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1 - Die Kunst zu lieben /

Im dritten Gesange werden die Eigenschaften beschrieben, die ein Liebhaber haben muß, wenn er gefallen will. Der Dichter fängt mit einer doppelten Allegorie der lasterhaften und nichtigen, und der weisen und dauerhaften Liebe an. Vor allen muß man sich bemühen den Character des geliebten Gegenstandes zu erforschen. Seine Geliebte zu bezwingen, muß man aufmercksam ihr zu gefallen, und von seinem Vorsatze ganz erfüllet seyn; nach ihrem Geiste, nach ihrem Geschmacke muß man sich falten, dencken, lieben, handeln wie sie, und sich ganz in sie verwandeln. Ist sie eine Schülerin der ernsten Weisheit, trägt sie in ihrem Herzen ein langsames Feuer, welches sie bestreitet? Geht nicht allzukühn fort, und schonet ihre Tugend. Vereinigt sie mit der Liebe einen philosophischenGeist? Redet, den Malebranche in der Hand, nichts als Metaphysick. Tadelt sie? Tadelt. Lobt sie? Lobt. Tanzet sie? Tanzet. Singt sie? Singet. Mahlt sie? bewundert ihre Werke. Lieset sie euch ihre Verse? verschwendet die Lobeserhebungen. — — Diese Erforschung der Charaktere muß auf beyden Theilen seyn, und keines muß glauben, der Verstellung berechtiget zu seyn. Wer tugendhaft ist der scheint es, und die Verbergung der wahren Gestalt ist ein gewisser Beweiß von ihrer Häßlichkeit. Man bestrebe sich also durch Verdienste liebenswerth zu werden; aus der Hochachtung entspringt die Liebe; man habe die Gesinnungen und die Aufführung eines Mannes, der die Welt kennet; man trotze nicht auf äusserliche Vortheile, die nur von allzukurzer Dauer sind; man schmücke seinen Geist mit dauerhaftern Reizen; man verbinde mit der Zärtlichkeit des Witzes großmüthige Gesinnungen des Herzens; man fliehe das gezwungene Betragen eines Stutzers; man sey gleichförmig in der Aufführung; man prahle nicht mit Metaphysik und Versen, eine Prahlerey, die der üble Geschmack zu rechtfertigen scheinet; man vermeide den lächerlich kostbaren Ton der Neologisten; man sey kein Lustigmacher, der die geringsten Fehler auch seiner Freunde anfällt; dieWahrheit wohne allezeit auf den Lippen; nie komme ein Ausdruck in den Mund, der die Schamhaftigkeit roth macht und die Unschuld zum Schaudern bringt; man halte sich zu Grossen, deren Umgang die Schule der Tugend und Artigkeit ist. — — Hier ist der Dichter gedoppelt ein Dichter; und die Schmeicheleyen die er diesem und jenen französischen Hofmanne macht, den er mit Namen nennt, sind nicht zu übersetzen. — — Doch die Welt allein bildet einen vollkommenen Menschen nicht. Das Lesen der besten Schriftsteller muß dazu kommen. La Fontaine, Moliere,Racine, Regnard, Nericaut, La Chaussee, Gresset, Chaulieu, Bernis, und wer sie sonst sind, die Mahler, welche Natur und Kunst gebildet hat, die Helden der Gesinnungen, die das edelste Feuer belebt! — — Hiebey vermeide man das französischeVorurtheil, die Nachbarn zu verachten. Es giebt gewisse in ihre Sphäre so eingeschränkte Geister, die nur den Himmelsstrich preisen, unter welchem sie gebohren sind, furchtsam ihren Großältern nachschleichen und nur die Güter loben, die vor ihren Augen wachsen. Für sie ist ausser Paris kein Genie anzutreffen, und das Chaos fängt an, da wo sich Frankreich endet. Leget diesen närrischen Hochmuth, den ihr mit der Milch eingesogen habt, ab. In den wildesten Gegenden giebt es Pilpais. Der abergläubischeSpanier, der selbstmörderischeEngländer haben Sitten und Gaben. Erforschet ihren Geschmack und macht euch der Schätze zu Nutze, welche die Natur andern Ufern vorbehält. — — Dieses sind Lehren, welche klugeFranzosen ihren Landsleuten noch unzähligmal wiederhohlen und unzähligmal umsonst wiederhohlen werden. — — Nunmehr kommt der Dichter auf den Zweykampf, die Frucht des falschen Muths. Er beschreibt alle schreckliche Folgen derselben, und will in einer kleinen Geschichte lehren, wie vermögend ein Frauenzimmer sey, diese Raserey bey Mitbuhlern zu unterdrücken. Auch diese Geschichte will uns im Ganzen nicht gefallen. Wir wollen die Rede eines Frauenzimmers, die in voller Unschuld ihre Liebe entdeckt, daraus hersetzen: Was empfindet man, was will man, wenn man liebt? Belehre mich Zamor, warum mein zitternder Geist, wenn ich mit dir rede, eine ihm sonst unbekannte Verwirrung fühlt. Mein Herz zerfließt, wenn ich dich sehe. Seitdem dich ein Gott in diese Insel führte, begleitet und entzückt mich dein Bild Tag und Nacht. Der zärtliche Eindruck deiner geringsten Reden, wird immer in mir neu, und scheint in mir zu leben. Gestern seufzete ich deiner langen Abwesenheit wegen, als Dorival erschien. — — Ach welcher Unterschied! Ich empfinde das nicht für ihn, was ich für dich empfinde. — — In was für ein Gift würde sich meine Liebe verwandeln, wenn Zamor nicht so sehr liebte, als er geliebet wird.


2 - Reflexions sur comique-lamoryant /

Et ne croyez pas que cet aveu unanime ſoit difficile à prouver. Pre nez Ariſtophanes, Plaute & Téren- ce; parcourez le Théatre Anglois, & les bonnes Pieces du Théatre Ita lien; rappellez-vous enſuite Mo liere & Renard; conciliez ces preu ves de fait avec les déciſions des Lé- giſlateurs de la Scene, avec Ariſtote, Horace, Deſpréaux, le P. Rapin; & vous trouverez les uns & les autres également oppoſés au ſyſtème du comique-plaintif. Vous ſentirez bien des différences néceſſaires dans les mœurs & dans le génie des Poëtes de chaque Nation. Vous trou verez bien, ſuivant la nature des ſu jets, un air néceſſairement grave dans les Pieces qui attaquent les vices du cœur; un mélange de ba dinage & de ſérieux dans celles qui frondent les travers de l'eſprit; en fin un ton purement comique dans celles qui ne ſont deſtinées qu'à peindre le ridicule: Leves ubi licet; graves ubi decet *. Vous verrez encore* Le P.Porée. que l'art n'eſt point obligé de nous faire rire, & qu'il lui ſuffit ſouvent d'aller juſqu'à ce ſentiment intérieur qui dilate l'ame, ſans paſſer à ces mouvemens immodérés qui font éclater: mais vous n'y verrez point ce ton triſte & dolent, & ce roma- neſque lugubre, devenu ſous mes yeux l'idole des femmes & des jeu nes gens: en un mot, cet examen vous convaincra qu'il eſt contre la nature du genre comique de nous faire pleurer ſur nos défauts, même dans la peinture des vices les plus odieux; que le maſque de Thalie ne ſouffre, pour ainſi dire, que des lar mes de joie ou d'amour; & que ceux qui affectent de lui en faire verſer de quaſi-tragiques, peuvent chercher une autre Divinité pour lui adreſſer leurs hommages.


3 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Und man glaube nur nicht, daß diese durchgängige Uebereinstimmung schwer zu beweisen sey. Man nehme den Aristophanes, Plautus und Terenz; man durchlaufe das englische Theater und die guten Stücke des Jtaliänischen; man besinne sich hernach auf den Moliere undRegnard und verbinde diese thätlichen Beweise mit den Entscheidungen der dramatischen Gesetzgeber, des Aristoteles, des Horaz, des Despreaux, des P. Rapins, so wird man die einen sowohl, als die andern, dem System des kläglichKomischen gänzlich zuwider finden. Zwar wird man die nothwendigen Verschiedenheiten zwischen den Sitten und dem Genie der Dichter eines jeden Volks bemerken; zwar wird man, nach Beschaffenheit der Gegenstände, in den Stücken, welche die Laster des Herzens angreifen, einen nothwendig ernsthaften Ton antreffen, so wie man in denen, welche mit den Ungereimtheiten des Verstandes zu thun haben, eine Vermischung des Scherzes und des Ernstes, und in denen, welche nur das Lächerliche schildern sollen, nichts als komische Züge und Wendungen finden wird; zwar wird man sehen, daß die Kunst eben nicht verbunden ist, uns zum Lachen zu bewegen, und daß sie sich oft begnügt, uns weiter nicht als auf diejenige innereEmpfindung, welche die Seele erweitert, zu bringen, ohne uns zu den unmäßigen Bewegungen zu treiben, welche laut ausbrechen: Betrachtungen über das aber jenen traurigen und kläglichen Ton, jenesromanenhafte Gewinsle, welches vor unsern Augen der Abgott des Frauenzimmers und der jungen Leute geworden ist, wird man ganz und gar nicht gewahr werden. Mit einem Worte, diese Untersuchung wird uns überzeugen, daß es wider die Natur der komischen Gattung ist, uns unsre Fehler beweinen zu lassen, es mögen auch noch sohäßlicheLaster geschildert werden; daß Thalia, so zu reden, auf ihrer Maske keine andre Thränen, als Thränen der Freude und der Liebe duldet; und daß diejenigen, welche sie quasi=tragische Thränen wollen vergiessen lassen, sich nur eine andre Gottheit für ihre Opfer suchen können.


4 - Fils naturelle /

Ce n'est pas le précepte; c'est autre chose de plus immédiat, de plus intime, de plus obscur & de plus certain, qui les guide & qui les éclaire. Je ne peux vous dire que cas je fais d'un grand acteur, d'une grande actrice. Combien je serois vain de ce talent, si je l'avois! Isolé sur la surface de la terre, maître de mon sort, libre de préjugés, j'ai voulu une fois être comédien; & qu'on me 170 DE LA POÉSIE réponde du succès de Quinault Dufresne, & je le suis demain. Il n'y a que la médiocrité qui donne du dégoût au théâtre; &, dans quelqu'état que ce soit, que les mauvaises mœurs qui déshonorent. Au-dessous de Ra cine & de Corneille, c'est Baron, la Desmares, la de Seine, que je vois; au-dessous de Moliere & de Regnard, Quinault l'aîné & sa sœur.


5 - Der natürliche Sohn /

Sie werden nicht durch Regeln, sondern durch etwas ganz anders, das weit unmittelbare, weit inniger, weit dunkler und weit gewisser ist, geführet und erleuchtet. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viel ich aus einem grossen Schauspieler, aus einer grossen Schauspielerinn mache! Wie stolz ich auf dieses Talent seyn würde, wenn ich es besässe. Als ich vor diesem auf der ganzen Welt noch niemanden etwas anging, Herr von meinem Geschicke und frey von allen Vorurtheilen war, wollte ich einst Komödiant werden; und man gebe mir nur die Versicherung, daß ich es so weit damit bringe als Quinault Dufresne, und ich werde es noch morgen. Nur das Mittelmäßige vereckelt uns das Theater; und nur die schlechten Sitten sind es, die uns in diesem so wie in jedem andern Stande, Schande bringen. Gleich unter Racinen, und unter Corneillen stehet bey mir ein Baron, eine Desma res, eine de Seine; und gleich unter Regnard und Molieren, der ältere Quinault und seine Schwester.


6 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Besonders machten die Masken der Alten diejenigen vortrefflichen Stücke sehr wahrscheinlich,wo die Verwicklung aus der Irrung entsteht, nach welcher ein Theil der spielenden Personen, die eine Person für die andre nimt. Der Zuschauer, welcher sich selbst betrog, indem er zweySchauspieler unterscheiden wollte, deren Mas(*) Onomast. lib. 4. cap. 19.du Bos,ken einander so ähnlich waren, als man nur immer will, konnte sich leicht vorstellen, daß sichdie spielenden Personen selbst betriegen müßten. Es machte ihm also keine Mühe, sich der Voraussetzung, auf welche die ganze Verwicklungdes Stückes gegründet war, zu überlassen, anstatt daß diese Voraussetzung, unter uns so unwahrscheinlich ist, daß sie uns fast gar nicht inden Kopf will. In den zwey Stücken welcheMoliere und Renard aus dem Plautusnachgea<hm>mht haben, (*) unterscheiden wir die Personen,welche zu der Verwirrung Anlaß geben, sehr genau als zwey unterschiedne Personen. Wie sollen wir uns nun einbilden können, daß sie vonden übrigen spielenden Personen, welche sie dochnoch näher sehen als wir, verwechselt würden?Wir haben es also bloß der Gewohnheit, unsallen auf dem Theater gebräuchlichen Voraussetzungen zu überlassen, zu danken, daß uns auchdie Knoten des Amphitryo und der Menächmennicht anstößig scheinen, und ich wollte es niemanden rathen eine ganz neue Komödie zu verfertigen, deren Verwiklung sich auf eine solcheVerwirrung gründete.


7 - Lettres sur la danse /

Regnard

8 - Discours historique sur l'apocalypse /

Und können nicht auch, die Meisterstücke eines Racine, eines Corneille, eines Voltaire, eines Crebillon, Vorbilder zu Tänzen von der edlern Gattung gewähren? Haben die Werke eines Moliere, eines Regnard, und anderer berühmten Dichter, nicht Gemählde, die man zu Tänzen von der mittlernGattung brauchen kann? Ich sehe es voraus, welches Geschrey der Gemeine Hauffe von Tänzern über diesen Vorschlag erheben wird: sie werden mich für nicht klug halten, daß ich Tragödien und Komödien in Tänze bringen will! Welcher Unsinn! werden sie rufen; wie wäre das wohl möglich! Gar wohl ist es möglich. Presset, zum Exempel, die Handlung des Geitzigen zusammen, lasset alle ruhige Unterredungen weg, rücket die Begebenheiten näher an einander, verbindet alle die Gemählde, die durch das ganze Stück zerstreut sind: und es wird gehen.


9 - /

Jn dem zweyten Buche des ersten Theils handelt der Verfasser von einigen Vorzügen, welche gewisse Schauspieler insbesondere haben müssen. Diese Schauspieler sind erstlich diejenigen, welche man in der Komödie Vorzugsweise, die komischen nennt; zweytens diejenigen, welche sich in der Tragödie durch ihre Tugenden unsere Bewunderung, und durch ihre Unglücksfälle unser Mitleiden erwerben sollen; und drittens diejenigen, welche so wohl in der Tragödie als Komödie die Rollen der Liebhaber vorstellen. Alle diese haben gewisse besondere Gaben nöthig, welches Theils innerliche, Theils Schauspieler. äußerliche sind. Dieser Eintheilung gemäß macht der Verfasser in diesem zweyten Buche zwey Abschnitte, deren erster die innerlichen, und der zweyte die äußerlichen Gaben untersucht. Wir wollen uns zu dem ersten Abschnitte wenden, welcher aus fünf Hauptstücken besteht. Jn dem ersten Hauptstücke zeigt er, daß die Munterkeit denjenigen Schauspielern, welche uns zum lachen bewegen sollen, unumgänglich nöthig sey. Wenn man, sind seine Worte, eine komische Person vorstellt, ohne selbst Vergnügen daran zu haben, so hat man das bloße Ansehen eines gedungenen Menschen, welcher nur deswegen Komödiant ist, weil er sich seinen Lebensunterhalt auf keine andre Art verschaffen kann. Theilt man aber das Vergnügen mit dem Zuschauer, so kann man sich allezeit gewiß versprechen, zu gefallen. Die Munterkeit ist der wahre Apollo der komischen Schauspieler. Wenn sie aufgeräumt sind, so werden sie fast immer Feuer und Genie haben. = = Es ist aber hierbey wohl zu merken, daß man diese Munterkeit mehr in ihrem Spiele als auf ihren Gesichtern zu bemerken verlangt. Man giebt tragischen Schauspielen die Regel: weinet wenn ihr wollt, daß ich weinen soll; und den komischen Schauspielern sollte man die Regel geben: Lachet fast niemals, wenn ihr wollt, daß ich lachen soll. = = Das Auszug aus demzweyte Hauptstück zeigt, daß derjenige, welcher keine erhabneSeele habe, einen Helden schlecht vorstelle. Unter dieser erhabnen Seele muß man nicht die Narrheit gewisser tragischen Schauspieler verstehen, welche auch außer dem Theater noch immer Prinzen zu seyn sich einbilden. Auch nicht das Vorurtheil einiger von ihnen, welche große Acteurs den allergrößten Männern gleich schätzen, und lieber gar behaupten möchten, es sey leichter ein Held zu seyn, als einen Helden gut vorzustellen. Die Hoheit der Seele, von welcher hier geredet wird, besteht in einem edeln Enthusiasmo, der von allem was groß ist in der Seele gewirkt wird. Dieser ist es, welcher die vortreflichen tragischen Schauspieler von den mittelmäßigen unterscheidet, und sie in den Stand setzt, das Herz des gemeinsten Zuschauers mit Bewegungen zu erfüllen, die er sich selbst nicht zugetrauet hätte = = Mit diesem Enthusiasmo, welcher für diejenige Person gehöret, die Bewunderung erwecken soll, muß derjenige Theil der Empfindung verbunden werden, welchen die Franzosen unter dem Namen des Eingeweides (d'Entrailles) verstehen, wenn eben dieselbe Person unser Mitleiden erregen will. Hier von handelt das dritte Hauptstück. „Wollen die tragischen Schauspieler, sagt der Verfasser, unstäuschen; so müssen sie sich selbst täuschen. Sie müssen sich einbilden, daß sie wirklich das Schauspieler. sind, was sie vorstellen; eine glückliche Raserey muß sie überreden, daß sie selbst diejenigen sind, die man verräth, die man verfolgt. Dieser Jrrthum muß aus ihrer Vorstellung in ihr Herz übergehen, und oft muß ein eingebildetes Unglück ihnen wahrhafte Thränen auspressen. Alsdann sehen wir in ihnen nicht mehr frostige Komödianten, welche uns durch gelernte Töne und Bewegungen für eingebildete Begebenheiten einnehmen wollen. Sie werden zu unumschränkten Gebiethern über unsre Seelen; sie werden zu Zaubrern, die das unempfindlichste empfindlich machen können = = Und dieses alles durch die Gewalt der Traurigkeit, welche Leidenschaft eine Art von epidemischer Krankheit zu seyn scheinet, deren Ausbreitung eben so schnell als erstaunlich ist. Sie ist von den übrigen Krankheiten darinne unterschieden, daß sie sich durch die Augen und durch das Gehör mittheilet; wir brauchen eine mit Grund wahrhaft betrübte Person nur zu sehen, um uns zugleich mit ihr zu betrüben. Der Anblick der andern Leidenschaften ist so ansteckend nicht. Es kann sich ein Mensch in unsrer Gegenwart dem allerheftigsten Zorne überlassen; wir bleiben gleichwohl in der vollkommensten Ruhe. Ein andrer wird von der lebhaftesten Freude entzückt, wir aber legen unsern Ernst deswegen nicht ab. Nur die Thränen, wenn es auch schon Thränen einer Person sind, Auszug aus dem die uns gleichgültig ist, haben fast immer das Vorrecht uns zu rühren. Da wir uns zur Mühe und zum Leiden gebohren wissen, so lesen wir voll Traurigkeit unsere Bestimmung in demSchicksale der Unglücklichen, und ihre Zufälle sind für uns ein Spiegel, in welchem wir mit Verdruß das mit unserm Stande verknüpfte Elend betrachten. = = Dieses bringt den Verfasser auf eine kleine Ausschweifung, welche viel zu artig ist, als daß ich sie hier übergehen sollte. = = Es ist nicht schwer, spricht er, von unsrer Leichtigkeit uns zu betrüben einen Grund anzugeben. Allein desto schwerer ist es die Natur desjenigen Vergnügens eigentlich zu bestimmen, welches wir, bey Anhörung einerTragödie, aus dieser Empfindung ziehen. Daß man in der Absicht vor die Bühne geht, diejenigen Eindrücke, welche uns fehlen, daselbst zu borgen, oder uns von denjenigen, die uns mißfallen, zu zerstreuen, darüber wundert man sich gar nicht. Das aber, worüber man erstaunt, ist dieses, daß wir oft durch die Begierde Thränen zu vergießen dahin geführt werden. Unterdessen kann man doch von dieser wunderlichen Neigung verschiedne Ursachen angeben, und die Schwierigkeit dabey ist bloß, die allgemeinste davon zu bestimmen. Wenn ich gesagt habe, daß das Unglück andrer ein Spiegel für uns sey, in welchem wir dasSchicksal, zu dem wir verurtheilet sind, Schauspieler. betrachten, so hätte ich einen Unterscheid dabey machen können. Dieser Unterschied kann hier seine Stelle finden, und er wird uns eine von den Quellen desjenigen Vergnügens, dessen Ursprung wir suchen, entdecken. Der Anblick eines fremden Elends ist für uns schmerzlich, wenn es nehmlich ein solches Elend ist, dem wir gleichfalls ausgesetzt sind. Er wird aber zu eine Tröstung, wenn wir das Elend nicht zu fürchten haben, dessen Abschilderung er uns vorlegt. Wir bekommen eine Art von Erleichterung, wenn wir sehen, daß man in demjenigen Stande, welchen wir beneiden, oft grausamen Martern ausgesetzt sey, für die uns unsre Mittelmäßigkeit in Sicherheit stellet. Wir ertragen alsdenn unser Uebel nicht nur mit weniger Ungeduld, sondern wir wünschen uns auch Glück, daß wir nicht so elend sind, als wir uns zu seyn eingebildet haben. Doch daher, daß uns fremde Unglücksfälle, welche grösser als die unsrigen sind, unsrer geringen Glücksumstände wegen trösten, würde noch nicht folgen, daß wir in der Betrübniß über diese Unglücksfälle ein Vergnügen finden müßten, wenn unsre Eigenliebe, indem sie ihnen diesen Tribut bezahlt, nicht dabey ihre Rechnung fände. Denn die Helden, welche durch ihr Unglück berühmt sind, sind es zugleich auch durch ausserordentliche Eigenschaften. Je mehr uns ihr Schicksal rührt, desto deutlicher zeigen wir, Auszug aus dem daß wir den Werth ihrer Tugenden kennen, und der Ruhm, daß wir die Größe gehörig zu schätzen wissen, schmeichelt unserm Stolze. Ubrigens ist die Empfindlichkeit, wenn sie von der Unterscheidungskraft geleitet wird, schon selbst eine Tugend. Man setzt sich in die Klasse edler Seelen, indem man durchlauchten Unglücklichen das schuldige Mitleiden nicht versaget. Auf der Bühne besonders läßt man sich um so viel leichter für vornehme Personen erweichen, weil man weis, daß diese Empfindung durch die allzulange Dauer uns nicht überlästig fallen, sondern eine glückliche Veränderung gar bald ihrem Unglücke, und unsrer Betrübniß ein Ende machen werde. Werden wir aber in dieser Erwartung betrogen, und werden diese Helden zu Opfern eines ungerechten und barbarischen Schicksals; so werfen wir uns alsdann zwischen ihnen und ihren Feinden zu Richtern auf. Es scheint uns sogar, wenn wir die Wahl hätten, entweder wie die einen umzukommen, oder wie die andern zu triumphiren, daß wir nicht einen Augenblick in Zweifel stehen würden, und dieses macht uns in unsern Augen desto größer. Vielleicht würde die Untersuchung, welche von diesen Ursachen den meisten Einfluß in das Vergnügen habe, mit dem wir in einem Trauerspiele weinen, ganz und gar vergebens seyn. Vielleicht wird jede von denselben nach Beschaffenheit derjenigen SeeleSchauspieler. auf welche sie wirken, bald die vornehmste, bald die geringste= = = Wir kommen von dieser Ausschweifung wieder auf den geraden Weg. Das vierte Hauptstück beweiset, daß nur diejenigen Personen allein, welche gebohren sind zu lieben, das Vorrecht haben sollten, verliebte Rollen zu spielen. Eine gewisse Sängerin, erzehlt der Verfasser, stellte in einer neuen Oper eine Prinzeßin vor, die gegen ihren Ungetreuen in einem heftigen Feuer ist; allein sie brachte diejenigeZärtlichkeit, welche ihre Rolle erforderte, gar nicht hinein. Eine von ihren Gesellschafterinnen, die der Ursachen ungeachtet, warum zwey Personen von einerley Profeßion und von einerley Geschlecht einander nicht zu lieben pflegen, ihre Freundin war, hätte gar zu gerne gewollt, daß sie diese Rolle mit Beyfall spielen möchte. Sie gab ihr daher verschiedene Lehren, aber diese Lehren blieben ohne Wirkung. Endlich sagte die Lehrerin einmal zu ihrer Schülerin: Jst denn das, was ich von ihnen verlange, so schwer? Setzen sie sich doch an die Stelle der verrathenen Geliebte! Wenn sie von einem Menschen, den sie zärtlich liebten, verlassen würden, würden sie nicht von einem lebhaften Schmerze durchdrungen seyn? Würden sie nicht suchen — — ;Jch?; antwortete die Ac Auszug aus dem trice, an die dieses gerichtet war; ;ich würde auf das schleunigste, einen andern Liebhaber zu bekommen suchen. Ja, wenn das ist, antwortete ihre Freundin, so ist ihre und meine Mühe vergebens. Jch werde sie ihre Rolle nimmermehr gehörig spielen lehren. Diese Folge war sehr richtig; denn eine wahre Zärtlichkeit auszudrücken, dazu ist alle Kunst nicht hinlänglich. Man mag sich auch noch so sehr bestreben, das unschuldige und rührenden Wesen derselben zu erreichen; es wird doch noch immer von der Natur eben so weit unterschieden seyn, als es die frostigen Liebkosungen einer Buhlerinn, von den affektvollen Blicken einer aufrichtigen Liebhaberin sind. Man stellt alle übrige Leidenschaften unvollkommen vor, wenn man sich ihren Bewegungen nicht überläßt, aber wenigstens stellt man sie doch unvollkommen vor. Man ahmet mit kaltem Blute den Ton eines Zornigen schlecht nach, allein man kann doch wenigstens einige von den andern äusserlichen Zeichen, durch welche er sich an den Tag legt, entlehnen; und wenn man in verschiedenen Rollen schon nicht die Ohren betriegt, so betriegt man doch wenigstens die Augen. Jn den zärtlichen Rollen aber kann man eben so wenig die Augen, als die Ohren betriegen, wenn man nicht von der Natur eine zurLiebe gemachte Seele bekommen hat. — — Will man, fährt der Verfasser fort, die Ursache wis Schauspieler.sen, warum man zwar die Larve der andern Leidenschaften borgen, die Entzückungen der Zärtlichkeit aber nur auf eine sehr ungetreue Art nachbilden kann, wenn man nicht selbst liebt, oder wohl gar zu lieben nicht fähig ist, so will ich es wagen eine Vermuthung hierüber vorzutragen. Die übrigen Leidenschaften mahlen sich blos dadurch auf dem Gesichte, daß sie in den Zügen eine gewisse Art von Veränderung verursachen; die Zärtlichkeit hingegen hat, so wie die Freude, das Vorrecht, der Gesichtsbildung neueSchönheiten zu geben und ihre Fehler zu verbessern. Daher also, daß man uns von gewissen Leidenschaften ein unvollkommenes Bild vorstellen kann, ohne von ihnen selbst beherrscht zu werden, folgt noch nicht, daß man auch die sanfte Drunkenheit der Liebe auch nur unvollkommen nachahmen könne, ohne sie selbst zu fühlen. — — Aus allem diesen zieht der Verfasser in dem fünften Hauptstücke die Folgerung, daß man sich nicht mehr mit diesen Rollen abgeben müsse, wenn man nicht mehr in dem glücklichen Alter zu lieben sey. Die Wahrheit dieser Folgerung fällt zu deutlich in die Augen, als daß es nöthig wär, seine Gründe anzuführen, die ohnedem auf das vorige hinaus lauffen. — — Wir kommen vielmehr sogleich auf den zweyten Abschnitt dieses zweyten Buchs, worinn, wie schon gesagt, die äusserlichen Gaben abgehandelt werden, welche zu gewis Auszug aus demsen Rollen insbesondere nöthig sind. Es geschieht dieses in vier Hauptstücken, wovon daserste die Stimme angeht, und zeiget, daß eine Stimme, welche in gewissen Rollen hinlänglich ist, in andern Rollen, welche uns einnehmen sollen, es nicht sey. Bey komischen Schauspielern ist es fast genug, wenn wir ihnen nur alles, was sie sagen sollen, hinlänglich verstehen können, und wir können ihnen eine mittelmäßige Stimme gar gern übersehen. Der tragische Schauspieler hingegen muß eine starke, majestätische und pathetische Stimme haben; der, welcher in der Komödie Personen von Stande vorstellt, eine edle; der, welcher den Liebhaber macht, eine angenehme, und die, welche die Liebhaberin spielt, eine bezaubernde. Von der letztern besonders verlanget man diejenigen überredenden Töne, mit welchen eine Schöne aus dem Zuschauer, alles was sie will, machen und von ihrem Liebhaber, alles was sie begehrt, erlangen kann. Eine reitzende Stimme kann anstatt vieler andern Vorzüge seyn. Bey mehr als einer Gelegenheit hat die Verführung der Ohren über das Zeugniß der Augen gesiegt, und eine Person, der wir unsere Huldigung verweigerten, wenn wir sie blos sahen, hat sie vollkommen zu verdienen geschienen, wenn wir sie gehöret haben — — Von der Stimme kommt der Verfasser auf die Gestalt und zeigt in demzweyten Hauptstücke, daß die LiebhaberSchauspieler.in der Komödie eine liebenswürdige, und die Helden in der Tragödie eine ansehnliche Gestalt haben müssen. Weil es wahrscheinlich ist, daß die erhabenen Gesinnungen einer Prinzeßin sie bewegen können, bey einem Helden die nicht allzu regelmässige Bildung seines Gesichts in Ansehung seiner übrigen grossen Eigenschaften, zu vergessen: so ist es eben nicht so unumgänglich nöthig, daß der Liebhaber in der Tragödie von einer durchaus reitzenden Gestalt sey, wenn seine Rolle sich nur ungefehr zu seinem Alter schikt. Jn der Komödie aber pflegen wir strenger zu seyn. Weil diese uns in den Gesinnungen und Handlungen ihrer Personen nichts als das Gemeine zeigt, so bilden wir uns ihre Helden auch von keinen so ausnehmenden Verdiensten ein, daß sie über das Herz siegen könnten, ohne die Augen zu reitzen, und ihre Heldinnen stellen wir uns nicht so gar zärtlich vor, daß sie bey dem Geschencke ihres Herzens nicht ihre Augen zu Rathe ziehen sollten. Die Gestalt des Liebhabers muß die Zärtlichkeit derjenigen, von welcher er geliebet wird, rechtfertigen; und die Liebhaberin muß uns ihre Liebe nicht blos mit lebendigen Farben abschildern, sondern wir müssen sie auch nicht für unwahrscheinlich halten, noch ihren schlechten Geschmak dabey tadeln können. Man wirft zwar ein, daß man im gemeinen Leben oft genug eine Schöne nach einen gar nicht liebenswürdigen Menschen seuf Auszug aus demzen sehe, und daß uns daher ein klein wenig Ueberlegung gleiche Ereignungen auf dem Theater erträglich machen könne. Hierauf aber ist zu antworten, daß man in der Komödie das Vergnügen durchaus nicht von der Ueberlegung will abhangen lassen. Bey den Liebhaberinnen ist diese Bedingung noch nothwendiger, als bey den Liebhabern. Es ist zwar nicht eigentlichSchönheit, was sie besitzen müssen; sondern es ist etwas, was noch mehr als Schönheit ist, und welches noch allgemeiner und noch mächtiger auf die Herzen wirkt; es ist ein ich weis nicht was, wodurch ein Frauenzimmer reitzend wird, und ohne welches sie nur umsonst schön ist; es ist eine gewisse siegende Anmuth, welche eben so gewiß allezeit rührt, als es gewiß ist, daß sie sich nicht beschreiben läßt. — — Gleiche Bewandniß hat es auch mit denjenigen Personen, welchen der Verfasser in Ansehung ihres Standes und ihrer Gesinnungen über das Gemeine hinaus setzt; ihre äusserliche Gestalt muß ihre Rolle nicht erniedrigen. Obgleich die Natur ihre Gaben nicht allezeit dem Glanze der Geburth gemäß einrichtet, und obgleich oft mit einer sehr schlechten Physiognomie sehr ehrwürdige Titel verbunden sind: so ist es uns doch zuwider, wenn wir einen Schauspieler von geringen Ansehen eine Person von Stande vorstellen sehen. Seine Gestalt muß edel, und seine Gesichtsbildung muß sanft und glücklich seyn, wenn er gewiß Schauspieler. seyn will, Hochachtung und Mitleiden in uns zu erregen. Man weis in Paris noch gar wohl, was einem gewissen Schauspieler wiederfuhr, welcher seine Probe spielen sollte. Es fehlte ihm weder an Empfindung, noch an Witze, noch an Feuer; nur sein äusserliches war gar nicht heldenmäßig. Einsmals stellte er die Person des Mithridats vor, und stellte sie so vor, daß alle Zuschauer mit ihm hätten zufrieden seyn müssen, wenn er lauter Blinde zu Zuschauern gehabt hätte. Jn dem Auftritte, wo Monime zu dem Könige sagt: Herr, du änderst dein Gesicht, rufte ein Spottvogel aus dem Parterre der Schauspielerin zu: Laßt ihn doch ändern. Auf einmal verlohr man alle Gaben des Schauspielers aus den Augen, und dachte bloß und allein an die wenige Uebereinstimmung, die sich zwischen ihm und seiner Person befände. — — Jn dem dritten Hauptstücke kömmt der Verfasser auf das wahre oder anscheinende Verhältniß, welches zwischen demAlter des Schauspielers und dem Alter der Person seyn muß. Ein Portrait, das wegen seiner Zeichnung und seiner Farbenmischung auch noch so schätzbar ist, wird doch mit Recht getadelt, wenn es diejenige Person, die es vorstellen soll, älter macht. Eben so wird uns auch ein Schauspieler, wenn er auch sonst noch so vollkommen spielt, nur mittelmäßig gefallen, wenn er für seine Rolle allzu alt ist. Es ist nicht Auszug aus dem genug, daß man uns Jphigenien nicht mit Runzeln und den Britannicus nicht mit grauen Haaren zeiget; wir verlangen beyde in allen Reitzungen ihrer Jugend zu sehen. Einige Jahre zwar kann der Acteur älter als seine Person seyn, weil er uns alsdann, wenn er diesen Unterscheid wohl zu verbergen weis, das Vergnügen einer doppelten Täuschung verschaft, welches wir nicht haben würden, wenn er in diesem Falle nicht wäre. — — Dieses ist zu deutlich, als daß der Verfasser nöthig haben sollte viel Worte damit zu verschwenden. Er thut es auch nicht, sondern eilt mit dem ersten Theile seines Werks zu Ende, indem er nur noch ein kleines Hauptstück, welches das vierte ist, und besonders die Mägdchen und die Bedienten angehet, hinzu thut. Bey einigen Rollen ist es gut, wenn die Schauspielerinnen, welche die Mägdchen vorstellen, nicht allzu jung mehr sind; bey einigen aber müssen sie nothwendig jung seyn, oder wenigstens jung scheinen, um ihre Jugend zu einer Art von Entschuldigung für die unbedachtsamen Reden, welche sie meistentheils führen, oder für die nicht allzuklugen Rathschläge, die sie ihren Gebietherinnen oft bey Liebeshändeln geben, zu machen. Wenn aber das Mägdchen eben nicht allezeit jung seyn darf, so muß sie doch immer eine ausserordentliche Flüchtigkeit der Zunge besitzen. Diese Eigenschaft ist besonders in den Lustspielen des Schauspiel. Regnards sehr nöthig, wo ohne dieselbe bey verschiednen Rollen alle Anmuth wegfällt. Auch fordert man von den Mägdchen eine schalkhafte Mine, und von den Bedienten Geschwindigkeit und Hurtigkeit. Ein dicker Körper schickt sich daher für die Bedienten eben so wenig, als sich für die Mägdchen das Stottern schicken würde.