Predigt Nr. 18 – Vetter 14 – BT 33va–34va
[33va]
Überschrift
Absatz 1
FN-Anzahl: 1
1 Uff frytag in der Palmwochen.
2 Von warer buͦß und sterben eygens willens
und womit wir sollen erkennen, das der mensch sterb in im selbs in
der warheit.
3 Item wie sorgklich es sey in
eygnen wolgefallen zuͦ ston und
[33vb] uff den gaben gottes
mit lustigkeit bitten.
4 Auch wie sich die
recht gelassnen menschen in irem getruck halten.
5 Anzogen uff die wort
Cayphe,
Joannes .xii.:
6 "Expedit vobis ut
unus homo moriatur pro populo."
7 "Es ist euch
nütz das ein mensch sterb für das volck."
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1
Abschnitt 1
Absatz 2
FN-Anzahl: 4
1 Sant
Joannes schreibt unß
in dem heütigen evangelio und spricht, das
Cayphas sprach zuͦ den fürsten der
juden:
2 "Es fuͤgt sich und ist vil
bes
Aser das
ein mensch sterb für das volck dann daz alles volck verderb.
2
3 Diß sprach er nitt von im selber, sunder der
heylig geist sprach es durch in.
3
4 Und wissent, kinder, das es was die letst
prophecey vor unsers herren todt.
5 Er sprach:
6 "Fürwar, diser mensch thuͦt groß
zeichen.
7 Lassen wir in also leben, so kommen
die roͤmer unnd nemen unß unser statt und schlahen unß unser
volck zuͦ todt."
4
1
Abschnitt 2
Absatz 3
FN-Anzahl: 0
1 Nuͦn sollen wir mercken die unbegreifflichen tieffen lieb,
die unß
Jesus Christus bewisen
hatt in dem unbegreifflichen werck der lieb, in dem er so
unbegryfflichen gelitten hat in allen seinen obersten krefften und
in allen seinen synnen ußwendig und inwendig.
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Abschnitt 3
Absatz 4
FN-Anzahl: 0
1 Es seind vil menschen, die gern woͤlten wissen den nechsten
weg zuͦ der hoͤchsten warheit.
2 Nun mercken:
3 Unser herr beriefft dreyerley
menschen.
4 Den einen mit offenbaren schanden,
uff das das sich der mensch ker zuͦ gott und im noch lauter
behalt seinen grundt.
5 Und die mit
demuͤtigkeit daruff sehen woͤllen, die werden
wunderbare ding der ordnung gots gewar mit seinen genaden.
6 Die aber mit den ussern sinnen mit
urteil uff dise menschen fallen woͤllen, die thuͦn
iren merklichen schaden.
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Abschnitt 4
FN-Anzahl: 1
1 Die andern menschen
zeücht er durch die penitentz, daz ist buͦß.
2 Was ist nun ware penitentz?
3 Es ist, wenn der mensch am aller gernesten redte, das
B er denn umm gots willen
schweyge und wenn
[34ra] die augen aller gernest sehent mit lustikeit, das sie
denn got zuͦ thuͦest und es durch gott lassest.
4 Unnd wo zuͦ dein synn am aller
meisten geneigt seind mitt lust, das du dir denn das selb abbrechest
und dich davon kerest und dich enschliessest durch gott.
1
Abschnitt 5
FN-Anzahl: 0
1 Die dritten menschen
zeücht unser herr mit im selber.
1
Abschnitt 6
Absatz 5
Absatz 6
Absatz 7
FN-Anzahl: 3
1 Nuͦn muͦß ye ein yeklich mensch sterben soll im
anders recht geschehen.
2 Wie woͤllen
wir nuͦ hie disen menschen nennen oder heissen?
3 Es ist und heißt eygner
C will oder
eygenschafft.
4 Was ist nun daz, des diser
mensch warlichen sterben sol?
5 Wissent:
6 Het ein mensch alle die marter gelitten,
die alle heiligen gelitten haben, und alles das guͦt gethon,
das alle christenheit ye gethet oder ymmer mer gethuͦn mag
biß an das end der welt, daz thet in dir nitt mer in allem dem, da
du ein anhafften zuͦ hast und ein genuͤglicheit
moͤchtst finden, das das nit in dir sey dann ein absterben in
thuͦn und in lassen.
7 Womit sollen wir nun erkennen, das diser mensch
sterb in im selbs in der warheit?
8 Hie wiß,
das du dich altag zuͦ tusentmal liessest erstechen und
widerumb lebendig würdest unnd dich alle tag umb ein rad liessest
flechten unnd stein und dorn essest:
9 Hie mit
kindest du du [?] das nit überkommen auß dir selbs, sunder senck
dich in die tieffe grundtlosse barmhertzigkeit gottes mit einem
demuͤtigen gelassen willen under gott und alle creatur, so
wiß, das dir es
Christus denn
allein geben muͤß von grosser miltikeit und freyer
guͤte und lieb und barmhertzigkeit.
10 Hie leüchtet in das wort, daz
Christus sprach:
11 "So ir alles
thuͦnd, das ir vermügt, sollen ir eüch dannocht halten für
unnütz knecht."
5
12 Und geschicht es
nit, das diser mensch also stirbt in seinem eygen wolgefallen, so
komen die roͤmer und besitzen sein statt.
13 Was bedüt Rom anders dann das hochst von di
Dser welt?
14 Also ist die inwendig hoffart die hoͤchst
under allen untugenden, die da besitzet die statt, die da allein der
ewig gott mitt seynen genaden soll besitzen,
[34rb] und schlecht do
zuͦ todt das volck.
15 Das seind die
oͤbersten krefft unnd auch die nidersten, das ist das
haußgesind der sel.
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Abschnitt 7
FN-Anzahl: 1
1 Kinder, sehent für euch:
2 Es ist vil wunderlichs gesinds uff disem
erdtrich, das da mit grossem wissen und mit grossem schein disem
ellenden lautern weg entgeet.
3 Und als lang
diser gelaß uß blybt,
E und darinn warlich
erstirbt, so ersprosset er sich durch alle krefft des inwendigen und
des ußwendigen menschen, biß er als verderbt darinn
Christus warlich pflantzen solt.
4 Wie vil menschen seint, die so groß
erscheinen seind in irem geistlichen leben unnd mit den gott so
grosse ding angefangen hat, die darinn verderben, das sie der
warheit nitt leuterlich war genommen haben und sich selbs besessen
haben inwendig unnd ußwendig im geist und in natur.
1
Abschnitt 8
FN-Anzahl: 2
1 Und des nemen wir
zuͦ einem exempel
Salomo
und
Samson, den von dem engel
gottes verkündung geschach,
6 wie die gefallen seind so
schwerlich in den zorn gotts und in sein urteil.
7
2 Wann sie nit gestorben seind, dem sie
warlichen solten sterben im geist und in natur, in thuͦn und
in lassen.
3 Wann sie uff den gaben mit
lustigkeit ir selbs blyben unnd besassen mitt eygenschafft ir selbs
in lustlicher weiß und darinn gott undanckbar waren seiner gnaden.
4 Nuͦ wie seind sie in das urteil
gottes zuͦ dem letsten gefallen?
5 Also
das die heilig kirch von in zweiflet, ob sie behalten seind oder
nit; das lassen wir gottes guͤte.
1
Abschnitt 9
Absatz 8
Absatz 9
FN-Anzahl: 7
1 Nuͦ kommen dise hohe reich vernünfftige menschen, die in ir
eygner natürlichen vernunfft uff gewachßen seind.
2 Die woͤllen über alle ding kommen sein.
3 Mein kinder, diß ist falsch.
4 Daran solt ir euch nitt keren.
5 Wann alles, das die arm natur
F gibt, nimpt sie
wider.
6 Und alles, daz
Christus gibt, nimpt er auch wider.
8
7 Nun halten dise groß vernünfftigen menschen
dick den anstoß vil eigenlicher dann die geistlichen gelassen
menschen.
8 Zuͦ den sprechen sie in
gottformiger weiß mit kluͦgen worten:
9 "Unser herr gesegen unß!
10 Was
G
ungelassen menschen bistu!"
9
11 Also sagen sie
[34va] zuͦ den edlen
gelassen menschen, die doch gantz gelassen seind in irem grundt im
geyst und in natur, in thuͦn und in lassen, inwendig und
ußwendig.
12 Wissent, das gott verhengt disen
truck über die rechten waren inwendigen menschen.
13 Und darinn haben sie gegen got ein froͤlich
gemuͤt und gen allen creaturen boͤsen und
guͦten.
14 Wann die creatur
moͤgen in weder geben noch nemen, dann das sie alle zeit
begeren und gegenwertig haben in lieb und in leid, in wol unnd in
wee.
15 Also begeren diese menschen nicht
anders dann des liebsten willen gots in zeit und in ewigkeit, in in
selbs und in allen creaturen.
16 Aber, kinder,
verwirren euch nicht
H mit disen besessen
vernunfftigen menschen.
17 Wann das hat
Christus uns wol gelert, so er
spricht:
18 "Was mein hymmlischer vatter nit
hat gepflantzt, das wyrt ußgerütet unnd außgeworffen."
10
19 Also geschicht auch disen menschen, die sich
darinn nit groͤßlich bessern woͤllen.
20 Aber die guͦ ten
menschen sollen ein ler nemen bey unserm herren, do sein edle natur
zweyflet an dem grossen leyden, do schwitzet er vor angsten unnd vor
not bluͦt,
11 biß das er
sich gab williglichen in den tod durch unsert willenn.
21 Also soll ein yegklicher mensch alle zeit unserm
herren nachvolgen mit einem emsigen sterben im geist und in natur,
in thuͦn und in lassen.
1
Abschnitt 10
FN-Anzahl: 0
1 Kinder,
lernent auch also leyden und legent euch under gott und under alle
creatur und leydent einen yegklichen todt im geist und in natur,
wann dem volgt nach das ewig leben.
2 Das
verleich uns gott.
3 Amen.
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