Auswahl: Übersetzer

190 H.....r, O. L. [= Otto Leonhard Heubner] (1812-1893)4 ADB

"Shakespeare", in: English Poets. A Selection from the Works of the British Poets from Chaucer to Tennyson with a German Translation by O. L. H.....r (Leipzig: George Wigand, 1856), S. 54-71. (Sonette auf S. 54-61)

Online verfügbar.)

7 Sonette: 29, 39, 66, 76, 105, 116, 128.

Zweisprachige Ausgabe mit "Vorrede" (S. v-vi); enthält daneben Auszüge aus Passionate Pilgrim, Measure for Measure, Romeo and Juliet und Hamlet.

Vorrede (v-vi):

Die Uebertragung dieser Gedichte ist die Frucht mancher einsamen Stunde. Der Verfasser hat sich damit mehrere Jahre beschäftigt; nicht ausschließlich, aber viel, und immer mit Liebe und einer Hingebung, welche um so natürlicher war, je mehr sie ihren Lohn in sich trug. Sie brachte in eine düstere Gegenwart den Trost des Vergessens und in eine lastende Zeit die überwindende Kraft, welche aus Allem hervorströmt, was sich über die Zeit erhebt.
Doch wozu diese Bemerkungen hier, und was sollen sie sagen? Nichts Anderes, als daß die Arbeit ein Erzeugniß ernsten Einlebens in ihren Gegenstand, daß sie eine Herzensarbeit ist, die dem freundlichen Leser mit der Bitte entgegentritt, sie in diesem Sinne hinzunehmen und ihr dann und wann ein solches Stündchen zu widmen, wo man gern Seele zu Seele sprechen läßt.
Der Verfasser ging bei der Bearbeitung von folgenden Gesichtspunkten aus. Die Gedichte sollten in Form und Behandlung nichts Fremdartiges an sich tragen und in der Darstellung so gehalten sein, als ob sie ursprünglich in deutscher Sprache geschrieben wären; sie sollten aber auch bei der Vergleichung mit dem Original dieses letztere Zug für Zug wieder finden lassen.
Außerdem hat sich der Verfasser bemüht, durchgehends die möglichste Klarheit zu erreichen und auch dunklere Stellen in einem bestimmten deutlichen Sinne aufzufassen.
Wäre es ihm geglückt, diesen Anforderungen zu genügen, so könnte seine Uebersetzung auch den Freunden der englischen Sprache insofern nicht unwillkommen sein, als sie wesentlich dazu beitragen müßte, die Freude am Original zu erhöhen, ein inniges Eingehen in dasselbe zu vermitteln und das Verhältniß, welches zwischen beiden Sprachen rücksichtlich ihres Umfangs – in Fülle, wie in Elasticität – stattfindet, zu veranschaulichen. Damit der Leser derartige Vergleichungen mit Bequemlichkeit anstellen könne, sind Original und Uebersetzung neben einander gedruckt worden.
Bei der Auswahl wurde neben der Rücksicht auf den innern Werth der Gedichte das Absehen zugleich dahin gerichtet, die Dichter durch die von ihnen mitgetheilten Dichtungen soviel als möglich zu charakterisieren.
Möchte die Uebersetzung den Vorzügen der Original-Gedichte annähernd entsprechen; dann bedürfte sie keiner weitern Empfehlung.

Nachdruck:

Ulrich Erckenbrecht, Shakespeare Sechsundsechzig. Variationen über ein Sonett (Shakespeares Sonett Nr. 66 in 88 deutschen Translationen). Gesammelt, ediert und kommentiert von Ulrich Erckenbrecht (Göttingen: Muri Verlag, 1996), S. 155. (=1110)


Fußnoten

4 Die Unterdrückung des vollen Namens ist darauf zurückzuführen, daß die Anthologie von Heubner während der Verbüßung einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe in Waldheim erstellt wurde, von der er 1859 begnadigt wurde.