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46 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Aber man denke nur, wie wunderlich die gesitteten Völker sind. Ihre Feinheit geht oft so weit, daß sie dem Dichter auch so gar den Gebrauch vieler in ihren Sittengegründeter Umstände, die einfältig, schön und wahr sind, untersagt. Wer dürfte es unter uns wagen, auf der Bühne Stroh auszubreiten, und ein neugebornes Kind auf demselben wegzusetzen? Wenn der Dichter eine Wiege anbrächte, würde sich nicht im Parterre mehr als ein Geck finden, der wie ein kleines Kind zu schreyen anfänge? Logen und Amphitheater würden darüber lachen, und um das Stück wäre es gethan. O possierliches und leichtsinniges Volk, wie sehr schränkest du die Kunst ein! Welchen Zwang legst du deinen Künstlern auf! Wie vieler Vergnügen beraubet dich dein verzärtelter Geschmack! Alle Augenblicke würdest du auf der Bühne Dinge auspfeiffen, die dich im Gemälderühren und bezaubern würden. Weh dem Genie, dem es einkommen dürfte, dir ein Schauspiel zu zeigen, das zwar mit der Natur aber nicht mit deinen Vorurtheilen bestehen könnte!


47 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Geschmack eines Volkes muß sehr ungewiß seyn, wenn er in der Natur der Dinge etwas leiden kann, dessen Nachahmung er dem Künstler verbietet; oder wenn er gewisse Wirkungen der Kunst bewundert, die ihm in der Natur mißfallen. Wir würden von einemFrauenzimmer, das einer von den Bildsäulen gliche, die uns in der Tuileries bezaubern, sagen, daß sie einen ganz hübschen Kopf, aber plumpe Füsse, und ganz und gar keine Taille habe. Das Frauenzimmer das der Bildhauer auf einem Sopha schön findet, ist in seiner Werkstatt häßlich. Wir sind voll von dergleichen Widersprüchen.


48 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Wahrheit und Tugend sind die Freundinnen der schönen Künste. Wer ein Schriftsteller, wer ein Kunstrichter werden will, der fange erst an, ein ehrlicher Mann zu werden. Was kann man sich viel von dem versprechen, der sich selbst nicht stark genug zu rühren weis? Und was kann mich stärker rühren, alsWahrheit und Tugend, diese zwey mächtigsten Dinge in der Natur.


49 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Da der idealische Mensch, den ich suche, eben sowohl ein zusammengesetztes Ding seyn muß, als ich: so sehe ich sogleich, daß die altenBildhauer, indem sie die Verhältnisse, die ihnen die schönsten geschienen, festgesetzt, einen Theil meines Musters bereits gemacht haben. — Ja. Diese Bildsäule also will ich nehmen, und beleben. Ich will ihr die vollkommensten sinnlichen Werkzeuge geben, die der Mensch nur haben kann. Ich will ihr alle Eigenschaften geben, die ein Sterblicher nur immer besitzen kann: und mein idealisches Muster wird fertig seyn. — Ohne Zweifel. — Aber welches Studium! Welche Arbeit! Wie viel physische und moralische Kenntnisse werden dazu erfordert! Ich wüßte keine Wissenschaft, keine Kunst, die ich nicht aus dem Grunde verstehen müßte. — Dafür werde ich aber auch das idealische Muster von aller Wahrheit, von aller Güte, von aller Schönheit haben. — Aber wie werde ich mit diesem allgemeinen idealischen Muster zu Stande kommen, wenn mir die Götter wenigstens nicht ihren Verstand leihen, wenigstens nicht ihre Ewigkeit versprechen? Ah, ich falle in die Ungewißheit, aus der ich mich reissen wollte, wieder zurück.


50 - Von der dramatischen Dichtkunst /

So sprach Arist mit sich selbst, und sahe, daß er noch sehr vieles zu lernen habe. Er ging nach Hause; verschloß sich funfzehn Jahre; legte sich auf die Geschichte, auf dieWeltweisheit, auf die Moral, auf die Wissenschaften und Künste; und ward in seinem fünf und funfzigsten Jahre ein ehrlicher Mann, ein gelehrter Mann, ein Mann von Geschmack, ein grosser Schriftsteller, ein vortrefflicher Kunstrichter.


51 - Fils naturelle /

Au reste, sur ces conventions théâtrales, voici ce que je pense. C'est que celui qui ignorera la raison poétique, ignorant aussi le fondement de la regle, ne saura ni l'abandonner, ni la suivre à propos. Il aura pour elle trop de respect ou trop de mépris; deux DRAMATIQUE. 139 écueils opposés, mais également dangereux. L'un réduit à rien les observations & l'expé- rience des siécles passés, & ramene l'art àson enfance. L'autre l'arrête tout court où il est, & l'empêche d'aller en avant.


52 - Fils naturelle /

Ni rien qui soit assez vraisemblable. Ne voyez-vous pas qu'il faut des siecles pour combiner un si grand nombre de circonstan ces? Que les Artistes se félicitent tant qu'ils voudront du talent d'arranger de pareilles rencontres. J'y trouverai de l'invention, mais sans goût véritable. Plus la marche d'une pièce est simple, plus elle est belle. Un poëtequi auroit imaginé ce coup de théâtre, & lasituation du cinquieme acte, où, m'approchant de Rosalie, je lui montre Clairville au fond du sallon, sur un canapé, dans l'attitude d'un homme au désespoir, auroit bien peu de sens, s'il préféroit le coup de théâtre au tableau. L'un est presque un enfantillage; l'autre est un trait de génie. J'en parle sans partialité. Je n'ai inventé ni l'un, ni l'autre. Le coup de théâtre est un fait; le tableau, une circonstance heureuse que le hasard fit naître, & dont je sus profiter.


53 - Fils naturelle /

Une paysanne du village que vous voyez entre ces deux montagnes, & dont les maisons élevent leurs faîtes au-dessus des arbres, envoya son mari chez ses parens, qui demeurent dans un hameau voisin. Ce malheureux y fut tué par un de ses beaux-freres. Le lendemain, j'allai dans la maison où l'accident étoit arrivé: j'y vis un tableau, & j'y entendis un discours que je n'ai point oubliés. Le mort étoit étendu sur un lit; ses jambes nues pendoient hors du lit; sa femme échevelée étoit à terre; elle tenoit les pieds de son mari, & elle disoit en fon- 162 DE LA POÉSIE dant en larmes, & avec une action qui en arrachoit à tout le monde: Hélas! quand je t'envoyai ici, je ne pensois pas que ces pieds te menoient à la mort. Croyez-vous qu'une femme d'un autre rang auroit été plus pathétique? Non. La même situation lui eût inspiré le même discours; son ame eût été celle du moment; & ce qu'il faut que l'artiste trouve, c'est ce que tout le monde diroit en pareil cas; ce que personne n'entendra, sans le reconnoître aussi-tôt en soi.


54 - Fils naturelle /

Mais dans l'art, ainsi que dans la nature, tout est enchaîné; si l'on se rapproche d'un côté de ce qui est vrai, on s'en rapprochera de beaucoup d'autres. C'est alors que nous verrons sur la scène des situations naturelles qu'une décence ennemie du génie & des grands effets a proscrites, Je ne me lasserai 190 DE LA POÉSIE point de crier à nos François: La Vérité! La Nature! Les Anciens! Sophocle! Philoctete! Le poëte l'a montré sur la scène, couché à l'entrée de sa caverne, & couvert de lambeaux déchirés. Il s'y roule; il y éprouve une attaque de douleur; il y crie; il y fait entendre des voix inarticulées. La décoration étoit sauvage; la piece marchoit sans appareil. Des habits vrais, des discoursvrais, une intrigue simple & naturelle. No- tre goût seroit bien dégradé, si ce spectacle ne nous affectoit pas davantage que celui d'un homme richement vêtu, apprêté dans sa parure.


55 - Fils naturelle /

L'art dramatique ne prépare les événemens, que pour les enchaîner; & il ne les enchaîne dans ses productions, que parce qu'ils le sont dans la nature. L'artimite jusqu'à la maniere subtile avec laquelle la nature nous dérobe la liaison de ses effets.


56 - Fils naturelle /

Il en sera de même de la plûpart des autres DRAMATIQUE. 235images qui animent ce récit. L'air obscurci de traits; une armée en tumulte; la terre arrosée de sang; une jeune princesse le poignard enfoncé dans le sein; les vents déchaînés; le tonnerre retentissant au haut des airs; le ciel allumé d'éclairs; la mer qui écume &mugit: le poëte a peint toutes ces choses; l'imitation les voit; l'art ne les imite point.


57 - Fils naturelle /

Mais croyez-vous que ce genre fournit au musicien toute la ressource convenable à son art? Chaque art a ses avantages. Il semble qu'il en soit d'eux comme des sens. Les sens ne sont tous qu'un toucher; tous les arts, qu'une imitation. Mais chaque sens touche, & chaque art imite d'une maniere qui lui est propre

58 - Der natürliche Sohn /

Und daß jeder seine Rolle verstand und fühlte, dafür hatte nun freylich Diderot vornemlich gesorgt. Wenn ich aber doch gleichwohl auch meiner Uebersezung ein kleines Verdienst in diesem Punkte zuschreibe: so habe ich, wenigstens bis itzt, von den Kunstrichtern noch keinen besondern Widerspruch zu erfahren gehabt.


59 - Der natürliche Sohn /

Was ich übrigens von allen diesen angenommenen theatralischen Regeln halte, läuft dahin aus. Wer die poetische Ursache davon nicht weis, wer also den Grund der Regel nicht weis, der wird sie weder zur rechten Zeit zu befolgen noch zu verlassenwissen. Er wird entweder zu viel Ergebenheit, oderzu viel Verachtung gegen sie haben; zwey einanderentgegengesetzte Klippen, die aber beyde gleich gefährlich sind. Der eine setzet die Bemerkungen unddie Erfahrung aller vergangenen Jahrhunderte aufnichts herab, und führet die Kunst zu ihrer Kindheit zurück. Der andere hält sie auf der Stuffe,auf welcher sie sich befindet, schlechterdings auf,und verhindert sie, sich weiter zu erheben.


60 - Der natürliche Sohn /

Aber auch nichts wahrscheinlich genug. Sehen Sie denn nicht, wie viel Zeit man braucht, eine solche Menge von Umständen zu verbinden? Die Künstler mögen sich wegen ihrer Gabe, dergleichen Zufälle zu bereiten, immerhin glücklich schätzen. Ich werde ihnen Erfindung zugestehen, aber keinen wahren Geschmack. Je einfacher der Verlauf eines Stücks ist, desto schöner ist es. Ein Dichter, der diesen Theaterstreich und die Stellung in dem fünften Aufzuge erdacht hätte, wo ich zu Rosalien trete, und ihr Clairvillen zu hinterst in dem Saale, auf 148 einem Canapee, in der Fassung eines verzweifelnden Menschen zeige, würde wenig Verstand beweisen, wenn er den Theaterstreich dem Gemälde vorzöge. Jenes ist beynahe ein Kinderspiel. Dieses ist ein Zug des Genies. Ich rede ohne Partheylichkeit davon. Ich habe beydes nicht erfunden. Der Theaterstreich ist eine wahre Begebenheit. Das Gemälde ist ein glücklicher Umstand, der sich von ohngefehr eräugnete, und den ich zu nutzen wußte.