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VII. Ob gleich die Handlungen, durch das moralische Gefühl, den grössten Einflus auf unser Glück oder Elend haben: so ist doch klar, daß die Seele, in manchen Kräften des Körpers und des Geistes, noch andere Vortreflichkeiten wahrnimmt. Wir müssen sie entweder in uns selbst oder in an dern bewundern, und wir finden, an gewissen Ue bungen derselben, Vergnügen, ohne sie als morali sche Tugenden anzusehen. Wir vermengen die Worte oft zu sehr, und wir suchen nicht, die ver schiedenen Empfindungen der Seele, mit gehöriger Unterscheidung auszudrücken. Wir wollen für unsere Urtheile über solche Fähigkeiten, Neigungen und die daraus fliessenden Handlungen, die wir für tugendhaft halten, den Nahmen des moralischen Beyfalls beybehalten. Wir finden, daß dieser Bey fall eine Empfindung ist, die sich von der Be wunderung und dem Wohlgefallen unterscheidet, welchen wir an verschiedenen andern Kräften und Fähigkeiten haben. Wir werden auch durch ein Gefühl der Anständigkeit und der Würde vergnügt. Dieses Gefühl ist uns ebenfalls natürlich, aber von dem moralischen Beyfall ganz und gar unter schieden. Wir kennen nicht nur den Nutzen, welEmpfindungskräften. 77Zweyter Abschnitt.chen diese schätzbaren Kräfte und ihrer Uebung, ih ren Besitzern gewähren; sondern sie bringen auch die angenehmen Bewegungen der Bewunderungund des Wohlgefallens, in verschiedenen Graden, hervor. Solchergestalt ist Schönheit, Stärke, Geschwindigkeit, Leichtigkeit des Körpers anständi ger und schätzbarer, als ein starker gefrässiger Ma gen, oder ein Geschmack, der sich auf gute Spei sen versteht. Man sieht männlichen Belustigun gen, dem Reiten und Jagen, mit mehrerem Ver gnügen und Gefallen zu, als dem Essen und Trin ken, wenn es auch mässig geschieht. Eine Ge schicklichkeit in diesen männlichen Uebungen ist oft hochzuschätzen; dahingegen ein Hang zur blosen Sinnlichkeit auch selbst alsdenn Verachtung verdient, wenn er nicht zu Ausschweifungen verlei tet, und, auf das gelindeste zu reden, nur unschul dig ist. Ja es kan sich in der Gestalt des Leibes, in den Geberden, in den Bewegungen, entweder etwas anständiges und edles, oder etwas unan ständiges und unedles äussern, ohne, daß sich die Hoffnung eines Vortheils in das Urtheil der Zu schauer mischt.


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XII. Da die Ordnung, Grösse, die regel mäsige Einrichtung und Bewegung in der sichtba ren Welt die Seele mit Bewunderung erfüllet; da die verschiedenen Classen der Thiere und Pflanzen, Empfindungskräften. 87Zweyter Abschnitt. in ihrer ganzen natürlichen Beschaffenheit, die vor treflichste Kunst, den regelmäsigsten Bau, die deut lichsten Absichten, und die bequemsten Mittel zu ge wissen Endzwecken zeigen: so müssen aufmerksame und nachdenkende Menschen ein oder mehrere ver nünftige Wesen, wahrnehmen, von welchen alle diese weise Ordnung und diese Pracht abhängt. Das Grosse und Schöne erfüllt die Seele mit Ehr furcht, und es veranlasset uns, zu schliessen, daß dasselbe unter einem vernünftigen Geiste stehe, und von ihm geordnet werde. Eine sorgfältige Be trachtung unserer eigenen Natur und ihrer Kräfte leitet uns zu eben dieser Folgerung. Unser mora lisches Gefühl, unsre Empfindung von Güte und Tugend, von Kunst und Absicht; unsre Erfahrung, daß es eine moralische Auftheilung in uns gebe, nach welcher Glück und Unglück auf Tugend und Laster unmittelbar folgt; und daß eine gleiche Austheilung auch in äusserlichen Dingen, vermit telst einer natürlichen Richtung, vorhanden sey; alles dieses mus uns eine moralische Regierung in der Welt entdecken. Und da die Menschen geneigt sind, ihre Wissenschaften, Erfindungen und Muth massungen einander mitzutheilen: so müssen die Be griffe von einer Gottheit und Vorsehung bald aus gebreitet werden, und eine geringe Anwendung der Vernunft wird sie zur völligen Ueberzeugung füh ren. Auf diese Art wird eine gewisse Gottesfurcht und Frömmigkeit gemein werden, von der man mit Recht sagen kan, daß sie einem vernünftigen Sy stem natürlich sey. Eine frühzeitige Offenbarungund eine von Zeit zu Zeit fortgeführte Erzählung ErstesBuch.88 Von den feinern ist der menschlichen Erfindung hierinnen zuvorge kommen; aber diese allein würden kaum den Glau ben so allgemein gemacht haben, wenn ihnen die augenscheinlichen Gründe, welche in den Werken der Natur liegen, nicht geholfen hätten. Die Begriffe von der Gottheit und eine Art der Anbe tung sind wirklich unter den Menschen allemal eben so gemein gewesen, als das gesellschaftliche Leben, der Gebrauch der Sprache, oder auch die Fort pflanzung ihres Geschlechts; und also müssen sie für natürlich gehalten werden.


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Ferner, ungeachtet der Beyfall, welchen wirNoch darin nen, daß sie das morali sche Gefühl vergnügt.der moralischen Vortreflichkeit zugestehen, eine ange nehme Handlung oder Empfindung der Seele ist: so ist doch offenbar, daß das Gute, welches unsern Beyfall erhält, keineswegs das Bestreben ist, uns eine angenehme Empfindung zu verschaffen. Wenn uns eine schöne Gestalt gefällt, und wir die Schön heit dem Gegenstand zuschreiben: so sagen wir nicht, daß er um deswillen schön sey, weil wir bey dem Anblick desselben einiges Vergnügen em pfanden; sondern wir sind durch diesen Anblick um deswillen vergnügt worden, weil er, ehe wir ihn noch sahen, bereits schön war. Auf gleiche Art finden wir, bey der Bewunderung der Tugend ei nes andern, daß die ganze Vortreflichkeit oder die ErstesBuch.112 Von dem moralischen Gefühl, Eigenschaft, deren Billigung uns die Natur vor schreibt, in diesem andern liegt; und wir werden durch die Betrachtung derselben deswegen vergnügt, weil der Gegenstand vortreflich ist; hingegen wird der Gegenstand nicht aus der Ursache für vortreflich angesehen, weil er uns vergnügt hat.


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Kan dieses die einzige lezte Bestimmung, derEine andre lezte Bestim mung des Willens in Absicht auf das gemeine Beste.einzige lezte Endzweck seyn, welchem die Seele, bey Ausübung ihrer edelsten Kräfte, mit einem innern Beyfall, vorsätzlich entgegen zu handeln sich ent schliessen kan? Hat man keine Beyspiele von Men schen, welche, ohne an einen künftigen Zustand zu denken, ihr Leben, zum Besten ihrer Freunde oder ihres Vaterlandes, willig aufgeopfert haben? Wird nicht diese Gemüthsart und dieses Verhalten von einem jeden Herzen gebilliget und desto mehr bewun dert, je weniger man muthmassen kan, daß die Lie be der Ehre und des Nachruhms, oder ein andrer Eigennutz sich unter die grosmüthigen Neigungen gemischt habe? Nimmt nicht die Bewunderungdesto mehr zu, wenn solche Entschliessungen, mit Ueberlegung, gefasset und ausgeführet werden? Al les dieses ist ganz unstreitig wahr; und dennoch würde dieses alles seltsam und unmöglich seyn, woferne der Eigennutz der einzige lezte Endzweck eines jeden ruhigen Verlangens seyn sollte. Es ist dahero eine andre lezte Bestimmung vorhan den, deren unsre Seelen fähig sind, und welche bestimmt ist, die ursprüngliche Quelle der ruhig sten und überlegtesten Handlungen zu seyn; ein Verlangen, andre glücklich zu machen, eine lezte Wohlgewogenheit, welche auf keinen eigenen ErstesBuch.144 Von dem moralischen Gefühl, Vortheil sich bezieht, und oft, ohne eine solche Be ziehung, wirkt.


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Ueberdieses kan die Vorstellung, daß meine Gesinnungen und mein Verhalten das Beste ande rer befördern, nach ihrem System für mich nichts unmittelbar Angenehmes haben. Kan diese kalte und ungewisse Hofnung eines Gegendienstes, oder Vortheils, welche man den eigennützigen Kunstgriffen anderer verdanken soll, bey einem un zweifelhaften und gewissen Aufwand, bey gewissen Bemühungen, bey gewissen Wunden, bey einem ErstesBuch.150 Das Gefühl der Ehr und Schande, gewissen Tode einigen Reitz haben? Woher ent stünde denn die Liebe zum Nachruhm? Alles die ses ist ungeheuer und unnatürlich. Ist alle unsre Bewunderung, des Tapfern, des Mitleidigen, des Uneigennützigen, des Edelmüthigen; ist der Ei fer, mit welchem wir an ihrem Schicksal Theil nehmen; ist unsre Liebe, ist unser heftiger Trieb zur Ehre; ist dieses nichts weiter, als ein solcher kaltsinniger Handel, ein solcher gekünstelter Tausch von eigennützigen Dienstleistungen, ohne einen ausdrücklichen Vertrag? Wir berufen uns hierin nen auf ein jedes menschliches Herz; auf das Herz der Jugend, welche am begierigsten ist, zu loben, und über ein erhaltenes Lob sich am meisten freuet; und welche von dem niedrigen Eigennutz am we nigsten weis. Ist alle Hochachtung und Ehre blos eine kalte Vorstellung, daß wir von einigen Handlungen und Neigungen Vortheile einerndten werden? Ist das verwirrende Gefühl der Schaam, und die Erröthung nichts, als die Furcht eines ungewissen Verlusts, von welchem wir nicht wissen, was er sey, oder wie er uns begegnen wird? Sind sich nicht die Menschen ihrer eigenen Entschlüsse, die Ehre zu suchen; ihrer eigenen Sorgfalt, das zu vermeiden, worüber man sich zu schämen hat; und der Veranlassung des Schmer zes, wenn sie beschämt worden sind, bewust? Ge wis, diese gekünstelten Absichten auf unsern Vor theil könten uns nicht unbekant seyn.


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Das vornehmste Vergnügen der Mahlerey, der Dichtkunst und der Macht der Beredsamkeit entspringt aus ähnlichen Qvellen<Quellen>. Die Geschichte, welche uns den moralischen Character und die Glücksumstände der Grossen und ganzer Völker schaften vorstellet, beschäftigt unser moralisches Gefühl, und unsre geselligen Empfindungen bey dem Schicksal anderer. Die Dichtkunst unterhält uns auf eine noch rührendere Art, wenn sie uns eben dergleichen Gegenstände in erdichteten Chara ctern lebhaft vorstellet, und unser Schrecken, Mit leiden, und moralische Bewunderung erreget. Die Macht des Redners besteht darinnen, daß er uns Beyfall oder Verwerfung abnöthigt, und die daher fliessenden Neigungen der Achtung oder des Unwillens erregt, wenn er alle moralische Eigen schaften der Handlungen und Character; alle mit leidenswürdige Nebenumstände, welche einen Feh ler vermindern oder entschuldigen, und unsre Ge wogenheit gewinnen können; alles, was die Schuld und ihre Gleichförmigkeit. 157Fünfter Abschnitt. vergrössert, und unsern Unwillen verstärket, voll kommen vorstellt, und sowohl bey Lob als Tadel die lebhaftesten Farben anwendet.


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Eine völlige Ueberzeugung, daß die Tugendvortreflicher und wichtiger sey, als andre VergnügunRichtige. Begriffe von der Tugend sind zur Glückselig keit noth wendig.gen, wenn wir anders von denselben richtige Begriffe haben, mus uns allemal vielen Vortheil verschaf fen. Die Meinung wird die genaueste Prüfung aushalten, wie wir hernachmals zeigen wollen; und dieses Vergnügen ist unsrer Gewalt. Allein, die ungleiche Bewunderung einiger Arten von ein geschränkteren Tugenden, und einiger moralischen Gegenstände einer niedern Art, dergleichen blose Tapferkeit, ein Eifer, für die Wahrheit und für ein besonders System von Lehrsätzen der Religion sind, werden die Menschen zu bösen Neigungen und zu abscheulichen Handlungen verleiten, wenn sie die edlern Gegenstände, welche einen allgemeinen gu ten Einflus haben, ganz aus den Augen setzten. Keine natürliche Empfindung oder Begierde ist ohne Nutzen, wenn wir richtige Begriffe davon haben; allein sind dieselben falsch: so können einige von den besten Neigungen und Empfindungen schädlich werden. Unser moralisches Gefühl und die liebreichen Neigungen führen uns an, die bösen zu verwerfen, und ihren Absichten zu widerstehen; ja ihre gänzliche Ausrottung zu wünschen, wenn wir wahrnehmen, daß sie den Verlust anderer, die besser sind, als dieselben, unvermeidlich nach sich ziehen. Diese Grundtriebe nebst dem Zorn und Unwillen, welcher in uns gegen dasjenige, was böse zu seyn scheinet, natürlicher Weise entstehet, können uns zu einem überlegten Has und Abscheu vieler Menschen, die wir fälschlich für lasterhaft halten, verleiten, und Anlas geben, daß wir ihnen ErstesBuch.186 Unsre Gewalt über Empfindungen, eben so, wie sie uns, auf eine boshafte Vernichtung andern umzugehen scheinen.


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Höhere Wesen können durch göttlichere FäWelche Menschen am besten ur theilen kön nen.higkeiten und eine vollkommenere Erkäntnis beur theilen, welches die edelsten sind, ohne alle Arten genossen zu haben. Sie können eine anschauende Erkäntnis der Vollkommenheit, und ein gewisses Maas derselben haben, nach welchem sie die niedriErstesBuch.202 Vergleichunggern, ihnen unnütze, Arten empfinden können. Allein unter den Menschen sind diejenigen die besten Richter, welche durch ihre Empfindungen und Be gierden, die in einem natürlichen lebhaften Zustan de sind, die meiste Erfahrung erlangt haben. Man hat niemals behauptet, daß gesellige Neigungen, die Bewunderung der moralischen Vortreflichkeit, das Verlangen hochgeachtet zu werden, mit der Mässi gung, welche die Begleiterin und Aufseherin derselben ist, die Bestrebungen nach Wissenschaft, eine natürli che Thätigkeit; einige Empfindungen oder Begier den verminderten. Man kan dieses oft mit Rechte, der Ueppigkeit, Wollust und Trägheit schuld geben. Die höchsten sinnlichen Vergnügungen werden von denjenigen empfunden, welche alle Kräfte ihres Körpers und ihrer Seele zu geselligen tugendhaften Pflichten beständig anwenden, und die natürlichen Begierden zu der ihnen bestimmten Zeit wiederkom men lassen. Solche Leute sind unstreitig die besten Richter aller Vergnügungen, nach dem Grundsatz, welchen Aristoteles so oft einschärft: „Der Tugend hafte ist am geschicktesten, alle Dinge zu beurthei len und ihren Werth zu bestimmen.


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Unüberlegte Bewunderungen einiger par teyischer moralischer Eigenschaften, und einige ge ringere Neigungen, ohne richtige Begriffe von unsrer verschiedenen Vergnügungen. 219Siebender Abschnitt. dem Verdienst der Personen und dem Werth der Sachen, können uns zu einem Verhalten verleiten, welches uns, bey einer bessern Erkäntnis, beschämet und den Vorwürfen unsers Gewissens aussetzet. Allein, wenn wir durch Nachsinnen und Ueberle gung richtige Begriffe von der Tugend und dem Ver dienst, und von den sichersten Mitteln Gutes zu thun, erlangt haben: so sind die tugendhaften Handlungen, welche die natürlichen Bestrebungen vernünftiger und geselliger Wesen sind, und ihre höchste Glückseligkeit befördern, allemal in unserer Gewalt.


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XIV. Unsre höhern Empsindungen<Empfindungen>, durch wel che wir die Vergnügungen der Einbildungskrafterhalten, lassen weit weniger Schmerz, als Ver gnügen zu, wenn die Seele in einer guten Verfas sung ist. Die Häslichkeit und Gebrechlichkeit des Körpers kan der Person, die so unglücklich ist, sehr unangenehm seyn; und auf gleiche Art kan die Nie derträchtigkeit und der Mangel der Anständigkeit und einer ordentlichen Lebensart denjenigen, welche ein hohes Verlangen darnach tragen, und Begrif fe von Glückseligkeit damit verbinden, Misvergnü gen verursachen. Allein es gehet vor dieser Einunsrer verschiedenen Vergnügungen. 233Siebender Abschnitt.bildung eines grossen Gutes in den Gegenständen kein unruhiger Antrieb vorher, wie vor den Be gierden, und die Verbesserung dieser Einbildungen kan allen Schmerz aus dem Wege räumen, be sonders, wenn edlere Freuden den Mangel dieser Vergnügungeu<Vergnügungen> ersetzen. So bringen Schönheit, Harmonie, sinnreiche Werke der Kunst, und ge schickte Nachahmungen aller Arten, wirklich hohe Vergnügnngen<Vergnügungen> hervor; dahingegen die Häslich lichkeit der äusserlichen Gegenstände, Mishelligkeit, schlechte Nachahmungen oder ungeschickte Werke der Kunst kein anderes Misvergnügen verursachen, als die geringe Art desselben, welche von einer fehlge schlagenen Erwartung in einer Sache, die im menschlichen Leben keinen Nutzen hat, entstehet. Die Wissenschaft wird von dem angenehmsten Ver gnügen begleitet; allein, der Mangel derselben bringt eher kein Misvergnügen hervor, als bis ein hohes Verlangen darnach und eine Bewunderungderselben, oder die Furcht, daß dieser Mangel uns zur Schande gereichen werde, vorhanden ist. Die unangenehme Empfindung, welche von dem Man gel eines prächtigen und wohleingerichteten Lebens entstehet, ist auch bey einer erhitzten Einbildungs kraft erträglicher, als der körperliche Schmerz, oder das sympathetische Misvergnügen, oder das Gefühl einer moralischen Schändlichkeit und Unehre; und dieses rührt von einer weisen und gerechten Ein richtung her, da diese andern Empfindungen die Ab sicht haben, die Menschen für Uebeln, welche dem ganzen System schädlicher sind, zu bewahren. Wenn zuweilen einige Menschen, durch einen ErstesBuch.234 Vergleichung unmässigen Aufwand auf äusserliche Pracht und Schönheit, ihre Freunde, Familien, oder ihr Va terland, manchen Uebeln aussetzen: so werden die entfernten Widerwärtigkeiten anderer nicht vermu thet, oder nicht erwogen; man hoft auf neue Freun de, auf eine Unterstützung; auf eine vortheilhafte Beförderung, welche man durch die Freundschaft der Grossen zu erhalten denkt; die nahen Uebel werden nicht befürchtet, und die Schuld wird nicht bemerkt.


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Wenn wir von der Gottheit richtige Begrif fe erlangen wollen: so müssen wir vorher von ihrem Daseyn überzeugt seyn. Die Welt ist allemal dar innen einig gewesen, daß entweder ein höherer Geist sey, welcher grosse Erkäntnis und Macht besitze, und den Angelegenheiten der Menschen vor stehe, oder daß mehrere Geister von diesen Voll kommenheiten seyn müssen. Es ist kein Zweifel, daß nicht eine von Geschlechtern zu Geschlechtern fortgepflanzte Erzählung vieles dazu beygetragen habe, diese Ueberzeugung auszubreiten. Die Er fahrung einiger Uebel von unbekanten Ursachen, die Furcht vor denselben, und das Verlangen einer weitern Beschützung gegen sie, wenn alle sichtbare Kräfte dazu nicht hinlänglich gewesen, mögen ei nige Menschen auf diese Untersuchung gebracht haund Begriffe von seiner Natur. 267Neunter Abschnitt.ben. Die natürliche Begeisterung und Bewunde rung, welche aus der Betrachtung der grossen und schönen Werke der Natur entstehet, können die Neugier andrer gereizt haben, ihren Ursprung zu untersuchen: und dieses ist wahrscheinlicher Weise der allgemeinste Bewegungsgrund gewesen. Al lein die Gewisheit einer Lehre hängt nicht von dem Bewegungsgrund, zur Untersuchung derselben, ab, sondern von der Gültigkeit der Beweise; und der Werth derselben wird nach der Wichtigkeit des Ein flusses, den sie auf unsre Glückseligkeit haben, be stimmt. Eitelkeit oder Geitz können einige bewo gen haben, die Geometrie zu erlernen; allein nie mand wird, aus dieser Ursache, die Wissenschaftselbst verachten, oder sie für weniger gewis oder nützlich halten. Wir werden die vornehmsten Be weisthümer des Daseyns der Gottheit kürzlich an führen. Die ganze natürliche Erkäntnis oder na türliche Geschichte ist eine Sammlnng<Sammlung> der unwider sprechlichsten Beweise derselben.


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Bey dieser Streitigkeit führen einige alle RuchDie Ursa chen des Jrr thums hier innen.losigkeiten und alle Widerwärtigkeiten an, die sie gese hen, und wovon sie gehört oder gelesen haben. Krie ge, Mordthaten, Seeräubereyen, Zerstörungen der Städte, Verheerungen ganzer Länder, grausame Hin richtungen, Kreuzzüge, die heilige Inquisition; alle Betrügereyen und Bosheiten, die vor Gerichte vor gehen; alle Verderbnis, Falschheit, Verstellung, Undankbarkeit, verrätherische Verkleinerungen, Lästerungen und Ausschweifungen an Höfen; als ob diese die gemeinsten Beschäftigungen des mensch lichen Geschlechts wären, oder als ob ein grosser Theil der Menschen vermöge ihres Berufs zu diesen Dingen versehen wären. Die Gefängnisse und Hospitäler, die Wohnungen der Verbrecher und Kranken, waren niemals so volkreich, als die Städte, worinnen sie stehen: sie enthalten kaum den tausenden Theil eines Staats. Miltons Be schreibung eines Krankenhauses mus das härteste Herz rühren: allein wer wird die Gesundheit eines Volks nach einem Krankenhause beurtheilen? Pflan zen oder beseelte Geschöpfe, die unnatürlich gebildet sind, werden lange Zeit zur Unterhaltung der neugieri gen aufbehalten; die Seltenheit macht, daß wir uns mit der Betrachtung derselben beschäftigen und gerne davon reden. Allein Millionen regelmässige Gestalten sind, gegen eine unregelmässige, vorhan den; sie sind so gemein, daß sie weder AufmerkErstes Buch.304 Die Pflichten gegen Gott,samkeit noch Bewunderung rege machen. Wir be halten eine lebhafte Erinnerung an eine harte Krankheit oder Gefahr, welcher wir entgangen sind, an ein schreckliches Unglück, oder an einen Betrug: unsre Seelen werden von Kriegen, Blutvergiessen, Ermordungen, Seuchen, durchdrungen: sie ver gessen die ungleich grössere Anzahl derjenigen, wel che diesen Uebeln entgangen sind, und die gewöhn liche Ruhe des Lebens geniessen. Diejenigen, wel che diese Uebel erfahren, haben selten grössere Schmerzen, als diejenigen sind, welche einen na türlichen Tod begleiten, und sie machen nicht den vierzigsten Theil des menschlichen Geschlechts aus. Kaum fünf mal hundert tausend Menschen sind in einem Jahrhunderte der Brittischen Geschichte, durch diese Uebel umgekommen; und vierzigmal so viel sind denselben, auch in den schlimmsten Zeiten, entgangen.


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Da die Ueberzeugung von der Güte Gottesder grosse Grund unsrer Glückseligkeit und die vor nehmste Stütze der Tugend ist: so haben wir uns bey dieser Materie lange aufgehalten, ob wir gleich mehr die Qvellen<Quellen> der Ueberzeugung angezeigt, als sie in ihr völliges Licht gesetzet haben. Wir müs sen die andern Eigenschaften des höchsten Geistesnoch kürzlich berühren, damit nicht einige irrige Meinungen von denselben die tiefe Verehrung und Bewunderung, die wir seiner Vortreflichkeit schul dig sind, schwächen möge.


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Hierbey ist unser moralisches Gefühl von grösserm Nutzen, als bey irgend einer andern Gele genheit. Es bestimmt nicht nur die Neigungen, welche diesen Vollkommenheiten gemäs sind, sonDie Verehrung der Gottheit. 323Zehnter Abschnitt.dern es empfiehlt und gebietet sie auch als solche, die zu einem guten Character schlechterdings erfordert werden; und es verdammt den Mangel derselben eben so wohl, als die Abwesenheit der Neigungen gegen unsre Nebengeschöpfe. Ja es zeigt, daß die Neigungen gegen Gott, aus einer heiligern Ver bindlichkeit, herrühren müssen. Das moralischeGefühl selbst scheint der besondre Theil unsrer Na tur zu seyn, welcher am meisten geschickt ist, diese Uebereinstimmung einer jeden vernünftigen Seele mit der grossen Quelle unsers Wesens und aller Vollkommenheiten, zu befördern, da es alle mora lische Vortreflichkeit unmittelbar billigt, die Seele mit der Liebe derselben erfüllt, und dieser Liebe, als der höchsten Vortreflichkeit der Seele, Beyfall giebt. Diese Liebe ist in dem System von unge meinem Nutzen, weil die Bewunderung und Liebe der moralischen Vollkommenheit ein natürlicher Bewegungsgrund zu der Ausübung aller Tu genden ist.


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IV. Die äusserliche Verehrung ist der natürDie Grün de der äusser lichen Ver ehrung.liche Ausdruck dieser frommen Empfindungen und Neigungen. Die bekantesten Gründe dazu sind die se: die Uebung und der Ausdruck aller Empfin dungen und Neigungen macht einen tiefen Eindruck, und befestigt dieselben in der Seele. Ferner, Dankbarkeit, Liebe und Achtung sind Neigungen, die nicht verborgen bleiben wollen, wenn sie lebhaft sind; wir sind von Natur geneigt, sie auszudrü cken, wenn sie auch ihrem Gegenstand keine neue Glückseligkeit verschaffen. Es ist offenbar unsre Pflicht, die Tugend und Glückseligkeit unter andern auszubreiten: unsre Verehrung Gottes in der Gesellschaft, unsre dankbare Erzählung seiner Wohl thaten, unsre Erklärung seiner Natur und Voll kommenheiten, der Ausdruck unsrer Bewunderung, Achtung, Dankbarkeit, und Liebe stellt den GemüErstes Buch.334 Die Verehrung der Gottheit.thern anderer die eigentlichen Bewegungsgründe zu ähnlichen Neigungen vor, und ist, vermöge einer Mittheilung, die in allen unsern Leidenschaftenwahrgenommen wird, auf die Erregung dieser Nei gungen in andern, gerichtet. Die auf diese Art in einer Gesellschaft ausgebreitete Gottesfurcht, ist die mächtigste Abhaltung vom Bösen, und sie giebt jeder geselligen Neigung, jeder Verbind lichkeit zu liebreichen Handlungen, eine neue Stärke.