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16 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

So übertäubend als dieser Einwurf zu seyn scheinet, so braucht es, ihn übern Haufen zu stossen, doch weiter nichts, als daß man die Grundsätze desselben zugiebt, und die daraus gemachte Folgerung leugnet. Es ist wahr, daß alle Geburthen des Genies, so zu reden, ihr Tappen haben, bis sie zu ihrer Vollkommenheit gelangt sind; allein, es ist auch eben so gewiß, daß verschiedne von denselben, sie schon erreicht haben, als das epische Gedichte, die Ode, die Beredsamheit und die Historie. Homer, Pindarus,Demosthenes und Thucydides sind die Lehrmeister des Virgils, des Horaz, des Cicero und des Livius gewesen. Das vereinigte Ansehen dieser grossen Männer ist zum Gesetze geworden; und dieses Gesetz haben hernach alle Nationen angenommen, und die Vollkommenheit einzig und allein an die genaue Nachahmung dieser alten Muster gebunden. Wenn es also nun wahr ist, daß das Wesen dieser verschiednen Werke so unveränderlich festgestellet ist, als es nur immer durch die aller verehrungswürdigsten Beyspiele festgestellet werden kann; aus was für einer besondern Ursache sollte es denn nur vergönnet seyn, das Wesen der Komödie zu ändern, welches durch die allgemeine Billigung nicht minder geheiliget ist.


17 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Ganz anders ist es mit den Schilderungen bewandt, welche der Dichter von den Lastern und von dem Lächerlichen macht; sie finden bey

(1) Der Stoff einer Komödie muß aus den gewöhn lichen Begebenheiten genommen seyn; und ihre Personen müssen, von allen Seiten, mit dem Vol ke, für das sie gemacht wird, eine Aehnlichkeit ha ben. Sie hat nicht nöthig, diese ihre Personen auf ein Fußgestelle zu erhöhen, weil ihr vornehm ster Entzweck eben nicht ist, Bewundrung für sie zu erwecken, damit man sie desto leichter beklagen könne; sie will aufs höchste, durch die verdrußli chen Zufälle, die ihnen begegnen, uns für sie ein wenig unruhig machen. Dubos kritische Be trachtungen Th. II. S. 225.

Betrachtungen über das uns allen Statt, und auch der vollkommenste Mensch trägt sowohl in seinem Verstande, als in seinem Herzen beständig den Saamen gewisser Ungereimtheiten und gewisser Fehler, welche sich bey Gelegenheit entwickeln. Wir finden uns also in dem Gemählde solcher mit der Menschheit verbundenen Schwachheiten getroffen, und sehen darinne was wir sind, oder wenigstens seyn können. Dieses Bild, welches zu dem unsrigen wird, ist eines von den einnehmendsten Gegenständen, und erleuchtet unsre Seelen mit gewissen Lichtstrahlen, die desto heilsamer sind, je fähiger ihre Ursache, die Furcht vor der Schande und dem Lächerlichen, zu seyn pflegt, uns zu heilsamen Entschliessungen zu bewegen. So ward der stolze und unversöhnliche Hauffe der Heuchler durch das Gemählde von den Lastern des scheinheiligen Betriegers zu Boden geschlagen. Tausend Schuldige wurden in Harnisch gejagt, und beklagten sich mit so viel grösserer Bitterkeit, je empfindlicher sie waren getroffen worden. Bey den Vorstellungen des George Dandins lassen auch die verhärtesten Ehemänner auf ihren Gesichtern die Bewegung spüren, die sie alsdenn empfinden, wenn ihre Umstände mit den Umständen des Originals allzusehr übereinstimmen; diese Uebereinstimmungen sind nicht selten, ob sie schon durch den Mangel der Bildung oder des Genies, durch den Geschmack an Veränderungen und den Eigensinn, so viel weinerlich Komische. fältig gemacht werden, als sie es durch die Verschiedenheit der Geburth sind. Die ohne Unterlaß wieder jung werdenden Schilderungen derDiafoiren haben vielleicht nicht wenig dazu beygetragen, daß die Aerzte ihren blinden Eigensinn für die alte Methode verlassen haben, ohne daß sie eben zu jenen kühnen Versuchen wären gereizt worden, von welchen man schalkhaft genug vorgiebt, daß wir dann und wann derselben Opfer seyn müßten. Und wem ist endlich unbekannt, daß die muntern und beissenden Züge der gelehrten Weiber und der kostbar Lächerlichen, auf das plötzlichste das schöne Geschlecht von diesen zwey Unsinnigkeiten abgebracht haben?


18 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Auf diese Art würden sich tausend nützliche und glänzende Neuigkeiten dem Pinsel unsrer Dichter darbiethen, wenn sie nicht von der Liebe zu dem Besondern verführt würden. Sollten sie wohl von der Schwierigkeit, solche feine Charaktere zu schattiren, welche nur eine sehr leichte Auftragung der Farben erlauben, zurückgehal weinerlich Komische. ten werden? Allein könnten sie nicht, nach dem Beyspiele des Moliere, an den Nebenrollen dasjenige einbringen, was ihnen an der Unterstüzung des Hauptcharakters abgehet? Und brauchen sie denn weniger Kunst darzu, wenn sie uns in Komödien eingekleidete Romane wollen bewundern lassen, oder weniger Genie, um sich in dem engen Bezirke, in welchen sie sich einschliessen, zu erhalten? Da sie nur auf eine einzigeEmpfindung, des Mitleidens nehmlich, eingeschränkt sind, so haben wir vielmehr zu fürchten, daß sie uns, durch die Einförmigkeit ihres Tones und ihrer Originale, Frost und Eckel erwecken werden. Denn in der That, wie die Erkennungen beständig mit einerley Farben vorbereitet, herzugeführet, und aufgeschlossen werden, so ist auch nichts dem Gemählde einer Mutter, welche ihr und ihrer Tochter Unglück beklagt, ähnlicher, als das Bild einer Frau, welche über ihr und ihres Sohnes Unglück Thränen vergießt. Fliessen aber hieraus nicht nothwendig Wiederhohlungen, die nicht anders, als verdrüßlich seyn können?


19 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Zu den Zeiten des Moliere und der Corneillen, besonders zu Anfange ihres Jahrhunderts, konnte man die gelehrten und witzigen Köpfe von Profeßion mit griechischen und lateinischen Citationen ausgespickt, über ihre barbarischen Schriftsteller verdüstert, in ihren Sitten grob und unbiegsam, und in ihrem Aeusserlichen nachläßig und schmutzig vorstellen. Diese Züge passen schon seit langer Zeit nicht mehr. Das pedantische Ansehen ist mit jener tiefen Gelehrsamkeit, die aus Lesung der Originale geschöpft war, verschwunden. Man begnügt sich, wenn ich so reden darf, mit dem blossen Vernis der Litteratur, und den meisten von unsern Neuern ist ein leichtes und sich ausnehmendes Mundwerk anstatt der gründlichen Wissenschaft, welche ihre Vorgänger besassen. Jhre Erkenntniß, sagt man, ist mannigfaltiger, aber eben deswegen auch unvollkommner. Sie haben, wenn man will, mehr Witz; aber vielleicht desto weniger wahres Genie. Kurz die meisten von ihnen scheinen von den alten Ge weinerlich Komische. lehrten nichts beybehalten zu haben, als die beklagenswürdige Erbitterung, ihre Personen und ihre Werke unter einander zu verlästern, und sich dadurch in den Augen ihrer Zeitgenossen und der Nachwelt verächtlich zu machen.


20 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Unter die Gründe, warum man den Geschmack an dem weinerlich Komischen wird fahren lassen, gehöret auch noch die äusserste Schwierigkeit, in dieser Gattung glücklich zu seyn: die Laufbahn ist nicht von grossem Umfange, und es wird ein eben so glänzendes und bearbeitetes Genie, als das Genie des Verfassers der Melanide ist, dazu erfordert, wenn man sie mit gutem Fortgange ausfüllen will. Der Herr von Fontenelle hat einen Ton, welcher ihm eigen ist, und der ihm allein unvergleichlich wohl läßt; allein es ist unmöglich oder gefährlich ihn nachzuahmen. Der Herr de la Chaussee hat gleichfalls seinen Ton, dessen Schöpfer er ist, und dem es mehr in Ansehung der Art von Unmöglichkeit, seine Fabeln nicht nach zu copiren, als in Ansehung der Schwierigkeit, sie mit eben so vieler Kunst und mit eben so glänzenden Farben vorzutragen, an Nachahmern fehlen wird.


21 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Lasset uns daher aus diesem allen den Schluß ziehen, daß keine Erfindungen vergönnt sind, als welche die Absicht zu verschönern haben, und daß die Gattung des weinerlich Komischen eine von den gefährlichen Erfindungen ist, welche dem wahren Komischen einen tödlichen Streich versetzen kann. Wenn eine Kunst zu ihrer Vollkommenheit gelangt ist, und man will ihr Wesen verändern, so ist dieses, nicht sowohl eine in dem Reiche der Gelehrsamkeit erlaubte Freyheit, als vielmehr eine unerträgliche Frechheit. (1)

(1) Da alle Künste aneinander grenzen, so laßt uns noch die Klagen hören, welche Hr. Blondel in seinem 1747 gedruckten Diſcours ſur l'Architecture führet. Es ist zu befürchten, sagt er, daß die sinnreichen Neuerungen, welche man zu jetziger Zeit, mit ziemlichem Glück einführt, endlich von Künstlern werden nachgeahmt werden, welchen die Verdienste und die Fähigkeiten der Erfinder mangeln. Sie werden daher auf eine Menge un gereimter Gestalten fallen, welche den Geschmack nach und nach verderben, und werden ausschwei fenden Sonderlichkeiten den schönen Namen der Er findungen beylegen. Wann dieses Gift die Künste einmal ergriffen hat, so fangen die Alten an un fruchtbar zu scheinen, die grossen Meister frostig, und die Regeln allzu enge et ceteraet cetera

Betrachtungen über das Die Griechen und die Römer unsre Meister und Muster in allen Geburthen desGeschmacks, haben die Komödie vornehmlich dazu bestimmt, daß sie uns, vermittelst der Critik und des Scherzes, zugleich ergötzen und unterrichten soll. Alle Völker Europens sind hernach dieser Weise mehr oder weniger gefolgt, so wie es ihrem eigenthümlichenGenie gemäß war: und wir selbst haben sie in den Zeiten unsers Ruhmes, in dem Jahrhunderte angenommen, das man so oft mit dem Jahrhunderte des Augusts in Vergleichung gestellet hat. Warum will man jezt Thalien nöthigen die traurige Stellung der Melpomene zu borgen, und ein ernsthaftes Ansehen über eine Bühne zu verbreiten, deren vornehmste Zierde allezeit Spiel und Lachen gewesen sind, und beständig ihr unterscheidender Charakter seyn werden?


22 - La Poésie Dramatique /

L'habitude nous captive. Un homme a-t-il paru avec une étincelle de génie? a-t-il produit quelque ouvrage? D'abord il étonne & partage les esprits; peu-àpeu il les réunit; bientôt il est suivi d'une soule d'imitateurs; les modeles se mul- tiplient; on accumule les observations; on pose des regles; l'Art naît; on fixe ses limites, & l'on prononce que tout ce qui n'est pas compris dans l'enceinte étroite qu'on a tracée, est bisarre & mauvais: ce sont les colonnes d'Hercule, on n'ira point au-delà sans s'égarer.


23 - La Poésie Dramatique /

Que deviendroit la piéce que Térence a intitulée l'Eautontimorumenos, ou l'Ennemi de lui-même, si par un effort de génie le Poëte n'avoit sçu reprendre l'intrigue de Clinia, qui se termine au troisieme acte, & la renouer avec celle de Clitiphon?


24 - La Poésie Dramatique /

Au reste, l'un & l'autre sont l'ouvrage du génie; mais le génie n'est pas le même. C'est le plan qui soutient une piéce compliquée: c'est l'art du discours & du dialogue qui fait écouter & lire une piéce simple.


25 - La Poésie Dramatique /

Au reste, l'un & l'autre sont l'ouvrage du génie; mais le génie n'est pas le même. C'est le plan qui soutient une piéce compliquée: c'est l'art du discours & du dialogue qui fait écouter & lire une piéce simple.


26 - La Poésie Dramatique /

J'observerai pourtant qu'en général il y aplus de piéces bien dialoguées que de piéces bien conduites. Le génie qui dispose les incidens, paroît plus rare que celui qui trouve les vrais discours. Combien de belles scenes dans Moliere! On compte ses dénouemens heureux.


27 - La Poésie Dramatique /

On seroit tenté de croire qu'un drame devroit être l'ouvrage de deux hommes de génie, l'un qui arrangeât, & l'autre qui fît parler. Mais qui est-ce qui pourra dialoguer d'après le plan d'un autre? Le génie du dialogue n'est pas universel; chaque homme se tâte & sent ce qu'il peut: sans qu'il s'en apperçoive, en formant son plan il cherche les situations dont il espere sortir avec succès. Changez ces situations, & il lui semblera que son génie l'abandonne. Il faut à l'un des situations plaisantes; à l'autre, des scenes morales & graves; à un troisieme, des lieux d'éloquence & de pathétique. Donnez à Corneille un plan de Racine, & à Racine un plan de Corneille, & vous verrez comment ils s'en tireront.


28 - La Poésie Dramatique /

On seroit tenté de croire qu'un drame devroit être l'ouvrage de deux hommes de génie, l'un qui arrangeât, & l'autre qui fît parler. Mais qui est-ce qui pourra dialoguer d'après le plan d'un autre? Le génie du dialogue n'est pas universel; chaque homme se tâte & sent ce qu'il peut: sans qu'il s'en apperçoive, en formant son plan il cherche les situations dont il espere sortir avec succès. Changez ces situations, & il lui semblera que son génie l'abandonne. Il faut à l'un des situations plaisantes; à l'autre, des scenes morales & graves; à un troisieme, des lieux d'éloquence & de pathétique. Donnez à Corneille un plan de Racine, & à Racine un plan de Corneille, & vous verrez comment ils s'en tireront.


29 - La Poésie Dramatique /

On seroit tenté de croire qu'un drame devroit être l'ouvrage de deux hommes de génie, l'un qui arrangeât, & l'autre qui fît parler. Mais qui est-ce qui pourra dialoguer d'après le plan d'un autre? Le génie du dialogue n'est pas universel; chaque homme se tâte & sent ce qu'il peut: sans qu'il s'en apperçoive, en formant son plan il cherche les situations dont il espere sortir avec succès. Changez ces situations, & il lui semblera que son génie l'abandonne. Il faut à l'un des situations plaisantes; à l'autre, des scenes morales & graves; à un troisieme, des lieux d'éloquence & de pathétique. Donnez à Corneille un plan de Racine, & à Racine un plan de Corneille, & vous verrez comment ils s'en tireront.


30 - La Poésie Dramatique /

J'ai connu un jeune Poëte qui ne manquoit pas de génie, & qui a écrit plus de trois ou quatre mille vers d'une Tragédie qu'il n'a point achevée, & qu'il n'achevera jamais.