Suchbegriff: chasse
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1 - Lettres sur la danse /

Chassé,

2 - Lettres sur la danse /

Chassé;

3 - Discours historique sur l'apocalypse /

Auf die Kleidung zu kommen. Abwechselung und Wahrheit im Kostume sind dabey eben so selten als in der Musik, in den Balletten und im bloßen Tanze. Der Eigensinn regieret in allen Theilen der Oper gleich stark, er ist der Tyrann dieses Schauspiels. Die Kleider der Griechen, Römer, Schäfer, Jäger, Helden, Faunen, Silphen, Scherze, Spiele, Liebesgötter, Tritonen, Winde, Salamander, Träume, Hohenpriester, Unterpriester, alle sind nach einem Muster geschnitten, und durch nichts unterschieden, als durch die Farben und die Verzierungen, welche mehr die Verschwendung als der Geschmack aufs Gerathewohl darauf wirft. Allenthalben schimmert das unächte Gold oder Silber: der Bauer, der Matrose und der Held sind gleich dick damit besäet. Je mehr Flinkern, Gase und Verbrämungen auf ein Kleid angebracht sind, je schöner ists in den Augen des geschmackslosen Zuschauers>. Nichts läßt so sonderbar, als wenn man ein Haufen Krieger ankommen sieht, die eben gefochten und gesieget haben. Kann man ihnen wohl das Schreckliche des Blutbades ansehn? Sind ihre Mienen lebhaft und aufgebracht? Ihre Blicke fürchterlich? Fliegen ihre Haare in wilder Unordnung? Nein, m. H., nichts von alle dem; sie sind mit der äußersten Sorgfalt geputzt und geschmückt; sie sehn mehr einem Sybariten ähnlich, der eben den Bader von sich gelassen, als einem Helden, der eben den Feind in die Flucht geschlagen hat. Wo bleibt dieWahrheit, die Wahrscheinlichkeit? wo soll die Illusion herkommen? Wer kann sich wohl bey einer so falschen und so schlecht vorgebrachten Aktion des Verdrusses erwehren? Das Theater fodert seine eigene Anständigkeit; das geb' ich zu; es erfodert aber auchWahrheit und Natur in der Vorstellung, Kraft und Stärke in den Gemählden, und da, wo es nöthig ist, eine wohlverstandneUnordnung. Ich möchte die steifen Korbröcke weggeschaft wissen, welche in gewissen Stellungen des Tanzens die Hüften gleichsam bis an die Schultern bringen, und ihre Umrisse verbergen. Ich möchte aus den Kleidern alle frostige Anordnungen nach der Symetrie, welche nur Kunst ohne Geschmack verräth, und nichts Reitzendes hat, verbannen. Ich würde lieber die leichter ungekünstelten Drapperien wählen, welche nach den Farben abstächen und dergestalt eingerichtet wären, daß sie den Wuchs des Tänzers nicht versteckten. Ich möchte sie leicht haben, ohne das deswegen eben der Stoff gespart werden müßte. Schöne Falten, schöne Gewände wünsch ich, und sie würden immer das Ansehn von Leichtigkeit haben, weil die äußern Theile dieser Drapperie fliegen, und so wie der Tanz an Hurtigkeit und Lebhaftigkeit zunähme, immer neue Lagen annehmen würden. Ein Sprung, ein lebhafter Pas, eine Flucht gäben diesem Gewande beständig einen andern Fall: das würde uns der Mahlerey und folglich derNatur näher bringen; das würde den Stellungen Zierlichkeit und den Lagen des Körpers Anmuth geben; das würde endlich dem Tänzer dieses Ansehn von Stärke und Leichtigkeit geben, welches er in den gothischen Harnischen der Oper nicht haben kann. Ich würde die lächerlichen Steifröcke unserer Tänzer um Dreyviertheil kleiner machen; sie stehen sowohl der Freyheit und Leichtigkeit, als der richtigen und lebhaften Aktion des Tanzes im Wege. Sie benehmen dem Wuchse seine Zierlichkeit und die richtigen Proportions, die er haben muß. Sie vermindern das Angenehme in den Bewegungen der Arme; sie begraben, so zu sagen, die Grazien, und zwängen und schnüren die Tänzerinn dergestalt, daß sie zuweilen mehr und emsiger auf die Bewegungen ihres Steifrockes, als ihrer Arme und Füße denkt. Jeder Akteur muß auf dem Theater ungezwungen scheinen: er muß nicht einmal von der Rolle oder Person, die er vorzustellen hat, Zwang annehmen. Ist seine Aufmerksamkeit getheilt, legt ihm die Mode eines lächerlichenKostume so viel Zwang auf, daß er die drückende Schwere seines Habits mit Verdruß fühlt, daß er darüber seine Rolle vergißt, daß er nicht mehr den gehörigen Antheil an der Handlung nimmt, die vorgeht, oder die er mit Wärme vorstellen sollte: so muß er sich alsobald von einer Mode befreyen, welche derKunst eine armselige Figur giebt, und der Geschicklichkeit wehret, sich zu zeigen. Mademoiselle Clairon, diese unnachahmliche Aktrice, welche geschaffen ist, die Gewohnheiten, die ein langer Brauch geheiligt, abzuschaffen, hat die Steifröcke ungescheut und ohne Vorbereitung verbannt. Das wahre Talent ist allenthalben einerley; es gefällt ohne Kunst. Mademois. Clairon wird ohne oder mit den Steifrock eine vortreffliche Aktrice bleiben; sie würde die erste Trauerspielerinn seyn, wenn das französische Theater nicht die mit den seltensten und erhabensten Talenten begabte Mademoiselle Dumenil aufzuweisen hätte, die unfehlbar allemal die Herzen derjenigen rühren wird, welche ein Gefühl für die Töne derNatur haben. Es war nichts weniger als Eigensinn, was Mademois. Clairon bewog, einen eben so lächerlichen als beschwerlichen Putz zu verwerfen. Sie hat den Steifrock weniger deswegen abgelegt, als wollte sie das Ansehen haben, etwas zu reformiren, denn weil sie wirklich eine große Aktrice ist. Einsicht, Verstand, Vernunft und dieNatur haben sie bey dieser Reform geleitet; sie hat die Alten zu Rathe gezogen, und geglaubt, daß Medea, Electra und Ariadne nicht aussehn, reden, gehn und sich kleiden könnten, als unsre Modedamens. Sie hat gefühlt, daß sie sich den altenSitten eben so weit näherte, als sie sich von den unsrigen entfernte; daß die Nachahmung der Personen, die sie vorstellte, wahrer und natürlicher seyn würde; daß sie ihre ohne dem lebhafte und geistvolle Aktion noch mit mehr Seele und Feuer herausbringen könnte, wenn sie sich von dem Zwange und der Last einer lächerlichen Kleidung befreyet hätte; sie ist endlich überzeugt gewesen, daß das Publikum ihre Talente nicht nach der Weite ihres Steifrockes abmessen würde. Freylich steht es nur vorzüglichen Verdiensten zu, Neuerungen einzuführen, und auf einmal die Gestalt solcher Dinge zu ändern, denen wir weit mehr aus Gewohnheit, als aus Geschmack und Ueberlegung anhingen. HerrChasse, der einzige Akteur in seiner Art, der die Kunst gefunden, in eiskalte Auftritte was Anziehendes zu bringen, und abgenutzte und frostige Gedanken durch seine Gestus zu heben, hat gleichfals die beschwerlichen Korboder Steifröcke abgeworfen, welche dem Akteur nichts Ungezwungnes ließen, und ihn, so zu sagen, zu einer schlecht eingerichteten Maschiene machten. Die Caskete und die symetrischen Habite hat dieser große Mann gleichfals verwiesen; statt der aufgedunseten Korbröcke wählte er wohl ausgesonnene Gewände, und statt der antiquen Federbüsche bedient er sich Plümen, die er mit Geschmack und Wahl anbringt. In seinem Anzuge herrschten Verstand und mahlerische Natur.


4 - Discours historique sur l'apocalypse /

Herr Le Kain, ein vortrefflicher Trauerspieler, ist dem Beyspiele des Chasse gefolgt; er ist noch weiter gegangen. In VoltairensSemiramis ist er mit zurückgestreiften Aermeln, mit blutigen Händen, mit sträubigten Haaren und verwildertem Blicke, aus dem Grabmale des Ninus hervor gekommen. Dieses starke aber natürliche Gemählde traf auf den Zuschauer, erhielt seine Aufmerksamkeit und warf Schrecken und Entsetzen in seineSeele. Der kritische Witz kam zwar einen Augenblick nach der Rührung mit seinen Anmerkungen hervor, aber es war zu spät; der Eindruck war gemacht, der Pfeil abgedrückt, der Akteur hatte sein Ziel getroffen, und ein allgemeiner Beyfall belohnte eine zwar kühne aber glückliche Aktion, die ohne Zweifel mißglückt seyn würde, wenn sie ein mittelmäßiger und minder gelittner Akteur gewagt hätte. Herr Boquet, der seit einiger Zeit die Aufsicht über die Zeichnung und das Kostume der Opernkleider hat, wird den Fehlern in diesem, der Illusion so wesentlichen Theile, leicht abhelfen, wenn man ihm nur freye Hand läßt, und sich seinen Ideen nicht widersetzt, welche immer auf die Vollkommenheit abzwecken werden.