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16 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Ein Paradoxon, dessen Wahrheit wenige einsehen werden, und das vielen anstößig seyn wird, (Aber was liegt Ihnen und mir daran? Unser Wahlspruch ist: vor allen Dingen die Wahrheit zu sagen.) ein solches Paradoxon, sage ich, ist dieses, daß unsere italiänischeKomödianten, in den italiänischen Stücken, weit freyer spielen, als unsere französischeKomödianten. Sie bekümmern sich weit weniger um den Zuschauer. Es giebt hundert Augenblicke, wo sie seiner gänzlich vergessen. Es findet sich in ihrer Action etwas Leichtes und Originales, das mir gefällt, und der ganzen Welt gefallen würde, wenn es nicht durch die albern Reden, durch die abgeschmackte Intrigue, entstellet würde. Mitten aus ihrer Narrheit leuchten Leute hervor, die sich zu erlustigen suchen, die sich allem Muthwillen ihrer Einbildungskraft überlassen; und diese Trunkenheit liebe ich weit mehr, als das Starre, Steife, Schwerfällige.


17 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Ein Paradoxon, dessen Wahrheit wenige einsehen werden, und das vielen anstößig seyn wird, (Aber was liegt Ihnen und mir daran? Unser Wahlspruch ist: vor allen Dingen die Wahrheit zu sagen.) ein solches Paradoxon, sage ich, ist dieses, daß unsere italiänischeKomödianten, in den italiänischen Stücken, weit freyer spielen, als unsere französischeKomödianten. Sie bekümmern sich weit weniger um den Zuschauer. Es giebt hundert Augenblicke, wo sie seiner gänzlich vergessen. Es findet sich in ihrer Action etwas Leichtes und Originales, das mir gefällt, und der ganzen Welt gefallen würde, wenn es nicht durch die albern Reden, durch die abgeschmackte Intrigue, entstellet würde. Mitten aus ihrer Narrheit leuchten Leute hervor, die sich zu erlustigen suchen, die sich allem Muthwillen ihrer Einbildungskraft überlassen; und diese Trunkenheit liebe ich weit mehr, als das Starre, Steife, Schwerfällige.


18 - Fils naturelle /

Si vous êtes convaincu, me dit-il, que ce soit là de la tragédie, & qu'il y ait entre la tra- DRAMATIQUE. 231 gédie & la comédie un genre intermédiaire; voilà donc deux branches du genre dramatiquequi sont encore incultes, & qui n'attendent que des hommes. Faites des comédies dans le genre sérieux. Faites des tragédies domestiques, & soyez sûr qu'il y a des applaudissemens & une immortalité qui vous sont réservés. Surtout négligez les coups de théâtre; cherchez des tableaux; rapprochez-vous de la vie réelle; & ayez d'abord un espace qui permette l'éxercice de la pantomime dans toute son étendue .... On dit qu'il n'y a plus de grandes passions tragiques à émouvoir; qu'il est impossible de présenter les sentimens élevés d'une maniere neuve & frappante. Cela peut être dans la tragédie, telle que les Grecs, les Romains, les François, les Italiens, les Anglois & tous les peuples de la terre l'ont composée. Mais la tragédie domestique aura une autre action, un autre ton, & un sublimequi lui sera propre. Je le sens, ce sublime; il est dans ces mots d'un pere qui disoit à son fils qui le nourrissoit dans sa vieillesse: Mon fils, nous sommes quittes. Je t'ai donné la vie, et tu me l'as rendue; & dans ceux-ci d'un autre pere qui disoit au sien: Dites toujours la vérité. Ne promettez rien à personne, que232 DE LA POÉSIEvous ne vouliez tenir. Je vous en conjure par ces pieds que je réchauffois dans mes mains, quand vous étiez au berceau.


19 - Fils naturelle /

Un plus habile que moi vous répondra que les embellissemens de l'épopée convena bles aux Grecs, aux Romains, aux Italiensdu quinzieme & du seizieme siecle, sont proscrits parmi les François, & que les Dieux de la Fable, les oracles, les héros invulné rables, les aventures romanesques, ne sont plus de saison.


20 - Der natürliche Sohn /

Wenn Sie also überzeugt sind, sagte er zu mir, daß das Tragödie ist, und daß es eine Mittelgattung 231 zwischen der Komödie und der Tragödie giebt: so haben wir zwey Aeste der dramatischen Dichtkunst, die ganz und gar nicht bearbeitet sind, und nur Köpfe erwarten. Machen Sie Lustspiele in der ernsthaften Gattung. Machen Sie bürgerliche Tragödien, und seyn Sie versichert, daß es einen Beyfall und eine Ewigkeit giebt, die Ihnen vorbehalten sind. Vor allen Dingen geben Sie sich mit den Theaterstreichen nicht ab. Suchen Sie Gemälde. Nähern Sie sich dem wirklichen Leben, und wählen Sie gleich Anfangs ein Feld, wo sich die Pantomime in ihrem ganzen Umfange zeigen kann. -- Man sagt, es gebe keine grosse tragische Leidenschaftenmehr zu erregen; man könne die erhabenen Gesinnungen unmöglich auf eine neue und rührende Art vortragen. Das kann in der Tragödie wahr seyn, so wie sie die Griechen, die Römer, die Franzosen, die Italiäner, die Engländer und alle Völker auf der Welt gemacht haben. Die bürgerliche Tragödie aber wird eine andere Handlung, einen andern Ton, und ein Erhabenes haben, das ihr eigenthümlich zugehöret. Ich empfinde es, dieses Erhabene. Es findet sich in den Worten eines Vaters, der zu seinem Sohne, welcher ihn im Alter ernährte, sagte: Mein Sohn, wir rechnen ab. Ich habe dir das Leben gegeben; und du giebst mir eswieder. Es findet sich in der Rede eines andern Vaters, der gleichfalls zu seinem Sohne sagte: Rede allezeit die Wahrheit. Versprich nichts,232 was du nicht halten wolltest. Ich beschwöre dich bey diesen Füssen, die ich mit meinen Händen erwärmte, als du noch in der Wiege lagest.


21 - Der natürliche Sohn /

Wer strenger wäre als ich, würde Ihnen antworten, daß die Auszierungen der Epopee, wie sie sich für die Griechen, für die Römer, für die Italiäner des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts schickten, heut zu Tage völlig verbannt sind; daß die Götter der Fabel, die Orakel, die unverwundbaren Helden, die romanenhaften Abentheuer, ganz aus der Mode sind.


22 - An Essay on Dramatick Poesy /

Italians,

23 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Da aber die Spanier einem Schauspiele noch bis itzt nur drey Aufzüge verstatten, die sie Jornadas nennen; und da ihnen die Jtaliäner hierinn sehr oft folgen, so will ich dieAlten nicht deswegen verdammt wissen, weil sie nicht jedem von ihren Stücken fünf Aufzüge gegeben, sondern weil sie sich nicht an eine gewisse Anzahl derselben gebunden; denn das heißt ein Haus ohne ein Modell bauen; und wenn sie dem ohngeachtet in dergleichen Unternehmungen glücklich waren, so hatten sie mehr dem Glücke als den Musen ein Dankopfer dafür zu bringen.


24 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Zu unserm Unglücke, ist keine einzige von denMethoden auf uns gekommen, nach welchen dieAusübung dieser Künste, die in Griechenlandund in Italien so viele Lehrer hatten, beygebrachtwurde. Uebrigens haben diejenigen alten Schriftsteller, welche von der Musik geschrieben haben, und deren Werke übrig geblieben sind, von demMechanischen der der Musik untergeordneten Künste nur sehr wenig beygebracht, weil sie dieselbenals leichte und gewöhnliche Sachen angesehen, mit denen sich nur die gemeinen Lehrmeister umGeld abzugeben hätten. Der hl. Augustinus,(*) Inst. lib. I. cap. 12.(**) Luciani Gymnast. Plutar. de Musica.von den theatr. Vorstell. der Alten.zum Exeempel, welcher von der Musik ein Werkin sechs Büchern geschrieben hat, sagt, daß ervon allen diesen geringern Künsten nicht redenwerde, weil es Dinge wären, die auch die allermittelmäßigsten Schauspieler zu wissen pflegten.Non enim tale aliquid hic dicendum est, quale quilibet Cantores Histrionesque noverunt. (*)


25 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Nur muß man, wenn man die angeführtenWerke lieset, nie aus der Acht lassen, daß es dieGriechen und ihre Nachbarn gewesen, bey welchen die Musik so wunderbare Wirkungen geäussert. Man weis, daß in diesen Ländern dieWerkzeuge des Gehörs weit empfindlicher sind,als in denjenigen Ländern, wo Kälte und Nässe durch ganze acht Monate des Jahres regieren. Und da die Empfindlichkeit des Herzens, gewöhnlicher Maassen der Empfindlichkeit des Gehörsgleich ist, so lassen sich die Einwohner der Länder, welche an dem Aegäischen und an dem Adriatischen Meere liegen, von Natur weit leichter inBewegung setzen, als wir. Aus Isle de France bis nach Italien ist nicht weit. Gleichwohlbemerkt ein Franzose, wenn er in Italien ist, so gleich, daß man bey den schönen Stellen inden Opern mit einer Entzückung klatscht, welchein seinem Lande die Ausschweifung einer Mengeunsinniger Leute zu seyn scheinen würde.


26 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Man hat sich der alten Charaktere, die musikalischen Gesänge zu schreiben, bis in das eilfteJahrhundert bedient, in welchem Guido Aretinus diejenige Methode erfand, welche nochjetzt gebräuchlich ist, und nach welcher die Notenauf verschiedene Linien gesetzt werden, unddurch den Ort, an welchem sie stehen, ihre Anstimmungen erhalten. Diese Noten waren Anfangsblosse Punkte, an welchen man nichts unterscheiden konnte, was ihre Dauer bemerkt hätte; Johann de Muris aber, welcher von Paris gebürtig war, und unter der Regierung des KönigsJohann (gegen 1350) lebte, erfand ein Mitteldiesen Puncten durch verschiedne runde, schwarze, hackigte und doppelhackigte Figuren, einen ungleichen Werth zu geben, und diese sind von allenEuropäischen Tonkünstlerrn angenommen worden. Man hat also die Kunst die Musik zu schreiben, so wie wir sie heut zu Tage schreiben, eben sowohlFrankreich als Italien zu dancken.


27 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Es erhellet also ganz deutlich, daß der Gesang der dramatischen Stücke, welche auf denBühnen der Alten recitirt wurden, weder Passagen, noch Vorschlag, noch Triller, nochsonst einen von diesen Zeichen des musikalischen Gesanges gehabt habe; sondern miteinem Worte, daß dieser Gesang eine Declamation, so wie die unsrige, gewesen sey Gleichwohl aber war diese Recitation componirt, weilsie von dem Generalbasse unterstützt ward, dessen Geräusche, allem Ansehen nach, dem Geräusche gemäß eingerichtet war, welches ein Menschim declamiren macht. Denn das Geräusch, welches ein Mensch im declamiren macht, istnicht so stark und durchdringend, als das Geräusch, welches eben dieselbe Person im Singenmachen würde. Vors erste erschüttert man imdeclamiren die Luft nicht so stark, als im Singen. von den theatr. Vorstell. d. Alten.Vors zweyte brechen wir im Declamiren die Luftnicht immer gegen so elastische Theile, die sieeben so stark herauspressen könnten, als diejenigen Theile sind, gegen welche wir sie im Singen brechen. Nun aber erschallt die Luft mehroder weniger, nachdem sie mehr oder weniger istgepreßt worden. Und dieses eben, um es imVorbeygehen zu erinnern, ist die Ursache, warum die Stimme der italiänischenTonkünstler deutlicher zu vernehmen ist, als die Stimmeder französischen Tonkünstler. Die italiänischenTonkünstler formiren nehmlich in den knorplichten Theilen der Gurgel selbst verschiedne Töne, welche die französischen Tonkünstler nicht andersals durch Hülfe der innern Backen völlig formiren können.


28 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die übereilten Gebehrden dieser Schauspielermußten freylich denjenigen als convulsivische Bewegungen vorkommen, die an eine einfache undlangsame Recitation gewöhnt waren. Eben sowürden Zuschauer, die nichts anders als englische Komödien hätten spielen sehen, das SpielItaliänischer Komödianten für die Declamationunsinniger Leute halten. Die neue Art zu recitiren wird den Römern also Anfangs sehr ausserordentlich geschienen haben; doch werden siesich auch bald daran gewöhnt haben, weil mansich sehr leicht an solche Neuigkeiten gewöhnt, welche mehr Thätigkeit und mehr Leben in dietheatralischen Vorstellungen bringen.


29 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Livius Andronicus, ein berühmter Dichter, welcher ohngefehr fünfhundert und vierzehnJahr nach Erbauung der Stadt, und ohngefehr hundert und zwanzig Jahr nach Eröffnungder Bühnen, zu Rom lebte, spielte in einemvon seinen Stücken selbst mit. Es war damalsMode, daß die dramatischen Dichter selbst mitauf die Bühne traten und eine Person in ihrenSpielen vorstellten. Das Volk, welches sichdie Freyheit herausnahm, die es sich noch jetztin Frankreich und Italien nimt, indem essich diejenigen Stellen, die ihm gefallen, wiederholen läßt, das Volk, sage ich, schrie so oftbis, und ließ den armen Andronicus zu so oftwiederholten malen recitiren, daß er ganz heivon den theatr. Vorstell. der Alten.scher ward. Da er also nicht mehr declamirenkonnte, so ließ es sich das Volk gefallen, daßer einen Sklaven vor den Instrumentisten stellen durfte, welcher die Verse recitiren mußte, und unterdessen machte Andronicus eben dieselben Gebehrden, die er, als er selbst recitirte, gemacht hatte. Nunmehr merkte man, daßseine Action viel lebhafter sey, weil er alle seineKräfte auf die Gebehrden allein wenden konnte,und die Mühe zu recitiren einem andern oblag.Man kam also, fährt Livius fort, auf den Einfall, die Declamation zwischen zwey Schauspieler zu theilen, und, so zu reden, nach dem Takteder Gebehrden recitiren zu lassen. Dieser Gebrauch ist auch so durchgängig angenommen worden, daß die Schauspieler nun weiter nichts als diedialogischen Zeilen selbst recitiren. (*) Livius — — idem seilicet, quod omnes tuncerant, suorum carminum actor, cum sæpiusrevocatus vocem obtudisset, venia petita puerum ad canendum ante tibicinem cum statuisset, canticum egisse aliquanto magis vigenti motu, quia nihil vocis usus impediebat. Inde ad manum cantari histrionibus cæptum, diverbiaque tantum ipsorum voci relicta. Ichwerde hoffentlich nicht erst sagen dürfen wie wichtig das Zeugniß des Livius in dieser Sache sey,und wie wenig ihm alle nur mögliche Vernünfteleyen anhaben können. Jedermann muß mirdiese Wahrheit zugestehen.


30 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Den Gebrauch der Masken zu vertheidigen, könnte man sagen, daß sie den Zuschauern dochnicht die Augen des Schauspieles verberge. Wenn es aber wahr ist, daß die Leidenschaftendurch die Veränderungen, welche auf unsermGesichte entstehen, weit merklicher werden, alsdurch die Veränderungen in unsern Gebehrden,in allen unseren Stellungen und in dem Toneunsrer Stimme; so ist es auch nicht wenigerwahr, daß unsre Leidenschaften durch das, wasin unsern Augen vorgeht, weit sichtbarer werden, als durch alles, was mit den übrigen Theivon den theatr. Vorstell. der Alten.len unsers Gesichts geschehen kann. Unsre Augen allein können alles deutlich zeigen, was aufdem Gesichte vorgeht, ja sie können es, so zu reden, Trotz der Maske zeigen. (*) Animi estomnis actio & imago animi vultus est, indices oculi. Die Einbildungskraft, wird manfortfahren, ergänzt das, was verborgen ist;und wenn wir vor Zorn brennende Augen sehen, so glauben wir auch den übrigen Theil desGesichts von dieser Leidenschaft entbrannt zu sehen. Wir werden eben so sehr bewegt, als obwir es wirklich sähen. Verschiedne Stellen desCicero und Quintilian bezeugen es auch, daßdie alten Schauspieler wirklich alle Zeichen derLeidenschaften durch die Bewegungen ihrer Augen, die von den übrigen Gebehrden und Stellungen unterstützt wurden, ausgedrückt haben. Man könnte ein gleiches von denjenigen italiänischen Komödianten sagen, welche unter der Maske spielen. (**) In ipso vultu plurimum valentoculi per quos maxime animus emanat. Aufdem Gesichte mahlt sich die Seele, und die Augen sind derjenige Theil des Gesichts, welcher, so zu sagen, am nachdrücklichsten reden kann.