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31 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die wahre Auflösung dieses Problems ist diese: weil die Bösen sinnreich sind, und eine grosse Einbildungskraft besitzen, †) welche ihnen tausend Wege zeigt, im Handel und Wandel zu betriegen; weil sie wissen, wie man Reichthum erwerben, und den erworbenen Reichthum schonen müsse. Redlichen Leuten hingegen fehlt es an der Einbildungskraft, so, daß wenn einer von ihnen die Bösen nachahmen und Wucher treiben will, er im kurzen Jnteressen und Kapital verlieret. Eben dieses merkte unser Heiland an, wenn er (Luc. XVI.) von der Geschicklichkeit jenes Haushalters redet, welchem seine Rechnung abgefordert wurde. Ob er gleich das Vermögen seines Herrn durchgebracht hatte, so konnte er doch seine Verwaltung mit Handschriften und Quittungen belegen. GOtt lobte diese Klugheit, ob sie gleich übel angewendet war, und fügte hinzu: denn die Kinder dieser Welt sind klüger, denn die Kinder des Lichts

†) Man kann gewiß nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit behaupten, daß die Bösen gemeiniglich sinnreicher wären, und eine grössere Einbildungskraft besässen, als tugendhafte Personen, sondern der Grund, warum mehr böse Buben, als rechtschaffene Leute reich werden, ist blos dieser, weil die ersten kein Bedenken tragen, alle mögliche, auch die niederträchtigsten Mittel zur Erreichung ihrer Absicht anzuwenden, welche rechtschaffene Leute zwar eben so gut ausfindig machen könnten, wie jene, aber wegen ihrer Denkungsart nicht anwenden wollen. E.

in ihrem Geschlechte. Das ist, jene, die Kinder dieser Welt, haben mehr Erfindungen und Kunstgriffe, als die Kinder GOttes; weil diese nichts als einen guten Verstand haben, mit welchem sie sich nach den Gesetzen GOttes richten, mit der Einbildungskraft aber schlecht versehen sind, als von welcher Vermögenheit die Geschicklichkeit, sich in der Welt fortzubringen, abhängt. Viele sind daher moralisch gut, weil sie keine Fähigkeit haben, böse zu seyn. Diese Antwort, sollte ich meynen, wäre sehr deutlich und handgreiflich; weil aber die Philosophen in die Naturlehre nicht soweit hineingiengen, so erfanden sie jene unsinnige und unbeständige Ursache, das Glück, welcher sie jeden guten und schlimmen Ausgang zuschreiben, da sie ihn vielmehr der Unvorsichtigkeit und der Ungeschicklichkeit der Menschen zuschreiben sollten.


32 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

†) Das werden die neuern Aerzte und Naturforscher dem Verfasser nicht einräumen. E.


33 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

†) Die neuern Naturforscher aber haben doch bemerkt, daß es verschiedene Arten von Affen giebt, deren Weibchen eben so, wie die Weiber der Menschen, ihren monatlichen Abfluß haben. E.


34 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die andere Probe ist diese *): νετωπον ὀλιγον προςτιθεσϑαι ἐν εἰριω' ἐνελιjασα, κἀ-πειτα ἑωθεν σκεψασϑαι ἠν ὀzη δια του ϛομα-τος το ἐπιτεθεν!κην μεν ὀzη, κυησει. ἠν δε μηοὐ. Das ist: man lege der Weibsperson zur Zeit, wenn sie schläft, ein Stückchen bis auf das innerste abgeschälten Knoblauch unter den Leib; wenn sie nun des Morgens den Geschmack des Knoblauchs im Munde empfindet, so ist sie ohne allen Zweifel fruchtbar. Doch diese zwo Proben, gesetzt auch, daß sie die Wirkung haben, welche Hippokrates angiebt, daß nämlich der Geruch oder Geschmack davon durch die innersten Theile bis in den Mund dringt, sind gleichwohl kein untrüglicher Beweis, daß der Mann unfruchtbar, die Frau aber nothwendig zum Gebähren geschickt seyn müsse. Es erhellt vielmehr hieraus weiter nichts, als dieses, daß unter beyden kein gehöriges Verhältniß sey, so, daß sie für ihn, und er für sie unfruchtbar ist. Dieses lehrt die tägliche Erfahrung; weil der Mann, sobald er sich mit einer andern verheyrathet, Kinder bekömmt. Worüber sich hierbey Leute, welche in der Naturlehre so weit nicht gekommen sind, am meisten verwundern, ist, daß wenn ein Paar Eheleute wegen Ohnmacht, welche der Mann dem Weibe und das Weib dem Manne beylegte, geschieden werden, und beyde sich hernach an andere Personen verheyrathen, daß, sa

*) Ιπποκρ. περι ἀΦορων.

ge ich, auch beyde gar bald Kinder bekommen. Die Ursache hiervon ist keine andere, als diese: weil es Mannspersonen giebt, deren Erzeugungsvermögenheit gegen eine Art von Frauenzimmern ganz untüchtig, gegen eine andere aber vollkommen fähig ist. Ein gleiches lehrt uns die Erfahrung an dem Magen; da nämlich ein Mensch zu einer Speise einen grossen Appetit hat, gegen eine andere aber, die doch in der That weit besser ist, ganz unempfindlich bleibet.


35 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Weil diese Art zu philosophiren, bis jetzt noch nicht bekannt gewesen ist, so hat kein ein

*) ἀφορ. τμημ. ε.

ziger von allen natürlichen Weltweisen auf das Problem des Alexanders von Aphrodisien gehö rig antworten können: cur plerique stulti li- beros prudentissimos procrearunt? Sie haben meistentheils darauf geantwortet: weil dumme Leute bey dem Erzeugungswerke allen Fleiß anzuwenden pflegten, und von keinen Betrachtungen zerstreuet würden. Das Gegentheil hiervon thäten weise Leute, welche auch bey der venerischen Handlung immer an etwas anders, als an das, was sie jetzt thun sollten, gedächten; sie schwächten daher den Saamen, und machten, daß ihre Kinder, sowohl an ihren vernünftigen Vermögenheiten, als an ihrem Körper unvollkommen würden. Doch eine solche Antwort können nur Leute geben, die nicht sehr weit in der Naturlehre gekommen sind. Bey den übrigen Verbindungen muß man so lange warten, bis die Weibsperson in einem vollkommenernAlter ein wenig ausgetrocknet und schmächtiger geworden ist; und folglich muß man sie nicht sehr jung verheyrathen, weil, so lange als sie jung ist, nur dumme und unfähige Kinder an das Licht kommen würden. Der Saame allzujunger Aeltern ist sehr feucht; weil wenige Zeit nach ihrer Geburt verflossen ist. Wenn aber der Mensch aus einer allzuwässerigen Materie erzeugt wird, so muß er nothwendig ein trägesGenie erhalten.


36 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Gleichfalls fragen die natürlichen Weltweisen *): warum gemeiniglich die Söhne weiser

*) Alexand. Aphr. probl. 26.

Männer ein dummes und unfähiges Genie haben? Sie antworten aber sehr schlecht darauf: weil die weisesten Leute sehr ehrbar und schamhaft wären, und sich deswegen bey der fleischlichen Vermischung gewisser Vorsichtigkeiten enthielten, die nothwendig müßten beabachtet werden, wenn das Kind in der Erzeugung die gehörige Vollkommenheit bekommen sollte. Sie beweisen dieses mit dem Beyspiele träger und dummer Aeltern, welche bey dem Erzeugungswerke allen Fleiß und alle ihre Stärke anwendeten, und folglich kluge und weise Kinder hervorbringen müßten. Doch dieses ist eine Antwort, die sich nur für solche Leute schickt, die wenig oder nichts von der Naturlehre wissen.


37 - /

He had observed, that it was the happiness and glory of the present age, that they had thrown off the method of forming hypotheses and suppositions in natural philosophy, and had set themselves to make observations and experiments on the constitution of the material world itself, and to mark the powers and principles which are discerned operating in it: he saw plainly that it was by adhering strictly to this method that natural philosophy had been carried to a greater degree of perfection than ever it was before, and that xiv PREFACE. it is only by pursuing the same method that we can hope to reach higher improvements in that science. He was convinced that in like manner a true scheme of morals could not be the product of genius and invention, or of the greatest precision of thought in metaphysical reasonings, but must be drawn from proper observations upon the several powers and principles which we are conscious of in our own bosoms, and which must be acknowledged to operate in some degree in the whole human species. And that therefore, one proper method at least to be followed in the moral science, is to inquire into our internal structure as a constitution or system composed of various parts, to observe the office and end of each part, with the natural subordination of those parts to one another, and from thence to conclude what is the design of the whole, and what is the course of action for which it appears to be intended by its great Author. He thought there was ground to hope, that from a more strict philosophical enquiry into the various natural principles or natural dispositions of mankind, in the same way that we enquire into the structure of an ani mal body, of a plant, or of the solar system, a more PREFACE.xv exact theory of morals may be formed, than has yet appeared: and a theory too built upon such an obvious and firm foundation as would be satisfactory to every candid enquirer. For we can be as certain of the several parts of our internal frame from inward perception and feeling, as we are of the several parts of an animal structure from ocular inspection: and we can as little doubt of the ends for which the principalparts at least of our internal constitution are intended, as we can doubt of the ends for which the members of our body, or our external senses were framed: and whatever evidence we have for the existence and perfections of the Supreme Being, we have the same evi dence that the moral constitution of our nature is his work, and thence we conclude, that it is most certainly his will, that we should cultivate that temper of mind, and pursue that course of life, which is most correspondent to the evident ends and purposes of his divine workmanship; and that such a state of heart and plan of life, as answers most effectually the end and design of all the parts of it, must be its most perfect manner of operation, and must constitute the du ty, the happiness, and perfection of the order of beings to whom it belongs.


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He had observed, that it was the happiness and glory of the present age, that they had thrown off the method of forming hypotheses and suppositions in natural philosophy, and had set themselves to make observations and experiments on the constitution of the material world itself, and to mark the powers and principles which are discerned operating in it: he saw plainly that it was by adhering strictly to this method that natural philosophy had been carried to a greater degree of perfection than ever it was before, and that xiv PREFACE. it is only by pursuing the same method that we can hope to reach higher improvements in that science. He was convinced that in like manner a true scheme of morals could not be the product of genius and invention, or of the greatest precision of thought in metaphysical reasonings, but must be drawn from proper observations upon the several powers and principles which we are conscious of in our own bosoms, and which must be acknowledged to operate in some degree in the whole human species. And that therefore, one proper method at least to be followed in the moral science, is to inquire into our internal structure as a constitution or system composed of various parts, to observe the office and end of each part, with the natural subordination of those parts to one another, and from thence to conclude what is the design of the whole, and what is the course of action for which it appears to be intended by its great Author. He thought there was ground to hope, that from a more strict philosophical enquiry into the various natural principles or natural dispositions of mankind, in the same way that we enquire into the structure of an ani mal body, of a plant, or of the solar system, a more PREFACE.xv exact theory of morals may be formed, than has yet appeared: and a theory too built upon such an obvious and firm foundation as would be satisfactory to every candid enquirer. For we can be as certain of the several parts of our internal frame from inward perception and feeling, as we are of the several parts of an animal structure from ocular inspection: and we can as little doubt of the ends for which the principalparts at least of our internal constitution are intended, as we can doubt of the ends for which the members of our body, or our external senses were framed: and whatever evidence we have for the existence and perfections of the Supreme Being, we have the same evi dence that the moral constitution of our nature is his work, and thence we conclude, that it is most certainly his will, that we should cultivate that temper of mind, and pursue that course of life, which is most correspondent to the evident ends and purposes of his divine workmanship; and that such a state of heart and plan of life, as answers most effectually the end and design of all the parts of it, must be its most perfect manner of operation, and must constitute the du ty, the happiness, and perfection of the order of beings to whom it belongs.


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He had studied all the parts of Philosophy with such care as to have attained clear and comprehensive views of them. He composed a small treatise of Logic, which tho' not designed for the public eye, yet gives sufficient proof how much he was master of that science. It appears from his treatise of Metaphysics, that he was well acquainted with the logomachies,meaningless questions, and trivial debates of the old Scholastics, which had thrown a thick darkness on that part of Philosophy: he has set that branch of knowledge in a clear light, and rendered it instructive and entertaining. He understood Natural Philosophy as it is now improved by the assistance of Mathematics and experiments, and applied his knowledge of it to the noble purposes of establishing the grand truths of the existence, the perfections, and government of God. He was well acquainted with the history of the artsxxii PREFACE. and sciences: he had carefully traced them from their origin, thro' all their various improvements, progresses, interruptions, and revolutions, and marked the characters of the most remarkable Philosophers, and the distin guishing doctrines and peculiar genius of their Philoso phy. Besides he knew the civil and ecclesiastical history both of antient and modern times with an exactness that was surprizingin one so much conversant in deeper and severer studies. He had studied too the original language of the Old Testament, and tho' his other necessary studies had not permitted him to become a critic in it himself, yet he knew the most important criticisms of the learned in that way.


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But if mankind so increase, that all this use of liv- Right to use them for food.ing animals is not sufficient, men must exclude from their care all such animals as yield no such use; unless some other use of them is found out to engage and compensate human care about them, they must be left to perish miserably in desarts and mountains by savage beasts, or by want of forage: since many of the tameable kinds multiply beyond all necessity for any uses men can derive from them during their lives: nature here points out another use; as we see many animal kinds led by their instincts to feed upon the flesh of other animals. Those of the inferior speciesthus destined for food to the superior, enjoy life and lense and pleasure for some time, and at last perish as easily as by old age, winter-cold, or famine. The earth and animals must have had quite different constitutions, otherways these seeming evils could not have been prevented. The superior orders must have had some food provided: 'tis better this food be animated for some time, and have some low sense and enjoyment, than be wholly insensible, and only subservient to nourish animals. These lower orders also during their lives may do considerable service in the world, as naturalists observe that the smaller insects, the or- 316 Adventitious Rights.Book II. dinary prey of birds and fishes, by feeding on all putrefaction, prevent the corruption of the air, and thus are useful to the whole system.


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Er hatte angemerkt, daß es unsern Zeiten zum Glück und Ruhm gereichte, daß man sich in der Na turlehre von der Gewohnheit, Hypothesen und will kührliche Lehrgebäude anzunehmen, losgearbeitet und die Mühe übernommen hätte, die Einrichtung der materiali schen Welt durch Beobachtungen und angestellte Ver suche selbst kennen, und die darinnen wirkenden Kräfte und Grundursachen bestimmen zu lernen. Er sahe au genscheinlich, daß die Naturlehre, blos durch dieses Verfahren, zu einem höhern Grad der Vollkommenheit, als sie vorher erreicht hatte, gestiegen wäre, und daß, wenn man auf diesem Wege fortgehen würde, diese Wis senschaft noch wichtigere Verbesserungen zu hoffen hätte. Er war überzeugt, daß ein wahrer Abris der Sitten lehre ebenfalls keine Geburt des Witzes und der Erfin dung, oder des richtigsten metaphysischen Tiefsinns seyn könne, sondern von eigenen Betrachtungen der verschie denen Kräfte und Grundtriebe hergenommen werden 12 Vorrede. müsse, deren wir uns in unserm eigenen Busen bewusst sind, und von welchen wir einsehen können, daß sie, im ganzen menschlichen Geschlechte, in gewissen Graden wir ken. Es müsse also in der Sittenlehre wenigstens für sehr zuträglich gehalten werden, den Bau unsers Innern, als ein Ganzes, das aus verschiedenen Theilen zusam mengesetzet ist, genau zu untersuchen, das Amt und den Endzweck eines jeden Theiles, nebst den natürlichen Verhältnissen dieser Theile unter einander, anzumerken, und daraus die Absicht des Ganzen und die mannichfal tigen Verrichtungen zu folgern, wozu sie von ihrem großen Urheber bestimmt zu seyn scheinen. Er glaubte, man hätte Grund zu hoffen, daß, wenn man auf eben die Art, wie man den Bau eines thierischen Körpers, und einer Pflanze, oder das System der Himmelskörper zu untersuchen pflegt, genauere philosophische Untersuchun gen über die verschiedenen natürlichen Grundtriebe und natürlichen Neigungen des menschlichen Geschlechts an stellte, man zu einer weit richtigern Theorie der Sitten lehre gelangen würde, als es bisher möglich gewesen wäre: und eine Theorie, welche, auf so deutlichen und festen Gründen, beruhete, würde einem jeden, der die Wahrheit zu finden suchte, vollkommene Genüge leisten. Denn wir können, durch das innere Bewusstseyn und Ge fühl, die Beschaffenheit unsers innern Wesens eben so genau kennen lernen, als uns die verschiedenen Theile ei nes Körpers, durch Hülfe unserer Augen, bekant wer den: und wir dürfen wegen der Absichten, zu welchen, wenigstens die vornehmsten Theile unsers Innern, be stimmt sind, eben so wenig zweifelhaft seyn, als wir es wegen der Absichten der Glieder an unserm Körper, und unserer äusserlichen Sinne seyn können. So sehr Vorrede. 13 wir von dem Daseyn und den Vollkommenheiten des höchsten Wesens überzeugt sind; eben so sehr sind wir überzeugt, daß die moralische Beschaffenheit unserer Natur sein Werk ist, und wir folgern hieraus, daß es gewis sein Wille sey, daß wir uns in diejenige Ver fassung des Gemüths setzen, und diejenige Art zu leben erwählen sollen, welche den offenbaren Absichten und Bestimmungen seines göttlichen Werks am gemässesten ist; und daß ein solcher Zustand des Herzens und ein solcher Plan des Lebens, welcher am gewissesten mit dem Endzweck aller Theile desselben übereinstimmt, als die vollkommenste Art zu handeln angesehen werden und die Pflicht, die Glückseligkeit und Vollkommenheit der Men schen ausmachen mus.


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Er hatte angemerkt, daß es unsern Zeiten zum Glück und Ruhm gereichte, daß man sich in der Na turlehre von der Gewohnheit, Hypothesen und will kührliche Lehrgebäude anzunehmen, losgearbeitet und die Mühe übernommen hätte, die Einrichtung der materiali schen Welt durch Beobachtungen und angestellte Ver suche selbst kennen, und die darinnen wirkenden Kräfte und Grundursachen bestimmen zu lernen. Er sahe au genscheinlich, daß die Naturlehre, blos durch dieses Verfahren, zu einem höhern Grad der Vollkommenheit, als sie vorher erreicht hatte, gestiegen wäre, und daß, wenn man auf diesem Wege fortgehen würde, diese Wis senschaft noch wichtigere Verbesserungen zu hoffen hätte. Er war überzeugt, daß ein wahrer Abris der Sitten lehre ebenfalls keine Geburt des Witzes und der Erfin dung, oder des richtigsten metaphysischen Tiefsinns seyn könne, sondern von eigenen Betrachtungen der verschie denen Kräfte und Grundtriebe hergenommen werden 12 Vorrede. müsse, deren wir uns in unserm eigenen Busen bewusst sind, und von welchen wir einsehen können, daß sie, im ganzen menschlichen Geschlechte, in gewissen Graden wir ken. Es müsse also in der Sittenlehre wenigstens für sehr zuträglich gehalten werden, den Bau unsers Innern, als ein Ganzes, das aus verschiedenen Theilen zusam mengesetzet ist, genau zu untersuchen, das Amt und den Endzweck eines jeden Theiles, nebst den natürlichen Verhältnissen dieser Theile unter einander, anzumerken, und daraus die Absicht des Ganzen und die mannichfal tigen Verrichtungen zu folgern, wozu sie von ihrem großen Urheber bestimmt zu seyn scheinen. Er glaubte, man hätte Grund zu hoffen, daß, wenn man auf eben die Art, wie man den Bau eines thierischen Körpers, und einer Pflanze, oder das System der Himmelskörper zu untersuchen pflegt, genauere philosophische Untersuchun gen über die verschiedenen natürlichen Grundtriebe und natürlichen Neigungen des menschlichen Geschlechts an stellte, man zu einer weit richtigern Theorie der Sitten lehre gelangen würde, als es bisher möglich gewesen wäre: und eine Theorie, welche, auf so deutlichen und festen Gründen, beruhete, würde einem jeden, der die Wahrheit zu finden suchte, vollkommene Genüge leisten. Denn wir können, durch das innere Bewusstseyn und Ge fühl, die Beschaffenheit unsers innern Wesens eben so genau kennen lernen, als uns die verschiedenen Theile ei nes Körpers, durch Hülfe unserer Augen, bekant wer den: und wir dürfen wegen der Absichten, zu welchen, wenigstens die vornehmsten Theile unsers Innern, be stimmt sind, eben so wenig zweifelhaft seyn, als wir es wegen der Absichten der Glieder an unserm Körper, und unserer äusserlichen Sinne seyn können. So sehr Vorrede. 13 wir von dem Daseyn und den Vollkommenheiten des höchsten Wesens überzeugt sind; eben so sehr sind wir überzeugt, daß die moralische Beschaffenheit unserer Natur sein Werk ist, und wir folgern hieraus, daß es gewis sein Wille sey, daß wir uns in diejenige Ver fassung des Gemüths setzen, und diejenige Art zu leben erwählen sollen, welche den offenbaren Absichten und Bestimmungen seines göttlichen Werks am gemässesten ist; und daß ein solcher Zustand des Herzens und ein solcher Plan des Lebens, welcher am gewissesten mit dem Endzweck aller Theile desselben übereinstimmt, als die vollkommenste Art zu handeln angesehen werden und die Pflicht, die Glückseligkeit und Vollkommenheit der Men schen ausmachen mus.


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Er hatte alle Theile der Philosophie so sorgfältig durchgedacht, daß er darinnen keine gemeine Einsicht be sas. Er verfertigte einen kleinen Abris der Vernunft lehre, welchen er zwar nicht für die gelehrte Welt be stimmt hatte, wodurch er aber doch sattsam bewies, daß er ein Meister in dieser Wissenschaft war. Man sieht aus seiner Metaphysik, daß er die unvernünftigen Fra gen und unnützen Streitigkeiten der alten Scholastiker, die über diesen Theil der Philosophie eine so dicke Fin sternis verbreitet haben, ungemein wohl inne hatte. Er hat diese Wissenschaft in ein helles Licht gesetzt, und sie lehrreich und unterhaltend gemacht. Die Naturlehreverstand er so, wie sie durch die Hülfe der MathematikVorrede. 19 und der Erfahrungen verbessert worden, und er wen dete die Käntnis derselben zu dem edlen Vorsatz an, die grossen Wahrheiten von dem Daseyn, den Vollkom menheiten und der VorsehungGottes zu befestigen. Erhatte es in der Geschichte der Künste und Wissenschaftensehr weit gebracht; er war bis zu ihrem Ursprung zu rückgegangen, hatte die verschiedenen Veränderungen, das Wachsthum, den Verfall, und die Wiederaufnah me derselben genau beobachtet, und den Character der merkwürdigsten Philosophen, nebst den unterscheidenden Lehren und der besondern Eigenschaft ihrer Philosophieangemerkt. Ueber dieses hatte er eine ungemeine Känt nis der kirchlichen und bürgerlichen Geschichte alter und neuer Zeiten, welche desto mehr an ihm zu bewundern war, da er mit tiefsinnigern und ernsthaftern Wissenschaf ten Umgang pflog. Er verstand auch die Grundsprache des alten Testaments, und obgleich seine andern gelehr ten Beschäftigungen ihm nicht erlaubt hatten, selbst ein Criticus darinnen zu werden: so waren ihm doch die wichtigsten Critiken derjenigen bekant, welche sich durch ihre Gelehrsamkeit in dieser Sprache hervorgethan hatten.


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Da aber die Menschen sich so sehr vermehren,Das Recht sie zum [Un=]Unterhalt zu gebrauchen.daß aller dieser Gebrauch der Thiere nicht hinläng lich ist: so müssten die Menschen alle solche Thiere, welche zu dergleichen Gebrauch nicht geschickt sind, von ihrer Sorgfalt ausschliessen; und wenn nicht ein andrer Gebrauch derselben ausfindig gemacht werden kan, die Menschen zu der Sorgfalt für sie zu ermuntern, und dafür zu belohnen, so müssten sie einem elenden Zustand in Wüsteneyen, und der Gefahr, durch wilde Bestien, oder aus Mangel des Futters, umzukommen, überlassen werden; indem viele von den zahmen Thieren sich mehr fortpflanzen und vervielfältigen, als es zu dem Gebrauch nöthig ist, welchen die Menschen von diesen Thieren, so lange dieselben leben, machen können. Die Naturbezeichnet hier einen andern Gebrauch, und wir sehen, daß viele beseelte Geschöpfe, von ihren natürlichen Trieben, angewiesen werden, sich von dem Fleische andrer beseelter Geschöpfe zu nähren. Diejenigen von der untern Gattung, welche zur Nahrung für die von der obern bestimmt sind, leben, empfinden und vergnügen sich auf einige Zeit, und zulezt kom men sie auf eine eben so leichte Art um, als wenn Zweytes Buch.466 Von den dinglichen sie vor Alter, Kälte oder Hunger stürben. Die Erde und die Thiere hätten von einer ganz andern Beschaffenheit seyn müssen, ausserdem hätten diese anscheinenden Uebel nicht vermieden werden kön nen. Die höhern Ordnungen musten mit Speise versehen werden; und es ist besser, daß diese Spei se auf einige Zeit beseelt ist, und einige geringe Em pfindungen hat, als wenn sie ganz unempfindlich wäre, und blos zu der Nahrung beseelter Geschöpfe diente. Diese niedrigere Ordnungen können auch, so lange sie leben, in der Welt nicht geringe Dienste thun. Die Naturforscher bemerken, daß die klei nern Insecten, der ordentliche Raub der Vögel und Fische, sich von Fäulnis nähren, wodurch sie die Unreinigkeit der Luft verhindern, und auf diese Art dem ganzen System nützlich sind.


45 - Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen /

Sie konnten also keine andern Bücher von den alten brauchen, als die mathematischen, die medicinischen und philosophischen. Weil sie aber weder Staatskunst noch Beredsamkeit suchten, so war Plato kein Mann des Verfassers. für sie, zu dessen Verständniß sie überdieses nothwendig die Dichter, die Religion und die Geschichte der Griechen hätten kennen müssen. Aristoteles schickte sich mit seiner Dialectik, und Metaphysik weit besser für sie, weßwegen sie ihn auch mit einem unglaublichen Eifer studirten. Sie legten sich auch auf seine Physik^, und besonders auf die acht Bücher, welche nur das allgemeine derselben enthalten; denn die eigentliche Physik, welche Beobachtungen und Erfahrungen braucht, war kein Werk für sie. Sie studirten auch die Arzeneykunst sehr fleißig: allein sie gründeten sie vornehmlich auf allgemeine Betrachtungen, der vier Temperamente, und auf hergebrachte Hülfsmittel, die sie nicht untersuchten, sondern mit tausend abergläubischen Dingen vermengten. Uebrigens gaben sie sich mit der Zergliedrungskunst, die sie von den Griechen sehr unvollkommen bekommen hatten, nicht ab. Es ist wahr, daß man ihnen die Chymie zu danken hat, und daß sie es darinn sehr weit gebracht haben, wann sie nicht gar die Erfinder derselben gewesen sind; allein sie haben alle die Fehler damit vermischt, die man noch bis jetzt so schwer davon trennen kan; die eiteln Versprechungen nehmlich, die ausschweifen Vorrededen Grillen, die abergläubischen Processe, und alles, was die Marktschreyer und Betrüger anwenden. Sie mußten also sehr leichte auf die Magie, und auf alle Arten der Prophezeyungen verfallen, mit welchen sich die Menschen so gerne beschäftigen, wann sie von der Naturlehre, von der Geschichte und der wahren Religion nichts wissen, wie man es an dem Beyspiele der alten Griechen gesehen hat. Was sie in diesem Wahne am meisten unterstützte, war die Astrologie, auf welche alle ihre mathematischen Studien hinaus lieffen. Man hat auch in der That, unter der Regierung der Muselmänner, diese vorgegebene Wissenschaft so sehr getrieben, daß so gar die Regenten ihre angenehmste Beschäftigung daraus machten, und ihre größten Unternehmungen nach den Grundsätzen derselben einrichteten. Der Calif Amamon rechnete die so berühmten astronomischen Tafeln selbst aus, und man muß gestehen, daß sie so wohl zu seinen Beobachtungen, als für andere Theile der Mathematik, z. E. die Meßkunst und Arithmetik, sehr nützlich waren. Man hat ihnen auch die Algebra und die Decimalrechnung, welche in der Arithmetik so viel Vortheile hat, zu danken. Was die Astronomie anbelangt, so hatten des Verfassers. sie eben die Vortheile, welche die alten Aegypter bewogen hatten, sich darauf zu legen, indem sie in eben demselben Lande wohnten; übrigens hatten sie alle Beobachtungen der Alten, und auch alle die, welche die Griechen noch dazu gethan hatten.„