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16 - Examen de in genios para las Sciencias /

Por no aver salido a luz esta manera de philosophar, no an podido todos los phi losophos naturales responder a este problema, que dize (Alexan. Aphro. lib. 1. pro. 29.) Cur plerique stulti liberos prudentissimos procrearunt? Como si dixera: que es la causa que los mas de los hombres necios, engendran hijos sapientissimos? a lo qual responden, que los hombres necios, se aplican muy de veras al acto carnal, y no se distraen a otra ninguna contemplacion: Lo contrario de lo qual hazen los hombres muy sabios; que aun enel acto carnal, se ponen a ymaginar cosas agenas de lo que estan haziendo: por donde debilitan la simiente, y hazen los hijos faltos, assi en las potencias racionales, como en las naturales. Pero esta respuesta, es de hombres que saben poca philosophia natural. En las demas juntas es menester aguardar que la muger se enxugue y desseque con la per fecta edad; y no casarla mochacha: porque enesto está, salir los hijos necios y de poco saber. La simiente de los padres muy moços, es humidissima, por aver poco que nascieron: y haziendose el hombre de ma De Ingenios.teria que tiene humedad excessiva, por fuerça a de salir torpe de ingenio.


17 - Examen de in genios para las Sciencias /

Tambien preguntan los philosophos naturales, (Alexand. Aph. prob. 26.) Que es la razon, que los hijos de los hombres sabios, or dinariamente salen necios y faltos de inge nio? Al qual problema responden muy mal, diziendo, Que los hombres sabios son muy honestos, y vergonçosos: por la qual razon se abstienen enel acto carnal de algunas diligencias que son necessarias para que el hijo salga con la perfection que ha de tener. Y pruevanlo con los padres torpes y necios, que por poner todas sus fuerças y conato (al tiempo del engendrar) sa len todos sus hijos ingeniosos y sabios: pero esta es respuesta de hombres que saben poca philosophia natural.


18 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Ein Naturforscher besprach sich einst mit einem Sprachgelehrten, als ein neugieriger Gärtner darzu kam, und sie fragte: woher es doch komme, daß das Erdreich, so vielen Fleiß er auch daran wende, so oft er es auch durchackere, dünge, und begiesse, dennoch keine Gartengewächse, deren Saamen er ihm anvertraue, so leicht und so glücklich hervorbrächte, als sie das Unkraut, ohne daß man es säen darf, hervorbringt? Der Sprachgelehrte antwortete: dieses käme daher, weil es GOtt so haben wollte, und weil es zur Erhaltung der Welt so seyn müsse. Allein, der Naturforscher lachte, und sahe wohl, daß jener bloß deswegen seine Zuflucht zu GOtt genommen, weil er die natürlichen Ursachen und die Art, wie dieselben wirken, nicht wisse. Der Sprachgelehrte sah ihn lachen, und fragte ihn, ob das Lachen ihm gel ten sollte? Nein, sagte der Weltweise; nicht dich, sondern den lache ich aus, der dich so unterrichtet hat. Die Erklärung derjenigen Dinge, fuhr er fort, welche unmittelbar von der göttlichenVorsehung abhängen, dergleichen die übernatürlichen Wirkungen sind, stehet den Metaphysikern zu, (heut zu Tage nennen wir sie Gottesgelehrte,) die Frage aber des Gärtners betrift dieNatur, und hänget also von der Entscheidung des Naturforschers ab; dieser weiß bestimmte und ganz deutliche Ursachen anzugeben, die eine solche Wirkung hervorbringen können. *) Die wahre Antwort wird also diese seyn: das Erdreich gleichet einer Stiefmutter, welche ihre leibliche Kinder sehr zärtlich hält, den Kindern ihres Mannes aber die Nahrung entziehet: die ersten sind stark und blühen, wenn die andern welkend und verfallen da stehen. Das Unkraut, welches die Erde hervorbringt, bringt sie aus ihrem eigenen Eingeweide hervor; diejenigen Kräuter aber, die ihr der Gärtner mit Gewalt fortzubringen aufdringt, sind Kinder einer andern Mutter; sie entzieht ihnen also den Saft und die Nahrung, welche zum Wachsthum erfordert werden, und theilt sie den Kräutern mit, die sie selbst erzeuget.


19 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Jn gleicher Absicht erzählt Hippokrates, (in dem Briefe an den Damaget) daß er

*) Man muß wissen, wie weit sich die Grenzen jeder Wissenschaft erstrecken, und welche Fragen dahin einschlagen.

einstmals jenen grossen Weltweisen, den Demokrit, besucht, und sich mit ihm von den Meynungen unterredet habe, die der Pöbel von der Arzeneykunst heget, indem er, sobald er sich gesund siehet, behauptet, GOtt habe ihn gesund gemacht, ohne dessen Willen die geschickteste Sorgfalt des Arztes ganz umsonst wäre. Diese Art zu urtheilen ist so alt, und so unzähligmal von den Naturforschern widerlegt worden, daß es sehr überflüssig, ja einigermassen nachtheilig seyn würde, wenn ich mich, hier sie gänzlich abzuschaffen, bemühen wollte: weil es in der That besser ist, daß der Pöbel, der die nächsten Ursachen einer jeden Wirkung nicht weiß, die allgemeine Ursache, den Willen GOttes anführet, als daß er eine Ungereimtheit vorbringt. Unterdessen habe ich mich doch, mehr als einmal, den Grund auszuforschen bestrebt, warum das gemeine Volk so gar gerne alle Dinge gleich GOtt zuschreibt, die Natur verläßt, und alle natürliche Mittel, deren sich die Allmacht bedient, übersieht. Jch weiß nicht, ob ich es getroffen habe; so viel aber läßt sich leicht begreiffen, daß der Pöbel, weil er nicht weiß, welche Wirkungen er unmittelbar GOtt, und welche er der Natur zuschreiben soll, beynahe gedrungen ist, so zu reden. Erstlich, weil die Menschen größtentheils sehr ungeduldig sind. Sie sehen nichts lieber, als wenn das, was sie verlangen, sogleich geschieht, und haben selten kaltes Blut genug, die natürlichen Mittel ruhig abzuwarten, welche sich sehr weit erstrecken, und ihre Wirkungen nur mit der Folge der Zeit äussern. Sie wissen, daß GOtt allmächtig ist, und daß er in einem Augenblicke alles schaffen kann, was er will; und nach den Beyspielen, welche ihnen ihr Gedächtniß darbietet, verlangen sie eben so unmittelbar gesund, wie der Gichtbrüchtige; weise, wie Salomo; reich, wie Hiob; und, wie David, von ihren Feinden befreyet zu werden. Zweytens sind wir Menschen ein vermessenes und stolzes Geschöpfe. Es giebt nicht wenige, welche sogar verlangen, GOtt solle ihnen eine besondere Gnade, nicht eine so allgemeinnützige erzeigen, als etwa der Gebrauch der Sonne ist, die er über Gute und Böse aufgehen läßt; weil ihnen die Wohlthaten desto grösser scheinen, je wenigern sie erwiesen werden. Daher kömmt es, daß gewisse Leute Oertern, welche der Andacht gewidmet sind, Wunder, die daselbst geschehen seyn sollen, andichten. Der Pöbel besucht sie, und er verehrt sie als Personen, mit welchen GOtt eine besondre Rechnung hat, und theilt ihnen, wenn sie arm sind, reichliche Allmosen mit, so, daß ihr Aberglaube jenen zum Wucher wird. Drittens sind die Menschen sehr zur Bequemlichkeit geneigt; die natürlichen Ursachen aber sind so geordnet und so an einander gekettet, daß man nicht ohne Mühe zu ihren Wirkungen gelangen kann. Sie wollen also, daß GOtt mit ihnen nach seiner Allmacht handle, und daß ihre Wünsche oh ne ihren Schweiß erfüllt werden. Der Bosheit derjenigen will ich hier nicht gedenken, welche von GOtt Wunder verlangen, um seine Allmacht auf die Probe zu stellen, und zu sehen, ob er sie thun kann; oder um Feuer vom Himmel und andre grausame Strafen bitten, ihr rachbegieriges Herz zu befriedigen. Endlich will der größte Theil des Pöbels sehr fromm seyn. Er dringt auf die Verherrlichung GOttes, und glaubt, daß diese weit eher durch Wunder, als durch natürliche Wirkungen erlangt werde. Er weiß aber nicht, daß GOtt nur alsdenn übernatürliche Begebenheiten verrichtet, wenn er seine Allmacht an denjenigen, die sie nicht erkennen, beweisen, oder seine Lehre bestärken will; und daß ausser diesen Fällen sich GOtt natürlicher Mittel bedient. *) Dieses läßt sich leichtlich daher begreifen, weil GOtt heut zu Tage keine Wunder mehr thut, wie er in dem alten Testamente und zu Anfange des neuen gethan hat. Er thut sie aber deßwegen nicht mehr, weil er nunmehr auf seiner Seite alle Vorsorge angewandt hat, daß die Menschen ihre Unwissenheit nicht mehr vorwenden können. Zu glauben aber, GOtt werde eben die Beweise noch einmal führen, und werde seine Lehre mit neuen Wundern, z. E. durch Erweckung der

*) Und der Herr wirkte mit ihnen, und bekräftigte ihr Wort durch mitfolgende Zeichen. Marci am letzten.

Todten, durch Sehendmachung der Blinden, durch Heilung der Lahmen nnd Gichtbrüchtigen, aufs neue bestärken, ist ein sehr grosser Jrrthum, weil GOtt, was den Menschen zu wissen nöthig ist, nur einmal lehrt, und nur einmal mit Wundern beweiset, ohne sie jemals zu wiederholen. *) Jch weiß kein Merkmal, aus welchem man sicherer schliessen könnte, daß ein Mensch keine Fähigkeit zur Naturlehre habe, als wenn man siehet, daß er geneigt ist, aus allen Sachen ohne Unterschied Wunderwerke zu machen: da man im Gegentheile demjenigen, welcher nicht eher ruhet, als bis er die besondre Ursache einer Wirkung entdecket hat, das dazu erforderliche Genie sicher zutrauen kann. Dieser weiß, daß es Wirkungen giebt, mit welchen man unmittelbar auf GOtt zurück gehen muß, dergleichen die Wunder sind; daß es aber weit mehrere giebt, die ihre bestimmten Ursachen haben, die man also aus der Natur erklären muß, ob man gleich in diesem Falle sowohl als in jenem nur GOtt zum ersten Urheber angiebt. Wenn daher Aristoteles sagt: GOtt und die Natur thun nichts umsonst; so ist seine Meynung nicht, als wäre die Natur eine von GOtt abgesonderte und mit ihm gleich allgemeine Ursache. Er verstehet vielmehr unter der Natur diejenige Ordnung, welche GOtt in der Welt festgesetzt hat, und

*) Semel loquitur Deus, et secundo id ipsum non repetit. Hiob 33, 14.

nach welcher die Ursachen und Wirkungen so verbunden sind, als es die Erhaltung der Welt erfordert. Auf eben die Art sagt man: der König und das Gesetz thun niemanden Unrecht. Hier heißt das Gesetz nicht etwas gewisses, welches mit dem Könige, ohne von ihm abzuhängen, die oberste Gewalt zugleich führet; sondern es ist nichts, als der Name, welcher alle Gesetze und Verordnung unter sich begreift, die der König zur Erhaltung der Ruhe in seinemStaate hat bekannt machen lassen. Wie sich also der König gewisse Fälle vorbehalten hat, welche durch das Gesetz nicht entschieden werden können, weil sie allzu besonders und wichtig sind; eben so hat sich GOtt die wunderbaren Wirkungen vorbehalten, welchen er natürliche Ursachen weder geben konnte, noch wollte. Hier muß man aber wohl merken, daß es nur eine Sache für einen sehr grossen Naturforscher sey, die übernatürlichen Wirkungen zu erkennen, und sie von den natürlichen zu unterscheiden, weil er die bestimmten Ursachen aller und jeder Wirkungen kennen muß; welches aber gleichwohl noch nicht genug ist, wenn nicht die rechtgläubige Kirche dasjenige, was er für Wunder erkennet, gleichfalls für Wunder annimmt. DieNaturlehrer müssen eben das thun, was die Rechtsgelehrten thun. *) Diese lesen das bürgerliche

*) Die Unwissenheit in der Naturlehre macht Wunder, wo keine sind.

Gesetz und drücken es ihrem Gedächtnisse fest ein, damit sie in dem oder jenem Falle untrüglich wissen mögen, was des Königs Wille sey; jene bestreben sich die Ordnung und Folge zu erkennen, welche GOtt, gleich von dem ersten Tage der Schöpfung an, in der Welt feststellte, damit sie die Art einsehen können, nach welcher er eine Wirkung aus der andern hat wollen entspringen lassen. Wie es also sehr lächerlich wäre, wenn ein Rechtsgelehrter in seinen Schriften als etwas ausgemachtes anführte, der König wolle diesen oder jenen Fall so und nicht anders entschieden wissen, ohne das Gesetz zu nennen, nach welchem er entschieden werden muß; eben so lächerlich kömmt es den Naturforschern vor, wenn sie jemanden sagen hören: dieses oder jenes Werk ist von GOtt, ohne daß er die Reihe der besondern Ursachen, aus welchen es entspringen kann, angiebt. Und wie der König denjenigen nicht erhören will, welcher von ihm die Abschaffung eines gerechten Gesetzes, oder die Entscheidung eines Falles wider die Art, nach welcher er will, daß in den Gerichten entschieden werden soll, bittet; so will auch GOtt denjenigen nicht erhören, welcher ohne Noth Wunder oder Thaten, die in dem Zusammenhange der Welt ihren Grund nicht haben, verlangt. Denn obgleich ein König fast alle Tage Gesetze giebt und aufhebt, und die gerechtlichen Verfahrungen ändert, theils, weil sich die Umstände der Zeit ändern, theils, weil die menschliche Klug heit viel zu schwach ist, als daß sie gleich auf das erstemal alles nach der schärfsten Wahrheit und Gerechtigkeit anordnen sollte; so hat doch der einmal von GOtt festgesetzte Zusammenhang, nach welchem in der Welt eins aus dem andern folgt, und welchen wir die Natur nennen, nicht nöthig, daß er nur in dem geringsten Stücke aufgehoben oder verändert werde, weil ihn GOtt mit einer so unendlichen Weisheit angeordnet hat, daß derjenige, welcher von ihm etwas ausser und wider diesen Zusammenhang zu thun bittet, durch diese Bitte sein Werk für unvollkommen erkläret.


20 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Jn gleicher Absicht erzählt Hippokrates, (in dem Briefe an den Damaget) daß er

*) Man muß wissen, wie weit sich die Grenzen jeder Wissenschaft erstrecken, und welche Fragen dahin einschlagen.

einstmals jenen grossen Weltweisen, den Demokrit, besucht, und sich mit ihm von den Meynungen unterredet habe, die der Pöbel von der Arzeneykunst heget, indem er, sobald er sich gesund siehet, behauptet, GOtt habe ihn gesund gemacht, ohne dessen Willen die geschickteste Sorgfalt des Arztes ganz umsonst wäre. Diese Art zu urtheilen ist so alt, und so unzähligmal von den Naturforschern widerlegt worden, daß es sehr überflüssig, ja einigermassen nachtheilig seyn würde, wenn ich mich, hier sie gänzlich abzuschaffen, bemühen wollte: weil es in der That besser ist, daß der Pöbel, der die nächsten Ursachen einer jeden Wirkung nicht weiß, die allgemeine Ursache, den Willen GOttes anführet, als daß er eine Ungereimtheit vorbringt. Unterdessen habe ich mich doch, mehr als einmal, den Grund auszuforschen bestrebt, warum das gemeine Volk so gar gerne alle Dinge gleich GOtt zuschreibt, die Natur verläßt, und alle natürliche Mittel, deren sich die Allmacht bedient, übersieht. Jch weiß nicht, ob ich es getroffen habe; so viel aber läßt sich leicht begreiffen, daß der Pöbel, weil er nicht weiß, welche Wirkungen er unmittelbar GOtt, und welche er der Natur zuschreiben soll, beynahe gedrungen ist, so zu reden. Erstlich, weil die Menschen größtentheils sehr ungeduldig sind. Sie sehen nichts lieber, als wenn das, was sie verlangen, sogleich geschieht, und haben selten kaltes Blut genug, die natürlichen Mittel ruhig abzuwarten, welche sich sehr weit erstrecken, und ihre Wirkungen nur mit der Folge der Zeit äussern. Sie wissen, daß GOtt allmächtig ist, und daß er in einem Augenblicke alles schaffen kann, was er will; und nach den Beyspielen, welche ihnen ihr Gedächtniß darbietet, verlangen sie eben so unmittelbar gesund, wie der Gichtbrüchtige; weise, wie Salomo; reich, wie Hiob; und, wie David, von ihren Feinden befreyet zu werden. Zweytens sind wir Menschen ein vermessenes und stolzes Geschöpfe. Es giebt nicht wenige, welche sogar verlangen, GOtt solle ihnen eine besondere Gnade, nicht eine so allgemeinnützige erzeigen, als etwa der Gebrauch der Sonne ist, die er über Gute und Böse aufgehen läßt; weil ihnen die Wohlthaten desto grösser scheinen, je wenigern sie erwiesen werden. Daher kömmt es, daß gewisse Leute Oertern, welche der Andacht gewidmet sind, Wunder, die daselbst geschehen seyn sollen, andichten. Der Pöbel besucht sie, und er verehrt sie als Personen, mit welchen GOtt eine besondre Rechnung hat, und theilt ihnen, wenn sie arm sind, reichliche Allmosen mit, so, daß ihr Aberglaube jenen zum Wucher wird. Drittens sind die Menschen sehr zur Bequemlichkeit geneigt; die natürlichen Ursachen aber sind so geordnet und so an einander gekettet, daß man nicht ohne Mühe zu ihren Wirkungen gelangen kann. Sie wollen also, daß GOtt mit ihnen nach seiner Allmacht handle, und daß ihre Wünsche oh ne ihren Schweiß erfüllt werden. Der Bosheit derjenigen will ich hier nicht gedenken, welche von GOtt Wunder verlangen, um seine Allmacht auf die Probe zu stellen, und zu sehen, ob er sie thun kann; oder um Feuer vom Himmel und andre grausame Strafen bitten, ihr rachbegieriges Herz zu befriedigen. Endlich will der größte Theil des Pöbels sehr fromm seyn. Er dringt auf die Verherrlichung GOttes, und glaubt, daß diese weit eher durch Wunder, als durch natürliche Wirkungen erlangt werde. Er weiß aber nicht, daß GOtt nur alsdenn übernatürliche Begebenheiten verrichtet, wenn er seine Allmacht an denjenigen, die sie nicht erkennen, beweisen, oder seine Lehre bestärken will; und daß ausser diesen Fällen sich GOtt natürlicher Mittel bedient. *) Dieses läßt sich leichtlich daher begreifen, weil GOtt heut zu Tage keine Wunder mehr thut, wie er in dem alten Testamente und zu Anfange des neuen gethan hat. Er thut sie aber deßwegen nicht mehr, weil er nunmehr auf seiner Seite alle Vorsorge angewandt hat, daß die Menschen ihre Unwissenheit nicht mehr vorwenden können. Zu glauben aber, GOtt werde eben die Beweise noch einmal führen, und werde seine Lehre mit neuen Wundern, z. E. durch Erweckung der

*) Und der Herr wirkte mit ihnen, und bekräftigte ihr Wort durch mitfolgende Zeichen. Marci am letzten.

Todten, durch Sehendmachung der Blinden, durch Heilung der Lahmen nnd Gichtbrüchtigen, aufs neue bestärken, ist ein sehr grosser Jrrthum, weil GOtt, was den Menschen zu wissen nöthig ist, nur einmal lehrt, und nur einmal mit Wundern beweiset, ohne sie jemals zu wiederholen. *) Jch weiß kein Merkmal, aus welchem man sicherer schliessen könnte, daß ein Mensch keine Fähigkeit zur Naturlehre habe, als wenn man siehet, daß er geneigt ist, aus allen Sachen ohne Unterschied Wunderwerke zu machen: da man im Gegentheile demjenigen, welcher nicht eher ruhet, als bis er die besondre Ursache einer Wirkung entdecket hat, das dazu erforderliche Genie sicher zutrauen kann. Dieser weiß, daß es Wirkungen giebt, mit welchen man unmittelbar auf GOtt zurück gehen muß, dergleichen die Wunder sind; daß es aber weit mehrere giebt, die ihre bestimmten Ursachen haben, die man also aus der Natur erklären muß, ob man gleich in diesem Falle sowohl als in jenem nur GOtt zum ersten Urheber angiebt. Wenn daher Aristoteles sagt: GOtt und die Natur thun nichts umsonst; so ist seine Meynung nicht, als wäre die Natur eine von GOtt abgesonderte und mit ihm gleich allgemeine Ursache. Er verstehet vielmehr unter der Natur diejenige Ordnung, welche GOtt in der Welt festgesetzt hat, und

*) Semel loquitur Deus, et secundo id ipsum non repetit. Hiob 33, 14.

nach welcher die Ursachen und Wirkungen so verbunden sind, als es die Erhaltung der Welt erfordert. Auf eben die Art sagt man: der König und das Gesetz thun niemanden Unrecht. Hier heißt das Gesetz nicht etwas gewisses, welches mit dem Könige, ohne von ihm abzuhängen, die oberste Gewalt zugleich führet; sondern es ist nichts, als der Name, welcher alle Gesetze und Verordnung unter sich begreift, die der König zur Erhaltung der Ruhe in seinemStaate hat bekannt machen lassen. Wie sich also der König gewisse Fälle vorbehalten hat, welche durch das Gesetz nicht entschieden werden können, weil sie allzu besonders und wichtig sind; eben so hat sich GOtt die wunderbaren Wirkungen vorbehalten, welchen er natürliche Ursachen weder geben konnte, noch wollte. Hier muß man aber wohl merken, daß es nur eine Sache für einen sehr grossen Naturforscher sey, die übernatürlichen Wirkungen zu erkennen, und sie von den natürlichen zu unterscheiden, weil er die bestimmten Ursachen aller und jeder Wirkungen kennen muß; welches aber gleichwohl noch nicht genug ist, wenn nicht die rechtgläubige Kirche dasjenige, was er für Wunder erkennet, gleichfalls für Wunder annimmt. DieNaturlehrer müssen eben das thun, was die Rechtsgelehrten thun. *) Diese lesen das bürgerliche

*) Die Unwissenheit in der Naturlehre macht Wunder, wo keine sind.

Gesetz und drücken es ihrem Gedächtnisse fest ein, damit sie in dem oder jenem Falle untrüglich wissen mögen, was des Königs Wille sey; jene bestreben sich die Ordnung und Folge zu erkennen, welche GOtt, gleich von dem ersten Tage der Schöpfung an, in der Welt feststellte, damit sie die Art einsehen können, nach welcher er eine Wirkung aus der andern hat wollen entspringen lassen. Wie es also sehr lächerlich wäre, wenn ein Rechtsgelehrter in seinen Schriften als etwas ausgemachtes anführte, der König wolle diesen oder jenen Fall so und nicht anders entschieden wissen, ohne das Gesetz zu nennen, nach welchem er entschieden werden muß; eben so lächerlich kömmt es den Naturforschern vor, wenn sie jemanden sagen hören: dieses oder jenes Werk ist von GOtt, ohne daß er die Reihe der besondern Ursachen, aus welchen es entspringen kann, angiebt. Und wie der König denjenigen nicht erhören will, welcher von ihm die Abschaffung eines gerechten Gesetzes, oder die Entscheidung eines Falles wider die Art, nach welcher er will, daß in den Gerichten entschieden werden soll, bittet; so will auch GOtt denjenigen nicht erhören, welcher ohne Noth Wunder oder Thaten, die in dem Zusammenhange der Welt ihren Grund nicht haben, verlangt. Denn obgleich ein König fast alle Tage Gesetze giebt und aufhebt, und die gerechtlichen Verfahrungen ändert, theils, weil sich die Umstände der Zeit ändern, theils, weil die menschliche Klug heit viel zu schwach ist, als daß sie gleich auf das erstemal alles nach der schärfsten Wahrheit und Gerechtigkeit anordnen sollte; so hat doch der einmal von GOtt festgesetzte Zusammenhang, nach welchem in der Welt eins aus dem andern folgt, und welchen wir die Natur nennen, nicht nöthig, daß er nur in dem geringsten Stücke aufgehoben oder verändert werde, weil ihn GOtt mit einer so unendlichen Weisheit angeordnet hat, daß derjenige, welcher von ihm etwas ausser und wider diesen Zusammenhang zu thun bittet, durch diese Bitte sein Werk für unvollkommen erkläret.


21 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Jn gleicher Absicht erzählt Hippokrates, (in dem Briefe an den Damaget) daß er

*) Man muß wissen, wie weit sich die Grenzen jeder Wissenschaft erstrecken, und welche Fragen dahin einschlagen.

einstmals jenen grossen Weltweisen, den Demokrit, besucht, und sich mit ihm von den Meynungen unterredet habe, die der Pöbel von der Arzeneykunst heget, indem er, sobald er sich gesund siehet, behauptet, GOtt habe ihn gesund gemacht, ohne dessen Willen die geschickteste Sorgfalt des Arztes ganz umsonst wäre. Diese Art zu urtheilen ist so alt, und so unzähligmal von den Naturforschern widerlegt worden, daß es sehr überflüssig, ja einigermassen nachtheilig seyn würde, wenn ich mich, hier sie gänzlich abzuschaffen, bemühen wollte: weil es in der That besser ist, daß der Pöbel, der die nächsten Ursachen einer jeden Wirkung nicht weiß, die allgemeine Ursache, den Willen GOttes anführet, als daß er eine Ungereimtheit vorbringt. Unterdessen habe ich mich doch, mehr als einmal, den Grund auszuforschen bestrebt, warum das gemeine Volk so gar gerne alle Dinge gleich GOtt zuschreibt, die Natur verläßt, und alle natürliche Mittel, deren sich die Allmacht bedient, übersieht. Jch weiß nicht, ob ich es getroffen habe; so viel aber läßt sich leicht begreiffen, daß der Pöbel, weil er nicht weiß, welche Wirkungen er unmittelbar GOtt, und welche er der Natur zuschreiben soll, beynahe gedrungen ist, so zu reden. Erstlich, weil die Menschen größtentheils sehr ungeduldig sind. Sie sehen nichts lieber, als wenn das, was sie verlangen, sogleich geschieht, und haben selten kaltes Blut genug, die natürlichen Mittel ruhig abzuwarten, welche sich sehr weit erstrecken, und ihre Wirkungen nur mit der Folge der Zeit äussern. Sie wissen, daß GOtt allmächtig ist, und daß er in einem Augenblicke alles schaffen kann, was er will; und nach den Beyspielen, welche ihnen ihr Gedächtniß darbietet, verlangen sie eben so unmittelbar gesund, wie der Gichtbrüchtige; weise, wie Salomo; reich, wie Hiob; und, wie David, von ihren Feinden befreyet zu werden. Zweytens sind wir Menschen ein vermessenes und stolzes Geschöpfe. Es giebt nicht wenige, welche sogar verlangen, GOtt solle ihnen eine besondere Gnade, nicht eine so allgemeinnützige erzeigen, als etwa der Gebrauch der Sonne ist, die er über Gute und Böse aufgehen läßt; weil ihnen die Wohlthaten desto grösser scheinen, je wenigern sie erwiesen werden. Daher kömmt es, daß gewisse Leute Oertern, welche der Andacht gewidmet sind, Wunder, die daselbst geschehen seyn sollen, andichten. Der Pöbel besucht sie, und er verehrt sie als Personen, mit welchen GOtt eine besondre Rechnung hat, und theilt ihnen, wenn sie arm sind, reichliche Allmosen mit, so, daß ihr Aberglaube jenen zum Wucher wird. Drittens sind die Menschen sehr zur Bequemlichkeit geneigt; die natürlichen Ursachen aber sind so geordnet und so an einander gekettet, daß man nicht ohne Mühe zu ihren Wirkungen gelangen kann. Sie wollen also, daß GOtt mit ihnen nach seiner Allmacht handle, und daß ihre Wünsche oh ne ihren Schweiß erfüllt werden. Der Bosheit derjenigen will ich hier nicht gedenken, welche von GOtt Wunder verlangen, um seine Allmacht auf die Probe zu stellen, und zu sehen, ob er sie thun kann; oder um Feuer vom Himmel und andre grausame Strafen bitten, ihr rachbegieriges Herz zu befriedigen. Endlich will der größte Theil des Pöbels sehr fromm seyn. Er dringt auf die Verherrlichung GOttes, und glaubt, daß diese weit eher durch Wunder, als durch natürliche Wirkungen erlangt werde. Er weiß aber nicht, daß GOtt nur alsdenn übernatürliche Begebenheiten verrichtet, wenn er seine Allmacht an denjenigen, die sie nicht erkennen, beweisen, oder seine Lehre bestärken will; und daß ausser diesen Fällen sich GOtt natürlicher Mittel bedient. *) Dieses läßt sich leichtlich daher begreifen, weil GOtt heut zu Tage keine Wunder mehr thut, wie er in dem alten Testamente und zu Anfange des neuen gethan hat. Er thut sie aber deßwegen nicht mehr, weil er nunmehr auf seiner Seite alle Vorsorge angewandt hat, daß die Menschen ihre Unwissenheit nicht mehr vorwenden können. Zu glauben aber, GOtt werde eben die Beweise noch einmal führen, und werde seine Lehre mit neuen Wundern, z. E. durch Erweckung der

*) Und der Herr wirkte mit ihnen, und bekräftigte ihr Wort durch mitfolgende Zeichen. Marci am letzten.

Todten, durch Sehendmachung der Blinden, durch Heilung der Lahmen nnd Gichtbrüchtigen, aufs neue bestärken, ist ein sehr grosser Jrrthum, weil GOtt, was den Menschen zu wissen nöthig ist, nur einmal lehrt, und nur einmal mit Wundern beweiset, ohne sie jemals zu wiederholen. *) Jch weiß kein Merkmal, aus welchem man sicherer schliessen könnte, daß ein Mensch keine Fähigkeit zur Naturlehre habe, als wenn man siehet, daß er geneigt ist, aus allen Sachen ohne Unterschied Wunderwerke zu machen: da man im Gegentheile demjenigen, welcher nicht eher ruhet, als bis er die besondre Ursache einer Wirkung entdecket hat, das dazu erforderliche Genie sicher zutrauen kann. Dieser weiß, daß es Wirkungen giebt, mit welchen man unmittelbar auf GOtt zurück gehen muß, dergleichen die Wunder sind; daß es aber weit mehrere giebt, die ihre bestimmten Ursachen haben, die man also aus der Natur erklären muß, ob man gleich in diesem Falle sowohl als in jenem nur GOtt zum ersten Urheber angiebt. Wenn daher Aristoteles sagt: GOtt und die Natur thun nichts umsonst; so ist seine Meynung nicht, als wäre die Natur eine von GOtt abgesonderte und mit ihm gleich allgemeine Ursache. Er verstehet vielmehr unter der Natur diejenige Ordnung, welche GOtt in der Welt festgesetzt hat, und

*) Semel loquitur Deus, et secundo id ipsum non repetit. Hiob 33, 14.

nach welcher die Ursachen und Wirkungen so verbunden sind, als es die Erhaltung der Welt erfordert. Auf eben die Art sagt man: der König und das Gesetz thun niemanden Unrecht. Hier heißt das Gesetz nicht etwas gewisses, welches mit dem Könige, ohne von ihm abzuhängen, die oberste Gewalt zugleich führet; sondern es ist nichts, als der Name, welcher alle Gesetze und Verordnung unter sich begreift, die der König zur Erhaltung der Ruhe in seinemStaate hat bekannt machen lassen. Wie sich also der König gewisse Fälle vorbehalten hat, welche durch das Gesetz nicht entschieden werden können, weil sie allzu besonders und wichtig sind; eben so hat sich GOtt die wunderbaren Wirkungen vorbehalten, welchen er natürliche Ursachen weder geben konnte, noch wollte. Hier muß man aber wohl merken, daß es nur eine Sache für einen sehr grossen Naturforscher sey, die übernatürlichen Wirkungen zu erkennen, und sie von den natürlichen zu unterscheiden, weil er die bestimmten Ursachen aller und jeder Wirkungen kennen muß; welches aber gleichwohl noch nicht genug ist, wenn nicht die rechtgläubige Kirche dasjenige, was er für Wunder erkennet, gleichfalls für Wunder annimmt. DieNaturlehrer müssen eben das thun, was die Rechtsgelehrten thun. *) Diese lesen das bürgerliche

*) Die Unwissenheit in der Naturlehre macht Wunder, wo keine sind.

Gesetz und drücken es ihrem Gedächtnisse fest ein, damit sie in dem oder jenem Falle untrüglich wissen mögen, was des Königs Wille sey; jene bestreben sich die Ordnung und Folge zu erkennen, welche GOtt, gleich von dem ersten Tage der Schöpfung an, in der Welt feststellte, damit sie die Art einsehen können, nach welcher er eine Wirkung aus der andern hat wollen entspringen lassen. Wie es also sehr lächerlich wäre, wenn ein Rechtsgelehrter in seinen Schriften als etwas ausgemachtes anführte, der König wolle diesen oder jenen Fall so und nicht anders entschieden wissen, ohne das Gesetz zu nennen, nach welchem er entschieden werden muß; eben so lächerlich kömmt es den Naturforschern vor, wenn sie jemanden sagen hören: dieses oder jenes Werk ist von GOtt, ohne daß er die Reihe der besondern Ursachen, aus welchen es entspringen kann, angiebt. Und wie der König denjenigen nicht erhören will, welcher von ihm die Abschaffung eines gerechten Gesetzes, oder die Entscheidung eines Falles wider die Art, nach welcher er will, daß in den Gerichten entschieden werden soll, bittet; so will auch GOtt denjenigen nicht erhören, welcher ohne Noth Wunder oder Thaten, die in dem Zusammenhange der Welt ihren Grund nicht haben, verlangt. Denn obgleich ein König fast alle Tage Gesetze giebt und aufhebt, und die gerechtlichen Verfahrungen ändert, theils, weil sich die Umstände der Zeit ändern, theils, weil die menschliche Klug heit viel zu schwach ist, als daß sie gleich auf das erstemal alles nach der schärfsten Wahrheit und Gerechtigkeit anordnen sollte; so hat doch der einmal von GOtt festgesetzte Zusammenhang, nach welchem in der Welt eins aus dem andern folgt, und welchen wir die Natur nennen, nicht nöthig, daß er nur in dem geringsten Stücke aufgehoben oder verändert werde, weil ihn GOtt mit einer so unendlichen Weisheit angeordnet hat, daß derjenige, welcher von ihm etwas ausser und wider diesen Zusammenhang zu thun bittet, durch diese Bitte sein Werk für unvollkommen erkläret.


22 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Jn gleicher Absicht erzählt Hippokrates, (in dem Briefe an den Damaget) daß er

*) Man muß wissen, wie weit sich die Grenzen jeder Wissenschaft erstrecken, und welche Fragen dahin einschlagen.

einstmals jenen grossen Weltweisen, den Demokrit, besucht, und sich mit ihm von den Meynungen unterredet habe, die der Pöbel von der Arzeneykunst heget, indem er, sobald er sich gesund siehet, behauptet, GOtt habe ihn gesund gemacht, ohne dessen Willen die geschickteste Sorgfalt des Arztes ganz umsonst wäre. Diese Art zu urtheilen ist so alt, und so unzähligmal von den Naturforschern widerlegt worden, daß es sehr überflüssig, ja einigermassen nachtheilig seyn würde, wenn ich mich, hier sie gänzlich abzuschaffen, bemühen wollte: weil es in der That besser ist, daß der Pöbel, der die nächsten Ursachen einer jeden Wirkung nicht weiß, die allgemeine Ursache, den Willen GOttes anführet, als daß er eine Ungereimtheit vorbringt. Unterdessen habe ich mich doch, mehr als einmal, den Grund auszuforschen bestrebt, warum das gemeine Volk so gar gerne alle Dinge gleich GOtt zuschreibt, die Natur verläßt, und alle natürliche Mittel, deren sich die Allmacht bedient, übersieht. Jch weiß nicht, ob ich es getroffen habe; so viel aber läßt sich leicht begreiffen, daß der Pöbel, weil er nicht weiß, welche Wirkungen er unmittelbar GOtt, und welche er der Natur zuschreiben soll, beynahe gedrungen ist, so zu reden. Erstlich, weil die Menschen größtentheils sehr ungeduldig sind. Sie sehen nichts lieber, als wenn das, was sie verlangen, sogleich geschieht, und haben selten kaltes Blut genug, die natürlichen Mittel ruhig abzuwarten, welche sich sehr weit erstrecken, und ihre Wirkungen nur mit der Folge der Zeit äussern. Sie wissen, daß GOtt allmächtig ist, und daß er in einem Augenblicke alles schaffen kann, was er will; und nach den Beyspielen, welche ihnen ihr Gedächtniß darbietet, verlangen sie eben so unmittelbar gesund, wie der Gichtbrüchtige; weise, wie Salomo; reich, wie Hiob; und, wie David, von ihren Feinden befreyet zu werden. Zweytens sind wir Menschen ein vermessenes und stolzes Geschöpfe. Es giebt nicht wenige, welche sogar verlangen, GOtt solle ihnen eine besondere Gnade, nicht eine so allgemeinnützige erzeigen, als etwa der Gebrauch der Sonne ist, die er über Gute und Böse aufgehen läßt; weil ihnen die Wohlthaten desto grösser scheinen, je wenigern sie erwiesen werden. Daher kömmt es, daß gewisse Leute Oertern, welche der Andacht gewidmet sind, Wunder, die daselbst geschehen seyn sollen, andichten. Der Pöbel besucht sie, und er verehrt sie als Personen, mit welchen GOtt eine besondre Rechnung hat, und theilt ihnen, wenn sie arm sind, reichliche Allmosen mit, so, daß ihr Aberglaube jenen zum Wucher wird. Drittens sind die Menschen sehr zur Bequemlichkeit geneigt; die natürlichen Ursachen aber sind so geordnet und so an einander gekettet, daß man nicht ohne Mühe zu ihren Wirkungen gelangen kann. Sie wollen also, daß GOtt mit ihnen nach seiner Allmacht handle, und daß ihre Wünsche oh ne ihren Schweiß erfüllt werden. Der Bosheit derjenigen will ich hier nicht gedenken, welche von GOtt Wunder verlangen, um seine Allmacht auf die Probe zu stellen, und zu sehen, ob er sie thun kann; oder um Feuer vom Himmel und andre grausame Strafen bitten, ihr rachbegieriges Herz zu befriedigen. Endlich will der größte Theil des Pöbels sehr fromm seyn. Er dringt auf die Verherrlichung GOttes, und glaubt, daß diese weit eher durch Wunder, als durch natürliche Wirkungen erlangt werde. Er weiß aber nicht, daß GOtt nur alsdenn übernatürliche Begebenheiten verrichtet, wenn er seine Allmacht an denjenigen, die sie nicht erkennen, beweisen, oder seine Lehre bestärken will; und daß ausser diesen Fällen sich GOtt natürlicher Mittel bedient. *) Dieses läßt sich leichtlich daher begreifen, weil GOtt heut zu Tage keine Wunder mehr thut, wie er in dem alten Testamente und zu Anfange des neuen gethan hat. Er thut sie aber deßwegen nicht mehr, weil er nunmehr auf seiner Seite alle Vorsorge angewandt hat, daß die Menschen ihre Unwissenheit nicht mehr vorwenden können. Zu glauben aber, GOtt werde eben die Beweise noch einmal führen, und werde seine Lehre mit neuen Wundern, z. E. durch Erweckung der

*) Und der Herr wirkte mit ihnen, und bekräftigte ihr Wort durch mitfolgende Zeichen. Marci am letzten.

Todten, durch Sehendmachung der Blinden, durch Heilung der Lahmen nnd Gichtbrüchtigen, aufs neue bestärken, ist ein sehr grosser Jrrthum, weil GOtt, was den Menschen zu wissen nöthig ist, nur einmal lehrt, und nur einmal mit Wundern beweiset, ohne sie jemals zu wiederholen. *) Jch weiß kein Merkmal, aus welchem man sicherer schliessen könnte, daß ein Mensch keine Fähigkeit zur Naturlehre habe, als wenn man siehet, daß er geneigt ist, aus allen Sachen ohne Unterschied Wunderwerke zu machen: da man im Gegentheile demjenigen, welcher nicht eher ruhet, als bis er die besondre Ursache einer Wirkung entdecket hat, das dazu erforderliche Genie sicher zutrauen kann. Dieser weiß, daß es Wirkungen giebt, mit welchen man unmittelbar auf GOtt zurück gehen muß, dergleichen die Wunder sind; daß es aber weit mehrere giebt, die ihre bestimmten Ursachen haben, die man also aus der Natur erklären muß, ob man gleich in diesem Falle sowohl als in jenem nur GOtt zum ersten Urheber angiebt. Wenn daher Aristoteles sagt: GOtt und die Natur thun nichts umsonst; so ist seine Meynung nicht, als wäre die Natur eine von GOtt abgesonderte und mit ihm gleich allgemeine Ursache. Er verstehet vielmehr unter der Natur diejenige Ordnung, welche GOtt in der Welt festgesetzt hat, und

*) Semel loquitur Deus, et secundo id ipsum non repetit. Hiob 33, 14.

nach welcher die Ursachen und Wirkungen so verbunden sind, als es die Erhaltung der Welt erfordert. Auf eben die Art sagt man: der König und das Gesetz thun niemanden Unrecht. Hier heißt das Gesetz nicht etwas gewisses, welches mit dem Könige, ohne von ihm abzuhängen, die oberste Gewalt zugleich führet; sondern es ist nichts, als der Name, welcher alle Gesetze und Verordnung unter sich begreift, die der König zur Erhaltung der Ruhe in seinemStaate hat bekannt machen lassen. Wie sich also der König gewisse Fälle vorbehalten hat, welche durch das Gesetz nicht entschieden werden können, weil sie allzu besonders und wichtig sind; eben so hat sich GOtt die wunderbaren Wirkungen vorbehalten, welchen er natürliche Ursachen weder geben konnte, noch wollte. Hier muß man aber wohl merken, daß es nur eine Sache für einen sehr grossen Naturforscher sey, die übernatürlichen Wirkungen zu erkennen, und sie von den natürlichen zu unterscheiden, weil er die bestimmten Ursachen aller und jeder Wirkungen kennen muß; welches aber gleichwohl noch nicht genug ist, wenn nicht die rechtgläubige Kirche dasjenige, was er für Wunder erkennet, gleichfalls für Wunder annimmt. DieNaturlehrer müssen eben das thun, was die Rechtsgelehrten thun. *) Diese lesen das bürgerliche

*) Die Unwissenheit in der Naturlehre macht Wunder, wo keine sind.

Gesetz und drücken es ihrem Gedächtnisse fest ein, damit sie in dem oder jenem Falle untrüglich wissen mögen, was des Königs Wille sey; jene bestreben sich die Ordnung und Folge zu erkennen, welche GOtt, gleich von dem ersten Tage der Schöpfung an, in der Welt feststellte, damit sie die Art einsehen können, nach welcher er eine Wirkung aus der andern hat wollen entspringen lassen. Wie es also sehr lächerlich wäre, wenn ein Rechtsgelehrter in seinen Schriften als etwas ausgemachtes anführte, der König wolle diesen oder jenen Fall so und nicht anders entschieden wissen, ohne das Gesetz zu nennen, nach welchem er entschieden werden muß; eben so lächerlich kömmt es den Naturforschern vor, wenn sie jemanden sagen hören: dieses oder jenes Werk ist von GOtt, ohne daß er die Reihe der besondern Ursachen, aus welchen es entspringen kann, angiebt. Und wie der König denjenigen nicht erhören will, welcher von ihm die Abschaffung eines gerechten Gesetzes, oder die Entscheidung eines Falles wider die Art, nach welcher er will, daß in den Gerichten entschieden werden soll, bittet; so will auch GOtt denjenigen nicht erhören, welcher ohne Noth Wunder oder Thaten, die in dem Zusammenhange der Welt ihren Grund nicht haben, verlangt. Denn obgleich ein König fast alle Tage Gesetze giebt und aufhebt, und die gerechtlichen Verfahrungen ändert, theils, weil sich die Umstände der Zeit ändern, theils, weil die menschliche Klug heit viel zu schwach ist, als daß sie gleich auf das erstemal alles nach der schärfsten Wahrheit und Gerechtigkeit anordnen sollte; so hat doch der einmal von GOtt festgesetzte Zusammenhang, nach welchem in der Welt eins aus dem andern folgt, und welchen wir die Natur nennen, nicht nöthig, daß er nur in dem geringsten Stücke aufgehoben oder verändert werde, weil ihn GOtt mit einer so unendlichen Weisheit angeordnet hat, daß derjenige, welcher von ihm etwas ausser und wider diesen Zusammenhang zu thun bittet, durch diese Bitte sein Werk für unvollkommen erkläret.


23 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Vor den Zeiten des Hippokrates und Plato war es eine von den Naturforschern fast durchgängig angenommene Meynung, das Herz sey der vornehmste Theil, wo die Seele ihren Sitz habe, und das Werkzeug, wodurch sie alle Handlungen der Klugheit, der Scharfsinnigkeit, des Gedächtnisses und des Verstandes verrichte. *) Sogar die heilige Schrift bequemt sich nach der damals gewöhnlichen Art zu reden, indem sie hin und wieder des Herzens, als des vorzüglichsten Theiles des Menschen gedenkt. Als aber jene zwey grossen Weltweisen auftraten, so bewiesen sie aus unzähligen Gründen und Erfahrungen, daß das Gehirn der vornehmste Sitz der vernünftigen Seele sey. Diese Entdeckung nahmen alle an, nur Aristoteles nicht, welcher aus Begierde, dem Plato in allen zu widersprechen, die alte Meynung wieder aufwärmte, und sie mit topischen Argumenten wahrscheinlich zu machen suchte. Welches die wahrscheinlichste Meynung sey, ist jetzt nicht mehr Zeit zu fragen; denn keiner von den jetzigen Weltweisen wird es noch in Zweifel ziehen, daß das Gehirn dasjenige Werkzeug sey, welches die Natur bestimmt habe, den Menschen verständig und fähig zu machen. Nur kömmt es darauf an, daß man erkläret, wie dieser Theil beschaffen seyn müsse, wenn er die gehörige Vollkommenheit haben, und der Knabe aus diesem Grunde vonGenie und Fähigkeit seyn soll.


24 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die Mischung der vier Hauptbeschaffenheiten, welche wir in dem vorhergehenden die Natur genannt haben, ist von solcher Gewalt, daß sie Pflanzen, Thiere und Menschen, jedes zu denjenigen Verrichtungen antreibt, welche seinem Geschlechte zukommen. Wenn sie so vollkommen ist, als sie seyn kann, so wissen, ohne jemands Unterricht, die Pflanzen sogleich in der Erde Wurzel zu schlagen, durch dieselbe Nahrung an sich zu ziehen, sie zu behalten, sie in Säfte zu verwandeln, und das Unbrauchbare derselben wieder von sich zu stossen. Die Thiere kennen sogleich von ihrer Geburt an das, was ihrer Natur zuträglich ist, und fliehen das, was ihr zuwider und verderblich ist. Was aber diejenigen, die keine Kenntniß der Natur haben, zu noch grösserm Erstaunen bringen muß, ist, daß der Mensch, wenn er ein wohleingerichtetes Gehirn hat, das zu dieser oder jener Wissenschaft besonders bequem ist, aus dieser Wissenschaft sogleich, ohne daß er sie jemals erlernt hat, so feine und versteckte Sachen vorzubringen weiß, daß man es kaum glauben sollte. Die gemeinen Philosophen, wenn sie die wunderbaren Handlungen der unvernünftigen Thiere sehen, sagen, man dürfe sich eben darüber nicht wundern, weil sie alles aus einem eingepflanzten Triebe der Natur thäten, welcher jedes Thier lehre, was ihm nach seiner Art zu thun zukomme. Und sie haben auch nicht Unrecht, weil, wie wir schon bewiesen haben, die Natur nichts anders ist, als die Mischung der vier Hauptbeschaffenheiten, nach welcher eine jede Seele, was ihr zukömmt, wirket: wenn sie nur unter dem eingepflanzten Triebe der Natur nicht einen Mischmasch von Dingen verständen, wovon sie nur die Hülle kennen, keines aber zu erklären und deutlich zu machen wissen. Die tiefsinnigern Weltweisen, Hippokrates, Plato und Aristoteles schränken alle diese wunderbaren Handlungen auf die Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit ein, und nehmen diese zu der ersten Ursache an, ohne einen Schritt weiter zu gehen. Wenn man also fragt: wer ist es, der den Menschen schliessen lehret? so ant wortet Hippokrates: *) φυσιες παντων ἀδι-δακτοι; gleich als ob er sagen wollte: die Vermögenheiten oder das Temperament, welches diese Vermögenheiten ausmacht, sind alle verständig, ohne daß sie von jemanden den geringsten Unterricht bekommen hätten. Dieses scheinet sehr deutlich aus der Betrachtung derSeele, von welcher der Mensch regieret wird, zu erhellen, besonders der Pflanzenseele, die aus einem Stäubchen menschlichen Saamens, nachdem sie es wohl durchwirkt und zubereitet, und ihm die gehörige Temperatur mitgetheilet hat, einen so schönen und so wohl organisirten Körper macht, daß alle Künstler in der Welt ihn so schön nicht nachmachen können. Galenus**) selbst erstaunt über dieses wundervolle Gebäude, über die Anzahl seiner Theile, über die Gestalt und über den Gebrauch eines jeden Theiles insbesondere so sehr, daß er gar behauptet, es wäre unmöglich, daß die vegetativische Seele, oder das Temperament, ein so erstaunliches Werk machen könnten, ohne daß GOtt oder ein anderes weises Wesen der Urheber davon sey.Ακραν γαρ ὁρω ἐν τη διαπλασει σοφιαν τε ἁμα και δυναμιν, οὐτε την ἐν τω σπερματι ψυχην, φυτικην μεν ὑπο των περι τον Αρι-ϛοτελην καλουμενην, ἐπιθυμιτκην δε ὑπο Πλατωνος, ὑπο δε των ϛωικων οὐδε ψυχην ὁλως ἀλλα φυσιν, ἡγουμαι διαπλαττειν το

*) περι τροΦης.

**) (περι κυκουμενων διαπλασεως.

ἐμβρυον, οὐ μονον, οὐκ οὐσαν σοφην, αλλα και πανταπασιν ἀλογον u. s. w. Doch diese Art von GOtt zu reden, welche zwar überhaupt ihren Grund hat, ist schon in dem vorhergehenden von uns verworfen worden, weil es einemNaturforscher unanständig ist, mit den Wirkungen unmittelbar auf GOtt zurückzugehen, und die nächsten natürlichen Ursachen zu überspringen. Besonders aber ist es ihm in diesem Falle unanständig, wo uns die Erfahrung nicht selten lehret, daß, wenn der menschliche Saamen nicht beschaffen ist, wie er seyn soll, die vegetativische Seele tausend Fehler begehet. Jst er z. E. feuchter und kälter, als er seyn soll, so kommen, sagt Hippokrates, *) Untüchtige oder Zwitter daraus; ist er allzutrocken und warm, sagt Aristoteles, **) so entstehen Dicklippigte, Krummbeinigte und Stumpfnäsigte, wie die Mohren sind; ist er allzu feuchte, sagtGalenus, ***) so wird der Körper groß und unförmlich; ist er aber zu trocken, so wird der Körper zu klein. Alles dieses sind Mängel an dem menschlichen Geschlechte, derentwegen die Natur weder gelobt, noch weise genannt werden kann, und deren keiner da seyn würde, wenn GOtt die unmittelbare Ursache von dem Baue des menschlichen Körpers wäre. Die ersten Menschen allein, sagtPlato, ****) sind von GOtt erschaffen worden;

*) περι ἀερων, ὑδατων, τοπων.

**) προβληματων τμημα δ.

***) περι ἀριϛης κατασκευης του σωματος.

****) περι ανθρωπου φυσεως.

die andern alle hat die Folge natürlicher Ursachen hervorgebracht. Wenn diese Folge so ist, wie sie seyn soll, so bringt die vegetativische Seele ihre Wirkungen glücklich zu Stande: ist sie es aber nicht, so begeht diese Seele in ihrem Baue tausend Fehler. Worinnen besteht aber die gute Verbinduug der zu dieser Absicht bestimmten natürlichen Ursachen? Jn nichts anders, als in dem guten Temperament der vegetativischen Seele. Wenn sie darinnen nicht besteht, so sage mir einmal Galenus, oder ein anderer Weltweise, er sey wer er wolle, warum die vegetativische Seele in dem zartesten Alter des Menschen so viel Weisheit und Macht hat, daß sie den Körper bilden, wachsen lassen, und erhalten kann; und warum sie im Alter diese Weisheit und Macht nicht hat? Warum, wenn einem Alten ein Backzahn ausfällt, dieser Backzahn nimmermehr wieder wachsen kann, und warum gleichwohl ein Kind die Zähne, wenn sie ihm auch alle ausfielen, wieder bekömmt? Jst es wohl möglich, daß eine Seele, die Zeit ihres Daseyns mit nichts anders beschäftiget gewesen ist, als Nahrung an sich zu ziehen, sie zu behalten, sie zu verdauen, das Unnütze von sich zu stossen, und die fehlenden Theile zu ersetzen, alles dieses am Ende ihres Daseyns so sehr vergessen sollte, daß sie keines mehr thun könnte? Was Galenus hierauf antworten könnte, ist unwidersprechlich, daß nämlich die vegetativische Seele darum in ihrer Jugend so weise und mächtig sey, weil sie viel natürliche Wärme und Feuchtigkeit habe: daß sie es aber in ihrem Alter nicht sey, weil der Körper alsdann allzutrocken und kalt ist.


25 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Diejenigen, welche es für ein Kunststück des Teufels ausgeben, daß jene phrenetische Kranke die Tugenden und Laster derjenigen, die sie zu besuchen kamen, zu sagen gewust, sollen wissen, daß GOtt manchem Menschen die übernatürliche Fähigkeit zu erkennen, welche Werke von GOtt, und welche von dem Teufel sind, ertheilt. Diese Gabe rechnet Paulus unter die göttlichenGnadengaben, und nennt sie διακρισιν πνευμα-των, weil man durch sie erkennet, ob es ein böser oder ein guter Engel sey, welcher uns treibet. Denn da uns oft der Teufel unter der Gestalt eines guten Engels zu verführen sucht, so ist diese übernatürliche Gabe höchst nöthig, um ihn von den guten Engeln zu unterscheiden. Diese übernatürliche Gabe aber anzunehmen, sind diejenigen, welche kein Genie zur Naturforschung haben, weit ungeschickter, als alle andre, weil diese Wissenschaft und jene von GOtt ertheilte übernatürliche Gabe einerley Vermögen, nämlich den Verstand betreffen: wenn es anders wahr ist, daß sich GOtt meistentheils, wie ich oben gesagt habe, in Austheilung seiner unmit telbaren Gnade, nach der natürlichen Fähigkeit eines jeden richtet.


26 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die Nachfolger des Aristoteles, weil sie es aus der Erfahrung erkannten, daß immer ein Mensch besser schliesse, als der andere, sind auf folgende scheinbare Ausflüchte gefallen. Diese Verschiedenheit, sagen sie, kömmt nicht daher, weil der Verstand eine organische Vermögenheit ist, welche in einem eine bessere Verfassung hat, als in dem andern; sondern daher, weil der menschliche Verstand, so lange die vernünftige Seele in dem Körper ist, die Bilder und Phantasien der Einbildungskraft und des Gedächtnisses nöthig hat. Wenn also der Verstand falsch denkt und schließt, so denkt und schließt er nicht aus eigner Schuld, oder deswegen falsch, weil er mit einer übel organisirtenMaterie verbunden ist, sondern deswegen, weil ihm jene Bilder und Phantasien fehlen. Doch diese Antwort ist wider die eigene Lehre des Aristoteles, welcher ausdrücklich behauptet, *) je ungeschickter das Gedächtniß sey, desto stärker sey der Verstand, und je fähiger der Verstand sey, desto unfähiger sey das Gedächtniß. Ein gleiches haben wir in dem Vorhergehenden von der Einbildungskraft bewiesen. Zur Bekräftigung dieser Meynung wirft Aristoteles**) noch die Frage auf: woher es komme, daß im Alter das Gedächtniß so schwach, und der Verstand so stark sey, und warum sich in der Jugend das Gegentheil ereigne, da das Gedächtniß nämlich sehr stark, und der Verstand sehr schwach ist? Auch die Erfahrung, wie Galenus sehr wohl an

*) περι μνημης και ἀναμνησεως.

**) προβλ. τμημ. λ.

merkt, ist für diesen Satz: denn, wenn das Temperament und die gute Beschaffenheit des Gehirns in einer Krankheit verändert wird, so verlieren sich sehr oft die Wirkungen des Verstandes; die Wirkungen des Gedächtnisses und der Einbildungskraft aber bleiben, wie sie waren. Dieses nun könnte nimmermehr geschehen, wenn der Verstand nicht sein bestimmtes Werkzeug, das von den Werkzeugen der andern Vermögenheiten unterschieden wäre, hätte. Jch weiß nicht, was man hierauf antworten kann; man müßte denn mit einer metaphysischen Unterscheidung, mit einem actualiter und potentialiter, das ist, mit Wörtern antworten, die weder die, welche sie brauchen, noch sonst jemand auf der Welt verstehet. Nichts verhindert das Wachsthum der menschlichenWeisheit mehr, als wenn man die Wissenschaften mit einander vermenget; wenn man das, was in die Naturlehre gehört, in der Metaphysik, und das, was in die Metaphysik gehört, in der Naturlehre abhandeln will.


27 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die Nachfolger des Aristoteles, weil sie es aus der Erfahrung erkannten, daß immer ein Mensch besser schliesse, als der andere, sind auf folgende scheinbare Ausflüchte gefallen. Diese Verschiedenheit, sagen sie, kömmt nicht daher, weil der Verstand eine organische Vermögenheit ist, welche in einem eine bessere Verfassung hat, als in dem andern; sondern daher, weil der menschliche Verstand, so lange die vernünftige Seele in dem Körper ist, die Bilder und Phantasien der Einbildungskraft und des Gedächtnisses nöthig hat. Wenn also der Verstand falsch denkt und schließt, so denkt und schließt er nicht aus eigner Schuld, oder deswegen falsch, weil er mit einer übel organisirtenMaterie verbunden ist, sondern deswegen, weil ihm jene Bilder und Phantasien fehlen. Doch diese Antwort ist wider die eigene Lehre des Aristoteles, welcher ausdrücklich behauptet, *) je ungeschickter das Gedächtniß sey, desto stärker sey der Verstand, und je fähiger der Verstand sey, desto unfähiger sey das Gedächtniß. Ein gleiches haben wir in dem Vorhergehenden von der Einbildungskraft bewiesen. Zur Bekräftigung dieser Meynung wirft Aristoteles**) noch die Frage auf: woher es komme, daß im Alter das Gedächtniß so schwach, und der Verstand so stark sey, und warum sich in der Jugend das Gegentheil ereigne, da das Gedächtniß nämlich sehr stark, und der Verstand sehr schwach ist? Auch die Erfahrung, wie Galenus sehr wohl an

*) περι μνημης και ἀναμνησεως.

**) προβλ. τμημ. λ.

merkt, ist für diesen Satz: denn, wenn das Temperament und die gute Beschaffenheit des Gehirns in einer Krankheit verändert wird, so verlieren sich sehr oft die Wirkungen des Verstandes; die Wirkungen des Gedächtnisses und der Einbildungskraft aber bleiben, wie sie waren. Dieses nun könnte nimmermehr geschehen, wenn der Verstand nicht sein bestimmtes Werkzeug, das von den Werkzeugen der andern Vermögenheiten unterschieden wäre, hätte. Jch weiß nicht, was man hierauf antworten kann; man müßte denn mit einer metaphysischen Unterscheidung, mit einem actualiter und potentialiter, das ist, mit Wörtern antworten, die weder die, welche sie brauchen, noch sonst jemand auf der Welt verstehet. Nichts verhindert das Wachsthum der menschlichenWeisheit mehr, als wenn man die Wissenschaften mit einander vermenget; wenn man das, was in die Naturlehre gehört, in der Metaphysik, und das, was in die Metaphysik gehört, in der Naturlehre abhandeln will.


28 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Hierbey ist besonders anzumerken, daß der Teufel nicht allein auf Oerter begierig ist, welche gewisse körperliche Beschaffenheiten haben, die sie haben müssen, wenn er sich gern darinnen aufhalten soll; sondern daß er sich auch der körperlichen Beschaffenheiten zu bedienen weiß, wenn er etwas thun will, woran ihm vieles gelegen ist. Wenn ich nun hier fragen wollte, worauf wohl der Teufel gesehen habe, als er die Eva zu verführen, die Gestalt einer giftigen Schlange, und nicht vielmehr die Gestalt eines Pferdes, eines Bärs, eines Wolfs, oder sonst eines wilden Thieres, das nicht so schrecklich aussieht, angenommen habe? Was würde man mir wohl antworten? Das weiß ich wohl,Galenus würde mir gar nicht antworten, weil er weder die Lehren und Aussprüche des Moses, noch Christi annimmt: denn beyde, sagt er, *) reden ohne Beweis. Allein von einem Katholiken habe ich sehr oft eine Auflösung dieses Problems zu hören gewünscht, niemals aber bin

*) περι διαφορας σφυγμων λογ. γ.

ich meines Wunsches gewährt worden. So viel ist gewiß, daß die verbrannte und trockene Cholera, wie wir oben erwiesen haben, diejenige Feuchtigkeit ist, welche die vernünftige Seele lehrt, wie sie listig und betrügerisch seyn soll. Unter allen unvernünftigen Thieren aber ist kein einziges, welches so viel von dieser Feuchtigkeit hatte, als die Schlange; †) und daher kam es, daß sie, wie die Schrift sagt, klüger war, als alle Thiere auf dem Felde. Die vernünftige Seele, gesetzt, daß man sie auch für das niedrigste in der Reihe der Geister annimmt, ist gleichwohl von eben dem Wesen, von welchem der Teufel und die Engel sind; wie also nun die Seele diese giftige Cholera zu ihrem Gebrauche haben muß, wenn der Mensch listig und verschlagen seyn soll, so ward auch der Teufel, sobald er in den Körper der cholerischen Schlange fuhr, weit listiger und verschlagener. Ueber diese Art zu philosophiren, wird kein Naturforscher erstaunen, weil sie nicht von aller Wahrscheinlichkeit entblößt ist. *) Was sie aber vollkommen davon zu urtheilen in Stand setzen wird, ist, daß ich auf die Frage, warum GOtt, als er die Welt

†) Es ist Schade, daß uns der V. den Beweis von diesem Satze schuldig geblieben ist. E.

*) Daran eben erkennt man die Grösse GOttes, daß er allmächtig ist, und ob er seine Geschöpfe gleich nicht nöthig hätte, sich ihrer doch als der natürlich wirkenden Ursache bedienet.

aus dem Jrrthume reissen, und ihr die lautereWahrheit lehren wollte, (welches gleich das Gegentheil von dem ist, was der Teufel thut) in Gestalt einer Taube, nicht aber in Gestalt eines Adlers, eines Pfaues, oder sonst eines andern Vogels, der noch schöner aussieht, herabkam? daß ich, sage ich, antworte: die Ursache war, weil die Taube sehr viel von derjenigen Feuchtigkeit hat, welche am meisten zur Redlichkeit, Wahrheit und Einfalt geneigt macht, von aller Cholera aber frey ist, als welche das Werkzeug der List und Bosheit ist.


29 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Keine von diesen Ursachen räumen Galenus oder ein anderer Naturforscher seiner Art ein, weil sie nicht begreifen können, wie die vernünftige Seele und der Teufel, als geistige Wesen, durch körperliche Beschaffenheit, dergleichen die Wärme, die Kälte, die Trockenheit und Feuchtigkeit sind, einige Veränderungen leiden können: denn daß das Feuer dem Holze seine Wärme mittheile, geschehe, weil beyde etwas körperliches wären, welcher Umstand bey den geistigen Wesen wegfalle. Doch laßt uns, sprechen sie, diese Unmöglichkeit für wahr annehmen, daß nämlich ein geistiges Wesen durch körperliche Beschaffenheiten Veränderungen leiden könne: was für Augen hat denn ein Teufel, oder die vernünftige Seele, womit sie die Farben und Gestalten der Dinge erkennen können? Was haben sie für Nasen, den Geruch zu empfinden? Was haben sie für ein Gehör, die Musik zu verneh men? Was haben sie für ein Gefühl, wodurch ihnen die allzugrosse Wärme empfindlich werden kann? Zu diesen allen sind körperliche Werkzeuge nöthig. Wenn aber die vernünftige Seele, auch wenn sie ausser dem Körper ist, empfindet, und dem Schmerze und der Betrübniß unterworfen ist, so muß nothwendig ihr Wesen selbst hinfällig seyn, und einmal vergehen.


30 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

†) Mir ist in der Arithmetik und Naturkunde keine Regel bekannt, nach welcher sich die hier von dem V. gemachte Rechnung deutlich beweisen liesse. E.