Predigt Nr. 6 – Pr. 102 (DW IV,1) – BT 9vb–11rb
[9va]
Überschrift
Absatz 1
FN-Anzahl: 2
1 Hie nachvo
lget
ader ander teil der vordrigen predig
1 und sagt von der ewigen
geburt, wie sy geschicht im wesen allein und nit in den krefften unnd wie
der mensch muͦß kommen in ein vergessen sein selbs unnd in ein
nitwyssen unnd war an unser seligkeit ligt.
2 Gesetzt
uff dise wort: "Wo ist der, der geboren ist ein künig der Juden?"
2
1 Hier schließt sich der zweite Teil der vorherigen Predigt
an. Er handelt von der ewigen Geburt, auf welche Weise sie sich allein im
Wesen ereignet und nicht in den [Seelen-]Kräften, und [davon], wie der
Mensch in eine Selbstvergessenheit kommen muss und in Unwissenheit, und
wovon unsere Seligkeit abhängt.
2 ###Sie stützt sich
auf folgendes Wort: "Wo ist der, der geboren wurde, ein König der
Juden?"
Abschnitt 1
Absatz 2
Absatz 3
FN-Anzahl: 0
1 Nu merck von dyser geburt, wo sy geschehe.
2 "Wo ist der geboren?"
3 Ich
sprych, als ich mer gesprochen hab,
3 das dyse ewige geburt
geschicht in der seel in aller weiß, als sy geschicht in ewikeit, weder
minder noch mer.
4 Wann es ist ein geburt, und dise
geburt geschicht in dem wesen und im grunde der selen.
1 Nun sollt ihr verstehen, wo diese
Geburt geschieht:
2 "Wo ist der, der geboren wurde?"
3 Ich sage, wie ich schon öfter gesagt habe, dass
diese ewige Geburt in der Seele in derselben Weise geschieht, in der sie
auch in der Ewigkeit geschieht, nicht mehr und nicht weniger.
4 Denn es ist eine Geburt, und diese Geburt geschieht im Wesen
und im Grunde der Seele.
Abschnitt 2
Absatz 4
FN-Anzahl: 1
A
1 Es fallen hie fragen zuͦ wyssen.
1 Es stellen sich Fragen, zu denen
ihr [die Antwort] wissen sollt.
Abschnitt 3
FN-Anzahl: 1
1 Die erst:
2 Sydt gott in allen dingen ist und den
dingen mer inne ist, dann die ding in in selber sind und natürlicher, unnd
wo got ist da muͦß er würcken unnd sich selber bekennen
und sein wort sprechen, was eigner eigenschafft die sele hab zuͦ
disen wercken gottes?
4
1 Die
erste [Frage]:
2 Da Gott in allen Dingen ist und in
den Dingen stärker und ursprünglicher ist, als die Dinge selbst in sich
sind, und [da] Gott, wo er ist, wirken und sich selbst offenbaren und sein
Wort aussprechen muss –, welche besondere Beschaffenheit hat [dann] die
Seele hinsichtlich dieses Wirkens Gottes?
Abschnitt 4
FN-Anzahl: 6
1 Disen underscheid merckent:
2 Got ist in allen
dingen wesenlich, würcklich unnd gewaltigklich, aber er ist allein geberen
in der sele.
3 Wann alle creatur sind ein gespüre oder
fuͦß
[b]stapff gots.
5
4 Aber die seel ist natürlich nach gott gebildet.
6
5 Das byld muͦß gezieret und volbracht werden
mit diser geburt werck.
6 Und diser geburt ist kein
creatur entpfengklich dann der mensch allein.
7 In der
warheit: was vokommenheit in die seel kommen sol, es syg goͤtlich
einformigkeit, liecht oder gnad und seligkeit, das muͦß alles kommen
mitt dyser geburt in die seel unnd nicht anders.
8 Wart allein diser geburt in dir, so fin
dest
b du alles
guͦt allen
c
trost alle wunne, wesen unnd warheyt.
9 Versaumest du dise geburt, so versumst du alles guͦt und seligkeit.
10 Was dir in disem inkumpt, das bringet lauter
wesen und seligkeit; unnd du suͦchst unnd nympst außwendig disem, das
verdirbet alles.
11 Nütz es, wie du wilt und wo du
wilt, es verdirbt alles.
12 Aber diß allein gibt wesen
unnd das ander verdirbet.
13 Ouch in diser geburt wirst
du teilhafftig des goͤtlichen ynfluß unnd aller seyner gab.
14 Des mügen die creaturen nit entpfengklich sin, in
de
nd das byld gottes nitt ist.
15 Wann
der seel bylde gehoͤrt sunderlich zuͦ diser ewigen geburt, die
in der seel geschicht und geboren wyrt vonn dem vatter in dem grund unnd in
dem inwendigsten der seel, da nye byld in sahe.
7
1 Merkt euch folgende Erklärung:
2 Gott ist von
[seinem] Wesen her in allen Dingen, mit Wirken und mit Macht. Aber allein in
der Seele gebiert er.
3 Denn alle Geschöpfe sind
[zwar] Spuren oder Fußabdrücke Gottes,
4 die Seele
aber ist in ihrer Natur nach Gottes Bild geschaffen.
5 Dieses Bild muss mit dem Wirken dieser Geburt verherrlicht und vollendet
werden,
6 und für diese Geburt ist kein Geschöpf
empfänglich außer dem Menschen.
7 Es ist wahr:
8 Was an Vollkommenheit in die Seele gelangen soll,
sei es göttliche Einheit, göttliches Licht oder Gnade und Seligkeit, das
alles gelangt allein mit dieser Geburt in die Seele, und auf keine andere
Weise.
9 Hab Acht auf nichts anderes als diese Geburt
in dir, dann findest du alles, was dir nützlich ist, allen Trost, alle
Wonne, Wesen und Wahrheit.
10 Versäumst du diese
Geburt, so versäumst du [auch] alles, was dir nützlich ist, und [alle]
Seligkeit.
11 Was in dieser [Geburt] in dir Einlass
findet, das bringt das blosse Wesen und Seligkeit [mit sich]; und [was] du
außerhalb von dieser [Geburt] suchst und aufnimmst, das wird alles zunichte.
12 Nutze es, wie und wo du willst, es wird [doch]
alles zunichte.
13 Aber diese [Geburt] allein gibt [das
reine] Wesen, und das andere wird zunichte.
14 Außerdem
erhältst du bei dieser Geburt Teil an dem Einwirken Gottes und allen seinen
Gaben.
15 Die Geschöpfe, in denen das Bild Gottes nicht
ist, können dafür nicht empfänglich sein.
16 Denn das
Bild der Seele gehört in besonderer Weise zu dieser ewigen Geburt, die in
der Seele geschieht und vollzogen wird vom Vater im Grund und im Innersten
der Seele, in das nie ein eine bildliche Vorstellung [auch nur] einen Blick
hinein warf.
Abschnitt 5
Absatz 5
FN-Anzahl: 1
1 Die ander
B frag ist:
2 Seyt daß das werck diser geburt geschicht in dem
wesen unnd in dem grund der sel, so geschicht diß alles wol in einem sünder
als in eim guͦten menschen.
3 Was gnadenn oder
nutz liget mir hier an, wann der grund der natur ist jn beiden gleich?
4 Ja, auch den, die in der hell seind, den bleibet
der adel der natur ewigklich.
1 Die zweite Frage ist:
2 Weil das Werk
dieser Geburt in dem Wesen und im Grund der Seele erfolgt, vollzieht es sich
genauso gut in einem Sünder wie in einem guten Menschen.
3 Welche Gnade oder Nutzen lieget für mich hierin, wenn denn
der [innerste] Grund ihrer natürlichen Beschaffenheit in ihnen beiden gleich
ist,
4 ja, [wenn] sogar bei denen, die in der Hölle
sind, die edle Beschaffenheit der Natur ewig [erhalten] bleibt?
Abschnitt 6
Absatz 6
FN-Anzahl: 6
1 Nun merck den underscheyd:
2 Diser geburt
eygenschafft ist das sy alzeit geschycht mit neuwem liecht in
die seel.
3 Ir art
8 ist,
das sy sich muͦß ergiessen, wo sy ist.
4 In
diser geburt geusset sich gott in die seel mit liecht
9 also, das daß liecht
also groß wirt in dem wesen und in dem grund, das es sich ußwürfft und
überfleüßt in die krefft und in den ussern mensch
[10ra]en.
5 Also geschach sant
paulo, da jn got ruͦrte uff dem weg mit seinem liechte und
im zuͦ sprach:
6 Ein glichnuß des liechts
erscheine ußwendig, das es sein gesellen sahen, und umbfieng sant
Paulum.
10
7 Also die seligen und frommen von
überflüssigkeit des liechts, daz in der sele grundt ist, das übergeusset
sich in den leichnam und wirt da von klarheit.
8 Des
mag der sünder nicht empfahen, noch ist sein wirdig.
C
9 Wann er erfüllet ist mit sünden
und mit boßheit, daz da heißt finsternuß.
10 Davon
sprach er:
11 "Die finsnternuß begreiffen nit daz
liecht."
11
12 Darumb wann die weg, da das liecht in solt geen,
synd verkymmert und versperret mit falscheit und mit finsternuß.
13 Wann liecht und finsternuß mügen nit wol mit einander
besteen, noch got und creatur.
14 Soll got ingeen überein, so muͦß die
creatur ußgeen.
12
15 Diß liecht wirt der mensch
wol gewar, so er sich zuͦ gott kert, so gleyßt und glantzet in im ein
liecht und gibt im zuͦ erkennen, was er thuͦn oder lassen sol,
und vil guͦter ußweisung wirst du gewar, der du vor nit wißtest oder
verstuͤndest.
16 Wo von und wie weist du das?
17 Nymm war, dein hertz wirt dick beruͤrt und
bekert von der welt.
18 Wie moͤcht das beschehen
dann mit der ynlüchtung?
19 Das ist so zart und so
lustig, das dich alles verdreüßt, daz nit goͤtlich ist.
20 Es reitzt dich zuͦ gott und wirst vil guͦter
vermanung gewar und weist nit woher sy dir kommen.
21 Die inwendig neygung kompt in keiner weyß von keyner
creatur, noch von keiner ir anweisung.
22 Wann was
creatur weiset und wirckt, das kommet alles von ussen zuͦ.
23 Aber der grundt wirt alleyn beruͤrt vonn disem werck
und ye mer du dich ledig haltest, ye mer du liechtes und warheit und
underscheid findest.
24 Unnd darumb irret nie kein man
in keinen dingen dann allein, das er disem des ersten entgangen was und sich
ußwendig zuͦ vil behelffen wolt.
25 Da von spricht sant
Augustin:
26 "Vil ist der, die das liecht unnd warheit
[b] haben gesuͦcht, aber alles außwendig, da sy nit was.
27 Des kommen sy zuͦm letsten
zuͦ ferr, das sy nitt wyder heym, noch ymmer wider kommen, noch
haben sy die warheyt nit funden.
28 Wann warheit
ist in dem grund inwendig und nit außwendig."
13
29 Wer nun wil findenn liecht unnd underscheid aller
warheit, der wart unnd nem war diser geburt in im und in dem grund, so
werden alle krefft erleucht und der usser mensch.
30 Wann zuͦhand so gott den grund ruͤret mitt der warheyt
14, so wirfft sich das liecht in die
krefft und kan der mensch mer zuͦweylen dann jn yemandt geleren mag.
31 Also spricht der prophet:
32 "Ich hab verstandenn über alle, die mich ye leren."
15
33 Sydtmal nuͦn diß liecht nit scheinen mag in
den sünder, darumb ist es unmüglich, daz dise geburt in im geschehen
moͤcht.
34 Dise geburt mag nit besten mit
vinsternyß der sünde.
35 Wie das
sie doch nitt geschicht in den krefften, sunder in dem wesen unnd in dem
grundt der selen und nit in den krefften.
1 Nun beachte folgenden Unterschied:
2 Die Besonderheit dieser Geburt ist, dass sie stets durch ein
besonderes Strahlen in die Seele erfolgt.
3 Es ist
ihre Eigenart, dass sie überfließen muss, wo sie [auch] ist.
4 In dieser Geburt gießt sich Gott durch ein Strahlen so in
die Seele, dass das Licht im Wesen und im Grund [der Seele] so strahlend
wird, dass es sich hinausdrängt und hinüberfließt in die [Seelen-] Kräfte
und in den äußeren Menschen.
5 Genau so erging es dem
heiligen Paulus, als Gott ihn unterwegs mit seinem Licht traf und zu ihm
sprach.
6 Ein Widerschein des Lichts leuchtete um ihn,
so dass es seine Gefährten sahen, und umgab den heiligen Paulus.
7 Genauso [ergeht es] den Seligen und Tüchtigen von dem
Überfluss an Licht, der im Grund der Seele ist, der ergießt sich in den
Körper, und dadurch entsteht Reinheit.
8 Davon kann der
Sünder nichts empfangen, noch ist er dessen würdig.
9 Denn er ist erfüllt von Sünden und mit Bosheit, die man Finsternis nennt.
10 Davon sprach er:
11 "Die
Finsternis erfasst das Licht nicht."
12 Es kommt daher,
dass die Wege, in welche das Licht hineinstrahlen soll, durch Falschheit und
Finsternis verengt und versperrt sind.
13 Denn Licht
und Finsternis können nicht gut am selben Ort sein, so wenig wie Gott und
Geschöpf.
14 Soll Gott völlig [in etwas] hineingehen,
so muss das Geschöpf hinaus.
15 Dieses Licht nimmt der
Mensch leicht wahr, wenn er sich Gott zuwendet, dann leuchtet und strahlt in
ihm ein Licht und gibt ihm zu erkennen, was er tun oder was er lassen soll,
und du erkennst viele nützliche Zusammenhänge, von denen du vorher nichts
wusstest oder nichts davon begriffen hattest.
16 Wodurch und auf welche Weise erfährst du das?
17 Du
musst verstehen, dass dein Herz oft angerührt und von weltlichen Dingen
abgewendet wird.
18 Wie könnte das denn geschehen, wenn
nicht durch das Hineinstrahlen?
19 Das ist so zart und
so lustvoll, dass dich alles langweilt, was nicht göttlich ist.
20 Es zieht dich zu Gott hin und du bemerkst viele gute
Hinweise und weißt [doch] nicht, woher sie zu dir kommen.
21 Die innere Hinwendung kommt keineswegs von irgend einem
Geschöpf, noch durch eine seiner Belehrungen.
22 Denn
was ein Geschöpf lehrt und wirkt, das kommt alles von außen dazu.
23 Jedoch der Grund [der Seele] wird ausschließlich von diesem
Werk [= der Geburt] angerührt, und je stärker du dich frei [von anderem]
hältst, umso eher findest du Licht und Wahrheit und Erkenntnis.
24 Und aus diesem Grund irrt nie irgendein Mensch in
irgendwelchen Dingen, außer allein deswegen, dass er dieses [Geschehen]
zuerst nicht bemerkt hat und sich [dann] zu viel mit Äußerlichkeiten
behelfen wollte.
25 Davon spricht der heilige
Augustinus:
26 "Es gibt viele, die das Licht und die
Wahrheit gesucht haben, aber immer nur außerhalb, wo sie nicht sind.
27 Dadurch entfernen sie sich letztlich zu sehr, so
dass sie nicht wieder heim, noch irgend wann zurückkommen, noch jemals die
Wahrheit gefunden haben.
28 Denn Wahrheit ist im
Inneren des [Seelen-]Grundes und nicht außerhalb."
29 Wer nun das Licht und die Erkenntis aller Wahrheit finden will, der passe
auf und nehme in sich und im [Seelen-] Grund diese Geburt wahr, dann werden
alle Kräfte erleuchtet und [auch] der äußere Mensch.
30 Denn im selben Augenblick, wenn Gott den [Seelen-]Grund mit der Wahrheit
berührt, erhellt der Lichtschein die Kräfte, und der Mensch weiß manchmal
mehr, als ihn jemand zu lehren vermag.
31 Genau so sagt
es der Prophet:
32 "Ich habe mehr verstanden als alle,
die mich je gelehrt haben."
33 Weil nun dieser Schein
nicht in den Sünder leuchten kann, ist es nicht möglich, dass diese Geburt
in ihm geschehen könnte.
34 Diese Geburt kann nicht
zusammen mit Finsternis der Sünde [be-]stehen,
35 auch
wenn sie nicht in den [Seelen-]Kräften geschieht, sondern im Wesen und in
dem Grund der Seele, und nicht in den Kräften.
Abschnitt 7
Absatz 7
FN-Anzahl: 2
D
1 Was ist es not, das sie in
den krefftenn nitt geschicht?
16
2 Das ist wol gefroget.
1 Warum muss es so sein, dass sie nicht in den
Kräften geschieht?
2 Das ist eine gute
Frage.
Abschnitt 8
FN-Anzahl: 7
1 Nun merck dyse underscheid:
2 Ein yeglich creatur
wyrckt ir werck durch oder umb ein end.
17
3 Das end ist allezeyt das erst in der meinung unnd
das letste in dem werck.
18
4 Also meynet gott in allen seinen wercken gar ein
selig end, das ist sich selber und das er die seel mitt allen iren krefften
in das end bring, das ist in sich selber.
5 Durch das
wyrckt got alle seine werck.
6 Durch das gebyrt der
E vatter seynenn sun in
der seel, das alle krefft der seel in das selb kommen.
7 Er luͦget allein zuͦ dem, das in der seel ist.
8 Er ladet es alles zuͦ diser wirtschafft
und zuͦ disem hoffe.
9 Nun hat sich die sel
ußwendig außgebreitet mitt den krefften unnd zerstreuwet eyn yegklich krafft
in ir werck: die krafft des sehens in das aug, die krafft des hoͤrens
in die orn, die krafft des gerüchs in die zungen etc.
10 Und al
[10va]so
seind ir werck dester krencker inwendig zuͦ wircken und ein yetlich
gebreitet krafft ist unvolkommen.
11 Hierumb wil sy
kreffteklic
he wircken
inwendig, so muͦß sy wider heimrieffen allen iren krefften und
sinnen
19 von allen zerbreiten dingen in ein
inwendig wircken.
12 Wann sant
Augustin spricht:
13 "Die seel ist vil mer, da sy liebet, dann sy in dem leyb
sy."
20F
1 Nun höre auf folgende Erklärung:
2 Jedes Geschöpf erfüllt sein Werk wegen eines Zieles oder um
dieses zu erreichen.
3 Das Ziel ist immer der Anfang
der Absicht und das Ende des Werks.
4 Genauso hat Gott
mit allen seinen Werken ein ganz und gar seligmachendes Ziel im Sinn, das er
selbst ist, und dass er die Seele mit allen ihren Kräfte zu diesem Ziel
führt, das in ihr selbst ist.
5 Aus diesem Grund wirkt
Gott alle seine Werke.
6 Deshalb gebiert der Vater
seinen Sohn in der Seele, damit alle Kräfte der Seele zu diesem Ziel
gelangen.
7 Er richtet seinen Blick allein auf das,
was in der Seele ist.
8 Er lädt alles [was in der
Seele ist] zu diesem Festessen und zu diesem Hoffest ein.
9 Nun hat sich die Seele durch ihre Kräfte nach außen
geöffnet, und verteilt jede Kraft in [das] ihr [zugehörige] Werk:
10 Die Kraft des Sehens in das Auge, die Kraft des Hörens in
die Ohren, die Kraft des Schmeckens in die Zunge etc.
11 Und deshalb können ihre Werke im Inneren entsprechend schwächer wirken,
und eine jegliche Kraft, die verteilt wurde, ist unvollständig.
12 Deshalb muss sie [= die Seele] alle ihre Kräfte und Sinne
wieder zurückrufen, wenn sie im Inneren mit Kräften wirken will, [weg] von
der allgemeinen Verbreitung auf die Dinge [hinein] in ein inneres Wirken.
13 Denn der heilige Augustinus sagt:
14 "Die Seele ist weitaus mehr dort, wo sie liebt, als dass sie
im Körper sei."
Abschnitt 9
Absatz 8
FN-Anzahl: 2
1 Ein heidnischer meyster was gekeret uff ein
kunst, daz was ein rechnung.
2 Er het alle sein krefft
dar zuͦ gekert und saß vor essen
21 und zalte unnd suͦchet
die kunst.
3 Da kam einer und zuckt ein schwert, und
er weßt nit, das er der meister was und sprach:
4 "Sage, wie heissest du, oder ich toͤdte dich."
5 Der meister was so sere ingezogen, daz er den
fyend weder sach, noch hort, noch künde sich so vil geeussern, das er
sprechen moͤcht "Ich heiß also".
6 Und do derr
fyend lang und vil ge ruͤffet, und er nicht sprach, do schluͦg
er im den halß ab.
22
1 Ein heidnischer Meister hatte
sich einer Wissenschaft zugewandt, das war das Rechnen.
2 Er hatte alle seine Kräfte darauf konzentriert und saß am
Feuer und zählte und mühte sich um die Wissenschaft.
3 Da kam einer und zog ein Schwert und wusste nicht, dass jener der
[bekannte] Meister war, und sprach:
4 "Sag, wie du
heißt, oder ich töte dich."
5 Der Meister war so sehr
in sich gekehrt, dass er den Feind weder sah, noch hörte, noch konnte er
sich so weit äußern, dass er hätte sagen können: "Ich heiße soundso."
6 Und als der Feind ihn mehrfach und laut
angsprochen hatte, und er nicht antwortete, schlug der ihm daraufhin den
Kopf ab.
Abschnitt 10
FN-Anzahl: 0
1 Das was umb ein natürlich kunst zuͦ gewinnen.
2 Wie vil mer
wir uns entziehen soͤllen von allen dingen unnd samlen alle unsere
krefft zuͦ schouwen unnd zuͦ bekennen die ewigen unmessigen
warheit!
3 Hie zuͦ samel alle deine krefft
und synn und dein vernunfft und dein gedechtnuß, und das kere in den
grundt, da diser schatz inne verborgen lyget oder ist.
4 Soll das geschehen so,
muͦst du allen werckenn entpfallen unnd kommen in ein unwissen, solt
du disen finden.
1 Das
geschah, weil er sich eine natürliche Wissenschaft aneignen wollte.
2 Wieviel mehr sollten wir uns von allen
[natürlichen] Dingen zurückziehen und alle unsere Kräfte sammeln, um die
ewige unermessliche Wahrheit zu erblicken und zu erkennen!
3 Hierzu sammle alle deine Kräfte und Sinne und deine Vernunft
und deine Gedanken, und das richte in den Grund [der Seele], in dem dieser
Schatz verborgen liegt oder sich [dort] befindet.
4 Wenn das geschehen soll, musst du alles Tun fallen lassen und in ein
Un-Wissen kommen, wenn du diesen [Schatz] finden willst.
Abschnitt 11
Absatz 9
FN-Anzahl: 5
1 Nun felt eyn frag hie:
2 Du moͤchtest sprechen:
3 "Lieber
bruͦder, wer es nit edler, das ein yegklich krafft ir eigen werck
behielt unnd das eine die andern nit hindert in iren werckenn?"
23
4 Nun mercke disen underscheid:
5 Die seligen sehen an in gott ein bilde.
6 Und in dem
bilde bekennen sy alle ding.
7 Ja, got selber, der
sicht also in sich und bekennet in im alle dinge.
8 Er
bedarff sich nit keren von im uff das ander, als wir muͤssen
thuͦn.
9 Were es also in disem leben, das wir
ein spie
[b]gel für uns legten alle zeyt, in dem wir in einem
blick alle ding sehen und bekanten in einem
bilde, so were unser wircken, noch wissen keyn
hindernuß.
10 Aber wann wir uns keren muͤssen
von einem uff daz ander, dovon mag es nit an uns in eim gesin on hindernuß
des andern.
11 Wann die seel ist also gebundenn
zuͦ den krefften, das sy mit in hinfleußt, wo sy hinfliessen.
12 Wann in allen werckenn, die sy wircken, da
muͦß die seel bey sein unnd mit in angedencken, oder sy
moͤchten mit ir nit gewircken.
24
13 Fleüßt sy dann mitt irem angedencken zuͦ
eusserlichen wercken, so muͦß sy inwendig von nott dester krencker
sein an iren inwendigen wercken.
14 Wann zuͦ
diser geburt will gott und muͦß haben ein unbekymmerte ledig frey
seel in der nichts sey dann er allein, noch die keynes dings, noch nyemans
warte dann sein allein.
15 Hier uff sprach
Christus:
16 "Der icht anders liebet dann mich," – und zalt vatter und
muͦter bruͦder und
schwester und vil ander ding
25 –
"der ist mein nit wirdig."
26
17 "Ich bin nit kommen uffs erdtrich fryd
zuͦ bringen, sunder daz schwert, das ich abschnid alle ding und
G
abscheide die schwester und den bruͦder, die muͦter, das
kind und fründ, die warlich fyend seind."
27
18 Wann
das dir heimlich und inne ist, das ist warlich dein fyend.
28
19 Will dein aug alle ding sehen und deine oren alle
ding hoͤren und deyn hertz alle ding bedencken – in der warheit: in
allen disen dingen muͦß dein sel
zerstreut werden.
20 Davon sprach ein meister:
21 "Wan der mensch ein inwendig werck
sol wircken, so muͦß er alle krefft inziehen recht als in
einen winckel der seel und sich
verbergen vor allen bilden und formen.
22 Und
aldo mag er wircken.
23 Hie muͦß er
kommen in ein vergessen und in ein nitwissen.
24 Es muͦß sein in eyner stille unnd in einem
schweygen, da dises wort sol gehoͤrt werden."
29
25 Und man mag
disem wort mitnichten baß gedie
Hnen, dann mit stilheit und mit
schweygen.
26 Damit mag man es gehoͤren, unnd da
[11ra] versteet man seyn liecht
30 in dem schweygen unnd in dem unwissen.
31
27 Da mann nicht weißt, da offenbaret es
sich.
1 Nun ergibt sich
hier eine [weitere] Frage:
2 Du könntest sagen:
3 "Lieber Bruder, wäre es nicht von höherem Wert,
wenn eine jegliche Kraft ihr eigenes Wirken behielte und sie einander nicht
bei ihrem Wirken behindern?"
4 Nun merke dir folgende
Erklärung:
5 Die Seligen sehen in Gott ein Bild an,
6 und in diesem Bild erkennen sie alle Dinge.
7 Ja, Gott selbst, der schaut genau so in sich und
erkennt in sich alle Dinge.
8 Er muss sich nicht von
sich weg dem anderen zuwenden, wie wir das tun müssen.
9 Verhielte es sich in unserem Leben so, dass wir die ganze
Zeit einen Spiegel vor uns legen könnten, in dem wir auf einen Schlag alle
Dinge sähen und in einem Bild erkennen würden, so wäre weder unser Handeln
noch unser Wissen ein Hindernis.
10 Aber weil wir uns
vom Einen dem Anderen zuwenden müssen, kann es nicht [gleichzeitig] in Einem
[einzigen] in uns sein, ohne dass das Andere behindert wäre.
11 Denn die Seele ist so mit den Kräften verbunden, dass sie
mit ihnen da hinfließt, wo [auch] sie hinfließen.
12 Denn in allen Tätigkeiten, die sie vollbringen, muss die Seele dabei sein
und mit ihnen [gedanklich] übereinstimmen, oder sie könnten mit ihr zusammen
nichts vollbringen.
13 Fließt sie sodann mit ihren
Gedanken zu äußerlichem Tun, so wird sie innerlich notwendigerweise umso
geschwächter sein bei ihrem inneren Wirken.
14 Denn zu
dieser Geburt will und muss Gott eine nicht anders beanspruchte,
unbelastete, freie Seele haben, in der nichts sein soll als er allein, und
die auch nicht auf irgendein Ding oder eine Person, außer [auf] ihn allein
ihr Augenmerk richtet.
15 Hierüber sagte
Christus:
16 "Wer etwas anderes liebt als mich," –
und zählte Vater und Mutter, Bruder und Schwester und viele andere Dinge auf
– "der ist meiner nicht würdig.
17 Ich bin nicht auf
die Erde gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert, dass ich alle
Dinge zerschlage und die Schwester und den Bruder, die Mutter, das Kind und
die Freunde [voneinander] trenne", die in Wahrheit [einander] feindlich
sind.
18 Denn, was dir vertraut und was du
verinnerlicht hast, das ist in Wahrheit dein Feind.
19 Wenn dein Auge alle Dinge sehen will und deine Ohren alle Dinge hören
[wollen] und dein Herz alle Dinge bedenken [will] – es ist wahr:
20 In allen diesen Dingen verliert sich deine Seele.
21 Darüber sagte ein Meister:
22 "Wenn der
Mensch ein innerliches Werk bewirken soll, so muss er alle Kräfte
hineinziehen wie in einen kleinen Winkel der Seele und sich vor allen
Vorstellungen und Vorbildern verstecken.
23 Und genau
dort kann er wirken. Hier muss er in ein Vergessen und ein Nicht-Wissen
gelangen.
24 Es muss in einer Stille und in einem
Schweigen sein, wenn dieses Wort vernommen werden soll."
25 Diesem Wort kann man in keiner Weise besser zu Diensten sein
als mit Stillhalten und mit Schweigen.
26 Nur dadurch
kann man es hören, und dort versteht man sein Leuchten in dem Schweigen und
im Nicht-Wissen.
27 Wo man nichts weiß, dort offenbart
es sich.
Abschnitt 12
Absatz 10
FN-Anzahl: 4
I
1 Nuͦn ist ein frag also:
2 "Herr, ir setzt alle unser heile in ein unwissen.
3 Das lautet als vil als ein gebrechenn.
4 Gott hatt
den menschen gemacht, das er wisse.
5 Also spricht der
Prophet:
6 'Herr mach sie wissende.'
32
7 Wann wo ein unwissen ist, da ist gebrech und
eytelkeit.
8 Und ein vyhischer mensch
33 ist ein aff und ein thor."
9 Dar zuͦ ist zuͦ
antwurten, das das war ist, als ferr er in
dem unwissen bleybt.
10 Merck aber:
11 Mann soll hiekommen in ein
überformet wissen und diß unwissen soll im nicht kommen vonn unwissen.
12 Aber mer: von wissen soll man kommen in ein
unwissen.
13 Wir sollen also werden unwissen mitt dem
goͤttlichenn wissen.
14 Unnd denn zuͦmal
württ geadlet unnd geziert unkindigkeit und unwissen mit dem übernatürlichen
wissen.
15 Unnd in disem, so wir unß leydlich halten,
seint wir vollkomner, dann ob wir wyrcketen.
16 Daruum spricht ein meister, das man mer lerne weyßheit von
hoͤren dann mit sehen.
34
1 Nun stellt sich folgende Frage:
2 "Herr, ihr macht unser ganzes Seelenheil von Unwissenheit
abhängig.
3 Das hört sich an wie eine Schwäche. Gott
hat den Menschen [doch] so erschaffen, dass er Wissen erwirbt.
4 Hierüber sagt der Prophet:
5 'Herr,
mach sie wissend.'
6 Denn, wo eine Unwissenheit ist,
da ist Schwäche und Leere,
7 und ein triebgesteuerter
Mensch ist ein Affe und ein Dummkopf."
8 Darauf muss
man antworten, dass das richtig ist, solange er [= der Mensch] in
Unwissenheit bleibt.
9 Denke aber daran:
10 Man soll in ein transformiertes Wissen gelangen, und dieses
Nicht-Wissen soll ihm nicht aus Unwissenheit entstehen.
11 [Ich mache es] noch deutlicher:
12 Aus
Wissen soll man in ein Nicht-Wissen kommen.
13 Wir
sollen dementsprechend unwissend werden durch das göttlichen Wissen.
14 Und dann würden Unkenntnis und Unwissen wertvoll
gemacht und geschmückt mit dem übernatürlichen Wissen.
15 Und in diesem werden wir vollkommener sein als wenn wir
[selbst] tätig wären, wenn wir uns empfänglich zeigen.
16 Deswegen sagt ein Meister, dass man größere Weisheit durch
Zuhören erwerbe als mit dem Sehen.
Abschnitt 13
Absatz 11
FN-Anzahl: 1
1 Man findt von einem heydnischenn meister, do er
lag unnd sterben woltt, do redeten seyne iünger vor im vonn grosser kunst,
unnd er huͦb seyn haubt uff unnd sprach:
2 "Eya
lassent mich noch die kunst lernenn das ich ir ewigklich
gebrauch."
35
1 Man findet [die Geschichte] von
einem heidnischen Meister, als er dalag und sterben wollte, da unterhielten
sich seine Jünger vor ihm von irgendeiner großen Kunst, und er hob seinen
Kopf und sagte:
2 "Ja doch, lasst mich diese Kunst
noch lernen, damit ich sie in der Ewigkeit nutzen kann."
Abschnitt 14
FN-Anzahl: 0
1 Das hoͤren bringt mer in, aber das sehen weyßt mer auß, ja, das
werck des sehens an im selber.
2 Darumb werden wir in
dem ewigen leben vil seliger seyn in der krafft des hoͤrens dann in
der krafft des sehens.
3 Wann das werck des
hoͤrens des ewigen worts das ist in mir, und das werck des sehens
geet vonn mir.
4 Unnd durch das hoͤren binn ich
leydende, unnd durch das sehen bin ich wyrckende.
1 Das Hören zieht stärker ins
Innere, und das Sehen weist stärker nach außen, ja, der Vorgang des Sehens
selbst [weist mehr hinaus].
2 Aus diesem Grund werden
wir in dem ewigen Leben mehr Seligkeit erfahren durch die Kraft des Hörens
als durch die Kraft des Sehens,
3 denn das Werk des
Hörens des ewigen Wortes befindet sich in mir, aber das Werk des Sehens geht
von mir aus.
4 Zudem bin ich beim Hören der
Empfangende, das Sehen aber vollbringe ich.
Abschnitt 15
FN-Anzahl: 5
1 Aber unser selig
Jkeit leyt
nitt an unserm wyrcken, sunder an dem, das wir gott leyden.
2 Wann also vil gott edler ist dann alle creaturen,
also vil ist daz werck gots edler dann das mein.
36
3 Ja, vonn unmessiger lieb hat gott unser seligkeit
gelegt in ein leyden.
4 Wann wir
[b]K
muge
nf mer leyden dann wircken und
unglychs mer nemen dann geben, unnd ein yegklich gab bereitet die
enpfengklicheit zuͦ einer neüwen gab.
5 Ein
yegklich goͤttlich gab, die wytert die entpfengklicheit unnd die
begerung zuͦ eim groͤssern und mer zuͦ entpfahen.
6 Davon sprechen etlich meister, an dem sey die
seel gott gleych
Lmessig wann als gott unmessig ist an dem
geben, also ist die sel unmessig an dem nemen oder entpfahen.
37
7 Unnd als gott ist allmechtig an dem wyrckenn, also
ist die sel abgründig am lyden.
8 Darumb würt sie übergeformet mitt gott unnd
in gott.
9 Gott soll wyrcken, unnd die seel soll leyden.
38
10 Er soll sich selber bekennen mit seyner bekentnyß
unnd soll lieben mit seyner lieb.
39
11 Darumb ist sie vil seliger mit dem seynen dann mit
dem iren.
12 Also ist die seligkeit mer gelegen an seyn
wercken dann an den irenn.
1 Unsere Seligkeit jedoch ist nicht von unserem Handeln
abhängig, sondern davon, dass wir Gott [in uns] empfangen.
2 Denn in demselben Maße, in dem Gott edler ist als alle
Geschöpfe, ist das Werk Gottes edler als das meine.
3 Ja, aus unermesslicher Liebe hat Gott unsere Seligkeit in Empfänglichkeit
gelegt,
4 denn wir können mehr empfangen als tun und
[wir können] ungleich mehr nehmen als geben, und eine jegliche Gabe bereitet
den Weg für die Empfänglichkeit einer neuen Gabe.
5 Jede göttliche Gabe erweitert die Empfänglichkeit und das Begehren nach
einem Größeren und danach, [noch] mehr zu empfangen.
6 Darüber sagen viele Meister, in dieser Hinsicht sei die Seele Gott gleich,
denn genauso wie Gott unermesslich im Geben ist, ist die Seele maßlos im
Nehmen oder Empfangen.
7 Und wie Gott in seinem Tun
allmächtig ist, genauso ist die Seele in ihrer Empfänglichkeit bodenlos
tief.
8 Darum wird sie mit Gott und in Gott
transformiert.
9 Gott soll wirken, und die Seele soll
empfangen.
10 Er muss sich selbst erkennen mit seiner
Erkenntnis und muss lieben mit seiner Liebe.
11 Aus
diesem Grund erlangt sie [= die Seele] mehr Seligkeit durch dem Seinen als
mit dem Ihren.
12 Ebenso ist die Seligkeit stärker
gegründet auf sein als auf ihr Wirken.
Abschnitt 16
Absatz 12
Absatz 13
FN-Anzahl: 1
1 Dionysius ward eins gefragt von synen jüngeren, warumb sie
Thimotheus alle vorlieff in einer
vollkommenheit.
2 Do sprach
sant Dionisius:
3 "
Thimotheus ist ein
gottleydender man, der in dem wolkündende überlieff alle menschenn."
40
4 Also ist deyn unwissen nit ein gebrech,
sunder deyn vollkommenheit und deyn lyden ist als das uͤberst
wyrcken.
5 Also in diser weyß so muͦßt du
ablassen alle deyne werck unnd muͤssen dann schweygen alle deyn
krefft, solt du in der warheit enpfinden diser geburt.
6 In dir solt du finden den gebornen künig.
7 Alles das du anders finden magst, das
muͦst du alles verlassen und zuͦruck werffen.
1 Dionysius wurde einst von seinen
Jüngern gefragt, warum Thimotheus sie alle übertreffe hinsichtlich der
Vollkommenheit.
2 Darauf antwortete der heilige
Dionysius:
3 "Thimotheus ist ein für Gott
empfänglicher Mensch, der alle Menschen darin übertraf, dies hervorragend zu
vollbringen."
4 Ebenso ist dein Nicht-Wissen keine
Schwäche, sondern deine Vollkommenheit und deine Empfänglichkeit hat
denselben Wert wie das höchste Werk.
5 In derselben
Weise musst du von allen deinen Werken ablassen, und alle deine
[Seelen-]Kräfte müssen dann schweigen, wenn du wirklich diese Geburt
erfahren willst.
6 In dir wirst du den geborenen König
finden.
7 Alles, was du darüber hinaus finden kannst,
musst du zurücklassen und zurückdrängen.
Abschnitt 17
FN-Anzahl: 1
1 Das wir alles das verlassen unnd abkeren, das disem geboren kindt nitt wol
gefalle, das helff unß gott.
41
2 Amen.
1 Gott helfe uns, dass wir alles das verlassen und uns [von
dem] abwenden, was diesem neugeborenen Kind nicht wirklich gefällt.
2 Amen.