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16 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Plautus und Terenz haben uns nichts als das schändliche und feile Leben der griechischen Buhlerinnen vorgestellt. Diese häßlichen Schilderungen können uns keinen richtigen Begrif von der häuslichen Aufführung des römischen Frauenzimmers machen; und unsre Neugierde wird beständig ein für die Critik so weitläuftiges und fruchtbares Feld vermissen. Die Neuern, welche glücklicher (oder soll ich vielmehr sagen, verwegener?) waren, haben sich die Sitten des andern Geschlechts besser zu Nutze gemacht, und ihnen haben wir es zu danken, daß es nunmehr nicht anders, als auf gemeine Unkosten lachen kann.


17 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Jch will unter der Menge von Neuigkeiten, die sie auf unsre Scene gebracht haben, nichts von jenen besondern Komödien sagen, worinne man Wesen der Einbildung zur wirklichen Person gemacht und sie anstatt dieser gebraucht hat: es ist dieses ein feyenmäßiger Geschmack, und nur die Oper hat das Recht sich ihn zuzueignen. Auch von jenen Komödien will ich nichts gedenken, worinne die spitzige Lebhaftigkeit des Gesprächs anstatt der Verwicklung und Handlung dienen muß; man hat sie für nichts als für feine Zergliederungen der Empfindungen des Herzens, und für ein Zusammengesetztes aus Einfällen und Strahlen der Einbildungskraft anzusehen, welches geschickter ist, einen Roman glänzend zu machen, als ein dramatisches Gedicht mit seinen wahren Zierrathen auszuputzen.Jch will mich vorjezo blos auf diejenige neueGattung des Komischen einschränken, welcher der Abt Desfontaines den Zunahmen der Weinerlichen gab, und für die man in der That schwerlich eine anständigere und gemäßere Benennung finden wird. (1)


18 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Jch will unter der Menge von Neuigkeiten, die sie auf unsre Scene gebracht haben, nichts von jenen besondern Komödien sagen, worinne man Wesen der Einbildung zur wirklichen Person gemacht und sie anstatt dieser gebraucht hat: es ist dieses ein feyenmäßiger Geschmack, und nur die Oper hat das Recht sich ihn zuzueignen. Auch von jenen Komödien will ich nichts gedenken, worinne die spitzige Lebhaftigkeit des Gesprächs anstatt der Verwicklung und Handlung dienen muß; man hat sie für nichts als für feine Zergliederungen der Empfindungen des Herzens, und für ein Zusammengesetztes aus Einfällen und Strahlen der Einbildungskraft anzusehen, welches geschickter ist, einen Roman glänzend zu machen, als ein dramatisches Gedicht mit seinen wahren Zierrathen auszuputzen.Jch will mich vorjezo blos auf diejenige neueGattung des Komischen einschränken, welcher der Abt Desfontaines den Zunahmen der Weinerlichen gab, und für die man in der That schwerlich eine anständigere und gemäßere Benennung finden wird. (1)


19 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Jch will unter der Menge von Neuigkeiten, die sie auf unsre Scene gebracht haben, nichts von jenen besondern Komödien sagen, worinne man Wesen der Einbildung zur wirklichen Person gemacht und sie anstatt dieser gebraucht hat: es ist dieses ein feyenmäßiger Geschmack, und nur die Oper hat das Recht sich ihn zuzueignen. Auch von jenen Komödien will ich nichts gedenken, worinne die spitzige Lebhaftigkeit des Gesprächs anstatt der Verwicklung und Handlung dienen muß; man hat sie für nichts als für feine Zergliederungen der Empfindungen des Herzens, und für ein Zusammengesetztes aus Einfällen und Strahlen der Einbildungskraft anzusehen, welches geschickter ist, einen Roman glänzend zu machen, als ein dramatisches Gedicht mit seinen wahren Zierrathen auszuputzen.Jch will mich vorjezo blos auf diejenige neueGattung des Komischen einschränken, welcher der Abt Desfontaines den Zunahmen der Weinerlichen gab, und für die man in der That schwerlich eine anständigere und gemäßere Benennung finden wird. (1)


20 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

(1) Jch gestehe es, nichts ist lächerlicher, als über Namen zu streiten; es ist aber auch eben so lä cherlich, einen bekannten und bestimmten Namen einer Sache beyzulegen, der er nicht zukömmt. Der Name einer Komödie kömmt dem weiner lich Komischen nicht besser zu, als der Name eines Epischen Gedichts den Abentheuern des Dom Quichott zukömmt = = Wie soll man also diese neue Gattung bezeichnen? Eine in Gesprä che gebrachte pathetische Declamation, die durch eine romanenhafte Verwicklung zusammen gehal ten wird et cetera Man sehe Principes pour lire les Poetes im 2ten Theile.


21 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Damit man mir aber nicht ein Unding zu bestreiten, Schuld geben könne, so muß ich hier die Maximen eines Apologisten der Melanide,* dieser mit Recht so berühmten Komödie, von welcher ich noch oft in der Folge zu reden Gelegenheit finden werde, einrücken. Warum wollte man, sagt er, einem Verfasser verwehren, in eben demselben Werke das Feinste, was das Lustspiel hat, mit dem Rührendsten, was das Trauerspiel darbiethen kann, zu verbinden. Es tadle diese Vermischung wer da will; ich, für mein Theil, bin sehr wohl damit zufrieden. Die Veränderungen sogar in den Ergötzungen lieben, ist der Geschmack der Natur = = = Man geht von einem Vergnügen zu dem andern über; bald lacht man, und bald weinet man. Diese Gattung von Schauspielen, wenn man will, ist neu; allein sie hat den Beyfall der Vernunft und der Natur, das Ansehen des schönen Geschlechts und die Zufriedenheit des Pu blicums sür sich.


22 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Von dieser Art sind die gefährlichen Maximen, gegen die ich mich zu setzen wage; denn man merke wohl, daß ich von einer aufrichtigen Bewunderung des Genies der Verfasser durchdrungen bin, und niemals etwas anders als den Geschmack ihrer Werke, oder vielmehrdas weinerlich Komische überhaupt genommen, angreiffe. Jch habe mir beständig die Freyheit vorbehalten, den liebenswürdigen Dichtern tausend Lobsprüche zu ertheilen, die uns durch sehr wirkliche Schönheiten der Ausführung, durch die Entdeckung verschiedner wahren und sich ausnehmenden Schilderungen und Charaktere, durch die blendende Neuigkeit ihrer Farbenmischung, oft dasjenige zu verbergen wußten, was an dem Wesentlichen ihrerFabel etwa nichtig oder fehlerhaft seyn konnte. Das Genie des Verfassers strahlet allezeit durch, und kann ihm, ohngeachtet der Fehler seines Werks, ein gerechtes Lob erwerben: allein die Fehler seines Werks strahlen gleichfalls durch, und können, Troz den Bezaubrungen, die das Genie des Werkmeisters angebracht hat, mit Grund getadelt werden.


23 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Bey den Alten also können die Urheber der neuen Gattung ihre klägliche Weise nicht gelernt haben; und ihr Sieg würde nicht lange ungewiß bleiben, wenn er von ihren Beyspielen abhinge, oder auch nur von den Beyspielen der französischen Dichter, welche bis zu Anfange dieses Jahrhunderts auf unserm Theater geglänzt haben. Der Zusammenfluß so vieler wichtigen Exempel könnte ohne Zweifel eine sie weinerlich Komische. gende Ueberzeugung verursachen; gleichwohl aber will ich diesem Vortheile auf einen Augenblick entsagen, und untersuchen, ob diese neue mit komischen und kläglichen Zügen vermischten Accente genau aus der Natur hergehohlet sind. Jch räume es ein, daß der widrige Gebrauch, dem man zwanzig Jahrhunderte hindurch gefolgt ist, die Vernunft nicht aus ihrem Rechte verdringen kann, und daß ein von ihm geheiligter Jrrthum, deswegen nicht aufhöre ein Jrrthum zu seyn. Jch gebe meinen Gegnern folglich alle mögliche Beqvemlichkeit<Bequemlichkeit>, und sie können, ohne ungerecht zu seyn, mehr Höflichkeit und Uneigennützigkeit von mir nicht fordern.


24 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Damit man diese Wahrheit in aller seiner Stärke empfinde, so wird man mir erlauben, ein verhaßtes Exempel anzuführen: denn wenn man nicht überreden kann, so muß man zu überzeugen suchen. Jn dem ungeheuren LustspieleSamson, reißt dieser von einem muthigen Eifer erfüllte Held, nachdem er das höchste Wesen angerufen, die Thore des Gefängnisses ein, und trägt sie auf seinen Schultern fort. Den Augenblick darauf erscheint Harlequin und bringt einen Kalekutschhahn, und schüttet sich in komischen Possen aus, die eben so kriechend sind, als die Empfindungen des Helden edel und großmüthig zu seyn geschienen hatte. Jch bitte, was kann man wohl zu einer Abstechung sagen, die auf einmal zwey so widrige Stellungen zeiget, und zwey so widersprechende Bewegungen verursachet? Kann man noch zweifeln, daß Vernunft und Anständigkeit ihr gleich sehr zuwider sind? Kann man verhindern, daß nicht eine Art von Verdruß gegen den Zusammenlauf nichtswürdiger Zuschauer, welche solche widerwärtige Ungereimtheiten bewundern können, in uns entstehen sollte?


25 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Der Einwurf also, den man aus der willkührlichen Natur der Komödie hergenommen, scheint mir hinlänglich widerlegt zu seyn; weil alles, was die vornehmste Wirkung, die ein Werk hervorbringen soll, vernichtet, ein wesentlicher Fehler ist. Wollte man gleichwohl noch darauf dringen, daß die Komödie natürlicher Weise mehr, als irgend eine andre Geburth des Genies, dem Geschmacke des Jahrhunderts, in welchem man schreibt, unterworfen sey, und daß man diesem Geschmacke also folgen müssen, wenn man darinne glücklich seyn wolle; so nehme ich diese Maximen ganz gerne an: allein was kann daraus zur Ehre des weinerlich Komischen flies weinerlich Komische. sen? Weit gefehlt, daß der allgemeine Geschmack sich dafür erkläre; wenigstens sind die Stimmen getheilt. Es giebt ein auserwähltes Haufchen Zuschauer, bey welchen das heilige Feuer der Wahrheit gleichsam niedergelegt worden, und dessen sichrer und unveränderlicher Geschmack sich niemals unter die Tyranney der Mode geschmiegt, noch diesen Götzen weniger Tage angebethet hat.


26 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

* Der Verfasser zielt hier auf eine Stelle in desRousseauBriefe an Thalien. Sie ist so trocken schön, daß ich sie nicht zu übersetzen wage. Wenn ich mich nicht irre, so ist es eben die, welche der Herr von Voltaire an einem Orte sehr scharf geta= delt hat. Man sehe, ob Rousseau mehr darinne sagt als, daß es mit dem Geschmacke eine kützliche Sache sey, und daß er nothwendig entweder gut oder schlecht seyn müsse.


27 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Meine Gegner werden nunmehr unter ihren Einwürfen wählen müssen; denn ob man schon, durch die Beantwortung aller und jeder, dieMaterie ergründen würde, so muß ich mich doch, zu Vermeidung der Weitläuftigkeit nur auf die scheinbarsten einschränken.


28 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Aus dem, was ich jezt gesagt, folgt unwidersprechlich, daß das Original einer wahren Komödie keine gänzlich tugendhafte Person seyn könne, wie es die Originale der neuen Gattung sind, und daß dieses ein eingewurzelter Uebelstand ist, vor dem uns alle Schönheiten der Ausführung niemals gänzlich die Augen verblenden können. Vergebens wirft man ein, daß die satyrischen Züge, womit man die Originale überhäuft, nicht mehr zum Zwecke treffen; und daß sie unsre Eigenliebe auf andre uns Betrachtungen über das umgebende Gegenstände abzuwenden wisse. * Umsonst wird man uns zu überreden suchen, daß die neuen komischen Dichter eben darum desto mehr Lob verdienten, weil sie anstatt der lasterhaften Charaktere lauter Personen, die vollerEmfindungen der Ehre wären, eingeführet hätten; daß wir tugendhaften Maximen unser Herz von selbst aufschlössen, und sie mit Vergnügen uns einflössen liessen, wenn man nur ein wenig uns auf der rechten Seite zu fassen müßte. Alle diese Gründe sind verfänglicher als wahr; blendender als gründlich. Lasset sie uns einmal aus ihren Wirkungen beurtheilen, denn diese sind sichrer, als alle Vernünfteley.


29 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Jch gebe zu, daß andre Charaktere, welche eben sowohl getroffen waren, keine so merkliche Wirkungen gehabt haben. Der eingebildete Kranke hat nicht alle Orgons von ihren Dünsten befreyet; es sind nicht alle Menschenfeinde gesellschaftlicher, noch alle Grafen von Tufiere bescheidner geworden. Allein was ist der Grund davon? Er ist dieser; weil die Fehler von dieser Art das rechtschafne Wesen nicht angreifen, und weil man so gar in der Welt Leute antrift, die sich eine Ehre daraus machen. Zärtliche Leibesbeschaffenheiten setzen gemeiniglich zärtlicheSeelen voraus. Eine strenge und unwillige Gemüthsart ist fast immer mit viel Rechtschaffenheit verbunden; der Her Betrachtungen über das zog von Mantausier hielt es nicht für seiner unwürdig, ein Menschenfeind zu seyn. Und ein gewisser Stolz endlich, entstehet nicht selten aus einer vernünftigenEmpfindung seiner eignen übersehenden Größe. Das Vorurtheil ringet bey solchen Gelegenheiten glücklich mit den Spöttereyen des Tadels, da es Gegentheils gegen diekomische Schilderung eines Lasters des Herzens, oder eine Lächerlichkeit im gesellschaftlichen Leben, oder einer Ungereimtheit des Verstandes, gewiß nicht bestehen wird. Der Gegenstand der beschämenden Bemerckungen der Zuschauer, will man durchaus nicht seyn, es koste auch, was es wolle; und wenn man sich auch nicht wirklich bessert, so ist man doch gezwungen sich zu verstellen, damit man öffentlich weder für lächerlich noch für verächtlich gehalten werde.


30 - Betrachtungen über das weinerlich Komische /

Man berufe sich nicht zur Bestätigung dieser zu allgemeinen und eben deswegen gefährlichen Maxime auf den Einfall Sr. Hoheit des Prinzen über die regelmäßige aber verdrüßliche Tragödie des Abts von Aubignac. Die Anwendung der Regeln verursachte den Fall dieses Stücks gar nicht; sondern die schlechte Colorite seines Pin

* S. den Prolog des Lustspiels Liebe für Liebe.

weinerlich Komische. sels schlug es nieder. Doch weil ich mir vorgenommen habe meinen Gegnern nur solche Gründe entgegen zu setzen, von welchen ich selbst überzeugt bin, so will ich es ihnen vorläufig einräumen, daß das kläglich Komische große Bewegungen und oft angenehme Empfindungen verursache. Allein, wenn ich auf einen Augenblick die ganze Frage dahinaus lauffen lasse, bey welcher Gattung das größere Vergnügen anzutreffen seyn, so behaupte ich, daß jene neuere uns kein so mannichfaltiges und natürliches Vergnügen verschaffen könne, als die Gattung welche in dem Jahrhunderte des Moliere herrschte.