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31 - Von den Trauerspielen /

Wann ich sage, daß man nicht von dem Rechnung zu geben brauche, was die Personen während der Zeit thun, da sie nicht auf der Bühne sind, so will ich da mit nicht leugnen, daß es nicht manchmal sehr gut sey, wenn man Rechnung davon giebt; sondern ich sage nur, daß man nicht darzu verbunden ist, und daß man sich keine Mühe darum geben darf, wenn die Zuschauer das, was hinter der Bühne geschieht, nicht nothwendig wissen müssen, um das zu verstehen, was vor ihren Augen geschehen soll. Ich sage also nicht, was Cleopatra vom zweyten bis zum vierten Aufzuge gethan hat, weil sie während der Zeit nichts kann gethan haben, was in die Haupthandlung, die ich vorbereite, einen Einfluß hätte: ich sage es aber gleich in den ersten Versen des fünften Aufzuges, daß sie die Zeit zwischen den zwey letzten Aufzügen ange wendet hat, den Seleucus umzubringen, weil dieser Tod ein Theil der Handlung ist. Dieses giebt mir Gelegenheit anzumerken, daß der Poet nicht verbun den ist, alle besondre Handlungen, welche zur Haupt handlung führen, dem Zuschauer vor Augen zu stellen. Er muß nur diejenigen wählen, welche am angenehm sten zu sehen sind, entweder wegen des prächtigen An blicks, oder wegen der Stärke der Leidenschaften, die sie hervorbringen, oder auch einer andern Schönheit wegen, die damit verbunden ist: die übrigen muß er von den drey Einheiten. 549hinter die Bühne verbergen, und dem Zuschauer durch eine Erzählung oder durch einen andern Kunstgriff davon Nachricht geben. Vor allen Dingen muß er wohl bedenken, daß sowohl diese als jene in solcher Verbindung mit einander stehen müssen, daß immer die letzten die Wirkungen der vorhergehenden sind, und alle aus der Anlage, welche der erste Aufzug ent halten muß, fließen. Ob diese Regel, die ich also bald in der ersten Abhandlung feste gesetzt habe, gleich neu, und wider die Gewohnheit der Alten ist, so hat sie doch in zwey Stellen des Aristoteles ihren Grund. Die erste ist diese: Es ist, saget er, ein großer Unterschied unter den Begebenheiten, die von einander verursacht werden. Die Mohren kommen im Cid nach dem Tode des Grafen, nicht aber wegen dieses Todes; und der Fischer kommt in dem D. Sancho, nachdem man vermuthet, Carlos sey der arragonische Prinz, nicht aber weil man es vermu thet, und also sind beyde zu verwerfen. Die andre Stelle ist noch entscheidender, und sagt mit ausdrück lichen Worten, daß alles was in dem Trauerspie le vorfällt, nothwendiger oder wahrscheinli er Weise aus dem vorhergegangenen folgen muß.


32 - Von den Trauerspielen /

Aristoteles verlangt, daß ein Trauerspiel ohne Beyhülfe der Schauspieler und außer der Vorstellung, schön und fähig zu gefallen seyn solle. Um demLeser dieses Vergnügen zu erleichtern, muß man seinenGeist eben so wenig anstrengen, als den Geist des Zuschauers; denn die Mühe die er hat, sich alles inGedanken selbst vorzustellen, verringert die Lust, dieer daraus ziehen soll. Ich wollte also rathen, daß der Poet alle kleine Handlungen, die sich nicht der Mühe verlohnen, daß er die Verse damit belästiget, welche durch dergleichen Kleinigkeiten vieles von ihrer von den drey Einheiten. 559 Würde verlieren würden, an dem Rande sorgfältig anmerkte. Auf der Bühne ersetzt sie der Schauspieler gar leicht, in dem Buche aber würde man oftmals rathen müssen, und würde öfters übel rathen,wenn man nicht von diesen kleinen Nebenumständenunterrichtet wäre. Ich gestehe zwar zu, daß die Altendiesen Gebrauch nicht gehabt, man wird mir aber auchzugestehen, daß sie uns, eben deswegen, weil sie ihn nicht gehabt, viel Oerter in ihren Gedichten dunkel gelassen haben, welche nur Meister in der Kunst entwickeln können; obgleich manchmal auch diese nicht, so sehr sie sich es auch einbilden, allzuglücklich sind. Wenn wir den Alten in allen Stücken folgen wollten, so müßte man auch die Aufzüge und Auftritte nicht unterscheiden, weil es die Griechen nicht gethan haben. Der Mangel dieser Unterscheidungen ist oft Schuld, daß man nicht wissen kann, wie viel Aufzügein ihren Stücken sind, noch ob zum Schlusse einesAufzuges der Schauspieler abgeht, um den Chor singen zu lassen, oder ob er, ohne Handlung, so lange dableibt, als man singt; weder sie selbst noch ihre Ausleger haben das geringste hiervon anzumerken für gutbefunden.


33 - Von den Trauerspielen /

Die Alten, welche ihre Könige auf öffentlichen Plätzen reden ließen, konnten in ihren Trauerspielenganz leicht die Einheit des Orts genau beobachten. Gleichwohl hat sich Sophokles in seinem Ajax nichtdarnach gerichtet; denn er läßt ihn von der Bühneabgehen, einen abgelegenen Ort, wo er sich tödtenkönne, zu suchen, und tödtet sich hernach gleichwohlvor den Augen des Volks, woraus man leicht schließen kann, daß der Ort, wo er sich tödtet, nicht der seyn kann, den er verlassen hat, weil er ihn nur darum verläßt, damit er einen andern suchen kann.


34 - Von den Trauerspielen /

Es werden sehr viele von meinen Stücken zu tadeln seyn, wenn man diese Erweiterung nicht verstattet, mit der ich mich künftig allezeit begnügen werde,wenn ich den Regeln nach der äußersten Strengenicht genug thun kann; welches mir nur in drey Stücken in den Horaziern, im Polyeuct und im Pompejus geglückt ist. Wenn ich mir in den übrigen allzu viel erlaubt habe, so will ich allen denen noch mehr erlauben, deren Werke auf der Bühne Beyfall finden, wenn sie auch nur den geringsten Schein des Regelmäßigen haben. Den Kunstrichtern kann es nicht schwer fallen, strenge zu seyn, wenn sie aber nurzehn bis zwölf Gedichte von dieser Art heraus gebensollten, so würden sie gewiß die Regeln noch viel weiter ausdehnen, als ich es gethan habe, und würdenerkennen, was ihre genaue Befolgung für ein Zwangsey, und wie viel schönes deswegen nicht auf die Bühne gebracht werden kann. Doch dem sey wie ihmwolle; ich habe meine Meynungen oder, wenn man sie so nennen will, meine Ketzereyen nach den Hauptpunkten vorgetragen, und muß gestehen, daß ich die Regeln der Alten mit der Anmuth der Neuern nicht besser zu verbinden gewußt habe. Ich will ganz gern glauben, daß man vielleicht noch beßre Mittel darzu finden könnte; ich werde auch nicht den geringsten Anstand nehmen, ihnen zu folgen, so bald ich sehen

werde, daß man sie so glücklich bewerkstelligenkann, als die meinigen.


35 - La Poésie Dramatique /

O quel bien il en reviendroit aux hommes, si tous les arts d'imitation se proposoient un objet commun, & concouroient un jour avec les loix pour nous faire aimer la vertu & haïr le vice! C'est au Philosophe à les y inviter; c'est à lui à s'adresser au Poëte, au Peintre, au Musicien, & à leur crier avec force: Hommes de génie, pourquoi le Ciel vous a-t-il doués? S'il en est entendu, bientôt les images de la débauche ne couvriront plus les murs de nos palais; nos voix ne seront plus des organes du crime, & le goût & les mœurs y gagneront. Croit-on en effet que l'action de deux époux aveugles qui se chercheroient encore dans un âge avancé, & qui les paupieres humides des larmes de la tendresse, se serreroient les mains, & se caresseroient, pour ainsi dire, au bord du tombeau, ne demanderoit pas le même talent & ne m'intéresseroit pas davantage que le spectacle des plaisirs violens dont leurs sens tout nouveaux s'enivroient dans l'adolescence?


36 - La Poésie Dramatique /

Pour moi, je fais plus de cas d'une passion, d'un caractere qui se dévelope peu-à-peu, & qui finit par se montrer dans toute son énergie, que de ces combinaisons d'incidens dont on forme le tissu d'une piéce où les personnages & les spectateurs sont également ballotés. Il me semble que le bon goût les dédaigne, & que les grands effets ne s'en accommodent pas. Voilà cependant ce que nous appellons du mouvement. Les Anciens en avoient une autre idée. Une conduite simple, une action prise le plus près de sa fin pour que tout fût dans l'extrême, une catastrophe sans cesse imminente & toujours éloignée par une circonstance simple & vraie, des discours énergiques, des passions fortes, des tableaux, un ou deux caracteres fermement dessinés: voilà tout leur appareil. Il n'en falloit pas davantage à Sophocle pour renverser les esprits. Celui à qui la lecture des Anciens a déplu, ne saura jamais combien notre Racine doit au vieil Homere.


37 - La Poésie Dramatique /

Pour moi, je fais plus de cas d'une passion, d'un caractere qui se dévelope peu-à-peu, & qui finit par se montrer dans toute son énergie, que de ces combinaisons d'incidens dont on forme le tissu d'une piéce où les personnages & les spectateurs sont également ballotés. Il me semble que le bon goût les dédaigne, & que les grands effets ne s'en accommodent pas. Voilà cependant ce que nous appellons du mouvement. Les Anciens en avoient une autre idée. Une conduite simple, une action prise le plus près de sa fin pour que tout fût dans l'extrême, une catastrophe sans cesse imminente & toujours éloignée par une circonstance simple & vraie, des discours énergiques, des passions fortes, des tableaux, un ou deux caracteres fermement dessinés: voilà tout leur appareil. Il n'en falloit pas davantage à Sophocle pour renverser les esprits. Celui à qui la lecture des Anciens a déplu, ne saura jamais combien notre Racine doit au vieil Homere.


38 - La Poésie Dramatique /

Les Anciens ont eu des Tragédies où tout étoit de l'invention du Poëte. L'histoire n'offroit pas même les noms des personnages. Et qu'importe, si le Poëte n'excéde pas la vraie mesure du merveilleux?


39 - La Poésie Dramatique /

La nature m'a donné le goût de la simplicité, & je tâche de le perfectionner par la lecture des Anciens. Voilà mon secret. Celui qui liroit Homere avec un peu de génie, y découvriroit bien plus sûrement la source où je puise.


40 - La Poésie Dramatique /

Si un Poëte a bien médité son sujet & bien divisé son action, il n'y aura aucun de ses actes auquel il ne puisse donner un titre: & de même que dans le poëme épique on dit, la descente aux Enfers, les Jeux funebres, le dénombrement de l'armée, l'apparition de l'ombre; on diroit dans le dramatique, l'acte des soupçons, l'acte des fureurs, celui de la reconnoissance ou du sacrifice. Je suis étonné que les Anciens ne s'en soient pas avisés: cela est tout-à-fait dans leur goût. S'ils eussent intitulé leurs actes, ils auroient rendu service aux Modernes, qui n'au- roient pas manqué de les imiter; & le caractere de l'acte fixé, le Poëte auroit été forcé de le remplir.


41 - La Poésie Dramatique /

Mais cet exemple n'est pas le seul qu'il y ait dans ce Poëte. Que fait ailleurs un des vieillards sur la scene, tandis que l'autre va dire à son fils que son pere sait tout, le déshérite, & donne son bien à sa fille?


42 - La Poésie Dramatique /

J'avoue cependant que si la pantomime étoit portée sur la scene à un haut point de perfection, on pourroit souvent se dispenser de l'écrire; & c'est la raison peut-être pour laquelle les anciens ne l'ont pas fait. Mais parmi nous, comment le Lecteur, je parle même de celui qui a quelque habitude du Théatre, la suppléera-t-il en lisant, puisqu'il ne la voit jamais dans le jeu? Seroit-il plus Acteur qu'un Comédien par état?


43 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Ich meines Theils mache weit mehr aus einemAffecte, aus einem Charakter, der sich nach und nach entwickelt und sich endlich in aller seiner Stärke zeiget, als aus allen den künstlichen Verwickelungen, aus denen man Stücke zusammensetzt, in welchen die Zuschauer eben so sehr hin und her geworffen werden, als die Personen. Mich dünkt, der gute Geschmack kann dergleichen Stücke nicht vertragen, und grosse Wirkungen können sie unmöglich haben. Und das ist es gleichwohl, was wirLeben und Bewegung nennen. Die Alten hatten einen ganz andern Begriff davon. Der einfältigste Verlauf; eine Handlung, mit der man kurz vor ihrem Ende anfängt, damit alles bereits aufs äusserste gebracht sey; eine Entwickelung, die alle Augenblicke ausbrechen will und doch immer durch einen ganz schlechten aber wahren Umstand verschoben wird; nachdrückliche Reden; heftige Leidenschaften; Gemählde; ein oder zwey meisterhaft gezeichnete Charaktere: das war ihre ganze Kunst. Mehr brauchte Sophokles nicht, aller Gemüther unter sich zu bringen. Wer keinen Gefallen an den Alten gefunden hat, der wird nie erfahren, wie viel unserRacine dem alten Homer zu danken hat.


44 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Ich meines Theils mache weit mehr aus einemAffecte, aus einem Charakter, der sich nach und nach entwickelt und sich endlich in aller seiner Stärke zeiget, als aus allen den künstlichen Verwickelungen, aus denen man Stücke zusammensetzt, in welchen die Zuschauer eben so sehr hin und her geworffen werden, als die Personen. Mich dünkt, der gute Geschmack kann dergleichen Stücke nicht vertragen, und grosse Wirkungen können sie unmöglich haben. Und das ist es gleichwohl, was wirLeben und Bewegung nennen. Die Alten hatten einen ganz andern Begriff davon. Der einfältigste Verlauf; eine Handlung, mit der man kurz vor ihrem Ende anfängt, damit alles bereits aufs äusserste gebracht sey; eine Entwickelung, die alle Augenblicke ausbrechen will und doch immer durch einen ganz schlechten aber wahren Umstand verschoben wird; nachdrückliche Reden; heftige Leidenschaften; Gemählde; ein oder zwey meisterhaft gezeichnete Charaktere: das war ihre ganze Kunst. Mehr brauchte Sophokles nicht, aller Gemüther unter sich zu bringen. Wer keinen Gefallen an den Alten gefunden hat, der wird nie erfahren, wie viel unserRacine dem alten Homer zu danken hat.


45 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Die Alten hatten Tragödien, in welchen alles von der Erfindung des Dichters war. Die Geschichte hatte nicht einmal die Namen der Personen dazu geliehen. Und was liegt auch daran, wenn der Dichter das wahre Maaß des Wunderbaren nur nicht überschreitet?