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1 - Von den Trauerspielen /

Unterdessen, so schwer es auch ist diese merklichwirksame Reinigung der Leidenschaften, welche vondem Mitleiden und der Furcht erzeugt werden soll, anzutreffen, so können wir doch leicht mit dem Aristoteles einig werden. Wir dürfen nur sagen, er habeeben dadurch nicht behaupten wollen, daß alle beydeMittel zugleich dazu nöthig wären, sondern nach seiner Meynung sey auch eines zureichend, diese Reinigung hervorzubringen; doch mit dem Unterschiede, daß zwar nicht das Mitleiden ohne die Furcht, wohl aber die Furcht ohne das Mitleiden dazu genug sey. Der Tod des Grafen im Cid erweckt kein Mitleiden,er reiniget aber diese Art des Stolzes, die auf die Ehre der andern so neidisch ist, besser, als alle das Mitleiden, welches wir mit dem Rodrigue und der Chimene haben, die heftige Liebesneigung, welche beydeso beklagenswürdig macht, zu reinigen vermögend ist. Der Zuschauer kann mit dem Antiochus, dem Ni komed, dem Heraklius Mitleiden haben; wenn esaber dabey bleibt, und wenn er nicht besorgen darf, inein gleiches Unglück zu verfallen, so wird er von keiner Leidenschaft dadurch genesen können. Er hat Ge 222 II. P. Corneille zweyte Abhandlung,gentheils kein Mitleiden mit der Kleopatra, mit demPrusias, mit dem Phokas; und dennoch kann die Furcht eines gleichen oder ähnlichen Unglücks bey einer Mutter die Hartnäckigkeit sich des Vermögens ihrerKinder nicht zu entschlagen, bey einem Vater die allzugroße Ergebenheit gegen die andre Frau zum Nachtheil seiner Kinder erster Ehe, und bey allen die Begierde das Vermögen und die Ehre anderer mit Gewalt an sich zu ziehen, reinigen; so daß allezeit dieseReinigung jedes seinen Umständen und dem, was erzu begehen vermögend ist, gemäß bleibet. Das Misvergnügen und die Unentschließigkeit des Augusts im Cinna muß diese letztere Wirkung durch die Furchtund das Mitleiden zugleich thun; wie ich aber schongesagt habe, so geschieht es nicht allezeit, daß diejenigen, welche wir beklagen, durch ihr Verschulden unglücklich sind. Wenn sie also unschuldig sind, so bringtdas Mitleiden, welches wir mit ihnen haben, keine Furcht hervor, und wenn wir ja etwas von Furcht, die unsre Leidenschaft reinigen kann, dabey empfinden, so wird sie durch eine andre Person, und nicht durch die, welche wir beklagen, erweckt, so daß wir sie gänzlich der Stärke des Beyspiels schuldig sind. Wir können diese Erklärung aus dem Aristoteles selbst bekräftigen, wenn wir die Gründe recht erwägen, welche er von der Ausschließung derjenigen Begebenheiten, die er in den Trauerspielen misbilliget, giebt. Er sagt niemals, dieses oder jenes schickt sich in dieTragödie nicht, weil es bloß Mitleiden und keine Furcht erwecket; oder dieses ist daselbst unerträglich, weil es bloß die Furcht erwecket, ohne das Mitleiden zu erregen; nein, sondern er von den Trauerspielen insbesondre. 223 verwirft sie deswegen, weil sie, wie er sagt, wederMitleiden noch Furcht zuwege bringen, undgiebt uns dadurch zu erkennen, daß sie ihm deswegennicht gefallen, weil ihnen sowohl das eine als das andre fehlt, und daß er ihnen seinen Beyfall nicht versagen würde, wenn sie nur eines von beyden wirkten. In dieser Gedanke bestätiget mich das von ihm angeführte Beyspiel des Oedipus. Wenn wir ihm glauben, so hat es alle erfoderliche Eigenschaften einesTrauerspiels; gleichwohl erwecket sein Unglück nichts als Mitleiden, und ich glaube nicht, daß einer von denen, welche ihn bey der Vorstellung beklagen, sich in den Sinn kommen läßt zu befürchten, er könne auch seinen Vater tödten und seine Mutter heirathen.Wenn ja seine Vorstellung in uns einige Furcht erwecken kann, und wenn diese Furcht noch eine strafbare oder lasterhafte Neigung in uns zu reinigen vermögend ist, so kann es aufs höchste keine andre seyn,als die Neugierigkeit sein Schicksal zu wissen, undwenn es weit kömmt, so werden wir uns daraus hüten lernen, unsre Zuflucht zu Prophezeyungen zu nehmen, die größtentheils nichts nutzen, als daß sie uns in das Unglück, das man uns vorhergesagt hat, selbst durch die Sorgfalt ihm zu entfliehen, stürzen. Denn es ist gewiß, Oedipus würde weder seinen Vatergetödtet, noch seine Mutter geheirathet haben, wennsein Vater und seine Mutter, welchen das Orakel, was sich zutragen solle, vorausgesagt hatte, ihn nicht aus Furcht es möge wahr werden, hätten wegsetzen lassen. Es wäre also nicht Oedipus, sondern Lajus und Jokaste, die diese Furcht erweckten, welche noch dazu aus der Vorstellung eines Fehlers, welcher 224 II. P. Corneille zweyte Abhandlung, vierzig Jahr vor dem gegenwärtigen Falle begangen worden, herrühren würde; daß also die Furcht durch eine andre Person als die Hauptperson, und durch eine andre Handlung als die, welche den Inhalt der Tragödie ausmacht, in uns entstünde.


2 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Dieser Caramalus und dieser Phabatonwaren, wie uns der Pater Sirmond in seinen Anmerkungen über den Sidonius (**) lehret, zweyberühmte Pamtomimen<Pantomimen>, deren in den Briefendes Aristenetus und bey dem Skoliastiker Leontius gedacht wird. Der Ausleger des Sidoniusführt auch bey dieser Gelegenheit folgende alteSinnschrift an, deren Verfasser nicht bekannt ist