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46 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Die Natur hat mir Geschmack an der Einfalt gegeben, und ich bemühe mich, diesen Geschmack durch das Lesen der Altenvollkommner zu machen. Das ist mein Geheimniß. Wer den Homer mit ein wenig Genie lieset, wird bey ihm die Quelle, woraus ich schöpfe, mit mehr Zuverlässigkeit finden.


47 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Wenn der Dichter seinen Stoff gut durchgedacht, und seine Handlung wohl zertheilt hat, so wird er jedem von seinen Aufzügen einen besondern Namen geben können: und so wie man in dem Epischen Gedichte sagt, die Herabsteigung zur Hölle, die Leichenspiele, die Zählung des Heeres, die Erscheinung des Geistes, so würde man auch in dem dramatischen Gedichte sagen können, der Aufzug des Argwohns, der Aufzug der Wuth, der Aufzug der Erkennung oder des Opfers. Ich wundere mich sehr, daß die Alten nicht darauf gefallen sind; es würde vollkommen in ihremGeschmacke gewesen seyn. Wenn sie ihren Aufzügen Namen gegeben hätten, so würden sie den Neuern einen Dienst gethan haben; denn diese würden ihnen hierinn nachgeahmet haben, und wenn der Charakter des Aufzuges bestimmt gewesen wäre, so hätte sich der Dichter anstrengen müssen, ihm Genüge zu leisten.


48 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Das ist aber nicht das einzige Exempel, das sich bey diesem Dichter hiervon findet. Als: was macht einer von den Alten auf der Bühne, mittlerweile der andere seinem Sohne sagt, daß sein Vater alles weis, daß er ihn enterben und alle sein Vermögen seiner Tochter geben will?


49 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Unterdessen gestehe ich, wenn die Pantomime auf der Bühne zu einer recht hohen Stuffe der Vollkommenheit gebracht wäre, so könnte man es oft überhoben seyn, sie niederzuschreiben; und das ist vielleicht die Ursache, warum die Alten sie nicht beygeschrieben haben. Aber wie kann einer von unsern Lesern, wenn er schon mit dem Theater nicht unbekannt ist, sie sich wärend dem Lesen selbst denken, wenn er sie niemals in dem Spiele unserer Komödianten gesehen hat? Müßte er nicht selbst ein größrer Schauspieler seyn, als der Komödiant von Profession?


50 - Le Pere de Famille /

Si je ne considérois que moi, je pourrois approuver ce parti. Mais je dois vous ouvrir les yeux sur un temps où je ne serai plus... Cécile, la Nature a ses vues; & si vous regardez bien, vous verrez sa vengeance sur tous ceux qui les ont trompées; les hommes punis du célibat par le vice, les femmes par le mépris & par l'ennui... Vous connoissez les différens états; dites-moi, en est-il un plus triste & moins consi déré que celui d'une fille âgée? Mon enfant, passé trente ans on suppose quelque défaut de corps ou d'esprit à celle qui n'a trouvé personne qui fût tenté de supporter avec elle les peines de la vie. Que cela soit ou non,l'âge avance, les charmes passent, les hommes s'éloignent, la mauvaise humeur prend; on perd ses parens, ses connoissances, ses amis. Une fille surannée n'a plus autour d'elle que des indifférens qui la négligent, ou des ames intéressées qui comptent ses jours. Elle le sent; elle s'en afflige; elle vit sans qu'on la console, & meurt sans qu'on la pleure.


51 - Der Hausvater /

Wenn ich bloß auf mich sehen wollte, so könnte ich mit diesem Vorsatze gar wohl zufrieden seyn. Aber ich muß dir die Zeit zu Gemüthe führen, da ich nicht mehr seyn werde. — Cäcilia, die Natur hat ihre Absichten; und wenn du Achtung geben willst, so wirst du finden, daß sie sich an allen rächet, die ihr diese Absichten fehl schlagen lassen; die Mannspersonen strafet sie, wegen des ehelosen Standes, durch dasLaster, und das Frauenzimmer durch Verachtung und Langeweile. — Du kennest die verschiedenen Stände; sage mir, giebt es einen traurigern, einen ungeachtetern Stand, als den Stand einer betagten Jungfer? Mein Kind, man vermuthet, ein Mädchen müsse entweder Gebrechen des Körpers oder der Seele haben, wenn sie dreyßig Jahr alt geworden ist, ohne eine Person gefunden zu haben, die mit ihr die Mühseligkeiten des Lebens zu ertragen, geneigt gewesen wäre. Dem aber sey wie ihm wolle; das Alter kömmt heran; die Reitze verschwinden; die Mannspersonen entfernen sich; die üble Laune nimmt überhand; man verlieret seine Aeltern, seine Bekannte, seine Freunde. Eine alte Jungfer hat niemanden um sich, als Gleichgültige, die sie verabsäumen, oder Eigennützige, die ihre Tage zehlen. Sie empfindet es; sie betrübt sich darüber; sie lebt, ohne daß sie jemand tröstet, und stirbt, ohne daß sie jemand beweinet.


52 - Fils naturelle /

Nous parlons trop dans nos drames, & conséquemment nos acteurs n'y jouent pas assez. Nous avons perdu un art dont les an- DRAMATIQUE. 163 ciens connoissoient bien les ressources. Le pantomime jouoit autrefois toutes les condi tions, les rois, les héros, les tyrans, les riches, les pauvres, les habitans des villes, ceux de la campagne, choisissant dans chaque état ce qui lui est propre, dans chaque action ce qu'elle a de frappant. Le philosophe Timocrate, qui assistoit un jour à ce spectacle, d'où la sévérité de son caractere l'avoit toujours éloigné, disoit: Quali spectaculo me philosophiæ verecundia privavit? Timocrate avoit une mauvaise honte; & elle a privé le philosophe d'un grand plaisir . Le cynique Démétrius en attribuoit tout l'effet aux instrumens, aux voix, & à la décoration, en présence d'un pantomime qui lui répondit: Regarde-moi jouer seul, & dis, après cela, de mon art tout ce que tu voudras . Les flûtes se taisent: le pantomime joue; & le philosophe transporté, s'écrie: Je ne te vois pas seulement: je t'entends. Tu me parles des mains.


53 - Fils naturelle /

A vous dire vrai, j'ai quelquefois re gretté les masques des anciens; & j'aurois,je crois, supporté plus patiemment les éloges donnés à un beau masque, qu'à un visage déplaisant

54 - Fils naturelle /

Mais dans l'art, ainsi que dans la nature, tout est enchaîné; si l'on se rapproche d'un côté de ce qui est vrai, on s'en rapprochera de beaucoup d'autres. C'est alors que nous verrons sur la scène des situations naturelles qu'une décence ennemie du génie & des grands effets a proscrites, Je ne me lasserai 190 DE LA POÉSIE point de crier à nos François: La Vérité! La Nature! Les Anciens! Sophocle! Philoctete! Le poëte l'a montré sur la scène, couché à l'entrée de sa caverne, & couvert de lambeaux déchirés. Il s'y roule; il y éprouve une attaque de douleur; il y crie; il y fait entendre des voix inarticulées. La décoration étoit sauvage; la piece marchoit sans appareil. Des habits vrais, des discoursvrais, une intrigue simple & naturelle. No- tre goût seroit bien dégradé, si ce spectacle ne nous affectoit pas davantage que celui d'un homme richement vêtu, apprêté dans sa parure.


55 - Fils naturelle /

Il y a une sorte d'unité qu'on cherche sans s'en appercevoir, & à laquelle on se fixe, quand on l'a trouvée. Cette unité ordonne des vêtemens, du ton, du geste, de la contenance, depuis la chaire placée dans les temples, jusqu'aux tréteaux élevés dans les carrefours. Voyez un charlatan au coin de la DRAMATIQUE. 195 place Dauphine; il est bigarré de toutes sortes de couleurs; ses doigts sont chargés de bagues; de longues plumes rouges flottent autour de son chapeau; il mene avec lui un singe ou un ours; il s'éleve sur ses étriers; il crie à pleine tête; il gesticule de la maniere la plus outrée, & toutes ces choses conviennent au lieu, à l'orateur, & à son auditoire. J'ai un peu étudié le systême dra matique des anciens; j'espere vous en entretenir un jour; vous exposer sans partialité sa nature, ses défauts & ses avantages, & vous montrer que ceux qui l'ont attaqué, ne l'avoient pas considéré d'assez près ..... Et l'aventure que vous aviez à me raconter sur nos salles de spectacles?


56 - Fils naturelle /

Je ne l'ai jamais vue. Eh bien! croyez-vous encore que le siecle passé n'a plus rien laissé à faire à celui-ci?


57 - Der natürliche Sohn /

Wir reden in unsern Schauspielen zu viel, und folglich spielen unsere Acteurs nicht genug. Wir haben die Kunst, welche die Alten so vortreflich zu nutzen wußten, ganz verloren. Der Pantomime spielte ehemals alle Stände, Könige, Helden, Reiche, Arme, Städter und Landleute; und wählte aus jedem Stande das, was ihm eigenthumlich war, und aus jeder Action das, was am meisten in die Augen fiel. Der Philosoph Timocrates, der diesem Schauspiele, von welchem ihn sein strenger Charakker sonst entfernt hatte, endlich einmal mit beywohnte, sagte:Quali spectaculo me philosophiae verecundia privavit.Timocrates schämte sich ganz zur Unzeit. Und seine unzeitige Scham, hat den Philosophen eines grossen Vergnügens beraubt.Der Cyniker Demetrius schrieb alle Wirkung davon den Instrumenten, den Stimmen, der Verzierung, in Gegenwart eines Pantomimen, zu, der ihm aber antwortete: Sieh mich erst ganz allein spielen, und alsdenn sage von meiner Kunst, was du willst.Die Flöten schweigen. Der Pantomime spielt, und der entzückte Philosoph ruft aus: Ich sehe dich nicht blos. Ich höre dich. Du sprichst mir mit den Händen.


58 - Der natürliche Sohn /

Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich habe es manchmal bedauert, daß die Masken der Altennicht mehr im Gebrauche sind; und es würde mir, glaube ich, weit erträglicher gewesen seyn, eine schöne Maske, als ein häßliches Gesicht loben zu hören.

59 - Der natürliche Sohn /

In der Kunst aber hängt alles, so wie in der Natur, zusammen; so bald man sich dem Wahren auf einer Seite nähert, nähert man sich ihm zugleichauf verschiednen andern. Alsdenn werden wir auf der Scene eine Menge natürlicher Stellungen erblicken, welche die Wohlanständigkeit, diese Feindindes Genies und aller grossen Wirkungen, davon verbannt hat. Ich will unsern Franzosen unablässig zurufen: die Wahrheit! die Natur! die Alten! Sophokles! Philoktet! Der Dichter hat ihn vor dem Eingange seiner Höhle liegend, und mit zerrissenen Lumpen bedeckt, auf der Bühne gezeigt. Er läßt ihn sich herumwälzen. Er läßt ihn einen Anfall seiner Schmerzen bekommen. Er läßt ihn schreyen. Er läßt ihn unarticulirte Töne von sich geben. Die Verzierung war wild; keine von den artigen Ausstaffirungen, in dem ganzen Stücke. Wahre Kleider; wahre Reden; eine einfache und natürliche Verwicklung. Unser Geschmack müßte sehr verderbt seyn, wenn uns dieser Anblick nicht weit mehr rührte, als der Anblick einer reichgekleideten, ausgeschmückten Person --


60 - Der natürliche Sohn /

Es giebt eine Art von Einheit, die man suchet, ohne es selbst zu wissen, und bey der man fest hält,wenn man sie einmal gefunden hat. Diese Einheit beobachtet man in der Kleidung, in dem Tone, in den Gebehrden, in dem ganzen Betragen, von der Kanzel an bis auf die Gaucklerbuden. Betrachten Sie einmal einen Zahnarzt auf dem Dauphinenplatze; er hat alle mögliche Farben um und an sich; seine Finger strotzen von Ringen; eine grosse rothe Feder wallet um seinen Hut; er führet einen Affen oder einen Bär mit sich herum; er stehet in seinen Steigbügeln; er schreiet aus vollem Halse; er gesticulirt auf die allerübertriebenste Art: und das alles ist dem Orte, dem Redner, und seinen Zuhörern angemessen. Ich habe das dramatische Sy 193stem der Alten ein wenig studieret. Ich denke Sie einmal davon zu unterhalten; Ihnen ohne Partheylichkeit sein Wesen, seine Mängel und seine Vortheile vor Augen zu legen; und Ihnen zu zeigen, daß seine Bestreiter es nicht hinlänglich genug erwogen haben. -- Aber das Abentheuer, das Sie mir, unsere Schauplätze betreffend, erzehlen wollten?