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16 - Von den Trauerspielen /

und nicht seinen Verstand bis dahin ausdehnen, daßsich allezeit ein Exempel davon in der Geschichte oderin der Fabel, außer dem Stoffe, den man vorhat, finden solle. Horaz entscheidet diese Frage noch durcheinen andern Vers, so sehr als sie kann entschiedenwerden, mit welchem ich auch meine Abhandlung schließen will:


17 - Von den Trauerspielen /

Von der Handlung komme ich auf die Aufzüge,deren jeder einen Theil davon enthalten muß, welcheraber eben nicht so gar gleich seyn darf, daß man demletzten Aufzuge nicht mehr als den übrigen, und demersten nicht weniger als den letztern geben könne. Mankann in dem ersten Aufzuge meistentheils nichts thun,als daß man die Sitten der Personen schildert, undanmerkt, wie sie unter einander bey dem Anfange des Stücks stehen. Aristoteles schreibt die Anzahl der Aufzüge nicht vor. Horaz schränkt sie auf fünfe ein, und ob er gleich wenigere zu machen verbietet, so bleiben doch die Spanier bey ihren dreyen, und die Italiener thun oft ein gleiches. Die Griechen unterschieden sie durch den Gesang des Chors, und weil ich in einigen von ihren Stücken finde, daß sie mehr als viermal haben singen lassen, so will ich nicht dafür stehen, daß sie nicht dann und wann mehr als fünf Aufzüge gemacht. Diese Art sie zu unterscheiden war weit unbequemer, als die unsrige ist; denn entweder man hörte auf das was gesungen ward, oder man hörte nicht drauf. Hörte man drauf, so blieb derGeist der Zuschauer allzu sehr angestrengt, und siehatten niemals Zeit sich zu erholen. Hörte man abernicht drauf, so wurde die Aufmerksamkeit des Zu von den drey Einheiten. 557hörers allzusehr durch die Länge des Gesangs zerstreut, und wenn ein andrer Aufzug angieng, so mußte er sich erst lange wieder besinnen, wo die Handlung in dem vorigen stehen geblieben war. Unsre Musik hat keine von diesen Unbequemlichkeiten. Der Geist des Zuschauers erholt sich unterdessen da sie spielen, und denkt über das nach, was er gesehen hat, es entweder zu loben oder zu tadeln, nachdem es ihm entweder gefallen oder misfallen hat: die kurze Zeit aber, die gespielet wird, läßt die Gedanken ganz frisch, daß die Zuhörer sich nicht mühsam besinnen noch ihre Aufmerksamkeit erneuern dürfen.


18 - Von den Trauerspielen /

Die Anzahl der Auftritte in jedem Aufzuge hat keine Regel: weil aber jeder Aufzug eine gewisse Anzahl Verse haben muß, welche mit der Dauer derübrigen Aufzüge überein kommt, so kann man mehroder weniger Scenen anbringen, nachdem sie langoder kurz sind, damit die Zeit, die man zu dem ganzen Aufzuge hat, also herauskomme. Man muß, wenn es möglich ist, von dem Kommen und Abgehen jeder Person die Ursache angeben. Vornehmlich aber halte ich diese Regel bey dem Abgehen durchaus nöthig, und es läßt nichts übler als wenn einePerson bloß deswegen die Bühne verläßt, weil sienichts mehr zu sagen hat. Mit dem Ankommen würde ich es so scharf nicht nehmen. Der Zuschauer erwartet die spielende Person, und obgleich die Bühne das Zimmer dessen, welcher redt, vorstellet, so kann er sich doch niemals darinne zeigen, wenn er nicht vorher aus den Scenen hervorkommt; und man kann nicht allezeit leichtlich sagen, was er auswärts gemacht hat, ehe er wieder in sein Zimmer gekommen, 558 II. P. Corneille dritte Abhandlung, weil er es oftmals nicht einmal verlassen hat. So viel ich weis, hat sich niemand geärgert, daß Aemilia den Cinna anfängt, ohne zu sagen, warum sie in sein Zimmer kömmt. Man setzt voraus, daß sie eher da gewesen ist, als das Stück angefangen hat, ob esgleich die Vorstellung nothwendig erfodert, daß siehinter der Bühne hervorkommen muß. Den erstenAuftritten in jedem Aufzuge also würde ich diese Genauigkeit ganz gern erlassen, nicht aber den übrigen;denn wenn einmal eine Person auf dem Theater ist,so darf keine andre herzukommen, wenn sie mit ihm nichts zu reden hat. Besonders gilt dieses, wenn eine Person in einem Aufzuge zweymal auf die Bühne kömmt, es sey im Lustspiele oder Trauerspiele; alsdann muß sie nothwendig, entweder, wenn er das erstemal abgeht, zu verstehen geben, daß er bald wiederkommen werde, wie Horaz im zweyten Aufzugeund Julie im dritten Aufzuge eben dieses Stücks;oder er muß, wenn er das zweytemal wiederkömmt,die Ursache angeben, warum er so zeitig wiederkömmt.


19 - Von den Trauerspielen /

Was die Einheit des Orts anbelangt, so finde ich weder im Aristoteles noch im Horaz eine Regel darvon. Daher haben einige geglaubt, daß sie eine bloßeFolge der Einheit der Zeit sey, und daß man den von den drey Einheiten. 567 Ort so weit ausdehnen könne, als ein Mensch in 24 Stunden gehen oder kommen kann. Diese Meynung ist ein wenig zu frey, und wenn man die Personenauf der Post gehen ließe, so könnte die eine Seite derBühne Paris und die andere Rouen vorstellen. Damit man aber dem Zuschauer so wenig als möglichbeschwerlich falle, wollte ich wünschen, daß das, wasman ihm in zwey Stunden vorstellet, und was er auf der Bühne sieht, in einem Zimmer oder Saale geschehen könne: doch das ist oft so unmöglich, daßman nothwendig einige Erweiterung des Orts, so wie der Zeit, verstatten muß. In den Horaziern, im Polyeuct und im Pompejus habe ich diese Einheitvöllig beobachtet; allein alsdann muß man nothwen dig entweder nur ein Frauenzimmer, wie im Polyeuct,aufführen, oder, wenn man ihrer zwey aufführet, somuß eine für die andre so viel Freundschaft haben, und die Umstände, worinne sie sich befinden, müssen so genau mit einander verbunden seyn, daß sie, wie in den Horaziern, beständig bey einander bleiben können; oder es muß das mit ihnen geschehen, was im Pompejus geschieht, wo der Trieb einer natürlichen Neubegierde die Cleopatra im zweyten Aufzuge, und die Cornelia im fünften aus ihren Zimmern führet, daß sie bis in den großen Saal des königlichen Pallastes den Neuigkeiten, die sie erwarten, entgegen ge hen. Mit der Rodogune aber ist es nicht so beschaffen. Sie und die Cleopatra sind in allzu verschiedenen Umständen, als daß sie ihre geheimen Gedanken an einem Orte entdecken sollten. Von diesem Stücke könnte ich eben das sagen, was ich vom Cinna gesagt habe, wo alles, was überhaupt in Rom geschieht, ins 568 II. P. Corneille dritte Abhandlung,besondre theils in dem Kabinet des Augustus, theils bey der Aemilie vorgeht. Zu Folge dieser Ordnungwürde der erste Aufzug dieses Trauerspiels in dem Vorgemach der Rodogune, der andre in dem Zimmer der Cleopatra, und der dritte wieder bey derRodogune seyn müssen: wenn aber der vierte Aufzug gleichfalls bey ihr anfängt, so kann er sich dochbey ihr nicht schließen, und was daselbst Cleopatrazu ihren beyden Söhnen sagt, das würde ganz am unrechten Orte gesagt seyn. Bey dem fünften Aufzuge muß nothwendig ein Audienzsaal, worinne eine große Menge Volks Platz hat, seyn. Eben so ist es im Heraclius. Der erste Aufzug kann ganz wohlim Kabinet des Phocas seyn, und der zweyte beyder Leontine; wenn aber der dritte bey der Pulcheriaanfängt, so kann er sich nicht bey ihr schließen; dennes ist ganz unwahrscheinlich, daß Phocas in demZimmer dieser Prinzeßinn den Untergang seines Bruders berathschlagen sollte.


20 - La Poésie Dramatique /

Mais comment renfermer dans les bornes étroites d'un drame tout ce qui appartient à la condition d'un homme? Où est l'intrigue qui puisse embrasser cet objet? On fera dans ce genre de ces pieces que nous appellons à tiroir; des scenes épisodiques succéderont à des scenes épisodiques & décousues, ou tout au plus liées par une petite intrigue qui serpentera entr'elles: mais plus d'unité, peu d'action, point d'intérêt. Chaque scene réunira les deux points si recom mandés par Horace: mais il n'y aura point d'ensemble, & le tout sera sans consistence & sans énergie.

21 - La Poésie Dramatique /

Entre une infinité d'hommes qui ont écrit de l'Art poétique, trois sont particuliérement célebres: Aristote, Horace &Boileau. Aristote est un philosophe qui marche avec ordre, qui établit des principes généraux, & qui en laisse les conséquences à tirer & les applications à faire. Horace est un homme de génie qui semble affecter le désordre, & qui parle en Poëte à des Poëtes. Boileau est un maître qui cherche à donner le précepte & l'exemple à son disciple.


22 - La Poésie Dramatique /

Entre une infinité d'hommes qui ont écrit de l'Art poétique, trois sont particuliérement célebres: Aristote, Horace &Boileau. Aristote est un philosophe qui marche avec ordre, qui établit des principes généraux, & qui en laisse les conséquences à tirer & les applications à faire. Horace est un homme de génie qui semble affecter le désordre, & qui parle en Poëte à des Poëtes. Boileau est un maître qui cherche à donner le précepte & l'exemple à son disciple.


23 - La Poésie Dramatique /

L'image de la mort est à côté de celle du plaisir, dans les Odes les plus piquantes d'Horace, & dans les chansons les plus belles d'Anacréon.


24 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Aber wie soll man alles, was zu dem Stande eines Menschen gehöret, in die engen Grenzen eines Schauspiels bringen? Wo ist die Verwicklung die diesen ganzen Gegenstand fassen könnte? Man wird in dieserGattung Stücke machen müssen, die aus lauter episodischen Auftritten bestehen, die unter sich keine Verbindung haben, oder nur aufs höchste vermöge einer kleinen Intrigue, die sich durch sie schlinget, zusammenhangen*: aber da wird an keine Einheit, an keine Handlung, an kein Interesse zu denken seyn. Jede Scene für sich wird vielleicht die zwey Punkte, die Horaz so sehr empfiehlt, verbinden; aber etwas zusammen werden sie nicht ausmachen, und das Ganze wird ohne Festigkeit und Kraft seyn.

25 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Unter den unzehlichen Schriftstellern von der Dichtkunst, sind vornehmlich dreye berühmt:Aristoteles, Horaz und Boileau.Aristoteles ist ein Philosoph, der methodisch verfährt, allgemeine Regeln festsetzt, und Folgerungen daraus ziehen und Anwendungen davon machen läßt. Horaz ist ein Mann vonGenie, der sich der Unordnung recht zu befleißigen scheinet, und mit den Dichtern als Dichter spricht. Boileau ist ein Meister der seinen Schülern, zugleich mit der Vorschrift, das Exempel zu geben sucht.


26 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Unter den unzehlichen Schriftstellern von der Dichtkunst, sind vornehmlich dreye berühmt:Aristoteles, Horaz und Boileau.Aristoteles ist ein Philosoph, der methodisch verfährt, allgemeine Regeln festsetzt, und Folgerungen daraus ziehen und Anwendungen davon machen läßt. Horaz ist ein Mann vonGenie, der sich der Unordnung recht zu befleißigen scheinet, und mit den Dichtern als Dichter spricht. Boileau ist ein Meister der seinen Schülern, zugleich mit der Vorschrift, das Exempel zu geben sucht.


27 - Von der dramatischen Dichtkunst /

Horaz will nicht leiden, daß man eine Person auf die Bühne bringe, die einer Lamia ein lebendiges Kind aus dem Eingeweide reisse. So etwas, sagt er, könne er weder sehen, noch für möglich halten. Welches ist denn also die Grenze, wo die Ungereimtheit einer Begebenheit aufhöret, und die Wahrscheinlichkeit anfängt? Wie kann es der Dichter fühlen, was und wie viel er wagen darf?


28 - Von der dramatischen Dichtkunst /

In den vorzüglichsten Oden des Horaz und in den schönsten Liedern des Anakreon, stehet das Bild des Todes neben dem Gemählde des Vergnügens.


29 - Fils naturelle /

Se promenant à pas comptés sur la scène, & battant nos oreilles de ce qu'Horace appelle ampullas et sesquipedalia verba, des sentences, des bouteilles soufflées, des mots longs d'un pied & demi.


30 - Fils naturelle /

Je n'exige pas qu'on admette cette conjecture. Je demande qu'on l'examine. N'est-il pas assez vraisemblable que le grand nombre de spectateurs auxquels il falloit se faire entendre, malgré le murmure confus qu'ils excitent, même dans les momens attentiss, a fait élever la voix, détacher les syllabes, 194 DE LA POÉSIE soutenir la prononciation, & sentir l'utilite de la versification? Horace dit du vers dramatique: Vincentem strepitus et natum rebus agen- dis. Il est commode pour l'intrigue, & il se fait entendre à travers le bruit. Mais ne falloit-il pas que l'exagération se répandît en même tems, & par la même cause, sur la démarche, le geste & toutes les autres parties de l'action? De-là vint un art qu'on appella la déclamation.