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16 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Aristoteles, *) und die übrigen Philosophen, drücken sich näher aus, und erklären die Natur durch die selbstständige Form, welche einem Dinge das Seyn giebt, und die Grundursache aller seiner Wirkungen ist. Nach dieser Erklärung würde unsere vernünftige Seele die Natur zu nennen seyn, weil sie es ist, die uns zu Menschen macht, und von ihr alle unsre Handlungen und Verrichtungen herrühren. Da aber alle vernünftige Seelen von einerley Vollkommen

*) Φυσικης ἀκροασεως το β. κεφ. α.

heit sind, sowohl die Seele des Weisen als des Narren, so kann man nicht behaupten, daß die Natur in dieser Bedeutung dasjenige sey, welches den Menschen die Fähigkeit gäbe; weil sonst alle Menschen ohne Ausnahme einerley Genie, und einerley Seelenkräfte haben müßten. Aristoteles selbst sucht daher *) eine andre Bedeutung des Worts Natur, in so ferne sie die Ursache ist, warum die Menschen fähig oder unfähig sind. Er sagt nämlich, die verschiednen Vermischungen der Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit wäre es, welche man die Natur nennen müsse, weil nur von dieser Vermischung alle Fähigkeiten des Menschen, seineTugenden und seine Laster, und die grosse Verschiedenheit ihrer Genies abhängen könnten. Dieses erhellet deutlich, wenn man die verschiednen Lebensalter auch des weisesten Menschen betrachtet. Er ist in seiner Kindheit nichts als ein unvernünftiges Thier, an welchem sich keine andere Kräfte äussern, als Zorn und Begierde. Jn seiner Jugend fängt er allmälig an, das vortrefliche Genie zu entdecken, welches aber, wie die Erfahrung lehret, nur eine gewisse Zeit und nicht länger dauert; denn wenn das Alter herannahet, so vermindern sich seine Kräfte von Tag zu Tage, bis sie sich endlich gar verlie=

*) προβληματων τμημα το λ.

ren. *) Daß diese Verschiedenheit des Genies nicht von der vernünftigen Seele herrührt, ist unwidersprechlich, weil sie in allen Lebensaltern eben dieselbe ist, ohne an ihren Kräften oder an ihrem Wesen die geringsten Veränderungen zu er dulden; sondern daher, daß jedes Alter sein besondres Temperament, und seine verschiedne Leibesbeschaffenheit hat, vermöge welcher die Seele gewisse Handlungen in der Kindheit, andre in der Jugend, und andre im Alter vornimmt. Da aber, welches unleugbar ist, eben dieselbe Seele in eben demselben Körper ganz verschiedene Handlungen wirken kann, weil sie in jedem Alter ein ganz verschiednes Temperament hat; so kann ja wohl auch der Unterschied zweyer Knaben, wovon der eine fähig, der andre aber dumm ist, nirgends anders herrühren, als aus beyder durchaus verschiednem Temperamente, welches die Arzneygelehrten und Weltweisen, weil von ihm alle Handlungen der vernünftigen Seele bestimmt werden, die Natur nennen. Jn dieser Bedeutung nun hat der Ausspruch seine vollkommene Richtigkeit: die Natur macht

*) Hippokrates drückt sich sehr schlecht aus, wenn er (ἐπιδημιων το ἑκτον, τμημα πεμ-πτον) sagt: ἀνθρωπου ψυχη αει φυεται με- χρι θανατου. Siehe des Galenusεἰς το περι Φυσεως ἀνθρωπου του Ιπποκρατους ὑπομνημα α; sein Buch, ὁτι τα της ψυχης ἠθη ταις του σωματος κρασεσι επεται, und des Plato Gespräch περι ψυχης.

uns fähig. Zur Bestärkung dieser Lehre schrieb Galenus ein ganzes Buch, worinnen er bewies, daß die Eigenschaften der Seele von dem Temperamente des mit ihr verbundenen Körpers abhängen, und daß, nach Beschaffenheit der Wärme, Kälte, Trockenheit oder Feuchtigkeit des Landes, nach Beschaffenheit der Speisen, des Wassers, und der Luft, die Menschen bald dumm, bald klug; bald tapfer, bald feige; bald grausam, bald barmherzig; bald zurückhaltend, bald offenherzig; bald lügenhaft, bald aufrichtig; bald verrätherisch, bald treu; bald unruhig, bald stille; bald verschmitzt, bald einfältig; bald geitzig, bald freygebig; bald verschämt, bald unverschämt; bald schwer, bald leicht zu überreden wären. Er führt in dieser Absicht eine ziemliche Anzahl Stellen aus dem Hippokrates, Plato und Aristoteles an, welche alle behaupten, daß die Verschiedenheit der Völker, sowohl in Ansehung des Baues ihrer Körper, als der Aeusserungen ihrer Seelen, von der Verschiedenheit des Temperaments herrühre. Und man darf nur die Erfahrung zu Rathe ziehen. Wie unendlich sind nicht die Griechen von den Scythen, die Franzosen von den Spaniern, die Jndianer von den Deutschen, die Aethiopier von denEngländern unterschieden! Doch, was brauchen wir so weit entlegene Länder gegen einander zu halten? Wir dürfen ja nur die Provinzen betrachten, die das einzige Spanien umschließt, und es wird nicht schwer seyn, eine Aus theilung der nur gedachten Tugenden und Laster unter ihnen zu machen. Man betrachte nur einmal das Genie und die Sitten der Catalonier, der Valencianer, der Murcianer, der Granadiner, der Andalusier, der Estremenger, der Portugiesen, der Galleger, der Asturianer, der Montangesen, der Biscajaner, der Navarrer, der Arragonesen, und der innersten Einwohner Castiliens. Wer sieht nicht, wie sehr sie nicht allein nach ihrer Gesichtsbildung, und nach dem Baue ihres Körpers, sondern auch nach den Tugenden und Lastern ihrer Seelen von einander abweichen? Alle diese Abweichungen aber entstehen bloß daher, weil jede Provinz ihre besondere, und von andern unterschiedene natürliche Einrichtung hat. Doch auch diese Provinzen mögen noch zu weit auseinander liegen; der Unterschied der Sitten äussert sich schon an Oertern, die kaum eine kleine Meile von einander entfernet sind, so daß die Mannigfaltigkeit derGenies unter den Einwohnern eines sehr kleinen Strichs ganz unglaublich ist.


17 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die andere Frage ist folgende: warum ist die lateinische Sprache dem Genie der Spanier so zuwider, hingegen dem Genie der Franzosen, Jtaliäner, Deutschen, Engländer und aller Völker, welche mehr gegen Norden wohnen, so natürlich? Dieses erhellet sogleich aus ihren Schriften, indem man einen ziemlich sichern Schluß aus dem guten Lateine ziehen kann, daß der Verfasser ein Ausländer sey, aus dem barbarischen und rauhen Lateine hingegen, daß er ein Spanier seyn müsse.


18 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Auf die zweyte Frage antworte ich, daßGalenus, wenn er *) das Genie der Menschen nach der Himmelsgegend, unter welcher sie wohnen, bestimmen will, behauptet, alle diejenigen, welche näher gegen Norden zu wohnten, hätten weniger Verstand; die hingegen, welche zwischen dem nördlichen und dem heissen Erdstriche mitten inne wohnten, wären desto weiser. Dieses trift mit unserer Gegend auf das genaueste ein; weil Spanien weder so kalt, als die nördlichen Länder, noch so heiß, als die Länder unter dem Aequator ist. Eben diese Meynung hat Aristoteles, wenn er **) die Frage vorlegt, warum die Einwohner in kalten Ländern nicht so verständig wären, als die Einwohner in wärmern Gegenden? Jn seiner Antwort kommen die Niederländer, die Deutschen, die Engländer und Franzosen ziemlich zu kurz, indem er sagt: ihr Verstand wäre immer, wie

*) βιβλ. ὁτι τα της ψυχης ἠθη.

**) προβλ. τμημ. ιδ.

der Verstand der Betrunkenen, weil ihnen die viele Feuchtigkeit, womit ihr Gehirn und ihr übriger Körper angefüllet sind, nicht verstatte, in die Natur der Dinge einzudringen. Ωϛε λιαν μεθυουσιν ἐοικασι και οὐκ εἰσι jητητι-κοι. Man erkennet es schon an dem weissen Gesichte und an der gelblichten Farbe der Haare; wie denn ein Kahler unter den Deutschen etwas recht seltnes ist, als welche alle wohl gewachsen, und von einer ansehnlichen Länge sind, weil sie sehr viel Feuchtigkeiten haben, welche das Fleisch ausdehnen. Gleich das Gegentheil von allen diesem bemerkt man an den Spaniern; sie sind durchgängig ein wenig bräulich, sie haben schwarzes Haar, sie sind von mittelmässiger Statur, und die meisten sind kahl. Diese Beschaffenheit, sagt Galenus, *) entsteht aus der Wärme und Trockenheit des Gehirns. Die Spanier also müssen nothwendig ein schlechtes Gedächtniß und einen grossen Verstand haben; die Deutschen hingegen ein starkes Gedächtniß und wenig Verstand: jene also können kein Lateinisch lernen, diese hingegen lernen es ungemein leicht.


19 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Aristoteles erkannte gar wohl aus der Erfahrung, daß ein Redner, ob er gleich die sittliche und natürliche Weltweisheit, die Arzneykunst,Metaphysik, Rechtsgelehrsamkeit, Mathematik, Astrologie und alle andere Künste und Wissenschaften studire, er doch aus allen nichts, als einige Blumen und unzweifelhafte Aussprüche wisse, ohne daß er den wahren Grund davon inne habe. Er glaubte aber, diese gründliche Erkenntniß gebräche ihm nur deswegen, weil er sich nicht darauf gelegt habe. Wenn er also fragt: *) δια τι τον φιλοσοφον του ῥητορος οἰονται διαφερειν; das ist: worinnen der Redner und Philosoph von einander unterschieden wären, da doch beyde die Weltweisheit studirten? so antwortet er: darinnen wären sie unterschieden, daß der Philosoph allen seinen Fleiß auf die Erkenntniß der Ursachen und Gründe einer jeden Wirkung richte, der Redner aber mit der blossen Kenntniß der Wirkungen zufrieden sey. Die wahre Ursache aber ist keine andere, als die, weil die natürliche Weltweisheit von dem Verstande abhänget, als an welcher Vermögenheit es den Rednern fehlt, so daß sie in der Philosophie nur ganz obenhin erfahren seyn können. Eben dieser Unterschied ist zwischen einem scholastischen und praktischen Gottesgelehrten; der eine weiß die Gründe von allen dem,

*) προβλ. τμημ. ιη.

was zu seiner Wissenschaft gehört, der andere aber weiß nichts mehr, als die unstreitigen Wahrheiten daraus. Es ist daher sehr gefährlich, daß ein Prediger Gewalt und Pflicht hat, demchristlichen Volke die Wahrheit zu lehren, und daß dieses Volk verbunden ist, ihm Glauben beyzumessen. Da ihm die Vermögenheit fehlt, durch welche er die Wahrheiten aus dem Grunde erkennen kann, so kann man mit allem Rechte von ihm sagen, was unser Heiland (Matth.XV, 14.) sagt: sie sind blind und blinde Leiter; wenn aber ein Blinder den andern leitet, so fallen sie beyde in die Grube. Es ist etwas unerträgliches, wenn man sieht, mit was für Kühnheit Leute auftreten und predigen, welche doch nicht ein Wort aus der scholastischen Theologie verstehen, und auch keine natürliche Fähigkeit haben, sie zu erlernen. Auch der h. Paulus beklagt sich sehr über diese Leute, wenn er (1. Timoth. I, 5.) sagt: die Hauptsumma des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Welcher haben etliche gefehlet, und sind umgewandt zu unnützem Geschwätz; wollen der Schrift Meister seyn, und verstehen nicht was sie sagen, oder was sie setzen. Die Waschhaftigkeit unduud das Geschwätz der deutschen, holländischen, englischen und französischen und aller übrigen nordischen Theologen, macht christliche Zuhörer nur verwirrt, indem sie zwar mit grosser Sprachgelehrsamkeit, mit vieler Zierlichkeit und Anmuth der Worte predigen, allein keinen Verstand haben, womit sie die Wahrheit durchdringen könnten. Daß diese aber wirklich Mangel am Verstande haben, ist oben nicht allein aus der Meynung des Aristoteles, sondern auch ausser vielen andern Gründen und Erfahrungen, die wir deswegen beygebracht haben, erwiesen worden. Wenn denDeutschen und Engländern dasjenige wäre eingeschärft worden, was St. Paulus an die Römer schrieb, welche gleichfalls von falschen Predigern belästiget waren, so würden sie sich vielleicht nicht so geschwind haben verführen lassen:Jch ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen; denn solche dienen nicht dem HErrn JEsu Christo, sondern ihrem Bauch, und durch süsse Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen. Ueberdieses haben wir auch oben bewiesen, daß diejenigen, welche eine starke Einbildungskraft besitzen, cholerisch, verschmitzt, boshaft, betrügerisch, und allezeit zum Bösen geneigt sind, welches sie mit vieler Geschicklichkeit und Klugheit auszuführen wissen.


20 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Aristoteles erkannte gar wohl aus der Erfahrung, daß ein Redner, ob er gleich die sittliche und natürliche Weltweisheit, die Arzneykunst,Metaphysik, Rechtsgelehrsamkeit, Mathematik, Astrologie und alle andere Künste und Wissenschaften studire, er doch aus allen nichts, als einige Blumen und unzweifelhafte Aussprüche wisse, ohne daß er den wahren Grund davon inne habe. Er glaubte aber, diese gründliche Erkenntniß gebräche ihm nur deswegen, weil er sich nicht darauf gelegt habe. Wenn er also fragt: *) δια τι τον φιλοσοφον του ῥητορος οἰονται διαφερειν; das ist: worinnen der Redner und Philosoph von einander unterschieden wären, da doch beyde die Weltweisheit studirten? so antwortet er: darinnen wären sie unterschieden, daß der Philosoph allen seinen Fleiß auf die Erkenntniß der Ursachen und Gründe einer jeden Wirkung richte, der Redner aber mit der blossen Kenntniß der Wirkungen zufrieden sey. Die wahre Ursache aber ist keine andere, als die, weil die natürliche Weltweisheit von dem Verstande abhänget, als an welcher Vermögenheit es den Rednern fehlt, so daß sie in der Philosophie nur ganz obenhin erfahren seyn können. Eben dieser Unterschied ist zwischen einem scholastischen und praktischen Gottesgelehrten; der eine weiß die Gründe von allen dem,

*) προβλ. τμημ. ιη.

was zu seiner Wissenschaft gehört, der andere aber weiß nichts mehr, als die unstreitigen Wahrheiten daraus. Es ist daher sehr gefährlich, daß ein Prediger Gewalt und Pflicht hat, demchristlichen Volke die Wahrheit zu lehren, und daß dieses Volk verbunden ist, ihm Glauben beyzumessen. Da ihm die Vermögenheit fehlt, durch welche er die Wahrheiten aus dem Grunde erkennen kann, so kann man mit allem Rechte von ihm sagen, was unser Heiland (Matth.XV, 14.) sagt: sie sind blind und blinde Leiter; wenn aber ein Blinder den andern leitet, so fallen sie beyde in die Grube. Es ist etwas unerträgliches, wenn man sieht, mit was für Kühnheit Leute auftreten und predigen, welche doch nicht ein Wort aus der scholastischen Theologie verstehen, und auch keine natürliche Fähigkeit haben, sie zu erlernen. Auch der h. Paulus beklagt sich sehr über diese Leute, wenn er (1. Timoth. I, 5.) sagt: die Hauptsumma des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Welcher haben etliche gefehlet, und sind umgewandt zu unnützem Geschwätz; wollen der Schrift Meister seyn, und verstehen nicht was sie sagen, oder was sie setzen. Die Waschhaftigkeit unduud das Geschwätz der deutschen, holländischen, englischen und französischen und aller übrigen nordischen Theologen, macht christliche Zuhörer nur verwirrt, indem sie zwar mit grosser Sprachgelehrsamkeit, mit vieler Zierlichkeit und Anmuth der Worte predigen, allein keinen Verstand haben, womit sie die Wahrheit durchdringen könnten. Daß diese aber wirklich Mangel am Verstande haben, ist oben nicht allein aus der Meynung des Aristoteles, sondern auch ausser vielen andern Gründen und Erfahrungen, die wir deswegen beygebracht haben, erwiesen worden. Wenn denDeutschen und Engländern dasjenige wäre eingeschärft worden, was St. Paulus an die Römer schrieb, welche gleichfalls von falschen Predigern belästiget waren, so würden sie sich vielleicht nicht so geschwind haben verführen lassen:Jch ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen; denn solche dienen nicht dem HErrn JEsu Christo, sondern ihrem Bauch, und durch süsse Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen. Ueberdieses haben wir auch oben bewiesen, daß diejenigen, welche eine starke Einbildungskraft besitzen, cholerisch, verschmitzt, boshaft, betrügerisch, und allezeit zum Bösen geneigt sind, welches sie mit vieler Geschicklichkeit und Klugheit auszuführen wissen.


21 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die Aerzte geben sehr viele Kennzeichen an, wodurch diese Art des Genies zu entdecken ist. Die Vornehmsten aber und diejenigen, woraus sich das meiste schliessen läßt, sind folgende. Das erste, wie Galenus*) sagt, ist dieses, daß das Haupthaar röthlich sey; eine Farbe, welche aus dem Weissen und aus dem Rothen zusammengesetzt ist, und von Jahr zu Jahr immer gelblichter werden muß. Die Ursache hiervon liegt am Tage; weil die Causa materialis, woraus die Haare erzeugt werden, nach der Meynung der Aerzte, eine grobe Dunst ist, welche aus dem Gehirne aufsteigt, wenn diese seine Nahrung verdaut. Von welcher Farbe also das Glied ist, von eben der Farbe müssen auch seine Excremente seyn. **) Wenn das Gehirn in seiner Zusammensetzung viel Phlegma hat, so wird das Haupthaar weißlich; ist viel Cholera darinnen, so wird es safrangelb; sind aber diese zwo Feuchtigkeiten mit einander gleich vermischt, so wird das Gehirn an Wärme, an Feuchtigkeit, und an Trockenheit wohlgemäßigt seyn, und die Haupthaare werden eine röthliche Farbe haben, welche aus Vermischung jener beyden besteht. Es ist zwar wahr, daß Hippokrates***) sagt, diese Farbe entstehe bey denjenigen Menschen, welche weit gegen Norden wohnen, als den Engländern, Holländern und Deutschen, aus der, durch die viele Kälte verbrannten Weisse; nicht aber aus der Ur

*) ἰατρικης τεχνης κεφ. ιγ.

**) Γαλ. περι κρασεως βιβλ. α.

***) περι ἀερων, ὑδατων, τοπων.

sache, die wir angeführt haben. Dieses Kennzeichen muß man also wohl untersuchen, weil es in gewissen Fällen betrüglich seyn kann.


22 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Auch unter den Arten der Erde sind diejenigen die fruchtbarsten *), welche die meiste Kälte und Feuchtigkeit haben; welches aus der Erfahrung erhellet, wenn man die Länder gegen Norden, England, Holland, und Deutschland betrachtet, deren Fruchtbarkeit an allen Arten des Getraides so groß ist, daß sie jeden in Erstaunen setzt, der die Ursache davon nicht weiß. Jn eben diesen Ländern wird sich auch selten eine Weibsperson verheyrathen, ohne Kinder zu bekommen; sie wissen fast nicht, was Unfruchtbarkeit ist, indem sie alle, wegen der vielen Kälte und Feuchtigkeit, zur Erzeugung sehr geschickt sind.


23 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Die Deutschen, sagt Galenus***), hatten die Gewohnheit, ihre Kinder, sobald sie gebohren wurden, im Flusse zu baden. Sie glaubten, so wie das Essen, das aus dem Feuer kömmt, härter wird, wenn man es mit kaltem Wasser abkühlt, eben so wird auch das Kind, welches aus dem brennenden Leibe seiner Mutter kömmt, mehr Stärke und Kräfte erhalten, wenn man

*) ἀΦορ. τμημ. ϛ.

**) περι διαιτης ὑγιεινης.

***) ὑγιεινων βιβλ. α.

es in kaltem Wasser badet. Diese Gewohnheit verdammt Galenus als etwas viehisches, und er hat vollkommen Recht. Denn gesetzt, daß auf diese Weise die Haut hart und verschlossen, und also gegen alle Anfälle der Luft gesichert wird, so werden doch die Excremente in dem Körper desto mehr Schaden verursachen, weil alle Gänge verschlossen sind, durch die sie ausdünsten könnten.


24 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Der Jrrthum des gemeinen Pöbels besteht darinnen, daß er glaubt, ein Kind werde so schwach und zärtlich gebohren, daß es unmöglich ohne Schaden den Leib der Mutter, in welchem eine so grosse Hitze ist, mit der freyen und kalten Luft verwechseln könne. Allein er betrügt sich sehr; denn so kalt es auch in Teutschland ist, so wuschen die Teutschen doch die neugebohrnen Kinder in dem Flusse ab; und so viehisch †) diese Handlung war, so wenig schadete sie ihnen, geschweige, daß sie daran hätten sterben sollen.


25 - Lettres sur la danse /

Les Italiens ont été à cet égard bien plus sages que nous. Moins constants pour leur ancienne Musique mais plus fidelles à Metastasio, ils l'ont fait & le font mettre encore tous les jours en Musique par tous les Maîtres de Chapelle qui ont des talents. Les Cours d'Allemagne, l'Espagne, le Portugal & l'Angleterre ont conservé pour ce grand Poëte la même vénération; la Musique varie à l'infini, & les paroles quoique toujours les mêmes ont toujours le prix de la nouveauté; chaque Maître de Musique donne à ce Poëte une nouvelle expression, une nouvelle grace; tel sentiment négligé par l'un est embelli par l'autre; telle pensée affoiblie par Sur la Danse. celui-ci est rendue avec énergie par celui-là; tel beau vers énervé parGronne* est peint avec des traits de feu & de génie par Hasse.** L'avantage sans doute eût été certain non seulement pour la Danse, mais encore pour les autres Arts qui concourent aux charmes & à la perfection de l'Opéra, si le célebre Rameau avoit pu, sans offenser les Nestors du siecle & cette foule de gens qui ne voient rien au-dessus deLully, mettre en Musique les chefs- d'œuvres du Pere & du Créateur de la Poésie lyrique. Cet homme d'un génie vaste & sublime embrassoit toutes les parties à la fois; ses compositions sont ou peuvent être aisément le triomphe* Maître de Musique du Roi de Prusse.** Maître de Chapelle du Roi de Pologne, Electeur de Saxe.Lettres des Arts; tout est beau, tout est grand, tout est harmonieux; chaque Artiste peut en entrant dans les vues de cet Auteur produire des chefs-d'œuvres différents. Maîtres de Musique & de Ballets, Chanteurs & Danseurs, Chœurs, Peintres, Décorateurs, Dessinateurs d'habits, Machinistes, tous également peuvent avoir part à sa gloire. Ce n'est pas que la Danse dans tous les Opéra deQuinault soit généralement bien placée & toujours en action; mais il seroit facile de faire ce que le Poëte anégligé, & de finir ce qui de sa part ne peut être envisagé que comme des ébauches.


26 - Lettres sur la danse /

Le Palatinat, le Wirtemberg, la Saxe, le Brandebourg, l'Autriche & la Boheme fournissent aux Orchestres des Lettres Princes Allemands une quantité d'excellents Musiciens & de grands Compositeurs. Les Peuples de la Germanie naissent avec un goût vif & déterminé pour la Musique; ils portent en eux le germe de l'harmonie, & il est, on ne peut pas plus commun, d'entendre dans les rues & dans les boutiques des Artisans, des Concerts pleins de justesse & de précision. Chacun chante sa partie & compte ses temps avec exactitude; ces Concerts dictés par la simple nature & exécutés par les gens les plus vils ont un ensemble que nous avons de la peine à faire saisir à nos Musiciens François, malgré le bâton de mesure & les contorsions de celui qui en est muni. Cet instrument, ou pour mieux dire cette espece de férule décele l'école & retrace la foiblesse & Sur la Danse. & l'enfance dans laquelle notre Musique étoit plongée, il y a soixante ans. Les Etrangers accoutumés à entendre des Orchestres bien plus nombreuses que les nôtres, bien plus variées en instruments & infiniment plus riches en Musique savante & difficultueuse, ne peuvent s'accoutumer à ce bâton, sceptre de l'ignorance qui fut inventé pour conduire des talents naissants; ce hochet de la Musique au berceau, paroît inutile dans l'adolescence de cet Art. L'Orchestre de l'Opéra, est sans contredit le centre & la réunion des Musiciens habiles; il n'est plus nécessaire de les avertir comme autrefois qu'il y a deux dieses à la Clef. Je crois donc, Monsieur, que cet instrument sans doute utile dans les temps d'ignorance, ne l'est plus dans un sie- Lettres cle où les beaux arts tendent à la perfection. Le bruit désagréable & dissonant qu'il produit, lorsque le Préfet de la Musique entre dansl'enthousiasme, & qu'il brise le pupitre, distrait l'oreille du Spectateur, coupe l'harmonie, altere le chant des Airs, & s'oppose à toute impression.


27 - Lettres sur la danse /

La Danse est variée à l'infini dans toutes les Provinces de la Germanie. La maniere de danser qui regne dans un Village est presque étrangere dans le Hameau voisin. Les airs mêmes destinés à leurs réjouissances ont un caractere & un mouvement différents, quoiqu'ils portent tous celui de la gaieté. Leur Danse est séduisante, parcequ'elle tient tout de la nature: leurs mouvements ne respirent que la joie & le plaisir, & la précision avec laquelle ils exécutent, donne un agrément particulier à leurs attitudes, à leurs pas & à leurs gestes. Est-il question de sauter? cent personnes autour d'un chêne ou d'un pilier prennent leurs temps dans Lettres le même instant, s'élévent avec la même justesse & retombent avec la même exactitude. Faut-il marquer la mesure par un coup de pied? tous sont d'accord pour le frapper ensemble. Enlevent-ils leurs femmes? on les voit toutes en l'air à des hauteurs égales, & ils ne les laissent tomber que sur la note sensible de la mesure.


28 - Discours historique sur l'apocalypse /

Die Italiener sind in diesem Punckt viel klüger gewesen als wir. Ihrer alten Musik sind sie nicht sehr getreu, aber desto getreuer ihrem Metastasio, sie haben ihn von allen Kapell meistern die Talente haben, komponiren lassen, und thun es noch täglich. Die Deutschen Höfe, Spanien, Portugal und England haben dieselbe Achtung für diesen grossen Dichter beybehalten. Die Musik variirt unendlich, und die Worte, ob sie gleich immer dieselben sind, haben doch allemal den Werth der Neuheit; jeder Musikus giebt diesem Dichter neuen Ausdruck und neue Anmuth; einer vernachläßiget diese oder jeneEmpfindung, ein anderer verschönert sie; dieser schwächt einen gewissen Gedanken und jener trägt ihn mit Nachdruck vor; der schöne Vers wird durch Graun (*) matt gemacht, und Hasse (**) mahlt ihn mit Feuer und Genie.(*) Kapellmeister Sr. Preußischen Majest.(**) Kapellmeister Sr. Polnischen Majest. und Churfürsten von Sachsen. Nicht der Tanz allein, sondern alle andern Künste, die zur Schönheit und Vollkommenheit der Oper etwas beytragen, würden unendlich dabey gewonnen haben, wenn der berühmteRameau, ohne die Nestors seiner Zeit und den Schwarm von Leuten, die nichts über Lülly kennen, zu beleidigen, die Meisterstücke des Vaters und Schöpfers der lyrischen Poesie hätte in Musik setzen können. Dieser Mann hatte ein uneingeschränktes und erhabnes Genie und umfaßte alle Theile mit einmal; seine Kompositions sind oder können doch leicht der Triumph der Künste werden; alles ist groß, alles harmonisch; jeder Artist, wenn er mit diesem Autor gemeinschaftliche Sache macht, kann Meisterstücke von verschiedner Art hervorbringen. Musikus, Balletmeister, Sänger und Tänzer, Chöre, Mahler, Erfinder der Dekoration, Kleidungen und Maschinerie können alle Antheil an seinem Ruhme haben. Ich behaupte keinesweges, daß der Tanz in allen Opern von Quineault durchaus nach derNatur eingerichtet und immer in Handlung sey; aber es wäre leicht, das zu ersetzen, was der Dichter versäumt hat, und das vollends auszubilden, was man bloß als die ersten Einfälle ansehn muß, die er nur so hingeworfen.


29 - Discours historique sur l'apocalypse /

Die Pfalz, Schwaben, Sachsen, Brandenburg, Oesterreich und Böhmen geben den Orchestern der deutschen Fürsten eine Menge vortreflicher Instrumentisten, und großer Componisten. Die Deutschen haben von Natur eine lebhafte Neigung zur Musik, der Keim der Harmonie liegt in ihrer Seele, und es ist gar nichts ungewöhnliches, in den Gassen und Werkstellen der Handwerker vollstimmige Lieder singen zu hören. Ein jeder singt seine Partie und hält richtig Tackt; diese, von der Natur gelehrte, und von den gemeinsten Leuten aufgeführte Concerte, haben eine Einheit, die wir Mühe haben unsern französischen Musicis, Trotz dem Stabe und den Haspeleyen des Tacktführers, beyzubringen. Dieses Instrument, oder vielmehr diese Art von Prügel, verräth die Schule und erhält das Andenken der Schwäche und Kindheit, worinn vor sechszig Jahren unsre französische Musik schmachtete. Fremde, welche gewohnt sind, solche Orchestre zu hören, die zahlreicher und mit mehrerley Instrumenten besetzt sind, auch viele gelehrtere und schwerere Musiken ausführen, als die unsrigen, können sich an diesen Stock, an diesen Zepter der Unwissenheit nicht gewöhnen, welcher erfunden ward, die hervorkeimende Kunst zu lenken; diese Kinderklapper für die Musik in der Wiegen, sollte in den Jünglingsjahren dieser Kunst abgeschaft seyn. Das Orchester der Opera ist unstreitig der Mittelpunkt und Sammelplatz der geschickten Instrumentisten; heut zu Tage ist es nicht mehr nöthig, ihnen zuzurufen: Die Herren geben Acht, es kommen zwey Kreutze vor! Ich glaube also, mein Herr, daß dieses Instrument, das in der Zeit der Unwissenheit seinen Nutzen hatte, nunmehr, da die schönen Künste sich der Vollkommenheit nähern, überflüßig, wo nicht beleidigend ist. Sein widriges mißhelliges Getöse, wenn der Musikdirektor in Hitze geräth und das Pult zerklopft, zerstreut das Ohr des Zuschauers>, stört die Harmonie, übertäubt den Gesang der Arien, und hindert allem Eindrucke.


30 - Discours historique sur l'apocalypse /

Der Tanz ist in den deutschen Provinzen bis ins Unendliche verschieden. Die Tanzart, welche in einem Dorfe herrscht, ist in dem benachbarten fast unbekannt. Selbst ihre Tanzmelodien haben verschiedne Charaktere und Bewegungen, ob sie gleich alle munter sind. Ihr Tanzen hat was reitzendes, weil es ein bloßes Werk der Natur ist. Ihre Bewegungen athmen Freude und Vergnügen, und die Genauigkeit, womit sie Tackt halten, giebt ihren Stellungen, Schritten und Gebehrden eine besondre Anmuth. Komm[***]t es aufs Springen an? so können Sie bey hundert Personen um eine Eiche oder einen Pfeiler finden, welche in eben demselben Augenblicke ihren Satz nehmen, sich mit Richtigkeit in die Höhe heben, und mit derselben Genauigkeit wieder niederfallen. Sollen gewisse Tacktnoten mit dem Fuße angezeigt werden? so sind alle einig und schlagen sie zugleich. Heben sie ihre Tänzerinnen, so sieht man solche alle zu gleicher Zeit in einerley Höhe, und sie lassen solche nicht ehe, als bey der markirten Note wieder nieder.