Suchbegriff: erke
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Wenn wir von der Gottheit richtige Begrif fe erlangen wollen: so müssen wir vorher von ihrem Daseyn überzeugt seyn. Die Welt ist allemal dar innen einig gewesen, daß entweder ein höherer Geist sey, welcher grosse Erkäntnis und Macht besitze, und den Angelegenheiten der Menschen vor stehe, oder daß mehrere Geister von diesen Voll kommenheiten seyn müssen. Es ist kein Zweifel, daß nicht eine von Geschlechtern zu Geschlechtern fortgepflanzte Erzählung vieles dazu beygetragen habe, diese Ueberzeugung auszubreiten. Die Er fahrung einiger Uebel von unbekanten Ursachen, die Furcht vor denselben, und das Verlangen einer weitern Beschützung gegen sie, wenn alle sichtbare Kräfte dazu nicht hinlänglich gewesen, mögen ei nige Menschen auf diese Untersuchung gebracht haund Begriffe von seiner Natur. 267Neunter Abschnitt.ben. Die natürliche Begeisterung und Bewunde rung, welche aus der Betrachtung der grossen und schönen Werke der Natur entstehet, können die Neugier andrer gereizt haben, ihren Ursprung zu untersuchen: und dieses ist wahrscheinlicher Weise der allgemeinste Bewegungsgrund gewesen. Al lein die Gewisheit einer Lehre hängt nicht von dem Bewegungsgrund, zur Untersuchung derselben, ab, sondern von der Gültigkeit der Beweise; und der Werth derselben wird nach der Wichtigkeit des Ein flusses, den sie auf unsre Glückseligkeit haben, be stimmt. Eitelkeit oder Geitz können einige bewo gen haben, die Geometrie zu erlernen; allein nie mand wird, aus dieser Ursache, die Wissenschaftselbst verachten, oder sie für weniger gewis oder nützlich halten. Wir werden die vornehmsten Be weisthümer des Daseyns der Gottheit kürzlich an führen. Die ganze natürliche Erkäntnis oder na türliche Geschichte ist eine Sammlnng<Sammlung> der unwider sprechlichsten Beweise derselben.


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Wenn wir von der Gottheit richtige Begrif fe erlangen wollen: so müssen wir vorher von ihrem Daseyn überzeugt seyn. Die Welt ist allemal dar innen einig gewesen, daß entweder ein höherer Geist sey, welcher grosse Erkäntnis und Macht besitze, und den Angelegenheiten der Menschen vor stehe, oder daß mehrere Geister von diesen Voll kommenheiten seyn müssen. Es ist kein Zweifel, daß nicht eine von Geschlechtern zu Geschlechtern fortgepflanzte Erzählung vieles dazu beygetragen habe, diese Ueberzeugung auszubreiten. Die Er fahrung einiger Uebel von unbekanten Ursachen, die Furcht vor denselben, und das Verlangen einer weitern Beschützung gegen sie, wenn alle sichtbare Kräfte dazu nicht hinlänglich gewesen, mögen ei nige Menschen auf diese Untersuchung gebracht haund Begriffe von seiner Natur. 267Neunter Abschnitt.ben. Die natürliche Begeisterung und Bewunde rung, welche aus der Betrachtung der grossen und schönen Werke der Natur entstehet, können die Neugier andrer gereizt haben, ihren Ursprung zu untersuchen: und dieses ist wahrscheinlicher Weise der allgemeinste Bewegungsgrund gewesen. Al lein die Gewisheit einer Lehre hängt nicht von dem Bewegungsgrund, zur Untersuchung derselben, ab, sondern von der Gültigkeit der Beweise; und der Werth derselben wird nach der Wichtigkeit des Ein flusses, den sie auf unsre Glückseligkeit haben, be stimmt. Eitelkeit oder Geitz können einige bewo gen haben, die Geometrie zu erlernen; allein nie mand wird, aus dieser Ursache, die Wissenschaftselbst verachten, oder sie für weniger gewis oder nützlich halten. Wir werden die vornehmsten Be weisthümer des Daseyns der Gottheit kürzlich an führen. Die ganze natürliche Erkäntnis oder na türliche Geschichte ist eine Sammlnng<Sammlung> der unwider sprechlichsten Beweise derselben.


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<Erkäntnis>

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In den Vergnügungen der Einbildungs kraft und der Erkäntnis liegt ein sehr grosser Vor rath vom Guten, welcher nur einen geringen Ab gang leidet, da kaum ein Schmerz ihnen eigentlich zuwider seyn kan: und die dauerhaftern Freuden über eine den Unglücklichen erzeigte Hülfe, und über das Glück geliebter Personen, überwiegen die Schmerzen der Sympathie. Wir übergehen das und Begriffe von seiner Natur. 299Neunter Abschnitt. Vergnügen, welches mit dem Beyfall, den diese Gemüthsart selbst erhält, verknüpft ist; und die freudenvolle Hofnung, daß über alle würdige Ge genstände unsrer Zuneigung eine gütige Vorsichtwache. Es ist offenbar, daß der sympathetische Schmerz eine nothwendige und weise Einrichtung der Vorsehung ist, damit wir geneigt seyn möch ten, die Glückseligkeit anderer zu befördern, und sie gegen das Uebel zu beschützen.


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XII. Wie kan ein Wesen, welches zu unvoll kommen ist, die ganze Verwaltung dieses Ganzen in allen seinen Theilen und seiner ganzen Dauer, mit allen Verknüpfungen der verschiedenen Theile, einzusehen, von dem höchsten Geist und seinen Absichten urtheilen? Wir sehen, daß besondere Ueund Begriffe von seiner Natur. 307Neunter Abschnitt.bel zuweilen zu Erlangung eines höhern Gutes nothwendig sind, und daß sie also, von einer gü tigen Einrichtung, herrühren. Wir sehen auch, daß manche Vergnügungen und Vortheile höhere Uebel verursachen. Es können dahero, auf bey den Seiten, noch Verknüpfungen und Absichten vorhanden seyn, die uns unbekant sind. Wir kön nen deswegen von keiner Begebenheit das Urtheil fällen, daß sie in dem Ganzen, entweder schlechter dings gut, oder schlechterdings böse sey. Wie ur theilet ein weises und gehorsames Kind von den Neigungen seiner Aeltern? Oder wie urtheilet man, in reifern Jahren, von den Absichten seines Arztes, wenn man in der Arzeneykunst selbst ein Fremdling ist? Das Kind wird zuweilen in seinen Vergnü gungen eingeschränket, es wird gezüchtiget, und zu mühsamen Uebungen und zum Fleis angehalten; der Kranke empfängt ekelhafte Arzeneyen, und mus schmerzhafte Operationen ausstehen. Allein das Kind findet überall liebreiche Absichten; viele Vergnügungen und Bequemlichkeiten werden ihm verschaffet; es erhält einen beständigen Schutz und Unterhalt; es hat die Vortheile eingesehen, die bey vielen Gelegenheiten aus der Einschränkung und Zucht entstehen; es findet, daß seine Kräfte und seine Erkäntnis zunehmen, und daß seine Ge müthsart verbessert wird. Der Kranke hat gefun den, daß die Wiederherstellung der Gesundheit zu weilen eine Wirkung ekelhafter Arzeneyen gewesen ist. Eben so ist es in der Natur. Ordnung, Ru he, Gesundheit, Freude, Vergnügungen, über wiegen in dieser grossen Familie alle Uebel, die wir ErstesBuch.308 Die Pflichten gegen Gott wahrnehmen. Die Menschen sind alle für die Er haltung ihres Lebens besorgt, ob es gleich bey kei nem ein unvermischter Zustand seyn kan. Wir kön nen keine Vermuthungen haben, daß ein Vortheil des höchsten Geistes dem Vortheil seiner Geschöpfe ent gegengesezt sey, da nicht einmal dergleichen Vermu thungen, wider die Absichten der tugendhaftesten Menschen, in uns streiten. Solten wir denn ge gen die Gottheit, in unsern Schlüssen, nicht eben so billig seyn, als wir gegen unsere Nebengeschöpfe zu seyn verbunden sind, wenn sich auch gleich ein kleiner scheinbarer Streit äussern solte.


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Es ist eine Vermessenheit, wenn man eine umständliche Nachricht verlangt, wie jedes UebelEs ist un vernünftig gen beson dern End zweck eines jeden Uebels wissen zu wollen.zur Beförderung eines höhern Gutes nothwendig seyn kan. In dem besten möglichsten System, müssen einer unvollkommen Erkäntnis, viele Dinge unauflöslich seyn. Die Endzwecke und Ver knüpfungen müssen ihr verborgen seyn, so wie man ches Verfahren eines Vaters in dem Hauswesen, oder eines Arztes in gewissen Krankheiten, dem Kinde und dem Kranken ein Geheimnis seyn kan. Es ist genug, daß wir erkennen, die natürliche Ab sicht in der ganzen Einrichtung der Natur, in soweit wir sie, einsehen, sey gut; daß die Glückseligkeit das Elend überwiege, und unser Zustand wün schenswerth sey. Alle neue Entdeckungen vermeh ren hierinnen unsere Ueberzeugung, indem sie uns in demjenigen, was wir vorhero für eine Unvoll kommenheit ansahen, weise Absichten entdecken. Ein billiges Gemüth mus den Schlus machen, daß dieses eben der Fall bey gewissen Theilen sey, deren Bestimmung uns unbekant ist. Die ängst lichen Bemühungen der Menschen in dieser wich tigen Sache helfen dieses bestätigen, da sie die na türliche Verfassung der Seele beweisen, vermöge welcher sie wünscht, daß alles in dem Ganzen gut seyn möge. Dieses ist eine von den deutlichsten Spuren unsers liebreichen Schöpfers, die in unsre Herzen eingedrückt sind. Diese Wahrheit mus von allen angenommen werden, wenn nicht Eitel keit, eine Begierde, besonders zu seyn, und eine tiefe Einsicht zu verrathen, oder die Neigung zu wider sprechen, das Herz eingenommen haben.


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Die ununterbrochene Macht, welche sich, in alAllgegen wärtig.len Theilen des Ganzen, äussert, und die uneinge schränkte Natur des ursprünglichen Wesensführt uns auf die Vorstellung, daß er eine solche Allgegenwart und Unermeslichkeit besitzen müs se, wie sie zu einer allgemeinen Erkäntnis und Hand lung erfordert wird. Und derjenige, welcher ur sprünglich ist, mus auch ewig seyn.


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Was für ein andrer Bewegungsgrund zur Schöpfung kan vorhanden seyn, als ein Verlan gen, Vollkommenheit und Glückseligkeit mitzuthei len? Man kan sich nicht vorstellen, daß Gott die Ehre, welche ihm Geschöpfe erzeigen, die unendlich weit unter ihm sind, zu seinem lezten Endzweck ma chen könne. Alles Verlangen nach Ehre sezt vor aus, daß vorhero etwas vortrefliches wahrgenom men worden, oder daß eine Bestimmung seiner Natur, oder eine Neigung, der wesentliche Gegen stand seines Beyfalls sey: und was für eine andre Bestimmung können wir für den Gegenstand sei nes höchsten Beyfalls annehmen, als eine voll kommene Güte, die ihn immer veranlasst, die Glück seligkeit mitzutheilen. Diese Bestimmung mus ihn bewegen, seine eigenen Vortreflichkeiten seinen vernünftigen Geschöpfen, durch seine Werke zu ent decken, damit er auf diese Art für sie die Quelle der höchsten Glückseligkeit, der edelste Gegenstand ih rer Betrachtung und Verehrung, ihrer Liebe, Ach tung, Hofnung und festen Zuversicht und das beste Vorbild zu ihrer Nachahmung seyn möge. Gottentdeckt seine Vollkommenheiten, um seine Geschöpfe, durch die Erkäntnis und Liebe derselben, glückund Begriffe von seiner Natur. 321Neunter Abschnitt.lich zu machen; und nieht<nicht> in der Absicht, durch ihr Lob und ihre Bewunderung sich eine neue Glückse ligkeit zu verschaffen.


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Alle Vergnügungen der Erkäntnis, alle Wir kungen der Kunst, sind wir demjenigen schuldig, der uns mehr gelehrt hat, als die Thiere auf dem Felde, und uns weiser gemacht hat, als die Vögel unter dem Himmel. Jhm sind wir schuldig, daß wir die Schönheiten, die liebreichen Absichten und die Weisheit in seinen Werken ent decken, und auf diese Art die Spuren seiner Weis heit und Güte verehren können. Jhm sind wir schuldig, daß wir die moralischen Schönheiten, die Neigungen und das Verhalten, welches ihm gefäl lig ist, und der göttlichen Schönheit am nächsten komt, einsehen; daß wir seine Vollkommenheitenentdecken und sie wahrnehmen; und daß unsre Seelen, durch ein gänzliches Vertrauen auf ihn und auf seine Vorsorge, einer sichern Ruhe geniessen können. Durch die Vernunft, mit welcher er uns begabt hat, unterhält er sich mit uns, versichert ErstesBuch.328 Die Verehrung der Gottheit. uns seines Wohlwollens, und giebt uns die lieb reichsten Vermahnungen. Vermittelst der uns eingepflanzten Neigungen der Achtung, Liebe und Dankbarkeit, macht er uns fähig, Freundschaft mit ihm zu pflegen. Also ist unsre ganze Glückselig keit und Vortreflichkeit ein Werk seiner Güte. Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Nahmen sey Ehre.


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Gleichwie also die ruhige und uneingeschränk teste Bestimmung der Seele gegen die allgemeine Die Verehrung der Gottheit. 333Zehnter Abschnitt.Glückseligkeit, keinen andern Mittelpunct der Ruhe und Freude haben kan, als die ursprüngliche unab hängige allmächtige Güte: also kan die Seele, oh ne die Erkäntnis und ohne die innigste Liebe und Verehrung derselben, ihre eigene unveränder lichste und höchste Vollkommenheit und Vortref lichkeit nicht erreichen: und unser moralisches Gefühl, welches ein natürliches Vergnügen an der moralischen Vortreflichkeit empfindet, kan sich mit keinem vollkommenern Gegenstande beschäfti gen, als mit dem Wesen, welches die höchste Voll kommenheit und alle ursprüngliche Vortreflichkeit besizt, und die Quelle aller Vollkommenheiten an derer Wesen ist.


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X. Da die Gesetze der Natur nicht blos die ursprünglichen moralischen Bestimmungen der See le, sondern auch die, aus der Einrichtung der menschlichen Natur, vermittelst der darüber ange stellten Betrachtungen, hergeleitete practische Fol gerungen, wodurch wir erkennen, welches Verhal ten anständig sey, und auf das allgemeine Beste abziele, in sich fassen: so darf über ihre Vollkom menheit nicht gestritten werden, da jedermann gestehen mus, daß selbst die Vernunft der scharfsinnigsten und geübtesten Menschen immer noch unvollkom men ist. Es ist möglich, daß ein höheres Wesen den wichtigen Einflus einer gewissen Richtschnur des Verhaltens auf die allgemeine Wohlfahrt einse hen kan, welchen niemals ein Mensch hat entdecken von den Rechten und Gesetzen. 407Dritter Abschnitt. können; und Menschen von der gemeinen Gattungkönnen zwar leicht die allgemeinen und nothwen digsten Regeln entdecken, allein sie können selten die Gründe ausfindig machen, oder nur fassen, auf welchen einige besondere Gesetze beruhen, die ihren wesentlichen Grund in der Natur haben. Wenn man unter dem System der Gesetze der Na tur, die Einrichtung der Natur selbst, oder die Ge wisheit, welche jedem vernünftigen Wesen in dem Ganzen vor Augen liegt, verstehen: so ist es ohne Zweifel vollkommen. Allein seine Vollkommen heit kan weder die nützliche Bekantmachung der Ge setze durch Worte und Schriften, noch die Entde ckungen weiser Gesetzgeber und Sittenlehrer unter den Menschen, noch die, ihrem Inhalte nach, will kührlichen Vorschriften entbehren; weil so wenige Menschen zu einer richtigen Erkäntnis dieser Ein richtung gelangen können; und niemand im Stande ist, dieselbe vollständig einzusehen.


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5. Was die äusserlichen gebotenen Hand lungen anlangt, wenn in Ansehung der NeigunZweytes Buch.414 Allgemeine Begriffegen keine wörtlichen Vorschriften vorhanden sind: so mus ein gewisser Befehl eines Wesens, von des sen vollkommener Weisheit und Güte wir überzeugt sind, uns den Schlus machen lassen, daß die befohl nen Handlungen, dem gegenwärtigen äusserlichen Schein zuwider, wirklich die allgemeine Wohlfart am Ende befördern, und kein überwiegendes Uebel veranlassen werden; wenn die Ueberzeugung von der Güte desjenigen, der die Handlung geboten hat, und die Gewisheit des Umstands, daß dieses Gebot ihn wirklich zum Urheber hat, so gros ist, daß sie die entgegengesezten Vermuthungen hinlänglich über trift, welche von dem äusserlichen Schein, als ob die gebotene Handlung üble Folgen haben werde, entstehen können. Dieser Fall kan kaum für eine Dispensation von dem Gesetz der Natur gehalten werden, weil die handelnde Person dem Gesetz, welches, ihrer Ueberzeugung nach, auf einen guten Endzweck abzielet, gemäs handelt, obgleich diese ihre Ueberzeugung sich auf das Zeugnis eines andern, und nicht auf ihre eigene Erkäntnis, gründet.


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Wenn es die Absichten der Vorsehung gewe sen wäre, daß einige Menschen ein vollkommenes Recht haben sollten, die übrigen, ohne ihre Einwil ligung, zu beherrschen: so würden diese Beherrscher Zweytes Buch.448 Die angebohrnen Rechte durch eben so sichtbare und unstreitige Kennzeichen, von den andern zu unterscheiden seyn, als die Men schen, durch die menschliche Gestalt, von den Thie ren unterschieden werden. Man würde Nationen finden, die ganz von Sorgfalt, von Ueberlegung, von Liebe der Freyheit, von Begriffen des Eigen thumsrechts, und von der Vorsorge auf die Zukunft leer wären, und keine Weisheit, kein Verlangen nach der Erkäntnis besässen; sie würden willige Sclaven anderer seyn, und, so lange sie Unterhalt hätten, alle Dinge mit solchen Augen ansehen, als ob sie dieselben nur aus Gunst genössen; sie wür den niemals die Weisheit ihrer Lehrer sicher in Zweifel ziehen, noch wegen der Absichten derselben einigen Argwohn oder eine weissagende Furcht un terhalten. Aber, wo findet man dergleichen Ge schöpfe in menschlicher Gestalt?


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II. Da die Thiere, durch ihre Begierden und angebohrnen Triebe ohne alle Fähigkeit, die Begrif fe des Rechts oder Unrechts zu betrachten, angetrie ben werden, solcher Früchte des Erdbodens sich zu beZweytes Buch.458 Von den dinglichendienen, welche ihnen ihre Sinne empfehlen, und zu welchen ihre Begierde sich zu erhalten, sie reizet: so haben wahrscheinlicher Weise die Menschen an fangs, aus ähnlichen Trieben, ohne Betrachtung des Rechts, auf eine ähnliche Art gehandelt. Nach dem sie zu der Erkäntnis eines weisen und gütigen Gottes, des Schöpfers aller dieser bewundernswür digen Dinge, und zu den Begriffen des Rechts ge langt waren: so entdeckten sie bald, daß es der Wille Gottes sey, daß sie sich der unbeseelten Ge schöpfe der Erde zu ihrem Unterhalt, und zu ihrem gewöhnlichen Leben gebrauchen sollten, und daß ih nen zu diesem Gebrauch aus folgenden deutlichen Gründen ein Recht zustünde. Sie nehmen wahr, daß die Menschen die vortreflichsten Geschöpfe sind, welche dadurch unterhalten werden können, und daß sie, ohne diese Unterhaltung, bald auf eine elende Art umkommen würden; daß ihre Triebe und Sinnen offenbar darauf eingerichtet sind, sie zu dem Ge brauch derselben anzuführen; daß die Triebe der niedrigern beseelten Geschöpfe, welche keine höhern Kräfte haben, denselben Einhalt zu thun, deutlich beweisen, daß die unbeseelten Dinge für die be seelten Geschöpfe zum Unterhalt bestimmt sind; daß diese Dinge, so schön und bewundernswürdig sie auch seyn mögen, von sich selbst untergehen, und zu der allgemeinen Masse der Erde, zurückkehren müss ten, wenn sie nicht die Bestimmung hätten, das Leben der beseelten Geschöpfe zu unterhalten, und ihre Glück seligkeit zu vermehren; daß den unbeseelten Dingen alle Stände gleichgültig sind, und durch keine Aen derung, die sie betrift, eine Verminderung oder und persönlichen Rechten. 459Sechster Abschnitt. Vermehrung von irgend einer Glückseligkeit veranlas set wird, ausser, wenn beseelte Geschöpfe sich ihrer bedie nen. Diese Betrachtungen werden sattsam zeigen, daß eine grosse Vermehrung von Glückseligkeit und eine Verminderung von Elend erfolgen mus, wenn die beseelten Geschöpfe zu ihrem Unterhalt, sich der unbeseelten Früchte der Erde bedienen; und es folglich recht und der Absicht des Schöp fers gemäs ist, daß sie davon Gebrauch machen sollen.


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Es ist wahr, diese Geschöpfe sind einigen Glücks und Elends fähig; ihre Leiden erregen natürlicher Weise unser Mittleiden; wir billigen den Beystand, der ihnen in allerhand Zufällen ge leistet wird, und wir misbilligen alle unnöthige Grausamkeit gegen dieselben, als den Beweis einer unmenschlichen Gemüthsart. Könten wir genug samen Unterhalt haben, ohne die Ruhe oder das Vergnügen der beseelten Geschöpfe, von der unter sten Art, zu vermindern: so würde es grausam und ungerecht seyn, denselben ein unnöthiges Lei den zu verursachen, und ihre Glückseligkeit zu ver mindern. Allein das menschliche Geschlecht ist ei nes ungleich grössern Glücks oder Elends fähig. Die äusserlichen Sinne der Thiere können eben so scharf, oder noch schärfer seyn; allein die Menschen haben höhere Sinnen oder Kräfte, Vergnügen oder Schmerz zu empfinden. Sie fühlen höhere Be lustigungen vermittelst der Einbildungskraft, der Erkäntnis, der allgemeinern und dauerhaftern ge selligen Neigungen, der Sympathie, ihres moraliund persönlichen Rechten. 461Sechster Abschnitt.schen Gefühls und des Gefühls der Ehre. Jhre Vernunft und Ueberlegung sammelt Freuden und Schmerzen, Ehre und Schande, aus vergan genen und zukünftigen Begebenheiten, die sowohl andere, als sie selbst, betreffen; dahingegen die un vernünftigen Thiere, sich blos auf dasjenige, was gegenwärtig in ihre Sinne fällt, einschränken. Auf diese Art behaupten die Menschen, in dem Sy stem der beseelten Geschöpfe dieses Erdbodens, die oberste Stelle.