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1 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Auf den neunten Einwurf antworte ich, daß die Klugheit und Fähigkeit des Geistes, von welcher Galenus redet, zur Einbildungskraft gehöret, durch die man das Zukünftige vorher sieht.Cicero*) spricht daher: memoria praeterito- rum, futurorum prudentia. Das Gedächtniß, will er sagen, geht auf das Vergangene und die Klugheit auf das Zukünftige. Diese Fähigkeit des Geistes ist das, was der Spanieragudeza, List, Verschlagenheit nennet. Cicero **) sagt es selbst: prudentia est callidi- tas, quae ratione quadam potest delectum ha- bere bonorum et malorum. Diese Art der Klugheit und Fähigkeit nun fehlt Leuten von grossem Verstande, weil ihnen die Einbildungskraft fehlet. Die Erfahrung lehrt es uns deutlich an allen grossen Gelehrten in denjenigen Wissenschaften, welche von dem Verstande abhängen: wenn man sie aus ihrer Sphäre nimmt, so taugen sie nirgends, am wenigsten aber in den Welthändeln. Daß aber diese Klugheit aus der Cholera entsteht, darinnen hat Galenus ganz recht. Wenn Hippokrates seinem Freunde dem Damaget erzählt, wie er den Demokrit angetroffen, als er ihn habe besuchen und

*) dial. de senectute.

**) in Tuscul. quaest.

gesund machen wollen, so schreibt er: er habe auf dem Felde unter einem Ahornbaume in blossen Beinen, ohne Schuhe, auf einem Steine gesessen, und ein Buch in der Hand gehabt; *) um ihn herum hätten todte und lebendige Thiere gelegen. Hippokrates habe sich darüber gewundert und ihn gefragt, was er mit diesen Thieren mache? Worauf Demokrit geantwortet habe: er untersuche, welche Flüssigkeit den Menschen unbeständig, listig, falsch, tückisch, betriegerisch mache, und habe durch die Zergliederung dieser Thiere gefunden, daß die Cholera die Ursache dieser Unarten sey; er wolle also um sich an den listigen Menschen zu rächen, gegen sie eben so verfahren, als die Menschen gegen den Fuchs, die Schlange und den Affen verführen. Diese Art der Klugheit ist nicht allein den Menschen verhaßt, sondern auch Paulus sagt: fleischlich gesinnet seyn, ist eine Feindschaft widerGOtt. Röm. 8. Daher hat Plato Recht, wenn er der Klugheit diesen Namen abspricht, und sie Verschlagenheit nennet, sobald sie sich von der Gerechtigkeit entfernet. Diese ist es, deren sich der Teufel bedient, wenn er den Menschen schaden will: es ist nicht die, welche von

*) Man bemerke hier, daß Leute von grossem Verstande sich die Ausschmückung ihrer Person nicht sehr angelegen seyn lassen. Die Ursache davon werde ich in dem 8 und 14 Hauptstücke anführen.

oben herab kömmt, sagt St. Jacobus, sondern es ist die irrdische, menschliche und teuflische. Die wahre Klugheit aber ist die, welche mit Aufrichtigkeit und Einfalt verbunden ist, und die Menschen das Gute zu erkennen, dasBöse aber zu verabscheuen lehrt. Und diese nur, sagt Galenus, *) geht den Verstand an, als welche Vermögenheit keiner Arglist, keiner Falschheit, keines Bösen fähig ist; alles ist an ihr gerecht, untadelhaft, billig und unverfälscht. Denienigen, welcher zu dieser Art des Genies gelangt, nennt man schlecht und recht. Daher auch Demosthenes, als er in der Rede wider den Aeschines um die Wohlgewogenheit seiner Richter bittet, sie schlechte und gerechte Männer, in Ansehung der Einfalt ihres Amtes nennet, von welchem Cicero (pro Sylla) sagt: sim- plex est officium atque vna bonorum omnium caussa. Für diese Art der Weisheit ist die Kälte und Trockenheit der schwarzen Galle das bequemste Werkzeug; nur muß sie aus den feinsten und zartesten Theilen zusammengesetzt seyn.