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16 - Examen de in genios para las Sciencias /

La verdad desta doctrina parece claramente, considerando el ingenio dela primera muger que vuo enel mundo; que con averla hecho Dios con sus proprias manos, y tan acertada y perfecta en su sexo, es conclusion averiguada, que sabia mucho menos que Adam: lo qual entendido por el Demonio, la fue a tentar, y no oso poner se a razones con el varon [temiendo su mucho ingenio y sabiduria:] pues dezir que por su culpa le quitaron a Eva todo aquel saber que le faltava para ygualar con Adam, ninguno lo puede affirmar; porque aun no avia peccado. Examen Luego la razon de tener la primera muger, no tanto ingenio, le nascio de averla hecho Dios fria y humeda [que es el temperamento necessario para ser fecunda y paridera; y el que contradize al saber] y si la sacara templada [como Adam] fuera sapientissima: pero no pudiera parir, ni venirle la regla, sino fuera por via sobre-natural. En esta naturaleza se fundó S. Pablo, quando dixo: Mulier in silentio discat, cum omni subjectione: docere autem mulieri non permitto, neque dominari in virum, sed esse in silentio. Como si dixera: No quiero que la muger enseñe, sino que calle, y aprenda, y este sujeta a su marido. Pero esto se entien de, no teniendo la muger espiritu, ni otra gracia mas que su disposicion natural: pero si alcança algun don gratuyto: bien puede enseñar y hablar: Pues sabemos que estando el pueblo de Israel opprimido y cercado por los Assyrios, embió a llamar Iudith [muger sapientissima] a los sacerdotes de Cabrey, y Charmi, y les riño diziendo: Donde se sufre que diga Ozias, que si dentro de cinco dias no le viene socorro, que ha de entregar el pueblo de Israel a los Assyrios? Vosotros no veys que estas pa labras provocan a Dios a yra, y no a misericordia? Que cosa es que pongan los hombres termino limitado a la misericordia de Dios: y que señalen a su antojo el dia en que les puede socorrer y librar? Y en acavandolos de reñir, les mostró de que De Ingenios. manera avian de aplacar a Dios, y alcançar del lo que pedian.


17 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Diejenigen, welche es für ein Kunststück des Teufels ausgeben, daß jene phrenetische Kranke die Tugenden und Laster derjenigen, die sie zu besuchen kamen, zu sagen gewust, sollen wissen, daß GOtt manchem Menschen die übernatürliche Fähigkeit zu erkennen, welche Werke von GOtt, und welche von dem Teufel sind, ertheilt. Diese Gabe rechnet Paulus unter die göttlichenGnadengaben, und nennt sie διακρισιν πνευμα-των, weil man durch sie erkennet, ob es ein böser oder ein guter Engel sey, welcher uns treibet. Denn da uns oft der Teufel unter der Gestalt eines guten Engels zu verführen sucht, so ist diese übernatürliche Gabe höchst nöthig, um ihn von den guten Engeln zu unterscheiden. Diese übernatürliche Gabe aber anzunehmen, sind diejenigen, welche kein Genie zur Naturforschung haben, weit ungeschickter, als alle andre, weil diese Wissenschaft und jene von GOtt ertheilte übernatürliche Gabe einerley Vermögen, nämlich den Verstand betreffen: wenn es anders wahr ist, daß sich GOtt meistentheils, wie ich oben gesagt habe, in Austheilung seiner unmit telbaren Gnade, nach der natürlichen Fähigkeit eines jeden richtet.


18 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Auf den neunten Einwurf antworte ich, daß die Klugheit und Fähigkeit des Geistes, von welcher Galenus redet, zur Einbildungskraft gehöret, durch die man das Zukünftige vorher sieht.Cicero*) spricht daher: memoria praeterito- rum, futurorum prudentia. Das Gedächtniß, will er sagen, geht auf das Vergangene und die Klugheit auf das Zukünftige. Diese Fähigkeit des Geistes ist das, was der Spanieragudeza, List, Verschlagenheit nennet. Cicero **) sagt es selbst: prudentia est callidi- tas, quae ratione quadam potest delectum ha- bere bonorum et malorum. Diese Art der Klugheit und Fähigkeit nun fehlt Leuten von grossem Verstande, weil ihnen die Einbildungskraft fehlet. Die Erfahrung lehrt es uns deutlich an allen grossen Gelehrten in denjenigen Wissenschaften, welche von dem Verstande abhängen: wenn man sie aus ihrer Sphäre nimmt, so taugen sie nirgends, am wenigsten aber in den Welthändeln. Daß aber diese Klugheit aus der Cholera entsteht, darinnen hat Galenus ganz recht. Wenn Hippokrates seinem Freunde dem Damaget erzählt, wie er den Demokrit angetroffen, als er ihn habe besuchen und

*) dial. de senectute.

**) in Tuscul. quaest.

gesund machen wollen, so schreibt er: er habe auf dem Felde unter einem Ahornbaume in blossen Beinen, ohne Schuhe, auf einem Steine gesessen, und ein Buch in der Hand gehabt; *) um ihn herum hätten todte und lebendige Thiere gelegen. Hippokrates habe sich darüber gewundert und ihn gefragt, was er mit diesen Thieren mache? Worauf Demokrit geantwortet habe: er untersuche, welche Flüssigkeit den Menschen unbeständig, listig, falsch, tückisch, betriegerisch mache, und habe durch die Zergliederung dieser Thiere gefunden, daß die Cholera die Ursache dieser Unarten sey; er wolle also um sich an den listigen Menschen zu rächen, gegen sie eben so verfahren, als die Menschen gegen den Fuchs, die Schlange und den Affen verführen. Diese Art der Klugheit ist nicht allein den Menschen verhaßt, sondern auch Paulus sagt: fleischlich gesinnet seyn, ist eine Feindschaft widerGOtt. Röm. 8. Daher hat Plato Recht, wenn er der Klugheit diesen Namen abspricht, und sie Verschlagenheit nennet, sobald sie sich von der Gerechtigkeit entfernet. Diese ist es, deren sich der Teufel bedient, wenn er den Menschen schaden will: es ist nicht die, welche von

*) Man bemerke hier, daß Leute von grossem Verstande sich die Ausschmückung ihrer Person nicht sehr angelegen seyn lassen. Die Ursache davon werde ich in dem 8 und 14 Hauptstücke anführen.

oben herab kömmt, sagt St. Jacobus, sondern es ist die irrdische, menschliche und teuflische. Die wahre Klugheit aber ist die, welche mit Aufrichtigkeit und Einfalt verbunden ist, und die Menschen das Gute zu erkennen, dasBöse aber zu verabscheuen lehrt. Und diese nur, sagt Galenus, *) geht den Verstand an, als welche Vermögenheit keiner Arglist, keiner Falschheit, keines Bösen fähig ist; alles ist an ihr gerecht, untadelhaft, billig und unverfälscht. Denienigen, welcher zu dieser Art des Genies gelangt, nennt man schlecht und recht. Daher auch Demosthenes, als er in der Rede wider den Aeschines um die Wohlgewogenheit seiner Richter bittet, sie schlechte und gerechte Männer, in Ansehung der Einfalt ihres Amtes nennet, von welchem Cicero (pro Sylla) sagt: sim- plex est officium atque vna bonorum omnium caussa. Für diese Art der Weisheit ist die Kälte und Trockenheit der schwarzen Galle das bequemste Werkzeug; nur muß sie aus den feinsten und zartesten Theilen zusammengesetzt seyn.


19 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wer würde sich wohl unterstehen, diese Lehre mit dem natürlichen Genie des heil. Paulus zu bestärken, und zu behaupten, daß er ein Mann von grossem Verstande, aber von wenigem Gedächtniß gewesen sey, und daß er mit aller seiner Mühe keine Sprache habe zierlich sprechen können; wenn er nicht selbst sagte: Jch achte, ich sey nicht weniger, denn die hohen Apostel sind. Und ob ich gleich albern bin mit reden, so bin ich doch nicht albern in der Erkenntniß. (2. Corinth. {??} 11.) Diese Art des Genies schickte sich zur Ausbreitung des Evangeliums so vortreflich, daß sich unmöglich etwas besseres erdenken läßt. Beredte Leute, denen es an keiner Zierlichkeit des Ausdrucks fehlt, durften die ersten Verkündiger desselben nicht seyn; weil man damals glaubte, daß die Stärke der Beredsamkeit darinnen bestehe, wenn man dem Zuhörer das Falsche für das Wahre verkaufen, und dasjenige, was das Volk für gut und nützlich hielt, durch dieRegeln der Kunst in das Gegentheil verkehren konnte. Behaupteten zum Beyspiele die damaligen Redner nicht, es sey besser, arm als reich zu seyn, besser krank als gesund, besser närrisch als weise; und hundert andere Dinge, die offenbar wider alle angenommene Meynungen liefen? Die Hebräer nannten sie daher חֲנֵפִּים das ist, Betrüger. Eben dieser Meynung war der ältere Cato, der es für sehr gefährlich hielt, dergleichen Leute in dem römischenStaate zu dulden; weil er wohl einsah, daß die Stärke des römischen Reichs blos auf den Waffen beruhe, und diese Redner das Volk schon zu überreden suchten, es wäre gut, wenn die römische Jugend die Waffen bey Seite legte, und sich dieser Art der Weisheit widmete. Er befahl ihnen daher gar bald, daß sie Rom verlassen, und niemals wieder einen Fuß dahin setzen sollten.


20 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wenn also GOtt einen grossen und zierlichen Redner hätte wählen wollen, und dieser Redner wäre nach Athen, oder nach Rom gekommen, daselbst zu behaupten: in Jerusalem hätten die Juden einen Menschen gekreuziget, welcher wahrhafter GOtt sey, und eines freywilligen selbsterwählten Todes gestorben wäre, dieSünder zu erlösen; er sey am dritten Tage wieder auferstanden, und gen Himmel gefahren, wo er noch wäre: was würden die Zuhörer wohl gedacht haben? Würden sie nicht gedacht haben, dieser Satz wäre einer von den nichtigen Thorheiten, wovon sie ein Redner durch die Stärke seiner Kunst überreden wolle? Daher sagt auch der H. Paulus: (1 Corinth. I. 17.)Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predi= gen: nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreutz Christi zunichte werde; das ist, damit nicht die Zuhörer denken sollten, das Kreutz Christi sey einer von den eiteln Sätzen, an welchen die Redner ihre Geschicklichkeit zu überreden wollten sehen lassen. Das Genie des H. Paulus war auch hierzu gar nicht geschickt. Er hatte zwar einen grossen Verstand, womit er sowohl in den Synagogen, als unter den Heiden behaupten und vertheidigen konnte, daß Christus der in dem Gesetze versprochene Messias sey, und daß sie keinen andern zu erwarten hätten; allein es fehlte ihm an demjenigen Gedächtniß, dadurch er mit Anmuth und mit ausgesuchten und süssen Worten hätte reden können; welches sich zur Ausbreitung des Evangeliums auch gar nicht geschickt hätte. Hiermit aber will ich nicht behaupten, Paulus habe nicht die Gabe mit Sprachen zu reden gehabt, sondern nur das behaupte ich, daß er in allen andern Sprachen nicht anders als in seiner geredt habe. Jch bin auch so unverständig nicht, daß ich sagen sollte, dem Paulus wäre zur Vertheidigung des Namens Christi sein natürlich grosser Verstand hinlänglich gewesen, ohne daß er den besondern Beystand oder die übernatürlichen Gnadengaben, mit welchen ihn GOtt ausrüstete, hätte nöthig gehabt: dieses nur sage ich, daß die übernatürlichen Gaben besser wirkten, da sie auf ein gutes Naturell fielen, als sie würden gewirkt haben, wenn der Mensch an sich selbst dumm und albern gewesen wäre. *) Auf diese Lehre gründet sich der h. Hieronymus, wenn er in der Einleitung in die Propheten Jesaias und Jeremias die Frage aufwirft: warum der H. Geist, ob er gleich eben sowohl durch den Mund des Jeremias, als des Jesaias geredt habe, sich bey dem einen mit aller möglichen Zierlichkeit ausdrücke, da der andere kaum reden könne? Er antwortet auf diesen Zweifel: der H. Geist habe sich nach eines jeden Natur gerichtet, ohne durch die übernatürlichen Gnadengaben ihr Genie zu verändern, oder sie die Ausdrücke zu lehren, in welchen sie ihre Prophezeyhungen kund machen sollten. Man darf nur wissen, daß Jesaias aus einem angesehenen und vornehmen Geschlechte war; daß er in Jerusalem ist auferzogen worden, und am Hofe gelebt hat; daß er also gar leicht die Gabe, zierlich und angenehm zu reden, hat haben können. Jeremias hingegen war auf einem Dorfe, nicht weit von Jerusalem, Namens Anathot, gebohren; er war in seinem Betragen einfältig und rauh, so wie ein Bauer seyn kann, und also bediente sich auch der Heilige Geist bey den Prophezey

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.

hungen, die er ihm mittheilte, eines einfältigen und rauhen Ausdrucks. Eben dieses ist auch von den Briefen des heil. Paulus zu verstehen, welchen der heilige Geist zwar in so weit erfüllte und lenkte, daß er nicht irren konnte, dem er aber völlige Freyheit ließ, so zu reden, wie er natürlicher Weise redete, und wie es die Lehre, die er vortrug, erforderte; weil die Wahrheit der scholastischenTheologie die vielen Worte verabscheuet.


21 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wenn also GOtt einen grossen und zierlichen Redner hätte wählen wollen, und dieser Redner wäre nach Athen, oder nach Rom gekommen, daselbst zu behaupten: in Jerusalem hätten die Juden einen Menschen gekreuziget, welcher wahrhafter GOtt sey, und eines freywilligen selbsterwählten Todes gestorben wäre, dieSünder zu erlösen; er sey am dritten Tage wieder auferstanden, und gen Himmel gefahren, wo er noch wäre: was würden die Zuhörer wohl gedacht haben? Würden sie nicht gedacht haben, dieser Satz wäre einer von den nichtigen Thorheiten, wovon sie ein Redner durch die Stärke seiner Kunst überreden wolle? Daher sagt auch der H. Paulus: (1 Corinth. I. 17.)Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predi= gen: nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreutz Christi zunichte werde; das ist, damit nicht die Zuhörer denken sollten, das Kreutz Christi sey einer von den eiteln Sätzen, an welchen die Redner ihre Geschicklichkeit zu überreden wollten sehen lassen. Das Genie des H. Paulus war auch hierzu gar nicht geschickt. Er hatte zwar einen grossen Verstand, womit er sowohl in den Synagogen, als unter den Heiden behaupten und vertheidigen konnte, daß Christus der in dem Gesetze versprochene Messias sey, und daß sie keinen andern zu erwarten hätten; allein es fehlte ihm an demjenigen Gedächtniß, dadurch er mit Anmuth und mit ausgesuchten und süssen Worten hätte reden können; welches sich zur Ausbreitung des Evangeliums auch gar nicht geschickt hätte. Hiermit aber will ich nicht behaupten, Paulus habe nicht die Gabe mit Sprachen zu reden gehabt, sondern nur das behaupte ich, daß er in allen andern Sprachen nicht anders als in seiner geredt habe. Jch bin auch so unverständig nicht, daß ich sagen sollte, dem Paulus wäre zur Vertheidigung des Namens Christi sein natürlich grosser Verstand hinlänglich gewesen, ohne daß er den besondern Beystand oder die übernatürlichen Gnadengaben, mit welchen ihn GOtt ausrüstete, hätte nöthig gehabt: dieses nur sage ich, daß die übernatürlichen Gaben besser wirkten, da sie auf ein gutes Naturell fielen, als sie würden gewirkt haben, wenn der Mensch an sich selbst dumm und albern gewesen wäre. *) Auf diese Lehre gründet sich der h. Hieronymus, wenn er in der Einleitung in die Propheten Jesaias und Jeremias die Frage aufwirft: warum der H. Geist, ob er gleich eben sowohl durch den Mund des Jeremias, als des Jesaias geredt habe, sich bey dem einen mit aller möglichen Zierlichkeit ausdrücke, da der andere kaum reden könne? Er antwortet auf diesen Zweifel: der H. Geist habe sich nach eines jeden Natur gerichtet, ohne durch die übernatürlichen Gnadengaben ihr Genie zu verändern, oder sie die Ausdrücke zu lehren, in welchen sie ihre Prophezeyhungen kund machen sollten. Man darf nur wissen, daß Jesaias aus einem angesehenen und vornehmen Geschlechte war; daß er in Jerusalem ist auferzogen worden, und am Hofe gelebt hat; daß er also gar leicht die Gabe, zierlich und angenehm zu reden, hat haben können. Jeremias hingegen war auf einem Dorfe, nicht weit von Jerusalem, Namens Anathot, gebohren; er war in seinem Betragen einfältig und rauh, so wie ein Bauer seyn kann, und also bediente sich auch der Heilige Geist bey den Prophezey

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.

hungen, die er ihm mittheilte, eines einfältigen und rauhen Ausdrucks. Eben dieses ist auch von den Briefen des heil. Paulus zu verstehen, welchen der heilige Geist zwar in so weit erfüllte und lenkte, daß er nicht irren konnte, dem er aber völlige Freyheit ließ, so zu reden, wie er natürlicher Weise redete, und wie es die Lehre, die er vortrug, erforderte; weil die Wahrheit der scholastischenTheologie die vielen Worte verabscheuet.


22 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wenn also GOtt einen grossen und zierlichen Redner hätte wählen wollen, und dieser Redner wäre nach Athen, oder nach Rom gekommen, daselbst zu behaupten: in Jerusalem hätten die Juden einen Menschen gekreuziget, welcher wahrhafter GOtt sey, und eines freywilligen selbsterwählten Todes gestorben wäre, dieSünder zu erlösen; er sey am dritten Tage wieder auferstanden, und gen Himmel gefahren, wo er noch wäre: was würden die Zuhörer wohl gedacht haben? Würden sie nicht gedacht haben, dieser Satz wäre einer von den nichtigen Thorheiten, wovon sie ein Redner durch die Stärke seiner Kunst überreden wolle? Daher sagt auch der H. Paulus: (1 Corinth. I. 17.)Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predi= gen: nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreutz Christi zunichte werde; das ist, damit nicht die Zuhörer denken sollten, das Kreutz Christi sey einer von den eiteln Sätzen, an welchen die Redner ihre Geschicklichkeit zu überreden wollten sehen lassen. Das Genie des H. Paulus war auch hierzu gar nicht geschickt. Er hatte zwar einen grossen Verstand, womit er sowohl in den Synagogen, als unter den Heiden behaupten und vertheidigen konnte, daß Christus der in dem Gesetze versprochene Messias sey, und daß sie keinen andern zu erwarten hätten; allein es fehlte ihm an demjenigen Gedächtniß, dadurch er mit Anmuth und mit ausgesuchten und süssen Worten hätte reden können; welches sich zur Ausbreitung des Evangeliums auch gar nicht geschickt hätte. Hiermit aber will ich nicht behaupten, Paulus habe nicht die Gabe mit Sprachen zu reden gehabt, sondern nur das behaupte ich, daß er in allen andern Sprachen nicht anders als in seiner geredt habe. Jch bin auch so unverständig nicht, daß ich sagen sollte, dem Paulus wäre zur Vertheidigung des Namens Christi sein natürlich grosser Verstand hinlänglich gewesen, ohne daß er den besondern Beystand oder die übernatürlichen Gnadengaben, mit welchen ihn GOtt ausrüstete, hätte nöthig gehabt: dieses nur sage ich, daß die übernatürlichen Gaben besser wirkten, da sie auf ein gutes Naturell fielen, als sie würden gewirkt haben, wenn der Mensch an sich selbst dumm und albern gewesen wäre. *) Auf diese Lehre gründet sich der h. Hieronymus, wenn er in der Einleitung in die Propheten Jesaias und Jeremias die Frage aufwirft: warum der H. Geist, ob er gleich eben sowohl durch den Mund des Jeremias, als des Jesaias geredt habe, sich bey dem einen mit aller möglichen Zierlichkeit ausdrücke, da der andere kaum reden könne? Er antwortet auf diesen Zweifel: der H. Geist habe sich nach eines jeden Natur gerichtet, ohne durch die übernatürlichen Gnadengaben ihr Genie zu verändern, oder sie die Ausdrücke zu lehren, in welchen sie ihre Prophezeyhungen kund machen sollten. Man darf nur wissen, daß Jesaias aus einem angesehenen und vornehmen Geschlechte war; daß er in Jerusalem ist auferzogen worden, und am Hofe gelebt hat; daß er also gar leicht die Gabe, zierlich und angenehm zu reden, hat haben können. Jeremias hingegen war auf einem Dorfe, nicht weit von Jerusalem, Namens Anathot, gebohren; er war in seinem Betragen einfältig und rauh, so wie ein Bauer seyn kann, und also bediente sich auch der Heilige Geist bey den Prophezey

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.

hungen, die er ihm mittheilte, eines einfältigen und rauhen Ausdrucks. Eben dieses ist auch von den Briefen des heil. Paulus zu verstehen, welchen der heilige Geist zwar in so weit erfüllte und lenkte, daß er nicht irren konnte, dem er aber völlige Freyheit ließ, so zu reden, wie er natürlicher Weise redete, und wie es die Lehre, die er vortrug, erforderte; weil die Wahrheit der scholastischenTheologie die vielen Worte verabscheuet.


23 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wenn also GOtt einen grossen und zierlichen Redner hätte wählen wollen, und dieser Redner wäre nach Athen, oder nach Rom gekommen, daselbst zu behaupten: in Jerusalem hätten die Juden einen Menschen gekreuziget, welcher wahrhafter GOtt sey, und eines freywilligen selbsterwählten Todes gestorben wäre, dieSünder zu erlösen; er sey am dritten Tage wieder auferstanden, und gen Himmel gefahren, wo er noch wäre: was würden die Zuhörer wohl gedacht haben? Würden sie nicht gedacht haben, dieser Satz wäre einer von den nichtigen Thorheiten, wovon sie ein Redner durch die Stärke seiner Kunst überreden wolle? Daher sagt auch der H. Paulus: (1 Corinth. I. 17.)Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predi= gen: nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreutz Christi zunichte werde; das ist, damit nicht die Zuhörer denken sollten, das Kreutz Christi sey einer von den eiteln Sätzen, an welchen die Redner ihre Geschicklichkeit zu überreden wollten sehen lassen. Das Genie des H. Paulus war auch hierzu gar nicht geschickt. Er hatte zwar einen grossen Verstand, womit er sowohl in den Synagogen, als unter den Heiden behaupten und vertheidigen konnte, daß Christus der in dem Gesetze versprochene Messias sey, und daß sie keinen andern zu erwarten hätten; allein es fehlte ihm an demjenigen Gedächtniß, dadurch er mit Anmuth und mit ausgesuchten und süssen Worten hätte reden können; welches sich zur Ausbreitung des Evangeliums auch gar nicht geschickt hätte. Hiermit aber will ich nicht behaupten, Paulus habe nicht die Gabe mit Sprachen zu reden gehabt, sondern nur das behaupte ich, daß er in allen andern Sprachen nicht anders als in seiner geredt habe. Jch bin auch so unverständig nicht, daß ich sagen sollte, dem Paulus wäre zur Vertheidigung des Namens Christi sein natürlich grosser Verstand hinlänglich gewesen, ohne daß er den besondern Beystand oder die übernatürlichen Gnadengaben, mit welchen ihn GOtt ausrüstete, hätte nöthig gehabt: dieses nur sage ich, daß die übernatürlichen Gaben besser wirkten, da sie auf ein gutes Naturell fielen, als sie würden gewirkt haben, wenn der Mensch an sich selbst dumm und albern gewesen wäre. *) Auf diese Lehre gründet sich der h. Hieronymus, wenn er in der Einleitung in die Propheten Jesaias und Jeremias die Frage aufwirft: warum der H. Geist, ob er gleich eben sowohl durch den Mund des Jeremias, als des Jesaias geredt habe, sich bey dem einen mit aller möglichen Zierlichkeit ausdrücke, da der andere kaum reden könne? Er antwortet auf diesen Zweifel: der H. Geist habe sich nach eines jeden Natur gerichtet, ohne durch die übernatürlichen Gnadengaben ihr Genie zu verändern, oder sie die Ausdrücke zu lehren, in welchen sie ihre Prophezeyhungen kund machen sollten. Man darf nur wissen, daß Jesaias aus einem angesehenen und vornehmen Geschlechte war; daß er in Jerusalem ist auferzogen worden, und am Hofe gelebt hat; daß er also gar leicht die Gabe, zierlich und angenehm zu reden, hat haben können. Jeremias hingegen war auf einem Dorfe, nicht weit von Jerusalem, Namens Anathot, gebohren; er war in seinem Betragen einfältig und rauh, so wie ein Bauer seyn kann, und also bediente sich auch der Heilige Geist bey den Prophezey

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.

hungen, die er ihm mittheilte, eines einfältigen und rauhen Ausdrucks. Eben dieses ist auch von den Briefen des heil. Paulus zu verstehen, welchen der heilige Geist zwar in so weit erfüllte und lenkte, daß er nicht irren konnte, dem er aber völlige Freyheit ließ, so zu reden, wie er natürlicher Weise redete, und wie es die Lehre, die er vortrug, erforderte; weil die Wahrheit der scholastischenTheologie die vielen Worte verabscheuet.


24 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.


25 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.


26 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Wenn also GOtt einen grossen und zierlichen Redner hätte wählen wollen, und dieser Redner wäre nach Athen, oder nach Rom gekommen, daselbst zu behaupten: in Jerusalem hätten die Juden einen Menschen gekreuziget, welcher wahrhafter GOtt sey, und eines freywilligen selbsterwählten Todes gestorben wäre, dieSünder zu erlösen; er sey am dritten Tage wieder auferstanden, und gen Himmel gefahren, wo er noch wäre: was würden die Zuhörer wohl gedacht haben? Würden sie nicht gedacht haben, dieser Satz wäre einer von den nichtigen Thorheiten, wovon sie ein Redner durch die Stärke seiner Kunst überreden wolle? Daher sagt auch der H. Paulus: (1 Corinth. I. 17.)Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predi= gen: nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreutz Christi zunichte werde; das ist, damit nicht die Zuhörer denken sollten, das Kreutz Christi sey einer von den eiteln Sätzen, an welchen die Redner ihre Geschicklichkeit zu überreden wollten sehen lassen. Das Genie des H. Paulus war auch hierzu gar nicht geschickt. Er hatte zwar einen grossen Verstand, womit er sowohl in den Synagogen, als unter den Heiden behaupten und vertheidigen konnte, daß Christus der in dem Gesetze versprochene Messias sey, und daß sie keinen andern zu erwarten hätten; allein es fehlte ihm an demjenigen Gedächtniß, dadurch er mit Anmuth und mit ausgesuchten und süssen Worten hätte reden können; welches sich zur Ausbreitung des Evangeliums auch gar nicht geschickt hätte. Hiermit aber will ich nicht behaupten, Paulus habe nicht die Gabe mit Sprachen zu reden gehabt, sondern nur das behaupte ich, daß er in allen andern Sprachen nicht anders als in seiner geredt habe. Jch bin auch so unverständig nicht, daß ich sagen sollte, dem Paulus wäre zur Vertheidigung des Namens Christi sein natürlich grosser Verstand hinlänglich gewesen, ohne daß er den besondern Beystand oder die übernatürlichen Gnadengaben, mit welchen ihn GOtt ausrüstete, hätte nöthig gehabt: dieses nur sage ich, daß die übernatürlichen Gaben besser wirkten, da sie auf ein gutes Naturell fielen, als sie würden gewirkt haben, wenn der Mensch an sich selbst dumm und albern gewesen wäre. *) Auf diese Lehre gründet sich der h. Hieronymus, wenn er in der Einleitung in die Propheten Jesaias und Jeremias die Frage aufwirft: warum der H. Geist, ob er gleich eben sowohl durch den Mund des Jeremias, als des Jesaias geredt habe, sich bey dem einen mit aller möglichen Zierlichkeit ausdrücke, da der andere kaum reden könne? Er antwortet auf diesen Zweifel: der H. Geist habe sich nach eines jeden Natur gerichtet, ohne durch die übernatürlichen Gnadengaben ihr Genie zu verändern, oder sie die Ausdrücke zu lehren, in welchen sie ihre Prophezeyhungen kund machen sollten. Man darf nur wissen, daß Jesaias aus einem angesehenen und vornehmen Geschlechte war; daß er in Jerusalem ist auferzogen worden, und am Hofe gelebt hat; daß er also gar leicht die Gabe, zierlich und angenehm zu reden, hat haben können. Jeremias hingegen war auf einem Dorfe, nicht weit von Jerusalem, Namens Anathot, gebohren; er war in seinem Betragen einfältig und rauh, so wie ein Bauer seyn kann, und also bediente sich auch der Heilige Geist bey den Prophezey

*) Obgleich die Epistel an die Hebräer in der That von dem h. Paulus ist, so haben sich dennoch nicht wenige gefunden, die sie für das Werk eines andern ausgegeben haben, weil die Schreibart darinnen von der Schreibart des H. Paulus ganz unterschieden ist. Die Kirche aber hat diese Meynung für eine Ketzerey erklärt.

hungen, die er ihm mittheilte, eines einfältigen und rauhen Ausdrucks. Eben dieses ist auch von den Briefen des heil. Paulus zu verstehen, welchen der heilige Geist zwar in so weit erfüllte und lenkte, daß er nicht irren konnte, dem er aber völlige Freyheit ließ, so zu reden, wie er natürlicher Weise redete, und wie es die Lehre, die er vortrug, erforderte; weil die Wahrheit der scholastischenTheologie die vielen Worte verabscheuet.


27 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Vor Alters hatten sich die Rechtsgelehrten den Namen und die Verrichtung eines Redners angemaßt; weil die Vollkommenheit eines Advocaten die Kenntniß und Erfahrenheit in allen Künsten der Welt erforderte, und sich die Gesetze über alles erstrecken. Wenn man eine jede Kunst so vertheidigen soll, wie sie ihrer Beschaffenheit nach vertheidiget werden muß, so muß man nothwendig von jeder eine besondere Kenntniß haben; daher auch Cicero*) sagt: nemo est in oratorum numero habendus, qui non sit omnibus artibus perpolitus. Weil sie aber sahen, daß es theils wegen der Kürze des Lebens, theils wegen des eingeschränkten menschlichen Genies, unmöglich sey, alle Wissenschaften zu lernen, so gaben sie es näher, und begnügten sich im Falle der Nothwendigkeit damit, daß sie die Erfahrnen in derjenigen Kunst, in welche ihre Vertheidigung einschlug, zu Rathe zogen, und ihnen Glauben zustellten. Auf diese Art die Rechtshändel zu vertheidigen, folgte die Lehre des Evangeliums, welche weit besser als irgend eine andere Wissenschaft von der Beredsamkeit den Menschen hätte können eingeredet werden, weil sie die allergewisseste und wahrhafteste war. Allein Christus befahl dem heil.Paulus ausdrücklich, daß er sie nicht mit künstlichen Worten predigen sollte, damit nicht dieHeiden etwa glauben möchten, sie sey nichts, als eine schöne ausgeputzte Lügen, dergleichen

*) de oratore.

die Redner dem Pöbel durch die Stärke ihrer Kunst einzureden pflegten. Nunmehr aber, da man diese Lehre gänzlich angenommen hat, da so viele Jahre seitdem verflossen sind, ist es ganz wohl erlaubt, nach den Regeln der Beredsamkeit zu predigen, und sich aller Annehmlichkeiten des Vortrags zu bedienen; weil die Ungelegenheit nicht mehr damit verbunden ist, welche damit verbunden war, als der heil. Paulus predigte. Wir sehen ja auch, daß derjenige Prediger, welcher die Eigenschaften eines vollkommenen Redners hat, weit mehr Nutzen stiftet, als ein anderer, und daß sich das Volk mehr um ihn drängt, als um einen andern. Die Ursache davon ist klar: denn wenn die alten Redner, vermittelst der Vorschriften und Regeln ihrer Kunst, dem Volke Lügen für Wahrheiten verkaufen konnten; so müssen christliche Zuhörer ja weit eher überzeugt werden können, wenn man ihnen durch den Beystand der Kunst dasjenige einschärft, was sie schon gehört haben, und zum Theil schon glauben. Da übrigens dieheil. Schrift gewissermaassen alles enthält, so sind zu ihrer Erklärung auch alle Wissenschaften vonnöthen, als worauf der bekannte Spruch zielet:die Weisheit sandte ihre Dirnen aus, zu laden oben auf die Palläste der Stadt. (Sprüche Sal. 9, 3.)


28 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Vor Alters hatten sich die Rechtsgelehrten den Namen und die Verrichtung eines Redners angemaßt; weil die Vollkommenheit eines Advocaten die Kenntniß und Erfahrenheit in allen Künsten der Welt erforderte, und sich die Gesetze über alles erstrecken. Wenn man eine jede Kunst so vertheidigen soll, wie sie ihrer Beschaffenheit nach vertheidiget werden muß, so muß man nothwendig von jeder eine besondere Kenntniß haben; daher auch Cicero*) sagt: nemo est in oratorum numero habendus, qui non sit omnibus artibus perpolitus. Weil sie aber sahen, daß es theils wegen der Kürze des Lebens, theils wegen des eingeschränkten menschlichen Genies, unmöglich sey, alle Wissenschaften zu lernen, so gaben sie es näher, und begnügten sich im Falle der Nothwendigkeit damit, daß sie die Erfahrnen in derjenigen Kunst, in welche ihre Vertheidigung einschlug, zu Rathe zogen, und ihnen Glauben zustellten. Auf diese Art die Rechtshändel zu vertheidigen, folgte die Lehre des Evangeliums, welche weit besser als irgend eine andere Wissenschaft von der Beredsamkeit den Menschen hätte können eingeredet werden, weil sie die allergewisseste und wahrhafteste war. Allein Christus befahl dem heil.Paulus ausdrücklich, daß er sie nicht mit künstlichen Worten predigen sollte, damit nicht dieHeiden etwa glauben möchten, sie sey nichts, als eine schöne ausgeputzte Lügen, dergleichen

*) de oratore.

die Redner dem Pöbel durch die Stärke ihrer Kunst einzureden pflegten. Nunmehr aber, da man diese Lehre gänzlich angenommen hat, da so viele Jahre seitdem verflossen sind, ist es ganz wohl erlaubt, nach den Regeln der Beredsamkeit zu predigen, und sich aller Annehmlichkeiten des Vortrags zu bedienen; weil die Ungelegenheit nicht mehr damit verbunden ist, welche damit verbunden war, als der heil. Paulus predigte. Wir sehen ja auch, daß derjenige Prediger, welcher die Eigenschaften eines vollkommenen Redners hat, weit mehr Nutzen stiftet, als ein anderer, und daß sich das Volk mehr um ihn drängt, als um einen andern. Die Ursache davon ist klar: denn wenn die alten Redner, vermittelst der Vorschriften und Regeln ihrer Kunst, dem Volke Lügen für Wahrheiten verkaufen konnten; so müssen christliche Zuhörer ja weit eher überzeugt werden können, wenn man ihnen durch den Beystand der Kunst dasjenige einschärft, was sie schon gehört haben, und zum Theil schon glauben. Da übrigens dieheil. Schrift gewissermaassen alles enthält, so sind zu ihrer Erklärung auch alle Wissenschaften vonnöthen, als worauf der bekannte Spruch zielet:die Weisheit sandte ihre Dirnen aus, zu laden oben auf die Palläste der Stadt. (Sprüche Sal. 9, 3.)


29 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Aristoteles erkannte gar wohl aus der Erfahrung, daß ein Redner, ob er gleich die sittliche und natürliche Weltweisheit, die Arzneykunst,Metaphysik, Rechtsgelehrsamkeit, Mathematik, Astrologie und alle andere Künste und Wissenschaften studire, er doch aus allen nichts, als einige Blumen und unzweifelhafte Aussprüche wisse, ohne daß er den wahren Grund davon inne habe. Er glaubte aber, diese gründliche Erkenntniß gebräche ihm nur deswegen, weil er sich nicht darauf gelegt habe. Wenn er also fragt: *) δια τι τον φιλοσοφον του ῥητορος οἰονται διαφερειν; das ist: worinnen der Redner und Philosoph von einander unterschieden wären, da doch beyde die Weltweisheit studirten? so antwortet er: darinnen wären sie unterschieden, daß der Philosoph allen seinen Fleiß auf die Erkenntniß der Ursachen und Gründe einer jeden Wirkung richte, der Redner aber mit der blossen Kenntniß der Wirkungen zufrieden sey. Die wahre Ursache aber ist keine andere, als die, weil die natürliche Weltweisheit von dem Verstande abhänget, als an welcher Vermögenheit es den Rednern fehlt, so daß sie in der Philosophie nur ganz obenhin erfahren seyn können. Eben dieser Unterschied ist zwischen einem scholastischen und praktischen Gottesgelehrten; der eine weiß die Gründe von allen dem,

*) προβλ. τμημ. ιη.

was zu seiner Wissenschaft gehört, der andere aber weiß nichts mehr, als die unstreitigen Wahrheiten daraus. Es ist daher sehr gefährlich, daß ein Prediger Gewalt und Pflicht hat, demchristlichen Volke die Wahrheit zu lehren, und daß dieses Volk verbunden ist, ihm Glauben beyzumessen. Da ihm die Vermögenheit fehlt, durch welche er die Wahrheiten aus dem Grunde erkennen kann, so kann man mit allem Rechte von ihm sagen, was unser Heiland (Matth.XV, 14.) sagt: sie sind blind und blinde Leiter; wenn aber ein Blinder den andern leitet, so fallen sie beyde in die Grube. Es ist etwas unerträgliches, wenn man sieht, mit was für Kühnheit Leute auftreten und predigen, welche doch nicht ein Wort aus der scholastischen Theologie verstehen, und auch keine natürliche Fähigkeit haben, sie zu erlernen. Auch der h. Paulus beklagt sich sehr über diese Leute, wenn er (1. Timoth. I, 5.) sagt: die Hauptsumma des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Welcher haben etliche gefehlet, und sind umgewandt zu unnützem Geschwätz; wollen der Schrift Meister seyn, und verstehen nicht was sie sagen, oder was sie setzen. Die Waschhaftigkeit unduud das Geschwätz der deutschen, holländischen, englischen und französischen und aller übrigen nordischen Theologen, macht christliche Zuhörer nur verwirrt, indem sie zwar mit grosser Sprachgelehrsamkeit, mit vieler Zierlichkeit und Anmuth der Worte predigen, allein keinen Verstand haben, womit sie die Wahrheit durchdringen könnten. Daß diese aber wirklich Mangel am Verstande haben, ist oben nicht allein aus der Meynung des Aristoteles, sondern auch ausser vielen andern Gründen und Erfahrungen, die wir deswegen beygebracht haben, erwiesen worden. Wenn denDeutschen und Engländern dasjenige wäre eingeschärft worden, was St. Paulus an die Römer schrieb, welche gleichfalls von falschen Predigern belästiget waren, so würden sie sich vielleicht nicht so geschwind haben verführen lassen:Jch ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen; denn solche dienen nicht dem HErrn JEsu Christo, sondern ihrem Bauch, und durch süsse Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen. Ueberdieses haben wir auch oben bewiesen, daß diejenigen, welche eine starke Einbildungskraft besitzen, cholerisch, verschmitzt, boshaft, betrügerisch, und allezeit zum Bösen geneigt sind, welches sie mit vieler Geschicklichkeit und Klugheit auszuführen wissen.


30 - Johann Huart's Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften /

Aristoteles erkannte gar wohl aus der Erfahrung, daß ein Redner, ob er gleich die sittliche und natürliche Weltweisheit, die Arzneykunst,Metaphysik, Rechtsgelehrsamkeit, Mathematik, Astrologie und alle andere Künste und Wissenschaften studire, er doch aus allen nichts, als einige Blumen und unzweifelhafte Aussprüche wisse, ohne daß er den wahren Grund davon inne habe. Er glaubte aber, diese gründliche Erkenntniß gebräche ihm nur deswegen, weil er sich nicht darauf gelegt habe. Wenn er also fragt: *) δια τι τον φιλοσοφον του ῥητορος οἰονται διαφερειν; das ist: worinnen der Redner und Philosoph von einander unterschieden wären, da doch beyde die Weltweisheit studirten? so antwortet er: darinnen wären sie unterschieden, daß der Philosoph allen seinen Fleiß auf die Erkenntniß der Ursachen und Gründe einer jeden Wirkung richte, der Redner aber mit der blossen Kenntniß der Wirkungen zufrieden sey. Die wahre Ursache aber ist keine andere, als die, weil die natürliche Weltweisheit von dem Verstande abhänget, als an welcher Vermögenheit es den Rednern fehlt, so daß sie in der Philosophie nur ganz obenhin erfahren seyn können. Eben dieser Unterschied ist zwischen einem scholastischen und praktischen Gottesgelehrten; der eine weiß die Gründe von allen dem,

*) προβλ. τμημ. ιη.

was zu seiner Wissenschaft gehört, der andere aber weiß nichts mehr, als die unstreitigen Wahrheiten daraus. Es ist daher sehr gefährlich, daß ein Prediger Gewalt und Pflicht hat, demchristlichen Volke die Wahrheit zu lehren, und daß dieses Volk verbunden ist, ihm Glauben beyzumessen. Da ihm die Vermögenheit fehlt, durch welche er die Wahrheiten aus dem Grunde erkennen kann, so kann man mit allem Rechte von ihm sagen, was unser Heiland (Matth.XV, 14.) sagt: sie sind blind und blinde Leiter; wenn aber ein Blinder den andern leitet, so fallen sie beyde in die Grube. Es ist etwas unerträgliches, wenn man sieht, mit was für Kühnheit Leute auftreten und predigen, welche doch nicht ein Wort aus der scholastischen Theologie verstehen, und auch keine natürliche Fähigkeit haben, sie zu erlernen. Auch der h. Paulus beklagt sich sehr über diese Leute, wenn er (1. Timoth. I, 5.) sagt: die Hauptsumma des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Welcher haben etliche gefehlet, und sind umgewandt zu unnützem Geschwätz; wollen der Schrift Meister seyn, und verstehen nicht was sie sagen, oder was sie setzen. Die Waschhaftigkeit unduud das Geschwätz der deutschen, holländischen, englischen und französischen und aller übrigen nordischen Theologen, macht christliche Zuhörer nur verwirrt, indem sie zwar mit grosser Sprachgelehrsamkeit, mit vieler Zierlichkeit und Anmuth der Worte predigen, allein keinen Verstand haben, womit sie die Wahrheit durchdringen könnten. Daß diese aber wirklich Mangel am Verstande haben, ist oben nicht allein aus der Meynung des Aristoteles, sondern auch ausser vielen andern Gründen und Erfahrungen, die wir deswegen beygebracht haben, erwiesen worden. Wenn denDeutschen und Engländern dasjenige wäre eingeschärft worden, was St. Paulus an die Römer schrieb, welche gleichfalls von falschen Predigern belästiget waren, so würden sie sich vielleicht nicht so geschwind haben verführen lassen:Jch ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen; denn solche dienen nicht dem HErrn JEsu Christo, sondern ihrem Bauch, und durch süsse Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen. Ueberdieses haben wir auch oben bewiesen, daß diejenigen, welche eine starke Einbildungskraft besitzen, cholerisch, verschmitzt, boshaft, betrügerisch, und allezeit zum Bösen geneigt sind, welches sie mit vieler Geschicklichkeit und Klugheit auszuführen wissen.