramatischePoesie verlangen andere Sitten.


24 - Fils naturelle /

Quoi qu'il en soit; que la poésie ait fait naître la déclamation théâtrale; que la nécessité de cette déclamation ait introduit, ait soutenu sur la scène la poésie & son emphase; ou que ce systême, formé peu-à-peu, ait duré par la convenance de ses parties, il est certain que tout ce que l'action dramatique a d'énorme se produit & disparoît en même tems. L'acteur laisse & reprend l'exagération sur la scène.


25 - Fils naturelle /

Mais savez-vous quelle fut la suite de l'u nion de la superstition nationale & de la poésie? C'est que le poëte ne put donner à ses héros des caracteres tranchés. Il eût doublé les êtres. Il auroit montré la même passionsous la forme d'un Dieu & sous celle d'un homme.


26 - Fils naturelle /

Je crains bien que ni les poëtes, ni les musiciens, ni les décorateurs, ni les danseurs, n'aient pas encore une idée véritable de leur théâtre. Si le genre lyrique est mauvais, c'est le plus mauvais de tous les genres: s'il est bon, c'est le meilleur. Mais peut-il être bon, si l'on ne s'y propose point l'imitation de la nature, & de la nature la plus forte? A quo bon mettre en poésie, ce qui ne valoit pas la peine d'être conçu? En chant, ce qui ne valoit pas la peine d'être récité? Plus on dépense sur un fonds, plus il importe qu'il soit bon. N'est-ce pas prostituer la philosophie, la poésie, la musique, la peinture, la danse, que de les occuper d'une absurdité? Chacun de ces arts en particulier a pour but l'imitation de la nature; & pour employer leur magie réunie, on fait choix d'une fable! Et 250 DE LA POÉSIE l'illusion n'est-elle pas déja assez éloignée? Et qu'a de commun avec la métamorphofe, ou le sortilége, l'ordre universel des choses, qui doit toujours servir de base à la raison poétique? Des hommes de génie ont ramené de nos jours la philosophie du monde intelligible dans le monde réel. Ne s'en trouverat-il point un qui rende le même service à lapoésie lyrique, & qui la fasse descendre, des régions enchantées, sur la terre que nous habitons?


27 - Der natürliche Sohn /

Dem sey nun wie ihm wolle; die Poesie mag die theatralische Declamation veranlaßt haben; oder die Nothwendigkeit dieser Declamation mag die Poesie und das Emphatische auf der Bühne eingeführet haben; oder das ganze System mag nach und nach entstanden seyn, und sich durch die Ersprießlichkeit seiner Theile erhalten haben: so ist doch so viel gewiß, daß alles, was die dramatischeAction ungeheueres hat, zugleich mit einander entstehet, und zugleich mit einander verschwindet. Der Schauspieler muß auf der Scene entweder nichts, oder muß alles übertreiben.


28 - Der natürliche Sohn /

Wissen Sie aber, was aus dieser Vereinigung des Nationalaberglaubens mit der Poesie folgte? Der Dichter konnte seinen Helden keinen reinen, unvermischten Charakter beylegen. Denn so würde er die Wesen verdoppelt haben. Er würde einerley Leidenschaft unter der Gestalt eines Gottes, und unter der Gestalt eines Menschen gezeigt haben.


29 - Der natürliche Sohn /

Ich fürchte, daß bisher weder die Dichter, noch die Tonkünstler, noch die Verzierer, noch die Tänzer einen richtigen Begriff von ihrem gemeinschaftlichen Theater gehabt haben. Ist die lyrische Gattung schlecht, so ist sie die schlechteste von allenGattungen. Ist sie gut, so ist sie die beste von allen. Aber wie kann sie gut seyn, wenn man sich nicht die Nachahmung der Natur, und zwar der allerstärksten Natur, darinn vorsetzt? Wozu dient es, etwas in Poesie zu bringen, das nicht werth war, gedacht zu werden? Etwas singbar zu machen, was nicht werth war, in Mund genommen zu werden? Je mehr man Unkosten auf etwas verwendet, desto besser muß es nothwendig seyn. Heißt das nicht die Philosophie, die Poesie, die Musik, die Mahlerey, die Tanzkunst schänden, wenn man sie mit einer Ungereimtheit beschäftiget? Jede von diesen Künsten insbesondere, hat die Nachahmung 250 der Natur zur Absicht; und wenn man sich ihrer vereinten Zauberkräfte bedienen will, so wählt man eine Fabel! Ist die Illusion etwa noch nicht entferntgenug? Was hat die allgemeine Ordnung der Dinge, auf die sich die poetischen Erdichtungen gründen müssen, mit der Verwandlung, mit der Hexerey zu thun? Männer von Genie haben in unsern Tagen die Philosophie aus der geistigen Welt in die wirkliche Welt herüber gehohlt. Will sich niemand finden, der der lyrischen Poesie den nehmlichen Dienst erzeige, und sie aus den bezauberten Gegenden auf die Erde, die wir bewohnen, herabbringe?


30 - An Essay on Dramatick Poesy /

But I see I am ingaging in a wide Dispute, where the Arguments are not like to reach close on either side; for Poesy is of so large an Extent, and so many both of the Ancients and Moderns have done well in all Kinds of it, that in citing one against the other, we shall take up more time this Evening, than each Man's Occasions will allow him: Therefore I would ask Crites to what Part of Poesy he would confine his Arguments, and whether he would defend the general Cause of the Ancients against the Moderns, or oppose any Age of the Moderns against this of ours.