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31 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Rede, welche Cicero für eben diesen Roscius hielt, rechtfertiget das Vorgeben des Plinius und Macrobius sehr wohl. Der vornehmste(*) Horat. Sat. I. II. 10.(**) Plin. lib. 7. c. 39.du Bos,Punct des Processes, welchen Roscius hatte, betraf einen Sklaven, welchen Fannius zu demRoscius gegeben zu haben behauptete, damiter bey ihm Komödie spielen lernen solle, woraufRoscius und Fannius diesen Sklaven verkauffen und die dafür gelösete Summe unter sichtheilen wollen. Cicero will von dieser Verbindung nichts wissen, und behauptet, Panurgus,so hieß der Sklave, müsse dem Roscius, der ihnunterrichtet habe, ganz allein zugehören, weil derWerth des Komödianten den Werth der Persondes Sklaven bey weiten übertreffe. Die Persondes Panurgus, sagt Cicero, ist nicht dreyßig Pistolen werth, allein der Sklave des Roscius istzwanzig tausend Thaler werth. Wenn derSklave des Fannius des Tages kaum achtzehnSols hätte verdienen können, so kann er jetztals ein von dem Roscius unterrichteter Komödiant, achtzehn Pistolen verdienen, Ist es wohlglaublich, sagt Cicero an einem andern Orte, daß ein so uneigennütziger Mann als Roscius,sich, mit Verlust seiner Ehre, einen Sklaven, derkaum dreyßig Pistolen werth ist, zueignen würde; er, der uns seit zwölf Jahren umsonst Komödiespielt, und durch diese Großmuth zwey Millionen, die er hätte gewinnen können, ausgeschlagen hat? Ich schätze, fügt Cicero hinzu, dieBesoldung, welche Roscius bekommen habenwürde, nicht sehr hoch. Wenigstens würde manihm nicht weniger gegeben haben, als man der von den theatr. Vorstell. der Alten.Dyonisia giebt. Wir haben von dieser Schauspielerinn bereits gesprochen. Nun urtheile man, wie die römische Republick ihre Komödiantenbezahlte. Macrobius erzehlt, (*) Julius Cäsarhabe dem Laberius zwanzig tausend Thalergegeben, um diesen Dichter dahin zu vermögen, daß er in einem Stücke, welches er verfertigethatte, selbst mit spielte. Unter den andern Kaysern finden wir auch noch andere Verschwendungen. Endlich setzte der Kayser Marcus Aurelius, (**) welcher sehr oft Antoninus Philosophusgenennet wird, fest, daß den Komödianten, welche in den Schauspielen, die gewisse Obrigkeitliche Personen dem Volke geben mußten, spielenwürden, nicht mehr als fünf Goldstücken für eineVorstellung fordern sollten, und daß derjenige,welcher die Unkosten dazu hergebe, ihnen nichtmehr als noch einmal so viel geben dürfe. DieseGoldstücke waren ungefehr mit unsern Louis,deren dreyßig auf das Mark gehen, und für vierund zwanzig Francken ausgegeben werden, voneinerley Werth. Titus Livius schließt seine Erzehlung von dem Ursprunge und dem Fortgangeder theatralischen Vorstellungen zu Rom, mitdieser Betrachtung, daß ein Vergnügen, welches Anfangs sehr wenig betragen habe, in soprächtige und kostbare Schauspiele ausgeartetsey, daß kaum die reichsten Königreiche den(*) Macrob. Sat. lib. 2. cap. 7.(**) Capit. in M. Aur.du Bos,Aufwand dabey würden ausgehalten haben. (*)Quam ab sano initio res in hanc vel opulentisregnis vix talerabilem insaniam venerit. Dadie Römer beynahe fast alle selbst Declamatoresund Gebehrdenmacher geworden waren, so darfman sich nicht wundern, daß sie aus den Komödianten so viel machten. Seneca, der Vater,sagt in der Einleitung zu dem ersten Buche seinerControversen, daß die jungen Leute seiner Zeitaus diesen zwey Künsten ihre ernsthafteste Beschäftigung machten. Malarum rerum industria invasit animos. Cantandi saltandiquenunc obscæna studia effœminatos tenent.


32 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Rede, welche Cicero für eben diesen Roscius hielt, rechtfertiget das Vorgeben des Plinius und Macrobius sehr wohl. Der vornehmste(*) Horat. Sat. I. II. 10.(**) Plin. lib. 7. c. 39.du Bos,Punct des Processes, welchen Roscius hatte, betraf einen Sklaven, welchen Fannius zu demRoscius gegeben zu haben behauptete, damiter bey ihm Komödie spielen lernen solle, woraufRoscius und Fannius diesen Sklaven verkauffen und die dafür gelösete Summe unter sichtheilen wollen. Cicero will von dieser Verbindung nichts wissen, und behauptet, Panurgus,so hieß der Sklave, müsse dem Roscius, der ihnunterrichtet habe, ganz allein zugehören, weil derWerth des Komödianten den Werth der Persondes Sklaven bey weiten übertreffe. Die Persondes Panurgus, sagt Cicero, ist nicht dreyßig Pistolen werth, allein der Sklave des Roscius istzwanzig tausend Thaler werth. Wenn derSklave des Fannius des Tages kaum achtzehnSols hätte verdienen können, so kann er jetztals ein von dem Roscius unterrichteter Komödiant, achtzehn Pistolen verdienen, Ist es wohlglaublich, sagt Cicero an einem andern Orte, daß ein so uneigennütziger Mann als Roscius,sich, mit Verlust seiner Ehre, einen Sklaven, derkaum dreyßig Pistolen werth ist, zueignen würde; er, der uns seit zwölf Jahren umsonst Komödiespielt, und durch diese Großmuth zwey Millionen, die er hätte gewinnen können, ausgeschlagen hat? Ich schätze, fügt Cicero hinzu, dieBesoldung, welche Roscius bekommen habenwürde, nicht sehr hoch. Wenigstens würde manihm nicht weniger gegeben haben, als man der von den theatr. Vorstell. der Alten.Dyonisia giebt. Wir haben von dieser Schauspielerinn bereits gesprochen. Nun urtheile man, wie die römische Republick ihre Komödiantenbezahlte. Macrobius erzehlt, (*) Julius Cäsarhabe dem Laberius zwanzig tausend Thalergegeben, um diesen Dichter dahin zu vermögen, daß er in einem Stücke, welches er verfertigethatte, selbst mit spielte. Unter den andern Kaysern finden wir auch noch andere Verschwendungen. Endlich setzte der Kayser Marcus Aurelius, (**) welcher sehr oft Antoninus Philosophusgenennet wird, fest, daß den Komödianten, welche in den Schauspielen, die gewisse Obrigkeitliche Personen dem Volke geben mußten, spielenwürden, nicht mehr als fünf Goldstücken für eineVorstellung fordern sollten, und daß derjenige,welcher die Unkosten dazu hergebe, ihnen nichtmehr als noch einmal so viel geben dürfe. DieseGoldstücke waren ungefehr mit unsern Louis,deren dreyßig auf das Mark gehen, und für vierund zwanzig Francken ausgegeben werden, voneinerley Werth. Titus Livius schließt seine Erzehlung von dem Ursprunge und dem Fortgangeder theatralischen Vorstellungen zu Rom, mitdieser Betrachtung, daß ein Vergnügen, welches Anfangs sehr wenig betragen habe, in soprächtige und kostbare Schauspiele ausgeartetsey, daß kaum die reichsten Königreiche den(*) Macrob. Sat. lib. 2. cap. 7.(**) Capit. in M. Aur.du Bos,Aufwand dabey würden ausgehalten haben. (*)Quam ab sano initio res in hanc vel opulentisregnis vix talerabilem insaniam venerit. Dadie Römer beynahe fast alle selbst Declamatoresund Gebehrdenmacher geworden waren, so darfman sich nicht wundern, daß sie aus den Komödianten so viel machten. Seneca, der Vater,sagt in der Einleitung zu dem ersten Buche seinerControversen, daß die jungen Leute seiner Zeitaus diesen zwey Künsten ihre ernsthafteste Beschäftigung machten. Malarum rerum industria invasit animos. Cantandi saltandiquenunc obscæna studia effœminatos tenent.


33 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Die Rede, welche Cicero für eben diesen Roscius hielt, rechtfertiget das Vorgeben des Plinius und Macrobius sehr wohl. Der vornehmste(*) Horat. Sat. I. II. 10.(**) Plin. lib. 7. c. 39.du Bos,Punct des Processes, welchen Roscius hatte, betraf einen Sklaven, welchen Fannius zu demRoscius gegeben zu haben behauptete, damiter bey ihm Komödie spielen lernen solle, woraufRoscius und Fannius diesen Sklaven verkauffen und die dafür gelösete Summe unter sichtheilen wollen. Cicero will von dieser Verbindung nichts wissen, und behauptet, Panurgus,so hieß der Sklave, müsse dem Roscius, der ihnunterrichtet habe, ganz allein zugehören, weil derWerth des Komödianten den Werth der Persondes Sklaven bey weiten übertreffe. Die Persondes Panurgus, sagt Cicero, ist nicht dreyßig Pistolen werth, allein der Sklave des Roscius istzwanzig tausend Thaler werth. Wenn derSklave des Fannius des Tages kaum achtzehnSols hätte verdienen können, so kann er jetztals ein von dem Roscius unterrichteter Komödiant, achtzehn Pistolen verdienen, Ist es wohlglaublich, sagt Cicero an einem andern Orte, daß ein so uneigennütziger Mann als Roscius,sich, mit Verlust seiner Ehre, einen Sklaven, derkaum dreyßig Pistolen werth ist, zueignen würde; er, der uns seit zwölf Jahren umsonst Komödiespielt, und durch diese Großmuth zwey Millionen, die er hätte gewinnen können, ausgeschlagen hat? Ich schätze, fügt Cicero hinzu, dieBesoldung, welche Roscius bekommen habenwürde, nicht sehr hoch. Wenigstens würde manihm nicht weniger gegeben haben, als man der von den theatr. Vorstell. der Alten.Dyonisia giebt. Wir haben von dieser Schauspielerinn bereits gesprochen. Nun urtheile man, wie die römische Republick ihre Komödiantenbezahlte. Macrobius erzehlt, (*) Julius Cäsarhabe dem Laberius zwanzig tausend Thalergegeben, um diesen Dichter dahin zu vermögen, daß er in einem Stücke, welches er verfertigethatte, selbst mit spielte. Unter den andern Kaysern finden wir auch noch andere Verschwendungen. Endlich setzte der Kayser Marcus Aurelius, (**) welcher sehr oft Antoninus Philosophusgenennet wird, fest, daß den Komödianten, welche in den Schauspielen, die gewisse Obrigkeitliche Personen dem Volke geben mußten, spielenwürden, nicht mehr als fünf Goldstücken für eineVorstellung fordern sollten, und daß derjenige,welcher die Unkosten dazu hergebe, ihnen nichtmehr als noch einmal so viel geben dürfe. DieseGoldstücke waren ungefehr mit unsern Louis,deren dreyßig auf das Mark gehen, und für vierund zwanzig Francken ausgegeben werden, voneinerley Werth. Titus Livius schließt seine Erzehlung von dem Ursprunge und dem Fortgangeder theatralischen Vorstellungen zu Rom, mitdieser Betrachtung, daß ein Vergnügen, welches Anfangs sehr wenig betragen habe, in soprächtige und kostbare Schauspiele ausgeartetsey, daß kaum die reichsten Königreiche den(*) Macrob. Sat. lib. 2. cap. 7.(**) Capit. in M. Aur.du Bos,Aufwand dabey würden ausgehalten haben. (*)Quam ab sano initio res in hanc vel opulentisregnis vix talerabilem insaniam venerit. Dadie Römer beynahe fast alle selbst Declamatoresund Gebehrdenmacher geworden waren, so darfman sich nicht wundern, daß sie aus den Komödianten so viel machten. Seneca, der Vater,sagt in der Einleitung zu dem ersten Buche seinerControversen, daß die jungen Leute seiner Zeitaus diesen zwey Künsten ihre ernsthafteste Beschäftigung machten. Malarum rerum industria invasit animos. Cantandi saltandiquenunc obscæna studia effœminatos tenent.


34 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Zwey Gründe bewegen mich zu glauben, daßbey dem Gebrauche, von welchem hier dieRede ist, mehr Vortheil als Unbequemlichkeitgewesen, und daß den Römern die ErfahrungAnlaß gegeben, die componirte Declamation derwillkührlichen vorzuziehen. Erstlich verhinderteder Gebrauch der Alten, daß die Schauspielerden Versen, die sie recitirten, keinen falschen Sinngeben konnten, welches auch sonst bey denen nichtunterbleibt, die noch die mehrste Ensicht haben. Zweytens gab ein geschickter Componist der Declamation den Schauspielern Ausdrücke undSchönheiten an die Hand, die sie nicht immervor sich selbst zu erfinden fähig waren. Sie waren nicht alle so gelehrt als Roscius. Diesesist das Beywort welches ihm Horaz giebt.


35 - Des Abts du Bos Ausschweifung von den theatralischen Vorstellungen der Alten /

Zweytens, wenn auch ein jeder Komödiantvor sich selbst betrachtet, die Declamation einerTragödie eben so wohl componiren könnte, alsirgend ein besondrer Meister in dieser Kunst, sowürde gleichwohl noch ein Stück, welches voneinem allein componiret worden, weit besser ausgeführt seyn, als eine Declamation, wo ein jeder Schauspieler seine Rolle nach seinem eignenKopfe recitirt. Diese willkührliche Declamationwürde den Roscius öfters ziemlich aus dem Takte gebracht haben. Wie viel eher muß sie nichtunsre Schauspieler irre machen, welchen es niemalsin den Sinn <gekommen>gekomman ist, die Verschiedenheit, die Intervallen, und, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Sympathie der Töne zu studiren, und also auch nicht wissen, wie sie sich aus derVerwirrung ziehen sollen, in die sie die üble Zusammenstimmung der andern Schauspieler setzet. Es ist aber eben so leicht verschiedne Rollen, welche eine um die andere recitirt werden sollen, zuconcertiren, wenn man die Declamation des ganzen Stücks zu Papiere gebracht, als schwer es ist, sie übereinstimmend zu machen, wenn man sienicht zu Papiere gebracht hat.


36 - Lettres sur la danse /

Roscius

37 - Lettres sur la danse /

Roscius

38 - Lettres sur la danse /

Roscius Gallus,

39 - Lettres sur la danse /

Roscius

40 - Lettres sur la danse /

Roscius,

41 - Lettres sur la danse /

Roscius

42 - Lettres sur la danse /

Roscius

43 - Lettres sur la danse /

Roscius.

44 - Discours historique sur l'apocalypse /

Der berühmte englische Comödiant, Garrick, ist das Muster, das ich aufstellen will. Ich weiß kein schöneres, vollkommneres und das mehr Bewunderung verdiente; man könnte ihn den Protheus unserer Zeit nennen, denn er spielt alle Gattungen von Rollen, und zwar mit einer Vollkommenheit und Wahrheit, die ihm nicht allein den Beyfall seiner Nation, sondern auch von allen Fremden Lob und Bewunderung erwerben. Er ist so natürlich, sein Ausdruck ist so mannichfaltig, seine Gestus, seine Physionomie und seine Blicke sind so rednerisch, so überzeugend, daß ihn selbst der versteht, der kein Englisch weiß; es wird einem nicht schwer, ihm zu folgen. Er rührt im Pathetischen; im Tragischen erregt er die auf einander folgenden Bewegungen der heftigstenLeidenschaften, er wühlt, wenn ich so sagen darf, im Eingeweide des Zuschauers>, zerreißt ihm das Herz, durchbohrt ihm dieSeele, und preßt ihm blutige Thränen aus. Im hohen komischen gefällt und entzückt er; er ergötzt und belustigt in der niedern Gattung, und weiß sich mit solcher Kunst fürs Theater einzurichten, daß ihn oft diejenigen verkennen, die täglich mit ihm umgehen. Sie kennen die unendliche Zahl von Charakteren, welche das englische Theater aufzuweisen hat: er spielt sie alle mit gleich großer Geschicklichkeit; er hat gleichsam zu jeder Rolle ein eigenes Gesicht. Er versteht die Kunst, nach Erforderniß der Charaktere gelegentlich an den Stellen der Physionomie, die gruppiren oder ein Gemählde machen sollen, einige Pinselstriche anzubringen; das Alter, die Situation, der Charakter, die Lebensart und der Rang der Person, die er vorzustellen hat, schreiben ihm die Farben und Züge vor. Glauben Sie nicht, daß dieser große Akteur niedrig und gemein sey, oder Grimassen mache; er ist ein getreuer Nachahmer der Natur, und weiß aus derselben allemal das Schönste zu wählen; er zeigt sie beständig in glücklichen Stellungen und in einem vortheilhaften Lichte: selbst in solchen Rollen, welche Grazie und Anmuth am wenigsten leiden, weiß er die, dem Theater wesentliche Wohlanständigkeit beyzuhalten. Er ist niemals weder unter noch über seiner vorzustellenden Person. Er trift den richtigen Punkt der Nachahmung, welchen die Komödianten fast beständig verfehlen; dieses glückliche Gefühl, ohne welches keiner ein großer Akteur werden kann, und welches zum Wahren leitet, ist die seltene Eigenschaft, welche Garrick besitzt; dieses Talent ist um desto schätzbarer, weil es den Akteur abhält, sich zu verirren und sich in den Tinten zu betriegen, die er zu seinen Gemählden anwenden soll; denn man hält oft das Frostige für Würde, Eintönigkeit fürvernünftiges Wesen, Aufgeblasenheit für edles Ansehn, Mienenspielerey für Anmuth, Schreyen für Heftigkeit, vieles Herumtummeln für Aktion, Klotzigkeit für ungekünstelteNatur, schnelles Plappern für Feuer, und eine verzerrte Physionomie für einen lebendigen Ausdruck der Seele. Bey Garrick ist es ganz anders; er studirt seine Rollen, noch mehr aber die Leidenschaften. Er liebt seine Kunst so sehr, daß er sich an den Tagen, da er wichtige Rollen zu spielen hat, in der Einsamkeit vorbereitet, und keinen Menschen zu sich läßt. Sein Genie erhebt ihn zu den Prinzen, den er vorstellen soll; er nimmt seine Tugenden und Schwachheiten an; er dringt in ihren Charakter und Geschmack; er schmilzt sich um; es ist nicht mehr Garrick, welcher hört oder spricht; wenn die Verwandelung einmal vorgegangen, steht der Held da, und der Komödiant verschwindet; er nimmt seinen natürlichen Charakter nicht eher wieder, als nach geendigter Rolle. Sie können leicht denken, m. H., daß er wenig frey ist; daß er den Kopf beständig voll hat; daß seine Gedanken immerfort arbeiten; daß er drey Viertheile von seinem Leben in einem abmattenden Enthusiasmus hinbringt, der seine Gesundheit um desto mehr angreifen muß, weil er vier und zwanzig Stunden vorher anfängt, sich zu quälen und in eine traurige und unglückliche Situation zu versetzen, ehe er sie mahlt und vorstellt. Hingegen kann man niemand munterer sehen, als ihn, die Tage, wo er einen Poeten zu machen hat, einen Künstler, einen gemeinen Mann, einen wichtigen Zeitungsschreiber, einen Petitmaitre; denn dieser Art Leute giebts in England eben sowol, obgleich unter einer andern Gestalt, als bey uns inFrankreich; das Genie ist verschieden, das geb' ich Ihnen zu, aber der Ausdruck des Lächerlichen und der Unverschämtheit ist sich gleich. In dieser Art von Rollen, sag' ich, entfaltet sich seine Physionomie gleichsam von selbst; seine Seele ist immer darauf sichtbar; seine Gesichtszüge sind so viel Vorhänge, die er sehr geschickt aufzuziehen weiß, um jeden Augenblick neue Gemählde voller Wahrheit und Empfindung sehen zu lassen. Man kann ihn ohne Partheylichkeit Englands Roscius nennen, weil er mit der Diction, der Deklamation, dem Feuer, der Natur, dem Geiste und der Feinheit, diese Pantomime und diesen seltenen Ausdruck der stummen Scene verbindet, welche den großen Akteur und den vollkommnen Schauspieler auszeichnen. Ich will nur noch ein Wort von diesem vortrefflichen Akteur sagen, woraus die Größe seiner Talente erhellen wird. Ich sah ihn eines Tages in einem Trauerspiele agiren, welches er nach seiner eigenen Veränderung wieder aufs Theater gebracht hatte, denn er ist nicht allein ein großer Schauspieler, sondern er hat auch das Verdienst, ein bey seiner Nation sehr beliebter Dichter zu seyn; ich sah ihn, sag ich, einen Tyrannen vorstellen, welcher vollerSchrecken über die Abscheulichkeit seiner Verbrechen in der heftigsten Gewissensangst stirbt. Der ganze letzte Akt war zu dieser angstvollen Reue angewendet; die Menschlichkeit siegte über Mordsucht und Blutdurst; der Tyrann empfand ihre Stimme, verabscheuete seineLaster; stuffenweise ward er sein Richter und sein Henker; jeden Augenblick zeigte sich derTod auf seinem Gesichte; seine Augen wurden dunkel; seine Stimme wollte kaum dem Bestreben gehorchen, das er anwendete, seine Gedanken in Worte zu fassen; seine Gestus, ohne von ihrem Ausdrucke zu verlieren, verkündigten die Annäherung des letzten Augenblickes; seine Kniee schlotterten; seine Gesichtszüge verlängerten sich; Quaal und Reue hatten ihn mit Todesblässe übermahlt. In diesem Augenblicke sank er endlich auf den Boden nieder; seine Schandthaten stellten sich seiner Einbildung unter den furchtbarsten Gestalten vor. Voller Entsetzen über das schreckliche Gemählde, welches ihm seine Blutschulden vorhielten, rang er mit dem Tode; die Natur schien ihre letzten Kräfte anzustrengen: diese Situation erregte Schaudern. Er kratzte auf der Erde, und scharrte gleichsam sein Grab auf; aber der Augenblick rückte heran, man sah den Tod vor Augen; alles mahlte den Zeitpunkt, der alle Ungleichheit aufhebt; endlich verschied er; das Todesschluchsen und die konvulsivischen Bewegungen der Gesichtsmuskeln, der Arme und der Brust, gaben diesem graunvollen Gemählde den letzten Pinselzug


45 - Discours historique sur l'apocalypse /

Roscius und Aesop fallen mir in die Augen, aber das sind Akteurs und keine Tänzer. Ich bemühe mich vergebens, die Zeit ausfindig zu machen, wo man in Rom zuerst die Masken eingeführt hat; ich entdecke nichts.Diomed sagt wohl, daß es ein gewisser Roscius Gallus war, der sich derselben zuerst bediente, um einen Fehler, den er an den Augen hatte, zu verbergen, er sagt aber nicht, zu welcher Zeit dieser Roscius lebte; wessen man sich anfangs blos bediente, eine Mißgestalt zu verstecken, das ward in der Folge, wegen der ungeheuren Größe der Theater, unumgänglich nothwendig, und man machte, wie zu Athen, übermäßige Larven. Große schiefe Augen, ein großes blöckendes Maul, Hangelippen, Beulen an der Stirn, aufgeblasene Pausbacken, so sahen die Larven der Alten aus.