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16 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Es verbindet manchmal auch die natürlicheOrdnung der Dinge, ganz ausserordentlicheZufälle. Und eben diese Ordnung ist es, die das Wunderbare von dem wirklichen Wunder unterscheidet. Seltene Fälle sind wunderbar. Natürlicher Weise unmögliche Fälle, sind Wunder. Die dramatische Dichtkunstverwirft die Wunder.


17 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Romanenschreiber hat die Zeit und den Raum, der dem dramatischen Dichter fehlet. Ich werde daher immer, wenn beide gleich gut sind, ein theatralisches Stück höher schätzen, als einen Roman. Uebrigens ist keine Schwierigkeit zu finden, der jener nicht ausweichen könnte. Er spricht z. E. Auf die schweren Augenlieder, durch den ermatteten Körper des müden Wandrers, fließt süsser nicht der Balsam des Schlafes, als die schmeichelnden Worte der Göttin flossen; doch immer widerstand ihr eine geheime Macht, und vereitelte ihre Reitze. — Aber Mentor, in seinen weisen Rathschlägen unveränderlich, lies vergebens in sich dringen; manchmal zwar ließ er sie hoffen, als setzten ihn ihre Fragen in Verlegenheit; doch wenn sie nun eben ihre Neugierde zu befriedigen glaubte, verschwand ihre Hoffnung wieder auf einmal. Was sie fest zu halten glaubte, war ihr entwischt, und eine kurze Antwort stürzte sie in ihre erste Ungewißheit zurück. — Und damit hat sich der Romanschreiberglücklich aus dem Handel gezogen. So schwer aber ein dergleichen Gespräch auszuführen ist, so muß dennoch der dramatische Dichter, entweder seinen ganzen Plan verändern, oder die Schwierigkeit überwinden. Welch ein Unterschied zwischen, eine Wirkung beschreiben, und sie hervorbringen!


18 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Romanenschreiber hat die Zeit und den Raum, der dem dramatischen Dichter fehlet. Ich werde daher immer, wenn beide gleich gut sind, ein theatralisches Stück höher schätzen, als einen Roman. Uebrigens ist keine Schwierigkeit zu finden, der jener nicht ausweichen könnte. Er spricht z. E. Auf die schweren Augenlieder, durch den ermatteten Körper des müden Wandrers, fließt süsser nicht der Balsam des Schlafes, als die schmeichelnden Worte der Göttin flossen; doch immer widerstand ihr eine geheime Macht, und vereitelte ihre Reitze. — Aber Mentor, in seinen weisen Rathschlägen unveränderlich, lies vergebens in sich dringen; manchmal zwar ließ er sie hoffen, als setzten ihn ihre Fragen in Verlegenheit; doch wenn sie nun eben ihre Neugierde zu befriedigen glaubte, verschwand ihre Hoffnung wieder auf einmal. Was sie fest zu halten glaubte, war ihr entwischt, und eine kurze Antwort stürzte sie in ihre erste Ungewißheit zurück. — Und damit hat sich der Romanschreiberglücklich aus dem Handel gezogen. So schwer aber ein dergleichen Gespräch auszuführen ist, so muß dennoch der dramatische Dichter, entweder seinen ganzen Plan verändern, oder die Schwierigkeit überwinden. Welch ein Unterschied zwischen, eine Wirkung beschreiben, und sie hervorbringen!


19 - Von der dramatischen Dichtkunst /

O mein Freund, welche Schlinge legen Sie mir itzt, da ich Sie von der dramatischen Dichtkunst unterhalten will. Komme ich einmal ins philosophiren, so ist es um meine Materie gethan.


20 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Weit gefehlt, daß ich mit den meisten, die von der dramatischen Dichtkunst geschrieben haben, glauben sollte, man müsse die Entwicklung vor dem Zuschauer verbergen. Ich dächte vielmehr, es sollte meine Kräfte eben nicht übersteigen, wenn ich mir ein Werk zu machen vorsetzte, wo die Entwicklung gleich in der ersten Scene verrathen würde, und aus diesem Umstande selbst das allerstärkste Interesse entspränge.


21 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Je mehr ich übrigens über diedramatische Dichtkunst nachdenke, desto ungehaltener werde ich gegen die, die davon geschrieben haben. Es ist ein Zusammenfluß besondererRegeln, die man zu allgemeinen Vorschriften gemacht hat. Man hat wahrgenommen, daß gewisse Zwischenfälle grosse Wirkungen hervorbringen, und sogleich hat man dem Dichter die Nothwendigkeit aufgelegt, sich zur Erreichung eben derselben Wirkungen, eben derselben Mittel zu bedienen. Hätte man dafür die Sache genauer untersucht, so würde man gefunden haben, daß man noch weit grössere Wirkungen durch ganz entgegengesetzte Mittel hervorbringen könne. So aber ist die Kunst mit Regeln überhäuft worden, und die Verfasser, weil sie sich ihnen knechtisch unterworffen, haben sich nicht selten viel Mühe gegeben, es lange nicht so gut zu machen, als sie es sonst würden gemacht haben.


22 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Hat der Dichter seinen Personen die schicklichsten, das ist solche Charaktere gegeben, die mit ihren Situationen am meisten streiten, so wird er sich unfehlbar, wenn er nur ein wenig Einbildungskraft besitzt, gewisse Bilder davon machen. Es begegnet uns dieses alle Tage, in Ansehung solcher Personen, von welchen wir viel reden hören. Ich kann nicht sagen, ob sich zwischen den Physiognomieen und den Handlungen irgend eine Analogie findet; aber das weis ich, so bald unsLeidenschaften, Reden und Handlungen bekannt werden, so gleich bilden wir uns ein Gesicht dabey ein, dem wir sie beylegen; Und wenn es sich zuträgt, daß wir den Menchen, dem es angeht, wirklich zu sehen bekommen, und er dem Bilde nicht ähnlich ist, das wir uns von ihm gemacht haben, so möchten wir lieber gar zu ihm sagen, daß wir ihn nicht dafür erkennen, ob wir ihn gleich niemals gesehn haben. Jeder Mahler, jeder dramatische Dichter, wird sich auf die Physiognomie verstehen.


23 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Worinn sich der häusliche Roman von dem Drama vornehmlich mit unterscheidet, ist dieses, daß der Roman die Gebehrden undPantomime bis tief ins Kleine verfolgt; daß sich sein Verfasser vornehmlich angelegen seyn läßt, die Bewegungen und Eindrücke zu mahlen; anstatt daß sie der dramatische Dichter nur im Vorbeygehen mit einem Worte berühret.


24 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Der Dichter mag die Pantomime dabey geschrieben, oder nicht dabey geschrieben haben: ich will es doch den Augenblick sehen, ob er nach ihr gearbeitet hat, oder nicht. Der Verfolg seines Stücks kann in beiden Fällen nicht einerley seyn; die Scenen können nicht einerley Wendung haben; man wird es an dem Gespräche merken. Wenn es eine Kunst ist,Gemälde zu erdenken, wie darf man sie allen Menschen zutrauen? Und haben alle unseredramatische Dichter diese Kunst besessen?


25 - Fils naturelle /

L'art dramatique ne prépare les événemens, que pour les enchaîner; & il ne les enchaîne dans ses productions, que parce qu'ils le sont dans la nature. L'artimite jusqu'à la maniere subtile avec laquelle la nature nous dérobe la liaison de ses effets.


26 - Fils naturelle /

Si vous êtes convaincu, me dit-il, que ce soit là de la tragédie, & qu'il y ait entre la tra- DRAMATIQUE. 231 gédie & la comédie un genre intermédiaire; voilà donc deux branches du genre dramatiquequi sont encore incultes, & qui n'attendent que des hommes. Faites des comédies dans le genre sérieux. Faites des tragédies domestiques, & soyez sûr qu'il y a des applaudissemens & une immortalité qui vous sont réservés. Surtout négligez les coups de théâtre; cherchez des tableaux; rapprochez-vous de la vie réelle; & ayez d'abord un espace qui permette l'éxercice de la pantomime dans toute son étendue .... On dit qu'il n'y a plus de grandes passions tragiques à émouvoir; qu'il est impossible de présenter les sentimens élevés d'une maniere neuve & frappante. Cela peut être dans la tragédie, telle que les Grecs, les Romains, les François, les Italiens, les Anglois & tous les peuples de la terre l'ont composée. Mais la tragédie domestique aura une autre action, un autre ton, & un sublimequi lui sera propre. Je le sens, ce sublime; il est dans ces mots d'un pere qui disoit à son fils qui le nourrissoit dans sa vieillesse: Mon fils, nous sommes quittes. Je t'ai donné la vie, et tu me l'as rendue; & dans ceux-ci d'un autre pere qui disoit au sien: Dites toujours la vérité. Ne promettez rien à personne, que232 DE LA POÉSIEvous ne vouliez tenir. Je vous en conjure par ces pieds que je réchauffois dans mes mains, quand vous étiez au berceau.


27 - Der natürliche Sohn /

Die dramatische Dichtkunst bereitet die Zufälleblos vor, um sie mit einander zu verbinden; und sie verbindet sie blos darum in ihren Werken, weil sie in der Natur verbunden sind. Die Kunst erstrecktsich mit ihrer Nachahmung sogar bis auf die Feinheit, mit welcher die Natur die Verbindung ihrerWirkungen vor unsern Augen verbirgt.


28 - Der natürliche Sohn /

Wenn Sie also überzeugt sind, sagte er zu mir, daß das Tragödie ist, und daß es eine Mittelgattung 231 zwischen der Komödie und der Tragödie giebt: so haben wir zwey Aeste der dramatischen Dichtkunst, die ganz und gar nicht bearbeitet sind, und nur Köpfe erwarten. Machen Sie Lustspiele in der ernsthaften Gattung. Machen Sie bürgerliche Tragödien, und seyn Sie versichert, daß es einen Beyfall und eine Ewigkeit giebt, die Ihnen vorbehalten sind. Vor allen Dingen geben Sie sich mit den Theaterstreichen nicht ab. Suchen Sie Gemälde. Nähern Sie sich dem wirklichen Leben, und wählen Sie gleich Anfangs ein Feld, wo sich die Pantomime in ihrem ganzen Umfange zeigen kann. -- Man sagt, es gebe keine grosse tragische Leidenschaftenmehr zu erregen; man könne die erhabenen Gesinnungen unmöglich auf eine neue und rührende Art vortragen. Das kann in der Tragödie wahr seyn, so wie sie die Griechen, die Römer, die Franzosen, die Italiäner, die Engländer und alle Völker auf der Welt gemacht haben. Die bürgerliche Tragödie aber wird eine andere Handlung, einen andern Ton, und ein Erhabenes haben, das ihr eigenthümlich zugehöret. Ich empfinde es, dieses Erhabene. Es findet sich in den Worten eines Vaters, der zu seinem Sohne, welcher ihn im Alter ernährte, sagte: Mein Sohn, wir rechnen ab. Ich habe dir das Leben gegeben; und du giebst mir eswieder. Es findet sich in der Rede eines andern Vaters, der gleichfalls zu seinem Sohne sagte: Rede allezeit die Wahrheit. Versprich nichts,232 was du nicht halten wolltest. Ich beschwöre dich bey diesen Füssen, die ich mit meinen Händen erwärmte, als du noch in der Wiege lagest.


29 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Bey den Alten spielten alle Schauspieler inMasken, und jede Gattung der dramatischenDichtkunst hatte ihre besondre Masken. Indem Buche des Lucians, welches περι Γυμνασιων(*) Diomed. lib. 3.du Bos,überschrieben und als ein Gespräch zwischen demSolon und den Seythen Anacharsis abgefaßtist, sagt dieser letztere zum Solon, welcher vondem Nutzen der Tragödien und Komödien mitihm gesprochen hatte: Ich habe dergleichen anden Festen des Bacchus spielen sehen. In derTragödie gehen die Schauspieler auf einer Artvon Stelzen einher, und haben Masken vor, die ein ausserordentlich grosses Maul aufsperren, aus welchen hochtrabende Worte und lehrreiche Sprüche nicht ohne Geräusch herausfahren. In der Komödie schreyen die Schauspieler, welche nicht anders als gewöhnlich beschuhet und gekleidet sind, nicht so sehr, alleinihre Masken sind noch lächerlicher, als jenerihre.


30 - /

Umsonst rühmt sich die Mahlerey, daß sie die Leinewand belebe; es kommen aus ihren Händen nichts als unbelebte Werke. Die dramatische Dichtkunst hingegen, giebt den Wesen, welche sie schaft, Gedanken und Empfindungen, ja so gar, Schauspieler. vermittelst des theatralischen Spiels, Sprache und Bewegung. Die Mahlerey verführt die Augen allein. Die Zauberey der Bühne fesselt die Augen, das Gehör, den Geist und das Herz. Der Mahler stellt die Begebenheiten nur vor. Der Schauspieler läßt sie auf gewisse Weise noch einmal geschehen. Seine Kunst ist daher eine von denjenigen, welchen es am meisten zukömmt, uns ein vollständiges Vergnügen zu verschaffen. Bey den übrigenKünsten, welche die Natur nachahmen, muß unsre Einbildungskraft ihrem Unvermögen fast immer nachhelfen. Nur die Kunst des Schauspielers braucht diese Nachhülfe nicht; und wenn ihre Täuscherey unvollkommen ist, so liegt es nicht an ihr, sondern an den Fehlern derjenigen, welche sie ausüben.