Predigt Nr. 17 – Vetter 13 – BT 32ra–33va
[32ra]
Überschrift
Absatz 1
FN-Anzahl: 1
1 Am mittwochen vor dem palmtag von dem innerlichen
tempel und seiner kirchwych.
2 Item von dem
geistlichen winter, deren zweyerley beschriben werden.
3 Und was lydenhafftige gelassenheit bringen
moͤg; was die boͤsen neydigen oder die frummen juden
unß geistlichen bedeüten.
4 Item warumb die
freund
Christi seine
schaͤfflin genent sygen.
5 Ouch von
underscheidlicher wiß und uͤbung der heiden und inden. (!)
6 Alles gesetzt uff das heütig ewangelium
Joannis .x. und besunder
uff die wort
Christi
7 "Oves mee vocem meam audiunt etc."
8 "Meyn schaff horen mein stimm."
1
1
Abschnitt 1
Absatz 2
FN-Anzahl: 3
1 [32rb]In einer
zit waz kirchweych in
Hierusalem und es was winter und der herr
Jesus wandert uff
Salomonis bethauß und umm
giengen in die juden und sprachen:
2 "Wie lang
wiltu unser sel uffhalen? Bistu
Christus, so sag unß das offenbar."
2
3 Und under vil worten, die unser herr sprach,
do sprach er auch:
4 "Mein schaff
hoͤren mein stymm und ich kenn sie, und sie volgen mir, und
ich gib in daz ewig leben, und niemant nimpt sie uß meiner
hand."
3
5 Und daz geschach uff
Salomonis bethuß, wann
David spricht:
6 "Er hat
gemacht sein stat in dem frid."
4
7 Salomon
ist als vil als 'pacificus', 'frydsam'.
8 Das
ist der ewig
Salomon, des statt
mag nienders anders gesein dann in dem fryd in inwendigem
fryd.
1
Abschnitt 2
Absatz 3
FN-Anzahl: 5
1 Jesus gieng in den tempel,
und es was kirchweyhe.
5
2 Dieser tempel, da
Jesus ingeet,
A daz ist die lauter seel mit ir lautern
inwendigkeit, an die gott mer fleiß hat gelegt dann an alle creatur
und mer wirckens damit gehabt hat.
3 In di sem
tempel was kirchweych, daz ist ein vernüwung.
4 Nuͦ wie geschicht dise vernüwung in disem tempel, da gott
so gern inwonet.
5 Ja, vil eygenttlicher dann
in allen tempeln die ye gebauwet oder geweyhet wurden? Daz ist
und
B heißt nüw, daz nahe
it bey seinem uffgang oder anfang.
6 Do sich
der mensch mit allen seinen krefften und mit seiner seel inkert und
ingeet in disem tempel, da er gott in der ewigkeit und warheit innen
findt wonen und wyrcken und er hie in findt in befindlicher weiß nit
in sinnlicher weiß no (???) in vernünfftiger weiß, als man gelesen
hat oder gehoͤrt oder durch die sinn ist inkommen sunder in
befindender schmeckender weiß, als es uß dem grund heruß ist quellen
als uß seinem eygen brunnen und nit ingetragen.
6
7 Wann ein brunn ist besser dann ein cistern.
8 Wann die cisternen faulen und trucknent,
aber der brun laufft und quillet und wechßt, er ist war eygen und
suͤß.
9 Und den ist in der warheit
kirchwey in disem tempel.
10 Und als
[32va] offt diser
ker geschicht des tages, ob es müglichen wer, das er zuͦ
tausent malen geschech des tags, als offt würt ein verneüwung da und
werden allwegen geboren mit disem ker neüw lauterkeit, neüw liecht
und gnad und neüw tugend.
11 Es ist ein
C
wunnigklichs ding umb disen ker und darzuͦ dienen alle
ußwendige uͤbungen und werck und meinen ir vollkommenheit dar
in und usser disem haben sie nitt vil oder groß macht.
12 Und wiewol man sich alle zeit in allen
guͦten weysen und wercken uͦben soll, doch vor allen
dingen sol man diß kerens warnemen, so würt dise kircchwyh war und
gantz.
1
Abschnitt 3
Absatz 4
FN-Anzahl: 2
1 Diß was in dem winter.
7
2 Nun wenn ist der winter?
3 Denn ist in
D der warheit wynter, wenn daz hertz erkaltet und
erhert ist, also daz weder gnad noch gott noch goͤttlich ding
in dem hertzen seind dann der kalt schnee und ryff.
4 Daz seind die ledigen verdoͤrten und
verderbten creatur, die mit lieb und mit lust daz hertz besessen
haben.
5 Die verleschen zuͦmal daz feür
der lieb des heiligen geists und machen ein wunderliche kelt von
aller genad und allem trost und aller heilicheit, die sie gantz
erloͤschen.
6 Es ist auch ein ander
wynter, da ein guͦt goͤttlich mensch, der gott liebet
und meint und sich mit flyß huͤtet vor sünden und doch von
gott gelassen würt, in befindtlicher weyß dürr und vinster und kalt
wirt von allem goͤtlichen trost und suͤssigkeit.
1
Abschnitt 4
Absatz 5
FN-Anzahl: 2
1 In disem wynter was unser herr, der also gar gelassen ward von
seinem himlischen vatter in helffender weiß und von der gotheit, mit
der er doch natürlichen was vereiniget, daz ein einiger tropff
seyner gottheit der krancken durchleydenden menscheit nie kein
augenbblick (???) zuͦ hilff kam in allen seinen noͤten
und in seinem unussprechlichen leyden.
2 Er
was vor allen menschen der leidenst und der aller verlaßnest on alle
hilff.
8
3 Also sollen sich sein ußerwoͤlten
freünd freüwen mitt vollen freüden ires fryen willen wenn sie das
vinden, daz sie irem hyrten, des schaff sie woͤl len syn,
nach moͤgen volgen
9
in gelassner gelassenheit von innen und von ussen.
4 Wie weren sie so gar überselig, daz sie irem hyrten
[32vb]also
volgeten in seinem wynter diser gelassenheit von gott und von allen
creaturen!
5 Da wer gott warlichen und in
nützlicher gegenwertigkeit dann in allen summern eygner
gebrauchligkeit, die sie villeicht ye gewunnen.
6 Und kein vernunfft mag das begreiffen, was in diser
herter warer gelassenheit verborgen leyt.
7 So
es zuͦmal wynter ist, dürr und fin ster, ob man sich in
glicher gedultikeit darinn hielt.
1
Abschnitt 5
Absatz 6
FN-Anzahl: 5
1 Nun spricht das evangelium:
2 "Die juden
stuͦnden umb in."
10
3 Es waren zweyerley juden, guͦt und
boͤß.
4 Also seint auch un
Eder unß:
5 Ein 'jud' ist ge sprochen als vil 'der
gott vergihet'.
6 Wenn die krefft, davon wir
geredt haben, sich in der warheit inkeren mit der natur und ob der
natur und keren den inwendigen grundt, in die wurtzel, da verjehen
sie gotts in befindlicher weiß.
7 Unnd als sie
gott da vinden, so verjehen sie sein in der warheit in
gebrauchlicher weyß.
8 Und diß ist alles in
dem waren lebendigen glauben.
9 Und alles, daz
hie von wirt geboren inwendig in der vernunfft und in dem willen
ußwendig in den ussern krefften, es sey mit wyrcken oder mit lyden,
in worten, in wercken, in gelaß, in wandlung, in dem allen entpfindt
man nit, weder in wyrckender noch in schawender weyß, dann ein
verjehen gotts in der warheit.
10 Dises mocht
Chri stus meinen, do er
sprach:
11 "Die mich verjehen vor den menschen,
die würd ich vor meinem himlischen vatter veriehen."
11
12 Wann wiß, wel
Fches werck du thuͦst, dem du ein ander end
setzest dann got, in dem vergissestu gotts.
13 Wann gott soll sein von natur ein
G end aller ding und aller meinug.
14 Und wo du ein ander setzst, da thuͦstu, als
ob du syn verleugnest. Wann du gibst der der (???) creatur daz, daz
gots eigen ist von natur.
1
Abschnitt 6
Absatz 7
FN-Anzahl: 3
1 Es waren auch boͤß juden, die
JesumH unseren herren abstuͦnden.
2 Den was ir hertz voll bitterkeit, also das sie in
nitt an mochten sehen noch geleyden.
3 Sie
waren, als ob sie steinen hertzen hetten wider in.
4 Ach, was findt man noch christenlicher menschen,
wen sie gotts freünd sehen in guͦten weisen, in guͦten
wercken, so haben sie
[33ra]recht ein widerwillen wider sey und verbittern recht ir
hertzen wider sie und vernichten ir werck, was sie thuͦnd und
ir weyß und ir leben.
5 Unnd finden so vil
gloß über sie oder wider sie, das sie seint recht als die
boͤsen juden.
6 Und es ist sun
Iderlich
ein sorgklich ding und ist der waresten zeichen eins under allen
zeichen, daz sie mit gott und mit allen seinen freünden nymmer
keinen teil sollen haben ewigklich, die nit in in finden ein gunst
und ein lieb, doch zuͦ dem minsten zuͦ allem dem, das
guͦt und goͤttlich ist.
7 Wann
Christus sprach:
8 "Wer mit mir nit ist, der ist wider mich."
12
9 Und herwiederumb seind die guͦt
juden, die in in funden ein bereiten willen, ein lieb und gunst unnd
ein meinung zuͦ allem guͦt, daz ist ye ein war
zeichen, das gott in irem grundt ist und des wesentlichen
guͦts ewigklichen gebrauchen sollen.
1
Abschnitt 7
Absatz 8
FN-Anzahl: 3
1 Aber die des nit seind,
zuͦ dem sprach er:
2 "Ir seind nit von
meinen schaffen, wann meine schaff hoͤren
J mein stymm."
13
3 Das ist dise stimm.
4 Warumb heißt unser her sin fründ also
offt schaff?
5 Das ist umm zwey ding, die die
schaff an in haben, die unser herr zuͦmal und sunderlich
liebt:
6 Das ist unschuld und
senfftmuͤtigkeit.
7 Die lauterkeit der
unschuld gemacht volgen dem laͤmlin nach, wo es hingeet.
8 Die senfftmuͤtigkeit ist gott
nach, die hoͤren gottes stimm, die der ungestüm und zornig
mensch nymmer gehoͤrt.
9 Wann so der
wind stürmet und die fenster und die thür kleppern, so mag man nit
wol gehoͤren.
10 Solt du nun das
vaͤtterlich verborgen heimlich wort in dir hoͤren, das
in dem heiligen innersten grundd wirt gesprochen, so muͦß in
dir und uß dir alle ungestuͤmmigkeit ernider ligen
14 und solt unnd muͤst ein
senfftmuͤtiges schaͤfflin sein und lassen und erkennen
dein grossen gebresten und hoͤren zuͦ diser stymm mit
stiller senfftmuͤtigkeit.
11 Diß ist
allen den verborgen, die nit schaff seint.
1
Abschnitt 8
Absatz 9
FN-Anzahl: 1
1 Aber zuͦ seinen schaffen sprach er, als man heint
zuͦ nacht laß in den letzgenn:
2 "Ich will dir geben ein begirlich ertrich.
[33rb] und ein
verklaͤrt erb und die uͤbung der heiden.
3 Und du solt nit auffhoͤren
nach
K mir
zuͦ geen."
15
4 Woͤlchs ist nun diß begyrlich
erdtrich, das er seinen lieben freünden und schaffen gelobet?
5 Das ist das erdtrich ihres leychnams,
der von natur widerspennig was, das er also begyrlich würt und
underthenig, wie sie woͤllen und wo sie in haben
woͤllen.
6 Darzuͦ wirt er bereit
und hat groß wunne und lust darinn, das er vor dürr was, das württ
nun als ein wolgebauwet erdtrich, das weich ist und das man seyet
und eget.
7 Also würt diser lauter leychnam
begyrig zuͦ allem guͦt.
1
Abschnitt 9
Absatz 10
FN-Anzahl: 5
1 Nu welchs ist denn
L
das verklaͤrt erb?
2 Das ist anders
nicht dann unserr herr
Jesus
Christus, wann er ein erb ist seines vatters, und wir seind
sein mit erben, als davon sant
Paulus spricht:
16
3 "Der sun hat von dem vatter alles das
genommen, das er ist und hat und vermag,
17 unnd der vatter hatt im alle ding
gegeben in sein hand.
18
4 Diß truͦg der sun dem vatter als
grüntlich wider uff in allen weisen unnd in allem dem, das er von
dem vatter entpfangen hat,
19 also,
das er im nitt ein har verhielt, noch sich annam.
5 Dann allein suͦcht er die glori seines
vatters.
6 Also in diser weiß sollen wir dem
sun nachvolgen:
7 Soll er unser verklerets erb
sein, so sollen wir dem vatter diß alles wider ufftragen, alles, das
wir seint und haben und vermügen.
8 Und alles,
das wir vonn im entpfiengen, das wir unß des ein haͤrlin
breit nit sollen annemen weder inwendig noch ußwendig, er komm mit
mittel oder on mittel.
9 Laß es dem, des es
ist und nimm dich des nit an und suͦch in.
10 So seind die leidigen synn und die natur also
klebrig und suͦchten daz ir in allen dingen, da wirt gar vast
verfinstert und verklaͤret das erb.
11 Wann wo du dich des goͤtlichen annimpst, da machst du das
goͤttlich creatürlich und verfinsterst es.
1
Abschnitt 10
Absatz 11
FN-Anzahl: 7
1 "Und er
würt dir geben die uͤbung der heyden."
20
2 Die hetten kein weiß noch heiligkeit noch
ewigkeit, wann sie namen genad umb genad umb alles
[33va]Mir verdienen.
21
3 Aber die judenn verliessen sich uff ir werck
und uff ir thuͦn, die hetten ir ceremonien und gebott unnd
vil ding.
4 Aber die heiden hetten keinen
enthalt, daruff sie bauwten, allein uff gotts genad bloͤßlich
in syner barmhertzigkeit.
22
5 Also in der weiß
sol dein uͤbung syn,
N das du
dich enthaltest anders niendert dann uff die grossen gnad und
barmhertzigkeit gotts und nemest genad von gottes guͦte
allein und hab nit acht keiner deyner bereitung noch als wyrdikeitt.
6 Dise judische weiß haben vil men schen
O und steend uff iren
eygen weisen unnd wercken, die woͤllen sie ye haben
zuͦ einem understand.
7 Wann sie haben
dann ir werck gethon, so ist es alles verloren, sie
doͤrffen
P gott noch niemandts glauben.
8 Sie bauwen verborgenlich uff ir werck und uff ir eygen
thuͦn.
9 Ich mein nit, das man
guͦ te uͤbung underwegen lassen soll:
10 Man soll sich all zeit uͤben, man sol aber
nicht darauff bauwen nach daruff sich halten.
11 So halten soͤlich mer daruff, dann ob sie hetten
haͤrin hemd getragen und halßband und gefastet und gewacht
und gebettet und xl. jar. ein arm mensch gewesen, unnd alle zeitweyß
halten sie recht als ein zuͦgang zuͦ gott.
12 Aber das man aller men schen werck gethon het, die
ye gethon wurden, so soll man des alles bloß und ledig sein in dem
grundt als die kein guͦt werck ye getheten, weder klein noch
groß, dann genad umb genad und von der grossen barmhertzigkeit gotts
on allen enthalt eygner zuͦver sicht deiner bereitung.
13 Diß ist die uͤbung der heiden.
1
Abschnitt 11
FN-Anzahl: 1
1 "Und solt mich
vatter heissen und solt nit uffhoͤren nach mir in
zuͦ gen."
23
1
Abschnitt 12
FN-Anzahl: 0
1 Das helff unß gott
etc.
1