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31 - Discours historique sur l'apocalypse /

Ich habe es nimmer bedaurt, mein Herr, daß Hr. Rameau und Hr. Quinault ihre Talente nicht vereinigt haben; sie würden einer für den andern gemacht gewesen seyn, denn beyde waren schöpferisch und unnachahmlich; aber das Vorurtheil, die Sprache der Kenner ohne Kentniße, die albernen Einfälle titelführender Dumköpfe, die von allen Künsten in einem stolzen und entscheidenden Tone sprechen, ohne von einer den geringsten Begriff zu haben; des Schreyen und Lärmen wichtigthuender Subalternen, dieser herumgehenden Wesen, die mit ihrem Denken Thun und Reden Leuten vom Bonton nachahmen, die zischen und klatschen, ohne gesehen und gehört zu haben; auch die Halbgelehrten, die zwar selbst nichts wissen, aber doch für den grossen Haufen den Ton angeben, giftige Raupen, die den Künsten schädlich sind, und das Genie entblättern, würden, wenn sie nicht zertreten würden so bald sie sich an dessen äusserste Zweige anhängen, endlich die Menge der Anhänger und Gönner, die selbst wieder um Beyfall betteln, die das Echo aller Lächerlichkeiten und der privilegirten Unwissenheit unserer Petitmaitres sind, die selbst nicht Geschmack und Einsicht genug zum Urtheilen haben, immer mit ihren Vergleichungen angezogen kommen, und auf diese Weise oft den grossen Mann demüthigen; alles dieses hat dem Herrn Rameau ein solches Unternehmen verleidet und ihn vermocht die grossen Ideen fahren zu lassen, die er haben mochte. Hierzu kommen noch die mancherley Verdrießlichkeiten, die die Directeurs der Oper einem jeden Autor machen. Man scheint ihnen strafbar und profan, wenn man nicht einen so gotischenGeschmack hat als sie, wenn man nicht einfältig genug ist, die alten Gesetze dieses Schauspiels und jeden alten Schlendrian gutwillig anzunehmen, an die sie von Vater auf Sohn gewöhnt sind. Kaum ist es einem Balletmeister erlaubt, das Tempo einer alten Tanzmelodie zu verändern; vergebens sagt man ihnen, daß unsere Vorfahren eine simple Execution hatten, daß die langsahmen Stücke sich zu ihrer schläfrigen und pflegmatischen Ausführung schickten — sie kennen die alten Tempos, sie wissen den Tackt zu schlagen; diese Leute haben nichts weiter als Gehör, und sie können den Vorstellungen nichts nachgeben die eine verschönerte Kunst ihnen machen kann; sie betrachten alles von dem Fleck wo sie sind stehen geblieben, und können dem Genie in der unermeßlichen Bahn, die es durchlaufen ist, nicht folgen. Unterdessen hat der Tanz seit einiger Zeit, durch den erhaltenen Beyfall und Schutz ermuntert, sich von dem Zwange, den ihm die Musik anthun wollte, frey gemacht. Hr. Lany läst nicht allein die Melodien in dem wahren Geschmacke spielen sondern er macht auch neue zu den alten Opern; an die Stelle der einfachen monotonischen Melodien von Lülly setzt er Stücke voll Ausdruck und Mannigfaltigkeit.


32 - Discours historique sur l'apocalypse /

Die Italiener sind in diesem Punckt viel klüger gewesen als wir. Ihrer alten Musik sind sie nicht sehr getreu, aber desto getreuer ihrem Metastasio, sie haben ihn von allen Kapell meistern die Talente haben, komponiren lassen, und thun es noch täglich. Die Deutschen Höfe, Spanien, Portugal und England haben dieselbe Achtung für diesen grossen Dichter beybehalten. Die Musik variirt unendlich, und die Worte, ob sie gleich immer dieselben sind, haben doch allemal den Werth der Neuheit; jeder Musikus giebt diesem Dichter neuen Ausdruck und neue Anmuth; einer vernachläßiget diese oder jeneEmpfindung, ein anderer verschönert sie; dieser schwächt einen gewissen Gedanken und jener trägt ihn mit Nachdruck vor; der schöne Vers wird durch Graun (*) matt gemacht, und Hasse (**) mahlt ihn mit Feuer und Genie.(*) Kapellmeister Sr. Preußischen Majest.(**) Kapellmeister Sr. Polnischen Majest. und Churfürsten von Sachsen. Nicht der Tanz allein, sondern alle andern Künste, die zur Schönheit und Vollkommenheit der Oper etwas beytragen, würden unendlich dabey gewonnen haben, wenn der berühmteRameau, ohne die Nestors seiner Zeit und den Schwarm von Leuten, die nichts über Lülly kennen, zu beleidigen, die Meisterstücke des Vaters und Schöpfers der lyrischen Poesie hätte in Musik setzen können. Dieser Mann hatte ein uneingeschränktes und erhabnes Genie und umfaßte alle Theile mit einmal; seine Kompositions sind oder können doch leicht der Triumph der Künste werden; alles ist groß, alles harmonisch; jeder Artist, wenn er mit diesem Autor gemeinschaftliche Sache macht, kann Meisterstücke von verschiedner Art hervorbringen. Musikus, Balletmeister, Sänger und Tänzer, Chöre, Mahler, Erfinder der Dekoration, Kleidungen und Maschinerie können alle Antheil an seinem Ruhme haben. Ich behaupte keinesweges, daß der Tanz in allen Opern von Quineault durchaus nach derNatur eingerichtet und immer in Handlung sey; aber es wäre leicht, das zu ersetzen, was der Dichter versäumt hat, und das vollends auszubilden, was man bloß als die ersten Einfälle ansehn muß, die er nur so hingeworfen.


33 - Discours historique sur l'apocalypse /

Und sollte ich mir auch eine Menge sechszigjähriger Feinde machen, so muß ich es sagen, daß die Tanzmusik des Lülly kalt, langweilig und ohne Charakter ist: sie ist freilich zu einer Zeit gemacht, wo der Tanz ruhig war, und die Tänzer ganz und gar das nicht kannten, was man Ausdruck nennt. Also war alles vortreflich; die Musik war für den Tanz gemacht, und der Tanz für die Musik; aber was dazumal zusammen paßte läßt sich Heut zu Tage nicht mehr paaren. Die Pas sind vielfältiger geworden, die Bewegungen sind schnell, und folgen geschwind aufeinander; die Verknüpfungen und Vermischung der Tempos sind unendlich; die Schwierigkeiten, die Cabriolen, das Glänzende, die Geschwindigkeit, die Ruhe, die Unentschlossenheiten, die Kräftigen Stellungen, die veränderten Positions, alles dieses, sage ich, kann sich unmöglich mit der ruhigen Musik und der einförmigen Melodie, die durchgängig in den Kompositions der alten Meister herrscht vereinigen lassen. Der Tanz nach einigen Melodien des Lülly macht bey mir eben den Eindruck, den die beyden Dokters in MolierensMariage Forcé machen. Dieser Kontrast einer äußersten Geläufigkeit und eines unbeweglichen Pflegma bringt bey mir einerley Wirkung hervor. Solche Beleidigende Widersinnigkeiten dürfen gar nicht aufs Theater gebracht werden, sie vernichten die Anmuth und Harmonie, und machen daß das Gemählde kein Ganzes mehr bleibt.


34 - Discours historique sur l'apocalypse /

Und sollte ich mir auch eine Menge sechszigjähriger Feinde machen, so muß ich es sagen, daß die Tanzmusik des Lülly kalt, langweilig und ohne Charakter ist: sie ist freilich zu einer Zeit gemacht, wo der Tanz ruhig war, und die Tänzer ganz und gar das nicht kannten, was man Ausdruck nennt. Also war alles vortreflich; die Musik war für den Tanz gemacht, und der Tanz für die Musik; aber was dazumal zusammen paßte läßt sich Heut zu Tage nicht mehr paaren. Die Pas sind vielfältiger geworden, die Bewegungen sind schnell, und folgen geschwind aufeinander; die Verknüpfungen und Vermischung der Tempos sind unendlich; die Schwierigkeiten, die Cabriolen, das Glänzende, die Geschwindigkeit, die Ruhe, die Unentschlossenheiten, die Kräftigen Stellungen, die veränderten Positions, alles dieses, sage ich, kann sich unmöglich mit der ruhigen Musik und der einförmigen Melodie, die durchgängig in den Kompositions der alten Meister herrscht vereinigen lassen. Der Tanz nach einigen Melodien des Lülly macht bey mir eben den Eindruck, den die beyden Dokters in MolierensMariage Forcé machen. Dieser Kontrast einer äußersten Geläufigkeit und eines unbeweglichen Pflegma bringt bey mir einerley Wirkung hervor. Solche Beleidigende Widersinnigkeiten dürfen gar nicht aufs Theater gebracht werden, sie vernichten die Anmuth und Harmonie, und machen daß das Gemählde kein Ganzes mehr bleibt.


35 - /

Croiriez-vous bien, Mylord, que Louis XIV a ré- formé le goût de sa Cour en plus d'un genre? Il choisit Lully pour son Musicien, & ôta le Privilege à Cambert, parceque Cambert étoit un homme médiocre, & Lully un homme excellent. Il donnoit à Quinaut les sujets de ses Opera. C'est Louïs XIV, qui choisit celui d'Armide. Il dirigeoit les Peintures de le Brun; il soutenoit Boileau, Racine, Moliere contre leurs ennemis; il encourageoit les Arts utiles, comme les Beaux Arts, & toûjours en connaissance de cause; il prêtoit de l'argent à Vanrobes pour établir des Manufactures; il avançoit des millions à la Compagnie des Indes qu'il avoit formée. Non seu- lement il s'est fait de grandes choses sous son Régne; mais c'est lui qui les faisoit en partie. Souffrez donc, Mylord, que je tâche d'élever à sa gloire un Monument que je consacre bien plus à l'utilité du Genre Humain; c'est comme Homme & non comme Sujet, que j'écris; je veux peindre le dernier Siecle, & non pas simplement un Prince. Je suis las des Histoires, où il n'est question que des Avantures d'un Roi, comme s'il existoit seul, ou que rien n'existât que par rapport à lui; en un mot, c'est d'un grand Siecle, plus encore que d'un grand Roi que j'écris l'Histoire.


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Croiriez-vous bien, Mylord, que Louis XIV a ré- formé le goût de sa Cour en plus d'un genre? Il choisit Lully pour son Musicien, & ôta le Privilege à Cambert, parceque Cambert étoit un homme médiocre, & Lully un homme excellent. Il donnoit à Quinaut les sujets de ses Opera. C'est Louïs XIV, qui choisit celui d'Armide. Il dirigeoit les Peintures de le Brun; il soutenoit Boileau, Racine, Moliere contre leurs ennemis; il encourageoit les Arts utiles, comme les Beaux Arts, & toûjours en connaissance de cause; il prêtoit de l'argent à Vanrobes pour établir des Manufactures; il avançoit des millions à la Compagnie des Indes qu'il avoit formée. Non seu- lement il s'est fait de grandes choses sous son Régne; mais c'est lui qui les faisoit en partie. Souffrez donc, Mylord, que je tâche d'élever à sa gloire un Monument que je consacre bien plus à l'utilité du Genre Humain; c'est comme Homme & non comme Sujet, que j'écris; je veux peindre le dernier Siecle, & non pas simplement un Prince. Je suis las des Histoires, où il n'est question que des Avantures d'un Roi, comme s'il existoit seul, ou que rien n'existât que par rapport à lui; en un mot, c'est d'un grand Siecle, plus encore que d'un grand Roi que j'écris l'Histoire.


37 - /

Glauben sie wol, Mylord, daß Ludewig der XIV. den Hof mehr als in einem Stücke verbessert hat? Er wählte den Lully zu seinem Musicus, und nahm dem Lambert das Privilegium, weil Lambert ein mittelmäßiger Künstler, und Lully ein vortrefflicher Mann war. Er gab dem Quinaut den Stoff zu seinen Opern. Ludewig der XIV. war es, welcher die Armide angab. Er regierte die Mahlereyen desle Brun, er beschützte Boileau, Racinen, Molieren wider ihre Feinde; er munterte die nützlichen sowol als die schönen Künste auf, und allezeit mit Einsicht in die Sache: er lieh dem Vanrobes Geld, Manufacturen anzulegen; er schoß der indischen Handlungsgesellschaft, welche er gebildet hatte, ganze Millionen vor. Unter seiner Regierung sind nicht nur große Dinge geschehen, sondern er hat sie guten Theils selber gethan. Erlauben sie also, Mylord, daß ich mich bemühe, ein Denkmaal zu seinem Ruhme aufzurichten, welches ich noch weit mehr dem Nutzen des ganzen menschlichen Geschlechts weihe; ich schreibe als Mensch, nicht als Unterthan; ich will das letzte Jahrhundert schildern, und nicht bloß Vers. über das Jahrh. Ludew. des XIV. einen Fürsten. Ich bin der Geschichte überdrüßig, wo von nichts, als von den Abentheuern eines Königs die Rede ist, als ob er allein, oder, als ob alles für ihn da wäre. Kurz, ich schreibe vielmehr die Geschichte eines großen Jahrhunderts, als eines großen Königes.


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Glauben sie wol, Mylord, daß Ludewig der XIV. den Hof mehr als in einem Stücke verbessert hat? Er wählte den Lully zu seinem Musicus, und nahm dem Lambert das Privilegium, weil Lambert ein mittelmäßiger Künstler, und Lully ein vortrefflicher Mann war. Er gab dem Quinaut den Stoff zu seinen Opern. Ludewig der XIV. war es, welcher die Armide angab. Er regierte die Mahlereyen desle Brun, er beschützte Boileau, Racinen, Molieren wider ihre Feinde; er munterte die nützlichen sowol als die schönen Künste auf, und allezeit mit Einsicht in die Sache: er lieh dem Vanrobes Geld, Manufacturen anzulegen; er schoß der indischen Handlungsgesellschaft, welche er gebildet hatte, ganze Millionen vor. Unter seiner Regierung sind nicht nur große Dinge geschehen, sondern er hat sie guten Theils selber gethan. Erlauben sie also, Mylord, daß ich mich bemühe, ein Denkmaal zu seinem Ruhme aufzurichten, welches ich noch weit mehr dem Nutzen des ganzen menschlichen Geschlechts weihe; ich schreibe als Mensch, nicht als Unterthan; ich will das letzte Jahrhundert schildern, und nicht bloß Vers. über das Jahrh. Ludew. des XIV. einen Fürsten. Ich bin der Geschichte überdrüßig, wo von nichts, als von den Abentheuern eines Königs die Rede ist, als ob er allein, oder, als ob alles für ihn da wäre. Kurz, ich schreibe vielmehr die Geschichte eines großen Jahrhunderts, als eines großen Königes.


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Aus allen diesen freywillig ertheilten Geschenken und besonders aus seiner Gnade gegen den Pelisson, welchen Colbert verfolgte, erhellet unwidersprechlich, daß dieser Minister seinen Geschmack nicht lenkte. Es geschahe aus eigner Bewegung, daß er verschiedenen auswärtigen Gelehrten Gnadengelder gab, undColbert zog den Perrault bey der Wahl derjenigen zu Rathe, welche diese für sie und für den Monarchen so rühmliche Geschenke erhielten. Eine von seinen Künsten war einen Hofstaat zu halten. Er machte den seinigen zu dem prächtigsten und galantesten in ganz Europa. Ich weiß nicht, wie man noch die Beschreibungen von großen Festen in den Romanen lesen kann, wenn man diejenigen gelesen hat, welcheLudewig der XIV anstellte. Die Lustbarkeiten in St. Germain, zu Versailles, sein Carusselle sind weit über alles das, was die romanenmäßigsteEinbildung hat erfinden können. Er tanzte gemeiniglich bey diesen Lustbarkeiten mit den schönsten Personen des Hofes, und die Natur schien alle ihre Kräfte angewandt zu haben, dem Geschmacke Ludewigs desXIV zu Hülfe zu kommen. Sein Hof ward mit den Geheime Nachrichten wohlgebildetsten Menschen in ganz Europa angefüllet, und er besaß mehr als dreyßig Frauenzimmer von einer vollkommenenSchönheit. Man bemühete sich figürliche Tänze zu erfinden, die sich zu ihren Gemüthsarten und Galanterien schickten. Oft waren die Stücke, welche man vorstellte, voller feinen Anspielungen, die auf die geheimen Angelegenheiten ihrer Herzen passeten. Es wurden nicht nur öffentliche Lustbarkeiten angestellet, wobey Moliere undLully die vornehmsten Zierden waren; sondern auch besondere, bald für die Madame, die Schwägerinn des Königs, bald für Madame de la Valiere, wobey nur wenig Hofleute zugelassen wurden. Oft war es Benserade, welcher die Verse dazu machte, manchmal auch ein gewisser Bellet, Kammerdiener des Königs. Ich habe Entwürfe von diesem letztern gesehen, welche Ludewig der XIV mit eigener Hand verbessert hatte. Die galanten Verse sind bekannt, welche Benserade für die figürlichen Ballets machte, wobey der König mit seinem Hofe tanzte; er vermischte allezeit durch eine feine Anspielung die Person und die Rolle. Zum Exempel, als der König in einem von diesen Ballets den Apollo vorstellte, so machte Benserade folgendes für ihn:


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Die edlen Ergötzungen, womit er beständig den prächtigsten Hof von der Welt unterhielt, verhinderten ihn nicht, sich ordentlicher Weise bey allen Berathschlagungen einzufinden. Selbst in seiner Krankheit setzte er sie nicht aus. Nur ein einzigmal zog er die Jagd vor. Es war gleich an dem Tage, nicht viel zu thun. Er trat herein, und sagte, daß die Berathschlagung diesesmal sollte ausgesetzt seyn, und sagte es, indem er aus dem Stegreife eine Operarie des Quinaut und Lully parodirte.