Suchbegriff: hasdr
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Das Glück, das Hasdrubal genoß,brachte die Verbindlichkeit, die er gegen seinen Schwiegervater hatte, bey ihm nicht inVergessenheit. Er schrieb nach Carthago,Liv. XXI.3.wohin Hannibal nach dem Tode des Hamilkar zurück gekehrt war, und verlangte, daßman ihn zur Armee schicken sollte. Hannibal mochte ungefähr drey und zwanzigJahre alt seyn. (*) Die Sache war einigen Schwierigkeiten unterworfen. DerSenat war in zwo mächtige Partheyen getheilt, welche bey der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten des Staates ganzverschiednen Absichten folgten. Das Hauptder einen Parthey war Hanno, welcher wegen seiner Geburt, seiner Verdienste, undseines Eifers für das allgemeine Beste ein

(*)Titus Livius betrügt sich hier, indem er ihm nur14. Jahre giebt: vix dum puberem. NeunJahre war er, als er mit nach Spanien genommen wurde, wo Hamilkar sein Vater neunJahre war. Zu diesen muß man noch die fünfersten Jahre, da Hasdrubal commandirte, hinzu setzen, welche dann 22. oder 23. Jahre betragen.

304 Vom andern Punischen Kriege. großes Ansehen bey den öffentlichen Berathschlagungen hatte. Diese war bey allen Berathschlagungen der Meynung, daß man einen sichern Frieden,, der sie in dem ruhigenBesitze der in Spanien gemachten Eroberungen ließ, den ungewissen Erfolgen einesmislichen Krieges vorziehen sollte, weil sievorher sah, daß er sich endlich mit dem Untergange des Vaterlands endigen würde.Die andere Faction, welche die Barcinischehieß, weil sie das Interesse des Hamilkar Bar cas und seiner Familie unterstützte, erklärtesich beständig öffentlich für den Krieg. Daman also wegen der Foderung des Hasdrubal, der den jungen Hannibal nach Spanien verlangte, im Senate berathschlagte, sounterstützte die Barcinische Parthey, welcheden Hannibal in der Würde des Hamilkar,seines Vaters zu sehen wünschte, dieses Verlangen mit allem seinen Ansehen. Han no, das Haupt der Gegenparthey, gab sichhingegen alle Mühe, ihn in der Stadt zurückzubehalten. Es scheint, sagte er, daßdie Foderung des Hasdrubal groß ist,ich bin aber doch nicht der Meynung,daß man sie ihm verwilligen soll.Diese Rede, die sich selbst zu widersprechenschien, erweckte die Aufmerksamkeit der ganzen Versammlung. Hasdrubal , fuhrer fort, glaubt dem Hamilkar sein ganzesGlücke schuldig zu seyn, und scheint deswe Vom andern Punischen Kriege. 305gen Recht zu haben, seine Dankbarkeit dadurch an den Tag zu legen, daß er für dieErhebung seines Sohnes arbeitet; allein esist uns nicht anständig, Privatabsichtendem allgemeinen Besten vorzuziehen. Befürchten wir, daß Hannibal den tyrannischen Ehrgeiz seines Vaters nicht genugnachahmen werde? Befürchten wir, daßwir zu spät Sklaven des Sohnes seyn werden, nachdem wir gesehen haben, wie sichder Schwiegersohn nach dem Tode seinesSchwähers das Commando unsrer Armeen als ein Erbgut, das ihm vermöge einesRechtes der Erbfolge zugehört habe, bemächtiget hat? Mein Rath ist, diesen Jüngling in der Stadt zurück zubehalten, um ihmdie Unterwürfigkeit und den Gehorsam zulehren, den er den Gesetzen und dem Magistrate schuldig ist, aus Furcht, daß nichtdieser kleine Funke eine große Feuersbrunstanzünden möge. Die meisten rechtschaffneMänner waren dieser Meynung; allein wiees gemeiniglich zu gehen pflegt; die größteAnzahl überwog die vernünftigste Partey.


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(*)Titus Livius betrügt sich hier, indem er ihm nur14. Jahre giebt: vix dum puberem. NeunJahre war er, als er mit nach Spanien genommen wurde, wo Hamilkar sein Vater neunJahre war. Zu diesen muß man noch die fünfersten Jahre, da Hasdrubal commandirte, hinzu setzen, welche dann 22. oder 23. Jahre betragen.


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Das Glück, das Hasdrubal genoß,brachte die Verbindlichkeit, die er gegen seinen Schwiegervater hatte, bey ihm nicht inVergessenheit. Er schrieb nach Carthago,Liv. XXI.3.wohin Hannibal nach dem Tode des Hamilkar zurück gekehrt war, und verlangte, daßman ihn zur Armee schicken sollte. Hannibal mochte ungefähr drey und zwanzigJahre alt seyn. (*) Die Sache war einigen Schwierigkeiten unterworfen. DerSenat war in zwo mächtige Partheyen getheilt, welche bey der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten des Staates ganzverschiednen Absichten folgten. Das Hauptder einen Parthey war Hanno, welcher wegen seiner Geburt, seiner Verdienste, undseines Eifers für das allgemeine Beste ein

(*)Titus Livius betrügt sich hier, indem er ihm nur14. Jahre giebt: vix dum puberem. NeunJahre war er, als er mit nach Spanien genommen wurde, wo Hamilkar sein Vater neunJahre war. Zu diesen muß man noch die fünfersten Jahre, da Hasdrubal commandirte, hinzu setzen, welche dann 22. oder 23. Jahre betragen.

304 Vom andern Punischen Kriege. großes Ansehen bey den öffentlichen Berathschlagungen hatte. Diese war bey allen Berathschlagungen der Meynung, daß man einen sichern Frieden,, der sie in dem ruhigenBesitze der in Spanien gemachten Eroberungen ließ, den ungewissen Erfolgen einesmislichen Krieges vorziehen sollte, weil sievorher sah, daß er sich endlich mit dem Untergange des Vaterlands endigen würde.Die andere Faction, welche die Barcinischehieß, weil sie das Interesse des Hamilkar Bar cas und seiner Familie unterstützte, erklärtesich beständig öffentlich für den Krieg. Daman also wegen der Foderung des Hasdrubal, der den jungen Hannibal nach Spanien verlangte, im Senate berathschlagte, sounterstützte die Barcinische Parthey, welcheden Hannibal in der Würde des Hamilkar,seines Vaters zu sehen wünschte, dieses Verlangen mit allem seinen Ansehen. Han no, das Haupt der Gegenparthey, gab sichhingegen alle Mühe, ihn in der Stadt zurückzubehalten. Es scheint, sagte er, daßdie Foderung des Hasdrubal groß ist,ich bin aber doch nicht der Meynung,daß man sie ihm verwilligen soll.Diese Rede, die sich selbst zu widersprechenschien, erweckte die Aufmerksamkeit der ganzen Versammlung. Hasdrubal , fuhrer fort, glaubt dem Hamilkar sein ganzesGlücke schuldig zu seyn, und scheint deswe Vom andern Punischen Kriege. 305gen Recht zu haben, seine Dankbarkeit dadurch an den Tag zu legen, daß er für dieErhebung seines Sohnes arbeitet; allein esist uns nicht anständig, Privatabsichtendem allgemeinen Besten vorzuziehen. Befürchten wir, daß Hannibal den tyrannischen Ehrgeiz seines Vaters nicht genugnachahmen werde? Befürchten wir, daßwir zu spät Sklaven des Sohnes seyn werden, nachdem wir gesehen haben, wie sichder Schwiegersohn nach dem Tode seinesSchwähers das Commando unsrer Armeen als ein Erbgut, das ihm vermöge einesRechtes der Erbfolge zugehört habe, bemächtiget hat? Mein Rath ist, diesen Jüngling in der Stadt zurück zubehalten, um ihmdie Unterwürfigkeit und den Gehorsam zulehren, den er den Gesetzen und dem Magistrate schuldig ist, aus Furcht, daß nichtdieser kleine Funke eine große Feuersbrunstanzünden möge. Die meisten rechtschaffneMänner waren dieser Meynung; allein wiees gemeiniglich zu gehen pflegt; die größteAnzahl überwog die vernünftigste Partey.


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daßdie Foderung des Hasdrubal groß

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Hasdrubal

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Hannibal wurde also nach Spaniengeschickt; laßt uns hören, wie Livius beydieser Gelegenheit sein Bild entwirft. (*)

(*)Missus Hannibal in Hispaniam primo statim adventu omnem exercitum in se con vertir. Amilcarem viventem sibi redditumveteres milites credere: eundem vigorem invultu, vimque in oculis, habitum oris, linea menta intueri. Deinde brevi effecit, ut paterin se minimum momentum ad favorem conci liandum esset. Nunquam ingenium idem adres diuersissimas parendum atque imperan dum habilius fuit. Itaque haud facile discer neres, utrum imperatori an exercitui carioresset. Neque Asdrubal alium quemquampræficere malle, ubi quid strenue ac fortiteragendum esset: neque milites alio duce plusconfidere aut audere. Plurimum audaciæ adpericula capessenda, plurimum consilii interipsa pericula erat. Nullo labore aut corpusfatigari aut animus vinci poterat. Caloris acfrigoris patientia par, cibi potionisque desi derio naturali non voluptate modus finitus:vigiliarum somnique nec die nec nocte discri minata tempora; id quod gerendis rebus su- peresset, quieti datum. Ea neque molli stratoneque silentio arcessita; multi sæpe militarisagulo opertum humi jacentem inter custodi as stationesque militum conspexerunt. Vesti tus nihil inter æquales excellens; arma atqueequi conspiciebantur. Equitum peditumqueidem longe primus erat. Princeps in præli um ibat; ultimus prælio conserto excedebat.Has tantas viri virtutes ingentia vitia æqua bant, inhumana crudelitas, perfidia plus quam Punica, nihil veri, nihil sancti, nullusDeum metus, nullum jusjurandum, nulla re ligio. Cum hac indole virtutum atquo viti orum triennio sub Asdrubale imperatore me ruit; nulla re, quae agenda videndaquemagno futuro duci essent, prætermissa Liv.XXI. 4.

306 Vom andern Punischen Kriege. Sobald er bey der Armee ankam, so zog erdie Augen des ganzen Kriegsheeres und dieGunst aller Truppen auf sich. Die altenSoldaten vornehmlich glaubten, daß sie in Vom andern Punischen Kriege. 307 ihm den alten Hamilcar wieder aufleben sahen. Sie bemerkten an ihm eben die Gesichtszüge, eben das martialische Ansehen inseinem Gesichte, und eben die Lebhaftigkeitin seinen Blicken. Bald aber wurde dieseAehnlichkeit mit seinem Vater der geringsteGrund, warum er aller Herzen gewann.In der That war auch niemals ein Charakter geschickter gewesen, als der seinige, zwoso verschiedne Dinge auszurichten, als derGehorsam und das Commando ist. Eswar deswegen auch schwer zu entscheiden, obihn der General, oder die Soldaten mehrliebten. Sollte eine Unternehmung ausgeführet werden, wobey Muth und Tapferkeitnöthig war, so erwählte ihn Hasdrubal vorallen andern, und die Truppen hatten niemals mehr Vertrauen zum Siege, als wenner sie anführte. Niemand war tapfrer, alser, wenn er sich in Gefahren begeben mußte,und niemand war in den Gefahren klüger,als er. Keine Beschwerlichkeit konnte weder die Kräfte seines Leibes noch die Standhaftigkeit seines Muthes schwächen. Er ertrug Frost und Hitze. Wenn er aß undtrank, so that er es bloß um die Bedürfnisse der Natur zu befriedigen, und nicht zumVergnügen. Er kannte keinen Unterschiedzwischen Nacht und Tag, was Arbeit undRuhe anbetraf, und dazu waren keine gewissen Stunden ausgesetzt. Er schlief zu der 308 Vom andern Punischen Kriege. Zeit, die nach ausgeführten Geschäften nochübrig blieb, und er brauchte, um zu schlafen,weder die Stille noch ein weiches Lager. Manfand ihn oft auf der Erde liegen, in einenSoldatenmantel eingewickelt zwischen denSchildwachen und der Hauptwache. Er unterschied sich nicht durch die Pracht der Kleidung von andern, sondern bloß durch dieSchönheit der Waffen und Pferde. Erwar zugleich der beste Infanterist und derbeste Reuter unter der Armee. Er fing allezeit zuerst den Streit an, und verließ auchdas Treffen zuletzt. Allein mit so großenEigenschaften, waren Fehler vereinigt, dienicht geringer waren, eine unmenschlicheGrausamkeit, eine noch mehr als PunischeTreulosigkeit; keine Ehrfurcht für das, waswahr und heilig war, keine Furcht vor denGöttern, keine Treue in Beobachtung derSchwüre, keine Religion. Mit diesemMischmasche von Tugenden und Lastern diente er drey Jahr unter dem Hasdrubal, binnen welcher Zeit er keine Gelegenheit vorbeyließ, zu sehen und zu thun; was einem künftigen großen Generale anständig war. Wirwollen im Folgenden untersuchen, ob er alledie lasterhaften Eigenschaften wirklich besaß,aus welchen Titus Livius einen Theil seinesCharakters bestehen läßt.


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Hannibal wurde also nach Spaniengeschickt; laßt uns hören, wie Livius beydieser Gelegenheit sein Bild entwirft. (*)

(*)Missus Hannibal in Hispaniam primo statim adventu omnem exercitum in se con vertir. Amilcarem viventem sibi redditumveteres milites credere: eundem vigorem invultu, vimque in oculis, habitum oris, linea menta intueri. Deinde brevi effecit, ut paterin se minimum momentum ad favorem conci liandum esset. Nunquam ingenium idem adres diuersissimas parendum atque imperan dum habilius fuit. Itaque haud facile discer neres, utrum imperatori an exercitui carioresset. Neque Asdrubal alium quemquampræficere malle, ubi quid strenue ac fortiteragendum esset: neque milites alio duce plusconfidere aut audere. Plurimum audaciæ adpericula capessenda, plurimum consilii interipsa pericula erat. Nullo labore aut corpusfatigari aut animus vinci poterat. Caloris acfrigoris patientia par, cibi potionisque desi derio naturali non voluptate modus finitus:vigiliarum somnique nec die nec nocte discri minata tempora; id quod gerendis rebus su- peresset, quieti datum. Ea neque molli stratoneque silentio arcessita; multi sæpe militarisagulo opertum humi jacentem inter custodi as stationesque militum conspexerunt. Vesti tus nihil inter æquales excellens; arma atqueequi conspiciebantur. Equitum peditumqueidem longe primus erat. Princeps in præli um ibat; ultimus prælio conserto excedebat.Has tantas viri virtutes ingentia vitia æqua bant, inhumana crudelitas, perfidia plus quam Punica, nihil veri, nihil sancti, nullusDeum metus, nullum jusjurandum, nulla re ligio. Cum hac indole virtutum atquo viti orum triennio sub Asdrubale imperatore me ruit; nulla re, quae agenda videndaquemagno futuro duci essent, prætermissa Liv.XXI. 4.

306 Vom andern Punischen Kriege. Sobald er bey der Armee ankam, so zog erdie Augen des ganzen Kriegsheeres und dieGunst aller Truppen auf sich. Die altenSoldaten vornehmlich glaubten, daß sie in Vom andern Punischen Kriege. 307 ihm den alten Hamilcar wieder aufleben sahen. Sie bemerkten an ihm eben die Gesichtszüge, eben das martialische Ansehen inseinem Gesichte, und eben die Lebhaftigkeitin seinen Blicken. Bald aber wurde dieseAehnlichkeit mit seinem Vater der geringsteGrund, warum er aller Herzen gewann.In der That war auch niemals ein Charakter geschickter gewesen, als der seinige, zwoso verschiedne Dinge auszurichten, als derGehorsam und das Commando ist. Eswar deswegen auch schwer zu entscheiden, obihn der General, oder die Soldaten mehrliebten. Sollte eine Unternehmung ausgeführet werden, wobey Muth und Tapferkeitnöthig war, so erwählte ihn Hasdrubal vorallen andern, und die Truppen hatten niemals mehr Vertrauen zum Siege, als wenner sie anführte. Niemand war tapfrer, alser, wenn er sich in Gefahren begeben mußte,und niemand war in den Gefahren klüger,als er. Keine Beschwerlichkeit konnte weder die Kräfte seines Leibes noch die Standhaftigkeit seines Muthes schwächen. Er ertrug Frost und Hitze. Wenn er aß undtrank, so that er es bloß um die Bedürfnisse der Natur zu befriedigen, und nicht zumVergnügen. Er kannte keinen Unterschiedzwischen Nacht und Tag, was Arbeit undRuhe anbetraf, und dazu waren keine gewissen Stunden ausgesetzt. Er schlief zu der 308 Vom andern Punischen Kriege. Zeit, die nach ausgeführten Geschäften nochübrig blieb, und er brauchte, um zu schlafen,weder die Stille noch ein weiches Lager. Manfand ihn oft auf der Erde liegen, in einenSoldatenmantel eingewickelt zwischen denSchildwachen und der Hauptwache. Er unterschied sich nicht durch die Pracht der Kleidung von andern, sondern bloß durch dieSchönheit der Waffen und Pferde. Erwar zugleich der beste Infanterist und derbeste Reuter unter der Armee. Er fing allezeit zuerst den Streit an, und verließ auchdas Treffen zuletzt. Allein mit so großenEigenschaften, waren Fehler vereinigt, dienicht geringer waren, eine unmenschlicheGrausamkeit, eine noch mehr als PunischeTreulosigkeit; keine Ehrfurcht für das, waswahr und heilig war, keine Furcht vor denGöttern, keine Treue in Beobachtung derSchwüre, keine Religion. Mit diesemMischmasche von Tugenden und Lastern diente er drey Jahr unter dem Hasdrubal, binnen welcher Zeit er keine Gelegenheit vorbeyließ, zu sehen und zu thun; was einem künftigen großen Generale anständig war. Wirwollen im Folgenden untersuchen, ob er alledie lasterhaften Eigenschaften wirklich besaß,aus welchen Titus Livius einen Theil seinesCharakters bestehen läßt.


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Nach dem Tode des Hasdrubal brachtenihn die Soldaten sogleich in das Generalszelt. Vom andern Punischen Kriege. 309 Sie erwählten ihn mit einmüthigen StimPolyb. III. Liv. XXI. 3. Appian. de bell. Ann. p. 314.men zu ihrem Feldherrn, so jung, als er war.Er mochte damals etwa sechs und zwanzigJahr alt seyn, und das Volk zu Carthagomachte gar keine Schwürigkeit, diese Wahlzu billigen. Hannibal merkte wohl, daß dieFaction, die ihm zuwider war, und zu Carthago ein großes Ansehen hatte, ihn überlang oder über kurz stürzen würde, wenn ersie nicht ausser den Stand setzte, ihm zu schaden. Er hielte es also für das sicherste Mittel, sich zu behaupten, wenn er die Republik in einen wichtigen Krieg verwickelte, woman seiner Dienste nöthig hätte, und er demStaate unentbehrlich würde. Das ist diegewöhnliche Politike der Ehrgeizigen, die ohne auf das allgemeine Beste zu achten, nurauf ihr eignes Glücke denken, und oft sindso wohl die Prinzen und die Republiken soblind, daß sie die geheimen Triebfedern nichtentdecken, welche ihre Minister und Generale in Bewegung setzen, und sie sehen oft etwasfür Eifer an, was nichts als die Wirkungeines niederrächtigen Ehrgeizes oder einerrasenden Ehrsucht ist.


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Sagunt lag in Ansehung der Stadt Carthagena disseits des Ebro ungefähr tausendSchritte vom Meere, in dem Lande, wo esden Carthaginensern erlaubt war, Krieg zuführen. Allein die Saguntiner hatten sichPolyb. III. 170-173. Liv. XXI.6- 15.einige Jahre vorher unter den Schutz derRömer begeben, und waren als ihre Bundesgenossen von dem mit dem Hasdrubal gemachten Vergleiche ausgenommen; sie wurden darinn mit Nahmen genannt; sie genossen aber dieses Vorrecht selbst schon durchden Vergleich des Lutatius, nach welchemes beyden Völkern untersagt war, die beyderseitigen Bundesgenossen anzugreifen. Ubrigens war ihre Lage vortrefflich und schafte ihnen alle Vortheile, die man vom Lande und von der See haben kann; die Anzahl der Einwohner war sehr groß, die Disciplin war in der Regierung dieses kleinenStaates scharf; sie waren wegen der Grundsätze der Ehre und Redlichkeit sehr berühmt,wovon sie durch ihre unveränderliche Treuegegen die Römer die herrlichsten Proben ablegten; alles dieses hatte ihnen in kurzerZeit große Reichthümer zu wege gebracht,und ihnen eine solche Macht verschafft, daßsie sich wider alle benachbarte Völker behaupten und ihnen die Spitze bieten konnten.


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Hannibal, welcher sich vorgenommen hatte, seinen Weg bis nach Italien fortzusetzen,versammelte seine Soldaten. Weil er bemerkte, daß ihre Hitze ein wenig erkaltet Vom andern Punischen Kriege. 369 war, vornehmlich wegen der Länge desMarsches und des Uberganges über die Alpen, von welchen ihnen der Ruf eine sehrschreckliche Vorstellung gemacht hatte, so bediente er sich, um ihren niedergeschlagenenMuth aufzurichten, bald der Vorwürfe,bald der Lobeserhebungen. Er stellte ihnenvor: æda sie zeither sich vor keinen Gefahren gescheut hätten, so könnte er gar nichtbegreifen, woher das Schrecken käme, daßsich auf einmal ihrer Gemüther bemächtigthabe. Sie hätten schon so viele Jahre unter dem Hasdrubal und unter ihm gedient,und allezeit sey ihnen der Sieg nachgefolgt.Sie wären in der Absicht über den Hebrusgegangen, die Welt von dem Joche derRömer zu befreyen, und sie selbst bis aufden Nahmen eines so hochmüthigen Volkes zu vertilgen. Damals sey keinem derWeg zu lang vorgekommen, ob sie sichgleich vorgenommen, vom Abend bis gegen den Aufgang der Sonne zu marschiren. Itzt hätten sie den weitesten Weg zurückgelegt. Sie wären durch die wildesten Nationen hindurch über die Pyrenäischen Gebürge gegangen. Sie hätten denUbergang über die Rhone glücklich gewagt,und im Angesichte von so viel tausend Galliern, die ihnen den Ubergang vergebenszu verwehren gesucht, die Fluten eines soschnellen Stromes bezähmt. Itzt da sie 370 Vom andern Punischen Kriege.sich nahe bey den Alpen befänden, derenandre Seite einen Theil von Italien ausmachte, mangelte ihnen Muth und Herzhaftigkeit. Was habt ihr euch denn, sagte er, von den Alpen für eine Vorstellunggemacht? denkt ihr denn, daß sie etwasanders, als hohe Gebürge sind? Geseztsie wären höher, als die Pyrenäischen Gebürge, so reichen sie doch gewiß nicht anden Himmel, und den Menschen ist nichtsunübersteiglich. So viel ist gewiß, daß dieAlpen bewohnt sind, daß sie gebaut undvon Menschen und Thieren bewohnt werden, welche darauf gebohren werden. DieGallischen Abgesandten, die ihr hier voreuren Augen sehet, hatten auch keine Flügel, als sie zu uns kamen, und deswegenüber diese Gebürge mußten. Die Vorfahren dieser Nationen haben sie oft, ehesie noch in Italien sich niedergelassen, miteiner unzähligen Menge Weiber und Kinder überstiegen, mit welchen sie neue Wohnungen suchten. Er beschloß seine Redemit der Hülfe, zu welchen ihm die Gallischen Abgesandten so viele Hoffnung machten.“


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So sehr auch P. Scipio eilte, in der Absicht, dem Hannibal ein Treffen zu liefern,so langte er doch nicht eher, als nach dreyTagen an dem Ort an, wo die Carthaginenser über die Rhone gegangen waren.Polyb. III. 202. Liv. XXI.32.Da er keine Hoffnung hatte, sie zu erreichen, so kehrte er zu seiner Flotte zurück,schiffte sich wieder ein, mit dem Entschlusse,sie zu erwarten, wann sie von den Alpenherunter zögen. Damit er doch aber Spanien nicht ohne Vertheidigung ließe, so schickte er seinen Bruder Cnejus mit dem größtenTheile seiner Völker dahin, dem Hasdrubaldie Spitze zu bieten, er aber gieng so gleichnach Genua ab, und bestimmte die Armee,welche in Gallien gegen den Po, dazu, daßer sie der Armee des Hannibal entgegen stellen wollte.


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I. §. Allgemeine Vorstellung von dem andern PunischenKriege. Unwille und Haß des Hamilkars widerdie Römer. Der Schwur, den er den noch ganzjungen Hannibal thun lassen, einen unversöhnlichenHaß gegen die Römer zu haben. Gleicher Haß beyseinem Nachfolger, dem Hasdrubal. Er läßt denHannibal zur Armee kommen. Charakter des Han nibal. Hannibal erhält das Commando über dieTruppen. Er rüstet sich zum Kriege wider die Rö mer, durch die Eroberungen, die er in Spanienmacht. Belagerung von Sagunt durch den Hanni bal. Gesandtschaft der Römer erst an den Hanni bal, denn erst nach Carthago. Alork versucht um sonst die Saguntiner zu einem friedlichen Vergleichezu bewegen. Einnahme und Verwüstung von Sa gunt. Unruhe und Kummer in Rom wegen desRuins dieser Stadt. Der Krieg wider Carthagowird in Rom beschlossen. Die Provinzen werdenunter die Consuln ausgetheilt. Die römischenGesandten kündigen den Carthaginensern den Kriegan. Schlechte Ausflüchte derselben, die Belage rung von Sagunt zu rechtfertigen. Wahre Ursachedes andern Punischen Krieges. Die römischenGesandten gehen erst in Spanien, denn nach I talien. Hannibal macht Zurüstungen nach Italienzu gehen. Verzeichniß der Carthaginensischen Hee re. Reise des Hannibal nach Cadix. Er sorgt für Innhalt. die Sicherheit von Afrika und Spanien, wo er seinenBruder Asdrubal läßt. a. d. 297. u. 298. S.