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46 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Doch wieder auf das vorige zurück zu kommen, so kann ich kühnlich behaupten, Erstlich daß wir verschiedene Schauspiele haben, die eben so regelmäßig sind als ihre, und über dieses noch reicher au<an> Jntriguen und Charakteren; und zweytens, daß sich in den meisten unregelmäßigen Stücken von Shakespear und Fletcher (denn Ben Johnsons sind größten Theils regelmäßig) eine männlichereEinbildungskraft und mehr Geist und Witz zeiget, als in irgend einem französischen Stücke. Auch unter Shakespears und Fletchers Werken könnte ich verschiedne zeigen, die bey dramatischen Werken.nahe vollkommen richtig angelegt sind, als The merry Wives of Windsor und The scornful Lady; doch weil, überhaupt zu reden, Shakespear, der zuerst schrieb, die Gesetze der Komödie nicht vollkommen beobachtete, und Fletcher, der sich der Vollkommenheit mehr näherte, aus Unachtsamkeit manche Fehler begieng, so will ich das Muster eines vollkommnen Stücks vom Johnson nehmen, der ein sorgfältiger Beobachter der dramatischenRegeln war, und will von seinen Lustspielen, The silent Woman dazu wehlen, das ich nach den Regeln, welche die Franzosen beobachten, kürzlich untersuchen will.


47 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Shakespear, um mit diesem anzufangen, sagt Neander, war von allen neuern, und vielleicht auch alten Dichtern derjenige, der den ausgebreitesten, uneingeschränktesten Geist hatte. Alle Bilder der Natur waren ihm stets gegenwärtig, und er schilderte sie nicht sowohl mühsam als glücklich; er mag beschreiben was er will, man sieht es nicht bloß, man fühlt es so gar. Die ihm Schuld geben, daß es ihm an Gelehrsamkeit gefehlt habe, erheben ihn um so viel mehr; er war gelehrt, ohne es geworden zu seyn; er brauchte nicht die Brillen der Von Johann Dryden u. dessen Bücher, um in der Natur zu lesen; er blickte in sich selbst, und da fand er sie. Jch kann nicht sagen, daß er sich beständig gleich sey; wäre er dieses, so würde ich ihm Unrecht thun, wenn ich ihn mit dem allergrößten unter den Menschen vergliche. Er ist oft plat, abgeschmackt; sein komischer Witz artet in Possen aus; sein Ernst schwellet zu Bombast auf. Er ist allezeit groß, wenn sich ihm eine grosse Gelegenheit darbietet. Kein Mensch kann sagen, daß er jemahls einen würdigen Gegenstand für seinen Witz gehabt hätte, ohne sich alsdenn eben so weit über alle andere Poeten zu schwingen.“


48 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Alten hatten von der Vollkommenheit derMusik, und von dem Gebrauche, den man möglicher Weise davon machen könne, eben die Begriffe, die wir davon haben. Wenn AristidesQuintilianus von den mancherley Eintheilungender Musik bey den Alten, so wie sie dieselbe baldvon dieser, bald von einer andern Seite betrachteten, redet; so sagt er: der Gesang, die Musikkönne, in Ansehung des Geistes, in welchem siecomponirt worden, und des Zwecks, den mandurch sie erreichen wollen, eingetheilet werden, inMusik, welche uns betrübt mache, in Musikwelche uns lustig mache und aufmuntre, und inMusik, welche uns beruhige, indem sie unsreGemüthsbewegungen stille. Wir werden weiter unten die Stelle des Aristides anführen.


49 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

daßdie Töne und der Takt einen solchen Eindruck auf uns machen. Wenn dieses nicht wäre, wie könnten die Symphonien, bey welchenwir gar kein Wort zu hören bekommen, unsgleichwohl nach ihrem Willen bewegen, so wiesie es wirklich thun? Will man es einem blossenZufalle zuschreiben, wenn an fästlichen Täge gewisse Symphonien die Einbildungskrafterhitzen, und die Geister in Bewegung bringen,anstatt daß andre sie besänftigen und stillen?Ist es nicht augenscheinlich, daß diese Symphonien nur deswegen solche verschiedene Wirkungen hervorbringen, weil jede derselben voneinem besondern Charakter ist? Die einenwurden gemacht, damit sie diese, und die an(*) Instit. lib. I. cap. 12.du Bos,dern, damit sie eine andre Wirckung hervorbrächten. Wenn die Truppen im Kriege anrücken sollen, so spielen die Instrumente einStück von einem ganz andern Charakter, alssie spielen, wenn sie sich zurückziehen sollen. Das Stück, welches unsre militarischen Instrumente alsdenn ertönen lassen, wenn um Gnadegebeten werden soll, gleicht demjenigen gar nicht, welches alsdenn erklingt, wenn der Anfall vorsich geht.

50 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Ich will noch eine Stelle aus dem Macrobius anführen, welche, weil sie nichts anderssagt, als die angeführten Stellen aus dem Quintilian und Longin sagen, unnöthig scheinen könnte, wenn ich nicht glaubte, daß sie vollends dendu Bos,jenigen den Mund stopfen könne, welche gernedaran zweifeln möchten, daß die Alten ihrer Musik eben die Ausdrücke gegeben, die wir ihr geben, und überhaupt von dieser Kunst eben dieBegriffe gehabt haben, die Lulli und la Lande davon hatten. Da wir keine von dem Symphonien der Alten aufweisen können, und sie alle verlohren gegangen sind, so können wir vondenselben nicht anders als nach der Erzehlungderjenigen urtheilen, die sie alle Tage hören konnten, die die Wirkungen, die sie hervorbrachten, mit ansahen, und wußten, in was für einemGeiste sie waren componirt worden.


51 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Da die Krankheiten des Körpers nicht seltenaus den Beunruhigungen des Geistesentspringen, so darf man sich eben nicht so sehr verwundern, daß die Musik, indem sie das Leiden desGeistes vermindert, eben dadurch die Krankheiten des Körpers gelindert, und bey gewissen Umständen wohl gar gehoben habe. Daß die Musik unsern Verdruß und unsre böse Laune zerstreue, davon ist jedermann durch seine eigne Erfahrung überzeugt. Ich weis wohl, daß dieUmstände, unter welchen die Musik auf die Krankheiten eine gute Wirkung haben kann, rar sind, und daß es lächerlich seyn würde, wenn manArien und Lieder eben so vorschreiben wollte, wieman Purganzen und Aderlasse vorschreibt. Daher reden aber auch nur die Alten von den Genesungen, die durch Kraft der Musik bewirketworden, als von ausserordentlichen Kuren.


52 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Melopäien können auf mehr als eine Weise in verschiedne Arten getheilet werden. Es giebtDiatonische; es giebt Enharmonische; es von den theatr. Vorstell. der Alten.giebt Chromatische. In Ansehung des Tonsdes allgemeinen Systems, in welchem sie componirt werden, theilen sich die Melopäien inMelopäien, deren Modulation hoch ist; in Melopäien, deren Modulation tief ist, und inMelopäien von mittler Modulation. In Ansehung des Modus, sind einige Phrygisch, einige Dorisch, einige Lydisch etc. In Ansehungder Art, mit welcher der Modus bearbeitetwird, theilen sich die Melopäien in Nomische, in Tragische und in Dithyrambische Melopäien. Endlich können sich auch die Melopäien, in Ansehung der Absicht des Componisten, und derWirkung, welche sie hervor bringen sollen, eintheilen in die Systaltische Melopäie, welchesdiejenige ist, die uns traurig macht; in dieDiastaltische Melopäie, welches diejenige ist, die uns belebet, und unsere Einbildungskraftermuntert; und in die mittlere Melopäie, welche solche Melodien componirt, die unsern Geistberuhigen und die Gemüthsbewegungen stillen.

53 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Plato, nachdem er angemerkt, daß die Dichter, welche Tragödien und Komödien machen(*) Quint. hist. lib. 2. cap. 11.du Bos,wollen, nicht gleich glücklich gewesen, fügt hinzu,daß die tragische und komische Gattung jede einebesondere und eigne Wendung des Geisteserfordre, und führt dabey als einen Beweis an; daß die Komödien nicht von eben denselben Schauspielern recitirt würden, welche die Tragödien declamirten. (*) Auchaus verschiednen andern Stellen der Alten siehtman es ganz klar, daß die Profeßion eines Tragödienspielers und die Profeßion eines Komödienspielers zwey ganz verschiedne Profeßionengewesen, und daß es selten zugetroffen, daß sicheine einzige Person mit beyden abgegeben hätte.Quintilian sagt, daß Aesopus viel gesezter alsRoscius declamirt habe, weil Aesopus eigentlichnur ein tragischer Schauspieler, und Rosciuseigentlich nur ein komischer war. Der eine alsosowohl als der andre, hatte die Manieren derjenigen Scene angenommen, der er sich besonders gewidmet hatte. (**) Roscius citatior, Aesopus gravior fuit, quod hic Tragœdias, ille Comœdias egit. Dieses ist der Charakter, welchen auch Horaz dem letztern gegeben hat.


54 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Damit sie desto leichter die darauf folgendenWorte: Seigneur vous changez de visageeine Octave höher aussprechen könne, als siedas nous nous aimions ausgesprochen. Dieserausserordentliche Uebergang der Stimme in derDeclamation, druckte die Verwirrung des Geistes vortreflich aus, in der sich die Monime indem Augenblicke befinden mußte, als sie sahe, inwelche Gefahr sie sich und ihren Geliebten durchdie Bereitwilligkeit, dem Mithridates Glaubenzuzustellen, gestürzt hatte, welcher nichts als ihrGeheimniß heraus zu locken suchte.


55 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Der zweyte Einwurf war; der Zwang beyBeobachtung einer componirten Declamation, müßte den Schauspielern allen ihren Enthusiasmus nehmen und folglich den Schauspieler, welcherGenie habe, mit dem auf eine Staffel setzen, welcher keines habe. Auf diesen Einwurf antworte ich, daß es mit dieser in Noten geschriebnenDeclamation eben so seyn würde, wie es mit derMusik in unsern Opern ist. Auch der genausteund einsichtvollste Componist der Declamationließ den guten Schauspielern noch immer Gelegenheit, ihre Gaben an den Tag zu bringen, und von den theatr. Vorstell. der Alten.es nicht nur in den Gebehrden sondern auch inder Aussprache zu zeigen, wie weit sie über diemittelmäßigen Schauspieler erhaben wären. Esist unmöglich alle Accente, alle Theilchen, alleWendungen, alle Verlierungen, alle Stösse, alleVorschläge der Stimme, und mit einem Worte,wenn ich mich so ausdrücken darf, den Geist derDeclamation in Noten zu bringen, an welcherdie Veränderung der Töne gleichsam nur derKörper ist. In der Musik selbst kann mannicht alles durch Noten ausdrücken, was man,dem Gesange seinen wahren Ausdruck, seineStärke und alle die Anmuth, deren er fähig ist,zu geben, thun muß. Man kann es nicht durchNoten ausdrücken, wie geschwind eigentlich dasTempo des Takts seyn soll, obgleich dieses Tempodie Seele der Musik ist. Auch das, was dieTonkünstler, und besonders die italiänischenTonkünstler, mit gewöhnlichen Buchstaben über dieComposition schreiben, um anzuzeigen, ob dasTempo entweder lebhaft oder langsam seyn solle, kann es nur unvollkommen anzeigen. Bishieher, wie ich schon gesagt habe, hat das wahreTempo einer Composition bloß durch die Tradition, so zu reden, fortgepflanzt werden können, denn die Instrumente, durch die man, vermittelst der Uhrmacherkunst, das wahre Tempo, welches die Componisten ihren Stücken und Gesängen gegeben, nach der strengsten Genauigkeit du Bos,aufbehalten wollen, sind bis hieher noch nichtsehr gebraucht worden.


56 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Alle, die die Opern des Lulli, welche dasVergnügen der Nation geworden sind, nochbey Lebszeiten des Lulli, haben aufführen sehen, als er folgsame Schauspieler dasjenige noch mündlich lehren konnte, was sich durch Noten nichtausdrücken läßt, versichern, daß sie einen Ausvon den theatr. Vorstell. der Alten.druck darinn bemerkt, welchen sie jetzt fast nichtmehr darinn fänden. Wir erkennen wohl denGesang des Lulli, sagen sie, allein wir findensehr oft den Geist nicht mehr, welcher diesen Gesang belebte. Die Recitative scheinen unsohne Leben und die Tanzstücke lassen uns fastruhig. Zum Beweis ihres Vorgebens führendiese Personen an, daß jetzt die Vorstellung einer Lullischen Oper länger daure, als sie gedauret habe, wenn er sie selbst aufführen lassen, obsie gleich nicht einmal so lange dauren sollte, weil man gewisse Violinenstücke, welche Lullizweymal spielen ließ, nicht mehr wiederhohlt.Es kömmt dieses, nach der Meinung dieserPersonen, denn ich selbst stehe hier für nichts,daher, weil man den Rythmus des Lullinicht mehr beobachtet, welchen die Sänger entweder aus Unvermögen oder aus Uebermuthändern.


57 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Allein die meisten von dieser Profeßion, wirdman mir noch einwerfen, sind, sogleich auf dieerste Erklärung, wider den Gebrauch, die Declamation zu componiren, und in Noten zuschreiben. Hierauf will ich vors erste antworten, daß mir verschiedne glaubwürdige Personen versichert haben, Moliere selbst habe, bloßnach der eignen Anleitung seines Genies, undohne, allem Ansehen nach, das geringste vondem zu wissen, was bisher von der Musik derAlten gesagt worden, etwas gethan, das dem,was die Alten gethan, sehr ähnlich gewesen;er habe sich nehmlich gewisse Noten ausgedachtgehabt, womit er die Töne bemerkt, die er ingewissen Rollen halten müsse, die er allezeit aufeinerley Art recitirt. Ich habe auch sagenhören, daß Beaubourg und einige andre Schauspieler von unserm Theater ein gleiches gethanhätten. Zweytens darf man sich über diesesUrtheil der Leute von Profeßion nicht wundern.Der menschliche Geist hasset natürlicher Weiseallen Zwang, welchen ihm alle die Methodenauflegen, die ihn nach gewissen Regelnzu wirken nöthigen wollen. Man lege zumExempel die Kriegszucht barbarischen Völkern, vor, welche nichts davon wissen. Die Gesetzederselben, werden sie sogleich einwerfen, müssendem Muthe nothwendig alle die Hitze benehmen, durch die er siegt. Und gleichwohl weiß von den theatr. Vorstell. der Alten.man es sehr wohl, daß die Kriegszucht dieTapferkeit durch die Regeln selbst unterstützt,welchen sie sie unterwirft. Deswegen also, weilLeute, die beständig declamirt haben, ohne irgend eine Regel, als den Naturtrieb und denSchlendrian, zu kennen, den Gebrauch derAlten in der ersten Bewegung mißbilligen,folgt es noch gar nicht, daß er wirklich zu mißbilligen sey. Es folgt nicht einmal daraus, daß sie ihn beständig mißbilligen müßten, wennsie sich nur einmal die Mühe geben wollten, seine Unbequemlichkeiten und seine Vortheile zuüberlegen, und sie gegen einander abzurechnen.Vielleicht werden sie es sogar bedauren, daß eskeine solche Kunst gegeben, da sie noch jung gewesen, welches die Zeit ist, da man am leichtesten nach einer gewissen Methode wirkenkönnte.


58 - Pro Comoedia commovente /

Accedendum iam nobis est ad ipsos characteres bonos, qui obtinere solent in ea, de qua quaeritur, comoedia, atque videndum, quo modo inde voluptas delectatioque oriri possit. Cuius rei ratio sine dubio in natura hominum et vi admirabili virtutis quaeratur. Etenim in noftra potestate non est, approbare velimus, nec ne, quod recte, honeste ac laudabiliter fiat. Naturali harum rerum pulchritudine et specie ducimur: atque etiam pessimus quisque, inuitus quasi, sibi placet in praestantia animispectanda, qua neque praeditus fuit vnquam, neque, vt esset, elaborauit. Ii igitur, in quibus aliqua magna eaque, popularis, virtus elucet, quemadmodum in vsu atque consuetudine vitae, ita et in theatro cari gratique nobis esse solent. Parum tamen hoc foret, nisi alia accederent. Ipsavirtus, in scenam producta, magis placet, quam in vita hominum. Etenim cum inuidia, in conspiciendo et fruendo viro bono, saepe vna cum admiratione nascatur, tamen ea in simulacro virtutis videndo abest; inuidiae autem loco, excitatur in animo dulcis superbiae sensus et amoris sui ipsius. Intelligentes enim, ad quem praestantiae gradum humana natura euehi possit, nos nobis ipsis aliquid magni esse videmur. Nos itaque ipsi nobis placemus in illis fictis personis, eoque magis virtus in scena nos detinet, quod et faciles mores imponuntur bonis personis, et illa ipsa bonitas, vbique aequabilis et sibi similis, a naturamagis donata videtur, quam labore et studio parata. Verbo, sicuti in ridiculis scenae personis, nobis ipsis plaudimus, quod non videmur eorum similes: ita contra, bonos spectandocharacteres, de naturae nostrae bonitate nobis gratulamur, id quod in virtutibus heroicis, in quibus tragoediaversatur, minus euenire solet, cum nimium a communi conditione sint remotae. Intelligo quid contra dici possit. Etenim dicat aliquis, quoniam quotidianarum rerum fictio nullum sui desiderium aut admirationem faciat, adeoque necesse sit, vt virtus in scena maior et splendidior proponatur, quam vitae consuetudo vsusque ferat, consequi inde videri, vt eiusmodi morum notationes, tanquam veritatem excedentes, minus, quam sat est, placeant. Quod omnino timendum esset, nisi ars accederet, quae, quod in chara-ctere formando exprimendoque videatur modum ac naturam superare, apte iuuaret; quo fit, vt, quod vsu non frequentatur, probabile tamen videatur. Abhorreret fabula ab approbatione spectatorum, quae puellae infimi loci personam elegantiorem, ingenio moribusque conspicuam, imponeret. Nam
Si dicentis erunt fortunis absona dicta,
Romani tollent equites peditesque cachinnum.
Sed si fingamus, eam puellam a primis inde annis in illustrem aliquam familiam deductam, occasionem morum etingenii excolendi inuenisse: tum, quae antea erat improbabilis persona, fiet probabilis. Multo minus eximii mores et sensus animi generosi nos offendent in illis, quos honesta domo ortos et cum cura educatos sciamus. Neque huius loci verosimilitudo tam veritate rei, quam hominum opinione, metienda est, ita, vt huc non pertineat, sintne re ipsa, et quam multi sint eiusmodi laudabiles homines; sed vt satis sit, multos eiusmodi quid videri esse. Quod etiam in vitiorum characteribus locum inuenit, qui non desinunt nobis probari, quamuis excedant exemplar vitae communis. Eleganter super hac re disserit auctor libelli, qui inscribitur, Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters, p. 266. ss. Sic Auarus in comoedia, quamuis auarior fingatur exemplis quotidianis, tamen non displicebit. Tanta est Thrasonis apud Terentium dementia, vt Gnathoni seruulisque, tanquam militibus, ad arma conuocatis, cum imperio praesit, vbi standum, quid cuique faciendum sit, prae-cipiat: cuius militis gloriosi licet nullum vnquam fortasse extiterit exemplum, tamen Thrasonis persona, quia reliqua cum gloriosis communia habet, ad veritatis speciem se commendat. Idem accidit ab altera parte, vt personae alicuius bonitas, quae exsuperat, reliquis rebus, a verosimilitudine non abhorrentibus, ratione aliqua adiuuetur, vel temperetur. Sunt praeterea in nobis ipsis varii sensus, qui faciant, vt eiusmodi characteribus fides haberi possit, neque appareat id, quod in iis abundet. Optamus tacite, nisi virtutis, tamen vtilitatis specie capti, vt boni sint quam plurimi; et quicquid, in imagine aliqua, cum laude tribuitur humanae naturae, nobis ipsis tribui putamus. Inde fieri solet, vt boni characteres, quamuis praestantissimi et omne exemplum superantes, praesidium in excellenti de nobis ipsis opinione et virtutum vtilitate inueniant. Qui characteres, si ob eam, quam afferunt delectationem, merito fabulis adhibentur, multo magis, vtilitatis ratione habita, admittendi sunt. Improborum imagines solum declarant, quid inepte, quid peruerse, quid turpiter fiat; bonorum autem, quid recte, quid pulchre, quid cum laude. Illae a vitiis reuocant vel deterrent, hae ad virtutemsequendamspectantes cohortantur et adducunt. Et sicuti parum est, scire, quid dedeceat, et sibi cauere discere ab eo, quod in omnium reprehensionem facile incurrat: ita maius et fructuosius sane est, intelligere, quid vere pulchrum sit, atque velut in imagine videre, qui et quales esse debeamus. Neque solum sermones, bonis personis accommodati et attributi, eam vim habent; sed ea ipsa, quae in fabula laudabiliter ab iis acta finguntur, quae sunt oculis subiecta fidelibus, nobis in rebus humanis exemplum pulchri atque honesti sponte adferunt. Vt itaque eiusmodi fabulae ex recepto vulgarique artis vsu nomencomoediae non possint iure vindicare; tamen beneficiis atque priuilegiis comoediae dignae erunt, tum quia delectare, tum quia valde prodesse, atque ita iis accedere possunt dramatibus, quae laudatissimus WERENFEL-SIVSc. l. his verbis desiderat: Tales denique sint comoediae nostrae, quas PLATO in republica sua, tolera- ret, quas Cato cum voluptate aspiceret, quas Vestales sine pudicitiae laesione spectare possent, et, quod caput eft, quas Christianos homines et agere et spectare decet. Certe qui ad scribendas comoedias animum appulerunt, ii non male fecisse putandi sunt, si inter alia etiam id operam dederunt, vt fabulae vis ac ratio vehementiorem aliquem humanitatis sensum excitaret, quem vel lacrumae, testes commotionis, consequerentur. Quotus enim quisque est, qui non nunquam eo modo perturbari nolit, qui non interdum eam voluptatem, qua animus totus quasi perfundatur et inundetur, anteponat huic, quae non nisi summas animi extremitates, vt ita loquar, adluat. Lacrumae, a comoedia expressae, similes sunt pluuiae mitiori, quae segetes non solum laetas, sed et frugiferas reddit. Haec omnia non eo dicta sint, vt comoedia vetus illa hilarior de iusta sua possessione depellatur, (imo vero maneat illi aeterna auctoritas atque dignitas!) sed vt in consortium societatemque veniat haec recentior, quae, vulgaribus ferme exhaustis characteribus, nouos, copiosioremque adeo fabulae materiam, praebet, ac sermonum genus variat. Si qui sunt, qui ea solum de causa comoediae interesse velint, vt in effusiores soluantur cachinnos, hos Terentii atque Destouchesii aliique huius generis Comici non admodum curabunt: iis vero displicuisse, quos nihil, nisi effrenata et barbara iocandi petulantia, delectet, non adeo magnum dedecus videbitur. Iudicabunt et post nos iudices, his quoque seruiendum. Fuit Flaccus, qui, auctoritate critica vfus, pronunciauit: At proaui nostri Plautinos et numeros et Laudauere sales; nimium patienter vtrumque (Ne dicam stulte) mirati. Erunt fortasse aliquando, qui reprehendant, nos in ferendacomoedia mouente nimium impatientes, ne dicam asperos, fuisse.


59 - Discours historique sur l'apocalypse /

Allein wenn man voraussetzt, dieses Mägdchen sey, von ihren ersten Jahren an, in ein vornehmes Abhandlung für das Haus gekommen, wo sie Gelegenheit gefun den habe, ihre Sitten und ihren Geist zu bessern: so wird alsdann die zuerst unwahrscheinliche Person wahrscheinlich. Weit weniger aber kön nen uns auserlesene Sitten und edle Empfindungen bey denjenigen anstößig seyn, von welchen wir wissen, daß sie aus einer ansehnlichen Familie entsprungen sind, und eine sorgfältige >Erziehung genossen haben. Die Wahrscheinlichkeit aber ist hier, nicht so wohl nach der Wahrheit der Sache, als vielmehr nach der gemeinen Meinung zu beurtheilen; so daß es gar nicht darauf ankömmt, ob es wirklich solche rühmliche Leute, und wie viele es derselben giebt, sondern daß es genug ist, wenn viele, so etwas zu seyn scheinen. Dieses findet auch bey den tadelhaften Charakteren Statt, die deswegen nicht zu gefallen aufhören, ob sie schon die Beyspiele des gemeinen Lebens überschreiten *. So wird der Geitzige in dem Lustspiele, ob er gleich weit geitziger ist, als alle die Geitzigen, die man alltäglich sieht, doch nicht mißfallen. Der Thraso bey dem Terenz ist so närrisch, daß er den Gnatho und seine übrigen Knechte, als ob es Soldaten wären, ins Gewehr ruft,

* Hiervon haben die Verfasserder Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters, S. 266. und fol. sehr geschickt gehandelt.

Die Abhandlung, welche der Herr Professor hier mit seinem Beyfalle beehrt, ist von dem seel. Hrn. Mylius.

rührende Lustspiel. daß er sich zu ihrem Heerführer macht, und einem jeden seine Stelle und seine Pflicht anweiset: ob nun aber gleich vielleicht niemals ein Soldate so großsprechrisch gewesen ist, so ist dennoch die Person des Thraso, weil sie sonst alles mit den Großsprechern gemein hat, der Wahrheit nicht zuwider. Eben dieses geschieht auch auf der andern Seite, wenn nehmlich die Vortreflichkeit einer Person auf gewisse Art gemäßiget, und ihr, durch die genaue Beobachtung der Wahrscheinlichkeit in den andern Stücken, nachgeholfen wird. Es finden sich übrigens in uns verschiedne Empfindungen, welche dergleichen Charaktere glaubwürdig machen, und das übertriebne in denselben zu bemerken verhindern. Wir wünschen heimlich, daß die rechtschafnen Leute so häufig als möglich seyn möchten, gesetzt auch, daß uns nicht so wohl der Reitz der >Tugend, als die Betrachtung der Nützlichkeit, die sen Wunsch abzwinget; und alles was dermenschlichen Natur in einem solchen Bilde rühmliches beygeleget wird, das glauben wir, werde uns selbst beygelegt, Daher<daher> kömmt es, daß die guten Charaktere, ob sie gleich noch so vollkommen sind, und alle Beyspiele übertreffen, in der Meinung die wir von unsrer eignen Vortreflich keit, und von der Nützlichkeit der Tugend haben, ihre Vertheidigung finden. Wenn nun also diese Charaktere schon des Vergnügens we gen, welches sie verursachen, billig in dem Lust= Abhandlung für das spiele können gebraucht werden, so hat man noch weit mehr Ursache, sie in Betrachtung ihrer Nützlichkeit anzuwenden. Die Abschilderungen tadelhafter Personen zeigen uns bloß das Ungereimte, das Verkehrte und Schändliche; die Abschilderungen guter Personen aber zeigen uns das Gerechte, das Schöne und Löbliche. Jene schrecken von den Lastern ab; diese feuern zu der Tugend an, und ermuntern die Zuschauer, ihr zu folgen. Und wie es nur etwas geringes ist, wenn man dasjenige, was übel anstehet, kennet, und sich vor demjenigen hüten lernet, was uns dem allgemeinen Tadel aussetzt; so ist es Gegentheils etwas sehr großes und ersprießliches, wenn man das wahre Schöne erkennt, und gleichsam in einem Bilde sieht, wie man selbst beschaffen seyn solle. Doch diese Kraft haben nicht allein die Reden, welche den guten Personen beygelegt werden; sondern auch dasjenige, was in dem Stücke löbliches von ihnen verrichtet und uns vor die Augen gestellet wird, giebt uns ein Beyspiel von dem, was in dem menschlichen Leben schön und rühmlich ist. Wenn al so schon dergleichen Schauspiele, dem gewöhnlichen und angenommenen Gebrauche nach, sich mit Recht den Namen der Komödien nicht anmaaßen können; so verdienen sie doch wenig stens die Freyheiten und Vorzüge der Komödie zu genießen, weil sie nicht allein ergötzen, sondern auch nützlich sind, und also denjenigen rührende Lustspiel. Dramatischen Stücken beygezehlt werden kön nen, welche Wehrenfels, am angeführten Orte, mit folgenden Worten verlangt. „End lich sollen unsre Komödien so beschaffen seyn, daß sie Plato in seiner Republick dulden, Cato mit Vergnügen anhören, Vestalinnen ohne Verletzung ihrer Keuschheit sehen, und was das vornehmste ist, Christen aufführen und besuchen können.„ Diejenigen wenigstens, welche Komödien schreiben wollen, werden nicht übel thun, wenn sie sich unter andern auch darauf befleißigen, daß ihre Stücke eine stärkere Empfindung der Menschlichkeit erregen, welche so gar mit Thränen, den Zeugen der Rührung, begleitet wird. Denn wer wird nicht gerne manchmal auf eine solche Art in Bewegung gesetzt werden wollen; wer wird nicht dann und wann diejenige Wollust, in welcher das ganze >Gemüth gleichsam zerfließt, derjenigen vorziehen, welche nur, so zu reden, sich an den äußern Flächen der Seele aufhält? Die Thränen, wel che die Komödie auspresset, sind dem fanften Regen gleich, welcher die Saaten nicht allein erquickt, sondern auch fruchtbar macht. Dieses alles will ich nicht darum angeführt haben, als ob jene alte fröhliche Komödie aus ihrem rechtmäßigen Besitze zu vertreiben wäre; (sie bleibe vielmehr ewig bey ihrem Ansehen und ihrer Würde!) sondern bloß darum, daß man diese neue Gattung in ihre Gesellschaft aufneh= Abhandlungen von dem men möge, welche, da die gemeinen Charaktere erschöpft find, neue Charaktere, und also einen reichern Stof zu den Fabeln darbiethet, und zugleich die Art des Vortrags ändert. Wenn es Leute giebt, welche nur deswegen den Komödien beywohnen wollen, damit sie in laute Gelächter ausbrechen können, so weis ich gewiß, daß sich die Terenze und die Destouches wenig um sie bekümmern werden. Denjenigen aber zu mißfallen, welche nichts als eine ausgelassene und wilde Possenlust vergnügt, wird wohl keine allzugrosse Schande seyn. Es werden auch nach uns einmal Richter kommen; und auch auf diese sollten wir sehen. Flaccus hat schon einmal sein critisches Ansehen gebraucht, und den Ausspruch gethan:


60 - Examen de in genios para las Sciencias /

Divisiones vero gratiarum

Paul. 1. ad Cor. cap. 12.

sunt, idem autem Spiritus; & divisiones ministrationum sunt, idem autem Dominus; & divisiones operationum sunt, idem verò Deus, qui operatur omnia in o mnibus: unicuique autem datur manifesta tio Spiritus ad utilitatem; alii quidem datur per Spiritum sermo sapientiæ, alii autem ser mo scientiæ, secundùm eundem Spiritum, al teri fides in eodem Spiritu, alii gratia sanita tum in uno Spiritu, alii operatio virtutum, a lii prophetia, alii discretio spirituum, alii ge nera linguarum, alii interpretatio sermonum. Prohemio. Hæc autem omnia operatur unus atque idem Spiritus, dividens singulis prout vult.