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46 - An Essay on Dramatick Poesy /

French,

47 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Aus diesen zweyen hat man die bekanntenRegeln gezogen, die wir, nach den Franzosen, die drey Einheiten nennen, und die in jedem regelmäßigen Schauspiele beobachtet werden müssen; nehmlich die Einheit der Zeit, des Orts und der Handlung.


48 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Unter der zweyten Einheit, nehmlich der Einheit der Zeit, verstanden die Alten, daß die Scene durch das ganze Schauspiel an eben demselben Orte bleiben sollte, an welchen sie zu Anfange verlegt worden. Denn da die Bühne, auf welcher es vorgestellet wird, nur ein und eben derselbe Ort ist, so ist es unnatürlich, ihn sich als viele, und noch dazu von einander weit entlegene Orte, vorzustellen. Jch will nicht leugnen, daß, mit Hülfe der Veränderung der gemahlten Scenen, die Einbildungskraft (die in dergleichen Fällen sich nicht ungern hintergehen läßt) nicht! manchmal die Bühne für mehr als einen verschiednen Ort, mit einer Art Von Johann Dryden u. dessen von Wahrscheinlichkeit, sollte halten können; es kömmt doch aber immer der Wahrheit ungleich näher, wenn man annimmt, daß diese verschiedne Orte einander so nahe liegen, daß sie wenigstens in eben derselben Stadt sind, undsolglichfolglich unter der weitläuftigen Benennung des einzigen Ortes mit können begriffen werden. Eine größere Entfernung würde zu der kurzen Zeit, in welcher die spielenden Personen, während der Vorstellung, von einem Orte zu dem andern kommen, kein Verhältniß haben. Nach den Alten sind, wegen Beobachtung dieser Regel, die Franzosen am meisten zu loben. Sie binden sich so genau an die Einheit des Orts, daß man kein Schauspiel bey ihnen finden wird, in welchem sich die Scene mitten in einem Aufzuge änderte; wenn der Aufzug in einem Garten, auf einer Straße oder in einem Zimmer anfängt, so wird er auch an dem nähmlichen Orte zu Ende gebracht; und damit man es deutlich merken möge, daß die Bühne immer eben derselbe Ort bleibet, so lösen die Personen einander so darauf ab, daß sie nicht einen Augenblick leer bleibet; wenn denn die zweyte Person auftritt, so muß sie mit der, die zuerst da war, zu thun haben; und die zweyte Person muß nicht ehr abtreten, als bis eine dritte dazu kömmt, die mit ihr zu thun hat.


49 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Alles was wir davon wissen, muß aus dem Singen ihrer Chöre geschlossen werden; und auch dieses ist noch so ungewiß, daß wir in verschiedenen von ihren Schauspielen mit Grund vermuthen müssen, daß sie mehr als fünfmal gesungen haben. Aristoteles zwar giebt vier wesentliche Theile eines Schauspieles an: Erstlich, die Protasis, oder der Eingang, worinn bloß die Charaktere der auftretenden Personen ins Licht gestellt werden, und von der Handlung selbst noch wenig vorkömmt; zweytens, die Epitasis, wo die Verwicklung des Stückes anfängt, und man den Zweck oder dieHandlung desselben von weiten erblickt; drittens, die Ratastasis, von den Römern ge Von Johann Dryden u. dessen nannt, Status, der höchste Anwachs des Stückes gleichsam, wo alle unsere Erwartung vernichtet, und die Handlung in neue Schwierigkeiten verwickelt wird, so daß wir von der Hofnung, in welcher wir zu Anfange dieses Theils waren, wieder weit abkommen, gleich einem gewaltigen Strome, der sich an einem engen Durchgange stößt, wo das abbrellende Wasser ungleich geschwinder wieder zurück fließt, als es zugeflossen war; endlich, die Katastrophe, welche die Griechen auch λυσις, die Franzosenle denouement, wir die Entwicklung oder den Ausgang der Handlung nennen, und wo alles wieder in sein erstes Gleiß fällt, die Hindernisse, die sich bey der Handlung oder dem Zwecke hervorgethan, gehoben werden, und das ganze Stück sich so natürlich und wahrscheinlich endet, daß die Zuschauer mit dem Verfolge desselben zufrieden seyn können. Und dieses ist der Abriß, welchen uns dieser grosse Mann von einem Schauspiele macht; ein sehr richtiger Abriß, muß ich bekennen, der zu der nachfolgenden vollkommenern Abtheilung in Aufzüge und Auftritte ein grosses Licht aufgesteckt. Welcher Dichter aber die Anzahl der Aufzüge zuerst auf fünfe eingeschränkt habe, weis ich nicht; so viel sehen wir, daß es zu den Zeiten des Horaz bereits so fest gesetzt war, daß er es zu einerRegel der Komödie macht: Neu brevior quinto, neu sit productior actu: Sie sehen dramatischen Werken. also, daß man den Griechen nicht nachrühmen kann, diese Kunst zur Vollkommenheit gebracht zu haben, in dem sie vielmehr in verschiedenen Absätzen als in gewissen Aufzügen geschrieben, und mehr einen allgemeinen unverdauten Begrif von einem Schauspiele gehabt haben, als daß sie hätten wissen sollen, welcher eigenthümlichenSchönheiten es hier und da fähig ist.


50 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Doch ich wollte es ihnen gern übersehen, daß sie ihre Fabeln und Charaktere in so engen Schranken gehalten haben, wenn ihre Ausführungen nur sonst regelmäßig wären, und sie die drey Einheiten die wir, wie Sie sagen, von ihnen kennen gelernet, vollkommen beobachtet hätten. Vors erste aber erlauben Sie mir zu sagen, daß die Einheit des Orts, sie mögen sie noch so sehr beobachtet haben, doch niemals eine von ihren Regeln gewesen ist; wir finden sie weder bey dem Aristoteles, nochHoraz, noch bey sonst einem, der von der Kunst geschrieben, und sie ist nur erst neuerlich von den Franzosen zu einer Vorschrift der Bühne gemacht worden. Die Einheit der Zeit hat selbst Terenz, der doch ihr bester und regelmäßigster komischer Dichter ist, vernachläßiget; sein Heavtontimorumenos oder Selbstpeiniger, braucht offenbar zwey Tage, sagt Scaliger; die ersten zwey Aufzüge nehmen den ersten Tag weg, und die drey letzten den zwey dramatischen Werken.ten. Euripides aber hat, da er sich an einen einzigen Tag binden wollen, eine Ungereimtheit begangen, die man ihm nimmermehr vergeben kann; denn in einer von seinen Tragödien läßt er den Theseus von Athen nach Thebengegen<gehen>, (ein Weg von ohngefehr vierzig englischen Meilen) läßt ihn vor den Mauern dieser letztern Stadt eine Schlacht liefern, und in dem nächst folgenden Aufzuge als Sieger zurück kommen; und gleichwohl haben, von der Zeit seiner Abreise, bis auf die Zurückkunft des Bothen, welcher die Nachricht von dem Siege bringt, Aethra und der Chor nicht mehr als sechs und dreyßig Verse zu sagen, da denn auf jede Meile noch nicht ein Vers kömmt.


51 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Hier unterbrach Crites den Eugenius. „Jch sehe wohl, sagte er, daß ich und Eugenius in dieser Streitigkeit schwerlich zusammen kommen werden; denn er behauptet, daß die Neuern im Schreiben eine neue Vollkommenheit erlangt haben, und ich kann ihm auf höchste nur zugestehen, daß sie die Art und Weise verändert haben. Homer beschreibet seine Helden als Männer von gutem Appetite, als Liebhaber von geröstetem Rindfleische und gute Gesellen; die Helden der französischenRomanen hingegen führen sich ganz anders auf; sie essen und trinken nicht, und thun für Liebe kein Auge zu. Virgil läßt seinen Aeneas sich kühnlich seiner eigenen Tugenden rühmen,


52 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Franzosen

53 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Doch von unsern Schauspielen wieder auf ihre zu kommen, so habe ich einen sehr großen Vortheil, den sie bey der Anlage ihrer Tragödien haben, zu bemerken geglaubt; diesen nehmlich, daß sie allezeit auf irgend eine bekannte Geschichte gegründet sind; und hierinn haben sie die Alten so nachgeahmt, daß sie ihnen so gar vorzuziehen sind. Denn die Alten, wie schon zuvor angemerkt worden, gründeten ihreTrauerspiele auf wenige poetische Erdichtungen, deren Ausgang den Zuschauern schon so bekannt war, daß sie wenig davon gerühret werden konnten; der Franzose aber gehet weiter,


54 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Noch ein Punct, worinn die Franzosen von uns und den Spaniern abgehen, ist, daß sie sich nicht mit allzuviel Fabel und Verwicklung verwirren und überhäuffen. Sie stellen von der Geschichte nur so viel vor, als nöthig ist, Eine ganze und grosse Handlung für Ein Schauspiel auszumachen; wir aber, die wir mehr auf uns zu nehmen wagen, vervielfältigen nur bloß die Begebenheiten, und da diese nicht eine aus der andern, als Wirkungen aus ihren Ursachen, fliessen, sondern bloß der Zeit nach auf einander folgen, so bringen wir verschiedne Handlungen in das Drama und machen folglich mehr als ein Schauspiel daraus.


55 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Es giebt zwar bey den Alten einige protatische Personen, deren sie sich in ihren Schau Von Johann Dryden u. dessenspielen, entweder eine Erzehlung zu machen, oder mit anzuhören, bedienen; allein die Franzosen vermeiden dieses mit vieler Geschicklichkeit, indem sie ihre Erzehlungen bloß solchen und durch solchen Personen machen lassen, die gewissermaassen an der Hauptabsicht Antheil haben. Und da ich itzt von den Erzehlungen spreche, so kann ich nicht unterlassen, zum Lobe der Franzosen, noch dieses hinzuzufügen, daß sie sich derselben oft mit mehr Ueberlegung, und zu gelegenerer Zeit bedienen, als wir Engländer. Jch will zwar die Erzehlungen überhaupt nicht anpreisen; es giebt aber eine doppelte Gattung derselben. Die eine nehmlich betrift diejenigen Dinge, die vor dem Schauspiele vorhergegangen, und deßwegen beygebracht werden müssen, um uns das Nachfolgende verständlich zu machen; es ist aber ein Fehler, daß man einen solchen Stoff für die Bühne wählet, der uns an diese Klippe nothwendig treiben muß. Denn wir sehen ja, daß die Zuhörer selten darauf Achtung geben, welches sehr oft den Fall des ganzen Stücks verursacht. Sie dürfen auch nur eine Kleinigkeit manchmal überhören, und sie werden durch das ganze Spiel durch nicht wissen, woran sie sind. Jst es also nicht in der That unbillig, daß man es ihnen so sauer macht, daß sie das, was vor ihren Augen vorgeht, nicht verstehen können, ohne ihre dramatischen Werken. Zuflucht zu dem, was zehn oder zwanzig Jahr vorher geschehen, zu nehmen?


56 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Die Worte eines guten Dichters, die es lebhaft beschreiben, werden einen weit tiefern Eindruck machen, und sich unsrer Ueberzeugung weit gewisser versichern, als wenn sich der Schauspieler noch so viel Mühe giebt, vor unsern Augen für todt niederzufallen; so wie auch der Dichter durch der Beschreibung einerschönen lieblichen Gegend unsre Einbildungskraft weit mehr vergnügen kann, als der wirkliche Anblick derselben unsere Augen vergnügen würde. Wenn wir den Tod vorgestellt sehen, so sind wir überzeugt, daß es nur eine Erdichtung ist; wenn wir ihn aber bloß erzehlen hören, so fehlen die stärksten Zeugen, unsere Augen, die uns von dem Jrrthume überführen könnten, und wir kommen dem Betruge des Dichters, weil er so grob nicht ist, selbst zu Hülfe. Wer sich also einbildet, daß dergleichen Erzehlungen keinen Eindruck auf die Zuhörer machen könnten, der irret sich sehr, in dramatischen Werken.dem er sie mit den erst gedachten Erzehlungen lange vor dem Schauspiele geschehener Dinge, vermengt; jene werden größten Theils den Zuhörern bey kaltem Blute gemacht, bey diesen aber hilft uns unser Mitleiden, das in dem Schauspiele erregt worden, in Feuer und Affect setzen. Was die Weltweisen von der Bewegung sagen, daß, wenn sie einmal angefangen, sie von sich selbst, bis in alle Ewigkeit fortdaure, wenn sie durch keine Hindernisse aufgehalten würde, ist auch bey dieser Gelegenheit augenscheinlich wahr; die Seele, die einmal durch die Charaktere und Glücksfälle dieser eingebildeten Personen in Bewegung gesetzt worden, gehet ihren Gang fort, und wir hören das, was mit ihnen ausser der Bühne vorgegangen, mit eben der Begierde an, mit welcher wir die Nachricht von einer abwesenden Geliebten vernehmen. Aber, wirft man ein, wenn ein Theil des Schauspiels erzehlt werden darf, warum erzehlen wir nicht alle? Jch antworte hierauf: einige Stücke der Handlung lassen sich besser vorstellen, und andere besser erzehlen. Corneille sagt sehr wohl, daß der Poet nicht verbunden ist, uns alle einzelne Handlungen, welche die Haupthandlung bewirken, vor Augen zu stellen; er muß nur solche zu sehen geben, deren Anblick wirklich schön ist, es sey nun in Ansehung ihres Gepränges, oder der Heftigkeit der dabey vorkommenden Leidenschaften, oder eines an Von Johann Dryden u. dessendern ihnen beywohnenden Reitzes; das übrige alle muß man den Zuhörern durch Erzehlungen beybringen. Es ist ein großer Jrrthum, wenn wir glauben, daß die Franzosen keinen Theil der Handlung auf der Bühne vorstellen; jede Veränderung, jedes Hinderniß, das sich bey einer Absicht äußert, jede neu entstehende Leidenschaft und Abänderung derselben, ist ein Theil der Handlung, und zwar der edelste derselben, wir müßten denn glauben, daß nichts eher Handlung sey, als bis es mit den spielenden Personen zu Thätlichkeiten komme; gleich als wäre die Schilderung des Gemüths der Helden nicht weit eigentlicher des Dichters Werk, als die Stärke ihres Körpers. Auch widerspricht dieses im geringsten nicht der Meynung des Horaz, wenn er sagt:“


57 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Jch will dem Lisidejus, ohne lange zu streiten, einen grossen Theil von dem, was er wider uns beygebracht, zugeben; denn ich bekenne es, dramatischen Werken. daß die Franzosen ihre Trauerspiele regelmäßiger anlegen, und daß sie die Gesetze der Komödie und das Decorum der Bühne, überhaupt zu reden, genauer beobachten als die Engländer; ich leugne auch nicht, daß wir wegen verschiedner von ihm erwähnter Unregelmäßigkeiten mit Recht zu tadeln sind: doch bin ich, bey dem allen, noch der Meinung, daß weder unsere Fehler, noch ihre Tugenden von der Beträchtlichkeit sind, ihnen den Vorzug vor uns einzuräumen.


58 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Jch gebe es zu, was sich nur immer auf den Grund eines spanischen Stückes hat bauen lassen, das haben die Franzosen darauf gebauet; was vorher lustig und ergetzend war, das haben sie regelmäßig gemacht. Es läßt sich aber nicht mehr als ein einzig gutes Stück über alle diese Jntriguen machen; sie sind einander zu ähnlich, als daß sie oft gefallen könnten, welches wir nicht erst durch die Erfahrung auf unsrer eignen Bühne bestätigen dürfen. Was ihre neue Gewohnheit anbelangt, lustige Scenen in ernsthafte Stücke zu mischen, so Von Johann Dryden u. dessen will ich nicht, wie Lisidejus, die Sache selbst verdammen, sondern nur die Weise, wie es bey ihnen geschieht, kann ich nicht billigen. Er sagt, wir könnten nach einer rührenden undaffectvollen Scene, nicht so geschwind wieder zu uns kommen, um gleich darauf an einer launigten und lustigen Geschmack zu finden. Aber warum sollte die Seele des Menschen träger seyn, als seine Sinne? Kann nicht das Auge in einer weit kürzern Zeit, als in jenem Falle erfordert wird, von einem unangenehmen zu einem angenehmen Gegenstande übergehen? Und macht nicht die Unannehmlichkeit des erstern, die Schönheit des andern um so viel reitzender? Die alte Regel der Logik hätte sie schon überzeugen können: Contraria juxta se posita magis elucescunt. Eine anhaltende Ernsthaftigkeit strenget den Geist allzusehr an; wir müssen uns manchmal erhohlen, so wie wir auf einer Reise dann und wann einkehren, um sie desto gemächlicher fortsetzen zu können. Eine lustige Scene in einer Tragödie hat eben die Wirkung, welche die Musik zwischen den Aufzügen hat, die uns auch nach dem interessantesten Aufzuge, wenn er nur ein klein wenig zu lange gedauert hat, eine willkommene Erhohlung gewähret. Man muß mir daher erst stärkere Gründe bringen, wenn ich überzeugt seyn soll, daß Mitleiden und Fröhlichkeit in eben demselben Gegenstande einander aufrei dramatischen Werken.ben; bis dahin aber werde ich zur Ehre meinerNation glauben, daß wir eine weit angenehmere Weise für die Bühne zu schreiben, erfunden, ausgebildet und zur Vollkommenheit gebracht haben, als allen Alten und Neuern irgend einer Nation bekannt gewesen; die Tragikomödie nehmlich.


59 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Jch muß mich daher sehr wundern, wie Lisidejus und viele andere, die Unfruchtbarkeit derfranzösischen Jntriguen über die Mannigfaltigkeit und den Reichthum der englischen, erheben können. Jhre Jntrigue ist einfach; sie haben nur eine einzige Absicht, die alle spielende Personen betreiben, und welcher uns jede Scene immer näher bringt; unsre Stücken aber haben, außer der Haupthandlung, noch Nebenhandlungen und kleinere Jntriguen, die mit jener zugleich fortgeführet werden; so wie man sagt, daß der Kreiß der Fixsterne, und der Kreiß der Planeten, ob sie gleich ihre eigene Bewegung haben, durch die Bewegung desPrimum mobile zugleich mit fortgerissen werden. Und dieses Gleichniß passet auf die englische Schanbühne<Schaubühne> sehr wohl; denn wenn selbst in der Natur entgegengesetzte Bewegungen bey einander Statt haben, wenn sich ein Planet zu gleicher Zeit gegen Abend und Morgen bewegen kann; das eine, Kraft seiner eignen Bewegung, und das andre durch die Gewalt des ersten Bewegers: so läßt es sich ja auch gar Von Johann Dryden u. dessen wohl einbilden, wie eine Nebenhandlung, die von der Haupthandlung nur unterscheiden, und keinesweges ihr entgegengesetzt ist, ganz natürlich mit ihr zugleich fortgeführet werden kann.


60 - Von Johann Dryden und dessen dramatischen Werken /

Doch endlich auf den letzten Theil der Rede des Lisidejus zu kommen, welcher die Erzehlungen betraf, so muß ich mit ihm bekennen, daß die Franzosen wohl daran thun, wenn sie diejenigen Stücke der Handlung, die auf dem Theater einen Tumult verursachen würden, verbergen und sie den Zuschauern nur durch eine Erzehlung bekannt werden lassen. Ferner halte ich es auch mit ihm für sehr zuträglich, Von Johann Dryden u. dessen daß alle unglaubliche Handlungen aus dem Gesichte gebracht werden. Es sey nun aber, daß die Gewohnheit unter unsern Landsleuten schon so tief eingerissen, oder daß wir von Natur wilderer Art sind; Zweykämpfe und andere Gegenstände des Schauders und Schreckens lassen wir unsern Blicken nicht gerne entziehen. Und in der That ist die Unanständigkeit des Tumults alles, was man wider das Fechten einwenden kann; denn warum sollte sich unsereEinbildung nicht eben so gern durch die Wahrscheinlichkeit dieses, als eines andern Vorfalls in dem Schauspiele hinter gehen lassen? Jch wenigstens kann mich eben so leicht überreden, daß die Stöße in allem Ernste gethan werden, als daß die, die sie thun, Könige, Prinzen und die nehmlichen Personen sind, die sie vorstellen. Was unglaubliche Gegenstände anbelangt, so wünschte ich vom Lisidejus wohl zu hören, ob auf unserm Theater wohl etwas von allem Anscheine der Wahrheit so weit entferntes vorkomme, als in der Andromeda des Corneille, welches Stück so viel Beyfall, als irgend eines von seinen übrigen erhalten hat? Wessen Glauben stark genug ist, den Perseus, den Sohn einer hendnischenheidnischenGottheit, den Pegasus und das Ungeheuer zu verdauen, der mag nur ja keine von unsern Vorstellungen tadeln. Es sind dieses nun zwar angenehme Gegenstände; allein in Ansehung der Wahrscheinlichkeit ist es dramatischen Werken. alles eins; denn der Dichter macht kein Ballet, keine Masquerade daraus, sondern einDrama, welches der Wahrheit gleichen soll. Jn Ansehung des Sterbens aber, welches nicht vorgestellt werden sollte, haben wir, ausser den vom Lisidejus angeführten Gründen, das Ansehen Ben Johnsons selbst, der es in seinen Tragödien vermieden hat; denn sowohl der Tod des Sejanus als des Catilina werden erzehlt, ob ich mich gleich nicht enthalten kann in dem letztern eine Unregelmäßigkeit dieses großen Dichters anzumerken. Er verlegt nehmlich in eben demselben Aufzuge die Scene von Rom zu der Armee des Catilina, und von da wieder gen Rom; und über dieses verstattet er, nach der Rede des Catilina, zu Lieferung des Treffens bis zu der Zurückkunft des Petrejus, der dem Senate die Nachricht davon bringen soll, viel zu wenig Zeit. Jch würde dieses Versehen an ihm, der das πρεπον der Bühne sonst so ängstlich beobachtet, nicht einmal gerügt haben, wenn er nicht selbst gegen den unvergleichlichen Shakespear, wegen eines ähnlichen Fehlers, eine ganz ausserordentliche Strenge geäussert hätte. Um diesen Punct von den Erzehlungen endlich zu schließen, so darf ich wohl sagen, daß wenn wir zu tadeln sind, weil wir allzuviel Handlung zeigen, so sind es die Franzosen noch weit mehr, weil sie uns zu wenig davon sehen lassen; ein jeder ver Von Johann Dryden u. dessennünftiger Scribent sollte daher die Mittelstraße zwischen beyden beobachten, damit die Zuhörer, wenn man ihnen gar nichts sehen läßt, wenn es sich auch noch so schön ausnähme, nicht verdrießlich gemacht, und auch nicht beleidiget würden, wenn man ihnen unglaubliche oder unanständige Dinge zeiget. Jch hoffe, in dieser meiner Rede bereits gezeigt zu haben, daß, ob wir gleich die Gesetze der Komödie nicht so pünctlich erfüllen, als die Franzosen, unsere Fehler doch so wenig und so gering, diejenigen Stücke aber, worinn wir sie übertreffen, so beträchtlich sind, daß wir mit Recht ihnen vorgezogen zu werden verdienen. Was wird aber Lisidejus sagen, wenn er hört, daß sie selbst, durch diese Regeln allzusehr eingeschränkt zu seyn bekennen, deren Uebertretung er an den Engländern getadelt hat. Jch will die Worte des Corneille anführen, die ich am Ende seiner Abhandlung über die drey Einheiten finde: Il est facile aux Speculatifs d'etre severes &c. Die Runstrichter<Kunstrichter> können leicht streng seyn; wenn sie aber nur zehn oder zwölf Gedichte von dieser Art ans Licht stellen wollten, sie würden gewiß die Regeln noch viel weiter ausdehnen, als ich es gethan habe, so bald sie aus der Erfahrung erkennten, was ihre genaue Befolgung für ein Zwang sey, und wie vielSchönes deswegen nicht auf die Bühnedramatischen Werkengebracht werden kann. Um was er hier sagt ein wenig zu erleutern; so sind sie eben durch ihre knechtische Beobachtung der Einheiten der Zeit und des Orts, und ihre Ununterbrochenheit der Scenen, in jene Magerkeit der Jntrigue und Unfruchtbarkeit der Einbildungskraft verfallen, die man an allen ihren Stücken bemerken kann. Wie viel schöne Zufälle können sich nicht ganz natürlich in zwey oder drey Tagen ereignen, die sich in dem Umfange von vier und zwanzig Stunden mit keiner Wahrscheinlichkeit zutragen können? Da hat man doch noch Zeit genug, einen Anschlag reif werden zu lassen, welches unter grossen und klugen Leuten, dergleichen meistentheils in der Tragödie vorgestellt worden, in so wenig Augenblicken mit ganz und gar keinem Anscheine von Wahrheit geschehen kann. Ferner sind sie dadurch, daß sie sich so genau an die Einheit des Orts und die Ununterbrochenheit der Scenen binden, nicht selten gezwungen, verschiedne Schönheiten wegzulassen, die man an dem Orte, wo der Aufzug angefangen, nicht zeigen kann, wohl aber sehr gut hätte zeigen können, wenn die Scene wäre unterbrochen und geleeret worden, damit andere Personen an einem vermeintlich andern Orte auftreten können. Denn wenn der Aufzug in einem Zimmer anfängt, so müssen alle spielende Personen eines oder das andere daselbst zu thun haben, oder sie können in dem Von Johann Dryden u. dessen ganzen Aufzuge nicht gezeigt werden, und manchmal verstattet es ihr Charakter gar nicht, da zu erscheinen: als gesetzt, die Scene wäre in des Königs Schlafzimmer, so muß auch die allergeringste Person in der Tragödie, was sie zu thun hat, nirgends als da verrichten, ob sie sich gleich weit besser in das Vorzimmer, oder in den Schloßhof geschickt hätte, nur damit die Bühne nicht leer und die Folge der Auftritte nicht unterbrochen werde. Manchmal verfallen sie hierdurch noch in grössere Ungereimtheiten; denn sie unterbrechen die Scene nicht, und ändern gleichwohl den Ort, wie es in einem von ihren neuesten Stücken geschehen, wo der Aufzug in einer Strasse anfängt, hernach aber fast jeder Austritt einen besondern Ort erfordert, ob sich gleich die Personen richtig abwechseln. et cetera