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XII. Da die Ordnung, Grösse, die regel mäsige Einrichtung und Bewegung in der sichtba ren Welt die Seele mit Bewunderung erfüllet; da die verschiedenen Classen der Thiere und Pflanzen, Empfindungskräften. 87Zweyter Abschnitt. in ihrer ganzen natürlichen Beschaffenheit, die vor treflichste Kunst, den regelmäsigsten Bau, die deut lichsten Absichten, und die bequemsten Mittel zu ge wissen Endzwecken zeigen: so müssen aufmerksame und nachdenkende Menschen ein oder mehrere ver nünftige Wesen, wahrnehmen, von welchen alle diese weise Ordnung und diese Pracht abhängt. Das Grosse und Schöne erfüllt die Seele mit Ehr furcht, und es veranlasset uns, zu schliessen, daß dasselbe unter einem vernünftigen Geiste stehe, und von ihm geordnet werde. Eine sorgfältige Be trachtung unserer eigenen Natur und ihrer Kräfte leitet uns zu eben dieser Folgerung. Unser mora lisches Gefühl, unsre Empfindung von Güte und Tugend, von Kunst und Absicht; unsre Erfahrung, daß es eine moralische Auftheilung in uns gebe, nach welcher Glück und Unglück auf Tugend und Laster unmittelbar folgt; und daß eine gleiche Austheilung auch in äusserlichen Dingen, vermit telst einer natürlichen Richtung, vorhanden sey; alles dieses mus uns eine moralische Regierung in der Welt entdecken. Und da die Menschen geneigt sind, ihre Wissenschaften, Erfindungen und Muth massungen einander mitzutheilen: so müssen die Be griffe von einer Gottheit und Vorsehung bald aus gebreitet werden, und eine geringe Anwendung der Vernunft wird sie zur völligen Ueberzeugung füh ren. Auf diese Art wird eine gewisse Gottesfurcht und Frömmigkeit gemein werden, von der man mit Recht sagen kan, daß sie einem vernünftigen Sy stem natürlich sey. Eine frühzeitige Offenbarungund eine von Zeit zu Zeit fortgeführte Erzählung ErstesBuch.88 Von den feinern ist der menschlichen Erfindung hierinnen zuvorge kommen; aber diese allein würden kaum den Glau ben so allgemein gemacht haben, wenn ihnen die augenscheinlichen Gründe, welche in den Werken der Natur liegen, nicht geholfen hätten. Die Begriffe von der Gottheit und eine Art der Anbe tung sind wirklich unter den Menschen allemal eben so gemein gewesen, als das gesellschaftliche Leben, der Gebrauch der Sprache, oder auch die Fort pflanzung ihres Geschlechts; und also müssen sie für natürlich gehalten werden.


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Diese Vergnügungen übertreffen die sinnli chen auch in der Dauer. Sie können einen gros sen Theil unsers Lebens einnehmen, ohne uns zu sättigen, oder Ekel zu verursachen, da der Genus derselben etwas selbstständiges ist, und von der Be friedigung einer vorhergegangenen unruhigen Em pfindung nicht abhängt. Sie sind die anständigen Uebungen der Seele, so lange keine höhere Pflich ten, der Gesellschaft oder der vernünftigen Fröm migkeit, eine andre Beschäftigung von ihr verlan gen. Sie haben etwas von der dauernden Natur der Seele, und sind nicht so vorüberfliehend, als alle Belustigungen, welche blos den sterblichen Kör per angehen. So oft uns also wichtigere Pflich ten der Tugend einige Zeit erlauben; so oft können wir dieselbe auf die angenehmste und anständigste Art mit der natürlichen oder bürgerlichen Geschichte, unsrer verschiedenen Vergnügungen. 213Siebender Abschnitt. mit der Geometrie, Astronomie, Dichtkunst, Male rey, und Musik oder andern Beschäftigungen in den schönen Künsten zubringen. Einige von den angenehmsten unter diesen Vergnügungen erfor dern nichts Eigenthümliches, und es können uns niemals Gegenstände fehlen. Wenn die Gewohn heit das Vergnügen an den bekanteren Schönhei ten der Natur schwächt: so kan uns der innere Bau derselben neue Belustigungen verschaffen, und die Schätze der Natur sind unerschöpflich.


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Dieser Geist mus seiner Natur nach selbst erst und ursprünglich seyn; und hier kan die Frage nicht statt finden: woher ist er entstanden? Die Ordnung der Natur beweist, daß Weisheit und Allmacht allemal da gewesen sind; wenn man nicht etwa annehmen will, daß, in einem gewissen Zeitpuncte, das Daseyn, ohne eine schon vorhandene Ursache, seinen Anfang nehmen können; oder, daß ein von allen Kräften, Gedanken, und von aller Weisheit leeres Wesen, in einem gewissen Zeitpunct, ohne Beyhülfe eines mächtigen und weisen Wesens, sich auf einmal zu Macht und Weisheit erheben kön nen; oder, daß ein von Macht und Weisheit lee res Wesen diese Vollkommenheiten andern mitthei len können; alle diese Voraussetzungen sind unver nünftig. Wenn es also für gewis und unwidersprech lich gehalten werden mus, daß eine ursprüngliche Weisheit und Macht, die so hoch ist, als wir uns nur vorzustellen fähig sind, vorhanden sey: wo sol len wir glauben, daß sie wohne? Ist in diesem grossen materialischen System ein weiser Geist vorhanden, welcher das Ganze belebt und bewegt, einige Theile von sich, um gewisser Endzwecke wil len, zu besondern Geistern macht, und dieselben, durch einige Neigungen gegen sie und gegen das Ganze, immer regiert; wie die Stoiker annahmen, welche viele Pflichten der Frömmigkeit und der Menschheit so eifrig lehrten? Oder ist ein Geist vorhanden, welcher ein einfaches und unzusammen gesetztes, ein, von allen theilbaren, veränderlichen und beweglichen Wesen, unterschiedenes Wesen ist; wie die Platoniker annahmen? Die grossen PflichErstesBuch.274 Die Pflichten gegen Gottten der Frömmigkeit, der Grund unsrer Hofnun gen, und die Bewegungsgründe zur Tugend beste hen bey jedem dieser beyden Systemen; allein, das erstere hat unbeantwortliche Einwürfe aus der Me thapysik wider sich.


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4. There are some tenets of piety and virtue ofsuch high dignity, and a good mind must have such anardour to own and divulge them, that one is justified inopenly declaring them at all hazards to himself, evenwhen he has no prospects that others shall be broughtinto the same sentiments by these declarations. Andwherever there is just ground of hope that such decla-rations shall do more good to the publick by enlighte-ning the minds of others, than what over-ballances allour own sufferings we foresee, there we are obliged tosuch declarations and cannot innocently decline them:as when God has promised success by these means toa virtuous cause, or an institution most beneficial tomankind. And yet, on the other hand, where thereis no rational hope of success, or of having any good

* Plato de Repub l. iii. seems to allowdeception to be one of those powerful me-dicines which none but the skilful state-

physician should use, and that too only onextraordinary occasions.

OurDutyin the Use ofSpeech. 37. influence on others, one cannot be said to be criminalChap. 10in omitting such voluntary declarations as can haveno other effect than his own sufferings.


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'Tis also our duty to our kind to diffuse as far aswe can the principles of virtue and piety, which shewthat universal goodness is the true interest, dignity,and perfection of each individual; as the universal pre- GeneralRightsofMankind. 113 valence of such sentiments is the greatest advantageChap. 16.to human life. We should concur in every wise in-ftitution for this purpose: our whole conversationshould evidence this persuasion, and shew it to theworld that wealth, power, or sensual pleasures, arenot the supreme objects of our pursuit for ourselves,or such as are dear to us: that the covetous, ambiti-ous, or voluptuous are not the persons whose state ortemper we count happy. And thus on our part wemay contribute to prevent or break these groundlessassociations and false imaginations diffused amongmen by the vicious.


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The dignity of arts or occupations depends onthese two jointly, the use they afford to mankind, andthe genius requisite for them. The profession designedto inculcate true principles of piety and virtue is al-ways justly ranked among the most honourable on bothaccounts. The corruptions and depravations of the GeneralRightsofMankind. 115 best things may become most pernicious. Such is thisChap. 16.office when it is abused to inculcate pernicious super-stitions, to foment hatred and rancour about trifles, or made a step to ambition, avarice, or luxury; or anengine of tyranny and oppression.


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Many moralists allow speaking against our senti-ments in some extraordinary cases. What if a barefalse assertion will not attain the end, suppose the pre- servation of our country, may we employ perjury also? Men of any sense of piety abhor perjury upon any pre- tence of the highest necessity. The statesman allows it lawful to bribe the secretary of an hostile prince toviolate his oath of fidelity by betraying his master's secrets; what if we cannot otherways save our coun-try than by bribing him to poison or assassinate hismaster? Even the statesman cannot defend this prac-tice. A manifest tyrant or usurper may be cut off byany private man: here killing is no murder. But mayhe accomplish this design by oaths of fidelity, by allprofessions of friendship, by the dark arts of poison a- midst the unsuspicious pleasantries and friendship of an hospitable table? This must shock the greatestlovers of liberty. We may deceive a dangerous ene-my by false narration, say many; may we not, whenthe safety of our country absolutely requires it, de-ceive also by a treaty, or truce? The laws or customs of all civilized nations deny it.


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The original of these laws is easily found in history.The causes of them in history.During the early persecutions, some melancholy no-tions of sanctity in all sufferings, and of impurity inmany of our most innocent enjoyments generally pre-vailed. Worldly business was thought inconsistentwith the heights of piety, tho' piety is never moresincere and lively than when it engages men in all so-cial and kind offices to others, out of a sense of dutyto God: and* just philosophy, as well as religion,could teach that true devotion, tranquillity, resigna-tion, and recollection too, may be practised even in acourt or camp, as well as in a wilderness. But celi-bacy was early admired as sacred, and the chastestmarriage was reputed at best a state incapable of thehighest purity. The ecclesiasticks affecting to be ex-amples of perfection, both generally practised celiba-cy, and recommended it. When by the establishmentof Christianity they got access to wealth and power,they grew as corrupt as the layety; and yet, not torenounce their old known maxims, and to retain theirauthority and veneration with the layety, they mustkeep up this shew of sanctity, and of disengagement from the world, tho' contrary to the express doctrine of the apostles. Celibacy was enjoined on the cler-gy in some early councils, and these injunctions oftenrepeated in corrupt ages, while they were generallyframing one canon after another to prevent their in-famy by keeping concubines and whores, and with lit-tle success. Under such restraints from lawful en-

* See Marc. Antonin. in a variety of passages.

theStateofMarriage. 183 joyments, no doubt, much debauchery was secretlyChap. 1.practised by a corrupt generation, supported in easeand luxury: and by their artifices, in the eleventhand twelfth centuries, the ages of ignorance and su-perstition, the cognisance of matrimonial causes, andof all venerial crimes, was wrested from the secularjudges, and assumed by the spiritual. The punish-ments they appointed were some useless and often trif-ling pennances, and donations to ecclesiasticks. Theformer laws were too severe for their purposes. Adul-tery was the most convenient crime for such clergy,with less danger of discovery, and free from the chargeof maintenance to the spurious offspring. The proofrequisite for conviction must be made difficult, or al-most impossible; and all prosecutions must be discou-raged. The injured prosecutor must be restrainedfrom marriage, after divorce obtained upon the fullestproof. It must have been monstrous, and even shock-ing to a Popish nation, to have relaxed all penaltiesupon adulteresses and their gallants, without a likelenity to the adulteries of husbands. Thus the pu-nishments were made light to all. And the clergy wellknew their own superior advantages, by their reputa-tion for sanctity, and their access to great intimaciesby confession, and other religious artifices.


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4. Es giebt gewisse Grundsätze der Tugend und Frömmigkeit, die so heilig sind, und welche zu bekennen und fortzupflanzen ein gutes Herz so viel Eifer bezeigen mus, daß jeder hinlänglich gerechtfertigt ist, der sie öffentlich, auf alle Gefahr, die für ihn daraus entstehen könte, bekennt, wenn er auch nicht vorhersieht, daß andre dadurch zu eben diesen Grundsätzen werden gebracht werden. Haben wir aber gar Grund zu hoffen, daß solche öffentliche Erklärungen der Welt durch die Erleuchtung andrer so viel Nutzen schaffen werden, daß alles Leiden, daß wir dadurch für uns selbst vorhersehn, überwogen wird: so sind wir dazu verbunden, und Zweytes Buch.576 Von unsern Pflichten wir können uns, ohne ein Verbrechen zu begehn, ihnen nicht entziehn; als wenn z. E. Gott einer gerechten Sache oder einer dem menschlichen Geschlechte sehr vortheilhaften Einrichtung, vermittelst einer solcher Erklärung, einen glücklichen Erfolg versprochen hat. Haben wir aber keine gegründete Hofnung, einen glücklichen Erfolg dadurch zuwege zu bringen, oder bey andern etwas gutes dadurch zu zeugen, so kan man uns nicht für lasterhaft erklären, wenn wir solche freywillige Bekäntnisse, die nichts als unser Unglück hervorbringen können, von uns ablehnen.


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Es ist ebenfalls unsre Pflicht gegen unser GeDie Grundsätze der Tugend auszubreiten.schlecht, die Grundsätze der Tugend und Frömmigkeit, welche zeigen, daß der wahre Vortheil, die Ehre und Vollkommenheit jedes einzelnen Gliedes in dieser allgemeinen Wohlthätigkeit bestehn, soweit als wir können auszubreiten; weil auf der Zweytes Buch676 Gemeine Rechte Herrschaft solcher Grundsätze die gröste Glückseligkeit des menschlichen Geschlechts beruht. Wir sollten an jeder weisen Einrichtung die in einer solchen Absicht gemacht wird, Theil nehmen; unser ganzer Umgang sollte ein Beweis von unsrer Ueberzeugung davon seyn, und der Welt zeigen, daß Reichthum, Gewalt, und sinnliche Ergötzlichkeiten nicht das Höchste, wo nach wir für uns selbst streben können, oder das Kostbarste sind; daß die Geitzigen, die Ehrbegierigen, und Wollüstigen nicht diejenigen sind, deren Zustand oder Gemüthsbeschaffenheit wir für glücklich halten. Und so können wir auch unserntheils etwas dazu beytragen diesen ungegründeten Verknüpfungen der Jdeen, und den falschen Vorstellungen Einhalt zu thun, welche die Lasterhaften unter denen Menschen ausbreiten.


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Das Ansehn der Künste oder anderer Beschäftigungen kömt auf diese zween Punkte an; auf den Nutzen, den sie dem menschlichen Geschlechte verschaffen, und auf das Genie, das dazu erfordert wird. Die Beschäftigung, welche bestimt ist, die wahren Grundsätze der Frömmigkeit und Tugend einzuschärfen, wird allemal, in Ansehung beyder Punkte, unter diejenigen gerechnet, welche die meiste Ehre verdienen. Die besten Dinge können, wenn sie verderbt werden, die gefährlichsten seyn: dies gilt auch bey dieser Beschäftigung, wenn sie gemisbraucht wird, einen gefährlichen Aberglauben einzuflössen, über Kleinigkeiten Has und feindselige Erbiterungen zu erwecken, wenn man sie zu Mitteln des Ehrgeizes, des Geizes und der Wollust, oder zu einem Werkzeuge der Tyranney und der Unterdrückung macht.


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Viele Moralisten erlauben uns, in gewissen ausserordentlichen Fällen, wider unsre Gesinnundie aus besondrer Noth entstehen. 703Siebzehnter Abschnitt.gen zu reden. Gesezt eine blosse falsche Aussage ist nicht hinlänglich, unsre Absicht, zu der wir einmal die Erhaltung unsers Vaterlandes annehmen wollen, zu erreichen; ist es uns alsdenn auch erlaubt, einen falschen Eid zu thun? Leute, die nur die geringste Empfindung von Frömmigkeit haben, fühlen vor einem falschen Eide, durch welche wichtige Ursachen wir auch darzu getrieben werden mögen, allemal den grösten Abscheu. Der Staatsmann hält es für erlaubt, den Secretair eines feindlichen Prinzen zu bestechen, daß er den Eid der Treue bricht, und seines Herrn Geheimnisse verräth; wie sollen wir uns in dem Falle verhalten, wenn wir unser Vaterland mit nichts anders retten können, als wenn wir ihn bestechen, seinen Herrn zu vergiften, oder umzubringen? Selbst der Staatsmann kan ein solches Verfahren nicht rechtfertigen. Ein offenbarer Tyrann, oder einer, der sich mit Unrecht zum Fürsten aufgeworfen hat, kan von jederman getödtet werden: hier ist das Tödten kein Mord. Darf er aber seine Absicht durch Eide der Treue, durch alle Freundschaftsbezeugungen, durch die schwarzen Künste zu vergiften, die man mitten unter den ruhigen Freuden einer freundschaftlichen Tafel ausübt, zu erhalten suchen? Hievor müssen sich die grösten Liebhaber der Freyheit entsetzen. Manche behaupten, daß wir einen gefährlichen Feind durch falsche Berichte betrügen können, dürfen wir ihn also, wenn die Sicherheit unsers Landes es unumgänglich erfordert, ihn nicht auch durch Tractaten oder Stillstände hinter gehen? Die Gesetze und Gebräuche aller gesitteZweytes Buch.704 Ausserordentliche Rechte,ten Völker erklären ein solches Verfahren für unerlaubt.


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* Es ist nicht zu leugnen, daß man den Männern bey einigen gesitteten Völkern die Vielweiberey zugestanden hat; aber dies beweisst nicht, daß sie nicht unerlaubt sey. Einige rechtschafne Männer haben sich einer solchen Erlaubnis bedient, vielleicht weil sie durch die Gewohnheit und ihre eigne Leidenschaft geblendet waren und die Sache nicht recht überlegten. Auf gleiche Weise haben auch tugendhafte Leute bey gesitteten Völkern den Sklavenhandel getrieben, oder sich der Gewohnheitgleich gestellet, und eine Hälfte ihres Volks ohne ihr Verschulden zu Sklaven gemacht. Andre haben gar aus einer übelverstandnen Frömmigkeit oder Liebe zum Vaterlande, welche Triebfedern ungleich edler sind, als diejenigen die uns zur Vielweiberey anlocken, Menschen, oder gar ihre eignen Kinder geopfert. Niemand solte also solche Gewohnheiten für recht halten wenn auch gleich eine Nation sich daran gewöhnt hätte, oder diejenigen die dadurch leiden, sich nicht darüber beklagten.


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Den Ursprung dieser Gesetze entdeckt man sehr leicht in der Geschichte. Zur Zeit der ersten Verfolgungen waren einige melancholische Begriffe von der Heiligkeit die im Leiden bestünde, und eine Unreinigkeit in unsern unschuldigsten Vergnügungen, beynahe durchgängig eingerissen. Man glaubte, daß weltliche Verrichtungen, mit der höchsten Frömmigkeit nicht bestehen könten, da doch die Frömmigkeit niemals aufrichtiger und lebhafter ist, als wenn sie uns zu allen gefälligen und liebreichenDiensten gegen andre, aus einer Empfindung von unsrer Pflicht gegen GOtt, geneigt macht. Und die wahre*Weltweisheit lehrt uns sowohl als die Religion daß eine wahre Gottesfurcht, Ruhe, Ergebung in den göttlichen Willen, und sogar auch die Abwendung unsrer Gedanken von irrdischen Dingen, so gut an einem Hofe, oder in einem Feldlager, als in einer Wüsteney gefunden werden können.

* Siehe Mark. Antonin: an vielen Stellen.

im Ehestande. 765ErsterAbschnitt. Man bewunderte in den uralten Zeiten den ehelosen Stand als heilig, und glaubte von der keuschesten Ehe, wenn man noch am besten davon urtheilte, daß sie ein der höchsten Reinigkeit ein unfähiger Stand wäre. Die Geistlichen, die für Muster der Vollkommenheit angesehen seyn wollten, lebten beynahe durchgängig unverheyrathet, und priesen einen solchen Stand an. Da sie nach der Einführung des Christenthums Reichthum und Gewalt in die Hände bekamen, wurden sie so verderbt als die Layen, um aber ihren alten bekanten Grundsätzen uicht<nicht> zu widersprechen, und ihr Ansehen bey denLayen und die Ehrerbietung, die man ihnen durchgängig erwies, zu behaupten, musten sie diesen Schein der Heiligkeit und Entfernung von der Welt beybehalten, ob er gleich der ausdrücklichen Lehre der Apostel zuwider ist. Auf einige von deu<den>ersten Kirchenversamlungen, ward den Geistlichen anbefohlen, im ehelosen Stande zu leben, und diese Befehle wurden in den verderbten Zeiten oft widerholt. Dagegen aber schmiedeten sie ein Gesetz nach dem andern, um sich vor der Schande, die sie wegen Unterhaltung ihrer Veyschläferinn<Beyschläferinn>nnd<und> Huren verdienten, zu sichern. Es ist sehr begreiflich, daß nach einem solchen Verbote der erlaubtesten Ergetzlichkeiten ins geheim die grösten Wollüste von einer verderbten Art Menschen musten getrieben werden, die über dies noch in aller Ruhe und Ueppigkeit lebte. Jn dem eilften und zwölften Jahrhunderte, den Zeiten der Unwissenheit und des Aberglaubens, ward alles Recht, Ehe und andre Liebessachen zu untersuchen, und darüber zu erkennen, der weltlichen Drittes Buch.766 Die Rechte und Pflichten Obrigkeit entzogen, und der geistlichen zugeeignet. Die Strafe, womit sie die Verbrecher belegten, waren vielerley unnütze, und zuweilen lächerlicheBussen, oder Geschenke, die sie den Geistlichen machen musten. Die vorigen Gesetze waren für ihre Absichten zu strenge. Der Ehebruch war für einesolche Geistlichkeit die bequemste Art zu sündigen; sie durften nicht fürchten, entdeckt zu werden, und eben so wenig für den Unterhalt ihrer erzeugten Kinder sorgen. Die Beweise, die man zu Gewismachung eines Ehebruchs erforderte, musten also schwer, und beynahe unmöglich gemacht, und allen, die auf eine solche Art Art beleidiget worden, so viel möglich, die Lust benommen worden, ihre Genugthuung gerichtlich zu suchen. Dem beleidigten Kläger muste man nach einer Ehescheidung, die er durch die deutlichsten Beweise erhalten, alles anderweitigen Heyrathen verbieten. Es würde gar zu widersprechend gewesen, und selbst einer papistischen Nation, als unrecht in die Augen gefallen seyn, wenn man den Ehebrecherinnen und ihren Liebhabern, alle Strafe erlassen hätte, ohne bey den Ehebrüchen der Männer eine gleiche Gelindigkeit zu gebrauchen. Aus diesen Ursachen wurden die Strafen für alle nur sehr leicht eingerichtet, und die Geistlichkeit kante die vorzüglichen Vortheile sehr gut, die für sie aus den Vorurtheilen, die man von ihrer Heiligkeit hatte, und der guten Gelegenheit durch ihre Beichten, und andre unter dem Schein der Religion vorgenommene Betrügereyen, vertraut zu werden, entstanden.


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  • Von dem Wesen und dem Umfange der christlichen FrömmigkeitS. 1