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1 - Kartell / 250500

Begriff des Turnierwesens, der hier nicht „die festsetzung der kampfregeln" (DW V, 239 „Kartel", n.), sondern im übertragenen Sinn den Plan — bzw. ein dem heutigen Drehbuch vergleichbares Regiebuch — für eine festliche Veranstaltung bezeichnet. Durch die Aufnahme der Rollentexte gehen solche Kartelle zu Ringelrennen oder Aufzügen verschiedener Art über bloße Regieanweisungen hinaus. Vgl. 250218A V-VII. Das Kartell und die ihm in der Handschrift vorausgehenden und folgenden Gedichte sind von einer unbekannten Hand geschrieben und an einigen Stellen von Diederich v. dem Werder (FG 31, PA) korrigiert worden (s. T). Der oder die Verfasser bzw. Verfasserinnen dürften schon deshalb in den Kreisen der FG oder PA zu suchen sein. Die Handschrift könnte von Anhalt nach Hessen geschickt worden sein. Auf die PA (s. 231206 u. ö.) weisen auch die bukolischen Namen aus dem Roman L'Astrée von Honoré d'Urfé hin. In den damit abgesteckten zeitlichen Rahmen (Ende 1623 bis spätestens 1628) fügt sich auch die Prosodie und Metrik der Verse, welche nicht an die Regeln des Martin Opitz (FG 200) gebunden sind, sondern mit der Nachahmung italienischer Endecasillabi (Bl. 44r u. ö.) ein eigenes, im Kreise um F. Ludwig aufgestelltes Programm verfolgen. Vgl. 230819. Deshalb, auch wegen der eigenhändigen Korrekturen Diederichs v. dem Werder bleibt zu erwägen, ob dieser Übersetzer Tassos und ehemalige Kasseler Hofmann der Autor des Kartells ist. Der von den Hirten ausgetragene Streit über ihre Liebesauffassungen legt die Vermutung nahe, daß die Aufzüge anläßlich einer Hochzeit aufgeführt wurden. Da Fürsten oder Fürstinnen von Anhalt, Brandenburg (Administrator des Erzbst. Magdeburg zu Halle/Saale), Braunschweig-Wolfenbüttel, Hessen-Kassel und Sachsen-Weimar an den Rollenspielen der PA teilnahmen, sind in dem genannten Zeitraum die folgenden Vermählungen in Betracht zu ziehen: Weimar 23. 5. 1625 Fn. Eleonora Dorothea v. Anhalt-Dessau (PA; TG 4) u. Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5, PA); 7. 5. 1626 [n. St.?] Fn. Eleonora Maria v. Anhalt-Bernburg (AL 1617, TG 17) u. Hz. Johann Albrecht II. v. Mecklenburg-Güstrow (FG 158); 16. 12. 1627 [n. St.?] Fn. Sibylla Christina v. Anhalt-Dessau (PA) u. Gf. Philipp Moritz v. Hanau-Münzenberg (FG 144). Die Hochzeit F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) mit Hzn. Eleonora Sophia v. Schleswig-Holstein-Sonderburg (TG 39) am 28. 2. 1625 fand wohl ohne solche Festspiele statt (Christian: Tageb.). Nur für die Weimarer Vermählung wurde, soweit bekannt, ein Kartell [mit Versen Tobias Hübners (FG 25, PA)] zu einem Ritterspiel geschrieben (250609). Obgleich der von Hübner in 250609 erwähnte Aufzug eines Turniers nicht in der vorliegenden Quelle enthalten ist, könnte doch auch dieser Dessauer Hofmann, der als Erfinder von Kartellen ausgewiesen ist (s. 250218A K 16, K V 1 u. K VII), als Verfasser unseres Textes (für die Vermählung einer Dessauer Prinzessin!) angesehen werden. Vgl. in 250609 K 17 die Zeugnisse über seinen festfreudigen jungen Fürsten Johann Casimir v. Anhalt-Dessau (FG 10, PA). Lt. Thür. HSTA Weimar: Fürstl. Haus A 118, Bl. 190r waren am 25. 5. 1625 in Weimar „Rinckrennen" (Plural) und für den folgenden Tag noch unbestimmte „Exercitia" vorgesehen. Vgl. 250609. Das vorliegende Kartell läßt sich auch deshalb am besten mit diesem Ereignis verknüpfen, weil aus den folgenden Jahren nur noch wenige verstreute Hinweise auf die kurzlebige PA bekannt sind.